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Ausgabe 5/2019


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 JENS CARELIUS: Opsi
JENS CARELIUS
Opsi
(Jansen Records)


Der Norweger Jens Jørgen Carelius Krogsveen ließ sich bei den acht Titeln seines aktuellen Albums vom Tagebuch seines Ururgroßvaters Friedrich Carl Gustav Dörries (1852-1953) – Spitzname „Opsi“ – inspirieren, eines Hamburger Vogel-, Pflanzen- und Insektenforschers, der von 1877 bis 1897 – teils zusammen mit seinen Brüdern – in Japan und Sibirien auf Schmetterlingsfang ging. Da die Dörriessens diese Expeditionen in bester Humboldt-Tradition überwiegend zu Fuß durchführten, hatten sie gelegentlich auch unliebsame Begegnungen mit Menschen und Tieren, denen man auch heute nur ungern in freier Wildbahn begegnen möchte. Friedrich D. hielt diese Erlebnisse in seinem Tagebuch fest. Ururenkel Jens hat sich bei der „Vertonung“ für eine musikalische Ausrichtung entschieden, die entfernt an Roy Harper, Nick Drake oder Kevin Ayers erinnert. Auch der Hinweis auf Porcupine-Tree-Mastermind Steven Wilson im Beipackzettel der Promo-CD ist durchaus schlüssig, haben wir es doch hier mit einer sehr feinsinnigen Variante von Progrock zu tun. Alles in allem ist Carelius’ aktuelles Album nicht nur ein Denkmal für den alten Herrn (der beinahe 101 Jahre alt geworden wäre …), sondern auch ein zeitlos schönes Konzeptalbum.
Walter Bast
 CHICUELO & MARCO MEZQUIDA (& PACO De MODE): No Hay Dos Sin Tres
CHICUELO & MARCO MEZQUIDA (& PACO De MODE)
No Hay Dos Sin Tres
(Galileo MC), mit span. Infos


Weil es ja sogar der Albumtitel heiter ausdrückt, sei der dennoch nicht auf dem Cover stehende Name des Dritten im Bunde bei uns auch gleich oben genannt! Das kongeniale Duo, der Barceloner Flamencogitarrist und der stärker als dieser dem Jazz zugeneigte, bis dato nicht ganz so flamenconahe Pianist aus Menorca, wäre ohne seinen Schlagwerker zwar lebensfähig, aber irgendwie nicht vollständig. Dies lässt sich auf nunmehr zwei Alben beeindruckend miterleben, wobei das neue noch ungleich reifer, runder und vollmundiger daherkommt. Acht von den beiden gemeinsam geschaffenen, teils atmosphärisch ausufernden Kompositionen bekommt man da in knapp fünfzig Minuten. Alles sehr frei und luftig, doch nicht minder essenziell gestaltet, so gut wie gar nicht konkreten Flamencorhythmen folgend. Den intimen, nach viel Verständnis und guten Vibes klingenden Dreierverbund öffnet man hier und da. Etwa dem stilistisch ebenso weitschweifigen Jazztrompeter Raynald Colom im gefühlsintensiven „Reloj De Arena“, einer Hommage an einen verstorbenen Musikerfreund. Im Samba „La Reina Del Tambor“ kommen mit Aleix Tobías und Antonio Sánchez vom renommierten Percussion-Ensemble Coetus zwei exzellente Percussionisten hinzu.
Katrin Wilke

 EGELAND, EDÉN, MARIN: Vol. 1
EGELAND, EDÉN, MARIN
Vol. 1
(Taragot), mit Noten u. norweg. u. engl.Texten


Das norwegisch-schwedische Trio liefert hier das erste gemeinsame Album – kaum zu glauben, so lange, wie sie schon in den unterschiedlichsten Kombinationen zusammengearbeitet haben! Aufgenommen in Rauland im Herzen von Telemark, legt die CD natürlich besonderes Gewicht auf norwegische Stücke aus Telemark, Vest-Agder und von der Südküste (ganz am Ende gibt es dann noch drei schwedische). Fast alles hat der Geigenvirtuose Ånon Egeland beigesteuert, aus seinem eigenen umfangreichen Repertoire oder aus den Sammlungen älterer Spielleute, die im wunderbar informativen Beiheft gebührend erwähnt werden. Besonders schön ist, dass auch die Instrumente vorgestellt werden. Ånon Egeland zum Beispiel spielt eine deutsche Geige mit Darmsaiten, die vermutlich vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts stammt, und eine Hardingfele, die um 1880 von Anders A. Heldal in Bergen gebaut wurde. Auf dieser reinen Instrumental-CD hören wir vor allem Halling und Springar, aber auch ein Brautmarsch (natürlich aus Schweden) und ein Walzer sind mit von der Partie. Unbedingt hörenswert, auch als Einstieg in die Musiktradition des Nordens bestens geeignet.
Gabriele Haefs
 MARIA FARANTOURI, CIHAN TÜRKOĞLU: Beyond The Borders
MARIA FARANTOURI, CIHAN TÜRKOĞLU
Beyond The Borders
(ECM), mit türk. u. griech. Texten u. engl. Infos


Maria Farantouri ist vielen vornehmlich als Interpretin der Lieder von Mikis Theodorakis bekannt. In der Tat nimmt sie seit Mitte der Sechziger immer wieder Tonträger mit dessen Kompositionen auf. Doch die griechische Diva kann mehr. So beschäftigt sie sich seit den Siebzigern mit türkischer Musik. 1976 fing sie an, Stücke von Zülfü Livaneli zu singen, konzertierte mit ihm und spielte dann das – zurecht mit dem Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnete – Album Ensemble ein, das zur Aussöhnung ihrer beider Völker nach jahrzehntelangen Spannungen und Bevölkerungsaustauschen beitrug. Nun hat sich Farantouri mit Cihan Türkoğlu (Bağlama, Kopuz, Stimme) zusammengetan, um traditionelle griechische, türkische, armenische und libanesische Lieder aufzunehmen. Mit dabei sind Anja Lechner, die mit ihrem eleganten Cellospiel schon viele ECM-CDs bereichert hat, sowie Meri Vardanyan am Kanun, Christos Barbas an der Ney und İzzet Kızıl an der Percussion. Das Sextett konzentriert sich ernsthaft, aber entspannt auf die Substanz der Stücke – ohne Interesse an Massenkompatibilität, Effekthascherei oder avantgardistischen Experimenten.
Ines Körver 

 THE KUTIMANGOES: Afrotropism
THE KUTIMANGOES
Afrotropism
(Tramp)


Nach zwei Veröffentlichungen auf dem Tramp-Label mit afrikanischen Gästen hier nun die dritte Produktion als reines Instrumentalalbum. 2012 starteten die dänischen Jazzmusiker Michael Blicher und Gustav Rasmussen als Kutimangoes mit dem Ziel, die westafrikanische Musik in der Tradition Fela Kutis mit der des unnachahmlichen Bassisten Charles Mingus zu verbinden. Afrikanisches manifestierte sich durch Gastmusiker aus Burkina Faso und Mali, wo die zweite CD in Teilen aufgenommen wurde. Viele dieser Einflüsse scheinen auch auf dem dritten Album durch, doch die Spritzigkeit und Originalität sind einer geschliffeneren Veredelung gewichen und der Klang ist durchweg dem eines europäischen Jazzorchesters näher als dem der afrikanischen Vorbilder. Es dominiert ein moderner, harmonischer „Wohlfühlsound“. Vom Ideengeber und Komponisten Gustav Rasmussen ist zu lesen, dass es nicht um Musikanthropologie gehe, sondern darum, gemeinsam Musik zu machen, die Menschen zusammenbringt. Und es gelingt den Kutimangoes überzeugend, durch ihren Afrobeat Herz und Ohr zu verbinden. Afrotropism ist das Ergebnis einer musikalischen Emanzipation und ein gelungener Schritt in die Eigenständigkeit.
Christoph Schumacher
 LOCAL STORE: Magpie And The Moon
LOCAL STORE
Magpie And The Moon
(BJK Music), mit Texten


Wer sich nach Year Of The Cat zurücksehnt, sollte Local Store eine Chance geben. Die Norweger erzeugen einen Sound, der die Siebzigerjahre-Songs von Al Stewart oder Dan Fogelberg so perfekt abbildet, dass man Magpie And The Moon auf Vinyl besitzen möchte, am besten mit Klappcover und Textbeilage. Hört man genauer hin, fällt einem das brillante Gitarrenspiel auf, welches sich schamlos der Techniken bedient, die erst seit wenigen Jahren erforscht sind. So wirkt Local Store musikalisch altmodisch, man stellt sich diese Musik aber dennoch eher auf Jugendfestivals vor. Hinter dem Projekt steckt Bjorn Klakegg, den Progrock-Fans von der Formation Needlepoint kennen. Klakegg war von seinem Gitarrenschüler und Indie-Rock-Musiker Matthias Krohn Nielsen so begeistert, dass er eine Bandgründung vorschlug. Das Ergebnis ist ein kleines Kunstwerk. Hier treffen sich Gleichgesinnte und veröffentlichen das, was sie wollen und können. Der kommerzielle Erfolg steht im Hintergrund, und vielleicht hat gerade deshalb Magpie And The Moon das Potenzial, auch in vielen Jahren noch gehört zu werden.
Chris Elstrodt

 ANTTI PAALANEN: Rujo
ANTTI PAALANEN
Rujo
(Westpark Music)


Ein voller Inbrunst gespieltes Akkordeon vereint sich mit eingängigen EBM-Beats. Der Mix ist gleichzeitig minimalistisch und opulent, da der Finne Paalanen auch noch sibirischen Obertongesang und elektronisch modulierten Gesang hinzufügt. Das wirkt martialisch, doch dann hören wir sein Instrument wieder mit einer zarten und leisen Melodie solo. Diese Vielfalt ist wohl konzipiert, ist längst über die Erfahrung des Experiments hinaus. Paalanen prescht gekonnt aus der Tradition vor in die Avantgarde und wieder zurück, und es wirkt nie angestrengt, aber voller Feingefühl aufeinander abgestimmt oder bewusst kontrastreich. Bis auf ein traditionelles Stück sind alle selbst komponiert. Es gibt kaum Lücken zwischen den zehn Stücken, und in den Texten geht es um die existenziellen Momente des Lebens – Liebe, Abschied, Tod, das Universum. So heißt es im dritten Song, „Jää Hyvästi“, über den tragischen Abschied eines geliebten Menschen: „Hätte ich es früh genug verstanden, hätte ich deine Hand fester festgehalten. Wenn ich heute gehe, sehe ich dich nie wieder.“ Es handelt es sich hierbei um den letzten, den praktischen Teil von Paalanens Doktorarbeit, die er an der Sibelius-Akademie gefertigt hat. Überwältigend und großartig.
Imke Staats
 ERMANNO PANTA & BANDA ZEITUN: Isla Musca
ERMANNO PANTA & BANDA ZEITUN
Isla Musca
(NarRator Records)


Hin und wieder schlägt der Blitz ein. Man hört sich eine CD an und ist schon nach den ersten Takten hin und weg. „Tarantella Moruna“ heißt das Stück, die Band spielt jazzig, mit der Power einer Rockband und einem Sänger, dessen intensiver Gesang einen wegbläst. Die Stimme kommt meist von Ermanno Panta, dem sizilianischen Flötisten und Saxofonisten der Gruppe aus Formentera, der kleinsten Baleareninsel. Die vier Männer wirken optisch wie aus der Zeit gefallen. Sie tönen denn auch wie Folkjazz-Bands aus der Zeit, als die Ideen so wild in alle Richtungen sprossen wie die Haare und Bärte. Mediterrane Musik aus Andalusien, Formentera und Sizilien nennen sie ihre Mischung, die nach Flamenco, lokalen Folkeinflüssen, Progrock und afrokubanischem Jazz schmeckt. Ihre Texte sind inspiriert von der Poesie von Abu Al Arab, einem arabisch-sizilianischen Poeten und Reisenden aus dem elften Jahrhundert. Sie singen auf Spanisch, Katalanisch und Sizilianisch – mit einem arabischen Einschub. Für diesen ist die hervorragende Gastsängerin María Keck verantwortlich. Mit weiteren Gästen ist ein Album entstanden, das bis zum letzten Ton fasziniert und bezaubert.
Martin Steiner

 SAULIUS PETREIKIS: Jurese
SAULIUS PETREIKIS
Jurese
(Saules Muzika)


Ein Album, bei dem man die Schönheit, Weite und Freiheit der Natur schmecken, riechen und berühren kann. Der litauische Multiinstrumentalist ist nicht nur ein unglaublich begabter Musiker. Der klassisch ausgebildete Trompeter hat vor allem Zugang zu einer unbändigen Kreativität, mit der er seit Jahren immer neue Tiefen der Weltmusik entdeckt. Auf seinem bereits zehnten Album besticht Petreikis durch unter die Haut gehende Melodien und vielschichtige Arrangements. „In den Meeren“ spielte er erstmals mit einem Streichsextett ein. Er selbst begeistert in den zehn mit seinem Bruder Donatas komponierten Stücken unter anderem auf der Trompete, der Querflöte, der indischen Bansuri, der diatonischen Birbney und der irischen Flöte. Aufgewachsen in einer Musikerfamilie, verbindet Petreikis litauischen Folk mit skandinavischen oder irischen Stilen sowie südländischen Klängen. Themen seiner mit viel Gefühl vorgetragenen, meist instrumentalen Stücke sind seine litauische Heimat und seine Begegnungen mit der Welt. Dabei verdeutlichen schon die Titel wie „Glück“, „Freundschaft“, „Auf dem Meer“ oder „Die Biene verweilt“ seine innige Bindung an sein Zuhause – und als Zuhörer hat man Lust, sofort die Koffer zu packen.
Erik Prochnow
 ROKSANA VIKALUK: Personnages Vol. 1
ROKSANA VIKALUK
Personnages Vol. 1
(Eigenverlag)


Für dieses Album sollte man sich Zeit nehmen, die Augen schließen und dann in die verschiedenen Welten eintauchen, die sich innerlich auftun. Das in der Ukraine geboren Multitalent begeistert mit einer wahren Fülle an Kreativität. Personnages ist wie ein Theaterstück, das in jedem der dreizehn Kapitel ganz neue Charaktere und Geschichten erzählt. So trifft das jüdische Gebet auf eine dänische Wikingerballade, ein traditionelles Lied des Karpatenvolkes der Lemko oder ein avantgardistisches Gedicht. Die zum größten Teil eigenen Kompositionen der in Polen und Deutschland wirkenden Sängerin, Multiinstrumentalistin und Schauspielerin orientieren sich vor allem an ukrainischer und jüdischer Folkmusik. Ihre Arrangements jedoch bewegen sich in einem breiten Spektrum, das von sakralem Gesang über elektronische Klänge, minimalistische Begleitungen, etwa per Maultrommel, bis zu sanften und jazzigen Klavierpassagen reicht. Immer steht jedoch Roksana Vikaluks ausdrucksstarke Stimme im Zentrum. Ein Album mit Gänsehautfaktor. Beim Öffnen der Augen hinterlässt es das Gefühl, man hätte dreizehn verschiedene Musikerinnen aus den unterschiedlichsten Kulturen kennengelernt.
Erik Prochnow