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Ausgabe 3/2019


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 BAD TEMPER JOE: The Maddest Of Them All
BAD TEMPER JOE
The Maddest Of Them All
(Timezone), mit engl. Texten


Bluessongs leben von Geschichten und vom Erzählen. Der Bielefelder Songwriter, Sänger und Gitarrist Bad Temper Joe setzt genau diese Tradition mit eigenen, modernen Bluessongs fort. Sein Album The Maddest Of Them All präsentiert 22 Lieder aus eigener Feder – Old-School-Blues mit Countryflair. Die Songs dieses neuen Doppelalbums hat er in „Act I“ und „Act II“ aufgeteilt. Dies ist bereits die sechste Studioproduktion des 26-Jährigen – und das innerhalb von fünf Jahren. Bad Temper Joe gelingt es während des ganzen Albums, spannende Bluesgeschichten zu erzählen. Mal geht es um die Sucht, permanent auf das eigene Handy zu schauen, dann erzählt er von einem Yankee-Soldaten im amerikanischen Bürgerkrieg oder er singt über einen flüchtenden Outlaw. Zu seinen persönlichsten Songs gehören die über das Leben als reisender Musiker. Langweilig wird es nie, dafür sorgen neben den Texten seine ausdrucksstarke, bluestypische Stimme, sein Gitarrenspiel und der Wechsel zwischen intimer Soloperformance und mitreißender Band. Man spürt, dass diese Musik im Studio live und ohne Overdubs eingespielt wurde – so klingt Blues wirklich nach Blues!
Udo Hinz
 HELMUT DEBUS: Frömde Frünnen
HELMUT DEBUS
Frömde Frünnen
(Eigenverlag, 2019), mit Texten


Gleich der erste Song seines zwanzigsten Albums ist ein Wiederhören mit einem alten Bekannten. „Waterland“, der Titelsong seiner 1982 erschienenen siebten CD, erklingt in aktualisierter Form und wie alle zwölf Lieder dieses formidablen, im Studio live aufgenommenen Jubiläumswerks musikalisch in modernem, rockigem Arrangement. Debus singt mit Hingabe und spielt Gitarre, unterstützt wird er von Michael Jungblut an der E-Gitarre, Iko Andrae am Kontrabass und Andreas Bahlmann am Schlagzeug. Die Band klingt auch auf diesem dritten gemeinsamen Album wie aus einem Guss und schneidert den Songs ein musikalisch geschmackvolles Klangkleid auf den Leib. Fünf seiner Lieblingslieder präsentiert Debus in spannenden Neuinterpretationen. Hinzu kommen sieben „frömde Frünnen“, poetische plattdeutsche Coverversionen wie „De Pahl“ nach dem 1968 entstandenen Widerstandslied des katalanischen Liedermachers Lluis Llach, die freie Neuinterpretation zweier Dylan-Songs oder „Morgen fröh bün ik gahn“ nach Tom Waits. Und ein Novum gibt es auf der Jubel-CD: Debus singt Hochdeutsch, Hanns Dieter Hüschs „Abendlied“ beispielsweise oder „Kinder“ von Bettina Wegner! Der Altmeister klingt mit siebzig so, wie es in seiner plattdeutschen Fassung eines weiteren Dylan-Klassikers so schön heißt: Op ewig jung!
Ulrich Joosten

 INGO HÖRICHT: Minor
INGO HÖRICHT
Minor
(The Border Productions)


Er komponiert eigentlich ständig, ob beim Spazierengehen, beim Autofahren, am Strand oder in seinem kleinen Haus mit dem großen Garten in der Nähe von Bremen. Der studierte Violinist und Komponist ist immer von Musik erfüllt. Das Ergebnis sind zahlreiche Projekte wie Mellow Melange oder das Schné Ensemble (siehe eigene Rezension), die von ihm gegründet wurden und bislang mehr als dreißig Alben einspielten. Sein jüngstes Produkt verursacht dabei geradezu Suchtcharakter. Moderne Kammermusik jenseits aller Klassifikationen könnte man die achtzehn wunderbaren Kompositionen auf Minor („Moll“) nennen. Seine bildhaften instrumentalen Kompositionen zwischen Klassik, Chanson, Jazz, Filmmusik und Folkballaden verströmen einen harmonischen Charakter, der den Hörer ab dem ersten Ton gefangen nimmt, mal sparsam nur mit der kubanischen Pianistin Marialy Pacheco und dem Klarinettisten Bernd Schlott arrangiert, mal aufwendiger produziert mit Hörichts eigenen Ensembles oder dem Ponticulus Quartett. Egal ob in den gefühlvollen Stücken das Cello, die Geigen, das Akkordeon oder das Saxofon die melancholischen Klangfarben setzen, immer schwingen Aufbruch und ein Lachen mit. Es wird Zeit, dass Ingo Höricht von einem breiten Publikum entdeckt wird.
Erik Prochnow
 ADIR JAN: Leyla
ADIR JAN
Leyla
(Trikont), mit kurd., zazaischen, türk. u. griech. Texten samt engl. Übersetzung u. engl. u. dt. Infos


Ein schnauzbärtiger junger Mann, der gerade Bağlama spielt – gefühlt sieht die Hälfte aller türkischen Albumcover so aus. Doch irgendetwas ist anders. Der – übrigens gemalte – Mann hat keine Augen, eine Wolke schiebt sich teilweise vor sein Gesicht und färbt es grün. Nein, hier ist nichts so, wie es scheint. Das fängt schon mit den Texten an, die sind größtenteils auf Kurdisch und Zazaisch und stammen fast alle von Adır Jan selbst – wie auch die orientalisch-psychedelischen Melodien und Arrangements. Schnell wird klar, hier singt und spielt jemand um sein Leben. Der schwule Kreuzberger hat jede Menge tiefe Erfahrungen gemacht, und die versucht er in teils präzise, teils mythische Poesie, manchmal auch in Geschichten zu fassen. Die intensive Stimmung der Lyrics unterstützt meist eine Quartett- oder Quintettformation. Unter den Gastmusikern ragen Hogir Göregen an der Percussion und Deniz Mahir Kartal an der Schwarzmeer-Kemençe heraus. Die Texte lassen sich alle mitlesen, und auch die fantasiereiche Bebilderung des Booklets regt dazu an, sich ausgiebig mit diesem intensiven und schönen Album zu befassen.
Ines Körver

 MY SISTER GRENADINE: Wounding The Weather
MY SISTER GRENADINE
Wounding The Weather
(Solaris Empire), mit engl. Texten


Nach sechs Jahren und einem ziemlichen Wandel nach dem Vorgängeralbum geht es mit Ukulele los, dann kommt Gesang dazu, vorsichtig setzt das Flügelhorn ein. Auf „To A Void“, dem ersten Song der neuen Platte des Trios aus Berlin, haben die musikalischen Bestandteile, ob Instrument oder Stimme, ihre Auftritte, sie überlappen sich. Ein gellender Schrei, mehrstimmiger Rufgesang – ein Spiel mit Raumklang und Stille. Das experimentelle Musiktheater um den poetischen Texter, Sänger, Gitarristen und Ukulelespieler Vincent Kokott ist für manche sicher erst einmal befremdlich, dann aber doch einladend, weil unterhaltsam und auf eine unbeirrbare Art heiter. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Instrumentierung bei allem Herumprobieren doch ganz irdisch bleibt, oder daran, dass der Raum erfassbar ist. Die meisten Stücke klingen ganz nah, wie in einem mittelgroßen Zimmer aufgenommen. Und dann gibt es „The Joke“, einen vermutlich elektronisch erzeugten Dröhnton – und selbst der klingt wie von dieser Welt. Es ist eben doch Folk, und zwar freier, moderner, verspielter, und für den zeichnen neben dem Urheber Kokott Frieda Gawenda und David Lima auf Hörnern, Geige, Objekten und mit ihren Stimmen verantwortlich. Toll und eigen.
Imke Staats
 SCHNÉ ENSEMBLE: Steppenwolf
SCHNÉ ENSEMBLE
Steppenwolf
(Cross The Border Productions), mit Texten


Der Steppenwolf von Herrmann Hesse ist seit Generationen immer wieder eine Inspiration für Publikum und Künstler. Die Einsamkeit und das Animalische faszinieren stets auf neue. Die Naturempfindung, die Jahreszeiten bilden auch den Schwerpunkt der Texte verschiedener Autoren, die der Bremer Musiker Ingo Höricht (siehe eigene Rezension) vertonte. Von Mascha Kaléko, Tucholsky, Rilke, William Blake, Paul Verlaine, Shakespeare und auch von der Sängerin Henrike Krügener alias Schné kamen die Vorlagen der Lieder und Chansons. Die Naturbezüge liefern die Bilder für die menschlichen Beziehungen, die Liebe und das Lebensgefühl. Beginnen sie mit geradezu unschuldiger, kindlicher Lebensfreude, so mischen sich Melancholie und Unsicherheiten in den weiteren Liedern. So abwechslungsreich, wie die Stimmungen sind, so variiert die Sängerin ihre Stimme von mädchenhafter Unbefangenheit bis zu verhaltener, nachdenklicher Zurückhaltung und verträumter Unschuld. Mit Piano, Violine, Akkordeon, Gitarre und Bass ist die Band breit gefächert und kann dadurch stimmungsvolle Klangfarben und ebenfalls eine große Varianz erreichen. Ein interessantes Album, das sich großen Namen adäquat und zeitlos modern nähert.
Rainer Katlewski

 SINGADJO: Tango bis zuletzt
SINGADJO
Tango bis zuletzt
(Jigit! Records), mit dt., engl. u. russ. Texten


Ein schwungvolles Intro und dann das: „Von überall kommt irgendwer daher / Mit irgendwelchem Kack! / Was wollen die bloß alle nur von mir, / Mir geht das tierisch auf den Sack!“ Wenn das derbe Genörgel an den Mitmenschen so weitergeht, behält sich die Rezensentin vor, die CD nach einigen Stücken abzustellen. Leider dominiert Unmut auch das zweite Stück, doch schon die interessanten Akkordverbindungen lassen Hoffnung aufkeimen, dass es doch einiges zu mögen gibt an dieser Platte. Glücklicherweise werden die transportierten Stimmungen mit der Zeit vielfältiger, es geht um Liebeskummer, ein Lob auf den Kaffee und jede Menge Politik. Auch die rein akustische Instrumentierung ist abwechslungsreich. Auf einer soliden Cajon-Kontrabass-Basis dominieren Saiteninstrumente, ergänzt um Saxofon, Posaune und Glockenspiel. Mal klingt es nach Element of Crime, mal nach Tom Waits, Lateinamerika oder Polka-Punk. Nach und nach gerät die Rezensentin in den Sog dieser neunköpfigen Combo aus dem Kölner Raum und hört deren zweites Album mit ihren mehrheitlich selbst komponierten und getexteten Stücken gleich ein weiteres Mal – und zwar gern.
Ines Körver
 SUSAN WOLF: I Have Visions
SUSAN WOLF
I Have Visions
(Jazzhouse Records), mit engl. Texten


Zugegeben, es gibt eine starke neue Single von Melissa Etheridge, aber von Susan Wolf gibt es mit zehn fulminanten Tracks ein ganzes Album. Dabei kommen die Freunde von starken Frauen à la Etheridge genauso auf ihre Kosten wie die Country- und Americana-Freunde. Eigentlich wollte die Sängerin, die früher unter Künstlernamen aktiv war, die Musik bereits an den Nagel hängen. Was wäre dem Hörer da entgangen! Songs wie der Opener „The Road“ oder das intensive „100 Miles Of Pain“ sind schlicht Weltklasse und können bequem mit den großen Songs der Pretenders oder von Green on Red mithalten. Das Album hat Herz und ist trotz aller Energie ein Meisterwerk der Zwischentöne. Die soulig-weiche Stimme der Sängerin beflügelt die brillanten Mitmusiker zu Höchstleistungen. Deren Wüstenrock à la Giant Sand oder Calexico verleiht der Sängerin eine Sexyness, die sie für Tarantino-Filme qualifizieren würde, ohne deren Pathos zu benötigen. Gerade die Zurückhaltung in den entscheidenden Passagen führt zu einem Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Nach zehn Tracks voller Schmerz und Schönheit stimmt der Hörer der Künstlerin zu: „Still I’m In Love With You.“
Chris Elstrodt