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Backkatalog   Ausgabe Nr. 2/2016   Internetartikel
»Ich habe das mit der Gitarre verdiente Geld verwendet, um die Gitarre loszuwerden.«
Germán Díaz * Foto: Xaime Cortizo

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Auswahldiskografie:


Solo:
Metódo Cardiofónico
(Producciones Efímeras, 2014)

Pi (O Sea, Pi)
(Producciones Efímeras, 2008)

El Suéter De Claudia
(Fonomusic/Warner, 2003)


Kooperationen:
Oh Trío
(A. Bravo, G. Díaz, D. Martin), Cancionero Gallego (Producciones Efímeras, 2015)

Brigada Bravo & Díaz, Músicas Populares De La Guerra Civil
(Producciones Efímeras, 2009)

Germán Díaz y Pascal Lefeuvre, Dúo De Fuego
(Fundación Joaquín Díaz, 2005)


Cover Cancionero Gallego


Kurbelmusik im Herzschlagrhythmus

Germán Díaz

Magier der Drehleier

Das Bild prägt sich ein: Auf der Bühne des Teatro Principal im spanischen Burgos stellt ein junger Musiker diverse Kurbelinstrumente vor. In erster Linie eine elektroakustische Drehleier. Auf einem Stativ steht eine winzige Spieluhr aus dem achtzehnten Jahrhundert, die mittels eines Lochstreifens glockenhelle Töne einer verträumten Melodie produziert. Auf einem Tischchen thront die größere Schwester der Spieldose, eine Drehorgel. Sie bezieht ihre Weise ebenfalls von einer Lochstreifengirlande und klingt wie eine nervöse, pulsierende Kirmesorgel auf Ecstasy. Germán Díaz spielt alle Instrumente gleichzeitig. Rein mathematisch geht diese Rechnung nicht auf – drei Kurbeln mit zwei Händen zu bedienen ist unmöglich. Also benötigt der Spanier noch ein weiteres „Instrument“, das ihm zu Füßen liegt. Mit einer elektronischen Loopmaschine nimmt Díaz nacheinander erst die Töne der kleinen Spieldose, dann die der größeren Drehorgel auf. Schließlich sampelt er den Klang der Bordunsaiten seiner Weichselbaumer-Tenordrehleier, die er zunächst nicht mit dem Rad streicht, sondern perkussiv zupft, ehe er die Melodie seiner Komposition „Pi“ intoniert. Zuletzt fügt er noch die hypnotischen Obertöne einer norwegischen Seljefloit hinzu.

Text: Ulrich Joosten

Germán Díaz ist ein in jeglicher Hinsicht ungewöhnlicher Musiker, der sich keinesfalls musikalisch festlegen lässt, weder als Instrumentalist noch als Komponist. Der Siebenunddreißigjährige ist in allen Genres zu Hause, wandelt auf traditionellen Volksmusikpfaden ebenso wie solchen der klassischen und der Jazzmusik, komponiert Soundtracks für Dokumentarfilme und Bühnenaufführungen, aber auch für Werbefilme. Inzwischen hat Díaz an zahlreichen Musikproduktionen unterschiedlichster Couleur auf über fünfzig CD-Produktionen mitgewirkt.
Díaz ist der Sohn eines Mediziners. „Mein Vater hat mich immer darin unterstützt, genau das zu tun, was ich wollte, meine Mutter sah das ein wenig anders. Als mein Bruder dann professioneller Bergsteiger wurde, waren die Eltern froh, dass ich mich entschied, Musiker zu werden – das ist ein weniger gefährlicher Beruf.“ Musik spielt in Díaz’ direktem Familienumfeld keine sonderlich große Rolle, wenn man von seinem Oheim absieht. Der ist niemand Geringerer als Joaquín Díaz González, ein Sänger, Musiker und Volksmusikforscher, der als erster sephardische Volkslieder auf Tonträger aufnahm. „Mein Onkel“, sagt Germán Díaz respektvoll, „ist in Spanien ein berühmter Musiker. Er hat um die einhundert LPs für die von ihm gegründete und nach ihm benannte Fundación Joaquín Díaz, eine Stiftung für traditionelle Musik in Spanien, aufgenommen, aber unter anderem auch im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks.“
Der junge Germán erhält zunächst eine private Ausbildung an der klassischen Gitarre. „Das war in meiner Heimatstadt das Instrument, für das ich am einfachsten einen Lehrer finden konnte. Ich liebe das Renaissancerepertoire für Vihuela noch heute.“ Díaz wendet sich später einem musiktheoretischen Studium zu und absolviert zudem eins der klassischen Philologie an der Universität seines Heimatortes Valladolid in der gleichnamigen nordspanischen Provinz. Nebenbei lernt er Schlagzeugspielen.
Die Drehleier kennt er schon aus Kindheitstagen von Onkel Joaquín. „Er spielte ein wenig Zanfona, wie das Instrument in Spanien genannt wird, um dazu traditionelle Lieder zu singen. Richtig aber habe ich die Radleier vor zweiundzwanzig Jahren bei einem Workshop kennengelernt, den die spanische Drehleiergesellschaft, die Asociacíon Ibérica de la Zanfona, im Kloster Santa María de La Santa Espina veranstaltete. Dort hörte ich Laurent Tixier mit seiner Gruppe Yole, die Volkstänze aus der Vendée spielten. Ich konnte dann günstig eine Drehleier kaufen, zu der ich ursprünglich singen wollte. Ich hatte vorher ein wenig zur Gitarre gesungen und damit einen Wettbewerb gewonnen. Von dem Preisgeld kaufte ich meine erste Leier. Ich habe sozusagen das mit der Gitarre verdiente Geld verwendet, um die Gitarre loszuwerden.“

... mehr im Heft.