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»Ich habe keinen Plan. Wenn mich etwas bewegt, schreibe ich ein Lied.«
Johanna Moll * Foto: Andreas Stutz

5 Minuten mit ...


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Johanna Moll

Bittersüße Lieder

Das Bonmot „Liebe an sich strengt an“ könnte von Johanna Moll sein, stammt aber aus dem Roman Das kunstseidene Mädchen von Irmgard Keun. An diese Romanfigur könnte man denken, wenn man die Sängerin und Schauspielerin erlebt. Noch ist Johanna Moll ein Geheimtipp, aus dem sie als Grand Dame des kabarettistischen Chansons hervorgehen könnte, in den Fußstapfen einer Claire Waldoff oder eines Georg Kreislers. Ihre magisch dunkle Stimme, die zwischen Verführung und Widerspenstigkeit gicksen und glucksen kann, ihre wunderbaren, voll Mimik und Gestik vorgetragenen Beziehungsgeschichten, die zauberhafte Märchen für erwachte Erwachsene sind, und schließlich ihr betörend ummantelndes Akkordeonspiel – all das macht sie zu einer charismatischen Bühnenperson, deren Faszination unendlich zuhören lässt.

Text: Stefan Sell

„Hallo, mein Name ist Johanna Moll und meine Lieblingsbeschäftigung ist Liebeslieder schreiben“, heißt es in ihrem „Bösen Heimatlied“. Es erzählt von ihrer Herkunft: „Ich weiß nicht, ob noch jemand aus einer sehr kleinen Stadt kommt so wie ich und dort immer weg wollte. Und warum?“ Das erklärt Moll kunstreich in bitterböser Abrechnung und zarter Liebeserklärung zugleich.
Sie stammt aus Finsterwalde, umgeben von der Heidelandschaft der Niederlaussitz, ging nach Berlin und zog der Liebe wegen nach Erlangen. Die Liebe ging, sie blieb. Doch der Name Finsterwalde könnte Programm sein. Eines ihrer bekanntesten Lieder ist „Das Mädchen und der Wolf“. Darin kokettiert sie mit Ängsten, mokiert sich über Merkwürdigkeiten, Missstände und Angepasstheit. Die Mutter warnt, nicht in den dunklen Wald zu gehen, da sei der Wolf. „Ick hab aber Lust in ’n Wald zu jehn“, berlinert sie. „Und ick will da ooch mal den Wolf sehn. Ick weeß jar nich, wa, wat da jetz mal so schlimm dran sein soll. Bestimmt starrt er mir an, lüstern, bejehrlich und blutrünstig, und dette, det reizt mir, wa!“ Im Refrain singt sie dann davon, was sie so reizt, nämlich dass sie einer so anstarrt und sie heiß begehrt, sie will was erleben, „deswejen heißt dett Leben doch ooch Leben“.
Im richtigen Leben hat sie BWL studiert und arbeitet halbtags als Steuerfachangestellte. „Das ist ja nicht unbedingt etwas, was man sich aussuchen kann. Bestimmte Dinge müssen bezahlt werden, dafür muss ich Geld verdienen.“ In der anderen Zeit arbeitet sie an ihren Bühnenprogrammen wie „Liederluderartistik“, reist und gibt Konzerte. „Ich arbeite sehr lange an den einzelnen Liedern und bin ewig unzufrieden. Bis sich da mal ein ,Jetzt-ist-es-gut-Gefühl‘ einstellt, das dauert. Außerdem ist es ja so, dass ich nicht Musik studiert habe. Ich habe dann oft das Gefühl, mir fehlen der Hintergrund und Jahre des Übens auf meinem Instrument, das ich erst mit Anfang dreißig angefangen habe zu spielen.“ In jungen Jahren hatte sie klassischen Klavierunterricht, dann aber den Zugang zur Musik verloren und erst viel später wiedergefunden. Sie sagt, sie sei eine Spätberufene. Auf die Frage, ob sie je versucht habe, ausschließlich von der Kunst zu leben, antwortet sie mit einem klaren „Nein“, und auf ihre Träume angesprochen: „Ich habe keinen Plan. Wenn mich etwas bewegt, schreibe ich ein Lied, arbeite daran, und wenn ich es gut genug finde, singe ich es irgendwann vor Publikum.“

... mehr im Heft.