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Ausgabe 3/2017


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 ALBERT AF EKENSTAM: Ashes
ALBERT AF EKENSTAM
Ashes
albertafekenstam.com
(Kning Disk/Cargo Records)
Promo-CD, 10 Tracks, 41:33


In Sachen Indiefolkpop ist es zurzeit schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Überall schießen Bands aus dem Boden, allesamt mit Leidenschaft und Herz bei der Sache. Allesamt mit samtweicher Stimme und behutsamer Begleitung, allesamt mit Botschaft und mit der Tendenz zum Mitsingen, allesamt jung, sympathisch, engagiert. Jedes Album wäre vor zwanzig Jahren eine Sensation gewesen, nun gehen die meisten in der Menge unter. Ashes sollte dieses Schicksal erspart bleiben. Albert af Ekenstam schafft das Kunststück, aus der Masse so herauszuragen, dass man unwillkürlich immer wieder genau zu diesem Album greift, um es erneut zu hören. Dabei sind die Ohrwürmer eigentlich nicht eingängiger, die Texte nicht persönlicher und das Gitarren- oder Klavierspiel nicht filigraner als von anderen Bands in dem dicht umkämpften Terrain. Dennoch, die Songs zerreißen dem Hörer das Herz. Selbst ein Instrumental von Albert af Ekenstam wirkt wie ein guter Song. Man möchte sich sofort unglücklich verlieben, um die Stimmung von Ashes angemessen zu würdigen. Oder im Regen nach Hause spazieren, nach dem Auftritt des Künstlers beim Reeperbahn-Festival zum Beispiel. Ashes wird sich auch in Jahren noch auf Plattentellern drehen, von welchem Künstler kann man das heute noch sagen?
Chris Elstrodt
 HELENE BLUM: Dråber Af Tid
HELENE BLUM
Dråber Af Tid
heleneblum.dk
(Westpark Music WP 87331/Indigo)
11 Tracks 43:06 , mit dän. Liedtexten


Was Helene Blum hier komponiert, textet und berührend vorträgt, ist musikalische Poesie und derart intensiv und filigran, dass man sich scheut, dies als Pop zu bezeichnen. Es ist modernes Singer/Songwritertum, wie bei Fjarill oder Sarah Lesch. Helene Blum wollte zunächst klassische Pianistin werden, entdeckte dann aber die Folkmusik, die ihr mehr Freiheit bot, und absolvierte als eine der ersten Folksängerinnen das Fynske Musikkonservatorium. Vor ihrem ersten Soloalbum 2006 veröffentlichte sie 2004 eine CD zusammen mit Karen Mose, die aus ihrem Elternhaus einen unerschöpflichen Liederschatz mitbrachte. Schon damals war Blums späterer Mann, Harald Haugaard dabei. Dies ist nun ihr fünftes Soloalbum. Solo heißt, dass Helene mit ihrer klaren Stimme, die sich inzwischen auch in den tieferen Lagen weiterentwickelt hat, und ihren eigenen Kompositionen im Mittelpunkt steht. Die Begleitmusiker sind aber die der Haugaard/Blum-Band, die hierzulande besonders durch Ihre Weihnachtstournee bekannt geworden ist und bei der auch die Instrumentalstücke einen Platz haben. In diesem Jahr hat Helene Blum bereits vierzehn Konzerte in Deutschland gegeben, und sie wird sicher mit dem Weihnachtsprogramm wiederkommen.
Bernd Künzer

 MEENA CRYLE & THE CHRIS FILLMORE BAND: In Concert
MEENA CRYLE & THE CHRIS FILLMORE BAND
In Concert
meenacryle.com
(Continental Blue Heaven CBHCD 2028/H’Art)
12 Tracks, 70:49


Zu Zeiten des ersten „Bluesrevivals“, als Europäer in den Sechzigerjahren begannen, amerikanischen Blues nachzuspielen, wurde politisch überkorrekt die Frage gestellt: Dürfen die das, eine amerikanische Volksmusik nach Europa verpflanzen? Kann man ein fremdes Musikbiotop in einen anderen Kontext stecken und so tun, als gehörte es zur eigenen Kultur? Den Ausgang dieser Debatte hat niemanden interessiert. Seitdem bluest es in Europa. Jüngstes Beispiel: die österreichische Sängerin Meena Cryle. Innerhalb weniger Jahre und mit drei Alben hat sie sich einen festen Platz in der Szene ersungen. Bereits auf ihrem ersten Album war ihr schwerer Janis-Joplin-Komplex zu hören – ähnlich kratzige Stimme, Phrasierung und musikalisches Material zwischen Soul und Bluesrock. Bei diesem Tourmitschnitt haben sich ihre Joplin-Manierismen weitgehend gelegt. Mit neun Eigenkomposition und drei Standards begeistern sie und ihre Band unter Leitung des fantastischen Gitarristen Chris Fillmore das Publikum mit elektrifiziertem, typisch weißem, gitarrenlastigem Bluesrock, wie ihn in Amerika keine schwarze Band spielen würde. Aber in Europa wollen die Fans genau das. Und Cryle und Fillmore liefern.
Harald Justin
 DON ANTONIO: Don Antonio
DON ANTONIO
Don Antonio
facebook.com/donantonioofficial
(Santeria SAN092CD/Rough Trade)
14 Tracks, 34:28 , mit engl. Texten


Desert Rock aus Italien? Nun ja, der Italo-Western hat ja gezeigt, dass Europa einiges an Westernflair zu bieten hat. Beim zweiten Stück wird aber schon der erste Haken geschlagen – schräg, rumplig, mit feinen Bläsersätzen und Sixties-Easy-Listening-Chören. Das dritte ist eine Art akustische Version von „Herr Rossi sucht das Glück“. Es folgen vorwiegend Instrumentalstücke, Fragmente, Skizzen. Marc Ribot hat hörbar Spuren hinterlassen, genau wie Italo-Discoabende an der Adria in den Siebzigerjahren. Schönheit und Kitsch gehen Hand in Hand, und es ist ein schönes Pärchen, das hier die mediterrane Promenade entlangschlendert. Das Album von Gitarrist und Produzent Don Antonio Gramentieri entstand größtenteils auf Sizilien und hat vielleicht auch deswegen eine wunderbar schläfrige Dorfplatz-Siesta-Entspanntheit. Die Produktion, dicht und warm, fängt die in alle Richtungen davongaloppierenden stilistischen Ausreißer ein und hält das Album zusammen, wobei etwas mehr Fokus und weniger Sammelsurium der Sache nicht geschadet hätten. Die Furchtlosigkeit, mit der Don Antonio zur Sache geht, ist aber allein schon aller Ehren wert.
Dirk Trageser

 MAIJA KAUHANEN: Raivopyörä
MAIJA KAUHANEN
Raivopyörä
maijakauhanen.com
(Nordic Notes NN085)
7 Tracks, 50:10 , mit finn. u. engl. Texten


Auf der Suche nach intelligenter Verschmelzung von traditioneller Musik mit Pop wird man in Skandinavien immer wieder fündig. Insbesondere in der finnischen Musik werden so selbstverständlich und natürlich die verschiedensten Stilarten miteinander verwoben, dass das Kategorisieren von Stilrichtungen ad absurdum geführt wird. Neuestes und wundervolles Beispiel: das Soloalbum Raivopyörä der Sängerin und Kantelespielerin Maija Kauhanen. Diese kennen nordische Musikexperten bereits aus der Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Bands aus dem Pop- und Folksektor, unter anderem Okra Playground oder Malmö. Das Album ist dank der Kantele und der modernen Beats ausgesprochen gut hörbar. Wer Clannad oder McKennitt für Folkmusik hält, wird von Kauhanen sicher nicht abgeschreckt. Wer bei nordischer Folklore an Mari Boine denkt, wird den Kauf auch nicht bereuen. Gleichzeitig klingt das Album aber sperrig genug, um an jedem Radiosender vorbeizurauschen. Den Kenner der Materie erwarten eine einzigartige Kantelespieltechnik und ein ausgefeiltes Zusammenspiel moderner Kompositionstechnik. Die leichte Hörbarkeit steht in wundervollem Kontrast zu den teils schwer verdaulichen Texten, die, sehr lobenswert, auch in englischer Übersetzung im Booklet abgedruckt sind.
Chris Elstrodt
 JAAKKO LAITINEN & VÄÄRÄ RAHA: Näennäinen
JAAKKO LAITINEN & VÄÄRÄ RAHA
Näennäinen
mrjaakko.com
(Playground Music Finnland PMF138)
12 Tracks, 48:08 , mit Texten


Den Preis für den verrückten Finnen des Jahres gewinnt in diesem Jahr eindeutig Jaakko Laitinen. Dieses Album fegt mit unglaublicher Spielfreude und Originalität die Partykonkurrenz vom Feld. Laitinen ist mit einer Klangfarbe zwischen Karel Gott und Michael Holm gesegnet und wird von einer bläserorientierten Band begleitet, gegen die Labrassbanda nach Kindergarten klingt. Die Musik klaut hemmungslos beim Balkanbeat, insbesondere bei Rumänen und Russen. Aber auch orientalische Elemente und sogar Klezmer werden ohne Gnade auf einzigartige finnische Art konvertiert. Dabei beschränken sich die Lappen dankbarerweise nicht auf die Formel „möglichst schnell, möglichst lustig“ und unterscheiden sich dadurch wohltuend von der Humppa-Fraktion. Stattdessen setzt die Band auf Spielfreude und Spielwitz. Es ist ein wahres Vergnügen, den ausgefeilten Arrangements und wahnwitzigen Läufen zu folgen, welche die exzellenten Musiker mühelos aus den Ärmeln schütteln. Genialität, mit einem breiten Grinsen serviert, Virtuosität trifft Leichtigkeit. So ist es kein Wunder, dass diese Band als wildester Liveact des Dorfes, Verzeihung, des Landes gilt.
Chris Elstrodt

 LEKKUJAD: Tulinbo Ruadieh
LEKKUJAD
Tulinbo Ruadieh
lekkujad.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 61:32 , CD mit finn./engl. Infos


Lekkujad ist eine fünfköpfige finnische Band (die vor allem Saiteninstrumente im Repertoire hat) um die wunderbare Sängerin Kristiina Olanto. Sie widmen sich der Musik Kareliens, eines finnischen Landesteils, der nach dem Zweiten Weltkrieg an die Sowjetunion fiel. Das restliche Finnland musste damals 200.000 karelische Flüchtlinge aufnehmen, die nichts hatten retten können – und die nicht gerade willkommen waren. Ihr Dialekt galt als bäurisch, ihre Zugehörigkeit zur orthodoxen Kirche wirkte im lutherischen Finnland suspekt. Der Verlust Kareliens ist in Finnland noch immer ein Trauma, und bisher wurde das reiche musikalische Erbe dieser Landschaft zu wenig aufgearbeitet. Kristiina Olantos Vater war ein Flüchtling, von ihm hat sie die Sprache und die Liebe zur Musik gelernt. Auf dem Album hören wir Lieder und Instrumentalstücke. Oft ist der russische Einfluss deutlich, finnisch wiederum sind die langsamen Walzer. Der Gesang erinnert bisweilen an orthodoxen Kirchengesang, und wenn in der Pressemeldung steht, Lekkujad fühlten sich von „primitiver“ Musik inspiriert, ist das wohl nur ein Übersetzungsfehler, denn hier ist alles wunderbar durchdacht, ausgefeilt und zusammengefügt.
Gabriele Haefs
 ERJA LYYTINEN: Stolen Hearts
ERJA LYYTINEN
Stolen Hearts
erjalyytinen.com
(Tuohi Records THC-006/Rough Trade)
Promo-CD, 11 Tracks, 50:53


Die elektrische Slidegitarre ist im Grunde das Markenzeichen der finnischen Bluesmusikerin Erja Lyytinen. Sie aber lediglich darauf zu reduzieren, würde ihr in keinem Fall gerecht. Zwar beherrscht sie dieses Instrument so absolut perfekt wie eigentlich keine zweite Gitarristin weltweit, jedoch war sie auch immer offen und experimentierfreudig, was unterschiedliche Stilistiken und Einflüsse anbelangt. Ihr neues Album ist nach eigenem Bekunden das Ergebnis eines reinigenden Prozesses nach einer Zeit schwieriger persönlicher Lebensumstände. Dieses Ergebnis ist dann auch beeindruckend, umwerfend, atemberaubend. Ihre Stimme hat viel an Kraft und Ausdruck gewonnen, ihr Gitarrenspiel ist, von einem bereits sehr hohen Niveau kommend, nochmals geschärft. Schneidende, harte Attacken wechseln ab mit fast zärtlich angeschlagenen Sololinien, so im Titelstück „Stolen Hearts“ zu Beginn. Überragend in Lyytinens Domäne, der Slidegitarre, sind „24 Angels“ und „City Of Angels“, und was an weiteren Stücken folgt, ist ein musikalisches Wechselbad der Gefühle, bei dem am Ende eines feststeht: Zwischen Blues und Bluesrock macht dieser Frau niemand etwas vor.
Achim Hennes

 MÀNRAN: An Dà Là – The Two Days
MÀNRAN
An Dà Là – The Two Days
manran.co.uk
(Eigenverlag MAN04)
12 Tracks, 56:34 , mit engl. Infos u. gäl. Texten


Die schottischen Highlandrocker von Mànran sind spätestens nach der Irish-Heartbeat-Tour auch hierzulande ein Qualitätsbegriff. Als sie 2011 mit ihrer ersten Single für Furore sorgten, klangen sie noch ein wenig wie die Babybrüder von Runrig, aber das hat sich im Laufe der Jahre gelegt, und ohne jeden Zweifel ist das aktuelle Album ihre bislang reifste Leistung. Ross Saunders (Bass) und Mark Scobbie (Drums) sind eine absolut zuverlässige und treibende Rhythmusgruppe, auf die Melodieinstrumente wie das Akkordeon (Gary Innes) oder die Doppeldröhnung Highland Bag Pipes (Ewen Henderson, auch Fiddle) und Uilleann Pipes (der Ex-Cara-Mann Ryan Murphy, auch Flute) aufbauen können. Eine gute Hälfte des Albums besteht aus Instrumentals, und das ist ganz klar die Stärke von Mànran, komplex arrangiert und dennoch geradeaus rockend. Die Songs sind überwiegend in Gälisch und werden von Ewen Henderson gesungen. Er übernahm 2016 den Vokalpart von Norrie MacIver, und das war bei MacIvers ausdrucksstarker Stimme kein einfacher Job. Live fiel die Intensität der Songs deutlich ab, aber diese Studioproduktion lässt vermuten, dass Henderson auf dem richtigen Weg ist, seinen eigenen Stil zu finden. Ein erfreuliches Werk.
Mike Kamp
 CARMEN SOUZA: Creology
CARMEN SOUZA
Creology
carmensouza.com
(Galileo Music GMC074)
12 Tracks, 43:34 , creolische Texte mit engl. Übers.


Die Kapverden sind seit Jahrzehnten ein Hort ausdrucksstarker Sängerinnen, die mit ihren Mornas und Coladeiras die ganze Welt in Gefühlsräusche versetzen. Einen Rausch ganz anderer Art verspricht die in Lissabon geborene, kapverdischstämmige Vokalistin Carmen Souza. Schönklang ist bei ihr höchstens am Rande angesagt. Ihre Stimme ist ein sinnlich-perkussives Instrument. Sie krächzt, schreit, stammelt, haucht und säuselt im Zwiegespräch mit dem Percussionisten Elias Kacomanolis und den rhythmischen Bassläufen ihres Partners Theo Pascal. Zu dritt verwandeln sie lusafrikanische Rhythmen in aktuellen Jazz. Theo Pascal schrieb, mit Ausnahme je eines Liedes des Brasilianers Edu Lobo und des Jazzpianisten Horace Silver, die Musik der Stücke. Carmen Souza zeichnet für die nachdenklichen bis überschäumend fröhlichen Texte verantwortlich, die selbstredend für eine weiblichere, verständnisvollere Welt werben. Für melodische Akzente sorgt ihr im Vergleich zu früheren Aufnahmen filigraneres Spiel auf dem Klavier und der Gitarre. Das Trio tritt im Mai und Oktober in mehreren Städten Deutschlands auf und verspricht einen vielschichten Ethnojazz, der in die Beine geht.
Martin Steiner

 TORI SPARKS feat. CALAMENTO & EL RUBIO: La Huerta
TORI SPARKS feat. CALAMENTO & EL RUBIO
La Huerta
torisparks.com
(Glass Mountain Records)
12 Tracks, 54:23 , mit engl. u. span. Infos


Eine US-Amerikanerin, die in Barcelona mit einer Flamencofusionband gemeinsame Sache und dabei gar Versionen von Led Zepplins „Kashmir“ oder dem quasi unantastbaren, für immer mit dem Cantaor Camarón verbundenen Lied „La Leyenda Del Tiempo“ macht? Zugegebenermaßen skeptisch war die Rezensentin, die sich aber schon mit den ersten Tönen des Albums, des sechsten der Singer/Songwriterin, gerne eines Besseren belehren ließ. Denn leider nicht selten hört man derartigen Annäherungsversuchen die gute Absicht und die gewollte Allianz ungut an. Nicht so in diesem Fall, wo gerade die Covers (auch dabei „Nature Boy“) noch fast stärker als die Eigenkompositionen in ihren originellen Arrangements und der gekonnten Instrumentierung bestechen. Auch der näher an Sparks’ Heimat Nashville siedelnde, anstatt womöglich gezwungen „hispanisierte“ Gesang ist dem Projekt zuträglich. Das kommt in der Form schon zum zweiten Mal im Studio zusammen. Das spielerisch gewiefte Barceloner Trio (Flamencogitarre, E-Bass, Percussion) ist hörbar erfahren im kreativen Adaptieren von Flamenco- oder Jazzklassikern. Diesmal erweitert um einen in der Szene renommierten E-Gitarristen, der die mal englisch, mal spanisch intonierten Songs beachtlich bereichert.
Katrin Wilke
 ANTON WALGRAVE: Where Oceans Meet
ANTON WALGRAVE
Where Oceans Meet
antonwalgrave.com
(Eigenlabel)
9 Tracks, 43:18 , mit engl. Texten u. Infos


Mit seinem bereits sechsten Album hat der dreiundvierzigjährige belgische Liedermacher Anton Walgrave Anfang dieses Jahres ein echtes Juwel veröffentlicht. Neun selbst komponierte Songs, die nicht nur unter die Haut gehen, sondern in den tiefgründigen Texten zum Nachdenken über das eigene Leben anregen. Die Geschichten über das Wesen menschlicher Beziehungen sind sparsam und behutsam arrangiert. Begleitet wird Walgrave, der selbst akustische Gitarre spielt, von einem Streichquartett (zwei Violinen, Viola und Cello), einem weiteren akustischen Gitarristen und einem Keyboarder. Die intensive Stimmung der Lieder lebt allerdings von der ausdrucksstarken Stimme des Belgiers, der Höhen wie Tiefen gleichermaßen voller Energie ausfüllt und manchmal an Bono oder Morten Harket erinnert. Walgrave hat sein neues Werk komplett live vor Publikum aufgenommen. Diese unmittelbare Nähe zu seiner Hörerschaft ist ein Markenzeichen des Musikers. Seit 2015 bietet er seine Konzerte und CDs ausschließlich auf Spendenbasis an. Was er dabei verdient und was seine Auftritte sowie Plattenproduktion kosten, kann jeder auf seiner Website nachlesen. So viel Offenheit ist bewundernswert und verlangt Nachahmer.
Erik Prochnow

 YORKSTON/THORNE/KHAN: Neuk Wight Delhi All-Stars
YORKSTON/THORNE/KHAN
Neuk Wight Delhi All-Stars
yorkstonthornekhan.com
(Domino)
Promo-CD, 10 Tracks, 51:36


Die drei Ausnahmemusiker aus dem schottischen Kingdom of Fife (Neuk), von der englischen Isle of Wight und der indischen Stadt Delhi (daher der Titel) haben nach einem knappen Jahr nachgelegt. „Es ist keine Fusion“, wird Yorkston nicht müde zu betonen, „denn Fusion bedingt Planung, und die gab es nicht. Suhail und ich haben uns getroffen, wurden Freunde, und Jon kam später dazu.“ Einfach drei Jungs, die zusammen Musik machen. Zwei Tracks des meist live und improvisiert eingespielten Albums demonstrieren das nachdrücklich: das Traditional „Recruited Collier“ – Yorkston singt die ersten Strophen konventionell auf seine unkonventionelle Art, sanft gesellt sich die Sarangi zur Gitarre, Khan stimmt auf Hindi ein, punktuell intoniert der Kontrabass die Melodie, eine kurze Improvisation folgt, um dann den Schluss der Ballade entspannt ausklingen zu lassen; oder Yorkstons reflexives, leises „The Blues You Sang“ für einen viel zu früh verstorbenen Musikerkollegen. Da singen alle drei, und wenn Khan auf Hindi einsetzt und der Bass das Thema übernimmt, dann ist das kein Bruch, sondern im Wechsel mit dem englischen Text eine Vertiefung der Stimmung. Erneut ein grandioses Album und zwei Musskonzerte in Rudolstadt.
Mike Kamp
 SOPHIE ZELMANI : My Song
SOPHIE ZELMANI
My Song
sophie-zelmani.com
(Oh Dear Recordings/Cargo Records)
10 Tracks, 33:59 , mit engl. Texten


Man mag sie für ein Leichtgewicht halten, mit ihrer reizenden Stimme und den schönen Melodien, den einprägsamen Riffs und streicherverzierten Balladen. Aber die schwedische Songschreiberin ist kein Sonnenscheinchen in ihren Liedern, es wird viel getrauert und geweint. Sie lässt sich lieber vom Regen als von der Sonne schützend einhüllen, was wie ein Lobgesang auf die Melancholie klingt, und so ist es wohl auch gemeint. Immerhin entschuldigt sie sich im verführerischen Opener „Bless Me“ bei den Freunden des Sommers, um doch sofort wieder Sturm herbeizuwünschen. Den bekommt Zelmani beispielsweise dann, wenn sie über eine Liebe sagt: „We’re not together / We are not near / We didn’t make us happen / There are no victims here.“ Die Stücke bestehen in einer intimen Atmosphäre, hingetupft von Bassist Thomas Axelsson, Drummer Peter Korhonen und Lars Halapie an Tasten und Saiten, der auch arrangiert und produziert hat. Es geht sehr still zu auf Zelmanis zwölftem Album, zeitweise etwas zu schön, aber alles wirkt wie aus einem Guss. Und wenn sich das jemand um Mitternacht anhört, wirkt My Song wahrscheinlich gefährlich sentimental. Obacht also!
Volker Dick