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 MICHAEL KLEFF, HANS-ECKARDT WENZEL [Hrsg.]: Kein Land in Sicht : Gespräche mit Liedermachern und Kabarettisten der DDR / Michael Kleff [Hrsg.], Hans-Eckardt Wenzel [Hrsg.].
MICHAEL KLEFF, HANS-ECKARDT WENZEL [Hrsg.]
Kein Land in Sicht : Gespräche mit Liedermachern und Kabarettisten der DDR / Michael Kleff [Hrsg.], Hans-Eckardt Wenzel [Hrsg.].
christoph-links-verlag.de
(Berlin : Links, 2019. – 336 S.)
ISBN 978-3-96289-038-4 , 20,00 EUR


Fast dreißig Jahre nach dem Mauerfall kommt dieses Buch zur richtigen Zeit. Der einstige Folker-Chefredakteur Michael Kleff – damals noch Folk-Michel – hatte zwischen 1990 und 1992 über dreißig Interviews mit DDR-Liedermachern, Kabarettisten und anderen Künstlern geführt, darunter prominente wie Gisela May, Bettina Wegner und Stephan Krawczyk oder weniger bekannte wie Udo Magister und Jens Quandt. Diese erscheinen nun als Buch und bilden treffend die Gefühlslage im Osten Deutschlands unmittelbar nach der Wende ab. Das Positive in der DDR-Kultur droht verloren zu gehen, um durch die Marktwirtschaft ersetzt zu werden. Gravierende Veränderungen kommen dadurch auf die Künstler zu. Liedtexte und Pointen sind unbrauchbar geworden, aber auch einstige Privilegien. Man sorgt sich um die finanzielle Absicherung und beklagt, dass banale Comedy politische Kunst verdrängen wird. Gleichzeitig findet eine Aufarbeitung der DDR statt, beispielsweise durch den großartigen Liedtext „Verantwortung“ von Martin Miersch, der präzise vorwegnimmt, woran die DDR scheitern musste. Gerhard Gundermann dazu: „Wir kamen nie ans Ruder, weil die Alten dran gesessen haben.“ Und Norbert Bischoff: „Die Leute, die ... [1989] versucht haben, in der Gesellschaft was zu bewegen, stehen jetzt wieder hintenan.“ Erstaunlich beim Lesen ist, wie vieles damals richtig für die Zukunft vorhergesehen wurde und wie erschreckend aktuell manche Äußerungen sind, zum Beispiel über die Ausbeutung armer Staaten. Höhepunkt des Buches ist für mich das zweite Gespräch mit Wenzel. Die beiden Vorworte von ihm und von Michael Kleff bringen das Thema auf den Punkt. Die Künstlerbiografien von Lutz Kirchenwitz sind sorgfältig recherchiert, die Fußnoten eine sinnvolle Ergänzung. Ein wenig schade nur, dass es keine Gespräche mit DDR-Folkmusikern gibt, sie werden aber zumindest von Liedermacher Dieter Kalka erwähnt. Trotzdem eines der wichtigsten Bücher zum Thema Kultur in Zeiten des Übergangs in ein neues Gesellschaftssystem.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer
 CLINTON HEYLIN: What we did instead of holidays : a history of Fairport Convention and its extended folk-rock family.
CLINTON HEYLIN
What we did instead of holidays : a history of Fairport Convention and its extended folk-rock family.
route-online.com
(Pontefract : Route, 2018. – 384 S. : mit zahlr. Fotos)
ISBN 978-1901927-73-3 , 25,00 GBP


„Fairport waren nie eine erfolgreiche Band. Aber ihr Einfluss – als Gruppe oder einzeln – war enorm.“ So fasste der bekannte DJ John Peel erfreulich knapp und präzise zusammen, welchen Status Fairport Convention bis in die Achtzigerjahre genoss. Heute sind die Fairports reife Musiker, die niemandem etwas beweisen müssen und aus Spaß an der Freude immer noch regelmäßig touren. Die alljährlichen Cropredy-Wiedervereinigungsfestivals mit all ihren illustren Gästen haben Kultcharakter, aber in den Sechziger- und Siebzigerjahren war der Fairport-Folkrock zumindest neu, ja, fast schon revolutionär. Genau um diese Zeit (1965-1982) geht es in diesem Buch. Autor Clinton Heylin hat hunderte von Interviews mit der großen Gruppe von Involvierten zusammengeschnitten, verbunden und kommentiert und so ein sehr lebendiges, chronologisches Bild von dem geschaffen, was man tatsächlich in seiner Gesamtheit die Fairport-Familie nennen kann. Die letzten beiden der 18 Kapitel widmen sich dann ausschließlich Richard Thompsons Rückkehr von der Sufi-Isolation. Besonders gut herausgearbeitet wird die Tatsache, dass all diese teils genialen Musiker eine unglaubliche Menge an persönlichen Problemen mit sich rumschleppten, mit Ausnahme vielleicht von Simon Nicol, der meist als ruhiger Zeitgenosse rüberkommt, aber das einzige weiterhin aktive Gründungsmitglied ist. Übergroße Egos (Swarbrick), extreme Gefühlsschwankungen (Denny) oder chronische Rastlosigkeit (Hutchings) sind nur drei Beispiele, die verdeutlichen, warum die Fairport-Formationen der Sechziger/Siebziger personell nie über eine längeren Zeitraum Bestand hatten. Euphorie, Lethargie und Trauer sind Komponenten dieser Geschichte. Doch trotz aller persönlichen Wunden begreifen sich die Überlebenden bis heute völlig zu Recht als Teil dieser einzigartigen Familie. Diese unlogische Logik so klar und deutlich herausgearbeitet zu haben, ist Clinton Heylins großer Verdienst. Wer die damalige Zeit auch nur in Ansätzen mitbekommen hat, wird das Buch mit Gewinn lesen.
Mike Kamp

 PHILIP R. RATCLIFFE: Mississippi John Hurt : his life, his times, his Blues.
PHILIP R. RATCLIFFE
Mississippi John Hurt : his life, his times, his Blues.
upress.state.ms.us
(Jackson, MS : Univ. Press of Mississippi, o. J. – 308 S. : mit Abb.)
ISBN 978-1-4968-1835-5 , 34,00 USDR


Ausgerechnet ein Brite ist es, der die erste, lange überfällige und definitive Biografie eines der wichtigsten und einflussreichsten Bluesgitarristen geschrieben hat. Obwohl Philip R. Ratcliffe Mississippi John Hurt nie persönlich kennengelernt hat (der Musiker verstarb im November 1966), liefert er dennoch ein vielschichtiges Porträt ab. Ratcliffe betrieb akribische Archivforschung, interviewte viele Familienangehörige Hurts, Schüler, Freunde und Musiker, und zeichnet so ein Bild des Gitarristen aus den verschiedenen Blickwinkeln seiner Zeitgenossen. Der 1892 geborene Farmarbeiter John Hurt hatte mit neun Jahren von seiner Mutter eine Gitarre (für 1,50 Dollar) geschenkt bekommen und 1928 eine Schellack-Platte für Okeh Records aufgenommen, ehe er völlig in Vergessenheit geriet, bis ihn der Musikforscher Tom Hoskins 1963 in Hurts ländlichem Heimatort Avalon ausfindig machte und im gleichen Jahr auf dem Newport Folk Festival einer staunenden Fangemeinde vorstellte. All das erzählt Ratcliffe mit viel Liebe zum Detail und anekdotenreich. Der Autor porträtiert aber auch eine Ära Zeitgeschichte ab den Zwanzigerjahren bis zur Folk- und Bluesszene der Sechziger, erörtert das soziokulturelle Umfeld des farbigen Gitarristen und spürt den frühen Musikeinflüssen nach, die den Country-Bluesgitarristen und -sänger zu dem einzigartigen Künstler gemacht haben, der nach seiner Wiederentdeckung in den nur drei verbleibenden Jahren bis zu seinem Tod die Folkwelt im Sturm eroberte und unzählige Gitarristen beeinflusste. Das Buch enthält viele (auch vorher nie gesehene) Fotos, Plattencover (eines mit Original-Autogramm), Faksimiles z. B. von Hurts Heiratsurkunde, handschriftliche Notizen, Plakate sowie eine ausführliche Diskografie. Spannend, informativ, unverzichtbar.
Ulrich Joosten
 BRUCE HOROVITZ: Gamble Rogers : a troubadour’s life.
BRUCE HOROVITZ
Gamble Rogers : a troubadour’s life.
upf.com
(Gainesville, FL : Univ. Pr. of Florida, 2018. – 228 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-0-8130-5694-4 , 24,95 USDR


Gamble Rogers starb 1991, als er einem Menschen das Leben retten wollte, und die amerikanische Folkmusik verlor einen ihrer bedeutendsten Vertreter. Der 1937 geborene James Gamble Rogers IV aus Florida hätte gemäß der Familientradition Architekt werden sollen, doch die Liebe zur Musik war stärker. Inmitten des Folkrevivals schaute er Anfang der Sechziger in New York bei einem Vorsingen der Folkgruppe Serendipity Singers vorbei und wurde sofort verpflichtet. Später wurde er zu einem der bedeutendsten Folksänger des „Sunshine State“. In der sich verändernden Welt erinnerte Rogers an das alte, ländliche Florida. Seine Songs spielten oft im fiktiven Oklahawa County, Florida. Ein Stilmittel, das sicher durch William Faulkners ebenfalls fiktives Yoknapatawpha County beeinflusst war, denn Faulkner traf er mehrmals in seiner Studienzeit. Rogers County war ein Folkkosmos mit schillernden Figuren und humorvollen Storys. Und so wurde der Sänger oft mit Mark Twain verglichen, Pete Seeger schätzte ihn sehr. Bruce Horovitz schildert eindrücklich das Faszinierende an der Person des Gamble Rogers’. Dieses Buch ist ein idealer Einstieg dafür, sich wieder des Florida-Troubadours zu erinnern.
Thomas Waldherr

 JAMES SULLIVAN: Which Side Are You On? : 20th Century American History In 100 Protest Songs / Mit e. Vorw. von The Reverend Lennox Yearwood & Bill McKibben.
JAMES SULLIVAN
Which Side Are You On? : 20th Century American History In 100 Protest Songs / Mit e. Vorw. von The Reverend Lennox Yearwood & Bill McKibben.
global.oup.com
(New York, NY : Oxford Univ. Pr., 2019. – 242 S.)
ISBN 978-0-1906-6032-1 , 24,95 USDR


In neun Kapiteln untersucht der Autor den Zusammenhang von sozialen Bewegungen in den USA – darunter Gewaltlosigkeit, Bürgerrechte, Umwelt, Meinungsfreiheit, Rechte der Homosexuellen und Anti-Atom-Initiativen – mit Songs zu den jeweiligen Themen. Das letzte Kapitel befasst sich mit aktuellen Protesten und der Trump-Ära. Das Buch will keinen umfassenden Überblick bieten, doch auch der selektive Ansatz zeigt Mängel. Einmal unternimmt Sullivan keinen Versuch, das Phänomen Protestsong für sich klar zu definieren. Nicht nur die Tatsache, dass im Zusammenhang mit Songs der Arbeiterbewegung das Wort „Klassenkampf“ nicht einmal auftaucht, entlarvt seine bürgerlich-liberale Grundhaltung. Auch die wichtige Rolle, die die KP in den Arbeiterkämpfen vom Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts spielte, wird nur am Rande erwähnt. Die feministische Gegenkultur der Siebzigerjahre fehlt in Sullivans Betrachtung ebenso wie die u. a. in Liedern von Woody Guthrie dokumentierte Geschichte der Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti. Als Einführung mag Sullivans Buch geeignet sein, doch für eine mit dem Thema vertrautere Leserschaft weist es viele Lücken an Namen, Ereignissen und Songtiteln auf.
Michael Kleff