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Ausgabe 6/2018


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 HILJA GRÖNFORS (& Latso Džinta): Katta Ame Aavaat
HILJA GRÖNFORS (& Latso Džinta)
Katta Ame Aavaat
(Global Music Centre), mit finn. Texten u. Zusammenfassungen auf Romanés


Hilja Grönfors ist eine finnische Romni und in ihrer Musik spiegeln sich beide Traditionen wider. Ihre frühen Jahre hat sie im Wohnwagen gelebt und zog mit ihrer Familie durch Finnland, heute ist sie aktiv als Sammlerin, um den Liedschatz der finnischen Roma zu dokumentieren und für die Nachwelt zu bewahren. Auf diesem Album gibt sie Einblick in die Vielfalt dieser Musik. Sie singt auf Finnisch, dem Finnisch der Roma, also durchsetzt mit Wörtern aus dem Romanés und teilweise anderer Aussprache als im „Standard“-Finnischen. Es geht los mit purem Gypsy Swing, es gibt finnischen Tango, es gibt Walzer und Melodien, die weite Reisen hinter sich haben. „Midnight In Moscow“ hören wir ebenfalls heraus, und schon sind wir bei weiteren Einflüssen, russische Seele in Hochform, und manches Lied wird als große Oper zelebriert. Mandoline, Gitarre, Akkordeon und vor allem Geige liefern die musikalische Begleitung, aber das Besondere an diesem wegweisenden Werk – denn in Finnland ist bisher viel zu wenig geschehen, um die Romakultur des Landes zu dokumentieren – ist die umwerfende Stimme von Hilja Grönfors.
Gabriele Haefs
 ÌMAR: Avalanche  TALISK: Beyond
ÌMAR
Avalanche
(Big Man Records)


TALISK
Beyond
(Eigenverlag/Talisk Records)


Der Titel passt! Die Musik auf dem zweiten Album der fünf Powermusiker kommt tatsächlich wie eine Soundlawine über die Zuhörerschaft. Die Auslöser der Lawine sind Konzertina, Bodhrán, Gitarre, Fiddle, Flöte, Uilleann Pipes, Whistle, Bouzouki und als Gast Donald Shaw am Piano. Die Tunes schreiben Amini, Callister und Murphy selbst, nur zum Schluss greifen sie zweimal auf Mr. Trad zurück. Das ist technisch einwandfreier Hochgeschwindigkeitsfolk, der wie bei „Afar“ oder „Be Thou“ auch mal ein wenig melancholisch werden kann. Auf Tonträger staunt man über die flinken Finger, live jedoch entfalten die Berserker ihren ganz besonderen Charme.
Das gilt besonders für Konzertinaspieler Mohsen Amini (siehe auch Beitrag in dieser Ausgabe auf Seite 28), der sein Instrument mit dem ganzen Körper spielt. Das macht er bei Ímar und beim Trio Talisk (plus Fiddle und Gitarre), wo er auf deren drittem Album neben Andrea Gobbi (ebenfalls Produzent von Ímar) als Koproduzent fungiert. Auch hier Instrumentalmusik, durchaus mal sehr schnell, aber ob der Fiddlerin nicht mit dem offensichtlichen Testosteronspiegel von Ímar. Das resultiert in teils diffizileren Arrangements und auch Amini zeigt seine gefühlvollere Seite. Ímar und Talisk, der Daumen geht zweimal deutlich nach oben.
Mike Kamp

 RURA: In Praise Of Home
RURA
In Praise Of Home
(Eigenverlag/Rura Music)


Eine gewisse Regelmäßigkeit kann man den vier Herren aus Schottland nicht absprechen. Das ist das dritte Album und es erscheint wie Nummer zwei im Abstand von drei Jahren zum Vorgänger. Rura weben ihre selbst komponierten Instrumentals auf der Basis der Tradition mit den fast schon üblichen Instrumenten Pipes, Whistle, Piano, akustische und E-Gitarre, E-Bass, Bodhrán, Flöte und Fiddle – aber wie sie das machen, das ist eben nicht üblich. Das hat zum einen etwas damit zu tun, dass sie zusätzlich einen Synthesizer einsetzen, aber auch damit, welchen Effekt sie mit ihrer Musik erreichen wollen. Ruras Musik ist nämlich nur bedingt für ein reines Konzertpublikum geeignet. Was Steven Blake, Adam Brown (spielt auch bei Ímar), David Foley und Jack Smedley produzieren, ist ganz eindeutige Bewegungsmusik. Es geht weniger um Tanzen im herkömmlichen Sinn als darum, den Körper oder zumindest Teile davon zu aktivieren, rhythmisch, hypnotisch, euphorisch. Dazu passen dann auch die Stimmen-Samples beim Titelstück und dem einfühlsamen „I’ll Never Forget“, die zwar Geschichten erzählen, aber den Fluss der Melodien nicht unterbrechen. Kraftvolle, vorwärtsweisende Musik.
Mike Kamp
 SCHËPPE SIWEN: Sprëtztour
SCHËPPE SIWEN
Sprëtztour
(Eigenverlag/Finest Noise), mit Texten auf Luxemburgisch


Das zweite Album der 2009 gegründeten Folkpunk-Rocker aus Luxemburg erschien dort bereits 2016, fand aber jetzt erst den Weg über die Grenze nach Deutschland. Stilistisch unterscheiden sich die dem Bandnamen („Pik Sieben“) entsprechend sieben Musiker (inklusive einer Musikerin) nicht wesentlich von ähnlichen deutschen Projekten wie Fiddler’s Green, stechen aber deshalb heraus, weil sie in ihrer Landessprache singen. Das scheint selbst in ihrer Heimat ungewöhnlich zu sein, ziert doch das Cover ein Hinweis im Stil des bekannten „Parental Advisory“: „Fro deng Mamm, si versteet ët“ („Frag deine Mutter, sie versteht’s“). Schëppe Siwen vereinen hier denn auch acht Titel auf Luxemburgisch, die durch vier teils traditionell irische Instrumentals sowie einen englischen Bonustrack aufgelockert werden. Reizvoll ist die Anreicherung der eher klassischen Folkpunk-Besetzung aus Akkordeon, Geige, E-Gitarre, Bass und Schlagzeug mit einer Bläsersektion, die den meist rockig-fetzigen Songs eine zusätzliche eigene Note verleihen. Die Texte in mitunter für das Genre typischer expliziter Wortwahl plädieren für ein respektvolles Miteinander und gegen Gewalt, erzählen von enttäuschten familiären Beziehungen, Begegnungen mit dem Teufel oder rufen zur Party auf.
Stefan Backes

 SOKRATIS SINOPOULOS: Under The Rose Tree – Tunes From The Greek Musical Traditions
SOKRATIS SINOPOULOS
Under The Rose Tree – Tunes From The Greek Musical Traditions
(Saphrane Records), mit engl. Infos


Der Lyraspieler Sokrates Sinopoulos ist vielen als einer der vier Köpfe hinter dem schönen, wenngleich etwas strengen Album Thrace (Sunday Morning Sessions) bekannt. Er ist aber auch seit 2011 Chef eines Quartetts, das mit Eight Winds im Jahre 2015 eine beachtliche Produktion bei ECM abgeliefert hat. Seit geraumer Zeit schreibt Sinopoulos, der in Thessaloniki als Musikdozent arbeitet, seine eigene imaginäre Folklore, in die er die vielen musikalischen Erfahrungen, die er im Laufe seines Lebens gemacht hat, integriert. Bis zur Vollendung gelernt hat er sein Instrument – und übrigens auch die griechische Laute – bei Ross Daly, dessen Gruppe Labyrinthos er im Jahr 1989 beitrat. Gespielt hat er aber auch mit Charles Lloyd, Maria Farantouri, Loreena McKennitt und anderen. Aus der Zeit vor der Hinwendung zu den Eigenkompositionen ist nun eine Live-Einspielung aus dem Tropentheater in Amsterdam von 2010 erschienen, mit Kyriakos Tapakis (Oud), Yann Keerim (Piano) und Dimitris Emmanouli (Schlagwerk). Bei dieser nehmen Sinopoulos und seine Mitmusiker griechische Folklore als Ausgangsmaterial für stimmungsvolle Arrangements und ausgedehnte Improvisationen.
Ines Körver
 STERZINGER – KOEHLDORFER – SCHADEN: Keuschheit und Demut in Zeiten der Cholera
STERZINGER – KOEHLDORFER – SCHADEN
Keuschheit und Demut in Zeiten der Cholera
(Bayla Records), mit dt. Texten.


Nie war er listenreicher, der alte Fuchs Stefan Sterzinger, das Wiener Liedermacherurgestein, als mit seinem aktuellen Album, das mit seiner Absage ans Liebsein in Zeiten des sozialen Heißlaufs sich erst einmal querstellt. Anstatt simpler Politspruchblasen gibt es mit dem Sinn für Sprache lautmalerische Vokalspiele, die dem Nonsens auf die Sprünge helfen; banale Liebeslyrik macht Platz für den Eigensinn in der Liebe und verstörende Liebesspiele, die nicht im Ehehandbuch stehen. Wiener Dialekt entzieht sich dem Allgemeinverständlichen, Sprachspiele führen in die Untiefen des menschlichen Verstehens. All das ist möglich im Zusammenspiel des Sängers und Akkordeonisten Sterzinger mit dem akzentuiert und konzentriert spielenden Gitarristen Edi Koehldorfer, dem Bassisten Jörg Schaden und dem versehentlich nicht genannten Schlagzeuger Jörg Mikulla. Musik zum Zuhören in allen Lebenslagen, nicht zum Mitklatschen. Musik zur Kultivierung des Eigensinns und des Muts zum Anderssein. Bravo.
Harald Justin

 THE TANNAHILL WEAVERS: Òrach – The Golden Anniversary Album
THE TANNAHILL WEAVERS
Òrach – The Golden Anniversary Album
(Compass Records)


Fünfzig Jahre! Da waren einige Leser*innen dieser Seiten noch nicht einmal geplant! Und trotzdem zeigt das schottische Quartett keinerlei Altersschwäche. Im Prinzip ist Òrach ein qualitativ starkes Tannahill-Weavers-Album wie jedes andere. Kraftvolle Instrumentals mit Pipes und Fiddle als führenden Instrumenten werden abgelöst von gefühlvollen oder schwungvollen Songs traditionellen oder zeitgenössischen Ursprungs. Aber natürlich haben es sich die Tannies nicht nehmen lassen, dieses außergewöhnliche Jubiläum auch auf Silberling zu feiern. Wie könnte man das besser machen als mit einem tollen Beiheft und vielen der Weggefährten der letzten fünf Dekaden, die sie erneut ins Studio luden, zum Beispiel Dougie MacLean, Ross Kennedy, John Cassidy, Hudson Swan, diverse Piper und die asturische Band Llan de Cubel. Wenn dann noch höchst erfahrene Sessionmusiker wie Aaron Jones ihr Talent einbringen, steht einer tollen Geburtstagsparty nichts mehr im Weg. Und wer mitfeiern will: Im November kommen die Tannahill Weavers für zehn Konzerte nach Deutschland (siehe Serviceseiten in der Heftmitte) – rauschende Stimmung garantiert!
Mike Kamp
 WE BANJO 3: Haven
WE BANJO 3
Haven
(Eigenverlag)


Wir wissen mittlerweile, dass die eingängige, melodiöse Musik des doppelten irischen Brüderpaars keineswegs vom Banjo geprägt ist, auch wenn das Instrument immer präsent ist. Wir wissen auch, dass die Stilistik des dynamischen Akustikquartetts immer zwischen Irland und den USA pendelt und sich ganz dezent gen Amerika neigt. Wir wissen ebenfalls, dass sich die Texte ausnahmslos um Liebe mit den schönen und nicht so schönen Konsequenzen drehen. Und seit dem letzten Album wissen wir, dass We Banjo 3 Gastmusiker eigentlich nicht brauchen, aber problemlos in ihren Sound integrieren können, ohne ihren ureigenen Klang zu verlieren – bis hin zu einer Bläsersektion. Daher wissen wir, dass auf die Musik von We Banjo 3 Verlass ist, was Harmonien und Ohrwurmfaktor angeht. Also wissen wir schlussendlich, dass es eigentlich kein schlechtes We-Banjo-3-Album geben kann. Und das ist in dieser unsicheren Welt gut zu wissen!
Mike Kamp