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 Interpret/Autor: Titel
Interpret/Autor
Titel
WEB
(Label/Verlag)
Tracks (isbn) , Bonus. (preis)


TEXT
Rezi-Autor
Besondere
QUETZAL
Imaginaries
www.quetzaleastla.com
(Smithsonian Folkways Recordings SFW CD 40563/Galileo MC)
12 Tracks, 53:26 , mit span. und engl. Texten/Textauszügen und Infos


Das Sextett aus dem Barrio von East Los Angeles führt uns musikalisch, sozial und politisch gelebten Panamerikanismus vor. Die Bandmitglieder, allesamt Chicanos, also in den USA lebende Mexikaner oder deren Nachfahren, leiten ihre Erfahrungen mit Doppel- bis Mehrfachidentitätsfragen und Ausgrenzung in soziokulturell beziehungsweise künstlerisch wertvolle Bahnen. Angeschoben von Rockgitarrist Quetzal Flores als namensgebendem Kopf in politisch brisanten Zeiten Anfang der Neunziger, konsolidierte sich das Projekt später in Zusammenarbeit mit seiner Lebensgefährtin, der singenden und komponierenden Percussionistin und Politaktivistin Martha González. Imaginaries ist ein aussagekräftiges Dokument des  QUETZAL: Imaginaries bisherigen Weges. Sein weiter musikalischer Kosmos reicht von den gut in der Chicano-Gemeinde verankerten Sones Jarochos aus dem mexikanischen Veracruz, über Ranchera, Salsa, Chicano Rock bis R ’n’ B und Pop. Alles raffiniert arrangiert und teils überraschend instrumentiert. So klingt – etwa durch Hinzunahme einer Geige – selbst eine Cumbia bei Quetzal eigen. Unterschiedlichste Einflüsse klingen an: The Smiths oder Stevie Wonder genauso wie Rubén Blades oder Los Lobos, die Pionierband dieser Chicano-Bewegung, mit der auch González schon auftrat. Martha González wechselt sich am Gesangsmikro mit anderen Sängerinnen und Sängern ab („Chican@s“), darunter auch Geschwister. Gewechselt wird auch zwischen den Sprachen Spanisch und Englisch, in denen die Botschaften mit sozialkritischen und politischen Tiefgang erklingen. Zum Charakter dieses Gesamtkunstwerks, einer Mischung aus Band, Forschungs- und Sozialprojekt, passt die sorgfältige Gestaltung des Albums: Das umfangreiche Booklet in Spanisch und Englisch enthält eine detailreiche Erläuterung dieser Arbeit, ihres Hintergrunds und des politischen Kontexts. Des weiteren wird man liebevoll und sachkundin die Geschichte jedes Tracks eingeführt. Ein Luxus, der Standard sein sollte bei Albenveröffentlichungen.
Katrin Wilke



Besondere
FRANZ JOSEF DEGENHARDT
Freunde feiern sein Werk
www.universal-music.de
(Polydor/Koch Universal Music 0602537147397)
Promo-Do-CD, 31 Tracks, 154:36 , mit Infos


Es war als großes Geburtstagskonzert zu Ehren des wohl bedeutendsten deutschen Liedermachers geplant: Franz Josef Degenhardt hätte am 3. Dezember 2011 sein achtzigstes Lebensjahr vollendet – wäre ihm nicht kurz zuvor der Tod in die Quere gekommen. So wurde aus der Geburtstagsgala am 19. Dezember 2011 im Berliner Ensemble ein würdiges Abschiedsfest. Viele namhafte Kolleginnen und Freunde, darunter Joana, Wiglaf Droste, Barbara Thalheim, Frank Viehweg und Gisela May, waren gekommen, um „Väterchen Franz“ posthum singend zu feiern. Konstantin Wecker führte, unterstützt von Prinz Chaos II als Zeremonienmeister durch das Programm. Dota Kehr, Max Prosa, Prinz Chaos und Goetz Steeger, der gemeinsam mit Sohn Kai  FRANZ JOSEF DEGENHARDT: Freunde feiern sein Werk Degenhardt die letzten Alben Degenhardts produziert hatte, standen quasi stellvertretend für eine junge, stimmgewaltige Liedermachergeneration voller Kraft, die sich trotz mancherlei Zugeständnissen an den Zeitgeist hörbar auf einer Traditionslinie mit ihrem Wegbereiter Franz Josef Degenhardt sieht. Der intimste Moment des Gedächtniskonzerts kam vom ältesten Sohn Jan Degenhardt, der zwischen zwei Liedern erzählte, wie er am Bett des sterbenden Vaters wachte und dieser plötzlich in die Stille hineinposaunte: „Schluss mit der Scharade! Wir hauen ab!“ Darauf der Sohn: „Papa, du liegst im Sterben!“ Der alte Barde richtete sich auf und sagte tadelnd: „Sterben? Mehr fällt dir dazu nicht ein?“ Sehr berührend auch, wie der US-Bürger Daniel Kahn Degenhardts Komposition „Die alten Lieder“ interpretierte. Indem er Teile des Liedes in Jiddisch sang, gab er ihm eine neue Perspektive: „Wo sind eure Lieder, eure alten Lieder? Fragen die aus anderen Ländern … „ – in Jiddisch eine überraschend, ja beklemmend andere Dimension. Indem jeder Künstler jeweils ein Degenhardt-Lied und ein eigenes präsentierte, richtete sich der Blick nicht nur in die Vergangenheit der Liedermacherei, sondern gleichzeitig in eine durchaus verheißungsvolle Zukunft einer oft totgesagten Zunft.
Kai Engelke
ALLAN TAYLOR
Down The Years I Travelled...
www.allantaylor.com
(Stockfisch Records SFR 357.9013.2/In-akustik)
Do-CD, 21 Tracks, 91:04 , mit engl. Texten u. Infos im Buchformat


Es führt kein Weg an der Tatsache vorbei, dass sich Allan Taylor in der zweiten Hälfte seiner Sechziger befindet. In diesem Alter widmet sich der übergroße Teil der Bevölkerung erfüllenden Rentnertätigkeiten wie der Gartenpflege oder der Beaufsichtigung der Enkel. Nicht so Allan Taylor! Ob er es muss oder will, ist schwer zu sagen. Sicher aber ist, er kann es noch, das, was er all die Jahre gemacht hat: Konzerte geben, von Ort zu Ort reisen auf jenem magischen und für Taylor zentralen Objekt der Begierde – on the road. Aber auch ein Allan Taylor wird im Alter reflektiv, und er kann sich glücklich schätzen, für solche Aktivitäten mit Günter  ALLAN TAYLOR: Down The Years I Travelled... Pauler und seinem Stockfisch-Label die passenden Partner zu haben. Lange Jahre fand Taylor seine musikalischen und technischen Qualitätsansprüche bei keiner Plattenfirma erfüllt und veröffentlichte konsequenterweise von Mitte der Achtziger- bis Mitte der Neunzigerjahre auf seinem eigenen Label T Records. Ein Best-of dieser Alben gibt es nun sorgfältig remastert in edel reflektierender Verpackung: einem 57-seitigen Buch mit Texten, Bemerkungen, Anekdoten und Credits. Exzellente Musiker begleiteten Allan Taylor damals: Rick Kemp (Steeleye Span), Maartin Allcock (Fairport Convention/Jethro Tull) oder der Singer/Songwriter Mike Silver. Neben dem Titelsong als einzigem neuen Stück hören wir viele alte, die heute noch in Taylors Repertoire zu finden sind – „Banjo Man“, „Chimes At Midnight“ oder „Let’s Go To Paris“ sind nur Beispiele. Aber es sind ausnahmsweise auch drei Fremdkompositionen zu hören, und gerade der Bob-Dylan-Song „Don't Think Twice, It's All Right“ beweist, dass es einen definitiven Allan-Taylor-Stil gibt — der Dylan-Klassiker klingt hier wie von Taylor geschrieben. Steht zu hoffen, dass Meister Zimmermann das zu schätzen weiß.
Mike Kamp

PETE SEEGER & LORRE WYATT
A More Perfect Union
www.peteseegermusic.com
www.octobernight.com
(Appleseed Recordings APR CD 1130/In-akustik)
16 Tracks, 69:50


Schon seine Entstehungsgeschichte macht diese Album zu einer besonderen Veröffentlichung. Pete Seeger tritt zwar gelegentlich noch öffentlich auf, aber weitere Aufnahmen als At 89 von 2008 und Tomorrow’s Children, im hohen Alter von 89 beziehungsweise 91 eingespielt und prompt beide mit einem Grammy ausgezeichnet wurden, hatten wohl eher nicht auf seiner Agenda gestanden. Wäre da nicht sein alter Freund, der Singer/Songwriter Lorre Wyatt, den man hierzulande durch seinen Song „Somos El Barco“ („We are The Boat“) kennt. Ein schwerer Schlaganfall im Jahr 1996 hatte die Karriere des beliebten Liedermachers abrupt beendet. Die Songs, an denen er vorher zusammen mit seinem Freund Seeger gearbeitet  PETE SEEGER & LORRE WYATT: A More Perfect Union hatte, mussten auf Eis gelegt werden. Wyatt brauchte mehr als 15 Jahre, um die Folgen des Schlags zu überwinden, doch er kämpfte sich zurück und bat Pete, die Arbeit an den Songs wieder aufzunehmen. Sobald ein, zwei Lieder fertig waren, nahmen die beiden sie in einem lokalen Tonstudio auf. Dann zog Wyatt sich als Folge einer Kehlkopfentzündung Knoten auf den Stimmbändern zu, und erneut stand das Projekt auf der Kippe. Daher kam Jim Musselman, Chef des Appleseed-Labels, auf die Idee, ein paar Gastmusiker zu bitten, mit Gesang auszuhelfen. Weder Bruce Springsteen noch Emmylou Harris oder Dar Williams ließen sich lange bitten, ebenso wenig Tom Morello und Steve Earle, von einer ganzen Reihe illustrer Gastmusiker, die Saxofon, Klarinette, Bass, Geige, Cello und Percussion beisteuerten ganz abgesehen. Und so entstand das wohl erste Album, auf dem Pete Seeger und Lorre Wyatt fast ausschließlich neues Originalmaterial veröffentlichen: Lieder voller Lebensweisheit und Humor – „Old Apples“ – die dennoch höchst politisch sind, wie etwa das unter die Haut gehende, von Wyatt solo gesungene und lediglich von afrikanischen Rhythmen unterlegte „These Days In Zimbabwe“. Ob Pete Seeger mit diesem Album der Grammy-Hattrick gelingt? Verdient hätten es die beiden Freunde.
Ulrich Joosten



Besondere
WALTER HEDEMANN
Chansons, was sonst?
www.contraermusik.de
(Conträr Musik 69/Indigo)
3 CDs, 68 Tracks, 212:40 , mit buchstarkem Booklet und ausführlichen Infos


„Na ja: Pannen kann es geben .../ Wie lang willste denn auch leben? Du krepierst schon mal, dein Ende ist in Sicht – zwar vielleicht paar Jahre früher. Aber bei elektrisch Licht!“ So lautet die letzte Strophe von Walter Hedemanns Chanson „Die endgültige Lösung“, geschrieben vor exakt vierzig Jahren als Kommentar zur Atompolitik der damaligen Bundesregierung. Der so freundlich und harmlos wirkende Hedemann hat es faustdick hinter den Ohren. Der völlig zu Unrecht nur einer kleinen Fangemeinde bekannte, inzwischen längst pensionierte Studienrat für Deutsch und Englisch war und ist zugleich ein kabarettistischer Chansonnier ganz besonderer Güte. Stark beeinflusst vom Wiener-Brettl-Künstler Gerhard  WALTER HEDEMANN: Chansons, was sonst? Bronner, von Friedrich Hollaender und Otto Reutter, ist Hedemann am ehesten mit Georg Kreisler zu vergleichen – ein überzeugter Freigeist, ein Meister der unerwarteten Gedankengänge, ein großartiger Satiriker und dazu ein ausgezeichneter Pianist mit einer ausdrucksstarken Stimme. Seine kantig-schrägen Liedinhalte, die sich häufig gegen engstirnigen Spießbürgermief und kleinstädtischen Interessenklüngel wenden, haben bis heute kaum etwas von ihrer Gültigkeit eingebüßt. Die ersten öffentlichen Auftritte absolvierte Hedemann Mitte der Sechziger neben Hannes Wader, Franz Josef Degenhardt, Reinhard Mey und Hanns Dieter Hüsch auf der Liedermacherburg Waldeck. Dass er nie bekannter wurde, mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass er bis zum Erreichen der Altersgrenze fest in seinen bürgerlichen Beruf eingebunden blieb. Anlässlich Walter Hedemanns 80. Geburtstags gewährt Conträr Musik mit einer aufwendig gestalteten CD-Box mit 68 Liedern und 120 Seiten Booklet – randvoll mit Liedtexten, Interviews, Kommentaren, Fotos und ausführlichen Informationen – nun einen umfangreichen Einblick in das Schaffen dieses großen Unbekannten des kritischen Liedes. Chansons, was sonst? ist die notwendige und sinnvolle Hommage an einen geradlinigen, in jeder Beziehung außergewöhnlichen Künstler.
Kai Engelke
JOY DUNLOP
Faileasan – Reflections
www.joydunlop.com
(Sradag Music SRM004)
11 Tracks, 50:17 , mit gäl./engl. Texten u.Infos


Man könnte durchaus den Eindruck gewinnen, beim Folker gäbe es einen Joy-Dunlop-Fanclub, war doch bereits ihre Kooperation mit Twelfth Day in Heft 5/2012 eine „Besondere“. Dem muss widersprochen werden, wenn es in die „fanatische“ Richtung geht. Es hat aber etwas Korrektes, wenn die Betonung auf „fantastisch“ liegt. Joy Dunlops Debüt Dùsgadh – Awakening, besagte „Besondere“ aus Folker 5/2012, hatte bereits alles, was ein gutes Album braucht, der Nachfolger ist einfach nur – genau – fantastisch. Faileasan – Reflections ist das komplette Paket, angefangen mit der Verpackung – die atmosphärischen Waldfotos, die gälischen Texte und Infos und deren Übersetzungen lassen einen den Tag der reinen Downloads in  JOY DUNLOP: Faileasan – Reflections eine ferne Zukunft wünschen. Gleich zu Beginn wird man sanft, aber nachdrücklich in die künstlerische Welt der Joy Dunlop gezogen, wenn die Border Pipes den Klang des Liedes „If I Marry At All, I Won’t Marry A Big Girl“ dominieren, humorvoll, denn die Dame ist nicht gerade klein. Überhaupt hat sie sich mit erstklassigen Musikern und Begleitsängern umgeben. Das beginnt etwa mit Capercaillie- und Celtic-Connections-Chef Donald Shaw und geht über Aidan O’Rourke (Fiddle) und Lorne MacDougal (Pipes, Whistle) bis hin zur „Gälischen Sängerin des Jahres“ 2012, Riona Whyte. Solche Qualität zahlt sich hörbar aus. All das jedoch wäre nichts ohne Joy Dunlops Gesang – der „Gälischen Sängerin des Jahres“ 2010 und 2011! Schier endlos ist die Liste der Adjektive, mit der Kritiker versucht haben, ihrer Stimme gerecht zu werden: hypnotisierend, lieblich, bezaubernd, heilend, geschmeidig, erhebend. Oder im Folker: klar, ausdrucksstark, variabel und kontrolliert. Alles richtig und dennoch nur Worte. Was dieser Gesang an meist melancholischen Emotionen hervorruft, das muss man hören und erleben. Ein Paradebeispiel dafür ist der pure A-capella-Genuss von „Lament For Colin Of Glenure“, einer Ode an ihre Heimat Argyll. Faileasan – Reflections ist ziemlich nah dran an dem, was man gemeinhin Perfektion nennt.
Mike Kamp

Besondere
TRADISH
Roots and Shoots
www.tradish.dk
(GO’ Danish Folk Music GO0113)
13 Tracks, 51:09 , mit engl. Texten u. Infos


Dass auch sogenannte „Epigonen“ aus anderen Ländern erstklassigen Irish Folk ’n’ Trad produzieren können, beweisen dem für eben diese „Epigonen“ zuständigen Rezensenten des Folker diesmal gleich drei Alben aus Dänemark, Deutschland und Italien. Stellvertretend auch für die Kollegen von Emerald und Whisky Trail soll hier die skandinavische Variante von Tradish besondere Aufmerksamkeit erhalten. Nun ist deren Leadsänger, Gitarrist und Bouzoukispieler John Pilkington aber auch ein Original von den Inseln, der sich nach bereits erfolgreicher Karriere in England, Irland und den USA in Dänemark niederließ. Aber Sängerin und Geigerin Louise Ring Vangsgaard und Bodhránist, Percussionist und Sänger  TRADISH: Roots and Shoots Brian Woetmann sind echte Dänen, die die musikalische Fremdsprache aber aufs Vortrefflichste beherrschen. Seien es quirlige Klangteppiche hinter den Liedern oder schnelle und zugleich sehr feine Instrumentals in bester High-End-Rhythm-’n’-Reel-Spielweise, seien es moderne Songs, die viel von Rock und Jazz eingeatmet haben oder traditionellere, getragene Klagelieder – da stimmt nicht nur alles bis zum letzen Takt und zur letzten Note, es ergreift den geneigten Zuhörer im Innersten und reißt ihn mit sich fort. Schon das Tradish-Debüt 2010 war ein gelungenes Gesellenstück, aber dieser Zweitling ist ein Meisterwerk, das sich hinter den besten Platten von Solas, Gráda, Beoga und dergleichen nicht verstecken muss. Nun haben zwei Drittel der Band ja auch unter dem Namen Moving Cloud schon einige Zeit zum Üben gehabt, und die Dame in der Runde hat zudem in mehreren Dansk-Folk- und Mittelalterbands gespielt. Unter den ohnehin recht verschiedenen Stücken des Albums fällt eines stilistisch besonders aus dem Rahmen: „Sixteen Jolly Ravers“. Da geht es eher osteuropäisch zu, und das auf eine dermaßen fröhliche und mehrstimmige Art, dass es einfach nur gute Laune macht! Zu weiteren hochklassigen Irish-Folk-’n’-Trad-Veröffentlichungen siehe Kurzschluss, Emerald und Whisky Trail.
Michael A. Schmiedel
WEIHERER
A Liad, a Freiheit und a Watschn
www.weiherer.com
(Focus 307.0087.2/BSC Music/Rough Trade)
20 Tracks, 77:79 , mit dt. Infos


Phänomenal, was der 33-jährige Christoph Weiherer, eine Art Protestsänger alter Schule mit dem Finger direkt am Puls der neuen Zeit, in den packendsten Momenten dieser Liveaufnahmen vom Januar 2013 mit den beiden einfachsten Mitteln von allen, einer enorm rhythmisch und dynamisch geschlagenen akustischen Gitarre und seinem mitunter geradezu sensationell musikalisch phrasierenden Sprechgesang, für einen Drive entwickelt! Was für ein Druck in „Und i leb“. Was für ein mitreißender Groove in „Da Markt bricht zamm“. Gleich beides zusammen in „Andersrum“, das mit seiner Zivilisationskritik der Marke „Es ist erwiesen, dass Facebook Beziehungen kaputt macht / Warum mach mer des net amal andersrum?“ außerdem  WEIHERER: A Liad, a Freiheit und a Watschn auch textlich unter diesen drei Beispielen das überzeugendste ist. Allerdings zeigt es auch schon die Schwächen des Niederbayern mit Wahlheimat München – einen gewissen Hang sowohl zur eher peinlichen Anzüglichkeit einerseits als auch zur etwas übertriebenen Schlichtheit der Argumente und Weltsicht andererseits. Letzteres besonders, wenn’s politisch wird, wie in „Sie nennans Politik“ oder speziell auch im bereits erwähnten „Da Markt bricht zamm“ mit seiner Kindergarten-Polarisierung böser Markt hie, braver Bürger da – so einfach ist das nicht einmal in Bayern. Damit soll nun keineswegs gesagt sein, dass die Nachteile im Falle A Liad, a Freiheit und a Watschn, von den enormen Pluspunkten abgezogen unterm Strich ein Minus ergäben – im Gegenteil! Zumal wir es hier schließlich auch noch mit Popmusik im Sinne von Unterhaltung zu tun haben, wie schon alleine die acht der zwanzig Tracks zeigen, bei denen es sich um launige Moderationen handelt. Bei Entertainment dieser Art muss man es nicht übertreiben mit dem kritischen Blick. Aber bei den Texten, wiewohl schon mit großen Momenten und insgesamt keineswegs etwa irgendwie schlecht oder unter Niveau oder dergleichen, ist doch noch deutlich Luft nach oben. Machen wir einen Sonderbonus Perspektive daraus – das Tüpfelchen auf dem i.
Christian Beck

Besondere
VALENTIN CLASTRIER
Valentin Clastrier
www.valentinclastrier.com
(Innarcor INNA 31308/L’Autre Distribution)
13 Tracks, 64:57


Kann eine Altdrehleier wie Darth Vader klingen – wie in „Vents Solaires“? In den Händen Valentin Clastriers kann sie nach allem klingen. Die 13 Instrumentalstücke auf seinem ersten Soloalbum seit 15 Jahren tragen Titel wie „Viell’Mania“, „Grand Soleil“ oder „Gyroturbation“ und zementieren den Ruf des 66-Jährigen als unerreichter Großmeister des Instruments. Der Chevalier des Arts et des Lettres war immer schon ein Innovator par excellence, doch ging der Produktion diesmal gar die Entwicklung eines neuen Instrumentes voraus, mit dem diese Musik erst möglich wurde. Gemeinsam mit dem Wiener Drehleierbauer Wolfgang Weichselbaumer entwickelte Clastrier das innovative Konzept einer, wie er sagt,  VALENTIN CLASTRIER: Valentin Clastrier „vielle idéale“. Deren Rad lässt sich mit einer nach unten wegklappbaren Achse teilweise oder vollständig von den Saiten entfernen und ermöglicht Spieltechniken wie nuancierte Obertonmelodien, Tapping oder Pizzicato. Eine weitere erstaunliche Erfindung Weichselbaumers erlaubt zweistimmiges Spiel auf zwei Melodiesaiten. Offenbar hat das neue Instrument Clastriers Kreativität ordentlich befeuert: Er feiert die neuartigen Tonerzeugungsmöglichkeiten regelrecht ab! Rhythmisch pulsierende Bordunsaiten, gezupfte Resonanzsaiten, arhythmische oder präzis synchrone Schnarrsequenzen unterstreichen und kontrapunktieren Melodien, die von mystischen Tonmeditationen bis hin zu ultraschnellen Klangkaskaden einen völlig neuen Klangkosmos erkunden. Dabei verzichtet Clastrier auf seinen charakteristischen, lautmalerischen Gesang und auf seine Perkussionsbox – allein die Drehleier und ihre Möglichkeiten stehen im Mittelpunkt, und die definiert er nun wieder einmal neu. Mit Valentin Clastrier überschreitet er neuerlich Grenzen und weitet sie aus; sämtliche Versuche der Einordnung, ob es sich um Jazz oder Weltmusik handelt, ob die Musik asiatische oder mittelalterliche oder welche Einflüsse auch immer hat – sie greifen zu kurz. Diese Musik ist grandios. Umwerfend. Erschreckend. Begeisternd.
Ulrich Joosten
DIEGO EL CIGALA
Romance De La Luna Tucumana
www.elcigala.com
(Deutsche Grammophon 0028947910664/Universal)
11 Tracks, 40:11 , mit span. u. engl. Texten u. engl. Infos


Der zu den weltoffensten Flamencokünstlern zählende cantaor ist gerade der spanischen Krise gen Dominikanische Republik entflohen. Aber sein neuntes Album dreht sich wie der Tangoausflug Cigala & Tango von 2011 erneut um Argentinien. Dessen kleinste Provinz, Tucumán, ist im Titelstück, verewigt – die „Mondromanze“ von Atahualpa Yupanqui und Pedro Aznar, populär durch Mercedes Sosas Interpretation, schlüpft bei dem Madrilenen ins Gewand einer flotten Flamenco-Rumba, umgarnt von Juan Tizols Duke-Ellington-Hit „Caravan“. Überhaupt bieten Diego el Cigalas neulektorierte Liedklassiker Argentiniens etliche Überraschungen, nicht forciert innovativ-grell, sondern eher fein – der Mittvierziger ist zwar quasi  DIEGO EL CIGALA: Romance De La Luna Tucumana ein musikalischer Bilderstürmer, aber keiner, der das Urmaterial völlig aus den Angeln hebt, um es neu klingen zu lassen. Das Eröffnungsstück kommt etwa afrokaribisch daher, erinnert an El Cigalas Kuba-affine Arbeiten mit dem Pianisten Bebo Valdés. Dem kürzlich verstorbenen Kubaner, mit dem ihn nach eigener Aussage überhaupt seine beste Erfahrung musikalischer Zusammenarbeit verbindet, widmete er auch dieses Album. Ansonsten schwebt vor allem der Geist Mercedes Sosas über dem Werk, das sogar mit ihrer Stimme ausklingt – im „Canción Para Un Niño En La Calle“ posthum liiert mit der von El Cigala. Das habe er noch im letzten Moment aufs Album genommen, nachdem ihn die Version von Calle 13 und Sosa so sehr gerührt hätte. Auch weitere Stücke mussten sein, so zwei Tangos, die von der Arbeit an Cigala & Tango übriggeblieben waren. So erfährt man aus dem ausführlichen, vom Sänger in sehr persönlichem Ton verfassten Booklet. Persönlich wie das ganze Album, das einmal mehr zeigt, dass sich Diego el Cigalas profunder Gesang auf jedem musikalischen Terrain elegant und komfortabel einzuquartieren vermag. Angenehm minimal und gekonnt umspielt von seinen Mitmusikern, diesmal besonders markant vom sehr interessanten, jazzigen Gitarrenspiel seines Landsmannes Diego García el Twanguero.
Katrin Wilke

Besondere
EVELYN KRYGER
Evelyn Kryger
www.evelynkryger.de
(Hey!blau Records H!B 0015)
10 Tracks, 59:03 , mit dt. Infos


Die fünf Hannoveraner von Evelyn Kryger haben ein Album eingespielt, das berauscht und nicht nur von exquisiter Musikalität und einem tiefen Verständnis für die verquirlten Stilvarianten einmal quer von Ost nach Süd zeugt, sondern vor allem die Neugier und den Spaß am Material ausstellt. Die junge Band enthebt die Folkmusiktraditionen des Balkan und aus arabischen Ländern der Ernsthaftigkeit, die durch kulturpolitische und akademische Diskurse mitunter Übergewicht bekommen, und führt sie zu ihrer anderen eigentlichen Bestimmung zurück: dem Tanzen. Schlagzeuger Hannes Dunker unterlegt die hybriden Arrangements mit hitzigen Beats, am Bass groovt Jonas Holland-Moritz zum Polkarhythmus, Malte Hollmanns  EVELYN KRYGER: Evelyn Kryger Keyboard sorgt für Discostimmung. All dies geschieht, ohne dem eigentlichen Kern der Stücke, Melodie und Harmonik an Raum zu nehmen, und trotz aller Tanzwut gibt es auch immer wieder Momente, in denen die Groove-Maschinerie pausiert und Rebecca Czech und Christoph Kalig an den beiden Hauptinstrumenten, Geige und Saxofon, schwelgen lässt. Die Band nimmt sich an den richtigen Stellen Ruhe und Zeit, um musikalische Ideen zu nähren und ihnen Aussagekraft zu verleihen, sei es die minimalistisch begleitete Solopassage der Synthie-Hammondorgel bei „Balcanan“, die dem Track eine Sechziger-Jazz-Färbung verleiht, oder „Tarantulas“ Bossa-Einlage, in der Geige und Saxofon zunächst im Dialog schwermütige Melodien entwickeln, bevor sie sich schließlich virtuos duellieren. Die Harmonie zwischen verlässlichen Rhythmen und unerwarteten Breaks sorgt für ein durchgehend abwechslungsreiches Album, das Aha-Momente beschert und dennoch Ohrwürmer produziert. Hier wird geschwoft, werden die Hüften geschwungen, die Hände zum Himmel gereckt – alles völlig unangestrengt und auf höchstem Niveau. Sogar für Rap-Einlagen – Gastauftritt Jake Olson – und eine Beethoven-Reverenz finden Evelyn Kryger ein authentisches Plätzchen. Das Resultat ist, wenn Sie die stilistische Entgleisung erlauben: geil.
Judith Wiemers



Besondere
DISSIDENTEN
How Long Is Now? Unplugged Live In Berlin
www.dissidenten.de
(EXIL 98242-2/Indigo)
13 Tracks, 79:23


Das Label „unplugged“ ist an sich etwas ausgelutscht – die Dissidenten aber sind bekanntlich keine Musiker, sondern Zauberer. Mit Magie, anders kann man diesen Liveauftritt wirklich nicht beschreiben, hauchen die drei Derwische dem Genre und nebenbei ihren eigenen Klassikern neues Leben ein. Die Stücke klingen lebendiger, energetischer als ihre elektrifizierten Originalversionen. Vergleichsweise gesittet beginnt das Konzert, das bei einer relativ spontanen Aktion für Freunde mitgeschnitten wurde, mit „At The Pyramids“. Mit dem „Song 4 A Rainbow“, den man durch die Zusammenarbeit der Dissidenten mit Jil Jilala bereits in einer aggressiven Variante kennt, wird es dynamischer, bricht Spielfreude sich Bahn.  DISSIDENTEN: How Long Is Now? Unplugged Live In Berlin Entscheidend für die Qualität dieser Aufnahme sind die Mitmusiker. Mit Elke Rogge und Till Uhlmann stand den Dissidenten die deutsche Drehleierelite zur Seite – das Spiel der beiden bestimmt vollständig den Klang der Aufnahme. Mit Roman Bunka, Gefährte aus alten Embryo-Zeiten an der Gitarre, Mandolincellist Noujoum Ouazza sowie Sängerin Mennana Ennaoui und Sänger Manickam Yogeswaran erhalten die Dissidenten versierte Verstärkung aus dem Weltmusiklager. Zusammengewürfelt wie sie sind, spielen alle wie ein kleines Orchester. Es gibt keine Aufteilung in Band und Gastmusiker, keine Starauftritte, kein Gehabe. Alle Beteiligten sind Neigungstäter, die sich gegenseitig anheizen, eingespielt als würden sie seit Jahrzehnten miteinander musizieren – was ja nur zum Teil auch der Wahrheit entspricht. In „All India Radio“ ist der Ballwechsel zwischen den Musikern kaum noch wahrnehmbar. „Fata Morgana“, einer der Klassiker der Band, wird zum spirituellen Erlebnis. So treiben die Dissidenten den Hörer über achtzig Minuten von Höhepunkt zu Höhepunkt, bis How Long Is Now? mit „Light Of Love“ am Ende wieder ruhigere Fahrwasser erreicht, um die Passagiere heil von Bord gehen zu lassen. Jedes Stück wie aus einem Guss. Der gesamte Auftritt eine durchkomponierte Einheit. Ein Meisterwerk.
Chris Elstrodt
BARBARA THALHEIM & BAND
Zwischenspiel
www.barbara-thalheim.de
(Conträr Musik 97963-2/Indigo)
16 Tracks, 75:33 , mit dt. Texten u. Infos


Eigentlich wollte Barbara Thalheim sich nach dem Tod ihres langjährigen Bühnenpartners, des Bandoneonvirtuosen Jean Pacalet, endgültig aus dem Musikzirkus zurückziehen. Ihre Musiker allerdings waren da völlig anderer Meinung. Nach langem Drängen gab sie schließlich nach und wagte einen Neuanfang, der in ein fulminantes Comeback auf der Bühne und in eine wirklich außergewöhnliche Liveproduktion mündete. Der Titel Zwischenspiel lässt sogar die Vermutung zu, dass es nach mehr als vierzig Bühnenjahren und zwanzig Albumeinspielungen nun erst richtig losgehen könnte. Barbara Thalheim ist ganz offensichtlich eine in vielerlei Beziehung gereifte Künstlerpersönlichkeit, die nach etlichen Höhen und  BARBARA THALHEIM & BAND: Zwischenspiel Tiefen, Irrwegen und Schicksalsschlägen, Verletzungen und Triumphen niemandem mehr etwas beweisen muss, auch sich selbst nicht. Kongenial unterstützt von einer entspannt groovenden Band, bestehend aus dem Gitarristen Rüdiger Krause, dem Percussionisten Topo Gioia und dem Keyboarder Bartek Mlejnek, haucht und flüstert, poltert und brüllt sie ihre grenzüberschreitenden Lieder und Chansons. Ihr Gesangsstil ist eher ein Sprechen und ein Erzählen, als ein herkömmlicher Melodiegesang. Ihre Botschaften kommen als Klartexte ohne Plattitüden, als Poesie ohne manierierte Verschnörkelungen daher. Sie singt und erzählt von Unrast und Selbsterkenntnis („Die Schwester der Liebe“), von bitter-süßer Sehnsucht („Der Rest der Nacht“, „Mein Ritter“), von der reinen Liebe („Die Liebe, die ich meine“), von westlichem Überfluss („Die Afrikanerin“) und von historischen Irritationen („Biografien“). Die angenehm unaufdringlichen, dadurch umso wirkungsvolleren Jazzklänge und -rhythmen der Band harmonieren vortrefflich mit den zuweilen schnoddrig und durchaus auch selbstironisch inszenierten und vorgetragenen Texten voller Tiefe und Intensität. Und dennoch schwebt über allem eine luftige Leichtigkeit. Da ist jemand bei sich selbst angekommen. Künstlerisch und menschlich.
Kai Engelke

DIVERSE
The Full English
www.fayhield.com
www.topicrecords.co.uk
(Topic Records TSCD823)
12 Tracks, 47:04 , mit engl. Infos u. Texten


Ein klingendes Beispiel, ein perfektes Abbild der positiven Stimmung, die in der englischen Folkszene ebenso wie in der English Folk Dance and Song Society (EFDSS) momentan herrscht, ist The Full English. Anlässlich der Freischaltung ihres Onlinearchivs – siehe Artikel in diesem Heft auf Seite 28 – beauftragte die EFDSS Sängerin Fay Hield, aus eben diesem Material eine Auswahl zu treffen und damit Neues zu schaffen. Hield holte eine ausgesprochen illustre, teils junge, teils erfahrene Kollegenschar in die Real World Studios: Seth Lakeman (Fiddle, Viola, Bouzouki), Martin Simpson (Gitarre), Nancy Kerr (Fiddle, Viola), Ben Nicolls (Kontrabass, Konzertina), Rob Harbron (Konzertina, Fiddle) und Sam Sweeney  DIVERSE: The Full English (Fiddle, Cello, Nyckelharpa, Percussion), allesamt auch ausgesprochen kompetente Sänger. So setzt The Full English auch gleich zu Anfang mit einer kraftvollen A-capella-Version von „Awake, Awake“ das richtige Ausrufezeichen. Die Lieder und zwei Instrumentals sind traditionell, aber verändert und ergänzt, wie es mit derartigem Material schon immer geschah; ein Lied ist eine Komposition Nancy Kerrs. Schade ist, dass es sich hier, obwohl die Formation auch Konzerte gegeben hat, aller Wahrscheinlichkeit nach um ein einmaliges Projekt handeln dürfte – denn diese Künstlerkombination hat enormes kreatives Potenzial. Da trafen sich sieben Personen, denen die traditionelle englische Musik am Herzen liegt und die sich bei aller Liebe zu den Wurzeln weder musikalische, noch nationale Scheuklappen anlegen. Das manifestiert sich weniger in Einflüssen aus anderen Ländern oder stilistischen Variationen, obwohl auch solche zu hören sind. Vielmehr ist es so, dass die Arrangements und die Präsentation der meisten Lieder nicht nur voll mitreißender Energie stecken, sondern durchweg zu jubilieren, ja, zu triumphieren scheinen. Selbst bei einem ruhigen, reflektiven Song wie „Portrait Of My Wife“ – alles natürlich immer mit einem traditionell empfundenen Grundton. Ein überaus optimistisches Album!
Mike Kamp



Bücher
 FRÉDÉRIC SOLTAN (Fotogr.), DOMINIQUE RABOTTEAU: Whispering Walls / Photography – Frédéric Soltan ; Text – Dominique Rabotteau.
FRÉDÉRIC SOLTAN (Fotogr.), DOMINIQUE RABOTTEAU
Whispering Walls / Photography – Frédéric Soltan ; Text – Dominique Rabotteau.
www.earbooks.net
(– Hamburg : Edel Germany GmbH, 2013. – 217 S. : überw. Fotos mit erl. Texten)
ISBN 978-3-943573-04-6 , 39,95 Euro


Murals, Graffitis, Stencils, dazu Klezmer, kubanischer Son oder A-capella aus Simbabwe: Der Bildband Whispering Walls ist ein sogenanntes „Earbook“, er lässt uns audiovisuell in die Welt der Wandbilder eintauchen, einem Teil der Street Art. Beim Blättern in dem schweren Wälzer kann man Musik von drei CDs hören, inhaltlich auf die Themen der circa fünfhundert Fotos abgestimmt, sortiert in Ländergruppen. Traditionelle und moderne Folklore halten das Audioerlebnis lebendig und funktionieren auch für sich. Dafür verantwortlich ist der um ein Musiklabel erweiterte Reiseführerverlag Rough Guides. Als Bestandteil der Street Art, dieser klassenlosen, globalen Kunstform der Moderne, sind große Wandbilder weltweit zu sehen. Das französische Fotografenduo war jahrzehntelang in um die zwanzig Ländern zwischen Irland und Mexiko unterwegs, um unterschiedlichste Werke zu dokumentieren und in Themen einzuteilen: „Kämpfer“, „Frauen“, „Gewalt“, „Glauben“, „Soziale Kämpfe“ und „Zukunft“. Bemalte, beschriebene Wände sind eine wirksame Art, sich mitzuteilen, wo es sonst nicht erlaubt ist oder nicht jeder lesen kann. Stilistisch ist die Bandbreite groß: Simple Farbflächen (Kuba) oder eher naive Darstellungen wie die liegende Naturgöttin Pachamama (Chile) wirken genauso intensiv wie die realistisch dargestellten Hände (Philadelphia) oder raffinierte Schablonentechniken zur Hyperurbanisierung aus Polen. Oft sieht man Anlehnungen an Picassos Figuren aus „Guernica“, die symbolisch von Krieg und Gewalt sprechen. Englischsprachige Zitate von Weisen, Philosophen oder Politikern ergänzen das Werk.
Imke Staats
 ROSEMARIE TÜPKER: Musik im Märchen.
ROSEMARIE TÜPKER
Musik im Märchen.
www.reichert-verlag.de
(– Wiesbaden : Reichert, 2011. – 312 S. : mit Abb.)
ISBN 978-3-89500-839-9 , 39,80 Euro


Die Autorin befragt in ihrer Publikation über drei Kapitel das Verhältnis von Musik und Märchen und bezieht sich dabei vor allem auf das europäische Volksmärchen und das Musikerleben des historisch „einfachen Volkes“. Sie breitet zunächst den Forschungsstand der allgemeinen Märchenforschung und verwandter Wissenschaftsdisziplinen aus, versucht eine Einordnung musikalischer Elemente und beschäftigt sich dann im zweiten Kapitel über nahezu ein Drittel des gesamten Buches mit tiefenpsychologischen Analysen einiger weniger Texte. Die Beziehung von Musik und Märchen scheint in diesem Teil weniger in ihrer aktuellen Vitalität als praxisorientiertes Kommunikationspotenzial befragt zu werden, sondern vielmehr als eventuell therapeutisch relevantes Material. Anthropologische Blickwinkel, das Vergnügen am absichtslosen Spiel – auch mit Musik- und Märchenelementen – oder die fundamentalen Ergebnisse der modernen Hirnforschung bleiben völlig außer Acht. Das dritte Kapitel bietet eine sehr sorgsame Auflistung und Erläuterung verschiedener Instrumententypen, Formen von Gesang und Tanz in ihrer oft verschlüsselten oder vereinfachten Benennung in den tradierten Texten der verschiedenen Kulturen – Ansätze einer Semiotik musikalischer Elemente im Märchen, auch wenn die Autorin den Begriff nicht verwendet. Das umfangreiche Glossar mit Literaturliste und Quellenverzeichnis könnte ein wertvoller Fundus für die vielen Praktiker sein, die Musik und Märchen heute wieder aktiv und höchst lebendig im Vortrag verbinden, was bislang aber nur als Fußnote in diesem Buch auftaucht.
Cathrin Alisch

 JOHN MUNRO: The Emigrant and the Exile.
JOHN MUNRO
The Emigrant and the Exile.
www.rosedogbookstore.com
(– Pittsburgh, PA : Rosedog Books, 2010. – VIII, 171 S. : mit Abb. )
ISBN 978-1-4349-8346-6 , 20,00 US-Dollar


Eine seltene Kategorie ist das: Auto- und Biografie! Wie das? Der Gefühlsmensch Munro schreibt über sich und vor allem über seinen musikalischen Duopartner Eric Bogle, der wiederum ein richtiger Grantler ist, aber auch der Verfasser von antimilitaristischen Welthits der Folkszene wie „And the Band Played Waltzing Mathilda“ oder „Green Fields Of France“. Beide verbrachten ihre Jugend in Schottland, beide emigrierten unabhängig voneinander nach Australien. Wechselweise erzählt Munro seine Geschichte und die des Kollegen, wobei die frühen Jahre den Schwerpunkt bilden. Erst ab Seite 124 geht es so richtig mit der Musik los, aber auch da gilt: Das ist keine hohe Literatur, da hat sich jemand hingesetzt, um ein paar lustige und weniger lustige Erinnerungen zu fixieren. Seine eigene Geschichte ist natürlich authentisch, wenn Munro aber von Bogle erzählt – nach all den Jahren schwingt immer noch eine große Bewunderung mit – und Bogle häufig wörtlich zitiert wird, dann ist vieles eben doch Munros Interpretation der Dinge. Diverse Liedtexte sind ebenfalls abgedruckt. Einige durchaus interessante Sachverhalte finden nicht statt, so Bogles erste LP auf dem deutschen Autogram-Label, die er wegen des simplen Mitschnitts überhaupt nicht mochte, die aber dennoch für geraume Zeit seine künstlerische Visitenkarte war. Vielleicht will Bogle einfach nicht mehr darüber sprechen. Munro klingt ehrlich, will nichts verschweigen und auch niemanden kompromittieren, aber es wird durchaus klar, wer von beiden der Emigrant und wer der Exilant ist. Fazit: Eingedenk der Tatsache, dass Bogle nicht der Typ für eine Autobiografie zu sein scheint, wird dieses Buch das wahrscheinlich einzige sein, was mit einiger Kenntnis unter anderem über sein Leben berichtet. Das sollte zumindest für seine Fans als ausreichendes Kaufargument gelten.
Mike Kamp
 JOSÉ MUñOZ, CARLOS SAMPAYO: Carlos Gardel – Die Stimme Argentiniens / Aus d. argent. Span. von Rike Bolte.
JOSÉ MUñOZ, CARLOS SAMPAYO
Carlos Gardel – Die Stimme Argentiniens / Aus d. argent. Span. von Rike Bolte.
www.reprodukt.com
(– Berlin : Reprodukt, 2013. – 124 S.)
ISBN 978-943143-08-9 , 20,00 Euro


Carlos Gardel, der legendäre argentinische Tangosänger, Stückeschreiber, Bedeutungsstifter des Tangoliedes Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, grenzüberschreitender Nationalheld, dessen Stimme seit 2003 dem Weltkulturerbe angehört, wird hier, erstmalig, im Medium Graphic Novel gewürdigt. Die Autoren erheben in ihrem Werk keinen Anspruch darauf, eine (weitere) Biografie des mysteriösen Gardel zu konstruieren. Unklarheiten, deren es viele gibt in seinem Lebenslauf, nähren den Mythos: Kam er in Frankreich oder Argentinien zur Welt? Wann genau? Starb er wirklich 1935 bei einem Flugzeugabsturz in Kolumbien? Bestimmten Fragen ist man auf der Spur, seinem Verhältnis zu Frauen etwa; wahrscheinlich bedeutsame Begegnungen werden illustrativ zum Leben erweckt. Erzählerisch eingebettet sind diese Momente in eine Rahmenhandlung: Eine TV-Show, bei der ein Gardel-Experte und ein Soziologe über die Relevanz Gardels für das „argentinische Wesen“ diskutieren. Aus den Statements dieser beiden plus den Kommentaren und Erinnerungen eines Zuschauers und Gardel-Zeitgenossen ergeben sich die Sequenzen und Rückblicke in das damalige Leben in der Metropole Buenos Aires. Gardel war in seinen Liedern ein Chronist des Stadtlebens. Er besang soziale Aspekte der Hafenmetropole: das Nachtleben in Glanz und Elend, Alltag und Kriminalität, die Misere in den Mietskasernen … Lebensgefühl und Stimmungen setzt der Zeichner José Muñoz in harten Schwarz-weiß-Bildern um, teils mit dem fast trockenen Pinselstrich und klaren Tuschelinien. Oft sind Gesichter mit minimalistischem Farbauftrag ausdrucksvoll umgesetzt, ein Spiel aus Licht und Schatten. In den lebendigen, rhythmischen Pinselstrukturen kann man eine Analogie zum Takt und Fließen der Musik ziehen. Das Autorenteam Carlos Sampayo und José Muñoz sind das berühmteste argentinische Comicduo, welches nach der erfolgreichen Krimiserie Alack Sinner in den Achtzigerjahren bereits eine Musikerbiografie hinlegte, nämlich die von Billie Holiday. Texter Sampayo ist zudem Autor von Romanen und Musikkritiken. Beide sind in ihren Siebzigern und stammen aus Buenos Aires.
Imke Staats

 JOHN NEIL MUNRO: Some People are Crazy – The John Martyn Story / Foreword by Ian Rankin.
JOHN NEIL MUNRO
Some People are Crazy – The John Martyn Story / Foreword by Ian Rankin.
www.polygonbooks.co.uk
(– Edinburgh : Polygon, 2010. – VIII, 263 S. : mit Fotos)
ISBN 987-1-84697-165-5 , 8,99 engl. Pfund


Künstler sind auch nur Menschen. Manche schreiben grandiose Lieder, geben mitreißende Konzerte und sind jenseits der Bühne völlig andere Typen. John Martyn, geboren als Iain David McGeachy, schottischer Singer/Songwriter und vor allem Gitarrist, war so einer. Er spielte einzigartige Alben wie Solid Air oder Grace And Danger ein, war aber zugleich ein Säufer und Drogenmensch sondergleichen, der trotz gefühlvoller Lieder zu Gewalt neigte, auch Frauen gegenüber. Selbstverständlich sah sich Martyn nie als Folkie, aber er begann in der Folkszene (Hamish Imlach war sein Mentor, auch er kein Kostverächter), und diese Schule hat er nie völlig verleugnen können. Er starb 2009 mit sechzig Jahren und wurde für viele Beobachter ob seines Lebenswandels trotzdem erstaunlich alt. Der Fan und Autor Munro verschweigt die negativen Seiten nicht, sein Buch ist ein ehrliches. Martyn selbst unterstützte ihn dabei, denn das Original erschien 2007 und wurde nach Martyns Tod für die zweite Auflage überarbeitet. Das Buch ist eine enorme Fleißarbeit, denn Munro lässt in erster Linie Martyns Zeitgenossen oder Kollegen wie Danny Thompson, Wizz Jones oder Ralph McTell sprechen und benutzt ausgiebig Zitate aus Zeitschriften und Fanzines. Auf fast jeder Seite des Buches sind Zitate zu finden. Munros Verdienst ist es, dass er sich mit Spekulationen zurückhält und seine Zwischentexte so intelligent schreibt, dass sich das Buch sehr flüssig und spannend lesen lässt. Hilfreich und beileibe nicht selbstverständlich sind auch die umfangreichen Anhänge bezüglich CDs, Konzerten, Literatur und schlussendlich ein Namensregister.
Mike Kamp



Onlinerezensionen
KRISTOFER ÅSTRÖM
An Introduction To
www.kristoferastrom.com
(Tapete Records TR274/Indigo)
19 Tracks, 78:48


Seit 15 Jahren veröffentlicht der Schwede als Solokünstler Songs zwischen Folk, Pop und Country, akustisch instrumentiert und erdig. Persönliche Geschichten, von Liebe, Trennung und diesen Dingen, in englischer Sprache. Die Zusammenstellung – auch als Doppelalbum mit 35 Tracks erhältlich – gibt einen lohnenden Überblick über sein bisheriges Tun.

JULIEN CARTONNET
Musique Traditionelle Du Nivernais Morvan
www.myspace.com/juliencartonnet
www.nassler.com
www.liaisong.com
(AEPEM 13/02)
13 Titel, 40:04


Repertoiresammlung für Dudelsackfans, meist solo auf französischen Cornemuses du Centre, 16 und 26 Pouces („Daumen“), gespielt und nur gelegentlich mit Banjo unterlegt, beides leider nicht immer sauber ausgeführt. Für den einen eine willkommene Anregung, für Hörer, die nicht gerade Dudelsackfans sind, aber vermutlich eher strapaziös.


DIVERSE
Putumayo Presents Latin Lounge
www.putumayo.com
(Putumayo PUT 339-2/Exil Musik/Indigo)
10 Tracks, 37:03


Es muss wohl der Erfolg der Lounge-Reihe des New Yorker Labels sein, weswegen die 2005 erstmals erschienene Latin Lounge nun wieder veröffentlicht wird – minimal aufgefrischt, aber mit zwei Songs weniger als vor acht Jahren. Fans gepflegten, kosmopolitischen Chillens können sich zu beiden Ausgaben gleichermaßen sorglos auf die faule Haut legen ...

TIM HART
Music And Song From Scotland
www.cherryred.co.uk
(Cherry Tree Records CRTREE0012/Cherry Red Records/H’Art)
10 Tracks, 41:53, Wiederveröffentlichung, 1979


Nach seinem Ausstieg bei Steeleye Span 1979 veröffentlichte der 2009 verstorbene Tim Hart teils mit Hilfe seiner ehemaligen Kollegen dieses Soloalbum. Leider klingt das Ding durchgängig wie eine verunglückte, synthesizerdominierte Discoversion von – ja was eigentlich? Jedenfalls nichts Richtung Folk. Noch immer genau so enttäuschend wie damals.


HOUSE JUMPERS
Sure Footed Baby
www.reverbnation.com/HouseJumpersBand
(House Rent Records HRR 786/EsDeca Media)
13 Tracks, 45:02


Jump-Blues, die Up-tempo-Variante des Blues, war die angesagte Tanzmusik der Vierziger bis Sechziger. Die Grenzen zum Rockabilly sind fließend und der Einfluß auf den Rock ’n’ Roll ist unüberhörbar. Die House Jumpers aus Lawrence, Kansas bringen diese lebensfrohe Musik auf authentische und virtuose Weise über das Ohr in die Füße – also los geht’s.

SOFIA JANNOK
Áhpi – Wide As Oceans
www.sofiajannok.com
(Songs to Arvas STACD001/Broken Silence)
14 Tracks, 43:47


Die samische Sängerin hält sich auf ihrem dritten Album bewusst poppig, wenn auch – wie man es von den Schweden durchaus gewöhnt ist – leicht abseits des Mainstream. Liebhaber des nordischen Folk sollten vor dem Kauf lieber probehören, für Anhänger von Ane Bruns, Kate Bush oder Björk ist Sofia Jannok dagegen vermutlich noch traditionell genug.


SEBASTIAN STURM & EXILE AIRLINE
A Grand Day Out
www.sebastian-sturm.de
(Rootdown Records RDM13083-2/Soulfood)
Promo-CD, 13 Tracks, 50:19


Obwohl – typisch für deutschen Reggae – eigentlich zu sauber und kühl produziert, groovt A Grand Day Out doch weitgehend gut. Dem 33-jährigen Aachener mangelt es trotz aller Mimesis aber an stimmlicher Autorität, je rootsiger, desto mehr. Sein eigener Beweis: „I’m Your Man“, das eigenartig Richtung Soul und Pop schielt – und allerbestens funktioniert!

GENEVIEVE TOUPIN
The Ocean Pictures Project
www.genevievetoupin.com
(Disques Nomades Inc./Broken Silence)
11 Tracks, 32:32


Die junge Kanadierin zielt nach ihrem erfolgreichen französischsprachigen Debüt von 2009 mit dem englischen Nachfolger nun offenbar auf die internationalen Märkte. Das könnte auch stilistisch klappen: Erwachsener, wenn nicht gar schon etwas gediegener Singer/Songwriter-Pop, mid-tempo, wohltemperiert, ansprechend komponiert und getextet – Chapeau!


VICTORY VALLEY
Suitcase
www.victory-valley.de
(Record Jet 4050215058279/New Music Distribution)
13 Tracks, 49:29


Das Quartett aus Eitorf, Raum Köln-Bonn, legt fünf Jahre nach der Gründung sein Debütalbum vor: leichtgewichtig sanfte Popmusik zwischen den üblichen Mainstreamsoftrock-Standards und – wohl vor allem der akustischen Klampfen wegen – Spurenelementen von Folk. Etwas sehr handzahm für das noch ziemlich jugendliche Alter der Musiker – kein Zorn auf nix?




Lange Onlinerezensionen
 DIVERSE: Over There! Sounds And Images Of Black Europe
DIVERSE
Over There! Sounds And Images Of Black Europe
www.bear-family.de
(Bear Family Records BCD 16020 CP)
3 CDs, 76 Tracks, 213:57 , mit 87-seitigem Booklet mit engl. Infos


Richard Weize und Bear Family haben einmal mehr eimerweise musikalische Perlen in den Archiven gefunden. Unter dem Titel Black Europe liegt nun ein Boxset mit mehr als tausend Tonaufnahmen auf 44 CDs vor, die für den stolzen Preis von 499 Euro Musik von Menschen afrikanischer Abstammung in Europa dokumentieren. Ausgangsmaterial waren Phonographenwalzen, Grammofonplatten, Fotografien sowie Stumm- und Tonfilme vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts bis in die späten 1920er-Jahre. Over There!, der musikalische Appetitanreger für dieses Mammutprojekt, stellt auf drei CDs vier der Künstler von Black Europe vor. Pete Hampton & Laura Bowman sind mit Aufnahmen aus den Jahren 1903 bis 1910 vertreten; sie waren mit ihren „Negerliedern“ in ganz Europa erfolgreich. Das Savoy Quartet war eine der besten Ragtimebands zwischen 1916 und 1920. Mit Josiah Ransome Kuti wird eine Brücke zur heutigen Weltmusikszene geschlagen – war er doch der Großvater des Vaters des Afrobeat, Fela Kuti. Und schließlich gibt es noch frühe Aufnahmen von Josephine Baker von 1926, dem Jahr ihrer Ankunft als Tänzerin in Paris. Das umfangreiche Booklet enthält Künstlerbiografien, Diskografien und zahlreiche Bilder.
Michael Kleff
 LILY & MADELEINE: Lily & Madeleine
LILY & MADELEINE
Lily & Madeleine
www.lilandmad.com
(Asthmatic Kitty Records AKR118/Soulfood)
Promo-CD, 12 Tracks, 42:36


Wieder ein Schwesternpaar, das Furore machen kann. Erst achtzehn und zwanzig Jahre jung, paaren Lily und Madeleine Jurkiewicz ähnlich wie etwa First Aid Kit aus Schweden famosen zweistimmigen Gesang mit dieser Mischung aus Naivität und Teenagerselbstverständlichkeit, die jeden jenseits der dreißig wehmütig machen muss. Das Duo aus Indianapolis vertraut auf seinem ersten vollständigen Album hauptsächlich seinen Stimmen, und das mit Recht. Sparsam begleitet von Gitarren und Streichern loten die Stücke die Grenzen zwischen Folk, Americana und Indiepop aus. Die Stücke sind allesamt von getragenem Tempo, mit einem Klecks Pathos der sich gut einmischt wenn sich die Arrangements kurz verdichten, um dann wieder ins Durchscheinende zu entschwinden. Die Produktion ist selbstredend auf dem neuesten Stand. Der Mythos von der Unschuld vom Lande, die aus Versehen über Youtube berühmt wird, wird auch hier wieder – doppelt – bemüht. Wenn man sich etwas umtut, bemerkt man schnell, dass das vom Marketing auch gewollt ist und bestens funktioniert. In diesem Falle ist das auch sehr erfreulich – wer weiß, wie schwer vor fünfzehn Jahren an dieses Album zu kommen gewesen wäre. Bezaubernd.
Dirk Trageser

 THE REAL MOTHERFOLKERS: Mooreland Tunes
THE REAL MOTHERFOLKERS
Mooreland Tunes
www.motherfolkers.de
(Eigenverlag)
15 Tracks, 62:17 , mit engl. Texten u. Infos


Irish Folk aus Deutschland kommt schwer an gegen den Ruf des Epigonenhaften und der deftig-gemütlichen Sauflieder. Es gibt aber natürlich Bands, die diesem Klischee widersprechen, erstklassige Musik produzieren und es mit den Besten der internationalen Celtic-, Trad- und Folkszene aufnehmen können. The Real Motherfolkers aus Erding und Allershausen gehören noch nicht dazu. Es macht bestimmt Spaß, das Trio Sebastian Freyer, Nicolas Steinegger und Gerhard Hieber mit Bodhrán, Banjo, Mandoline, Gitarre, Bouzuki, Fiddle, Whistles, Akkordeon und Gesang live zu erleben, aber der Genuss beim Hören alter, bekannter und beliebter irischer und schottischer Songs und Tunes von Tonkonserve wird in dieser Form doch durch einiges getrübt: Nicht jeder Ton und Takt trifft, wo er soll, die Reels und Polkas werden Tänzer eher ins Stolpern bringen, und beim Chorgesang sind sich die drei nicht immer einig, wann man mit dem Singen anfangen soll. Gastsängerin Katharina Baron reißt es bei „Red Is The Rose“ leider auch nicht raus. Nun ja, die Band besteht erst seit 2009, Mooreland Tunes ist erst ihr zweites Album, man darf die Hoffnung nicht aufgeben. Das Banjo klingt bereits wirklich gut!
Michael A. Schmiedel
 THOMAS SCHEYTT: Blues Colours
THOMAS SCHEYTT
Blues Colours
www.thomas-scheytt.de
(Stormy Monday Records MO81362/Mäule & Gosch)
13 Tracks, 42:36 , mit dt. Infos


Der in Freiburg lebende Pianist Thomas Scheytt ist seit zwanzig Jahren im Oldtime Blues and Boogie Duo mit Ignaz Netzer verbunden. Jetzt hat der Zauberer an den schwarz-weißen Tasten mit Blues Colours sein drittes Soloalbum eingespielt – originell, ehrlich und ohne Schnörkel. Sein Spiel ist souverän und gefühlvoll, auch die Eigenkompositionen wie „Morning Dance“ und „Summer Night“ überzeugen. Dabei entfaltet Scheytt sein ganzes Repertoire an Stimmungen zwischen Melancholie und Lebensfreude. Bei vier Titeln sind Gastmusiker dabei: Hiram Mutschler, Schlagzeug, Enzo Randazzo, Waschbrett, und Ingo Rau, Bass. Zur gelungenem Produktion eines gereiften Musikers trägt auch das äußerlich schöne Digipack bei.
Annie Sziegoleit

Afrika
 MAMAR KASSEY: Taboussizé – Niger
MAMAR KASSEY
Taboussizé – Niger
www.myspace.com/mamarkassey
(Innacor Records INNA 21316/Broken Silence)
10 Tracks, 52:07 , m. franz. u. engl. Infos


Musik aus dem Sahelland Niger gilt als rar, vor allem im Vergleich zum westlichen Nachbarn Mali. Große Hoffnungen hatten die 1995 von dem charismatischen Sänger und Flötisten Yacouba Moumouni gegründeten Mamar Kassey 1999 und 2001 mit zwei Alben geweckt. Danach blieb es still um das Ensemble, das seinen Namen einem legendären Krieger des Songhai-Volkes entlehnte. Das dritte offizielle Album sollte nun den Geheimtippstatus endlich abschütteln helfen, denn das Sextett überzeugt auf Taboussizé – Niger mit einem durchweg dynamischen Stilmix, der einerseits die unterschiedlichen Musikkulturen einheimischer Ethnien aufgreift und sie würdigt, diese andererseits aber auch mit Elementen etwa klassischer Rockmusik anreichert. So werden bisweilen die eher traditionell anmutenden Arrangements urplötzlich – so in „Karma“ – durch ein rasantes E-Gitarrensolo aufgebrochen. Zum Einsatz kommen regionaltypische Saiteninstrumente, eindrucksvolle Gesangsakzente setzen die Gäste Fati Mariko und Safiath. Etliche Liedtexte preisen Land und – ausgewählte – Leute, so den ehemaligen Staatspräsidenten Seyni Kountché! Das Titelstück ist den „Exodants“ gewidment – Arbeitsmigranten, die ihre Heimat verlassen müssen.
Roland Schmitt



Besondere
MUERDO
Tocando Tierra
www.muerdomusica.blogspot.de
(Kasba Music KM02113/Galileo MC)
Promo-CD, 10 Tracks, 38:22


Muerdo, mit bürgerlichem Namen Paskual Kantero, bedeutet auf Deutsch „ich beiße“. „Ein Biss ist für mich etwas Lebendiges, Einschneidendes, Mutiges. Man beißt in etwas, um danach zu kauen, zu genießen, zu verdauen … und zu singen!“ Rastalocken, Anarcho-Outfit, Flamencogitarre – wirft da einer mit seiner Musik Steine gegen die Mächtigen? Nein! In „Un Nuevo Mundo“ singt er: „Möchtest du etwas verändern? Ändere dich! Dein Hass und dein Kampf ohne Liebe haben hier so wenig Platz wie deine Erinnerung an die Tränen und den Klang ohne Geschmack … “. Muerdos Worte sind ein Biss ins Fleisch revolutionärer Bewegungen und von Straßenkämpfern, die mit Gewalt die Macht der Herrschenden brechen wollen. Wenn er singt  MUERDO: Tocando Tierra „Ich möchte da lang gehen, wo es noch keinen Weg gibt.“ oder „Wer in Hast lebt, lebt nicht wirklich.“ zeigt er auch ihnen die Zähne. Tatwaffen sind seine Gitarre, eine Stimme, die einen sofort in ihren Bann zieht, und Lieder voller Kraft und Poesie. Schnell wurden etablierte Cantautores auf den Mann aus Murcia aufmerksam. Mit 22 Jahren veröffentlichte er Flores En El Asfalto, sein erstes, von Luís Eduardo Aute produziertes Album. Jetzt, zwei Jahre später, finanzierte er sich mit Mikrospenden Tocando Tierra. Produziert wurde das Werk von Amparo Sánchez, Ex-Amparanoia, die ihn auf „Ha Llovido“ auch als Duettpartnerin begleitet. Das Album atmet die Luft ihres mit Calexico entstandenen Albums Tucson-Habana. „Entre La Habana Y Madrid“ heißt folgerichtig ein Lied auf Tocando Tierra. Mit Slidegitarren, Handpercussion, Kontrabass, Posaune, Akkordeon und Latinpiano pluckern sich die Musiker langsam durch alle Arten kubanischer, lateinamerikanischer und spanischer Rhythmen. Für gesangliche Abwechslung sorgen Pedro Guerra, Lichis von der Gruppe La Cabra Mecánica und die Argentinierin Dolores Aguirre von Perotá Chingó. Herrlich der schleppende, von der Slidegitarre dominierte Abschluss mit dem Stück „Los Ejes De Mi Carreta“ von Atahualpa Yupanqui, zu dessen Erzählstimme Muerdo das Lied singt.
Martin Steiner



Bücher
 SHEILA STEWART: A Traveller’s Life : the autobiography of Sheila Stewart / Foreword by Jess Smith.
SHEILA STEWART
A Traveller’s Life : the autobiography of Sheila Stewart / Foreword by Jess Smith.
www.birlinn.co.uk
(– Edinburgh : Birlinn, 2011. – XI, 228 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-1-84158-979-4 , 9,99 brit. Pfund


Traveller-Literatur hat im Birlinn-Verlag seit langem einen festen Platz. Diese Autobiografie ist Sheila Stewarts drittes Buch. Es begann mit der Biografie ihrer Mutter, der Matriarchin der berühmten Stewarts of Blair. Das zweite war eine Sammlung von Geschichten, die sich das fahrende Volk in Schottland am Lagerfeuer erzählte. Und jetzt steht ihr eigenes langes Leben im Zentrum. Das geschieht nicht in Form von gehobener Literatur oder kunstvollem Schreiben. Anekdoten und Ereignisse stehen schlicht chronologisch sortiert neben reichlich Traveller-Folklore; also Geschichten und Liedtexten. Philosophiert und analysiert wird selten, eher immer wieder mal der traurige Schluss gezogen, dass die Traveller oder Tinker damals extrem diskriminiert wurden, heute vielleicht weniger, aber leider immer noch. Sheila Stewart schildert einfach und eindringlich ein bereits ziemlich sesshaftes Leben. Das war für sie als einer Art Botschafterin der Traveller-Kultur dennoch ausgesprochen abwechslungsreich. Manche Dinge hätte man vielleicht gerne genauer gewusst, zum Beispiel warum sie sich bei ihrem Lied für den Papst vor 385.000 Menschen für Ewan MacColls (politisch intendiertes und unzweifelhaft packendes) „Go, Move, Shift“ entschied und nicht für eine traditionelle Ballade. Dennoch, der Einblick in ihr oft nicht leichtes Leben und die Kultur ihrer Mit-Traveller ist eindringlich und gut lesbar. Mit anderen Worten: ein empfehlenswertes Buch.
Mike Kamp
 ULRICH JOOSTEN: Der Weg des Spielmanns.
ULRICH JOOSTEN
Der Weg des Spielmanns.
www.der-weg-des-spielmanns.de
(– Moers : Ludwig, 2014. – 493 S.)
ISBN 978-3-935943-09-3 , 14,90 EUR


Der Weg des Spielmanns ist ein opulenter Mittelalterroman voller Spannung, Witz und Abenteuerlust; angereichert mit einer Fülle an historischen Informationen, musikgeschichtlichen Details und fantastischen Gedankenkonstrukten. Die klare Sprache des Autors, seine geschilderten Charaktere, die sorgfältig dargebotenen Umstände der zügig voranschreitenden Handlung – all das macht den Weg des Spielmanns zu einer vergnüglichen Lektüre sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene. Kenner der Folkszene werden darüber hinaus mit einem Schmunzeln die vielen Anspielungen auf real existierende Musikanten zur Kenntnis nehmen: ein Zimmermann mit Namen Robert beherrscht zwar nur drei Akkorde und singt mit einer Stimme, die „wie ein rostiger Hufnagel“ klingt, doch kann er weitaus größere Erfolge feiern, als der scheue Hellmuth vom Weserstrand oder gar der Niederrheiner und „fiese Möp“ Günter vom Ossenberg. Zwei treue Kutschponys, die einen Spielmannswagen fast durch den gesamten Roman ziehen, tragen die ehrwürdigen Namen Hein und Oss. Nein, gemeint sind natürlich nicht die beiden „modernen“ fahrenden Sänger aus der Pfalz! Die beiden Pferdchen sind benannt nach Heinrich dem Löwen und dem berühmten Troubadour Ossian. Mit Erzählfreude und fundiertem Detailwissen schildert Ulrich Joosten die ereignisreichen Jugend-, Lehr- und Wanderjahre des Grafensprösslings Lorenz von Rabenhorst, der unter gar keinen Umständen ein edler Ritter, sondern viel lieber ein fahrender Spielmann, ein Vagant, ein Minnesänger werden möchte. Der Leser leidet mit dem jungen Grafen, der die brutale Schule als Knappe absolvieren soll; freut sich über die gelungene Flucht in die verheißungsvolle Freiheit gemeinsam mit der geheimnisvollen Kamaria Malaika aus Mauretanien; verfolgt staunend die Begegnungen mit Waldgeistern, Wassermenschen, Nymphen und Faunen; bangt, hofft und zittert mit Lorenz und Kamaria, die in Lebensgefahr geraten; ist erleichtert, als Lorenz seine Lehrmeister findet, die ihn in der Kunst des Drehleierspiels sowie in der Kunst des Verseschmiedens unterweisen. Mit jeder Buchseite wird der Leser tiefer in die Geschichte hineingezogen. Die furiose Handlung scheint beim großen Sängerwettstreit auf der Burg Eltz ihren Höhepunkt zu finden, doch … nein, es sei nicht zu viel verraten.
Gibt es denn überhaupt nichts Kritisches zu bemerken? Nun ja, wenn es um historische Detailschilderungen geht (Geschichte von Koblenz oder Köln, Instrumentenbau, Entstehung der Notenschrift, Spielanleitungen ...), dann wirkt die Sprache zuweilen etwas hölzern. Aber das war’s auch schon. Wen fahrende Musikanten im Mittelalter interessieren und wer darüber hinaus Spaß an jeder Menge musikalischer Bezüge zur Jetztzeit hat, der wird diesen elegant geschriebenen Roman mit Freude und Gewinn lesen.
Kai Engelke

 SEBASTIAN HANKE: Die schönsten Kinderlieder für jeden Gitarristen : d. 66 beliebtesten Songs für Kinder und Eltern ; erfolgr. Lernen u. Fördern mit Spaß am Gitarrespie  SEBASTIAN HANKE: Die schönsten Traditionals für jeden Gitarristen : Volkslieder, Balladen, Spirituals, Blues, Shantys u. v. m.
SEBASTIAN HANKE
Die schönsten Kinderlieder für jeden Gitarristen : d. 66 beliebtesten Songs für Kinder und Eltern ; erfolgr. Lernen u. Fördern mit Spaß am Gitarrespie
www.editionhanke.com
(– Potsdam : Ed. Hanke, 2013. - 67 S. : überw. Noten + Texte mit Akk.)
ISBN 978-3-9814820-4-1 , 14,95 EUR


SEBASTIAN HANKE
Die schönsten Traditionals für jeden Gitarristen : Volkslieder, Balladen, Spirituals, Blues, Shantys u. v. m.
(– Potsdam : Ed. Hanke, 2013. – 68 S. : überw. Noten + Texte mit Akk.)
ISBN 978-3-9814820-2-7 , 12,95 EUR


Liedersammlungen für Kinder und Erwachsene veröffentlicht der Potsdamer Gitarrist Sebastian Hanke in eigener Edition. Alle Kompilationen richten sich an Anfänger und haben einen ähnlichen didaktischen Aufbau. Liedbegleitung mit einfachen Basstönen, Melodiespiel in verschiedenen Lagen, Akkordspiel, mehrstimmig arrangierte Stücke und Lieder in Bearbeitungen für vierstimmige Ensembles. Alles eher für akustische Instrumente geeignet, auch wenn Hanke die Option E-Gitarre mit einbezieht. Manche der mehrstimmigen Stücke sind neben der klassischen Notation auch mit Tabulaturen versehen. Das Liedmaterial besteht ausschließlich aus wohlbekannten Songs aller Herren Länder. Einen zusätzlichen, kostenlosen Service hält Hanke im Netz bereit. Zu allen Liedern gibt es MP3s als Playalongs, die auf www.sebastianhanke.com heruntergeladen werden können. Zum Zeitpunkt der Besprechung fehlten die MP3s der Kinderliederausgabe noch. Die Notenausgaben sind im klassischen Gitarrenunterricht ebenso einsetzbar wie im eher begleitorientierten Kontext.
Rolf Beydemüller
 AXEL GENANNT: Ascolta! : Folklore für variables Instrumentalensemble ; Lesepartitur ; Spielmaterial auf CD-ROM.
AXEL GENANNT
Ascolta! : Folklore für variables Instrumentalensemble ; Lesepartitur ; Spielmaterial auf CD-ROM.
www.breitkopf.com
(– Wiesbaden : Breitkopf & Härtel, 2012. – 44 S. : überw. Noten + CD-ROM. – (Brei)
ISMN 979-0-004-50313-3 , 26,- EUR


Ascolta heißt das Ensemble des Autors und zu Deutsch „Hör zu!“. Zuhören ist für Genannt ein wichtiges Mittel für musikalisch-improvisatorische Fähigkeiten, und so hat er die hier enthaltenen vierzehn Folklorestücke arrangiert, mit seinem Ensemble der Musikschule Bad Vilbel einstudiert und bei diversen Anlässen aufgeführt. Das Material stammen aus Europa, Lateinamerika und der Klezmermusik. Die Lesepartitur enthält neben den Noten auch kurze Hinweise zu den Stücken sowie zur Spielweise auf Percussioninstrumenten und fordert explizit zur Variation der Melodien und Instrumentierung auf. Auf der beiliegenden CD sind die einzelnen Instrumentalstimmen in C, in B und in Gitarrenversion enthalten. Insgesamt ein pädagogisch sehr durchdachtes Werk, und da das gesamte Spielmaterial auf CD-ROM enthalten ist, auch sein Geld allemal wert.
Doris Joosten

 HEINZ HOX: Technical Basics – Techn. Übungen für Piano-Akkordeon (Standardbass) ; für Einsteiger u. Fortgeschrittene.
HEINZ HOX
Technical Basics – Techn. Übungen für Piano-Akkordeon (Standardbass) ; für Einsteiger u. Fortgeschrittene.
www.holzschuh-verlag.de
(– Manching : Holzschuh-Verl., o. J. – 46 S. : überw. Noten, mit Abb. – (VHR ; 18)
ISBN 978-3-86434-016-1 – ISMN: 979-0-2013-0861-6 , 13,80 EUR


Noch einmal Noten, diesmal jedoch ganz speziell für das Fingertraining im Akkordeonspiel (gebrochene Akkorde, Fesselfinger, Akkordzerlegungen, Kadenzspiel u. a). Das Notenheft enthält 22 Übungen für die rechte und linke Hand beim Akkordeonspiel zum Erlangen oder Vervollständigen einer guten Spieltechnik. Es soll keine Akkordeonschule sein, sondern eine solche sinnvoll ergänzen. Zu allen Übungen, deren Erläuterungen und Noten im Heft sind, gibt es ergänzend ein Video, das leider nur über Youtube im Internet anzuschauen ist. Man ist also immer auf einen Rechner mit Internetzugang angewiesen. Eine beigefügte CD-ROM hätte mehr Flexibilität geschaffen. Insgesamt aber ein durch das Kombinationskonzept sinnvolles Werk.
Doris Joosten
 TIM KNIGHT: 4 Traditional song arrangements for mixed voice choir : Shenandoah, I Know where I am Going, Barabara Allen, On the Banks of Allan Water.
TIM KNIGHT
4 Traditional song arrangements for mixed voice choir : Shenandoah, I Know where I am Going, Barabara Allen, On the Banks of Allan Water.
www.spartanpress.co.uk
(– Laggan Bridge : Spartan Press, 2006. – 18 S. : nur Noten u. Texte. – (Tim Knig)
ISMN 979-0-708106-50-0 , 3,- brit. Pfund


Ein weiteres Werk von Tim Knight – vier bekannte und beliebte Chor-Traditionals, arrangiert für die vier Stimmlagen Sopran, Alt, Tenor und Bariton/Bass, größtenteils mit einer Solostimme, Chor und Pianobegleitung mit insgesamt circa elf Minuten Dauer.
Doris Joosten

 GUIDO PLÜSCHKE: Bodhrán-Tutorial mit Guido Plüschke – Hit the Goat! Zweistündiger Anfänger-Workshop für d. irische Rahmentrommel ; plus 3 Std. Feature u. Specials ...
GUIDO PLÜSCHKE
Bodhrán-Tutorial mit Guido Plüschke – Hit the Goat! Zweistündiger Anfänger-Workshop für d. irische Rahmentrommel ; plus 3 Std. Feature u. Specials ...
www.bodhran-world.de
www.steidl.de
(– o. O. : Liekedeler Musikproduktionen, 2013. – 300 min. : 2-DVDs, 16:9 + Bookle)
ISBN 978-3-9815870-0-5


DVD eins enthält den Workshop, bei dem Anfängern die Grundtechnik des Bodhránspiels anhand der beiden wichtigsten Rhythmen irischer Musik, Jig und Reel, beigebracht werden. Hinzu kommen Verzierungen in Form von Triplets und Soundmodulation mit der hinteren Hand. Notenkenntnisse sind nicht erforderlich, die Schlagmuster werden in Tabulaturform erläutert. Übungen zum Mitspielen sind vorhanden, der Kurs endet mit kleinen Arrangementübungen. Komplettiert wird das Ganze durch eine weitere DVD, welche ein neunzigminütiges Feature über irische Musik sowie siebzehn Sets enthält, die Plüschke mit irischen Musikern im Rahmen einer Irlandreise eingespielt hat.
Doris Joosten



Deutschland
 AN RINN: 20
AN RINN
20
www.anrinn.de
(Eigenverlag)
20 Tracks, 77:03 , mit dt. Infos


„We had it all, we had the best of times!“ Die fünf Irish Folker aus dem Osnabrücker Land haben es geschafft, ihre Band zwei Jahrzehnte am Leben zu halten und auch auf ihrem siebten Album frisch wie je zu klingen. Für dieses haben sie sich unter Zuhilfenahme von fünf Gastmusikern, darunter Colin Wilkie, mal eben verdoppelt und bieten zu zehnt satte, volle Bandarrangements, die das Zimmer wohltönend füllen. Irische, schottische und amerikanische Balladen rund um die Seefahrt, das Unterwegssein und die Arbeit, aus der Bandgeschichte ebenso wie neu im Repertoire, sind vor allem etwas für Freunde getragener und deftiger Lieder ohne Effekthascherei und Hörer mit Gehör für Feinheiten und Spielgenauigkeit. Exotisch wirkt da geradezu das nach einer Kantele klingende Hackbrett Martin Czechs im Intro zu „Road To Bangor“, das dem Rezensenten finnische Wälder vor den Augen erscheinen lässt, oder die portugiesische Melodie namens „La Bruxa“. Ansonsten aber dominieren die Songs, fast ausnahmslos aus Männerkehlen, wäre da nicht Anke Morhaus als Gastmusikerin bei zwei der Tracks. Ein solides und sehr schönes Folkalbum! Und wem das gefällt, der wird auch die Rambling Rovers mögen – siehe Kurzschluss.
Michael A. Schmiedel
 JAN CORNELIUS: Spöölwark
JAN CORNELIUS
Spöölwark
www.jan-cornelius.de
(Artychoke Artist Productions AP-0713-CD)
14 Tracks, 57:11 , mit plattdt. Texten und Infos


Wenn einer seit vierzig Jahren auf der Bühne seht, seit fünfunddreißig Jahren Tonträger veröffentlicht und obendrein sein sechzigstes Lebensjahr vollendet – das ist schon ein Jubiläumsalbum wert. Es war dabei für Jan Cornelius ein Anliegen, die unterschiedlichen Facetten seines Wirkens als plattdeutscher Singer/Songwriter darzustellen. Auf Spöölwark sind daher neben neuen Liedern des ostfriesischen Liedermachers auch Übertragungen aus dem Englischen (Colin Wilkie), Norwegischen (Arne Paasche Aasen) und Niederländischen (Ede Staal) zu hören. Abgerundet wird das Spektrum von Neuaufnahmen einiger älterer Lieder aus der Zeit, als er noch als Jan & Jürn mit seinem Bruder zusammenarbeitete. Zum positiven Gesamtklang der zumeist leisen und besinnlichen Lieder tragen ganz wesentlich die Begleitmusiker Klaus Hagemann und Christa Ehrig bei. Hagemann setzt mit seiner Gitarre immer wieder sparsame aber wirkungsvolle Akzente, Ehrig verleiht den Arrangements mit ihrem Cello, das sie zuweilen auch pizzicato zupft Fülle und Tiefe. Dem Ziel auf seiner langen Suche nach dem endgültigen alternativen Heimatlied ist Jan Cornelius mit Dat büst du schon recht nahe gekommen: Liebevoller kann man seine Region wohl kaum besingen.
Kai Engelke

 DIESELKNECHT: Abgebrannt
DIESELKNECHT
Abgebrannt
www.dieselknecht.com
(AgrarBerlin ABCD 04/Membran)
12 Tracks, 37:23


Nein, sie singen nicht mehr die Mundorgel rauf und runter. Mit Liedern aus dem roten Heft hatte sich die Dortmunder Band Dieselknecht einmal Aufmerksamkeit verschafft, rotzig-punkig zu akustischem Instrumentarium vorgetragen. Aber das Quartett hat sich entwickelt, ihrem Programm immer mehr eigene deutschsprachige Songs hinzugefügt. Auf ihrem dritten Album, das in Zusammenarbeit mit Roland Heinrich entstanden ist, stehen nun die selbst geschriebenen Stücke im Mittelpunkt: musikalisch im Kosmos von Bluegrass, Folk, Country und Rockabilly unterwegs, textlich ziemlich unpeinlich die Schönheit des Landlebens preisend, den Traktor lobend, nerviges Gequassel kritisierend – in einfachen, deutlichen Worten. Die kurzen Tracks atmen weiter den Geist des Punk, obwohl das Banjo den Gruppenklang prägt. Der Großteil der Stücke stammt von Sänger Frank Kleingünther, darunter befinden sich etliche, die das Zeug haben, zu Mitsingklassikern zu werden. In diese Richtung entwickelten Dieselknecht auch „Wir saßen in Johnnys Spelunke“ einen Schlager aus dem Jahr 1932, dem sie gehörig Energie zuführen. Da stimmen wir alle ein: „In Nishni Nowgorod, da gibt’s nur Salz aufs Brot, das macht die Wangen rot!“
Volker Dick
 ENTZÜCKLIKA: Zum Wiedersehen
ENTZÜCKLIKA
Zum Wiedersehen
www.entzuecklika.de
(Entzücklika)
14 Tracks, 61:33 , mit dt. Texten u. Infos


Als der Rezensent pubertierte, schien der Kirche die Beatmesse ein probates Mittel zu sein, junges Volk in ihre Veranstaltungen zu locken. Netter Versuch – aber immerhin gab’s Gigs für Jungcombos, die sich ebenso engagiert wie talentfrei an „Child In Time“ oder „Stairway To Heaven“ versuchten, während der musikalisch versiertere Nachwuchs bei der Wandlung schon mal über „Je T’Aime“ improvisierte. Auf der Orgel, selbstredend. Heute sind es Menschen wie der Theologe und Liedermacher Alexander Bayer, die für einen Liturgiesoundtrack im Geist der Zeit sorgen. Bayer vertont Fremdtexte (James Krüss), übersetzt Songs (Leonard Cohen oder Cat Stevens) oder übernimmt Lieder, etwa von Gerhard Schöne, gleich komplett in sein Repertoire. Speziell bei seiner Übertragung von Mikis Theodorakis’ „Sto Perigiali To Krifo“ ist ihm eine ausgesprochen feinsinnige Nachdichtung gelungen, sehr nah am Original und kein Vergleich zu dem Unfug, den etwa Thomas Woitkewitsch 1977 für Milva verbrach. Musikalisch verzichtet Bayer diesmal auf seine eigene Band; stattdessen schöpft er aus einem Pool singender und spielender Gäste. Das sorgt für frischen Wind. Der kann ja nicht verkehrt sein. Auch in der Kirche.
Walter Bast

 FIRST CLASS BLUES BAND: Brand New
FIRST CLASS BLUES BAND
Brand New
www.acoustic-music.de
(Acoustic Music Records 319.1512.2/RoughTrade)
12 Tracks, 49:22


Wer sich solch einen Bandnamen zulegt, hat zumindest kein mangelndes Selbstbewusstsein – noch dazu als deutsche Band, die zuletzt in den Neunzigerjahren zwei Alben veröffentlicht hat und sich seitdem eher sporadisch zu Konzertauftritten zusammenfindet. Umso beeindruckender, was die fünf Musiker hier in wenigen Tagen Studioarbeit eingespielt haben – das nämlich macht dem Bandnamen alle Ehre! Die Songs wechseln zwischen 1950er-Rhythm-’n’-Blues, wie man ihn in den Fünfzigern spielte, Rock ’n’ Roll, langsamem Blues, Funk und Soul. Alles ist instrumental perfekt gespielt und gesanglich sehr abwechslungsreich, da jeder der fünf Musiker auch einmal für mindestens ein Stück den Gesangpart übernimmt. Christian Rannenberg (Piano, Hammond Orgel), Jan Hirte (Gitarre), Thomas Feldmann (Saxofon, Harmonika), Kevin DuVernay (Bass) und Tommie Harris (Schlagzeug) musizieren als Band geschlossen und aufeinander eingespielt und glänzen in ihren jeweiligen solistischen Momenten durch geschmackvolles und virtuoses Spiel.
Achim Hennes
 SEBASTIAN KRÄMER: Tüpfelhyänen – Die Entmachtung des Üblichen
SEBASTIAN KRÄMER
Tüpfelhyänen – Die Entmachtung des Üblichen
www.sebastiankraemer.de
(Reptiphon/Broken Silence 06687)
22 Tracks, 79:59 , mit Texten


„Mit ’nem Unschuldsblick“, sanfter Stimme und einschmeichelnder Klavierbegleitung schleicht sich dieser so brav wirkende, wohlgestaltete Schwiegermuttertyp hinterlistig mit seinen Liedern an und säuselt einem jede Menge Ungeheuerlichkeiten ins Ohr. Geheimnisvolles, Irrwitziges, Spinnertes, Frechheiten, Unverschämtes, Hintersinniges, Nachdenkliches, tiefschwarzen Humor, Kluges, Verspieltes, Geschichten aus dem Leben und doch daneben – mit all solchen Dingen erfreut der singende und spielende Ausnahmepoet Sebastian Krämer seine Zuhörer. Weil seine Liedergeschichten so unerwartete Wendungen haben, sind sie auch schwer zu beschreiben. Seine Ansprüche an Schokolade, der Weg zum Meer, die unsichtbaren Existenzen oder Flohmärkte im Regen sollen hier nicht näher erörtert werden – man muss sie einfach selbst hören. Und damit bei seinen Gedankensprüngen auch mal Zeit zum Luftholen bleibt, wird auf dem Album mittendrin eine dreiminütige Ruhepause spendiert. Auch darauf – wie auf seine anderen krausen Einfälle – muss man erst einmal kommen. Sein gekonnter und formvollendeter Vortrag rundet den außerordentlich positiven Eindruck dieser überaus skurrilen Produktion aufs Beste ab.
Rainer Katlewski

 RÜDIGER MUND: Kommen und Gehen oder Das Ende ist was für Anfänger
RÜDIGER MUND
Kommen und Gehen oder Das Ende ist was für Anfänger
www.ruediger-mund.de
(DMG Germany 54.218138.2/Broken Silence)
12 Tracks, 55:21 , mit dt. Texten u. Infos


Rüdiger Mund aus Jena hat seit vielen Jahren in den unterschiedlichsten Bands musikalische Erfahrungen gesammelt. Mit Kommen und Gehen legt er jetzt sein Solodebüt vor – und lässt es darauf auch gleich richtig krachen: von Punkklängen und Powerakkorden über Swing- und Shufflerhythmen bis hin zu New-Wave-Klängen ist alles dabei. Sehr sauber abgemischt, die Stimme immer ganz vorne, jedes einzelne Instrument ist bestens auszumachen. Kraftvoll vorwärts treibend wie eine Lokomotive, die sich ihren Weg durch die Weiten der Prärie sucht – so kommt die Musik daher. Die gesamte Produktion klingt auf angenehme Weise amerikanisch: locker, entspannt, fließend. Die Banjo- und Slide-Einsprengsel verstärken diesen Eindruck. Sämtliche Lieder handeln vom ewigen Kampf der Geschlechter. Doch egal, ob Rüdiger Mund über unerfüllte Liebe, trotzigen Schmerz, Abschiede, Sehnsucht oder emotionale Verwirrung singt – stets klingt er unverkrampft und lässig, sein offensichtlicher Spaß an dem, was er tut, überträgt sich direkt auf den Hörer. Ein Album, das aufs Angenehmste aus dem Wust der Mittelmäßigkeit herausragt.
Kai Engelke
 ANDREA SCHROEDER: Where The Wild Oceans End
ANDREA SCHROEDER
Where The Wild Oceans End
www.andreaschroeder.com
(Glitterhouse GRCD 776)
10 Tracks, 40:27 , mit Texten


Andrea Schroeder ist die Reinkarnation von Nico. Anders kann man sich die Klangfarbe dieser Stimme kaum erklären. Andere denken generationsbedingt eher an Nick Cave – so oder so: Auch das zweite Album von Andrea Schroeder gehört gehört! Auf neun Eigenkompositionen raunt die Ausnahmesängerin ihre Wahlheimat Berlin ins Mikro, verleiht der Hauptstadt damit einen dunklen erotischen Charme, dem man sich als Hörer nur schwer entziehen kann. Die Clubs, in denen diese Stimme zu Hause ist, werden wohlerzogene Menschen wohl meiden. Aber die einsamen Wölfe werden sich hier sammeln und ihre Wunden lecken, während sie sich von „Ghosts Of Berlin“ verzaubern lassen. Und weil selbst Wünsche von Hörern einmal in Erfüllung gehen, die Andrea Schroeder bereits kennen, präsentiert die Künstlerin mit „Helden“ auch noch die deutsche Fassung des David-Bowie-Klassikers „Heroes“ – vermutlich die einzige Version, die dem Original ebenbürtig ist. Andrea Schroeder singt, wie Hildegard Knef heute singen würde. Die Begleitkapelle klingt intelligent düster gruftig, wie Crime and the City Solution in ihren besten Zeiten. Sollte Wim Wenders noch einmal „Der Himmel über Berlin“ drehen – hier wäre ein Kandidat für den Soundtrack.
Chris Elstrodt

 JÜRGEN SCHWAB: Luftschlösser
JÜRGEN SCHWAB
Luftschlösser
www.juergenschwab.de
(Jazz’n’more Records JNM 1004/Bellaphon)
11 Tracks, 52:13


Jürgen Schwab ist ein studierter Gitarrist mit Schwerpunkt Jazz. Er sieht sich als Musiker, und Musikwissenschaftler. Sein Instrumentalspiel ist nuanciert und souverän – doch sein Gesang wirkt zunächst arg zurückgenommen, geradezu bescheiden, fast, als sei es ihm unangenehm, seine kunstvollen Gitarrenklänge durch seine Stimme womöglich in ihrer Wirkung herabzumindern. Der Eindruck verblasst beim mehrmaligen Hören des Albums zunehmend, Gitarre und Stimme verschmelzen zu einer harmonischen Einheit, alles hat seine Richtigkeit. Bundloser Bass und Sopransaxofon setzen wohldosierte Akzente, die der positiven Wirkung insgesamt sehr zugutekommen. Das inhaltliche Spektrum ist weit: Nachdenkliche Kindheitserinnerungen („Schwarzweiß“) stehen neben emotionalen Naturbetrachtungen („Inmitten der Lagune“), auf hoffnungserfüllte Wunschvorstellungen („Ein neuer Frühling“) folgt eine pointierte Satire im Talking-Blues-Stil („Waschmaschinen“). Und das eindrucksvollste Lied des Albums ist sicherlich eine Hommage an Fritz Rau, den kürzlich verstorbenen legendären Konzertveranstalter und Freund („So Long, Fritz“). Ein Album auf musikalisch und textlich gleichermaßen hohem Niveau. Hat man nicht oft.
Kai Engelke
 SIMIN TANDER: Where Water Travels Home
SIMIN TANDER
Where Water Travels Home
www.simintander.com
(Jazzhouse Records JHR 090/In-akustik)
13 Tracks, 57:04 , mit engl. Infos


Gleich mit dem ersten Titel dieses Albums wird dem Hörer illustriert, wie wenig fassbar zu machen ist, wo die Musikalität der Sprache endet und die Poesie des Klangs beginnt: „Yau Tar De Grewan“, nach einem Gedicht in Paschtu, arrangiert von Sängerin Simin Tander selbst, begleitet von filigranem, einfühlsamem Piano, fantasievollem Kontrabass und behutsamer Percussion. „Auch wenn von meinem Leben nur ein Atemzug bliebe“, wie es dort in der Übersetzung heißt, „formte ich ihn zu einem Vers“ – der Deutsch-Afghanin gelingt es mit dieser Produktion, über dreizehn Stationen eine Art innerer Reise durch die Gedanken- und Gefühlswelt der Tochter eines afghanischen Journalisten und einer deutschen Lehrerin zu beschreiben, die Suche nach Wurzeln, nach Identität und Brücken zwischen Morgen- und Abendland. Es ist nur folgerichtig, dass sie dabei mit schlafwandlerisch anmutender Sicherheit zwischen modernem Jazz und orientalischer Ornamentik wechselt, zwischen experimentellem Songwriting, Chanson und intimer Ballade, darüber hinaus ebenso mit expressiver Ausdruckskraft der Stimme wie mit betörender Zartheit aufwartet und bei beiden Varianten völlig authentisch bleibt. Musik von Welt im besten Sinne des Wortes.
Cathrin Alisch

DVD/Filme
 GESCHWISTER WELL: Fein sein, beinander bleibn
GESCHWISTER WELL
Fein sein, beinander bleibn
www.geschwister-well.de
(Well Musik 705940/Rough Trade)
32 Tracks plus Bonusmaterial, 147:00


Die Bühne sieht aus wie ein Musikalienhandel. Überall Instrumente, die im Verlauf der Revue Verwendung finden. Von der Nonnentrompete bis zum Subkontrabass-Rummelpott, von der Ukulele bis zur Maultrommel, vom Dudelsack bis zur Bachtrompete. Davor die Geschwister Well, beaufsichtigt von ihrer hochbetagten Mutti Traudl, die bei Gelegenheit beherzt in die Zithersaiten greift. Die Wellküren Moni, Burgi und Bärbi, sowie die ex Biermösl Blosn Michael und Stopherl plus ein weiterer Bruder, Karli, bringen genau jene volksmusikalische Revue auf die Bretter der ehrenwerten Münchener Kammerspiele, die einst für das endgültige Aus der Biermösl Blosn sorgte. Keine Sekunde der knapp zweieinhalb Stunden ist langweilig. Neben Stubnmusi, Landlern und Gstanzln funktionieren auch Klassik, Country und sogar Rock – AC/DCs „Highway To Hell“ – auf Hackbrett, Harfe, Klassikgitarre und Blockflöten bestens. Die satirischen, teils bitterbösen Texte sind zum Schreien komisch und politisch nicht weniger scharf als die der Biermösl Blosn oder der Wellküren. Trotz einiger Zweitverwertungen ist dieser „Highway to Well“ die gelungene Fortsetzung zweier Erfolgsgeschichten. Wir sind gespannt, wie es weitergehen wird.
Alle Musikstücke sind in um die Moderationen gekürzter Form auch als CD erhältlich: Well Musik 705933/Rough Trade (www.geschwister-well.de, 19 Tracks, 63:44.
Ulrich Joosten



Europa
 BEOGA: Live At 10
BEOGA
Live At 10
www.beogamusic.com
(Compass Records 7 4621 2/Membran)
20 Tracks, 79:26 , plus DVD inkl. Ausschnitte des Debütkonzerts 2002, mit Kommentaren


Zum Zehnjährigen beweisen Beoga erneut, dass sie weit über die Grenzen der Irish Music hinausgehen und wie spielfreudig, ja, partyfreudig sie an ihr Publikum herantreten. Abermals kann sich der Hörer überzeugen, wie unglaublich virtuos Instrumente heutzutage in der irischen Musik gespielt werden, hier namentlich zwei Akkordeons und ein gut eingepasstes Piano, unglaublich fantasievoll und mit Groove gepielt. Dazu eine charmante Fiddle und ein fetziges Bodhrán plus illustre Gäste. Das Programm enthält viele Eigenkompositionen, in denen es nur so kracht vor Dynamik und Rhythmuswechseln. Die große stilistische Breite umfasst Einflüsse aus Swing, Jazz, Country und Popmusik – letztere vor allem in den meist von Niamh Dunne vorgetragenen Songs. Das Publikum freut sich hörbar über dieses abwechslungsreiche Feuerwerk. Im Livezusammenhang dominieren die wilden und schnellen Stücke, dafür sind alle etwas langsamer gehaltenen besonders ansprechend arrangiert. Beoga opfern das Feine, das der irischen Musik in ihrer Tradition eigen ist, gerne mal einem eher kommerziell anmutenden Powerklang – aber sei’s drum: Sie spielen meisterlich und sind in ihrer speziellen Art einfach gut!
Johannes Schiefner
 ULRIKA BODÉN BAND: Kärlekssånger – Folk Love Songs
ULRIKA BODÉN BAND
Kärlekssånger – Folk Love Songs
www.ulrikaboden.se
(Westpark Music 87253)
12 Tracks, 42:34 , mit schwed. Texten u. schwed./engl. Infos


Bei der Auswahl ihres Materials hat die Schwedin Ulrika Bodén, Gesang, Flöte und Autoharp, ein besonders glückliches Händchen. Ihr viertes Soloalbum – neben den Veröffentlichungen mit der Gruppe Ranarim – enthält wieder einige melancholische Liebeslieder. Es bleiben halt viele Lieben unerfüllt, haben ein zu frühes oder gar tödliches Ende aus Eifersucht wie in „Kärleksvisa Från Ed“. Aber auch fröhliche Lieder sind auf Kärlekssånger dabei, wie „Röda Rosor“ und „Himlen Är Full Av Fioler“, oder hoffnungsvolle wie „Tusen Löften“. Viele der Stücke hat Bodén selbst vertont, einige hat sie aus zweien kombiniert. Bei „När Som Gräset Det Vajar“ durfte sie Musik und Text von Lena Willemark übernehmen, andere Texte sind teilweise aus überlieferten Fragmenten zusammengesetzt und zusätzlich ergänzt. Ulrika Bodéns einmalige, berührende Art zu singen wird ergänzt durch etliche Größen der schwedischen Folkszene, die alle auch in anderen Formationen spielen: Mia Marin (Viola), Emma Ahlberg (Geige), Gustav Hylén (Trompete), Mattias Pérez (Gitarre), Daniel Frederiksson (Mandora), Petter Berndalen (Schlagzeug) und Valter Kinbom (Schlagzeug). Sie spielen im Trio bis zum Sextett, und geben damit jedem Stück einen anderen Klang.
Bernd Künzer

 LA CHIVA GANTIVA : Vivo
LA CHIVA GANTIVA
Vivo
www.lachivagantiva.com
(Crammed Discs CRAM232/Indigo)
12 Tracks, 39:11


Die belgische Band La Chiva Gantiva spielte zwar ursprünglich kolumbianische Musik, tendierte dann aber unter Hinzunahme von Bläsern zur Mestizoszene und ließ sich zusätzlich von Afrobeat, Funk und Rock inspirieren. Damit gibt sie den inzwischen schon wieder ziemlich abgenutzten Crossoverklängen der Mestizoszene einige neue Impulse. Die Energie ist ähnlich treibend wie bei den meisten dieser Bands, aber sie setzt pro Stück eher auf einen hypnotischen Basisgroove. Beherrscht wird das Geschehen meist von den beiden Percussionisten, dazu wird gerappt, und im Bläserklang sticht die Klarinette hervor, was dem Ganzen eine zusätzliche Balkanfärbung gibt. Die Truppe schafft es, den einzelnen Genres, in denen sie sich bewegt, jeweils einen besonderen Kick zu geben: Der Afrobeat wirkt eher kubanisch, die Cumbias haben eine Punkattitüde. Insofern gelingt es, innerhalb der üblichen kraftvollen Stimmung der Mestizobands Abwechslungsreichtum zu bewahren. Eine Latingruppe aus Europa, die sich auch in Afrika und sonstwo zu Hause fühlt: Das ist – auch dank ihrer multiethnischen Besetzung – typisch für die neuen Latinbands wie auch La Chiva Gantiva eine ist.
Hans-Jürgen Lenhart
 WIM CLAEYS: De Zwanenzang van Karel Waeri
WIM CLAEYS
De Zwanenzang van Karel Waeri
www.waaim.be
(Wild Boar Music WBM21117)
11 Tracks, 45:43 , mit fläm. Texten


Wim Claeys ist kein Sänger. Er ist Akkordeonist, einer der besten in Europa. Er spielte bei Ambrozijn und Tref. Doch nun gibt er sein Debüt als Vokalist. Das Album ist quasi eine Hommage an den belgischen Volkssänger Karel Waeri aus Gent, wo auch Claeys wohnt. Karel Waeri lebte im 19. Jahrhundert und ist in Gent heute noch berühmt für seine politischen Lieder, in denen er schlechte Arbeitsbedingungen und kirchliche Scheinheiligkeit thematisierte. Auch viele fröhliche und frivole Lieder hat er einst geschrieben. Wim Claeys hat nun elf von ihnen mit neuen Melodien versehen und mit den Multiinstrumentalisten Geert de Waegeneer und Nils de Caster eingespielt. Wer Flämisch versteht, ist da natürlich im Vorteil. Aber auch musikalisch ist De Zwanenzang van Karel Waeri dank origineller Arrangements durchaus reizvoll. Es dominieren zwar die gut gelaunten Stücke, die besseren Melodien fand Claeys aber für die melancholischen Tracks wie „Het Sermoen“ und „Onze Fabrieksmeiskes“. Und wie macht sich Wim Claeys nun als Sänger? Na ja, schon okay, aber er sollte doch besser Akkordeonist bleiben.
Christian Rath

 BARBARA DICKSON: To Each & Everyone – The Songs Of Gerry Rafferty
BARBARA DICKSON
To Each & Everyone – The Songs Of Gerry Rafferty
www.barbaradickson.net
(Greentrax Recordings CDTRAX 378)
13 Tracks, 53:43


Ein Album mit den Songs von Gerry Rafferty kann man durchaus mit „Baker Street“ beginnen. Der Superhit ist schlicht ein Muss, und dann hat man ihn aus den Füßen. Bläst man allerdings das legendäre Saxofonintro mit einer Low Whistle an, dann wird das Resultat entweder genial oder verunglückt ausfallen – und hier gilt leider Letzteres. Damit ist dann aber auch schon der einzige Schwachpunkt der Veröffentlichung abgehakt. Die restlichen Songs werden dem Liederschreiber Rafferty gerecht, zumal Barbara Dickson zu den eher unbekannteren Stücken tendiert. Die interpretiert sie immer sehr treffsicher und Produzent Troy Donockley findet dazu die passende Mischung zwischen Pop, Bombast und Folk – wo seine Uilleann Pipes bestens zur Geltung kommen. Einige der Höhepunkte des Albums sind folglich auch die folkig angehauchten Versionen von „Steamboat Row“ und „The Ark“. Durchgängig spürbar sind die Liebe und der Respekt, die Dickson den einfühlsamen Liedern ihres schottischen Landsmanns entgegenbringt. Vielleicht hätte Produzent Donockley bei „Baker Street“ seine Uilleann Pipes einsetzen sollen. Das hätte dann womöglich doch das Zeug zur genialen Idee gehabt.
Mike Kamp
 JON GOMM: Secrets Nobody Keeps
JON GOMM
Secrets Nobody Keeps
www.jongomm.com
(Performing Chimp Records)
10 Tracks, 57:08 , mit engl. Texten


Dass der Engländer Jon Gomm ein bemerkenswerter Gitarrist ist, durften schon viele erstaunt feststellen – in den sozialen Medien wie auf den Bühnen der Welt. Zu seinen Fans zählen Eric Clapton, David Crosby und Rod Stewart. Die Aufregung hat den Mann überrascht, der seine Lowden nicht nur als Solo- und Begleitinstrument nutzt, sondern ebenso als Cajon zum Umhängen. Rhythmus, klingende Saiten, Gesang: Jon Gomm kann alles gleichzeitig in höchster Qualität, ohne Loops und Overdubs. Bei aller Fingerfertigkeit vermeiden die größtenteils eigenen Songs jede übertriebene Virtuosität oder Ausschläge ins Seichte. Das Album prägt eine oft präsente Schwermut, wohl dem Umstand geschuldet, dass Gomm vor allem auch die Tiefen des Lebens kennengelernt hat. „There’s No Need to Be Afraid“ dient der Selbstberuhigung, und die in „Deep Cut“ mantrahaft wiederholte Botschaft „Let The Rhythm Guide You“ klingt auch therapeutisch. Mühelos versteht Gomm dem eigenen Rat zu folgen, Groove und Atmosphäre sind die Säulen, um die sich seine Musik dreht, dargeboten in einer dicht gewebten Produktion. Und in „Passionflower“ leistet er auch noch Lebenshilfe: „You are what you grow into / You’re not what you were“.
Volker Dick

 MICHEL HAUMONT : Héritage
MICHEL HAUMONT
Héritage
(Acoustic Music Records 319.1511.2/Rough Trade)
12 Tracks, 39:42 , mit frz. u. engl. Infos


Selten hat eine einzelne akustische Gitarre so verführerisch elegant und samtig geklungen wie die des französischen Stahlsaitenkünstlers Michel Haumont. Auf seiner neuesten Veröffentlichung präsentiert er sich als Erzähler raffinierter kleiner instrumentaler Kurzgeschichten, die stilistisch beinahe den gesamten Erdball umfassen. Mühelos wechselt er zwischen südamerikanischen Latingrooves, Louisiana Ragtime und einem Country Waltz. Der Schüler des großen Marcel Dadi verleiht jedem Stück seine eigene Prägung, das heißt einprägsame Melodien und klare, differenzierte Harmonik. Klangtechnisch ist Héritage wie alle Produktionen aus dem Hause Peter Finger ein ästhetischer Hochgenuss. Spieltechnisch ist Haumont Traditionalist. Er versteht sich ausgesprochen als Erbfolger in einer langen Reihe großer Meister der akustischen Gitarrenmusik. Vergeblich sucht man hier nach den Tricks und Kniffen der jungen „Wilden“. Was zählt ist die Komposition und deren sensible Interpretation. Dass die leisen Töne überwiegen, versteht sich fast von selbst. Die sympathischen Linernotes helfen der Fantasie ein wenig auf die Sprünge. Wunderbares Album.
Rolf Beydemüller
 ANNE-MARI KIVIMÄKI: Aikapyörä
ANNE-MARI KIVIMÄKI
Aikapyörä
www.puhti.eu
(Sibelius Akatemia/Kihtinäjärvi Records K3JC003)
13 Tracks, 44:15 , mit Texten und Infos


Ein Neuentdeckung in der Musikkategorie „Verrückte Finnen“ ist Akkordeonspielerin Anne-Mari Kivimäki. Anders als Landsmann Kimmo Pohjonen hält Kivimäki sich aber der Rockmusik und der Klassik fern. Auch mit der traditionellen Folklore, wie sie Maria Kalaniemi interpretiert, kann Kivimäki nicht viel anfangen. Ihr Album Aikapyöra klingt eher wie die musikalische Umsetzung eines expressionistischen Gemäldes. Musik als Kunstform, anstrengend zu hören und fast unmöglich einzugruppieren. Das ist durchaus gewolltes Ziel der Künstlerin. Archaische karelische Technomusik – so könnte ein Versuch aussehen, dieses Album zu beschreiben. Aber er beschreibt eigentlich nur die Hilflosigkeit des Hörers, der Alternativen zum Wort Avantgarde sucht. Aikapyörä ist dabei nur eine Zusammenfassung einer längeren Serie namens Suistamo, die der Künstlerin immerhin als Doktorarbeit an der Sibelius-Akademie in Helsinki dient. Aus dieser finnischen Musikhochschule gehen die allermeisten dieser Skandinavier hervor, die uns immer wieder in Erstaunen versetzen. Letzteres gelingt Anne-Mari Kivimäki allemal. Einmal mehr also nach Finnland der begeisterte Ausruf: „Solche Musik habe ich wirklich noch nie gehört!“
Chris Elstrodt

 SETH LAKEMAN: Word Of Mouth
SETH LAKEMAN
Word Of Mouth
www.sethlakeman.co.uk
(Cooking Vinyl COOKCD535/Indigo)
Promo-CD, 12 Tracks, 47:39


Und schon ist er mit der ersten Singleauskopplung „The Courier“ via Playlist wieder im britischen BBC Radio 2 unterwegs! Dabei sieht Seth Lakeman im Hitradio gar nicht sein natürliches Umfeld. Er ist Folkie! Nur geraten ihm seine Songs meist so eingängig, mitsing- und tanzbar – Merkmale, die dann doch glatt darüber hinwegtäuschen können, dass es ihm nachweislich um Tieferes geht. Da ist zum einen seine Suche nach dem absolut natürlichen Klang, die ihn diesmal zu Aufnahmezwecken in eine Kirche in Cornwall geführt hat. Und da sind zum anderen – und ganz besonders – die Inhalte seiner Lieder. Die Texte zeigen die Bandbreite seiner Themen: Ob es um Werftarbeiter oder Eisenbahner und die spezifischen Dinge geht, die sie betreffen und mit denen sie sich auseinandersetzen müssen, oder um die Kämpfe für die Rechte der Arbeiter im Allgemeinen – Seth Lakeman geht es um die Menschen! Ihr Leben, ihre Freuden und ihre Probleme. Das gerät vor lauter Hüpffaktor und ausgelassenem Spaß an seiner Musik manchmal ein wenig in den Hintergrund. Aber wer sagt denn, dass ernstzunehmende Lieder nur mit erhobenem Zeigefinger und wichtiger Miene vorgetragen werden dürfen?
Mike Kamp
 MY DARLING CLEMENTINE: The Reconciliation?
MY DARLING CLEMENTINE
The Reconciliation?
www.mydarlingclementinemusic.co.uk
(Continental Song City CSCCD 1099/Continental Record Services)
12 Tracks, 50:11 , mit engl. Texten u. Infos


Wie beim Vorgängeralbum How Do You Plead? schlagen Michael Weston King und seine Lebensgefährtin Lou Dalgleish mit ihrem Pärchenprojekt My Darling Clementine nun auch bei dessen Nachfolger wieder vor allem aus den Meinungsverschiedenheiten, Nickligkeiten und Streitereien Funken, in die Liebesbeziehungen schon von jeher überall so gerne münden – nicht nur in der Countrymusik, mit der King, schon von jeher eher Americana-Apologet als Vertreter einer britischeren Variante, seine Vorlieben mit My Darling Clementine auf einen Endpunkt brachte. Dass mit „No Matter What Tammy Said (I Won’t Stand By Him)“ ein direktes Türchen zur legendärsten aller Country-Ehekatastrophen zwischen Tammy Wynette und George Jones geöffnet wird, ist konsequent. Aber keine Angst: Für ein Schauspiel dieser Dimension und Unterhaltungskraft fehlt es My Darling Clementine einstweilen dann doch noch an einigem. Die Songs sind allesamt rund und ausgereift, eingängig und packend, aber am Irrsinn und der Tragik des einstigen Traumpaars des Country scheint es Weston King und Dalgleish doch offensichtlich noch völlig zu mangeln – wie an der Explosion ihrer Beziehung. Möge der Eindruck stimmen.
Christian Beck

 NO BLUES: Kind Of No Blues
NO BLUES
Kind Of No Blues
www.noblues.nl
(Continental Europe CECD48/Continental Record Services/In-akustik)
25 Tracks, 104:04 , mit engl. Infos


Zum Zehnjährigen gönnt sich das Quintett aus dem Umfeld des Productiehuis Oost-Nederland in Deventer ein Doppelalbum inklusive Retrospektive. Das ist einem Ensemble angemessen, dem in seinem ersten Jahrzehnt tatsächlich gelungen ist, was viele gern behaupten: eine eigene Mischung zu kreieren – die Verbindung von Americana und Arabica, von der sogar die einleuchtende Bezeichnung Arabicana hängen blieb, die der Zögling erhielt. Die erste Hälfte von Kind Of No Blues blickt mit aktuellen Liveversionen also noch einmal zurück auf herausragende Stücke um das herausragende „Black Cadillac“; was nicht nur vertretbar ist, sondern zur Aufwertung der zweiten Hälfte gar zu empfehlen – handelt es sich dabei doch ursprünglich um Soundtrackmaterial für einen Film über den Arabischen Frühling, das nur in Momenten wirklich mehr ist als ein angenehmer Klangteppich. So etwa in „Habibi Blues“, wenn die Arabicana ungewöhnlich direkt von der Americana-Ebene, hier dem Blues her aufgezäumt wird. Oder in „Waterpipe“ mit der kernigen Sprechdarbietung des 77-jährigen Rhythm-and-Blues-Rabauken Andre Williams aus den USA. Als Gesamtpaket und zur Würdigung der Band aber erstklassig durch und durch.
Christian Beck
 MARTIN SIMPSON: Vagrant Stanzas
MARTIN SIMPSON
Vagrant Stanzas
www.martinsimpson.com
(Topic Records TSCD589)
14 Tracks, 52:17 , mit engl. Infos


Jetzt macht es der englische Meistermusiker einmal völlig alleine – und auch das gelingt Martin Simpson ganz hervorragend, wie die Besucher des TFF Rudolstadt 2013 garantiert bestätigen können. Der Verweis auf den Festivalauftritt passt insofern, als das Album an diversen Orten quasi live im Studio aufgenommen wurde, mit ganz wenigen Overdubs, meist war die erste Version stimmig. Akustische, elektrische und Slidegitarre, Banjo und natürlich Simpsons knorriger Gesang; schottische Balladen, amerikanische Tradsongs, eigene und fremde Lieder, zum Beispiel von Leonard Cohen, sowie Gitarrenimprovisationen – das Destillat von 48 Bühnenjahren. Ein solches Album mag im Prinzip natürlich jeder einspielen können – aber wohl kaum mit der Glaubwürdigkeit, Überzeugungskraft und Souveränität des Mannes aus Leeds. Wie sehr ruht ein Künstler in sich, der auf die in Frageform gekleidete Folkdefinition „Ist das nicht dieser bolschewistische Unsinn?“ ganz gelassen und ironisch reagiert: „Ich liebe diese Bemerkung, Folkmusik kann es ab, auf solche Art von Dummköpfen geschmäht zu werden.“
Mike Kamp

 JOHN SPILLANE: Life In An Irish Town
JOHN SPILLANE
Life In An Irish Town
www.johnspillane.ie
(Universal Music Ireland 3753155)
11 Tracks, 36:31 , mit ausführlichen Infos u. Texten


Der irische Sender TG4 ließ für Spillane An Fánaí (Spillane The Wanderer)d en Singer/Songwriter John Spillane als Barkeeper in sechs typischen, traditionsreichen irischen Pubs die Einheimischen erleben. Dies war die Inspiration für die vorliegende Sammlung sehr persönlicher Lieder, die mit charismatischer Stimme das Leben auf dem Land in höchst vergnüglicher und fantasievoller Sprache besingen. Poetische Midtempo-Songs wechseln mit schwungvollen Widmungen an die besuchten Plätze. „Fethard Town“ bedient sich mit Wortspielen und fröhlichen Kinderstimmen den Mustern eines Kinderliedes, „Ferry Arms“ gibt in grotesker Weise die Stimmung in einem Fußballpub wieder. Dazu gesellen sich die Perlen des Albums, der fantastische Einstieg „Life In An Irish Town“ und das Schlusslied „All The Ways You Wander“, ein alter Hit Spillanes in neuem, unglaublich intensivem Pianoarrangement – der Rezensent war echt ergriffen! Einige Längen in der Mitte des Albums sollen nicht verschwiegen werden, aber insgesamt ein emotional sehr dichtes, schönes Werk für Stunden der Muße – Applaus für John Spillane und seine musikalischen Freunde aus Cork an Keyboards, Percussion, Uilleann Pipes, Fiddle und mehr!
Johannes Schiefner
 SVESTAR: Svestar
SVESTAR
Svestar
www.svestar.dk
(GO’ Danish Folk Music GO1113)
13 Tracks, 42:23 , mit dän. Texten u. dän./engl. Infos


Die drei dänischen Musikerinnen, die sich hier zu ihrem ersten Album zusammengefunden haben, sind schon sehr unterschiedlich. Der Mezzosopran von Anne Roed Refshauge ist klassisch geprägt – meist singt sie mit Vibrato, was im Folk eher unüblich ist. Die Pianistin Marie Sønderby ist stilistisch kaum festzulegen. Sie ist in der Lage die Akkordmöglichkeiten des Pianos mehr auf Einzeltöne zu reduzieren und ist insofern ein ausgewogener Gegenpart zur Folkgeige Kirstine Sands, die ja immer eine besondere Dynamik entwickelt. Gastmusikerin bei sieben Stücken ist die junge Cellistin Kirstine Pedersen, die sowohl in der Klassik als auch im Folk zu Hause ist – sie hat beide Genres 2013 jeweils mit einem Master abgeschlossen. Die Stücke verfügen über eine ziemliche Bandbreite: eigene Kompositionen von Refshauge wie „Du, Min Anna“, das auf Feldpostbriefen ihres Urgroßvaters basiert und mit Torben Sminges Flügelhorn untermalt wird; Instrumentalstücke von Sand wie „Dansen I Lunden“ mit Cello und Geige; sowie traditionelle Stücke wie das bekannte „Jeg Kann Se På Dine Øjne“. Als gemeinsame Leistung Torben Sminges und Svestars ist das Album außergewöhnlich gut abgemischt und ausbalanciert.
Bernd Künzer

 RICHARD WEIHS: Wiaschtln
RICHARD WEIHS
Wiaschtln
www.members.aon.at/richard.weihs
(Non Food Factory NF_2346)
12 Tracks, 47:00


Mit der Traditionspflege ist es im Zeitalter der Globalisierung und der Auflösung von Heimatgefühlen und Traditionsgenres nicht so einfach. Dass dem Wiener sein Wienerlied heilig ist – geschenkt! Was, wenn sich Bluesklänge ins Spiel mischen? Komödiant Richard Weihs lebt in Wien und ist Gitarrist und Besitzer einer unglaublichen Sammlung historischer Resonatorgitarren. Da liegt der Blues ganz nahe. Zudem arbeitet er mit dem Resonatormeister Gottfried Gferer zusammen, der in Kärnten, im Blues und in der Gitarrenwelt Hawaiis zu Hause ist. Für Wiaschtln hat Weihs sich mit Spezis des Wienerlieds und mit Gferer umgegeben. Gesungen wird im Wiener Dialekt – was zumindest bis zum sechsten Titel von Wienerliedreminiszenzen und von jenseits des Weißwurstäquators teilweise schwer verdaulichem Wiener Schmäh geprägt ist. Dank der feinen Slidegitarrenarbeit Gferers bleiben aber selbst diese Stücke bluesgeerdet. Mit Track sieben allerdings verschwindet glücklicherweise der Zwang zum Lustigsein, alles entspannt sich und findet in einem unaufgeregten und deshalb guten Cover des Slide-Gospel-Klassikers „You Gotta Move“ als „Wiad scho wean“ schließlich einen gar nicht wurschtigen, krönenden Abschluss.
Harald Justin



Nordamerika
 WILLIAM FITZSIMMONS: Lions
WILLIAM FITZSIMMONS
Lions
www.williamfitzsimmons.com
(Grönland Records CDGRON136/Rough Trade)
Promo-CD, 12 Tracks, 42:39


Langer Bart, Wollmütze und Tätowierungen, dabei als Texter ein überaus sensibler Sinnsucher – wie das Inbild moderner Männlichkeit wirkt William Fitzsimmons, studierter Psychologe und Sohn blinder Eltern. Selbstanalyse steht im Mittelpunkt seines Schaffens; Dingen, die er nicht tolerierbar findet, versucht er sich zu stellen, statt sich von ihnen überrennen zu lassen. Nach fünf Alben in acht Jahren und ausgiebigen Tourneen hatte der Mittdreißiger im vergangenen Jahr den Eindruck, seine künstlerische Freiheit verloren zu haben. Er ging zurück auf Null, setzte sich mit den „Löwen“, die die Kontrolle über sein Leben gewonnen hatten, auseinander. Neue Songs begann er von den Dingen im Leben aus zu entwickeln, die ihm wirklich etwas bedeuteten. Lions klingt friedvoll und still. Fitzsimmons haucht seine Songs mehr, als das er sie singt, die akustische Gitarre wird dazu sensibel gezupft. Selbst wenn das Schlagzeug zum Einsatz kommt, haut hier keiner auf die Pauke. Wie auf seinen vorherigen Alben ist Fitzsimmons auch diesmal ein in sich gekehrter, eher leiser Sänger und Musikant. Vielleicht noch dringlicher als früher geht es ihm darum, mit einfacher, seelenvoller Musik Nähe herzustellen.
Michael Freerix
 J. R. SHORE: State Theatre
J. R. SHORE
State Theatre
www.jrshore.com
(Eigenverlag)
Do-CD, 20 Tracks, 77:42 , mit engl. Infos


Eine echte Entdeckung ist der Pianist und Sänger J. R. Shore aus Texas. Die erste CD seines dritten Albums bietet zwölf eigene Titel, die zweite acht Coverversionen. Fast alle Songs sind außergewöhnlich harmonisch. Titel wie „The Ballad Of Dreyfus“, „Pondmaker“ und das fünfeinhalbminütige „146“ unterstreichen Shores enorme Singer/Songwriter-Qualitäten. Inspiriert haben ihn Musiker wie John Prine, Graham Parsons und Neil Young. Shore selbst, der noch etliche andere Instrumente spielt, imponiert als Vollblutmusiker, der den Zuhörer mit stimmigen Geschichten packt. Der Klang der Begleitband – Garth Kennedy (Klavier/Orgel), Marc Jenkins (Akustik- und E-Gitarre), Brian Horwitz (Schlagzeug und Percussion), Mike Barer (Bass und Violine) und Jan McKittrick (Gesang) – schafft eine vorzügliche Grundlage für Shores warme und doch energiegeladene Stimme. Das schön gestaltete Digipack beinhaltet viele Informationen. Hier hat uns ein Musiker wirklich etwas zu erzählen. Hören wir ihm zu.
Annie Sziegoleit

 DAVE VAN RONK: Down In Washington Square
DAVE VAN RONK
Down In Washington Square
(Smithsonian Folkways Recordings SFW 40213/Galileo MC)
3 CDs, 54 Tracks, 183:05 , mit ausführl. engl. Infos


Es hat nicht jeder das Zeug zum Bob Dylan – Gott sei Dank! Einer von der Sorte reicht völlig – in seinen großen Zeiten wie in der grauenvollen Everybody’s-Darling-Phase, die andauert. Wie Inside Llewyn Davis gerade einer größeren Öffentlichkeit andeutete, hatte Dave Van Ronk das Zeug zum Dylan jedenfalls nicht – sicher zu spröde, aber vielleicht ja auch zu viel Klasse und Stil? Ein Kunststück wäre das nicht. Ein Folksänger von Klasse und Rang war aber auch der „Mayor of MacDougal Street“ – wie Smithsonian Folkways mit der prallvollen Dreifach-CD Down In Washington Square dem Film nun zeitlich günstig hinterherschiebt. Die 54 Aufnahmen schlagen einen opulenten Bogen von Liveaufnahmen des 22-Jährigen bis zu seinen letzten Studioeinspielungen im Jahr vor seinem Tod im Februar 2002 mit 65 Jahren. Nur in seltenen Fällen als Autor hervorgetreten, glänzte Dave Van Ronk nicht nur als nimmermüder Schatzsucher im unerschöpflichen Folkrepertoire, sondern auch als bärbeißig kraftvoller Interpret der Perlen, die er dabei zutage förderte. Von seinem großen Herz ganz zu schweigen – sauer auf den Superstar, der sein „House-Of-The-Rising-Sun“-Arrangement geklaut hat? Nicht sein Ding. Nie gewesen.
Christian Beck



Onlinerezensionen
THE AUTUMN DEFENSE
Fifth
www.theautumndefense.com
(Yep Roc CD-YEP-2354/Cargo Records)
Promo-CD, 12 Tracks, 46:02


Das Seitenprojekt des Wilco-Bassisten John Stirrat mit Freund Pat Sansone – inzwischen auch Wilco-Mitglied – wird auf seinem fünften Album vor allem von seiner offensichtlichen Beatles-Sozialisation geprägt, nahezu omnipräsent. Opulent schwelgerische, wohlklingende Melodien und Harmonien nach Fab-Four-Muster – wenn auch deutlich schwermütiger.




NEUES AUS DEM NORDEN
 P. A. RØSTADS ORKESTER: Fjellfiolen  KOLONIEN: Sammanhang  EMILIA AMPER : Trollfågeln  UNNI BOKSASP ENSEMBLE: Kvite Fuglar  FIRIL: Smile Son Sumarsole  TRANOTRA: Trading Nordic Traditions
P. A. RØSTADS ORKESTER
Fjellfiolen
www.parostads.no
(Lydhagen)
15 Tracks, 43:17


KOLONIEN
Sammanhang
www.kolonien.nu
(Nataraj Records NATREC920/Distrosong)
5 Tracks, 22:50


EMILIA AMPER
Trollfågeln
www.emiliaamper.se
(BIS Records BIS-2013)
14 Tracks, 59:42


UNNI BOKSASP ENSEMBLE
Kvite Fuglar
www.boksasp.no
(Eigenverlag UBE1)
11 Tracks, 33:05


FIRIL
Smile Son Sumarsole
www.etniskmusikklubb.no
(Etnisk Musikklubb EM75)
13 Tracks, 35:30


TRANOTRA
Trading Nordic Traditions
www.tranotra.com
(Gammalthea SEWJN13)
9 Tracks, 51:59


Etwas betulich und konventionell klingen die Herren vom P. A. RØSTADS ORKESTER. Aber Vorsicht, die von Fiddle und Akkordeon dominierten Instrumentalstücke auf Fjellfiolen sind pure Gebrauchsmusik. Oder mit anderen Worten: Tanzmusik! Da wären Experimente nur hinderlich. Das norwegische Quintett liefert bereits in zweiter Generation zuverlässig die Basis für durchtanzte Abende, vergleichbar etwa mit den schottischen Ceilidh-Bands. Da sind die vier jungen Schweden von KOLONIEN ganz anders gestrickt – wenngleich man auch auf ihre teils englischen, teils schwedischen und manchmal politischen Songs auf Sammanhang allemal tanzen kann. Die Musik wird von Reggae-Bass, Percussion, Gitarre und der Solofiddle Anna Möllers geprägt. Nicht zu vergessen der saubere Harmoniegesang, der bereits beim Debüt Clockwise auffiel. Definitiv eine Liveband! EMILIA AMPER aus Schweden ist tatsächlich Weltmeisterin auf der Nyckelharpa und kann alles von klassisch angehauchten Solostücken bis Popsounds. Ein echtes Showtalent! Auch eine mehr als passable Sängerin, gibt sie sich auf Trollfågeln nicht nur, aber eher traditionell solo und nutzt dabei neben Percussion häufig die Streicher der Trondheim Soloists. Mit Kvite Fuglar gelingt einer der profiliertesten traditionellen Sängerinnen Norwegens und ihrem UNNI BOKSASP ENSEMBLE eine Überraschung: Ausnahmslos alle der überzeugenden Lieder stammen aus Unni Boksasps eigener Feder! Die atmen deutlich den Geist der Tradition, ohne jedoch auf ebenso deutliche moderne Einflüsse zu verzichten. Das liegt neben Boksasps grandiosem Gesang zweifelsohne auch an den meisterlichen Mitmusikanten. Einer dieser Musikanten ist der preisgekrönte Hardangerfiedler Olav L. Mjelva, der sein Instrument auch beim norwegisch/schwedischen Quartett FIRIL spielt. Ohne die anderen hervorragenden Musiker abwerten zu wollen, lebt die Musik dessen überwiegend traditionellen Erstlings Smile Son Sumarsole neben den zwei Hardangerfiedeln in erster Linie vom faszinierenden Gesang Margit Myhrs. Ihre Stimme ist zarter als Unni Boskasps, überzeugt bei den Liedern, die hauptsächlich aus dem norwegischen Hallingdal stammen jedoch durch ausgefeilte Interpretationstechnik. Wie Firil haben sich auch TRANOTRA – ein Akronym, siehe Albumtitel – länderübergreifende nordische Zusammenarbeit in Sachen Folklore zum Prinzip gemacht. Die vier jungen Musikerinnen und Musiker aus Norwegen, Schweden und Dänemark haben sich beim Studium an der Sibelius-Akademie in Helsinki getroffen. Die Musik auf ihrem Debüt Trading Nordic Traditions ist eine Mischung der verschiedenen kulturellen Hintergründe – selten traditionell, dagegen manchmal ziemlich frei improvisiert. Fiddle, Akkordeon und Klarinette sorgen für eine durch und durch spannende nordische Instrumentalmusik.
Mike Kamp



Afrika
 DOBET GNAHORÉ: Na Drê
DOBET GNAHORÉ
Na Drê
www.dobetgnahore.com
(Contre Jour cj031/Broken Silence)
14 Tracks, 46:21 , mit Texten u. franz./engl. Infos


Die Ivorerin verkörpert zum einen mittels ihrer in jeglicher Hinsicht bunten Selbstinszenierung den Paradiesvogel unter den Afropopsängerinnen, zum anderen die starke, selbstbewusste afrikanische Frau und Solokünstlerin. Schon auf den beiden Vorgängeralben hatte sie sich „Frauenthemen“ angenommen, und sie tut dies auch auf Na Drê wieder. Da geht es um Zwangsehen – „Fouroussi“ – oder die mangelhafte Gesundheitsversorgung auf dem Land: „Tania“ ist einer Schwangeren gewidmet, die bei der Geburt Kind und Leben verliert. Gnahoré gelingt es, auch solch ernste Inhalte mittels eingängiger Melodien nachhaltig zu transportieren. Lebensfrohe und nachdenkliche Texte halten sich in etwa die Waage. Den Titelsong – zu Deutsch: „Mein Herz“ – hat sie gemeinsam mit Lokua Kanza komponiert und eingespielt. Trotz eines Großaufgebots an Musikern und Sängerinnen klingt das Album wie aus einem Guss, geprägt von Gnahorés sehr variations- und ausdrucksstarker Stimme. Ihre Lieder singt sie in den ivorischen Sprachen Bété, Dida und Malinké, aber auch im Kreolisch Haitis. Die meisten haben einen unwiderstehlichen Groove und sind dank ihrer sich an der Rumba anlehnenden Struktur gut tanzbar.
Roland Schmitt
 MAMANI KEÏTA: Kanou
MAMANI KEÏTA
Kanou
www.mamanikeita.fr
(World Village Music WV 479080/Harmonia Mundi)
11 Tracks, 39:53


So farbenfroh wie das Cover ist auch der Inhalt des vierten Soloalbums der ehemaligen Chorsängerin Salif Keitas. Nach einem Zwischenspiel in der Band Tama steht „Oma“ – Mamani – Keïta längst auf eigenen Füßen. Sie schreibt ihre Lieder in ihrer malischen Muttersprache Bambara selbst, verleiht ihnen mit ihrer fulminanten Stimme eine unverwechselbare Note. Das neue Werk ist stilistisch um einiges vom Solodebüt von 2001, Electro Bamako entfernt, auch wenn Mamani Keïta dem Elektropop an sich zugetan ist. Die unerwartet traditionell arrangierte Musik wirkt insgesamt sehr füllig und dynamisch, wobei sie eigentlich spartanisch instrumentiert ist. Neben Keïtas Gesang ist die ausgesprochen rockige Gitarre von Djeli Moussa Kouyaté, ex Bamako Rail Band, sehr dominant, etwa in „Fanatan“; Moriba Koita, der ebenfalls schon für Salif Keita und Mory Kante arbeitete, sorgt mit seiner Ngoni für kongeniale Verzierungen, Madou Kone für die perkussive Basis – das ist alles! Leider fehlt ein Booklet mit Infos zu den Liedinhalten, doch das Titelstück „Kanou“ („Lieben“) soll programmatisch zu verstehen sein. Beschworen werden Zuneigung, Respekt und Fürsorge zwischen den Menschen – gleich jeden Alters.
Roland Schmitt

Asien
 ADNAN JOUBRAN: Borders Behind
ADNAN JOUBRAN
Borders Behind
www.adnanjoubran.com
(World Village WVF 031/Harmonia Mundi)
Promo-CD, 9 Tracks, 42:16


Ein musikalisches Kleinod. Adnan Joubran ist der jüngste Bruder des palästinensischen Trio Joubran, das die Kurzhalslaute in die großen Konzertsäle der westlichen Welt brachte. Nun tritt er mit einem Soloprojekt hervor, hinter dem ein Quartett steckt, das er zusammenstellte und für das er komponierte und arrangierte. Der knapp vierzigjährige Virtuose verfügt über den guten Ton. Das alleine ist schon äußerst hörenswert. Aber das Sahnehäubchen des Albums ist die spezielle Instrumentierung – wie die Ud mit der indischen Tabla, dem Cello sowie einer weiteren Percussion einen gemeinsames Klangbild erzeugt. Dazu braucht es handverlesene Musiker, die sich auf dem spielerischen Niveau des Bandleaders Joubran bewegen. Die Konzentration auf nur drei bis vier Instrumente lässt ein kleines, sehr intensives Kraftfeld entstehen, getragen von packenden Arrangements und dem abwechslungsreichen Spiel versierter Musiker. Der Albumtitel Borders Behind ist keine vorschnelle Losung, die vier Musiker lassen die Grenzen tatsächlich hinter sich, und aus Spuren von Klassik, Orient und Indien entsteht ein neuer, stimmungsvoller Zusammenklang.
Birger Gesthuisen



Bücher
 OSKAR KRÖHER: Vom Lagerfeuer ins Rampenlicht.
OSKAR KRÖHER
Vom Lagerfeuer ins Rampenlicht.
www.spurbuch.de
(– Baunach : Spurbuchverl., 2013. – 365 S. : mit s/w-Fotos.)
ISBN 978-3-88778-389-1 , 29,80 EUR


Nach Das Morgenland ist weit – die erste Motorradreise vom Rhein zum Ganges, einem Bericht über eine Reise nach Indien, die Oss Kröher mit seinem Freund Gustav Pfirrmann zu Beginn der Fünfzigerjahre unternahm, der Autobiografie Ein Liederleben – eine Jugend im dritten Reich und seiner Nachkriegsgeschichte Auf irren Pfaden durch die Hungerzeiten ist die opulente, neueste Veröffentlichung Vom Lagerfeuer ins Rampenlicht nun bereits der vierte autobiografische Band, den Kröher vorlegt. In lebendiger, gut zu lesender Sprache schildert der Autor sein Leben in den Jahren von 1952, nach der Rückkehr aus Indien, bis zum ersten Waldeck-Festival 1964, an dessen Gründung er wesentlichen Anteil hatte. Ein Dutzend Jahre bundesrepublikanischer Geschichte aus der sehr persönlichen Sicht eines vielschichtigen, äußerst umtriebigen Zeitgenossen. Fast tagebuchartig erzählt Kröher von seinen Erfahrungen als Deutschlehrer an Schulen der US-Army in Pirmasens und Stuttgart, berichtet von seiner Familiengründung und den Unwägbarkeiten des Hausbaus, gewährt tiefe Einblicke in das Leben eines Handlungsreisenden (Kröher war einige Jahre als Vertreter für Damenschuhe unterwegs) und lässt den Leser auf plastische, zuweilen durchaus unterhaltsame Weise teilhaben an weiteren Reisen zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Drei Konstanten durchziehen die vielfältige Welt des Oskar Kröher: sein Zwillings- und Sangesbruder Hein, das bündische Leben der damaligen Jugendbewegung sowie, mit Letzterem eng verknüpft, das Singen und Musizieren – internationale Folklore und traditionelle sowie eigene deutsche Lieder demokratischen Charakters. Die zahlreichen Liedbeispiele, die vielen Anekdoten und kleinen Begebnisse, bis ins letzte Detail hinein geschildert und immer wieder in wörtlichen Dialogen dargestellt, und nicht zuletzt der angehängte Bildteil machen das Buch insgesamt zu einer gleichermaßen angenehmen wie bereichernden Lektüre.
Kai Engelke
 EWAN McVICAR: ABC My Grannie caught a Flea : Scots Children’s Songs and Rhymes.
EWAN McVICAR
ABC My Grannie caught a Flea : Scots Children’s Songs and Rhymes.
www.birlinn.co.uk
(– Edinburgh : Birlinn, 2014. – VIII, 216 S.)
ISBN 978-1-78027-195-8 , 7,99 brit. Pfund


Der Untertitel sagt eigentlich schon alles: Schottische Kinderlieder und -reime, die der Geschichtenerzähler, Autor und Songschreiber McVicar zwischen 1991 und 2006 in den Schulen gesammelt hat, angereichert durch Archivmaterial bis zurück ins Jahr 1842. All das ist fein sortiert nach Kapiteln wie „Sittin on yer Mammie’s Knee“ oder „In the roaring Playground“. Was beim Durchblättern und -lesen jedoch auffällt, ist, wie weit wir Erwachsenen uns von den kulturellen Aktivitäten unserer Kinder, ja, unserer eigenen Kindheit entfernt haben. Das ist in Deutschland nicht anders als in Schottland. Diese respektlosen und fantasievollen Reime sind Folklore im Reinformat: immer wieder neu erfunden, verworfen, aktualisiert mit Bezug auf zeitgemäße Phänomene zum Beispiel im Fernsehen oder Kino, manchmal brutal und manchmal mit überraschenden Einsichten. Dieses Buch ist eine kurzweilige Lektüre, die überdies keine Systematik erfordert: Mal hier eine Seite, mal dort eine, aber immer ein Lächeln im Gesicht. Ja, kaum zu glauben, so waren wir auch mal ...
Mike Kamp

 LAL WATERSON: Teach me to be a Summer’s Morning.
LAL WATERSON
Teach me to be a Summer’s Morning.
www.thebeesknees.com
(– London : Fledg’ling Books, 2013. – 72 S. + CD.)
ISBN 978-0-9926395-0-1 , 25,- brit. Pfund


Ist es eine CD mit viel Drumherum oder ist es ein Buch mit CD in limitierter Auflage von 1.500 Exemplaren? Die Entscheidung fiel zugunsten Letzterem, zu Recht. Lal Waterson war Mitglied der berühmten englischen traditionellen A-cappella-Gruppe The Watersons, aber ihr musikalisches Spektrum reichte schon immer darüber hinaus in Richtung eigene Lieder, wie die beiliegende CD mit Demos beweist: Gesang und Gitarre, teils mit Bruder Mike oder Tochter Marry, gute Qualität – Songs reduziert auf das Wesentliche. Und die Lieder tauchen auf dem Qualitätspapier zwischen den dicken Buchdeckeln erneut auf: Textentwürfe, Auszüge aus Notizbüchern, korrigiert, durchgestrichen, ratlose Pausen, spontane Ideen, mit Schreibfehlern und grafischen Ansätzen. Die Bilder und Zeichnungen sind von großer Vielfalt. Der Rezensent ist alles andere als ein Kunstkritiker, aber die Gemälde mit Öl, Tinte, Bleistift, Wasserfarben auf Papier, Glas oder Steinen geben einen faszinierenden Einblick in die Gedankenwelt einer viel zu früh verstorbenen Künstlerin, die sich jedweden Materials bedient, um ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen. Großer Dank gebührt Lal Watersons Tochter Marry, die uns diesen umfassenden Eindruck gewährt. Ein Kleinod!
Mike Kamp
 The Little Black Songbook of Donovan: : compl. lyrics & chords ; 80 classics.
The Little Black Songbook of Donovan
: compl. lyrics & chords ; 80 classics.
www.musicsales.com
(– London [u.a.] : Wise Publ., 2013. – 176 S. : nur Texte u. Akkorde. – (AM ; 100)
ISBN 978-1-78305-101-4 , 18,90 EUR


Ein sogenanntes Fakebook, das Texte und Akkorde von achtzig Donovan-Songs enthält. Man fragt allerdings, wer so was kaufen soll, mit 18,90 Euro legt man verhältnismäßig viel Kohle hin. Dabei gibt es die Texte und Akkorde dieser Songs im Internet kostenlos. Enthalten sind, fein sortiert, Donovan-Klassiker vom „Hurdy Gurdy Man“ über „Atlantis“ bis hin zu „Josie“, Jennifer Juniper“ und viele andere. Das unverwüstliche „Catch The Wind“ ist selbstverständlich enthalten, aber auch jüngere Songs („Beat Café“) von den späten Alben. Immerhin sind den Texten jeweils sämtliche Akkorddiagramme vorweggestellt. Das Büchlein (im gigbagtauglichen Kleinformat) ist robust in einen Plastikumschlag gebunden. Na, dann ist das nächste Lagerfeuer mit Donovan-Songs gesichert.
Ulrich Joosten

 Heinke Fiedler: Letras de Tango : interpretadas por el Sexteto Milonguero / Heinke Fiedler y Sexteto Milonguero. – Erstausg.
Heinke Fiedler
Letras de Tango : interpretadas por el Sexteto Milonguero / Heinke Fiedler y Sexteto Milonguero. – Erstausg.
www.tanguentro.com
(– Düsseldorf : Eigenverl., 2013. – 80 S. : nur s/w-Fotos u. Songtexte.)
ISBN 978-3-00-042172-3 , 49,- EUR


Ein wunderbarer Bild-/Textband, den Heinke Fiedler mit dem Sexteto Milonguero hier veröffentlicht hat. Zu den zwanzig Stücken der Doppel-CD Doble O Nada von Sexteto Milonguero (Rezension folgt) hat Heinke Fiedler hier Schwarz-Weiß-Fotos diverser Fotografen zu einem beeindruckenden Band (mit spanischen Songtexten und englischer Übersetzung) zusammengestellt. Durch die Schwarz-Weiß-Produktion und die Intensität, mit der viele der Fotos rüberkommen, ist allein das Blättern in dem Buch schon ein Genuss, man hat den Eindruck, die Freude der Musiker an der Musik zu spüren, auch wenn man die Musik nicht hört. Vom Tango selbst ist hier nicht viel zu sehen, will sagen: Tänzer/Tanzfiguren stehen nicht im Vordergrund, sondern die Musiker. Gerne hätte ich auch die kleineren Fotos formatfüllend gesehen, aber es ist verständlich, dass das in einem im Eigenverlag produzierten Band nur begrenzt möglich ist. Und damit sind wir auch bei der Schattenseite des „nur“ achtzigseitigen Bildbandes, der mit knapp 50 Euro einen stolzen Preis hat. Aber er ist wirklich schön anzuschauen, sodass das Buch nicht nur für Tangofans interessant sein dürfte, sondern hoffentlich höhere Aufmerksamkeit und Absatz erzielt.
Doris Joosten
 Alfons Hug (Hrsg.): Zeitgenössische Künstler aus Brasilien / hrsg. v. Alfons Hug i. A. von : Goethe-Institut u. Akad. d. Künste.
Alfons Hug (Hrsg.)
Zeitgenössische Künstler aus Brasilien / hrsg. v. Alfons Hug i. A. von : Goethe-Institut u. Akad. d. Künste.
(– Göttingen : Steidl, 2013. – 271 S. : mit zahlr. Abb. (Positionen ; 6))
ISBN 978-3-86930-672-8 , 24,- EUR


Der sechste Band der Positionen-Reihe des Steidl-Verlags beschäftigt sich mit Brasilien. Wie immer in der Reihe werden ausgewählte Künstler in Interviews, Essays oder Porträts vorgestellt, es gibt keine theoretischen Abhandlungen zum Thema. Neben den Bereichen Bildende Kunst, Film, Tanz/Theater und Literatur wird auch die populäre Musik Brasiliens auf diese Weise „porträtiert“ – auf leider nur dreißig Seiten über Gaby Amarantos, Karina Buhr, Emicida, Patricia Palumbo, Thiago Pethit, Tulipa Ruiz. Insgesamt ist das Buch ein kompakter Überblick über die gegenwärtige brasilianische Kunst- und Kulturszene.
Doris Joosten

Deutschland
 FEE BADENIUS: Feelosophie
FEE BADENIUS
Feelosophie
www.feebadenius.de
(Reimkultur Musikverlag RKMV 523121)
14 Tracks, 55:32 , mit dt. Texten u. Infos


Es gibt Liedermacher, die schreiben tolle, einfallsreiche Melodien und – als sei ihr Pulver damit verschossen – für die Texte reicht’s dann nicht mehr, die kommen dann eher flach und banal daher. Andere Songschreiber sind wahre Poeten, die ihre wirklich bedenkenswerten Texte anschließend in dürftige Melodien kleiden. Bei Fee Badenius, und das ist selten, klappt beides: Ihr fallen originelle, durchaus außergewöhnliche Texte ein, die sie mit Tonfolgen versieht, deren Abfolge man nicht schon ahnt, bevor sie tatsächlich erklingen. Sie singt mit zarter, unaufdringlicher Mädchenstimme von peinlichen Situationen („Worte dafür“), setzt ihrer Heimatstadt „Witten“ ein musikalisches Denkmal, beklagt ihre vermeintlichen Bildungsdefizite („Halbwissen“) und formuliert ein Liebeslied, das wie ein Festmahl konzipiert ist („Du schmeckst mir“). Wunderschön und durchaus nicht alltäglich auch ein weiteres Liebeslied mit dem Titel „Vorsicht – zerbrechlich“. Ihren Texten hat sie die entsprechenden Gitarrenharmonien beigefügt, sodass, wer mag, mitsingen und mitmusizieren kann. Ein in vielerlei Beziehung sehr sensibles, nahezu zartes Album.
Kai Engelke
 BLOCO EXPLOSAO PLUS FRIENDS AND BAND: Bloco Explosao Plus Friends And Band
BLOCO EXPLOSAO PLUS FRIENDS AND BAND
Bloco Explosao Plus Friends And Band
www.blocoexplosao.de
(Twonineteen Records)
Promo-CD, 13 Tracks, 39:43


Es gibt tatsächlich noch mal etwas Neues aus der Sambaregga-Szene. Nachdem man sich in den Neunzigern an Gruppen wie Olodum mehr als satt hören konnte, hatte man den Eindruck, dass danach neue Impulse fehlten. Neue Wellen wie Elektrobossa verdrängten die Musik aus Bahia im Aufmerksamkeitsspektrum. Dass sich im Sambareggae inzwischen viele andere stilistische Einflüsse geltend machen, zeigt der Berliner Afro-Samba-Bloco Explosao. Die Formation mischt bekannte Klassiker wie Miriam Makebas „Pata Pata“ oder Gilberto Gils „Toda Meninha Baiana“ auf, trimmt manche Titel mit entsprechender Verstärkung von Bläsern und Gitarristen auf James-Brown-Funk, Jazz oder Rock, und verwendet sogar einmal einen deutschen Text. Imponierend ist dabei, dass insbesondere bei den Klassikern nicht einfach nachgespielt, sondern sehr stark ein eigenes Arrangement gesucht wurde. Schließlich steigern die äußerst agilen Sänger die Dynamik noch um ein Vielfaches. Verstärkt wird der Bloco Explosao noch durch einige Gastmusiker von Olodum und Ilê Aiyê – vor allem merkt man aber: Hier hat sich die Sambareggae-Musik weiterentwickelt und garantiert mehr Abwechslungsreichtum als man vermuten würde!
Hans-Jürgen Lenhart

 RAFAEL CORTÉS: Cagiñí
RAFAEL CORTÉS
Cagiñí
www.rafaelcortes.com
(Herzog Records 901040 HER/Edel/Finetunes)
10 Tracks, 42:29 , mit span. Infos


Rose. Schönste Blume. Cagiñí. So der Titel des neuen Albums des Essener Flamencogitarristen Rafael Cortés. „Wenn sie sich am Morgen öffnet, ist sie rot wie Blut ...“ – mit einem Gedicht aus dem Theaterstück Die Sprache der Blumen von Federico Garcia Lorca schlägt Cortés ein neues Kapitel seiner persönlichen Musikgeschichte auf. Kraftvoll, tänzerisch und gleichzeitig elegant und hochpoetisch. Dem traditionellen Flamenco eng verbunden und mit beiden Beinen in einer musikalischen Welt, die sich längst in alle Richtungen geweitet hat. Enorme Virtuosität ganz im Dienste des musikalischen Duktus. Cortés ist einer der ganz Großen, die in den Zeiten nach dem Tod von Flamencolegende Paco de Lucía dort weitermachen können, wo de Lucía sie alle hingeführt hat. Eine erlesene Sängerrunde findet sich auf Cagiñí vereint, Bruder Fali an der zweiten Gitarre, an Bass, Percussion und Saxofon. Gegen Ende des Albums mit „La Tarara“ noch einmal Garcia Lorca, die charismatische Stimme von Miriam Suarez und ein enorm bluesig aufspielender Cortés im Rumbagewand. Die sechste Einspielung des Ruhrpott-Gitanos ist ein hochemotionales Statement, das alles zu bieten hat, was gute Musik ausmacht und nicht nur Flamencofreunde interessieren dürfte.
Rolf Beydemüller
 KANNEMANN & MIKO: Nordfolk
KANNEMANN & MIKO
Nordfolk
www.kannemann-musik.de
(Rainsong Records RSO 102013)
10 Tracks, 51:38


Nordfolk ist die zweite Veröffentlichung, die der kantige Folkbarde Kannemannn aus Hamburg gemeinsam mit dem Geigenvirtuosen Miko Mikulicz eingespielt hat, seine fünfte insgesamt. Er singt vom Verlorensein auf dem weiten Meer („Neptuns Rache“), beklagt sich über Leute, die „immer nur Comedy wollen, nie Poesie“ („Muss ich wieder witzig sein“), macht sich lustig über den geschwätzigen Mitteilungsdrang von Promis wie Boris Becker, Thilo Sarrazin, Dieter Bohlen oder Karl-Theodor von und zu Guttenberg („Schreib ein Buch“) und wundert sich über die seltsamen Blüten, die eine politisch korrekte Erziehung zuweilen hervorbringt („Bilinguale Kita“). So richtig bei sich ist Kannemann besonders, wenn es um Möwen, Muscheln und Matrosen, Dünen und Deiche, wenn es um das Meer geht. Keiner seiner Songs ist unter vier Minuten lang – genug Zeit, um sich auf seine stimmungsvollen Klang- und Wortgemälde einzulassen. Geiger Miko, der mit seinem Instrument die unterschiedlichsten melodischen und rhythmischen Akzente setzt, trägt zum positiven Gesamtbild wesentlich bei. Quasi als Zugabe erklingt zum Schluss der City-Klassiker „Am Fenster“, den Kannemann & Miko live aufgenommen haben. Eine runde Sache!
Kai Engelke

 DESIREE KLAEUKENS: Wenn die Nacht den Tag verdeckt
DESIREE KLAEUKENS
Wenn die Nacht den Tag verdeckt
www.klaeukens.de
(Tapete Records TR277/Indigo)
Promo-CD, 11 Tracks, 40:45


Ist unspektakulär das neue spektakulär? Reicht es, wenn Lieder eigentlich eher Gedichte zu Musikbegleitung sind? Nach einer Ausbildung als Kfz-Mechanikerin scheint sich Desiree Klaeukens für einen Versuch als Liedermacherin plus Brotjobs wie Postzustellerin entschieden zu haben. Nils Frevert, Ex-Nationalgalerie, nahm sich der Wahlberlinerin aus Duisburg an, sie spielte Vorprogramme für ihn und Kollegen wie Gisbert zu Knyphausen oder Tom Liwa und begann, eine Stimme und einen eigenen Ton zu entwickeln. Schließlich nahm Wenn die Nacht den Tag verdeckt Gestalt an: elf mit ihrem ständigen musikalischen Weggefährten Florian Glässing geschriebene Meditationen über den Alltag einer Mittzwanzigerin hier und heute. Vordergründig die Liebe, darunter zumindest die Behauptung einer Haltung: Geduld – dargeboten mit einiger Seelenruhe und Lakonie, umso mehr da die Texte eher gesprochen werden als gesungen. Dazu legt eine kleine Band einen ruhigen und stetigen Fluss sanfter, melancholischer Melodien, der sich kaum einmal aufkräuselt, aber auch niemals versiegt. Ein stimmiges Album einer Frau mit ausgeprägtem Sinn für das Normale im Leben – und zunächst schon einmal Kraft genug, es auszuhalten.
Christian Beck
 THE MELODIC: Effra Parade
THE MELODIC
Effra Parade
www.themelodic.com
(Epitahp/Anti- Records 7250-2/Indigo)
15 Tracks, 47:25 , mit engl. Texten


Das erste komplette Album der jungen Band aus Brixton, London. Obwohl selbst veritable Multiinstrumentalisten, haben über die Jahre mehr als ein Dutzend Gäste an Cello, Oboe, Trompete, Klarinette und vielem mehr ihren Beitrag geleistet. Die stilistische Bandbreite ist enorm. Perlende Afropopgitarren, Dub, Reggae, britischer Folk, jazzige Pianophrasen und Elemente aus Südamerika und Asien geben sich ein munteres Stelldichein. Munter, leicht und quicklebendig ist auch die Produktion. Glasklar, sehr transparent und dennoch warm und organisch klingend, lässt sie die hauptsächlich akustischen Instrumente wunderbar strahlen. Die Arrangements sind geschickt verschachtelt, aber nie überladen und die Mixtur der verschiedenen Einflüsse harmoniert bestens. Gesungen wird von Huw Williams und Anna Schmidt meist zweistimmig. Der Gesang wirkt allerdings merkwürdig distanziert und hat eher die Funktion eines weiteren Instruments. Dies ist auch das Manko des Albums, bei aller musikalischen Klasse bleiben die mitreißenden Songmomente rar. Irgendwo scheint auf dem Weg zum fertigen Album die Seele abhanden gekommen zu sein. In diesem Fall, wo all das Spiel so überzeugen kann, wirklich schade.
Dirk Trageser

 MISS PLATNUM: Glück und Benzin
MISS PLATNUM
Glück und Benzin
www.glückundbezin.com
(Four Music FOR 88691926632/Sony)
Promo-CD, 11 Tracks (fertiges Album: 12), 47:31


Die Balkanbeats von Chefa und The Sweetest Hangover hat Ruth Renner bereits seit Lila Wolken hinter sich gelassen; das Feuer, der Spielwitz, der Reiz, mit denen die geborene Rumänin aus Berlin zur Party einpeitschte – perdu. Nun geht es ernster zu – herkömmlicher, gewöhnlicher. Wo modern deutsch deklamiert wird, wird zur besseren Massenverträglichkeit ja gern ödes Pathos ausgewalzt, das ist im Elektropop offenbar nicht groß anders als im teutonischen „Soul“ solcher Vögel wie Xavier Naidoo. Bloß kein Witz und keine Leichtigkeit! So auch hier: „Wir sind irgendwo zwischen Erde und Raumschiff / Irgendwo zwischen weit weg und hier / Und wir fahren, fahren, fahren wie auf Schienen durch die Nacht, yeah / Die Luft schmeckt nach Glück und Benzin …“, heißt es im Titelstück – aber es klingt, als sei das kein Vergnügen. „Mein Kleid“, in dem Miss Platnum angeblich aufreißen geht – dito. „Nur die Liebe“ – dito. Und so weiter – kleine Ausnahme vielleicht das Softsoul-Gesäusel von „1000 Jahre Telefonieren“. Das klingt zwar auch eher nach Pflicht als nach Kür, aber wenigstens geschmeidig. Und das teils katastrophale Klangbild ist nach Amazon-Check offenbar auch kein Problem der Promo-CD.
Christian Beck
 RAINER VON VIELEN: Erden
RAINER VON VIELEN
Erden
www.rainervonvielen.de
(Motor Music RVV007P/Motor Entertainment/Edel)
Promo-CD, 14 Tracks, 51:32


Nein, sie haben beim Albumtitel nicht das „Bau, Steine …“ davor vergessen und sind auch keine Gewerkschaftsband, obwohl: Sie würden jedem DGB-Fest zur Ehre gereichen. Aber das wäre wohl zu einengend und zu speziell für die Band aus dem Allgäu. Sie spielen für alle und glauben, dass jeder an den Missständen der Welt etwas ändern kann, wenn er nur das Maul aufmacht. „Und mein Ärger ist nichts wert / Wenn von ihm keiner erfährt“, heißt es programmatisch in einer Textzeile der Singleauskopplung „Empört euch!“ Also Protestlieder? Ja, irgendwie schon. Aber mit viel Humor angelegt und ohne Verbissenheit gestaltet, auch musikalisch. Bei Rainer von Vielen wird das Aufbegehren tanzbar, als Ska, Reggae, Wüstenfunk. Die Band beherrscht einen beträchtlichen Stilmix, kombiniert alles organisch und liefert jede Menge Melodien und Ideen. Da klingt eine Variation über „Die Gedanken sind frei“ auch mal nach Deltablues, und bei „Du bist nicht allein“ stellen die Bayern die richtigen Fragen und jodeln dazu. Das Album ist ein Aufruf, sich zu erden und das Wesentliche zu erkennen. Dazu gehört auch die Liebe, die Rainer von Vielen unkitischig besingen in so ganz anderen Liebesliedern. Geerdet eben!
Volker Dick

Europa
 ÁRA: Vuoste Virdái
ÁRA
Vuoste Virdái
www.facebook.com/soundofara
(Westpark 87251/Indigo)
12 Tracks, 53:15 , mit Texten und Infos


Außer Mari Boine ist es noch niemanden richtig gelungen, die spezifisch samische Musik, den Joik, kommerziell erfolgreich mit Pop- oder Jazzklängen zu kombinieren. Nicht, dass es an Versuchen gemangelt hätte, man denke an Nils-Aslak Valkeapää oder die Zusammenarbeit von Waltari mit Angelin Tytöt. Trotz aller Crossover-Versuche – Joiken bleibt sperrig und für den normalen internationalen Konsumenten zu ungewohnt für Chancen auf einen größeren Markt. Ára wird unter den gleichen Schwierigkeiten leiden. Die Band besteht aus sechs begnadeten Musikern, die sich bewusst entschieden, ihre samische Gesangstradition in die verschiedensten musikalischen Hintergründe zu integrieren und so ein neues Ganzes zu erzeugen. Das gelingt auch auf ihrem zweiten Album ausgezeichnet. Mal klingt es nach Bach, mal nach spirituellem neuem Pop à la Loreena McKennitt. Manchmal rockt es richtig, und oft fühlt man sich an ein modernes Jazzfestival erinnert. Die Schöpfungskraft der Musiker scheint keine Grenzen zu kennen. Und was für begnadete Joiker! Vuoste Virdái ist ein Album für Schamanen. Für Unerschrockene, für Lapplandfetischisten und für den Autor dieser Zeilen. Der Rest muss leider draußen bleiben ...
Chris Elstrodt
 MARA ARANDA I SOLATGE: Lo Testament
MARA ARANDA I SOLATGE
Lo Testament
www.mara-aranda.com
(Bureo Músiques 13BM007/Galileo MC)
14 Tracks, 60:04


Mara Aranda und ihre Gruppe Solatge aus Valencia haben auch in Deutschland einen guten Ruf. Bekannt wurde die Sängerin als Stimme von L’Ham du Foc und danach im Al Andaluz Project der Münchener Gruppe Estampie, Gewinner der Globalen Ruth 2012. Nach langjähriger Zusammenarbeit mit Efren Lopez wechselte sie nun zur Kooperation mit dem ebenso innovativen und kreativen Eduard Navarro. Zusammen schufen sie ein sehr abwechslungsreiches, lebenslustiges und faszinierendes Testament. Traditionsmusik aus dem Osten Spaniens wird verquirlt mit modernen Arrangements, treibenden Rhythmen und hörbarer Spielfreude. „Mareta“ ist zum Beispiel ein in Valencia bekanntes Schlaflied, welches seltsamerweise die Tochter der Mutter vorsingt – hier wunderbar entspannt mit Harfe und Kontrabass gestaltet. Druckvolle Melodien sind im Dudelsackstück „Dances Des Pricipat“ zu hören, einem flotten katalanischen Tanz im 6/8-Rhythmus. Favorit des Rezensenten ist aber „Ofici De Tenebres“, eine Mischung dreier traditioneller Stücke aus Valencia, zwei davon Weihnachtslieder. Faszinierend die Rhythmisierung und das Zusammenspiel von Dudelsack und Drehleier. Lo Testament ist ohne Einschränkungen zu empfehlen.
Piet Pollack

 VLADIMIR DENISSENKOV: Feeling & Passion
VLADIMIR DENISSENKOV
Feeling & Passion
www.vladimirdenissenkov.wix.com/ital
(Felmay Records Fy 8215/Pool Music & Media)
10 Tracks, 50:04 , mit ital./engl. Infos


Der gebürtige Ukrainer hat gewichtige Gründe, gerade jetzt ein Soloalbum vorzulegen. Der heute 58-Jährige gilt als Meister des Bajans, einer Variante des chromatischen Knopfakkordeons, spielte nach klassischer Ausbildung an der Moskauer Philharmonie, emigrierte 1995 nach Italien und arbeitete von dort aus sowohl solistisch als auch in diversen Formationen in mehr als vierzig Ländern. „Die Titel dieser CD“, sagt er selbst, „sind eine Zusammenstellung meiner besten Stücke. Das wollte ich schon seit Langem machen.“ Andere Leute schreiben in diesem Alter ihre Memoiren. Ein Musiker spielt seinen Rückblick, seine Sehnsucht nach sich selbst. Entsprechend breit gefächert ist die Palette an musikalischem Aus- und Eindruck. Sie reicht von behutsamen, nahezu zärtlichen Tönen über verspielte Zitate und turbulente Läufe bis hin zu satten, erdschweren Harmonien, die das Bajan akustisch beinahe in die Nähe einer kleinen Orgel rücken. Zu hören ist ein grandioses musikalisches Bekenntnis, das stilistische Grenzen ebenso fließend übergeht wie regionale oder politische, seichten Trends künstlerische Souveränität entgegensetzt und damit – letzter Titel: „Speranza“ – Hoffnung macht.
Cathrin Alisch
 THE HENRY GIRLS: Louder Than Words
THE HENRY GIRLS
Louder Than Words
www.thehenrygirls.com
(Beste! Unterhaltung BU045/Broken Silence)
10 Tracks, 39:01 , mit engl. Texten u. Infos


So puristisch die drei McLaughlin-Schwestern Karen, Lorna und Joleen live klingen können – auf Platte packen sie gern das große Besteck aus. Wie üppig das dann in Sachen Instrumentierung ausfallen kann, zeigt gleich das Eröffnungsstück „James Monroe“, ein Lied über einen notorischen Herzensbrecher: Zum dreistimmigen Gesang der Irinnen aus Donegal kommen neben Harfe und Akkordeon Schlagzeug, Fiddle, Bass, Resonatorgitarre und eine komplette Bläsersektion. Selbst wo es minimalistisch werden könnte, etwa beim nur von Hammondorgel begleiteten „Here Beside Me“, erheben sich die Stimmen des Inishowen Gospel Choir und feiern mit den drei Damen eine Sangesorgie. Das Trio bewegt sich weiterhin zwischen Folk, Bluegrass, Pop und Barbershop, bleibt Grenzgänger zwischen der Musik von diesseits und jenseits des Atlantiks. Insgesamt klingt das Album weniger dunkel eingefärbt als der Vorgänger December Moon, viele Songs federn leicht dahin. Und das fröhliche Trennungslied „No Matter What You Say“ könnte glatt ein Radiohit werden. Es kommen halt auch immer wieder die Dixie Chicks durch. Aber was soll’s. Hauptsache, es geht zu Herzen.
Volker Dick

 HANS FREDRIK JACOBSEN: Trå Dansen
HANS FREDRIK JACOBSEN
Trå Dansen
myspace.com/hansfredrikjacobsen
(Grappa Musikforlag/Heilo HCD 7276)
15 Tracks, 51:23 , mit Texten u. norw. Infos


Hans Fredrik Jacobsen stammt aus der kleinen Hafenstadt Risør an der norwegischen Südküste – da, wo sie am idyllischsten ist. Alte Aufnahmen machen uns mit Spielleuten aus früheren Jahren bekannt, denen Jacobsen viele Anregungen verdankt – mit John Dillinger etwa, der gar nichts mit dem Staatsfeind Nummer eins gleichen Namens zu tun hatte, sondern ganz anders hieß und nur so genannt wurde. Beiden Dillingern ist hier ein schwungvolles Lied gewidmet. Hans Fredrik Jacobsen singt, spielt Gitarre und eine Vielzahl anderer Instrumente, etwa Akkordeon wie der lokale John Dillinger, dazu ein Instrument, das klingt wie eine Singende Säge. Er hat sich bedeutende Kolleginnen zur Hilfe geholt, nennen wir nur die Harfenistin Tone Hulbækmo und die Nyckelharpaspielerin Annbjørg Lien. Fast alles hat er selbst geschrieben, eigene Texte unterlegt er gern mit traditionellen Weisen – etwa im Auswandererlied „Til Norge Trygt Han Bød Farvel“, dessen Melodie überall in Europa von Küchenliedern bekannt ist. Große Ausnahme: das Traditional „Shenandoah“, hier rein instrumental gespielt, zum Heulen romantisch. In anderen Stücken geht es lebhaft zu, spöttisch, witzig – ein Album, das zum lebhaften Ort Risør passt.
Gabriele Haefs
 ALISE JOSTE: Alise Joste
ALISE JOSTE
Alise Joste
www.alisejoste.lv
(I love you Records/G-Records GM 084-2/Rough Trade)
12 Tracks, 43:09


Man möchte fast nicht stören. Die Songs der lettischen Singer/Songwriterin Alise Joste hören sich an wie akustische Tagebucheinträge – privat, bar jeglicher Berechnung, unprätentiös, bestechend in ihrer Einfachheit. In ihnen findet die Künstlerin eine Sprache, durch die sie mit anderen und sich selbst „ehrlich“ kommunizieren kann, ihre selbst diagnostizierte Schüchternheit gleichsam zu überwinden vermag. So kleidet Alise Joste ihre Erfahrungen und Empfindungen in reduzierte Liedformen, die sie auf der Gitarre begleitet und die trotz des fragilen Gerüstes subtile dramaturgische Entwicklungen durchlaufen. Das konsequent zurückgenommene Volumen von Stimme und Saitenarrangement geben dem Album ein homogenes Erscheinungsbild, erlauben jedoch jedem Song die individuelle Entfaltung im Kleinen. Alise Joste spielt mit Harmonien, mit Stimmfarben und Sprache, mit der sie in wenigen Worten lebhafte Bilder zeichnet, von dem einsamen Segler auf der Suche nach seinem Leuchtturm und einem Fall ohne Boden am Anfang einer neuen Liebe. Dass sie das Album im Alleingang aufgenommen und sich auf die eigenen Ideen verlassen hat, verhilft zu einem Aufbrechen der Distanz zwischen Produktion und Hörer.
Judith Wiemers

 JAAKO LAITINEN & VÄÄRÄ RAHA: Lapland-Balkan
JAAKO LAITINEN & VÄÄRÄ RAHA
Lapland-Balkan
www.mrjaakko.com
(Playground Music Finland PMF118)
12 Tracks, 42:40 , mit finnischen Texten u. Infos


Die musikalische Globalisierung kennt keine Grenzen. In der Vermengung von Stilen, Färbungen und regionalen Varianzen nahm in den letzten Jahren besonders der Klangreichtum der Balkanstaaten eine prominente Rolle ein. Auch die Finnen von Jaakki Laitinen & Väärä Raha bedienen sich dem Instrumentarium, der vertrackten Rhythmik und den melancholischen Tiefen der Region Südosteuropa und kreuzen die akustische Inspiration mit Volksmusikanleihen aus dem heimatlichen Lappland. In den Eigenkompositionen der Band spiegeln sich die Gegensätze von Traurigkeit und Freude, der finnische Humppa – ein rasanter Tanz im Zweiertakt – koexistiert wie selbstverständlich neben Liedern über Sterblichkeit und soziale Ungerechtigkeit. Für den eklektischen Mix ihres Zweitlings Yö Rovaniemellä an Einflüssen und Instrumenten wie Trompete, Bouzouki, Akkordeon, die sich gegenseitig bereichern, wurde die Band 2012 mit dem Preis für das beste finnische Folkalbum prämiert, im vergangenen Herbst legten sie mit Lapland-Balkan nun ihr drittes Album vor.
Judith Wiemers
 LISA LESTANDER: Sånger Från Norr
LISA LESTANDER
Sånger Från Norr
www.lisalestander.com
(Westpark Music 87263/Indigo)
10 Tracks, 48:10 , mit schwed. Texten u. schwed./engl. Infos


Lisa Lestander ist eine der Sängerinnen des schwedischen Gesangsquartetts Kraja. Während ihres Gesangsstudiums an der Königlichen Musikhochschule Stockholm beschäftigte sie sich mit den traditionellen, teils vergessenen Liedern der nordschwedischen Regionen Västerbotten, Norrbotten und Lappland. Das war naheliegend, da sie in Umeå aufgewachsen ist. Im Musikarchiv von Umeå fand sie dann so einiges aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Eine Auswahl davon arrangierte sie und nahm sie auf mit Unterstützung von Mats Öberg – Synthesizer, Klavier, Autoharp und Mundharmonika – und dem Saxofonisten Jonas Knutson, der schon beim letzten Kraja-Album dabei war. Es ist beeindruckend, wie er sein Spiel der Gesangstimme anpassen kann. Beide Begleitmusiker haben ihre Wurzeln ebenfalls in Västerbotten und damit genauso eine besondere Beziehung zu den traditionellen Liedern des Nordens. Ihre Vorliebe gilt inzwischen der Jazz- und Improvisationsmusik, die sie mit der warmen ungekünstelten Stimme Lestanders auf einfühlsame Weise verschmelzen. Alle Lieder wurden musikalisch modern weiterentwickelt. Die Texte entsprechen der damaligen Zeit, einige religiös, andere volkstümlich.
Bernd Künzer

 MOLDEN, RESETARITS, SOYKA, WIRTH: Ho rugg
MOLDEN, RESETARITS, SOYKA, WIRTH
Ho rugg
www.monkeymusic.at
www.ernstmolden.at
www.williresetarits.at
soyka.nonfoodfactory.org
www.alasac.com
(Monkey. MONCD112/Rough Trade)
12 Tracks, 39:00


Das alte Wienerlied ist tot. Und das neue steckt in der Krise. Es wirkt angefressen von der österreichischen Gemütlichkeit, angekränkelt von einer konzertanten Aufführungspraxis universitär bestens ausgebildeter junger Musiker, die auf Schönklang und nicht auf Wagnis aus sind, ausgehöhlt durch ein Dialektbewusstsein, das sich mit Sprachspielen und menschelnden Kalauern zufrieden gibt. Um aus dieser misslichen Situation herauszukommen, braucht es einen Quantensprung. Genau den vollbringen die vier Granden Molden, Resetarits, Soyka und Wirth, allesamt bewährte Aktivposten der Wiener Szene. Alle zwölf Titel wurden live eingespielt, und statt Angst vor falschen Tönen und in Virtuosentum gefärbtem Schönklang zu haben, feuert Hannes Wirth seine Stromgitarre mit Brachialgewittern ab, sodass Neil Young oder Marc Ribot ihre Freude hätten, taucht Walther Soyka sein Akkordeon eben nicht in Weinseligkeit, singen Willi Resetarits und Ernst Molden Lieder mit zwingender Eindringlichkeit. So gelingt es ihnen, typisch wienerisch zu klingen und gleichzeitig eine Musik zu spielen, die auf der Höhe der Zeit ist und nicht in die Formensprache der Altvorderen verfällt. Ein Quantensprung, tatsächlich!
Harald Justin
 OYSTERBAND: Diamonds On The Water
OYSTERBAND
Diamonds On The Water
www.oysterband.co.uk
(Navigator Records NAVIGATOR 087)
12 Tracks, 44:47 , mit engl. Texten


Das erste Album mit neuem Material seit 2007, das erste seit dem Abgang von Chopper, das erste mit Produzent Al Scott als Gruppenmitglied – genügend Gründe, das neue Werk der Oysterband gespannt in die Lade zu schieben. So musizieren keine alten Männer! Die Musik treibt meist energisch voran, der Zwang zum Mitsingen ist in den meisten Songs ebenso eingebaut wie die Radiotauglichkeit. Und wenn es mal gefühlvoll wird, dann auch richtig, wie bei „Lay Your Dreams Down Gently“ – herrlich die weibliche Stimme von Rowan Godel – oder „Steal Away“. Nicht umsonst trägt das Album seinen Titel – in etlichen Liedern finden wir maritime Motive, und das Außencover verstärkt diesen Eindruck. Das Innencover wiederum zeigt die weite englische Landschaft in reflektierendem Licht, und auch das ist wohl kein Zufall – die Texte über Freundschaft, Vergänglichkeit oder den Wert von Musik spiegeln diese Stimmung wieder. Ein wenig untypisch für die Band: keine offensichtlich politischen Texte – abgesehen vielleicht vom ökologisch angehauchten Statement „The Wilderness“. Damit können wir leben. Das Urteil nach fast sieben Jahren fällt eindeutig aus: Es ist einfach nur gut, dass es die Oysters immer noch gibt.
Mike Kamp

 PÁDRAIG RYNNE: Notify
PÁDRAIG RYNNE
Notify
www.padraigrynne.com
(Liosbeg Records PRCD002)
11 Tracks, 49:40 , mit Infos


Anglo-Concertina-Spieler Pádraig Rynne hat sich bereits mit der Modern Irish Trad Band Guidewires und auf Triad mit Sylvain Barou und Donal Lunny einen Namen gemacht. Nach vorsichtigen Annäherungen an nichttraditionelle Gefilde stellt er nun sein erstes echtes Crossoveralbum vor, ausschließlich mit Eigenkompositionen. Kompetente Unterstützung liefern Gitarrist und Multiinstrumentalist Tyler Duncan, Bassist Joe Dart, Schlagzeuger Mike Shimmin und als Gast Jeremy Kittel vom Turtle String Quartet. Eine blitzende transatlantische Produktion, die über die klanglichen Finessen staunen lässt, die heute technisch möglich sind. Vielschichtige Rhythmen und Klangsprengsel bis hin zum Theremin sorgen für viel Spannung und klangliches Wohlgefühl beim dafür offenen Hörer. Pop- und Funkeinflüsse sitzen perfekt zwischen den Tunes. Doch gibt es zwei Mankos: kompositorisch sehr verkopfte Melodien, zu manchem öffnet auch mehrmaliges Hören keinen emotionalen Zugang. Und: Die Konzertina – wiewohl fantastisch gespielt – tut sich auf dem rockigen Hintergrund klangästhetisch schwer. Dennoch: ein sehr hochkarätiges, ungewöhnliches Album, unbedingt hörenswert – je weiter zum Ende, desto umwerfender.
Johannes Schiefner
 ETTA SCOLLO: Lunaria – Dalla Favola Teatrale Di Vincenzo Consolo
ETTA SCOLLO
Lunaria – Dalla Favola Teatrale Di Vincenzo Consolo
www.ettascollo.de
(Jazzhaus Records JHR987/In-akustik)
13 Tracks, 39:37 , mit Infos


Ein melancholischer Vizekönig, der unter dem Überschwang seiner Gemahlin und der Dekadenz seines Hofes leidet, quält sich durch die Tage unter der glutheißen Sonne seiner Stadt. Eines Nachts träumt er davon, dass der Mond zur Erde fällt. Was ihm als Albtraum erscheint, wird zur Weissagung: Der Mond fällt tatsächlich in einer abgelegenen Provinz seines Reichs zur Erde. Die Bauern dieses Landstrichs sind beunruhigt. Noch viel verwirrter zeigen sich die Gelehrten, deren Wissenschaft keine Erklärung für das Phänomen bereit hat. Autor der Geschichte ist der 2012 verstorbene sizilianische Schriftsteller Vincenzo Consolo. Die Komponistin und Sängerin Etta Scollo hat die Essenz der Fabel musikalisch umgesetzt. Entstanden ist ein poetisches, sizilianisch barockes Werk, aufgenommen in der Mailänder Wohnung, in der Consolo arbeitete. Mit wenigen, abwechselnd eingesetzten Instrumenten – Theorbe, Cello, Bendir, Gitarre – und Gesang führen uns die Musiker in eine imaginäre Vergangenheit. Höhepunkt des stimmungsvollen Konzeptalbums sind die mehrstimmigen Vokalsätze. Die exzellenten Grafiken des Booklets schaffen eine Verbindung zum Text, sind aber kein Ersatz für den fehlenden Textabdruck.
Martin Steiner

 TRAVELLING PEOPLE: On A Summers’s Day
TRAVELLING PEOPLE
On A Summers’s Day
www.traveling-people.de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 47:43


Die Travelling People sind Chris Simmance (voc, acc, g) aus Salisbury und Julia Simmance (viol, voc) aus Augsburg. Chris Simmance, schon eine Weile in Deutschland aktiv, gab in seinen Veröffentlichungen im Laufe der Jahre Einblick in wechselnde Lebensstimmungen: glückliche Partnerschaft, Trennungsschmerz, Selbstzufriedenheit, neue Liebe. On A Summers’s Day ist das dritte Album mit Julia Simmance, seine Leichtigkeit und Verspieltheit lässt großes Glück erahnen. Neue Lieder wechseln mit altbekannten wie „Streetsinger“, diesmal wieder von Akkordeon statt Gitarre begleitet, oder „The Begging Song“. Chris Simmance experimentiert mit Intervallen, Zwischenrhythmen und anderem, verzichtet diesmal aber zum Glück wieder auf elektronische Percussion. Seine Musik ist rein handgemacht, außer von Julia Simmance auf der Geige bei einigen Liedern noch von einem Percussionisten und einem Querflöter begleitet. Vor allem „Windsor“ erinnert vom Klangcharakter her an Show of Hands. Ein sehr gelungenes Album, voller Liebe zum Leben, kreativ, etwas jazzig, etwas rockig, in der Tradition englischer Folkmusik. Einziges Manko: Anders als bei den früheren Alben fehlt ein Beiheft mit den Texten und Infos.
Michael A. Schmiedel



International
 DIVERSE: Shir Hodu – Jewish Song From Bombay Of The ’30s  DIVERSE: Wandering Stars – Songs From Gimpel’s Lemberg Yiddish Theatre 1906-1910
DIVERSE
Shir Hodu – Jewish Song From Bombay Of The ’30s
www.jewishrecords.co.uk
(Renair Records REN0127/Indigo)
15 Tracks, 48:14 , mit engl. Texten u. Infos


DIVERSE
Wandering Stars – Songs From Gimpel’s Lemberg Yiddish Theatre 1906-1910
www.jewishrecords.co.uk
(Renair Records REN0126)
26 Tracks, 76:26 , mit engl. Texten u. Infos


Obwohl es sich im weitesten Sinne um Unterhaltungsmusik handelt, ginge die Behauptung, die vorliegenden Zusammenstellungen beinhalteten leichte Kost wohl weit an der Thematik und den Intentionen des Produzenten Julian Futter vorbei. Zu hören sind Aufnahmen aus den Jahren 1906-1910 (Wandering Stars) und 1937-1940 (Shir Hodu) von den Original-78er-Schellacks, auf denen sie ursprünglich veröffentlicht wurden. Die Beihefte beider CDs enthalten neben akribisch aufgelistetem diskografischem und biografischem Material auch umfangreiche historische Informationen. Die Aufnahmen wurden in zwei Städten gemacht, die heute andere Namen tragen, Lemberg und Bombay. Die älteren Aufnahmen entstanden im Jiddischen Theater von Jakob-Ber Gimpel im damals noch zur Habsburgmonarchie gehörenden Lemberg, heute Lwiw, Ukraine. Zu hören sind neben Liedern, Couplets und Dialogen auch die Sequenz einer Lesung des Dichters Schalom Rabbinowicz alias Sholem Alejchem, dessen Roman Blondzhende Stern zum Titel dieses Albums gewählt wurde. Im heutigen Mumbai entstanden schließlich die Aufnahmen von Shir Hodu („Lobgesang“), auf denen vier populäre Sänger jener Ära religiöse Texte mit einer Art Folkmusik verbinden, die wir heute zwischen Qawwali und Bollywood ansiedeln würden. Beide Veröffentlichungen enthalten sorgsam und liebevoll zusammengestellte Tondokumente längst vergangener Musikkulturen in historischer Klangqualität. Wie gesagt: keine leichte Kost. Aber wer hätte je behauptet, Musikgenuss habe immer etwas mit Bequemlichkeit zu tun?
Walter Bast
 GIORA FEIDMAN JAZZ EXPERIENCE: Klezmer Meets Jazz
GIORA FEIDMAN JAZZ EXPERIENCE
Klezmer Meets Jazz
www.giorafeidman-online.com
(Pianissimo Music PM 0930/Edel:Kultur)
17 Tracks, 50:14 , mit engl u. dt. Infos


Eine komplett neue Erfahrung wird die Begegnung mit dem Jazz für den großen alten Mann der Klezmerklarinette wohl nicht gewesen sein, ergänzen und beeinflussen sich die beiden Musikstile schließlich mindestens seit der großen Zeit der Big Bands in den Dreißigern. Doch Giora Feidman und seine Mitstreiter Stephan Braun (Cello), Reentko Dirks (Gitarre) und Guido Jäger (Bass) ruhen sich nicht auf den größten Hits beider Genres aus – Sholom Secundas „Bei mir bist du schön“ fehlt denn auch folgerichtig –, sondern nähern sich jedem Stück mit den musikalischen Mitteln der „Gegenseite“ an. Ein schönes Beispiel hierfür ist Duke Ellingtons und Juan Tizols „Caravan“, ein Stück, das nicht nur von Jazzbands, sondern auch von Hunderten Varieté- und Zirkuskapellen zu Tode gespielt wurde. Durch Feidmans wundervoll expressiven Klarinettenton bekommt das Stück hier die „orientalische Seele“, die den Komponisten vorgeschwebt haben mag. Leider endet das Stück mit einer unmotivierten Ausblendung, kurz nachdem Gast Florian Poser sein Vibrafonsolo beendet und Feidman die Melodie wieder aufgenommen hat. Doch abgesehen von solch kleinen Unzulänglichkeiten ist Klezmer Meets Jazz uneingeschränkt zu empfehlen.
Walter Bast

 ALASDAIR FRASER & NATALIE HAAS: Abundance
ALASDAIR FRASER & NATALIE HAAS
Abundance
www.alasdairfraser.com
www.nataliehaas.com
(Culburnie Records CUL124/Greentrax Recordings)
16 Tracks, 59:07 , mit knappen engl. Infos


Alasdair Fraser und Natalie Haas sind einzigartig. Sie haben die alte schottische Tradition des Zusammenspiels von Fiddle und Cello wiederbelebt und in die Jetztzeit gebracht. Letzteres gilt vor allem für das Cello, denn in früheren Zeiten wird dieses Instrument wohl kaum zu solch solistischen und perkussiven Eskapaden gegen den Strich gekämmt worden sein wie das bei Haas der Fall ist. Die musikalische Interaktion zwischen dem in Amerika lebenden Schotten Fraser und der Amerikanerin Haas wird immer enger und intensiver. Das ist besonders bei den sechs Stücken gut zu spüren, auf denen nur die beiden zu hören sind. Auf dem großen Rest des Albums und seinen alten und neuen Melodien kommen insgesamt neun Gäste zum Zuge, die den Klang manchmal dezent, manchmal sogar Richtung Band anreichern. Das ist ungemein spannend und abwechslungsreich, aber der wahre Genießer weiß: Pur sind Alasdair Fraser & Natalie Haas das wahre Erlebnis.
Mike Kamp



Nordamerika
 THE CALIFORNIA HONEYDROPS: Like You Mean It
THE CALIFORNIA HONEYDROPS
Like You Mean It
www.cahoneydrops.com
(Tubtone Records)
13 Tracks, 51:25 , mit engl. Texten u. Infos


Die Kapelle, die unter dem Namen The California Honeydrops mit Like You Mean It nach einem Livemitschnitt vergangenen Herbst ihr famoses drittes Studioalbum vorgelegt hat, fand sich in ihrer Urbesetzung 2007 in der U-Bahn von Oakland zusammen. Solch ein Niveau möchte man in Stadtmitte oder an der Möckernbrücke und wie die Stationen im Land alle heißen auch einmal erleben! Trompeter Lech Wierzynski, noch in Warschau geborener Sohn polnischer Einwanderer in die USA, singt und spielt mit seinen Begleitern uramerikanische Musik mit einer Kraft, einem Charme und einer Begeisterung, als hätte er das alles gerade erst erfunden: viel New Orleans und eine infektiöse Mischung aus Blues, Rhythm and Blues und Soul, überwiegend von einer mitreißenden, lustvollen, lebensfrohen Sorte, wie man sie lange nicht gehört hat. Inzwischen bekommt das Gebräu mitunter einen Party- und Tanzbodenschmiss, dass es einen nicht wundern müsste, wenn sich die Band in Kürze an der Spitze des Soulrevivals wiederfinden würde, das seit geraumer Zeit im Gange ist. Mitreißender wird’s kaum – besinnlichere Töne und das Wissen um die Dinge, die einem all die Lebenslust durchaus auch einmal vermiesen können, inklusive.
Christian Beck
 EDDIE COTTON: Here I Come
EDDIE COTTON
Here I Come
www.eddiecottonjr.com
(DeChamp Records DC100114)
10 Tracks, 38:15


Der aus Mississippi stammende Eddie Cotton überzeugt mit Here I Come gleich zweifach: als Bluesgitarrist mit schön klarem, unverzerrten Ton, und als Soulsänger mit einer sanften, weichen Stimme. Eine perfekte Kombination aus B. B. King und Curtis Mayfield also, und auch die Songauswahl ist stilistisch sehr gelungen. So gibt es mit dem Titelstück und „A Woman’s Love“ gleich zwei Slow Blues, dann mit „Friend To The End“ eine Gospelballade, mit „Pay To Play“ und „Berry So Black“ je einen Up-Tempo und einen Chicago Shuffle und weiter noch Funk mit „Get Your Own“ oder Reggae mit „No Love Back“. Begleitet wurde Cotton von sehr gestandenen Studiomusikern, von denen vor allem Sam Brady an der Orgel und Grady Champion an der Harp immer wieder solistische Akzente setzen. Zwei Kritikpunkte an diesem sonst sehr schönen Album: Zum einen ist die Spielzeit mit gerade mal 38 Minuten sehr kurz bemessen, und warum dann auch noch einige der Stücke vorzeitig ausgeblendet werden, ist vollends unverständlich.
Achim Hennes

 JJ THAMES: Tell You What I Know
JJ THAMES
Tell You What I Know
www.jjthamesmusic.com
(DeChamp Records DC100214)
11 Tracks, 41:03 , mit engl. Infos


Die amerikanische Sängerin JJ Thames hat mit viel Gefühl und Livemusikerfahrung eine besondere Gospel-Blues-Scheibe eingesungen. Aufgezeichnet und produziert wurden die Songs von Sam Brady in dessen Sam Brady Recording Studio. Die dreifache Mutter hat mit intensiver und rauchiger Stimme viele Geschichten zu erzählen. Sie beweist ihre Klasse gleich beim ersten Titel „Souled Out“. „My Kinda Man“ und „Can You Let Somebody Else Be Strong“ sind opulent mit Instrumenten besetzt und wirken überproduziert, aber insgesamt ist die Platte durch Thames’ tragende Stimme ihr Geld wert. Als Musiker sind dabei: Celeb Armstrong (Gitarre), Grady Champion (Mundharmonika), Todd Bobo (Tenorsaxofon), Richard Beverly (Trompete), Mike Weidick (Posaune), Sam Brady (Keyboards) und Vince Barranco (Schlagzeug).
Annie Sziegoleit
 THIEVERY CORPORATION: Saudade
THIEVERY CORPORATION
Saudade
www.thieverycorporation.com
(ESL Music ESL220/Rough Trade)
13 Tracks, 42:10


Das amerikanische Clubmusikduo Thievery Corporation hat sich einst aus Interesse an brasilianischer Musik zusammengetan. Auf Saudade aktualisieren Rob Garza und Eric Hilton nun den Bossa Nova zu einem schwebenden Kuschelsound á la George Michael mit lasziven Stimmen im Stil von Ive Mendes – mit gleich fünf verschiedenen Sängerinnen. Die besondere Leistung der beiden Musiker ist jedoch, hier mit solchem Respekt vor dem Erbe Tom Jobims und Co gearbeitet zu haben, dass die Vorbilder modernisiert werden, ohne dabei ihren Charakter einzubüßen. Die Musik wirkt weder überproduziert noch zu sehr auf Zeitgeist getrimmt. Schwebende Klänge und akustische Gitarre genügen meist. Vielmehr scheint man hier eher der Frage nachgegangen zu sein, wie man die melancholisch-entspannte Stimmung der Bossa-Nova-Klassiker ins nächste Jahrzehnt holen kann ohne nur retro zu wirken. Das haben schon viele vergeblich versucht, Garza und Hilton ist es nun überzeugend gelungen. Wolkengleich schwebt man mit diesen Songs. Und ein Schuss Chanson ist auch noch dabei. Das instrumentale Titelstück mit halliger Bongo und akustischer Gitarre verdient besonderen Lobpreis. Musik zum Seufzen – Saudade eben.
Hans-Jürgen Lenhart

 LES TIREUX D’ROCHES: Xo 15 Ans D’Âge
LES TIREUX D’ROCHES
Xo 15 Ans D’Âge
www.tireuxderoches.com
(Musicor MQMCD-2467)
12 Tracks, 42:06 , mit franz. Texten


Fünfzehn Jahre und nunmehr fünf Alben lang sind sie zusammen, die fünf agilen Steinewerfer – so die Übersetzung des Bandnamens – aus der Provinz Quebec um Gründungsmitglied und Frontmann Denis Massé. Längst haben sie sich von der heimischen traditionellen Musik abgenabelt. Dennoch scheinen bei ihrer Musik die frankokanadischen Wurzeln deutlich durch, und das nicht nur des typischen Call-and-Response-Gesangs wegen. Das Instrumentarium – Akkordeon, Gitarre, Bouzouki, Banjo, Mundharmonika, Flöten, Saxofon, Bassklarinette, Percussion – und vor allem die fünf Stimmen werden kreativ und abwechslungsreich eingesetzt. Die Arrangements bastelt die Band zwar generell gemeinsam, die zentrale Figur ist und bleibt aber Massé, der bei den Liedern häufig auch als Autor seine Finger im Spiel hat. Und so swingt und rockt die Band schwungvoll und originell fröhlich vor sich hin und erinnert – was so ganz weit her geholt ja auch nicht ist – den Laien aus Mitteleuropa manchmal ein wenig an die Musik der Bretagne. Vor allem aber klingt die Musik nach Les Tireux d’Roches – und das ist ein Kompliment!
Mike Kamp
ALL THE LUCK IN THE WORLD
All The Luck In The World
www.facebook.com/alltheluckintheworld
(Barfilm Records & Haldern Pop Recordings BR-0001/Rough Trade)
11 Tracks, 42:10


Das Haldern Pop Recording Studio bestätigt sein untrügliches Händchen für talentierte junge Bands, denen eine erfolgreiche Zukunft bevorsteht. Die drei Iren von All the Luck in the World greifen den tanzbaren Britpop auf, den ihre nordirische Kollegen von Two Door Cinema Club vorgelegt haben, mit einem besonderen Augenmerk auf unaufgeregte Akustikarrangements.


BRAAGAS
Fuerte
www.braagas.com
(Indies Scope Records MAM508-2/Broken Silence)
12 Tracks, 42:44


Die tschechische Frauenband bringt auf ihrem 2012 erschienenen vierten Album Traditionsmusik quer durch Europa und hat sich mit einem Kontrabassisten verstärkt. Der Schwerpunkt liegt im Bereich Balkan und bei sephardischer Musik: fröhliche Tänze, mehrstimmiger Gesang, von Geigen und Percussion dominierte Instrumentierung.

BRIAN
Sing Again
www.rocknfolk.de
(Mewlip Records)
7 Tracks, 34:57


Man kann gute Lieder auch erschlagen, zum Beispiel mit dem Schlagzeug. Die sechsköpfige Stuttgarter Band mit zwei Gästen bietet einen Folkrock auf irischer Basis mit großenteils eigenen Texten. Einen Hauch von Siebzigern bringt die Hammondorgel. Anja Rambows hohe Stimme klingt schöner bei den langsameren, getragenen Liedern. Texte im Beiheft.


FAMARA
Karibu
www.famara.ch
(N-Gage Productions NG 01211-2/New Music Distribution/Membran)


Dass Thomas Nikles und Band, die mit Karibu Album Nummer neun vorlegen, musikalisch kompetenten Reggae spielen, wurde beim Folker bereits mehrfach vermeldet. Das afrikanische Patois des gelernten Percussionisten aus dem Baselländer Leimental bleibt trotzdem schräg und verquer – vom ewigen „Jah-Rastafari“-Gerede eines Mitteleuropäers ganz zu schweigen.

RAPHAEL GUALAZZI
Happy Mistake
www.raphaelgualazzi.com
(Sugar Music/Parlophone Music/Warner France)
16 Tracks, 60:44


Der italienische Pianist aus Urbino weiß zu gefallen. 2011 siegte er beim Sanremo-Festival in der Kategorie „Newcomer“. Im gleichen Jahr belegte er beim Eurovision Song Contest den zweiten Platz. Sein Stil: clever produzierte, eingängige Songs und Canzoni zwischen Pop, Soul und Jazz.


THERESE HONEY
Summer’s End
www.theresehoney.net
(Waterbug)
16 Tracks, 57:40


Elfengleiche keltische Harfenmusik aus Houston, Texas, ein reines Solo-Album, das vierte seit 1987. Man mag nach dem Durchhören sofort wieder auf Start drücken, so wunderbar verschmelzen im Wechsel von langsamen Airs und schnellen Tanztunes die letzten vier Jahrhunderte miteinander zu einer traumhaften Einheit. Infos dieser Produktion im Umschlag.

HUNDRED SEVENTY SPLIT
HSS
www.hundredseventysplit.com
(Corner House Records 007/H’Art)
10 Tracks, 55:48


Ein Bluesrock-Powertrio: Bassist Leo Lyons war Gründungsmitglied der britischen Band Ten Years After, Gitarrist Joe Gooch ersetzte dort Alvin Lee – und mit Schlagzeuger Damon Sawyer geht es denn auch entsprechend engagiert zur Sache. Das Schwergewicht liegt mehr auf Rock als auf Blues, die Musik ist dabei jedoch eher melodisch als brachial.


PHRASENMÄHER
9 Hits, 3 Evergreens
www.hochklappdings.de
(Flowfish Music/Sony Music 88843001672)
13 Tracks, 43:14


Das ambitionierte norddeutsche Poptrio um die Brüder Jannis und Lenne Kaffka will mit flotten, witzigen, aber auch etwas seichten Songs in die Hitparaden. Einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde haben sie schon, da sie ihr Lied „Zwei Jahre in“ – Normalversion auf 9 Hits, 3 Evergreens – mit neuen Refrains auf über neunzig Minuten ausgedehnt haben.

POOR ANGUS
Gathering
www.poorangus.com
(Borealis Records & Fogarty’s Cove Music)
11 Tracks, 40:02


Das Quintett aus Toronto, Ontario hat sein Herz in den schottischen Highlands, doch zu den Highland Pipes gesellen sich die Uilleann Pipes und zu den inselkeltischen Folk- auch nordamerikanische Countrytöne, woraus sich eine herzhaft-deftige und doch auch fein gespielte Musik ergibt. Auch Rawlins-Cross-Fans sollten zugreifen! Infos im Umschlag.


JOE TILSTON
Embers
www.joetilston.wordpress.com
(Fellside Recordings FECD255)
10 Tracks, 43:58


So klingt es, wenn sich der Sohn zweier britischer Folkgrößen – Maggie Boyle und Steve Tilston – zur Abwechslung auf den Weg vom Punkbassisten in Richtung Folk macht: ziemlich akustisch, ziemlich roher Gesang, die Songthemen zwischen Wut, Erinnerungen und Alltagsphilosophie. Für manchen Folkie sicherlich gewöhnungsbedürftig, aber definitiv ehrlich!

PETER WALKER
„Second Poem To Karmela“ Or Gypsies Are Important
www.myspace.com/peterwalkerguitarist
(Light In The Attic LITA 113/Vanguard Records)
10 Tracks, 47:48


Der amerikanische Sarodspieler Peter Walker beteiligte sich mit diesem Album 1968 – angeregt von Ravi Shankar und Ali Akbar Khan – an einem Experiment, für das Joachim-Ernst Berendt den Begriff „Weltmusik“ zwar schon erfunden, aber noch nicht globalisiert hatte. Manches klingt noch unfertig, manches aber auch schon visionär. Hier erstmals auf CD.


Lange Onlinerezensionen
 LISTOLET: Malý Kluk
LISTOLET
Malý Kluk
www.listolet.cz
(Indies Scope MAM533-2)
12 Tracks, 51:58 , Booklet mit tschech. Texten


Wieviel Pop verträgt der Folker? Eigentlich war dieses schöne Album der tschechischen Band Listolet schon ausgesondert, als der Blick noch auf die Info fiel, dass die Kapelle ihre Musik selbst als Folktronic charakterisiert. Die Beschreibung stimmt zwar nicht, denn die Musik ist weder folkig noch elektronisch, sondern guter Indiepop. Aber das Bekenntnis zur Folkszene soll durch eine lobende Besprechung belohnt werden. Immerhin sind gelegentlich auch Folkinstrumente zu hören, hier eine Mandoline, dort ein Akkordeon oder ein Glockenspiel. Was die Veröffentlichung aber so liebenswert macht, sind die gelegentlichen Trompetenarrangements, die meist erst gegen Ende einsetzen, aber sofort das Herz öffnen. Überwiegend singen Listolet auf Tschechisch, außer bei „Lullaby“, das auch internationales Format hat. Die Grundstimmung des Albums ist melancholisch. Kein Wunder – der Bandname Listolet steht für einen erfundenen Monat zwischen Oktober und November. Maly Kluk ist das zweite Album der sechsköpfigen Band aus Brünn.
Christian Rath
 CHRISTINA PLUHAR: Music For A While – Improvisations On Henry Purcell
CHRISTINA PLUHAR
Music For A While – Improvisations On Henry Purcell
www.christina-pluhar.de
(Erato/Warner Classics)
17 Tracks, 76:21


Mit äußerst hochwertigen Klassikalben fast im Jahresabstand und ihrem Ensemble L’Arpeggiata ist die in Paris lebende Christina Pluhar – Barockharfe, Laute, Konzertgitarre – einer der gefragtesten Künstlerinnen im Bereich Alte Musik. Typisch sind ihre starke Experimentierfreude, das bewusste Hinausgehen über den auf Mitteleuropa fixierten Mikrokosmos der Barockmusik und exzellente Mitstreiter. Nach Monteverdi, Südamerika und Mediterraneo folgt nun erneut ein scharfer Kurswechsel. Music For A While enthält jazzige Improvisationen über Henry Purcell, den bedeutendsten Komponisten des englischen Hochbarocks. Als Gäste wirken Counter-Star Philippe Jaroussky und Jazzklarinettist Gianluigi Trovesi mit. Klassikpuritanern wird diese Scheibe nicht gefallen. Dem neugierigen, nicht auf ein Genre fixierten Zuhörer könnten die jazzigen Gitarrenläufe Wolfgang Muthspiels, Gianluigi Trovesis Klarinetteneinwürfe und der entspannte Mitternachtsjazz inmitten der Barockmusik aber durchaus zusagen. Als Bonustrack noch ein Schmankerl – Leonard Cohens „Hallelujah“ als Gegenstück zu Purcells „Evening Hymn On A Ground“ mit originellem Instrumentalteil. Erstaunlich, wie modern und cool Barockmusik klingen kann.
Piet Pollack

Australien/Ozeanien
 TIM McMILLAN: Wolves Of Stünz
TIM McMILLAN
Wolves Of Stünz
www.timmcmillan.net
(T3 Records T30026-2/Galileo MC)
15 Tracks, 42:47


Das vierte Album des Ausnahmegitarristen Tim McMillan lässt den Hörer sprach- und fassungslos zurück. Woher kommt der Zauber? Dass das filigrane Gitarrenspiel des Australiers mitreißend ist, weiß der gut informierte Folkfan schon aus der Naked-Raven-Zeit Mitte der Neunziger. Aber mit einer gut gespielten Gitarre alleine wäre die Faszination dieses Albums nicht zu erklären. Wolves Of Stünz ist ein Geniestreich, eine lupenreine Progressive-Rockscheibe mit starkem Hang zum Jazz – als akustisches Folkalbum getarnt. McMillan klingt, als hätten sich Pink Floyd wiedervereinigt und ihre Alben erneuert, aber nur mit akustischer Gitarre aufgenommen. Es klingt einerseits, als hätte sich Frank Zappa in Joan Baez verliebt, und andererseits doch immer noch nach keltischem Liedermacher à la Luka Bloom. Die vertrackten Kompositionen, die verfrickelten Arrangements, die präzisen, durchgestylten Gesangspassagen, die Spielfreude, die sich in Improvisation auslässt, entfernen dieses Album meilenweit von den klassischen Singer/Songwriter-Veröffentlichungen der heutigen Zeit. Ein Album für Liebhaber von Yes oder Martin Barre. Nur wer Material für seinen nächsten Singkreis benötigt, muss weiter suchen ...
Chris Elstrodt



WIEDERVERÖFFENTLICHT
 BOB FRANK: Bob Frank
BOB FRANK
Bob Frank
www.bobfranksongs.com
(Vanguard/Light in the Attic Records LITA 112/Cargo Records)
13 Songs, 28:25 , mit engl. Texten u. Infos


Bob Frank hat es sich in seinem Leben nicht leicht gemacht. Als junger Mann diente er in Vietnam, danach wurde er Songschreiber in Nashville. Viele seiner Songs passten nicht in die dortige Musiklandschaft, landeten aber schließlich 1971 auf seinem hier nun erstmals digital vorliegenden Debütalbum Bob Frank auf dem renommierten Vanguard-Label. Doch auf der Veröffentlichungsparty schoss Frank quer und spielte keinen der darauf befindlichen Songs. Fortan wurde er vom Label komplett ignoriert. Um seine Familie zu ernähren, nahm er irgendwelche Jobs an, erst 2001 erschien wieder ein neues Album von ihm. Das Debüt hat mittlerweile Legendenstatus erlangt. Wirkte auch Franks Musik der letzten Jahre rückwärtsgewandt, so steht dies auf Bob Frank noch sehr viel deutlicher im Vordergrund. Ein wichtiger Einfluss ist hörbar Jimmie Rodgers, der „Singing Railman“. Früher Blues klingt an, Ragtime, und Hillbilly-Musik. Doch Frank zitiert nicht einfach nur, sondern verleiht seinen Liedern einen ganz eigenen Klang. Vierzig Jahre später hat diese Knorrigkeit ein wenig Patina angesetzt, doch das Album keinesfalls verstaubt. Eher wirkt es wie ein Gruß aus einer Zeit, die bis in die Gegenwart wirkt.
Michael Freerix
 MARK T. & THE BRICKBATS: Middle East To Mid West – Re-loaded
MARK T. & THE BRICKBATS
Middle East To Mid West – Re-loaded
www.circleofsounds.co.uk
(Circle of Sound)
12 Tracks, 62:11


Wiederveröffentlichung einer ziemlich forschen und unorthodoxen Mischung aus englischem Folk und weltmusikalischen Einflüssen – griechisch, chinesisch et cetera. Eingespielt Mitte, Ende der Achtziger von vier Engländern auf Saxofon, Klarinette, Melodeon, Hackbrett, Tin Whistle, Bouzouki, Keyboards und weiteren Instrumenten. Mit zusätzlichen Titeln.


Afrika
 ZANMARI BARÉ: Mayok Flér
ZANMARI BARÉ
Mayok Flér
www.labelcobalt.com
(Cobalt 138837/Broken Silence)
14 Tracks, 67:25 , mit kreol. Texten


Das nennt man konsequent: Das komplette Beiheft mit seinen Liedtexten und Erläuterungen ist in kreolisch! Manches lässt sich über das Französische ableiten und erahnen, aber die meisten Klage/Liedinhalte bleiben dem Hörer verschlossen. Sei's drum, der einschmeichelnde Gesang, die sehr sparsam und repetitiv eingesetzten akustischen Saiten- und Percussioninstrumente entwickeln eine fast hypnotische Wirkung. Liederschreiber und Sänger Zanmari Baré steht in der Tradition der Mayola-Musik, einer gewissermaßen dem Blues verbundenen, recht melancholisch anmutenden Gesangskultur der Insel La Réunion im Indischen Ozean, die ihre Wurzeln in der 1848 abgeschafften Sklaverei hat und bis heute intensiv nachwirkt. Erstaunlich, wie viele Künstlerinnen und Künstler den Mayola am Leben erhalten und erneuern, etwa Christine Salem oder Danyel Waro. Letzterer stellte für Zanmari Barés Debütalbum nicht nur seine Band zur Verfügung, er interpretiert auch das fast siebenminütige „Nout Lang“ mit großer Intensität und ohne Begleitung! Dem steht Baré mit seiner glockenhellen Stimme nicht nach. Die Melodien laden oft zum Mitsummen ein, verströmen gleichwohl eine betörende Melancholie. Absolut beeindruckend!
Roland Schmitt
 NOURA MINT SEYMALI: Tzenni
NOURA MINT SEYMALI
Tzenni
www.nouramintseymali.com
(Glitterbeat GBCD 016/Indigo)
Promo-CD, 10 Tracks, 41:32


Mauretanien rockt! So einfach lässt sich das Gehörte auf einen Nenner bringen. Nix da mit entspannter Akustiksaitenmusik zu meditativem Gesang. Der Albumtitel bedeutet nicht ohne Grund „Wirbeln“. Er steht in der Tat für die rotierende Tanzmusik mauretanischer Griots, wie sie vor allem in Vierteln der Hauptstadt Nouakchott anzutreffen ist. Noura Mint Seymali singt mit aller Inbrunst, spielt dazu die Ardine, eine der Kora verwandte Stegharfe. Das pentatonische Tonsystem der meisten Stücke zieht unweigerlich Vergleiche zum Blues, auch zum „Desert Rock“ der Tuareg-Bands nach sich. Ehemann Jeiche Ould Chigaly gibt den „Guitar Slinger“, nutzt auch die Möglichkeiten der Tidinite, eines anderen mehrsaitigen Instruments, sich elektrifizieren zu lassen. Die am Bluesrock orientierte Rhythmusgruppe mit Bassist Ousmane Touré und Drummer Matthew C. Tinari sorgt für die nötige „Bodenhaftung“. Tinari zeichnete auch für die Produktion verantwortlich. Die Textinhalte bleiben leider im Verborgenen. Doch sollen sie – wie nicht anders zu erwarten – nahestehende und/oder bedeutende Menschen wie Noura Mint Seymalis Großmutter preisen und Allah ehren. Tradition und Moderne kommen bestens zusammen.
Roland Schmitt

Besondere
KALÜÜN
Spöören
www.kaluun.de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 37:19 , mit nordfries. Texten u. Infos


Der Bandname Kalüün, ein Begriff aus der nordfriesischen Sprache – nicht zu verwechseln mit dem Plattdeutschen – bedeutet so viel wie Kraft oder auch Energie, und kraftvoll und energiegeladen klingt die junge Gruppe von der Insel Föhr allemal. Aber das ist nicht ihre einzige Qualität. Keike Faltings (Gesang, Violine), ihr Bruder Jan Faltings (Mandoline, Bouzouki, Cello, Gesang) und Dennis Werner (Gitarren, Gesang) suchen nach musikalischen Spuren (Spöören) längst vergangener Zeiten – alten, fast vergessenen Liedern, Tanzstücken und Balladen, die Aufschluss über das Denken, Handeln und Fühlen früherer Generationen auf der Insel Föhr und dem nordfriesischen Festland geben können. Bei seiner Suche  KALÜÜN: Spöören nach den eigenen Wurzeln wurde das Trio ganz wesentlich von Keikes und Jans Vater Folkert F. Faltings unterstützt, der die meisten Texte beisteuerte und einige traditionelle Lieder und Tänze der Insel Föhr, an die er sich erinnerte, an seine Kinder weitergab. So entstand eine behutsam und sensibel zusammengestellte Mischung aus überlieferten und neuen Stücken, die zusammen ein stimmiges Ganzes ergeben. Die Lieder erzählen vom fröhlichen Treiben auf dem Heuboden unterm Reetdach (Leenje Wöögen Ooken), einer leidenschaftlichen Zufallsbekanntschaft (Man Tufaalsflenerk), dem Schicksal eines alten Föhrer Hauses (Fering Hüs), geselligem Trinken und Genießen (Daaling, Maat, do drank ik een) oder der Sehnsucht der Föhr-Amerikaner nach ihrer alten Heimat (Lingen). Die Geschichten können anhand der deutschen Übersetzungen der Texte im Beiheft problemlos nachvollzogen werden; ergänzt werden die Lieder durch die selten zu hörenden Tänze der schleswigschen und jütischen Spillemandsmusik. Zum frischen, unverbrauchten Gesamtklang des Trios tragen als Gastmusiker bei: Ole Carstensen (Knopfakkordeon, Violine, Low Whistle, Gesang), Dirk Werner (Cajón, Bodhrán, Djembé, Percussion) und der Liederjan Michael Lempelius (Bouzouki, Low Whistle). Spöören mag man gerne immer wieder hören.
Kai Engelke
VALERIA CIMÒ
Terramadonna
www.myspace.com/valeriacim
(Eigenverlag)
Do-CD, 14 Tracks, 51:31 , mit siz./ital. Texten u. Buch als PDF; 8 Gedichte u. Erzählungen, 20:21


Eines muss man vorausschicken: Das Werk Terramadonna sprengt jegliche Grenzen. Die stilistische Bandbreite reicht vom einfachen Schlaflied „Ninna Nanna“ über neobarocke Fragmente bis zu experimenteller Musik. Die Palermerin Valeria Cimò spielt Klavier, Glockenspiel, Didgeridoo, Maultrommel, Udu, Cajón, Tamburello, Tammurra und unzählige andere Percussioninstrumente, dazu summt, surrt, schreit und singt sie in schönstem Belcanto. Ihre Stimme rhythmisiert, rezitiert und vermittelt Emotionen. Begleitet wird sie vom Cellisten Francesco Biscari und Gianluca Dessi an Gitarre, Mandola und Harfe. Terramadonna ist ein Konzeptalbum. Die Sizilianerin vergleicht die Geringschätzung von „Mutter Erde“ und  VALERIA CIMÒ: Terramadonna die Gewaltanwendung an ihr mit denjenigen gegenüber dem Körper der Frau. Das 55-seitige, auf der CD als PDF enthaltene Booklet liefert vertiefte Informationen über die Entstehung der Lieder mit einer englischen Kurzbeschreibung, die sizilianischen Texte mit italienischen Übersetzungen und hervorragende Fotos mit der erdverschmierten Künstlerin. Wer mehr über den historischen Kontext der Dualität von Mutter Erde und dem Körper der Frau und die Grundlagenforschung von Valeria Cimò zu diesem Thema erfahren möchte, dem sei das ebenfalls als PDF beigefügte 85-seitige zweisprachige Buch (Italienisch/Englisch) empfohlen. Die zweite CD enthält acht Gedichte und Erzählungen der Künstlerin, alle von verschiedenen Sprecherinnen und Sprechern rezitiert. Doch keine Angst: So kopflastig diese Auflistung von Valeria Cimòs Schaffen in Bezug auf das vorliegende Album tönen mag, Terramadonna ist ein musikalisch spannendes, sinnliches und körperliches Werk – schließlich ist es dem Körper der Frau und der Mutter Erde gewidmet. Und wem es die unvergleichliche Stimme der Sizilianerin angetan hat, dem sei noch einmal Sugnari des Frauentrios Ma’aría mit Sängerin Valeria Cimò empfohlen (siehe Folker 1/2008), die dafür ebenfalls fast alle Lieder und Texte geschrieben hat.
Martin Steiner

Bücher
 MARCUS van LANGEN: Das mittelalterliche Liederbuch.
MARCUS van LANGEN
Das mittelalterliche Liederbuch.
www.acoustic-music.de
(– Osnabrück : FingerPrint, 2014. – 200 S. : mit zahlr. Noten u. TAB und s/w-Foto)
ISBN 978-3-938679-94-4, ISMN 97700307-50-99-0 , 29,80 Euro


Zweiundfünfzig Lieder hat Markus van Langen für den interessierten Mittelaltermusiker und angehenden Troubadour zusammengestellt. Von Minneliedern, mittelalterlichen Gassenhauern, Spielmanns- und derben Trinkliedern bis hin zu neuzeitlichen Schöpfungen nach mittelalterlichem Vorbild. Die Noten sind übersichtlich gesetzt, die Melodie gibt es jeweils auch in Gitarrentabulaturschrift, dazu Akkordsymbole und Schlagmuster. Sympathisch an dem Buch ist der Ansatz, dass Musik in erster Linie Spaß machen soll und es dabei weniger auf Authentizität ankommt – wie die Lieder im Mittelalter wirklich geklungen haben, lässt sich heute ohnehin nicht wirklich nachvollziehen. Dennoch liegt van Langens Verdienst gerade darin, dass er die vorgestellten Lieder und Tänze ausgiebig kommentiert, ihre Verfasser (darunter Oswald von Wolkenstein, Walther von der Vogelweide, Neidhard von Reuenthal) und den historischen Kontext vorstellt. Van Langen versteht es, kurzweilig, unterhaltsam und vor allem kompetent zu schreiben. Neben Liedern der genannten Minnesänger stellt der Autor auch Stücke aus mittelalterlichen Sammlungen vor, darunter die Carmina Burana oder die Cantigas de Santa Maria. Hinzu kommen Totentänze, Spielmannslieder und Gassenhauer sowie Neuschöpfungen und Nachahmungen. Der Begriff „Mittelalter“ wird bei einigen Stücken weit gefasst („Schiarazula Marazula“ etwa stammt aus dem sechzehnten Jahrhundert), was aber keinesfalls den Gebrauchswert des Buches mindert. Schön ist, dass alle mittelalterlichen Liedtexte mit Übersetzung abgedruckt werden, teilweise sogar in singbarer Fassung. Die Ausstattung des grafisch ansprechend gestalteten Buches ist aufwendig: viele, teils farbige Fotos von Spielleuten, Instrumenten und Faksimiles alter Handschriften laden immer wieder zum Blättern ein, die Quellennachweise regen zu weiterführender Literatur an. Ein wirklich gelungenes Liederbuch!
Ulrich Joosten
 Peter Bursch [Bearb.]: Johnny Cash für Gitarre.
Peter Bursch [Bearb.]
Johnny Cash für Gitarre.
www.bosworth.de
(– Berlin : Bosworth, 2013. – 96 S. : überw. Noten + CD + DVD. – (BOE ; 7403))
ISBN 978-3-86543-277-3 , 29,95 Euro


Songbücher mit Texten und Gitarrenharmonien gibt es viele, auch mit Werken von Johnny Cash. Doch wie Peter Bursch – der Gitarrenlehrer der Nation – sie nachvollziehbar, informativ und übersichtlich vermittelt, das ist wirklich vorbildlich. Insgesamt zwanzig Songs des populären Countrystars und Singer/Songwriters Cash vermittelt das großformatige Lehrwerk; darunter so bekannte Stücke wie „Folsom Prison Blues“, „I Walk The Line“, „Delia’s Gone“ oder „Get Rhythm“. Daneben finden sich Werke anderer Komponisten, die Johnny Cash quasi als Spätwerk während der legendären „American Recordings“ unter der Leitung von Rick Rubin aufnahm: „The Mercy Seat“, „Bird On A Wire“ oder auch „Long Black Veil“. Jeder der zwanzig Songs ist mit vollständigem Text und durchgehend notierten Gitarrenharmonien versehen, wobei sinnvollerweise darauf geachtet wurde, dass nicht während des Singens umgeblättert werden muss (außer bei „A Boy Namend Sue“ – dort geht der Text über drei Seiten). Die einzelnen Griffe werden jeweils in Diagrammen dargestellt. Hinzu kommen verschiedene Anschlagtechniken, in Tabulatur notierte Intros und sogar das eine oder andere Solo. Zu Beginn eines jeden Songs erfährt der interessierte Leser ein paar nützliche Infos zum Inhalt und zur jeweiligen Entstehungsgeschichte. Sämtliche im Buch enthaltenen Lieder werden auf der beiliegenden CD von Peter Bursch angesungen, gespielt und erklärt. Dabei geht es unter anderem um Anschlagtechniken, die sogenannte Hämmeringtechnik, Bassläufe und -übergänge, Intromelodien und Soli. Die ebenfalls beigefügte DVD enthält immerhin zwölf der Songs mit den entsprechenden Erklärungen, wobei sogar einige Spieltechniken speziell für E-Gitarre zur Sprache kommen. Ein Songbook mit großem Aufforderungscharakter – man nimmt die Gitarre in die Hand und fängt an.
Kai Engelke

 BRIAN Ó HEADHRA: Òrain Cèilidh Teaghlaich : The Family Ceilidh Gaelic Song Collection.
BRIAN Ó HEADHRA
Òrain Cèilidh Teaghlaich : The Family Ceilidh Gaelic Song Collection.
www.anamcommunications.com
(– Inverness : Anam Communications, 2013. – 87 S. : mit CD)
ISBN 978-0-9574982-0-4 , 9,95 brit. Pfund


23 Songs hat der Sänger der Gruppe Cruinn und Gälisch-Aktivist Brian Ó hEadhra zusammengestellt, und zwar die mehr oder weniger populärsten des gälischen Sprachraums, zum Beispiel „Fear A’ Bhàta“ oder „Brochan Lom“. Ein wenig unverständlich erscheint die Aufteilung des Buches. Es ist in vier Abschnitte unterteilt. Zuerst alle gälischen Texte, dann alle englischen Übersetzungen, danach alle Notationen und zum Schluss jeweils kurze gälische/englische Infos zu den einzelnen Liedern. Das erfordert einiges an Umblättern. Hinzu kommen eine kurze Einleitung sowie Quellen und ein Hinweis auf die Aussprache. Für die des Gälischen nicht mächtigen Interessenten ist die beiliegende fast siebzigminütige CD ideal: Jeder Song in der Reihenfolge des Buches, ab und zu simpel begleitet mit Gitarre, der Fokus liegt auf dem Gesang. Leider ist nicht angegeben, wem die sympathischen Stimmen gehören, die Vermutung geht in Richtung Fiona Mackenzie und den Zusammensteller. Eine feine Sammlung, Kenntnis der Sprache oder zumindest eine Vorliebe für die gälische Kultur vorausgesetzt.
Mike Kamp
 WOODY GUTHRIE: Haus der Erde : Roman / Hrsg. u. mit e. Einf. Versehen von Douglas Brinkley. Aus d. amerikan. Engl. von Hans-Christian Oeser.
WOODY GUTHRIE
Haus der Erde : Roman / Hrsg. u. mit e. Einf. Versehen von Douglas Brinkley. Aus d. amerikan. Engl. von Hans-Christian Oeser.
www.eichborn.de
(– o.O. : Eichborn, 2013. – 302 S. : mit Zeich.)
ISBN 978-3-8479-0539-4 , 16,99 Euro


Tike und Ellas Hamlins Ansprüche sind bescheiden: Sie wünschen sich ein Stück Ackerboden und ein Haus, das nicht von einem Sturm hinweggetragen werden kann, weil es aus verrottetem, termitenzerfressenem Holz besteht. Sie wollen ihr Land nicht verlassen (wie Millionen Menschen, die in den Dreißigerjahren durch verheerende Staubstürme von Haus und Hof vertrieben wurden), sondern ein festes Haus bauen, aus Adobe, aus selbst gefertigten, luftgetrockneten Lehmziegeln, feuerfest, windfest und termitenresistent, wie es in einem vom Landwirtschaftsministerium herausgegebenen Handbuch erklärt wird. Adobe gibt es genug, doch leider gehört das Grundstück nicht Tike und Ella, sondern der Bank. Dass der US-amerikanische Troubadour nicht nur Lieder für die Ewigkeit zu schreiben vermochte, sondern auch ein ausgezeichneter Belletristikautor mit einer kraftvollen, zupackenden Prosa war, wissen wir seit seinen autobiografischen Büchern Bound for Glory und Seeds of Men. 1947 schrieb Guthrie das Manuskript zu House of Adobe und sendete es dem sozialkritischen Dokumentarfilmer Irving Lerner, in der Hoffnung, er werde das Buch verfilmen. Das Skript landete vermutlich aufgrund seines brisanten Inhaltes (wie die unverblümte Schilderung eines Liebesaktes, die Verwendung des Hillbilly-Dialektes und die sozialkritische, linkslastige Botschaft) in einer Schublade und wurde vergessen. Erst kürzlich wurde das verschollene Manuskript von den Erben Lerners wiederentdeckt und von dem Schauspieler Johnny Depp gemeinsam mit dem Autor und Geschichtsprofessor Douglas Brinkley herausgegeben. Auf Deutsch liegt das anrührende, lesenswerte Depressionszeitdrama nun in der Übersetzung von Hans-Christian Oeser vor, der bereits Autoren wie Scott Fitzgerald oder Mark Twain ins Deutsche übertragen hat. Ein heute noch gültiger Mahnruf des sozialen Gewissens Amerikas.
Ulrich Joosten

 MARK CUNNINGHAM: Horslips : Tall Tales ; the official biography.
MARK CUNNINGHAM
Horslips : Tall Tales ; the official biography.
www.obrien.ie
(– Dublin : O’Brien Pr., 2013. – 288 S. : mit zahlr. Abb.)
ISBN 978-1-84717-586-1 , 24,99 Euro


Was die Beatles für die Welt und die Entwicklung der modernen Popmusik waren, waren die Horslips vielleicht für Irland und die Entwicklung des keltischen Folkrock. Auch ihre entscheidende Schaffensphase dauerte ein Jahrzehnt (1970 bis 1980), doch anders als bei den Fab Four kam es bei den Iren 2004 zu einer Wiedervereinigung, die inzwischen mehrere Tonträger, eine DVD und nun dieses Buch hervorgebracht hat. In der Einleitung bekennt sich der Autor selbst als Fan, der über Jahre hinweg Informationen sammelte und die Band zu den jeweiligen Episoden ihrer Karriere befragte. Den Kindheits- und Jugenderinnerungen Barry Devlins, Jim Lockharts, Charles O’Connors, Eamon Carrs und Johnny Feans folgt ein langes, in mehrere, den jeweiligen Entwicklungsphasen entsprechende Kapitel unterteiltes Interview. Dieses ist gespickt mit Anekdoten, Analysen, Erkenntnissen durch Höhen und Tiefen der Bandgeschichte, während man meist das Gefühl hat, fünf bodenständigen Künstlern gegenüberzusitzen, die eher zufällig den Kultstatus erlangten, den sie im eigenen Land genießen. Auch wenn sie hart auf kommerziellen Erfolg hin arbeiteten und ihre finanziellen Geschicke für die damalige Zeit beispielhaft selbst in die Hand nahmen. Darüber hinaus kommen Wegbegleiter, Agenten, Roadies, Exbandmitglieder, Künstlerkollegen oder Fans zu Wort. Wen es also interessiert, warum Declan Sinnott, Gitarrist der Anfangszeit und später Produzent und Begleitmusiker von Mary Black oder Christy Moore, bis heute nicht gut auf seine damaligen Bandkollegen zu sprechen ist; wer wissen will, dass ein gewisser Chris de Burgh in den frühen Siebzigern kurzzeitig als Sänger im Gespräch war; wer mehr darüber erfahren möchte, wie die Horslips einer Band wie U2 Starthilfe im Studio gaben und noch vieles andere, teils Kuriose mehr – für den ist diese detailreiche und aufwendig bebilderte Reise durch fast fünf Jahrzehnte Band- und irische Musikgeschichte ein Muss. Doch auch für alle anderen Interessierten eine amüsante wie spannende Lektüre.
Stefan Backes
 BARBARA O’CONNOR: The Irish Dancing : Cultural Politics and Identities, 1900-2000.
BARBARA O’CONNOR
The Irish Dancing : Cultural Politics and Identities, 1900-2000.
www.corkuniversitypress.com
(– Ballincollig : Cork Univ. Pr., 2013. – X, 182 S. : mit Abb.)
ISBN 978-1-78205-041-1 , 39,00 Euro


Die irische Volkskundlerin Barbara O’Connor geht in diesem Buch der Frage nach, wer in Irland wann, wo, wie, was und mit wem tanzte. Während über irische Tanzschritte schon viel geschrieben worden ist (auch wenn es noch etliche Wissenslücken zu füllen gibt), wurde über die Funktion des Tanzens bisher wenig gesagt. Das Schwergewicht liegt auf irischem Tanz und seiner Entwicklung bis zum streng choreografierten Riverdance, wo keinerlei Spontaneität mehr zugelassen ist. O’Connor geht nach einer Dreiteilung vor, lokal (Tanz zur Unterhaltung, für alle zugänglich), national (Tanz, der ein Gemeinschaftsgefühl schaffen und vermeintlich Unbefugte ausgrenzen soll; hier gezeigt daran, wie nach der Unabhängigkeit der junge Freistaat Irland die Deutungshoheit über irischen Tanz an sich riss), und global, als weltweit vertriebenes Produkt, das für teures Geld dann auch am Ort seines Ursprungs verkauft werden soll (dargestellt am Beispiel Riverdance und der daraus entstandenen Industrie.) Auch in der „lokalen“ Phase gelten unterschiedliche Regeln, ein Tanzschritt ändert Wert und Bedeutung danach, ob er von einer Frau oder einem Mann ausgeführt wird, ob in der Stadt oder an einer Wegkreuzung. Das Präsident de Valera zugeschriebene Zitat über die „anmutigen Mädchen, die an der Kreuzung tanzen“ wird hier übrigens als Fälschung entlarvt, eines der vielen Verdienste dieses spannenden und gut recherchierten Buches.
Gabriele Haefs

 KARL ADAMEK: Lieder der Arbeiterbewegung : LiederBilderLeseBuch / hrsg. v. Karl Adamek. – Neuaufl. 2013.
KARL ADAMEK
Lieder der Arbeiterbewegung : LiederBilderLeseBuch / hrsg. v. Karl Adamek. – Neuaufl. 2013.
www.igmservice.de
(– Hamburg : Bunkverlag, 2013. – 336 S. : mit zahlr. Noten u. Abb.)
ISBN 3-76322-563-3 , 16,90 Euro


Das vorliegende „Lieder-Bilder-Lesebuch“ ist eine unveränderte Neuauflage der von Karl Adamek erstmals 1981 in der Büchergilde Gutenberg veröffentlichten Liedersammlung mit Arbeiter-, Kampf- und Streikliedern aus der Zeit von 1830 bis etwa 1970. Das schwergewichtige Werk umfasst mehr als zweihundert Lieder mit Noten, Gitarrenharmonien und Texten. Sämtliche Lieder werden durch ausführliche Erklärungen, Informationen, Zeitzeugenberichte, Faksimiles, Fotos und Zeichnungen in ihren jeweiligen historischen Zusammenhang gebracht. Das ist auch notwendig, da viele Arbeiterlieder nur aus ihrer Zeit heraus nachzuvollziehen sind. Das von der IG-Metall herausgegebene Liederbuch kann, über seine eigentliche Funktion hinaus, durchaus auch als eine Art Geschichtsbuch angesehen werden. Inhaltliche Stichworte: Solidarität, 35-Stunden-Woche, 1. Mai als Tag der Arbeit, Kriegsgefahr/Friedensarbeit, atomare Bedrohung, Soldatenleben, Faschismus, Berufsverbot, Arbeitsbedingungen, internationale Freiheitskämpfe etc. Welchen Stellenwert haben Arbeiterlieder heute? Erreicht man damit nicht nur die, die ohnehin einer Meinung sind? Sind die nicht altmodisch, aus der Zeit gefallen? Abgesehen von einer unbestrittenen Stärkung des Gemeinschaftsgefühls durch das gemeinsame Singen und dem historischen Stellenwert, wird der aufmerksame Leser sehr schnell feststellen, wie aktuell (leider!) manche sogar der ältesten Lieder bis auf den heutigen Tag noch sind. Ein wenig schade ist es, dass die Herausgeber auf jegliche Neubearbeitung beziehungsweise Aktualisierung verzichteten. So bleiben mehr als vierzig Jahre politisch engagierter Liedkultur unberücksichtigt, was naturgemäß dem (unberechtigten) Vorwurf des Altbackenen Vorschub leistet. „Der Adamek“, wie das „Lieder-Bilder-Lesebuch“ verschiedentlich genannt wurde, ist auf alle Fälle bestens geeignet, kulturelle Traditionen der politisch aktiven Arbeitnehmerschaft zu beleben und historisches Bewusstsein zu fördern.
Kai Engelke
 PETER UHRBRAND, NILS THORLUND: Neo-traditional-ism / Uhrbrand & Thorlund. – Foerste udgave.
PETER UHRBRAND, NILS THORLUND
Neo-traditional-ism / Uhrbrand & Thorlund. – Foerste udgave.
rainer@banjoree.com
(– o.O. : Uhrbrand & Thorlund, 2013. – 36 S. : überw. Noten mit s/w-Abb. ), 18,00 Euro


Instrumentalstücke von der dänischen Insel Fanø haben Nils Thorlund und Peter M. Uhrbrand gesammelt. Diese Insel blickt auf eine reiche Spielmannstradition zurück, die auch auf andere dänische Regionen ihren Einfluss hat, das entnehmen wir dem informativen Vorwort. Jedes Stück (die Noten hat Nils Thorlund geschrieben) ist mit Kommentaren versehen, dazu gibt es jeweils ein Foto, das irgendwie mit dem Stück oder der Insel zu tun hat. Da der gesamte Textbereich auf Dänisch ist, sind die Verwendungsmöglichkeiten dieses dicken Heftes außerhalb Dänemarks wohl gering – dennoch, die Stücke sind leicht nachzuspielen und bestimmt eine Inspiration für alle, die neues Material für ihre eigene Musik suchen.
Gabriele Haefs

 VOLKER LUFT: Blues-Story : Fingerstyle-Bluesgitarre für Einsteiger ; Bluespicking für Akustik-Gitarre.
VOLKER LUFT
Blues-Story : Fingerstyle-Bluesgitarre für Einsteiger ; Bluespicking für Akustik-Gitarre.
www.hofmeister-musikverlag.com
(– Leipzig : Hofmeister, 2014. – 66 S. : überw. Noten. – (FH ; 1070))
ISMN 979-0-2034-1070-6 , 19,80 Euro


Eine kleine Schule für den Einstieg ins Bluesspiel auf der akustischen Gitarre. Neben einem kurzen geschichtlichen Abriss und den harmonischen Basics geht es auf den ersten Seiten um die Vermittlung wesentlicher, grundlegender Spieltechniken. Volker Luft beschränkt sich bewusst vorwiegend auf Übungen in A-Dur und A-Moll, um die leeren Basssaiten nutzen zu können und dem Anfänger komplexe Open-Tunings zu ersparen. Es folgt eine Einführung ins Solospiel anhand pentatonischer Leitern und Bluesskalen. Den zweiten Teil bilden Solostücke, die schon ein wenig technisches Know-how, sprich Fingerpickingkenntnisse erfordern. Die Stilistiken reichen vom Country, Delta und Texas Blues bis hin zum Ragtime. Eine interessante und ansprechende Anleitung zum Selbststudium sowie für den Unterricht.
Rolf Beydemüller
 IRISH SONGS: : play 8 traditional songs with professional audio tracks.
IRISH SONGS
: play 8 traditional songs with professional audio tracks.
www.halleonard.com
(– o.O. : Hal Leonard, 2013. – 21 S. : : nur Noten u. Akk. (Ukulele Play-Along ; )
ISBN 978-1-4584-2483-9 , 12,99 Euro


Die Reihe mit Playalongs für Ukulele ist bei Hal Leonard mittlerweile echt umfangreich. Hier liegt nun eine Ausgabe mit acht irischen Traditionals („Molly Malone“, „Danny Boy“, „The Foggy Dew“ etc.) vor: klassische Leadsheets, Noten und Lyrics, sowie die Griffdiagramme für Ukulele. Erklärt wird nichts. Auf der beiliegenden CD findet man das jeweilige Stück einmal mit, einmal ohne Ukulele. Die Backingband besteht aus Gitarre, Banjo, Mandoline und einigen Keyboardsounds. Was die Ukulele zur Begleitung beiträgt, muss man sich also übers Hören erschließen. Die Ausgabe wurde offensichtlich ein wenig eilig aus dem Boden gestampft. Mal ist die Reihenfolge der Stücke aus unerfindlichen Gründen durcheinander, dann fehlen bei „Foggy Dew“ die Vorzeichen. Grundsätzlich jedoch brauchbares Spielmaterial für den „Uker“.
Rolf Beydemüller

Deutschland
 ULLI BÖGERSHAUSEN: Spring Summer And Fall – Tunes From A Lifetime
ULLI BÖGERSHAUSEN
Spring Summer And Fall – Tunes From A Lifetime
www.boegershausen.de
(Laika-Records 3510308.2/Rough Trade)
15 Tracks, 55:49


Ulli Bögershausen, den Akustikgitarristen von der Mosel, kann man getrost eine Institution nennen. Seit Jahrzehnten pflegt er mit großer Hingabe einen ganz besonderen Instinkt für die Umsetzung populärer Melodien auf dem Stahl-Sechssaiter. Auf seinem sechzehnten Album finden sich Songs von Bob Dylan, Seal, Bon Jovi, Norah Jones, Tanita Tikaram und Ryuichi Sakamoto. Ulli Bögershausen blendet nicht durch Virtuosität – er überzeugt mit beinahe schnörkelloser, klarer Musikalität. Zu seinem sechzigsten Geburtstag (siehe auch Meldung in der Rubrik „Szene“ dieser Ausgabe) hält er rück- und einwärts gewandte Werkschau und hat auch ältere Eigenkompositionen, die ihm besonders am Herzen lagen, noch einmal neu aufgenommen. Das Wesen der sehr unterschiedlichen Songs ist sensibel herausgearbeitet und immer getragen von gesanglicher Wärme. Dem Laika Label, das er 1989 gegründet und das somit auch ein Jubiläum zu feiern hat (das 25.), ist er bis heute treu geblieben. Rund 50 Jahre Gitarre, ein reiches Musikerleben. Ulli Bögershausen ist, sagen wir's ruhig, ein feinsinniger, echter Romantiker, der uns gerne weiter in wunderbarer Regelmäßigkeit an die Schönheit des puren Vergnügens an akustischer Gitarrenmusik erinnern darf. Glückwunsch!
Rolf Beydemüller
 COSÁN: New Roads
COSÁN
New Roads
www.cosanmusic.de
(Liekedeler Musikproduktion LIECD13031)
12 Tracks, 51:30 , mit zweisprachigen Infos


Nur wenige deutsche Musiker schaffen wie Cosán mit New Roads in der irischen Musik den Sprung ins Profilager. Irish Trad im besten Sinne, mit Anleihen am Folkerbe Nordamerikas, dargeboten von Ausnahmeflötist Steffen Gabriel, Barbara Hintermeier, einer der herausragenden Vertreterinnen der irischen Fiddle in unserer Republik, Multiinstrumentalist Brian Haitz sowie Michaela Grüß, Bhodrán, die wie schon bei Nua virtuose Percussion beträgt und singt. Zu hören sind vielseitige Arrangements traditioneller und neuer Tunes des irischen Genres sowie zusätzlich Adaptionen von Songs unterschiedlicher anderer Herkunft. New Roads beginnt verhalten, kommt aber im Verlauf massiv in Fahrt und bewegt sich die gesamte zweite Hälfte dann in sicherem, emotional dichtem Gewässer. Flute und Fiddle tragen souverän; druckvoll sowie gleichzeitig verspielt und experimentierfreudig die Melodien; dazu kommt ein Piano zum Einsatz. Favorit des Rezensenten: „Street Of Forbes“ in einem mitreißenden Arrangement. Anspieltipps bei den Tunes: „Smiler“ und „Road To Cashel“. Das Klangbild ist sehr flötendominiert, speziell die Gitarre hat etwas wenig Entfaltungsraum. Aber insgesamt eine tolle Produktion einer jungen Band mit Zukunft!
Johannes Schiefner

 HERRN STUMPFES ZIEH & ZUPF KAPELLE: Ogottogott
HERRN STUMPFES ZIEH & ZUPF KAPELLE
Ogottogott
www.stumpfes.de
(Spion Music SMCD 00012)
12 Tracks, 41:02 , mit dt. Infos u. schwäb. Texten


Man schlägt die Hände überm Kopf zusammen und ruft es aus: „Ogottogott!“ beim Gewahrwerden dessen, was man alles tun soll, wenn es nach den anderen ginge. Glücklicherweise stoßen uns Herr Stumpfe und seine Kapelle im Eröffnungsstück ihres zehnten Albums drauf und mahnen sogleich in einem weiteren Song: „Mensch leb doch mal, ’s isch schbäder als du denksch“. Dabei handelt es sich um die Adaption eines Klassikers der Specials namens „Enjoy Yourself“, selbstredend mit schwäbischem Text. Denn das Quartett kommt aus Aalen und zeigt, was popmusikalisch auch im Ländle alles geht. Das Instrumentarium zeigt sich robust, besteht aus Geräten wie Akkordeon, Tuba, Banjo und Slidegitarre. Es verbinden sich also Blasmusik und Country. Aber auch in anderen Stilen ist die Kapelle zu Hause und präsentiert authentisch Hits aus Rock und Pop auf ihre Art. Da wird aus Carl Douglas' „Kung Fu Fighting“ der „Kung-Fu-Feigling“, John Sebastians „Daydream“ heißt jetzt „Dagdiab“ und verherrlicht das Leben eines Kriminellen, und Sadés „Smooth Operator“ bekommt den Titel „Cooler Trompeter“. Ein ziemlicher Spaß das, in den sich kurze melancholische Momente mischen. Insgesamt aber muss der Frohsinn siegen.
Volker Dick
 IRXN: Saltatio Ignis
IRXN
Saltatio Ignis
www.irxn.net
(Mundart/Focus 307.0092.2/BSC Music/Rough Trade)
15 Tracks, 58:28


Was wohl Wallenstein zu dieser Musik seiner Pappenheimer sagen würde? Man könnte meinen, diese fünf Musici aus der so idyllisch gelegenen Stadt im fränkischen Altmühltal hätten nicht weniger Kriegserfahrung als der kaiserliche General, der laut Friedrich Schiller im Dreißigjährigen Krieg dort weilte. Die Mittelalter/Celtic/Mundart/Folk/Rock-Band Irxn bietet mit Liedern aus neun Jahrhunderten – 12 bereits veröffentlicht, drei neu – einen Blick auf die Geschichte, die alles andere als idyllisch oder romantisch anmutet. Da wird gekämpft, verflucht, gelitten und nach Freiheit gerufen. Durch die moderne Darbietung kommt zugleich der Eindruck auf, dass man es nicht nur mit einer Aufarbeitung lang vergangener Geschichte zu tun hat, sondern dass es immer so weiter geht. Zum Beispiel lässt das 900 Jahre alte „Palästina“-Lied an die heutige Situation in diesem so unfriedlichen Land denken, und der gesungene Wunsch, in Freiheit durch Jerusalem gehen zu können, bezieht sich ganz sicher nicht nur auf die Zeit der Kreuzzüge. Trotz all dieser Ernsthaftigkeit taugt die Musik aber auch zum deftigen Abfeiern. Fans von Adaro, Haindling, Garmarna und Irish Stew mögen hier gleichermaßen das Ihre finden.
Michael A. Schmiedel

 ANDRÉ KRIKULA TRIO: Supernova
ANDRÉ KRIKULA TRIO
Supernova
www.andrekrikula.de
(DMG 54.218144.2/Broken Silence)
11 Tracks, 35:27


Beim Namen André Krikula Trio vermutet man nicht gleich Bossa Nova, doch dieser deutsche Akustikgitarrist und Sänger bewegt sich auf Supernova zwischen zwei entsprechenden Genres, brasilianisch gefärbter akustischer Gitarrenmusik und der brasilianischen Nationalpopmusik MPB mit Kompositionen von Edu Lobo oder Dorival Caymmi. Da stimmen die federnden Rhythmen und die starke Melodik, der Satzgesang und die textlosen Vokalimprovisationen. Damit ist André Krikula nicht nur für die relativ geschlossene Szene akustischer Gitarristen, sondern auch für die Bossa-Lounge-Szene interessant. Man merkt, Krikula kennt die brasilianischen spieltechnischen Vorbilder nur zu gut – die Spielweisen João Boscos oder Baden Powells hört man immer mal heraus. Dazu bekommt Krikula sogar richtige Ohrwürmer wie sein „Papagaio“ hin. Und dann gibt es sogar noch einen Samba mit deutschem Text, „Chateau“. Alle Achtung – und warum nicht? Mit seiner Virtuosität und Vielfalt dürfte André Krikula bei brasilianischen Zuhörern viel Respekt ernten. Neben Peter Fessler zeigt die deutsche Szene mit Krikula, dass hierzulande bezüglich brasilianischer Gitarrenmusik wirklich internationales Niveau zu finden ist.
Hans-Jürgen Lenhart
 RÜDIGER OPPERMANN: The Brendan Voyage – Reise in die Anderswelt
RÜDIGER OPPERMANN
The Brendan Voyage – Reise in die Anderswelt
www.klangwelten.de
(Klangwelten Records/Worms Verlag)
Do-CD, 31 Tracks, 118:25 , mit dt. Texten u. Infos


Es war schon ein riesiges Projekt, welches Ende Mai 2013 zu den Tagen Alter Musik und Literatur in Worms uraufgeführt wurde und jetzt als Mitschnitt vorliegt. 25 Musiker aus verschiedenen Stilrichtungen gestalteten die Navigatio Sancti Brendani Abbatis, die Reise des Abtes Brendan von Irland auf mythische Inseln im Westen. Wer könnte besser geeignet sein, diesen Stoff zu vertonen, als der Weltmusikreisende und Harfenspezialist Rüdiger Oppermann? Poetisch übersetzt aus dem Mittellateinischen, wird die epische Erzählung von unterschiedlichster Musik umrahmt. Der gälische Sänger Peadar Ó Ceannabháin ist zu hören und die Irish-Fiddlerin Franziska Urton. Der Mongole Nasaa Nasanjargal, mit einer Gesangsstimme von fünf Oktaven Umfang begnadet, ist mit Pferdegeige, Schamanen- und Obertongesang dabei. Ebenso wie Rolf Wagels von Cara an der Bodhrán und Gitarrist Jørgen Lang sowie der Archäologe und Deutschlands bester Kenner prähistorischer Bronzehörner Joachim Schween und der Wormser Posaunenchor unter Leitung von Thomas Busch. Zusammengehalten wird das Ganze von den Kompositionen und Arrangements Rüdiger Oppermanns. Eine bunte Mischung von Klängen aus der Keltenzeit, Irish Folk, Minimal Music, Jazz und Bigbandsounds, gespielt auf keltischer Harfe, Flöten, Luren, Trommeln, Gläsern und Bläsern, Bombarde und anderem. Die musikalische Zeitspanne von prähistorisch bis zeitgenössisch wird in diesem Spektakel voll ausgelotet – ungewöhnlich, aber ausgesprochen hörenswert.
Piet Pollack

 KAI STRAUSS: Electric Blues
KAI STRAUSS
Electric Blues
www.electricbluesallstars.com
(Continental Record Services CRS CECD 49/In-akustik)
14 Tracks, 56:34


Der fantastische deutsche Bluesgitarrist Kai Strauss, der lange mit Memo Gonzalez & The Bluescasters spielte und mit der Kai Strauss Band für feinsten Soul und Rhythm and Blues steht, erfüllt sich mit diesem Soloalbum einen langgehegten Traum. Über die letzten zehn Jahre sammelte er Beispiele der Musik, die er so liebt, und nahm sie mit einer Vielzahl musikalischer Wegbegleiter auf – unverfälschten, zeitlosen, elektrischen Blues. So steht es zumindest in den Linernotes, und die Umsetzung seines Vorhabens ist ihm sehr, sehr gut gelungen! Mit den ersten Takten eines jeden Stückes sagt es im Inneren des Hörers „Ja, das ist es – so muss es klingen!“ Nämlich genau so, wie es vor fünfzig Jahren in Chicago klang, heute noch gespielt wird und auch in weiteren fünfzig Jahren mit Sicherheit immer noch begeistern wird. Zeitlos, authentisch – und abwechslungsreich wie Electric Blues. Neben Erkan Özdemir am Bass und Klaus Schnirring und Henk Punter am Schlagzeug geben fünf unterschiedliche Sänger, Harpspieler oder Pianisten immer neue Klangfarben hinzu. Und mit dem Schlussstück If I Ever Get Lucky ist Kai Strauss dann endgültig bei sich und der Essenz dieser wunderbaren Musik angekommen.
Achim Hennes



Europa
 AHLBERG, EK & ROSWALL: Näktergalen
AHLBERG, EK & ROSWALL
Näktergalen
www.ahlbergekroswall.se
(Westpark Music 87256/Indigo)
15 Tracks, 50:07 , mit schwed./engl. Infos


Auch Alberg, Ek & Roswalls zweites Album „Die Nachtigall“ ist rein instrumental und wohl vor allem für Liebhaber schwedischer Musik. Aber auch Klassikhörer sind angesprochen, die vielleicht auf den Kick warten, sich auch einmal mit einem anderen Genre zu beschäftigen. Das Meistertrio produziert mit seinen besonderen Instrumenten Violine/Viola, Harfengitarre und Nyckelharpa/Alt-Nyckelharpa einen unverwechselbaren Klang. Bis auf ein Menuett und zwei Walzer präsentiert Näktergalen Polskas, bis auf zwei selbst komponierte in alten Notenbüchern gefunden und neu arrangiert. Zu den einzelnen Stücken gibt es im Booklet Hintergrundinformationen. Es geht um die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, als die Lieder im Gebiet von Medelpad und Skåne aufgezeichnet wurden – Musik, die über viele Generationen weitergegeben wurde, wie bei den Blomgrens, von denen der letzte 1917 starb, oder den Cedervalls, über fünf Generationen Organisten und Spielleute. Aber auch Querverbindungen gab es, wie bei der Polska „Cedervall“, die eine Art Vorspiel für das folgende Stück „Blomgrens Dop“ (Blomgrens Taufe) ist. Von 4. bis 6. Juni werden Ahlberg, Ek & Roswall dreimal beim TFF Rudolstadt auftreten.
Bernd Künzer
 ALLAN YN Y FAN: Cool, Calm & Collected
ALLAN YN Y FAN
Cool, Calm & Collected
www.ayyf.co.uk
(Steam Pie SPCD10175)
13 Tracks, 50:13


Cool, Calm & Collected scheint auf den ersten Blick wie eine dieser Retrospektiven, die Künstler veröffentlichen, wenn es kreativ momentan nicht zu Neuem reicht. Da ist meist ein Gähnen schwer zu unterdrücken – aber mit diesem Urteil würde man dem walisischen Quintett Unrecht tun und ein wenig an den Tatsachen vorbei pauschalisieren. Okay, die dreizehn Tracks stammen von den bisherigen Veröffentlichungen, vier Alben und einer EP, aber man kann den drei Damen und zwei Herren abnehmen, dass sie anlässlich ihres Zehnjährigen einfach einmal Bilanz ziehen wollten. Und das tun sie mit Cool, Calm & Collected letztlich auch nicht mit einer simplen Wiederveröffentlichung, sondern sie haben die nette Mischung aus Songs und Tunes von Grund auf neu mastern und mischen lassen, mit zum Teil erstaunlichen Resultaten. Die Tracks klingen frischer als zuvor und sind manchmal zu einem veritablen Bigbandsound gemischt worden. Doch, Allan Yn Y Fan zählen zur absoluten walisischen Folkspitze. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dieses Album liefert ihn.
Mike Kamp

 AS DE TRÊFLE: (Pas) Comme Tout Le Monde
AS DE TRÊFLE
(Pas) Comme Tout Le Monde
www.as-de-trefle.com
(La Charrette Productions HDM888/Broken Silence)
13 Tracks, 48:22 , mit frz. Texten


Der erste Reflex sofort zu Beginn dieses Albums: Das ist das Album des Jahres! Ein scharfes folkiges Riff mit der E-Geige, dann setzt das Schlagzeug ein und schließlich eine weiche Rhythmusgitarre – fünfundzwanzig Sekunden höchstes Glück und größte Spannung. Die Band heißt As de Trêfle und kommt aus Tours in Zentralfrankreich. Ihr sechstes Album haben sie (Pas) Comme Tout Le Monde genannt. Okay, es ist nicht das Album des Jahres, denn da ist auch noch der Sänger Laurent Renard mit seiner etwas nöligen und wenig ausdrucksstarken Stimme. Aber (Pas) Comme Tout Le Monde ist ein wirklich gutes, abwechslungsreiches Album geworden. Die Musik von As de Trêfle – zu Deutsch „Kreuzass“ – kann man als poppigen Folkpunk beschreiben oder als akustischen Rock ’n’ Roll, gerne mit Offbeat. Herausragend der Protestreggae „Dans Les Bibliotheques“, voll lässig routinierter Empörung. Neben dem zotteligen Sänger Laurent Renard bildet die elegante Geigerin Géraldine Bisi einen optischen Gegenpol. Im kleinen Schwarzen spielt sie sonst auch im klassischen Orchester oder im Tangoensemble. Auf dem Cover tragen allerdings alle vier Bandmitglieder lustige Tiermasken. Sie sind eben nicht comme tout le monde.
Christian Rath
 LUKA BLOOM: Head & Heart
LUKA BLOOM
Head & Heart
www.lukabloom.com
(Big Sky Records/Skip Records 9122-2)
12 Tracks, 48:20


Luka Bloom, geboren als Barry Moore, gehört zur Riege der Folkmusiker, von denen man blind jedes Album kaufen kann. Ähnlich wie Richard Thompson oder sein Bruder Christy Moore liefert Bloom akustische Perlen außerordentlicher Qualität. Nur mit Stimme und Gitarre vermag er die Herzen in seinen Bann zu ziehen und auf eine Reise voller Sehnsucht und Melancholie zu begleiten. Das Glück des Lebens besteht in einer Tasse Tee und einem Konzert von Luka Bloom. Im Unterschied zu seinem großen Bruder, dessen Coverversionen zumeist aus irischen Traditionals bestehen, spezialisiert sich Luka Bloom auf Coverversionen zeitgenössischer Künstler. So finden sich auf Head & Heart neben Eigenkompositionen auch Stücke von Bob Dylan, John Martyn oder Don McLean. Das Album wurde zum Teil live ohne Probe im Studio eingespielt, begleitet vom Phil Ware Trio. Das führt die Musik einmal mehr auf das Wesentliche zurück. So kann Luka Bloom sogar Frederic Weatherlys „Danny Boy“ ohne Peinlichkeit inszenieren. Head & Heart klingt wie jedes andere Album des Künstlers. Das ist wundervoll, weil es dadurch auch ebenso ergreifende Songs enthält wie seine Vorgängeralben. Eines so herausragend wie das andere.
Chris Elstrodt

 DU BARTÀS: Tant Que Vira ...
DU BARTÀS
Tant Que Vira ...
www.sirventes.com
(Sirventés 4112388/Broken Silence)
10 Tracks, 57:18 , mit okz. u. frz. Texten


„Sem Totis Bastards“ – „Wir sind alle Bastarde“ – singen Du Bartàs aus vollen okzitanischen Kehlen. Die fünf Männer aus dem Languedoc pflegen ihre Kultur und ihre Sprache, Scheuklappen sind aber nicht angesagt. Das beginnt mit dem Eröffnungsstück „Laman, Fisança“, einer Mischung aus Raï und okzitanischer Folklore, mit arabischen Textteilen, gesungen vom Geiger, Tar- und Bendhirspieler Abdel Bousbiba. Mit Akkordeon, Cuatro, Pandeiro, Tamorra und anderen Trommeln spielen Du Bartàs zum Tanz auf. Im Zentrum steht der fünfstimmige Gesang. Besonders schön ist der polyphone A-cappella-Gesang auf „Mon Vesin“. Das Lied erzählt vom armen Bauern, der guten Wein herstellt, davon aber kaum leben kann und sein Land verkaufen muss. Das Land geht zu immer größeren Produzenten über, die Massenware produzieren, bis das Gut stillgelegt wird, weil niemand mehr diesen Wein trinken will. Du Bartàs' Anliegen sind ernst: Im aus dem Italienischen übertragenen „Sante Geronimo Caserio“ singen sie über den gleichnamigen Anarchisten, der in Lyon ein Attentat auf Marie François Sadi verübte, den Präsidenten der Dritten Republik. Trotz allem – Ihre Musik will getanzt werden! Auf nach Okzitanien ...
Martin Steiner
 ESPERANZA FERNÁNDEZ: Canta A Saramago – Mi Voz En Tu Palabra
ESPERANZA FERNÁNDEZ
Canta A Saramago – Mi Voz En Tu Palabra
www.facebook.com/flamencoesperanzafernandez
(Discmedi 5069-02/Galileo MC)
10 Tracks, 41:39 , mit Texten


Die Romane des Nobelpreisträgers José Saramago genießen Weltruf. Weniger bekannt ist seine Poesie. Saramago war zeitlebens ein Suchender, einer der litt, um später vor Freude zu weinen. Zeilen wie „Diese Welt funktioniert nicht, auf dass eine andere komme ... „ aus „Dimisión“ relativiert er in „Ha De Haber“: „Da muss es noch eine Farbe geben, die zu entdecken ist, eine verborgene Wortfolge, einen Schlüssel, um die Türe dieser gewaltigen Mauer zu öffnen.“ Welche Musik würde besser zu Saramagos Gefühlswelten passen als der Flamenco? Wenn Esperanza Fernández in „Dimisión“ a cappella ihren kehlig erdigen Cante anstimmt, hofft man, der 2010 verstorbene Dichter könne ihr zuhören. Die Sevillanerin vertonte neben dem Liedermacher Luís Pastor und anderen die Gedichte des Portugiesen höchst einfühlsam und variantenreich. Nicht alles ist Flamenco, da ist etwa auch ein Garrotín, ein andalusischer Volkstanz. Produzent Dorantes sorgt mit nie überladenen Arrangements für Abwechslung. Ein Album wie aus einem Guss, mit unglaublich präzisen, einfallsreichen Gitarrenläufen, Chorsätzen, Percussion und einmal auch der Klavierbegleitung von Dorantes. Ein kleines Juwel.
Martin Steiner

 GOUBRAN: Die Glut
GOUBRAN
Die Glut
www.goubran.com
(Lindo Records)
9 Tracks, 46:51 , ohne Texte, mit Infos


Schwermut tropft aus diesen Liedern, Melancholie wälzt sich wie ein träger Lavastrom ins Gemüt des Hörers. Vögel mit verklebtem Gefieder hocken traurig am Boden, Ratten huschen vorbei, graues Licht fällt durch rußgeschwärzte Fenster, laute Touristen stören, die Stadt ist eine Geisterbahn – nein, wahrscheinlich doch eher schon die Hölle, „Frühling in Wien“. Goubran ist ein Projekt des Wiener Autors und Musikers Alfred Goubran, das er gemeinsam mit seinen Partnern, den Multiinstrumentalisten Oliver Welter und Stefan Deisenberger, realisierte. Der Gesang ähnelt einem ausgezehrten Röcheln, einem zutiefst resignierten Stöhnen – eine Stimme wie ein Steinbruch. Und die Musik stolpert kongenial durchs traurige Textgestrüpp, Tom Waits lässt grüßen. Trotz einiger unübersehbarer Parallelen verfügt Goubran jedoch durchaus über eine unverwechselbare Eigenart, was Gesang und Text betrifft. Und es gibt sie ja tatsächlich, diese trüben Tage, an denen wir sehr empfänglich sind für traurige Lieder und morbide Klänge. „Ja, wir trinken und trinken und trinken und trinken …“, heißt es im Titelstück – es kommt halt immer auf die richtige Dosierung an.
Kai Engelke
 HEIDI HAPPY: Golden Heart
HEIDI HAPPY
Golden Heart
www.heidihappy.ch
(Silent Mode SIMO002/Cargo Records)
14 Tracks, 44:34 , mit Texten


Auch die Musik von Heidi Happys fünftem Album soll durch und durch persönlicher Natur sein, sagt die Musikerin. So verschieden die Stücke sind, haben sie doch ein kühleres, elektronisch unterlegtes Klangbild gemeinsam als gewohnt. Der sehr weiche, anschmiegsame Songwriterstil scheint dabei nur noch hier und da durch. Ansonsten ist Golden Heart bunt wie das Leben. Das Album beginnt mit einen soulig groovigen Stück, das in die Beine geht („Ding Dong“). Popstücke sind zu hören („In Your Heart“). Sogar Countryanklänge gibt es („In The Garden“). Nicht einmal vor Volkstümlichem hat die Musikerin Hemmungen, wie sie im „Whistle Song“ zeigt. Auch puren Elektropop gibt es mit „High Wave“ und „La Dance“. Und in einer schnelleren Achtzigerjahre-Disco-Version hat die Schweizerin das Stück „Du da, ich da“ von ihrem Debütalbum Back Together neu intoniert. Unter dem Einfluss einer neuer Liebe sei das Album entstanden, und so ist das Titellied Golden Heart ein sanft erhabenes Stück geworden. Alle Texte und alle Musiken hat die Künstlerin selbst geschrieben. Und für das Album hat sie sich eine neue Band aus drei Musikern zusammengestellt: Ephrem Lüchinger, Baptiste Germser und Domi Huber.
Sarah Fuhrmann

 FIONA HUNTER: Fiona Hunter
FIONA HUNTER
Fiona Hunter
www.fionahunter.co.uk
(Rusty Squash Horn Records RSH004CD)
10 Tracks, 47:39 , mit engl. Infos


Bei der Gruppe Malinky ist sie die Nachfolgerin der famosen Karine Polwart – und diesem großen Erbe wurde Fiona Hunter bislang mehr als gerecht. Als sich Malinky aus finanziellen Gründen zu einer Auszeit gezwungen sah, reifte in Hunter der Plan eines Soloalbums. Und hier ist es – unaufdringlich, geschmackvoll, durchgehend traditionell und unter maßgeblicher Mitwirkung von Mike Vass entstanden. Der Multiinstrumentalist, der bereits bei Malinky mit Fiona Hunter zusammengearbeitet hat, betätigt sich als Produzent und sorgt für einen stimmigen Gesamteindruck. Aus der auch insgesamt positiven Präsentation ragt natürlich vor allem Fiona Hunters Stimme heraus. Die Schottin, die auf dem Album auch Cello und Harmonium spielt, singt natürlich, warm, kontrolliert und doch mit viel Gefühl. Ein Solodebüt, mit dem Fiona Hunter mehr als zufrieden sein kann.
Mike Kamp
 GJERTRUD LUNDE: Hjemklang
GJERTRUD LUNDE
Hjemklang
www.gjertrud-lunde.com
(Ozella OZ054CD/Galileo MC)
Promo-CD, 11 Tracks, 62:03 , mit norw./frz./engl./port. Texten u. engl. Infos


Es gibt Stimmen, die mit dem ersten Ton wortlos Geschichten erzählen können, aufrichtig, uneitel und klar wie vielleicht das Wasser der Fjorde in Gjertrud Lundes Heimat. Die Norwegerin legt mit dem Album Hjemklang eine bezaubernde Sammlung größtenteils eigener Kompositionen vor, die sich stilistisch zwischen Jazz, Klassik und Weltmusik bewegen, alte norwegische Psalme unter Einsatz moderner elektronischer Effektgeräte arrangieren und europäische Nuancen ebenso über englische, portugiesische, norwegische und französische Texte artikulieren wie über die Bandbesetzung mit dem Polen Bodek Janke an Schlagzeug und Perkussion, dem Niederländer Wolfert Brederode am Piano, dem Deutschen Florian Zenker an der Gitarre und Lundes norwegischem Landsmann Arve Henriksen an der Trompete. Gemeinsam ist allen Titeln die Authentizität in Komposition, Arrangement und Ausführung. Es gibt keine Kopien, keine Anleihen, keine Wiederholungen. So individuell sich Lunde jedem einzelnen Thema annähert, so kreativ, virtuos und einfühlsam ergänzen die Kollegen ihre Solistin. Mit traumwandlerischer Sicherheit schaffen die Musiker damit eine Klanglandschaft, die unbedingt zum Hören und Verweilen einlädt.
Cathrin Alisch

 MÀNRAN: The Test
MÀNRAN
The Test
www.manran.co.uk
(Mànran Records MAN03)
10 Tracks, 50:34


Als quintessenzielle schottische Folkrockband sind – speziell in Deutschland – Runrig bekannt und beliebt. Auch Mànran sind ein schottisches Folkrocksextett, aber sie sind noch um einiges schottischer. Das hat vor allem zwei Gründe: Da ist ihr bis auf zwei Ausnahmen konsequenter Gebrauch der gälischen Sprache, und sie haben das Glück, mit Norrie MacIver einen Muttersprachler als Sänger vorweisen zu können. Schließlich ist da das Trio Gary Innes (Akkordeon), der Battlefield-Band-Mann Ewen Henderson (Fiddle, Highland Pipes, Whistle) sowie ex-Cara-Musiker Ryan Murphy (Uilleann Pipes, Holzflöte). Das macht Mànran wahrscheinlich nicht nur zur einzigen Band, die schottische und irische Pipes gemeinsam präsentiert – nein, diese Herren sind darüber hinaus auch wirklich tief verwurzelt in der musikalischen Tradition Schottlands! Und natürlich auch ein wenig in der irischen. Das spiegelt sich deutlich in den zahlreichen Instrumentals. Erneut sorgt Altmeister Phil Cunningham als Produzent für makellosen Sound, und wie beim Debüt von 2011 zitieren Mànran auch wieder ihre offensichtlichen Vorbilder Runrig, diesmal mit der Calum-&-Rory-Macdonald-Komposition „Tillidh Mi“. Ein starker Nachfolger eines starken Debüts – und nein, schottischer geht’s kaum!
Mike Kamp
 Quatuor Ébène – Stacey Kent & Bernard Lavilliers: Brazil
Quatuor Ébène – Stacey Kent & Bernard Lavilliers
Brazil
www.quatuorebene.com
(Erato/Warner Classics CD 0825646320462)
13 Tracks, 67:11


Streichquartette sind heutzutage dann am erfolgreichsten, wenn sie sich in Genres außerhalb der Klassik wagen und dort ihr Publikum erweitern. So zeigt auch das französische Quatuor Ébène auf Brazil sein ganzes Können im Crossoverbereich, ohne dass das Album in zu unterschiedliche Stimmungen zerfällt. Dazu hat sich das Quartett Verstärkung geholt: die den klassischen Bossa-Nova-Stil perfekt beherrschende Sängerin Stacey Kent, den Chansonnier Bernard Lavalliers, Bossa-Legende Marcos Valle und eine Rhythmusgruppe. Die Auswahl der Stücke ist allerdings keineswegs rein brasilianisch – neben Tom Jobim oder Ary Barroso reicht das Spektrum von Pop (Sting) über Filmmusik (Chaplin) und Tango (Astor Piazzolla) bis Jazz (Wayne Shorter), dazu etliche Kompositionen Lavalliers. Etwa die Hälfte der Stücke ist mit Gesang arrangiert. Quatuor Ébène hat verstanden, worauf es ankommt: eine einheitliche, entspannte Atmosphäre unabhängig von Ausgangspunkt und Zutaten zu generieren und gleichzeitig die stilistische Komplexität wie selbstverständlich wirken zu lassen. Ein Meisterwerk ist das Titelstück „Brazil“, dessen Arrangement von Kammermusik über Trommlerimitationen bis zur Karnevalsstimmung reicht.
Hans-Jürgen Lenhart

 YANN TIERSEN: 8 (Infinity)
YANN TIERSEN
8 (Infinity)
www.yanntiersen.com
(Mute Artists CDSTUMM367/Rough Trade)
Promo-CD, 10 Tracks, 49:31


Wer den Bretonen Yann Tiersen bislang nur über seine bestverkauften Soundtracks Le Fabuleux Destin D’Amélie Poulain oder Good Bye Lenin! – zusammen über zwei Millionen Exemplare – wahrgenommen hat, dem entging Tiersens andere Seite. Während auf beiden Filmmusiken eher heiter-melancholischer Klingklang zu hören war, ging es auf seinen „regulären“ Alben oft recht düster zu. Speziell auf den beiden direkten Infinity -Vorgängern, Dust Lane und Skyline, schuf Tiersen teils apokalyptische Klänge zu morbiden Folksongs. Da macht auch Infinity keine Ausnahme: dunkle Klänge, seltsame Walzer, Naturgeräusche, rezitierte Texte – eine sehr eigene Welt voller musikalischer Merkwürdigkeiten. Manches erinnert an die Frühwerke Mike Oldfields, der ja ebenfalls in serieller Musik, Folk, Rock sowie keltischer und skandinavischer Mythologie zuhause ist. Doch anders als Oldfield, dessen erste drei Alben zwischen 1973 und 1975 erschienen, kann Tiersen zusätzlich auf die in den Achtziger- und Neunzigerjahren veröffentlichten Ambient-Experimente von Brian Eno bis Wolfgang Voigt zurückgreifen. Wie er aus all diesen Möglichkeiten seine ureigene Melange kreiert, das macht ihn so unverwechselbar und einzigartig.
Walter Bast
 WIENER TSCHUSCHENKAPELLE: Donauinselfest 2013 Live
WIENER TSCHUSCHENKAPELLE
Donauinselfest 2013 Live
www.tschuschenkapelle.at
(Tschuschenton 005/Harmonia Mundi)
12 Tracks, 50:08


Wien, Donauinselfest 2013 – Europas größte Veranstaltung unter freiem Himmel, eine Million Menschen verteilen sich spazierend auf den Donauwiesen, Bratenduft und Feierstimmung liegen in der Luft, von diversen Bühnen klingt Musik. Vor einigen Jahren war das Donauinselfest jährlich eine gute Gelegenheit auch für Weltmusik. Mittlerweile findet sie hier kaum noch statt, sie musste Dancepop weichen. Glücksfall im Jahr 2013: Die Wiener Tschuschenkapelle, Wiens ältestes Ensemble mit Migrationshintergrund, trat passend zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum auf. Die Band um den Sänger und Gitarristen Slavko Ninic, die sich den alle südosteuropäischen Zuwanderer beleidigenden Schimpfnamen „Tschuschen“ ehrenhalber zugelegt hat, spielte als Sextett auf, mit einem Repertoire, das mit Klarinette, Akkordeon und mehrstimmigem Gesang melodienselig durch die Folklore des Balkanraums von Kroatien bis Griechenland führte. Einziger Kritikpunkt: Wer die Konzerte kennt, weiß, wie gewitzt Ninic mit dem Publikum interagiert. Trotz der Liveaufnahme überträgt sich von dieser Kunst der Kommunikation wenig auf das Album. Dennoch ist der Mitschnitt wegen der Rest-Live-Atmosphäre aber mehr als eine schöne Ergänzung zu den Studioalben.
Harald Justin

Nordamerika
 NEAL BLACK & THE HEALERS: Before Daylight
NEAL BLACK & THE HEALERS
Before Daylight
www.nealblack.net
(Dixifrog DFGCD 8761/Fenn Music)
10 Tracks, 45:46 , mit engl. Texten u. Infos


Der weitgereiste texanische Sänger, Gitarrist und Komponist Neal Black, der zwischen den USA und Frankreich pendelt, darf sich über ein großes und begeistertes Publikum freuen. Auch nach 30 Jahren präsentiert er seine kraftvollen Bluesrocksongs noch frisch und unverbraucht. Bei dieser Studioproduktion des Künstlers, der auch live ein Ohrenschmaus ist, sind Mike Lattrell (Piano, Orgel, Mandoline), Kris Jefferson (Bass, Bako Mikaelian, Harmonica) und Dave Bowler (Schlagzeug) mit dabei. Besonders die Songs „The Peace Of Darkness“ und „The Road Back Home“ unterstreichen, wie grandios Black und seine Begleiter modernen elektrischen Blues zu spielen verstehen. Die anderen Titel, darunter „Mama‘s Blues“ von Willie Dixon und Chester Burnett, reihen sich eindrucksvoll ein. Nicht nur musikalisch, sondern auch optisch – im Digipack – ist diese Scheibe absolut gelungen.
Annie Sziegoleit
 KRONOS QUARTET: A Thousand Thoughts
KRONOS QUARTET
A Thousand Thoughts
www.kronosquartet.org
(Nonesuch 7559-79557-3/Warner)
Promo-CD, 15 Tracks, 74:18


Zum vierzigsten Jahrestag ihres Bestehens im November 2013 spendierte die Plattenfirma dem Quartett um Gründungsmitglied David Harrington eine Zusammenstellung mit Werken aus den Jahren 1989 bis 2013, zehn davon bisher unveröffentlicht. Die Sammlung zeigt sehr schön, wie das Quartett im Laufe der Jahre seine ursprüngliche Spielweise erweitert hat. War es zu Anfang ein konventionell besetztes Streichquartett mit ungewöhnlichem Repertoire von Terry Riley über Ornette Coleman und Jimi Hendrix bis Pandit Pran Nath, so erleben wir heute ein nach allen musikalischen Seiten offenes, crossovererfahrenes Ensemble, das seine Fähigkeiten in den Dienst verschiedenster Musiker oder Bands stellt oder sich für eigene Werke mit einer Vielzahl ebenso verschiedener Gäste umgibt. Das ist das gute Recht des Künstlers. Doch was einst das Kronos-Faszinosum aus homogener Form (Streichquartett) und heterogenem Inhalt (Vielschichtigkeit des Repertoires) war, ist nun einer gewissen Beliebigkeit gewichen. Verloren gingen der Wiedererkennungswert und das, was man hierzulande mit dem Wortungetüm Alleinstellungsmerkmal bezeichnet. Wie gesagt, die dürfen das. Nur – der Autor dieser Zeilen erkennt sie nicht mehr.
Walter Bast

 NICKEL CREEK: A Dotted Line
NICKEL CREEK
A Dotted Line
www.nickelcreek.com
(Nonesuch Records 541944-2/Warner)
Promo-CD, 10 Tracks, 37:59


Die Nachricht verbreitete sich Anfang des Jahres mit Strahlkraft: Nickel Creek sind nach sechs Jahren wieder zusammen und arbeiten an ihrem sechsten Album! Entsprechend hoch stiegen die Erwartungen an A Dotted Line. Sie werden nicht enttäuscht, beim Hören wird relativ schnell klar, dass Mandolinengott Chris Thile und die virtuosen Geschwister Sara (v) und Sean Watkins (g) jenseits aller Zweifel agieren. Vom reinen Bluegrass haben sich die drei, die bereits im Kindesalter vor 25 Jahren als Nickel Creek unterwegs waren, längst verabschiedet – nicht vollständig, wie „21st Of May“ zeigt, aber das Genre blinkt nur als ein Sternchen im großen Kosmos verschiedenster Einflüsse. Die reichen von Folk und Blues bis zu Indie Rock und New Wave. Entsprechend abwechslungsreich gerät das Album, vom mitreißenden „Destination“ über die bittersüße Ballade „Christmas Eve“ bis zur wavigen Coverversion von Mother Mothers „Hayloft“. Mark Schatz unterstützt das Trio am Bass – die ideale Ergänzung für drei Musiker, die in ihren Soloprojekten gereift sind, traumhaft zusammenspielen, sämtlich grandios singen und berückend schöne Songs schreiben. Mit A Dotted Line machen sie uns wunschlos glücklich.
Volker Dick
 DAVID OLNEY: Sweet Poison
DAVID OLNEY
Sweet Poison
www.davidolney.com
(Strictly Music SM-406/Strictly Country Records/In-akustik)
12 Tracks, 52:30 , mit engl. Texten u. Infos


David Olney macht bereits seit Ende der Sechzigerjahre Musik. Zuerst in Bands wie Simpson oder den X-Rays aktiv, ging er 1973 als Songschreiber nach Nashville. Seine Songs seien vor allem deshalb erfolgreich gewesen, weil sie nicht besonders aus der Menge hervorstachen – wie er selbst meint. Besonders erfolgreich sind sie anhaltend in Holland, wo Olney, mehr als irgendwo sonst auf der Welt, ein richtiger kleiner Star ist. Dort tourt er regelmäßig, dort läuft seine Musik im Radio. Vielleicht, weil er darin nicht von sich selbst erzählt, sondern andere Menschen beobachtet und sich Themen aus der Menschheitsgeschichte vornimmt. David Olneys Musik hat einen universellen Touch, und so wundert es nicht, dass er in ihr den Blues zitiert wie auch Hillbillymusik der Zwanzigerjahre, und eine Brücke zur keltischen Musik schlägt er auch. Das vorliegende Livealbum wurde – selbstverständlich – in Holland aufgezeichnet. Gemeinsam mit seinem langjährigen Begleiter Sergio Webb spielt sich David Olney mit Emphase und Leidenschaft durch Songs aus seiner Feder, die bereits von Emmylou Harris, Steve Earle, Johnny Cash, Linda Ronstadt und Laurie Lewis eingespielt wurden. Und zwei neue gibt es auch.
Michael Freerix

 JOAN OSBORNE: Love And Hate
JOAN OSBORNE
Love And Hate
www.joanosborne.com
(Womanly Hips Records & Entertainment One/Membran 233844/Sony)
12 Tracks, 49:30 , mit engl. Texten und Infos


Zum zweiten mal nach Little Wild One hat Joan Osborne bei Love And Hate auf Cover von Klassikern zugunsten ihrer eigenen Songs verzichtet – und die haben es in sich! Tief verwurzelt im Rhythm and Blues, streben sie doch weit über dessen Grenzen hinaus. Etwa in die Gesellschaft der Songs Burt Bacharachs, wenn nicht gar der Werke der Romantiker um Richard Wagner, die nicht nur in den intensiven Streicherwallungen immer wieder anklingen. Thematisch geht es, der Albumtitel verrät es, ums Ganze; dass die inzwischen 52-Jährige mit entsprechender Intensität zu Werke geht, darauf kann man sich wohl verlassen – wer Joan Osborne einst in Standing In The Shadows Of Motown „What Becomes Of The Brokenhearted“ singen gesehen hat, der weiß, aufwühlender wird Popmusik nicht! Mehr Ernst und Ernst bei der Sache, mehr Empathie und Gewicht, dabei mehr Haltung und Anmut sind in der leichten Muse nicht möglich. Dass die New Yorkerin aus Kentucky, die schon mit ihrer ersten Single „One Of Us“ einen Treffer landete, der seitdem nicht mehr zu überhören ist, solche Höhen mit Love And Hate nicht ganz auf ein Neues erreicht, ist nicht verwunderlich. Es tut den großen Qualitäten des Albums aber keinen Abbruch.
Christian Beck
 RAE SPOON: My Prarie Home
RAE SPOON
My Prarie Home
www.raespoon.com
(Eigenverlag)
19 Tracks, 49:15


Verständlich, dass der kanadische Transgender-Sänger Rae Spoon seine außergewöhnliche Kindheitsgeschichte als Spross einer streng christlichen Familie, speziell die Erfahrungen mit Ausgrenzung und Spott gleichsam zum Politikum macht. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und den Versuchen, sich in gesellschaftliche Gefüge einzugliedern beziehungsweise davon abzugrenzen sind der Stoff, aus dem Rae Spoon kreative Ideen schöpft und auf zahlreichen Alben, in Büchern und zuletzt einem Dokumentarfilm an die Öffentlichkeit trägt. In seinen textlastigen Songs besingt er mit schnörkelloser, ungebrochener Stimme und einfachen Worten sehr detailliert persönlichste Erinnerungen, manchmal bis zur Schmerzgrenze intim. Eingefasst sind die Geschichten von Gitarrenarrangements und leichten Electronikabeigaben à la William Fitzsimmons. Die 19 Tracks bergen viele anrührende Momente und Melodien, auch wenn mitunter der Eindruck entsteht, dass die persönlichen Textzeilen nicht unbedingt über massentaugliches Identifikationspotential verfügen. Dafür sind die Rae Spoons vermutlich zu ernst, zu eingebettet in die eigene Lebensgeschichte. Wir können zuhören – und lernen.
Judith Wiemers

Onlinerezensionen
SCOTT KROKOFF
Realizations & Declarations
www.scottkrokoff.com
(Eigenverlag)
8 Tracks, 33:57


Der Spagat, den der New Yorker zwischen seinen Berufen Anwalt und Singer/Songwriter stehen muss, scheint seiner Musik jedenfalls ausgezeichnet zu bekommen. Der Nachfolger seines Debüts von 2007 ist eine ebenso souveräne wie runde Americana-Einheit aus allem, was Scott Krokoff von Rock-Druck bis Beatles-Harmonik und drum herum zu vereinnahmen weiß.




WIEDERVERÖFFENTLICHT
 FEELSAITIG: Feelsaitig – 30th Anniversary Deluxe
FEELSAITIG
Feelsaitig – 30th Anniversary Deluxe
www.intraton.de
(Intraton IntrA-08714)
19 Tracks, 66:15


Zum dreißigjährigen Jubiläum der Bayreuther Band um Sandy Wolfrum, Robert Wachsmann und den 2006 verstorbenen Hanzie Scharrer wurde das erste Album der Gruppe auf CD wiederveröffentlicht. Ergänzt um Liveaufnahmen von 1987 und zwei Neueinspielungen entstand eine Mischung deutscher und englischer Songs, die trotz der Jahre noch gut in die Zeit passen.




MUSIK FÜR KINDER
 WOLFGANG RIECK: Wir können alles werden
WOLFGANG RIECK
Wir können alles werden
www.wolfgang-rieck.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 40:38


Als Florian Fleißig legt Wolfgang Rieck sein drittes Album für Kinder vor – diesmal zum Thema Berufe. Ob Friseur, Matrose, Dichter, Clown, Musikant oder Schornsteinfeger – alles kleidet Rieck in kindgerechte Verse sowie zum Mitsingen geeignete Kehrreime. Auch die Arbeitslosigkeit wird thematisiert. Empfehlenswert für Kindergarten und Grundschule.




Afrika
 MAMY KANOUTÉ: Mousso Lou
MAMY KANOUTÉ
Mousso Lou
www.homerecords.be
(Homerecords 4446091)
13 Tracks, 55:47 , Songinfos in frz.


Was für eine Sängerin! Die Stimmgewalt einer Oumou Sangaré (von der es ebenfalls ein Album namens Moussolou gibt), eine Intonationssicherheit wie Youssou N’Dour und das stimmliche Charisma eines Bambino Diabaté. Mehr Lob geht nicht, und es ist verdient. Die Senegalesin war Backgroundsängerin bei Baaba Maal, der auch Gast ist im Titelstück. Mit acht Streichern und einem sechköpfigen Backingchor nebst einem guten Dutzend Musikern an Gitarre, Bass, Saxofon, Kora, Balafon und Hoddu ist das Album mehr als üppig besetzt. Bis auf den Opener „Yelema“ gibt es allerdings nur Balladen und Midtempostücke, was ein wenig schade ist. Zwei, drei fetzigere Titel mehr hätten dem Album gut getan. Die Lieder sind im deklamatorischen Stil der Griots gehalten, die Musik klingt trotz Streichersektion und elektrischer Instrumente urban-traditionell westafrikanisch. Das Album ist musikalisch tadellos und gut arrangiert und ein Genuss für Leute, die Musik aus Afrika ohne Stützräder hören können.
Luigi Lauer
 SIA TOLNO: African Woman
SIA TOLNO
African Woman
www.myspace.com/tolnosia
(Lusafrica 662952)
12 Tracks, 54:19 , mit engl. Infos


Nach zehn Sekunden weiß man: Musik aus Nigeria. Klar, Tony Allen spielt Schlagzeug. Afrobeat. Wer hat’s erfunden? Er, an der Seite von Fela Kuti. Sia Tolno stammt aus Guinea, hat sich aber Afrobeat als musikalisch-politische Waffe ausgesucht. Mutig, aber mit Kutis Hauptdarsteller als Groove-Garant kein Problem – der Mann spielt auch mit vierundsiebzig Jahren noch den einzigen Groove, den er kann, den aber so gut wie niemand sonst. Nur gelegentlich geht die Musik Richtung Highlife. Mit Guy N’Sangue am Bass ist auch das kein Problem, er ist auf mindestens hundert Alben jeglicher Couleur zu hören. Sia Tolnos kräftige, soulige Stimme macht sich ausgezeichnet in diesem Umfeld, und ihre hochpolitischen Texte stehen an Eindeutigkeit denen Felas nicht nach. Der Albumtitel passt darum gut, denn „African woman“ ist der Kernsatz in Kutis Hymne „Lady“. Sicher ist: Der gute alte Afrobeat erfährt in Kombination mit Sia Tolnos eher afroamerikanisch ausgelegter Stimme eine reizvolle neue Ausrichtung und eine verdiente Wiederbelebung zugleich.
Luigi Lauer

Asien
 DIVERSE: Memoirs Of An Arabian Princess – Sounds Of Zanzibar
DIVERSE
Memoirs Of An Arabian Princess – Sounds Of Zanzibar
www.winterandwinter.com
(Music Edition Winter & Winter 910 215-2)
9 Tracks, 77:03 , mit dt. u. engl. Infos


Die abenteuerliche Geschichte, wie aus Sayyida Salme, Prinzessin von Sansibar und Oman, die Hamburger Kaufmannsgattin Emily Ruete wurde, kann man in ihrer 1866 veröffentlichten, Autobiografie Memoiren einer arabischen Prinzessin nachlesen (eine Neuauflage erschien 2006 unter dem Titel Leben im Sultanspalast. Memoiren aus dem 19. Jahrhundert). Produzent und Labeleigner Stefan Winter spürt dem Leben dieser ungewöhnlichen Frau nun mithilfe aktueller Sänger, Sängerinnen und Ensembles, die im traditionellen Taarab-Stil musizieren, nach. Abgerundet werden die Musikstücke von Rajab Sulejman & Kithara, Saada Nassor, Makame Faki, Tarbiyya Islamiyya, Sina Chuki Kidumbaki und dem Mtendeni Maulid Ensemble von O-Tönen aus Natur (Meer, Sand, Regen, Wind) und Zivilisation (unter anderem Märkte, Festivitäten, Umzüge, Muezzinrufe). So entsteht ein faszinierendes Klangpanorama, das gleichsam musikalische Zeitreise wie Bestandsaufnahme zeitgenössischer sansibarischer Musikkultur ist. Und so ganz nebenbei sind Ruetes Buch und Winters Album auch noch ein hochinteressantes Stück afrikanisch-deutscher Zeitgeschichte.
Walter Bast
 DIVERSE: The Rough Guide To The Music Of Palestine
DIVERSE
The Rough Guide To The Music Of Palestine
www.worldmusic.net
(World Music Network RGNET131CD/Harmonia Mundi)
15 Tracks, 63:43 , mit engl. Infos, plus Bonus-CD RAMZI ABUREDWAN: 10 Tracks, 58:37


Kann Musik versöhnen? Zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Rezension schlagen sich der militärische Teil der Hamas und die israelische Armee im Gazastreifen mal wieder die Köpfe ein. Zimperlich ist keiner der beiden Kontrahenten, auch dann nicht, wenn militärische Operationen fast ausschließlich zivile Opfer fordern. Gemäßigte Politiker beider Seiten finden kein Gehör, die internationale Diplomatie ist rat- und machtlos, die Scharfmacher haben Konjunktur. – In diesen unseligen Zeiten erscheint dieser, von Nili Belkind und Nadeem Karkabi mit großem Engagement und Sachverstand zusammengestellte Sampler. Die musikalische Bandbreite reicht von eher traditionellen Werken (sehr schön: Ramzi Aburedwan auf der Bonus-CD) bis hin zu den Klang-Parametern, die zum Besteck von Jazzern, Liedermachern, Rappern, Elektronikern oder Hardrockern gehören, wobei die zeitgenössischen und zeitgeistigen Spielformen dominieren. – Und um die Eingangsfrage zu beantworten: Ja, vorausgesetzt, Konzerte werden nicht durch Sirenenalarm abgebrochen und das Haus, in dem der CD-Player steht, hat vier Wände, ein Dach, fließendes Wasser und Strom. Für alle weiteren Fragen: siehe Lennon, John – „Imagine“.
Walter Bast

 JEWISH MONKEYS: Mania Regressia
JEWISH MONKEYS
Mania Regressia
www.facebook.com/jewish-monkeys
(Greedy for Best Music 001/Indigo)
11 Tracks, 45:17 , mit engl. Texten u. Infos


Die Jewish Monkeys aus Tel Aviv untergraben auf Mania Regressia sämtliche geschichtlich bedingten Berührungsängste mit dem Judentum und seinem Heimatstaat Israel. Die Mitglieder der illustren Klezmer-Combo aus Tel Aviv treten nicht nur als Musiker, sondern ebenso als beißend scharfe Zyniker und Humoristen in Erscheinung und streuen mit großem Vergnügen Salz in die sprichwörtliche Wunde. Immer wieder verbalisiert die Band in neu aufgearbeiteten Traditionals, Fünfzigerjahre-Schlagern und einigen Eigenkompositionen schmerzhaft direkt die Klischees der Vergangenheit. Da ist die jüdische Schöne, die lieber mit dem blonden, blauäugigen Jüngling schläft als mit dem mickrigen Juden – „All day you count and pray, you promise the moon and come too soon“. Da sind die Hebräer, die im Gespräch mit einem Araber ihre Besitztümer legitimieren – „They killed us in Europe, we need real estate“. Die politisch so offenherzig inkorrekten Texte gründen trotz allem jiddischen Kitsch, Zirkusklamauk und Verwirrungsspiel augenscheinlich auf der gesammelten Intelligenz der belesenen drei Gründungsmitglieder, die bestens wissen, wo es dem europäischen Hörer wehtut. Ballastreich, aufgedreht, krude, cool.
Judith Wiemers



Besondere
DIVERSE
An Drochaid – The Skye Bridge Rising
www.watercolourmusic.co.uk
(Watercolour Music WCMCD55)
14 Tracks, 49:01


Es stand auf dem Cover unserer Nummer hundert: „Geschichten, die erzählt werden müssen.“ Das kann als generelles Motto für den Folker gelten, es gilt aber besonders für diese Geschichte.
1995 wurde die Brücke zur Isle of Skye im Nordwesten Schottlands eröffnet. Die Finanzierung erfolgte privat mit Regierungsunterstützung durch ein Konsortium mit der Bank of America an der Spitze. Die konservative Regierung im fernen London drückte das Projekt gegen starken Widerstand durch, denn es sollte das erste von vielen privat finanzierten öffentlichen Bauwerken werden. Die alternativlose Brücke war pro Meter die teuerste Mautbrücke der Welt. Sollte Westminster gedacht haben, die dummen Insulaner eigneten sich bestens für solche  DIVERSE: An Drochaid – The Skye Bridge Rising Experimente, dann hatten sich die Politiker nachhaltig getäuscht. Die Menschen auf Skye kämpften kontinuierlich mit allen möglichen gewaltlosen Mitteln gegen den Zoll. Nach fast zehn Jahren Kampf schließlich wurden die Mautstellen abgerissen und es galt: Freie Fahrt! Nach zehn weiteren Jahren feierte dieses Jahr bei den Celtic Connections die Doku The Bridge Rising Premiere und mit dem Film das Soundtrackalbum An Drochaid: eine großartige Geschichte des Aufbegehrens nicht zuletzt auch der lokalen Musiker, von denen einige darauf vertreten sind. Die Lieder und Melodien stammen größtenteils von Scott Macmillan aus Cape Breton, Nova Scotia, produziert wurde die Sammlung von Nick Turner und der umtriebigen Mary Ann Kennedy. Und was für einen großartigen Job haben alle Beteiligten abgeliefert! Das Album, das auch ohne Film überzeugt, beginnt mit dem bekannten Piper Dr. Angus MacDonald, dann folgt eine einzigartige, teils atemberaubende Mischung aus Folk, elegischem Streichorchester, Bläsern und Elektronika. Tradition und Moderne gehen eine kreative Verbindung ein, die nur dann auf ein Minimum beschränkt wird, wenn der Aktivist Robbie the Pict seine Bluesharmonika bläst. Besser kann man einen Sieg lokaler Beharrlichkeit über Regierungsarroganz und transatlantisches Großkapital nicht feiern. Diese Veröffentlichung (wie auch der Film) macht Mut!
Mike Kamp



Bücher
 HELMUT KÖNIG [Hrsg.]: Pitters Lieder : die Lieder von Peter Rohland / i. Auftr. d. Peter Rohland Stiftung hrsg. von Helmut König.
HELMUT KÖNIG [Hrsg.]
Pitters Lieder : die Lieder von Peter Rohland / i. Auftr. d. Peter Rohland Stiftung hrsg. von Helmut König.
www.spurbuch.de
(– Baunach : Spurbuchverl., 2014. – 246 S. : Noten + Texte, mit Abb. + DVD)
ISBN 978-3-88778-407-2 , 29,80 Euro


Peter Rohland (1933-1966) war der vielleicht wichtigste Impulsgeber, Anreger, Initiator der bundesrepublikanischen Folkbewegung der Sechziger- und Siebzigerjahre. Im Begleittext seiner allerersten Liedveröffentlichung (EP Vertäut am Abendstern) schrieb er schon 1962: „Vergessen wir nicht, dass auch bei uns in Deutschland Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Chansonkunst bestehen. Sie liegen irgendwo zwischen Volkslied, bündisch-vaganteskem Song und unserer heimischen, mittlerweile etwas schmalbrüstigen Chansonkunst. Ihr Barden, schafft Texte, die weithin wirken! Sucht sie! Singt sie!“ Der Höhepunkt seines Wirkens als Pionier für eine neue Liedkultur in Deutschland lag sicherlich in der Mitbegründung (gemeinsam mit Diethart Kerbs, Rolf Gekeler und Jürgen Kahle) der Festivals Chansons, Folklore, International auf Burg Waldeck. Leider konnte Peter Rohland nur an den ersten beiden Festivals 1964 und 1965 teilnehmen, da er im Frühjahr 1966 schwer erkrankte und verstarb. Das opulent ausgestattete Liederbuch enthält neben sämtlichen von Peter Rohland veröffentlichten Liedern die Lebensdaten des früh verstorbenen Künstlers, eine vollständige Diskografie sowie eine DVD, auf der alle im Buch vorgestellten Lieder zu hören sind. Die einzelnen Kapitel richten sich im Wesentlichen nach den Titeln der LPs Rohlands – „Landstreicherballaden“, „Lieder des François Villon“, „Un as der Rebbe singt – jiddische Lieder“, „Lieder deutscher Demokraten“ – und enthalten die frühen Lieder, die durch Tonbandaufnahmen dokumentiert sind. Hilfreich und weiterführend sind die kenntnisreichen Einführungen der jeweiligen Kapitel von König beziehungsweise Peter Rohland selbst, der sich zur Märzrevolution von 1848 äußerte. Alle Lieder sind mit vollständigem Text, der Notation sowie Gitarrenharmonien dargestellt. Die sorgfältige, nahezu bibliophile Gestaltung dieses Buches (Leineneinband, Schutzumschlag, Grafik, Lesebändchen, Format, Papier- und Druckqualität) geht erheblich über die Machart vieler vergleichbarer Liederwerke hinaus. Ein Buch, das sich nicht nur für den eigenen Gebrauch, sondern auch zum Verschenken eignet.
Kai Engelke
 ULLI BÖGERSHAUSEN: Chocolate and Wine : aus d. Leben e. Musikers.
ULLI BÖGERSHAUSEN
Chocolate and Wine : aus d. Leben e. Musikers.
www.acoustic-music-books.de
(– Wilhelmshaven : Acoustic Music Books, 2013. – 160 S.)
ISBN 978-3-86947-319-2 , 9,90 Euro


Nach fünfzig Jahren als Gitarrist und sechzig Jahren Leben, nach zweiundzwanzig Veröffentlichungen auf Schallplatte und CD, sechsundzwanzig Notenausgaben und DVD-Tutorials, nach etlichen Aufnahmen, die er als Produzent auf dem selbst gegründeten Label (Laika Records) begleitet hat, nun eine Art Autobiografie von Ulli Bögershausen. Ein sehr junger Mann sitzt auf der Heckstoßstange eines VW Käfers, eine Flasche Bier in der Hand, einen ganzen Kasten zu seinen Füßen: „Aus dem Leben eines Musikers.“ Und doch geht es eher um Schokolade und Wein, denn das Leben des Gitarristen aus dem verschlafenen ostwestfälischen Wiedenbrück ist keine Aneinanderreihung von Sex-, Drogen- und Rock-’n’-Roll-Geschichten, auch wenn der Beatles-infizierte Jugendliche lange Zeit den großen Rockstars nacheiferte. Erzählt wird in bescheidenem, warmem Tonfall, mit stillem Humor und großer Aufrichtigkeit. Von einem jungen Mann, der wusste, dass er Musiker werden möchte, auch wenn er oft nicht wusste wie, der seinen Traum aber mit hohem Einsatz und erstaunlicher Beharrlichkeit verfolgt hat. Von Reisen, Träumen, Begegnungen mit Musikern in aller Welt. Und von dem, was ihm am allerwichtigsten ist: der Liebe zur Musik. Man kommt ihm sehr nahe, dem Akustikgitarristen, der heute oberhalb der Mosel lebt und arbeitet. Und man muss ihn einfach mögen.
Rolf Beydemüller

 RIK PAUL ULLRICH: Eine Riesin trug mich übers Meer : Autobiografie.
RIK PAUL ULLRICH
Eine Riesin trug mich übers Meer : Autobiografie.
www.ploettner-verlag.de
(– Leipzig : Plöttner, 2013. – 349 S.)
ISBN 978-3-95537-124-1 , 17,90 Euro


Rik Paul Ullrich, Jahrgang 1963, ist ein Bluesmusiker und Singer/Songwriter aus Usedom beziehungsweise Leipzig, der seine Lebenserinnerungen in Form von Anekdoten, Geschichten und Geschichtchen sowie mehr oder weniger alltäglichen Begebenheiten wortreich zu Papier gebracht hat. Kindheit, Schule, Nationale Volksarmee (NVA), Trennung der Eltern, bubenhafte Streiche, erste Liebeleien, erste Annäherungen an die Musik, Lehre, verschiedene Jobs, Kumpaneien und Freundschaften – alles wird unter Verzicht auf eine Unterteilung in Kapitel chronologisch dargestellt, wobei die einzelnen Erzählstränge immer wieder übergangslos durch abrupt eingeschobene Episoden unterbrochen werden. Etwas seltsam mutet der Sprachduktus an, der sich ständig zwischen gedrechselt-altmodischen Wendungen und derb-vulgärer Ausdrucksweise bewegt. Ullrichs Biografie besteht aus zwei Teilen: Kindheit und Jugend sowie das Leben als erwachsener Mensch. Es geht eine eigenartige Tristesse, eine nahezu düstere Melancholie von diesem Buch aus, zumal der Autor auch die zahlreichen negativen Ereignisse seines Lebens ausführlich und mit viel wörtlicher Rede schildert: Jobverlust, zerbrochene Lieben, Arbeits- und Wohnungssuche, Zerfall der Band, Krankheit, Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit, Alkohol, Verlust der Fahrerlaubnis etc. Weshalb schreibt jemand so ein Buch? Um wesentliche Ereignisse festzuhalten, sie nicht ins Vergessen sinken zu lassen? Um über das eigene Leben zu reflektieren? Aber ist das auch für Außenstehende von Interesse? „Liebe dein Leben und gib dir Mühe bei dem, was du in Angriff nimmst … Leben ist immer noch das, was du daraus machst“, rät der Musiker seinen Lesern. Na ja, wer’s noch nicht wusste … Rik Paul Ullrich bezeichnet sich jedenfalls als einen glücklichen Menschen – das, immerhin, kann nicht jeder von sich sagen. Sein Glück sei ihm von Herzen gegönnt, auch wenn er in der Tat „kein Literat im eigentlichen Sinne“ ist, wie es im Klappentext heißt.
Kai Engelke
 GARY WEST: Voicing Scotland : Folk, Culture, Nation . – 1. Aufl., Nachdr.
GARY WEST
Voicing Scotland : Folk, Culture, Nation . – 1. Aufl., Nachdr.
www.luath.co.uk
(– Edinburgh : Luath Press., 2014. – 186 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-1-908373-28-1 , 12,99 schott. Pfund


Im September werden die Schotten demokratisch entscheiden, ob sie zukünftig (wieder) als eigener Staat agieren wollen. Für Pro ebenso wie für Kontra finden sich gute Gründe. Der Piper, Wissenschaftler und Radiomoderator Gary West gibt diesbezüglich keine Empfehlung, beweist aber, dass Schottland unabhängig vom Wahlausgang (musik-)kulturell gesehen schon immer eigenständig war. Er definiert schottische Kultur nicht im Gegensatz zu England, sondern je nach Standpunkt in nationalem oder regionalem Zusammenhang. Wer hat Schottlands Lieder und Melodien gesammelt? Wer hat nach der Wiederentdeckung (unter anderem durch Hamish Henderson) der traditionellen Musik besondere Impulse gegeben? In welchem Zusammenhang stehen Landstrich und kultureller Ausdruck, zum Beispiel der Unterschied zwischen Highlands und Lowlands? Und wie kontert man den durchaus vorhandenen schottischen Kitsch? Das sind nur einige der Fragen, die West ohne akademische Attitüde behandelt. Die Antworten führen nicht zu grundlegend neuen Erkenntnissen. Sie liefern allerdings eine willkommene Zusammenfassung von Vergangenheit und Gegenwart schottischer Folkmusik, wobei die gälische Kultur zugegebenermaßen nur gestreift wird. Dennoch empfehlenswert.
Mike Kamp

 JERRY WILLARD: 50 Easy Irish Favorites for Classical Guitar / arr. and comp. by Jerry Willard.
JERRY WILLARD
50 Easy Irish Favorites for Classical Guitar / arr. and comp. by Jerry Willard.
www.musicsales.com
(– New York, NY : Amsco Publ., 2014. – 80 S. : nur Noten u. Tab + Downloadcard. –)
ISBN 978-1-78305-439-8 , 26,50 Euro


Eine sehr fein arrangierte Sammlung irischer Folkklassiker legt der amerikanische Konzertgitarrist Jerry Willard in diesem recht umfangreichen Band mit fünfzig Songs vor. Auf eine CD wurde verzichtet, dafür stehen auf der Verlagsseite alle Tracks der Ausgabe zum Download bereit, in mustergültiger Einspielung durch den Autoren. Die Stücke sind entweder in Standardstimmung oder Dropped-D Tuning notiert. Das zweistimmige Spiel (Bass und Melodie) sollte man gut beherrschen um von diesem Band profitieren zu können. Hier sind eine Menge sehr schön klingender Stücke, Traditionals und Kompositionen von O’Carolan, versammelt, die auch bestens im Unterricht eingesetzt werden können.
Rolf Beydemüller
 CIARÁN COLLINS: Tausend Worte : Roman / Aus d. Engl. von Gabriele Haefs.
CIARÁN COLLINS
Tausend Worte : Roman / Aus d. Engl. von Gabriele Haefs.
www.berlinverlag.de
(– Berlin : Berlin Verl., 2014. – 444 S.)
ISBN 978-3-8270-1190-9 , 22,99 Euro


Eine Therapie ist meist qualvoll. Diese ist es insbesondere. Auch für den Leser. Denn der Erzähler des ersten Romans von Ciarán Collins ist „Der Gamal“ (so auch der irische Originaltitel), der verhaltensgestörte Dorftrottel des kleinen Ortes Ballyronan. Sein Psychiater hat angeordnet, dass Charlie jeden Tag wie ein Schriftsteller tausend Wörter schreiben muss, um ein schlimmes Erlebnis zu verarbeiten. Charlie wehrt sich gegen diese Therapie und bringt zunächst alles mögliche zu Papier, nur, um die geforderte Wortanzahl zusammenzubekommen. Das macht den Einstieg in dieses vielschichtige Buch nicht wirklich leicht. Doch es entwickelt sich schon nach wenigen Seiten, auf denen sich amateurhafte Zeichnungen, Fotokopien, Auszüge aus Lexika und Leserbeschimpfungen zu einem Kaleidoskop schräger, skurriler Einfälle scheinbar ohne Zusammenhang aneinanderreihen, ein Sog, der den Leser so schnell nicht wieder loslässt. Der Roman erzählt eine moderne Romeo-und-Julia-Variante, ist gleichzeitig Kriminalroman und Reflexion der (irischen) Gesellschaft aus der Sicht eines Außenseiters. Das Drama entfaltet sich in der oft brüsken und schnodderigen, manchmal enervierenden, aber immer faszinierenden Erzählweise nur ganz allmählich und hält die Spannung bis zum Schluss. Die Geschichte ist melancholisch und komisch zugleich. In ihrem Verlauf entfaltet sich das Psychogramm eines ganzen Dorfes, und nach und nach werden die unterschwelligen Konflikte spürbar, die schließlich dazu führen, dass der Held des Romans in der Psychiatrie landet und seine Erlebnisse aufschreiben muss. Und so erzählt der Gamal dann seine Sicht der Geschichte, seiner unverbrüchlichen Freundschaft zu der begnadeten jungen Sängerin Sinéad und ihrem Liebsten, dem Musiker James, die bereits in der Grundschule begonnen hat. Über den Ausgang der Geschichte, in der nebenbei bemerkt sehr viel (auch irische) Musik vorkommt, sei nicht zu viel verraten. Ciarán Collins, Jahrgang 1977, aufgewachsen in einem irischen Dorf, hat englische und irische Literatur studiert und unterrichtet als Lehrer an seiner ehemaligen Schule in Kinsale. Sein Erstling gilt in England als Debüt des Jahres. Ein sehr empfehlenswertes Buch.
Ulrich Joosten

Deutschland
 DER BLACK: Der Black singt
DER BLACK
Der Black singt
www.der-black.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 32:59


Das hat er geschickt eingefädelt, der Black: Einerseits will er es als Künstler natürlich vermeiden, auf verstaubten, mittlerweile allzu ausgelatschten Pfaden entlangzuwandern, andererseits wäre es sicher nicht klug, die alten – ja, es gibt sie noch – Schobert & Black-Fans zu verprellen. Sein aktuelles Album Der Black singt kommt in völlig neuem musikalischen Gewand daher, frei nach dem Motto: Der Hörer hat das Recht, nicht das zu bekommen, was er erwartet. Zur Begrüßung wird fröhlich losgerockt („Handwerk Adjöh“), es folgt „Am Strande gestrandet“ mit balladesk-maritimen Klängen, und das Protestlied „Da läuft was aus dem Ruder“ wird von feinstem New-Orleans-Jazz begleitet. Und auch eine Kreuzung aus Country-Rock und Karnevalssong („Dat hammer uns verdient“) muss man erst mal hinbekommen. Sogar Calypso-Rhythmen, Reggae und Rap gibt’s auf die Ohren. Die wirklich witzigen bis abgedrehten Texte stammen aus der Feder von Meistersatiriker Klaus De Rottwinkel, Meinolf Bauschulte sorgte für die abwechslungsreichen Arrangements und Der Black schrieb die Melodien. Die sparsam eingestreuten Limericks und natürlich vor allem Blacks unverändert klare, charismatische Stimme erinnern an selige Schobert-&-Black-Zeiten
Kai Engelke
 EPITAPH: The Acoustic Sessions
EPITAPH
The Acoustic Sessions
www.epitaph-band.de
(In-akustik INAK 9130 CD)
15 Tracks, 65:10 , mit Infos


Epitaph, die alten Krautrockhelden, folgen mit den Acoustic Sessions dem Unplugged-Trend alter Helden. Vergleiche mit den Scorpions drängen sich auf, die ja ebenfalls als Krautrockband starteten und mit einem akustischen Album den grausamen Tod durch Altersschwäche hinauszögern wollen. Epitaph machen auf ihrem Album jedoch alles richtig. Die Songs erklingen voller Spielfreude und so frisch, als wären sie explizit für dieses Album geschrieben. Der mehrstimmige Gesang erhält den Rockcharakter der Band. Man rückt durch die akustischen Varianten gefährlich nahe an die Gefilde von Crosby, Stills & Nash. Bluesnummern und Balladen wechseln einander harmonisch ab. Ob eine fesselnde Liveversion von „In Your Eyes“ mit Geige, ob „All Along The Watchtower“, jedes Experiment gelingt und sorgt für leuchtende Augen. Die Folkpuristen, die vielleicht noch nie Kontakt mit Epitaph hatten, erhalten mit den Acoustic Sessions ein bemerkenswertes Folkrockalbum, welches für sich steht. Es besteht nicht aus „alten Hits in neuen Schläuchen“, es ist also nicht nur für Fans interessant (die allerdings vor Glück weinen werden). Es ist eine der seltenen Veröffentlichungen, auf denen Neueinspielungen in der Lage sind, neue Hörer zu gewinnen. Willkommen im zweiten Frühling von Epitaph.
Chris Elstrodt

 NIELS FREVERT: Paradies der gefälschten Dinge
NIELS FREVERT
Paradies der gefälschten Dinge
www.nielsfrevert.net
(Grönland CDGRON138/Rough Trade)
Promo-CD, 10 Tracks, 35:28


Der Sänger der bereits 1996 wieder verblichenen Hamburger Kapelle Nationalgalerie hält einige Trümpfe in der Hand. Ungewöhnliche Themen wie den Anruf beim Freund in der Psychiatrie oder einen Unfall mit Komafolgen; das eher gewöhnlichere Ade an die oder den Ex – erschließt sich aus dem Text schlauerweise nicht – glänzt trotz Resignation durch wohltuenden Verzicht auf jegliche negative Energie. Im Ton, in dem er verhandelt, vergreift sich der Künstler nicht ein einziges Mal spürbar – inklusive eines „ha-ha-heilig“ im „Schwör“-Telefonat in die Anstalt, das knapp vor dem Kalauer doch genau das richtige Maß an Ironie aufbietet: „Bei allem, was dir …“ … genau – sehr witzig und sehr schön durchschaut den überkommen pathetischen Phrasenklassiker. Dazu tolle Musik: lakonisch entspannter, sanfter Singer/Songwriter-Pop und -Rock auf Gitarrengrundlage, überwiegend betont langsam, mit sehr gefälligen Melodien, Harmonien und Arrangements, gelegentlich opulent bis zur Orchesterstärke, Bläser und Streicher inklusive – das Promomuster gibt keinen Aufschluss darüber, ob echt oder synthetisch, klingt aber echt. Es kann ordentlich hineinziehen in dieses Album. Ein ausgesprochen angenehmes Gefühl.
Christian Beck
 IMPALA RAY: Old Mill Valley
IMPALA RAY
Old Mill Valley
de-de.facebook.com/ImpalaRay.music
(Redwinetunes/Rough Trade)
10 Tracks, 38:26


Wenn ein Album mit einer urigen A-cappella-Nummer vor einer zirpenden Grillengeräuschkulisse beginnt, kann das nur Gutes verheißen. Mit dem Debütalbum Old Mill Valley erfüllt sich Ideengeber und Gründervater der Band, Rainer Gärtner, einen Kindheitstraum und erweckt im bayerischen Altmühltal musikalisch die Wild-West-Atmosphäre, die er bereits als Junge in Cowboy- und Indianerspielen erkundet hat. Die Koordinaten sind so schlicht wie einleuchtend: Akustikgitarre, allerlei Hintergrundsounds aus den Bergen, feucht-fröhlicher Lagerfeuergesang, komplementäres Geplänkel auf Tuba, Cello und Ukulele sowie ein runtergetuntes Mastering. Zusammen mit der durchaus countrytauglichen Stimme Gärtners kommt dabei ein Album heraus, das den jugendlichen Übermut an endlosen Sommertagen ebenso in Töne fasst wie die dazugehörigen nachdenklichen späten Nächte. Impala Ray präsentieren sich hier als grundsympathische Truppe, zu der man sich am liebsten dazusetzen und dann lauthals mitsingen möchte.
Judith Wiemers

 SCHNAPS IM SILBERSEE: Jede Welt ist die Echte
SCHNAPS IM SILBERSEE
Jede Welt ist die Echte
www.schnapsimsilbersee.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 52:37 , mit dt. Texten u. Infos


Das ist wirklich eine kleine Überraschung: Brachte der Livekonzertbesucher die fröhliche Truppe Schnaps im Silbersee noch am ehesten mit den schrägen Monsters of Liedermaching und ihren eher derben Späßen in Verbindung, so stellt er beim Hören des soeben erschienenen Albums Jede Welt ist die Echte erstaunt fest, dass Schnaps im Silbersee auch ganz anders kann, nämlich ernst, nachdenklich und in die Tiefe gehend. Um Missverständnissen vorzubeugen: Gleichzeitig hat auch nach wie vor die leichte, pointierte Unterhaltung ihren Platz. Ein unerwartet breites Spektrum also. Umso besser! Da erweist sich die „Unglückliche Liebe“ als geeignetes Rezept gegen kreative Engpässe, und die aufmüpfigen Gallier sind auch nicht mehr das, was sie mal waren („Obelix“). Herrlich abgedreht die „MetamorpHose“ und richtig kuschelig wird’s beim Song „Winter“. Die Titelzeile stammt aus „Woran ich mich erinner“, ein anrührendes Stück eines Sohnes für seinen Vater, vom Enkel und seinen Freunden eingespielt. Klingt verwirrend, ist es aber nicht. Gitarrenaltmeister Klaus Weiland tritt in diesem Stück übrigens als Gast auf. Schön. So wie das gesamte Album.
Kai Engelke



Europa
 CICINATELA: Tungi
CICINATELA
Tungi
www.cicinatela.com
(Timezone TZ 203)
9 Tracks, 44:43


Georgische Lieder mit Balkaneinflüssen, gespielt von einer Band aus Osnabrück – wie tönt das? Fangen wir von vorne an: Die Konzertpianistin Natalia Vanishvili brachte neben flinken Händen die Lieder ihrer Heimat nach Deutschland und entdeckte dabei ihre Stimme. Mit dem balkanstämmigen Gitarristen und Udspieler Edin Mujkanovic, dem Bassisten Falk Ostendorf und dem Percussionisten Felix Holzenkamp fand sie drei ideale Begleiter für ihr Projekt, georgische Volkslieder dem deutschen Publikum näherzubringen. Wer bei Cicinatela, georgisch für „Glühwürmchen“, polyfonen Gesang und Balkanbeats erwartet, liegt falsch. Im Vordergrund steht der wunderschöne Gesang der meist traditionellen Stücke. Vanishvilis Stimme setzt aber auch jazzige und lautmalerische Akzente. Anspieltipps sind das Liebeslied „Nana“ oder das von filigranen Gitarrenklängen dominierte Instrumentalstück „Ojalá“ von Edin Mujkanovic. „Ojalá“, was auf Spanisch so viel wie „hoffentlich“ heißt, zeigt die Offenheit der Gruppe für Klänge fern jeglicher Stilschablonen aus den unterschiedlichsten Himmelsrichtungen. Ein spannendes, zeitlos schönes Album wie aus einem Guss.
Martin Steiner
 TOM McCONVILLE: Back To Scotswood
TOM McCONVILLE
Back To Scotswood
www.tommcconville.co.uk
(Eigenverlag BCCD004)
12 Tracks, 40:03 , mit kurzen engl. Infos


Moment mal, ist die richtige CD in der Lade? Gypsy Swing? Tom McConville? Genau, es ist der Meisterfiddler aus Newcastle, und er hat „The Knife Grinder“ sogar selbst geschrieben. Danach jedoch geht der Weg in vertrautes McConville-Territorium mit souverän interpretierten eigenen, fremden und traditionellen Tunes (siebenmal) sowie unnachahmlich gesungenen Songs (fünfmal) von Freunden wie Allan Taylor, Jim Hornsby oder Billy Mitchell. Oder man erhält die rare Gelegenheit, mit „Foxy“ ein selbst geschriebenes Lied zu genießen, natürlich in seinem typischen, irisch angehauchten, gediddelten und optimistisch-klingenden Gesangsstil. Bei der Instrumentierung verlässt sich McConville auf Leonard Brown (Piano), Chris Newman (Gitarre, Bass) und Andy Watt (Gitarre), die mit ihm in wechselnder Duobesetzung spielen. McConvilles ist der Überzeugung, dass Back To Scotswood sein bislang bestes Werk ist, und dem wird wohl niemand widersprechen. Dennoch haben viele seiner Freunde noch einen großen Wunsch: Ein Album in der wunderbaren Duobesetzung mit Jens Kommnick, am besten live aufgenommen beim Venner Folk Frühling!
Mike Kamp

 EMILY SMITH: Echoes
EMILY SMITH
Echoes
www.emilysmith.org
(White Fall Records WFRCD007)
10 Tracks, 41:14 , mit engl. Texten


Gereift, durchdacht und überzeugend, das sind die Adjektive, die zu Emily Smiths neuem Album einfallen. Durchdacht sind die Arrangements und die Produktion ihres Ehemannes Jamie McClennan. Da ist akustische Tiefe und Abwechslung drin, für die hauptsächlich ihre intelligente Band mit Matheu Watson (Gitarren), Signy Jakobsdottir (Drums, Percussion), Ross Hamilton (Bass) sowie McClennan (Gitarre, Fiddle) zuständig ist. Nicht zu vergessen sind jedoch hochklassige Gäste wie Jerry Douglas, Natalie Haas oder Tim Edey. Gereift ist die Stimme der Schottin. Gut singen konnte sie schon immer, doch nun strahlt sie gesangliches Selbstbewusstsein und eine Aura aus, die vermittelt: Genau so muss das Lied interpretiert werden! Ähnlich vielleicht wie Karine Polwart, aber es gibt noch einen kleinen Unterschied: Smith sieht sich als Interpretin feiner Songs entweder aus der Tradition (z.B. das dezent reggae-orientierte „King Orfeo“) oder von profilierten Schreibern wie Archie Fisher oder Darrell Scott. Und wenn am Ende das definitive Schlussstück erklingt, Bill Caddicks „John O’Dreams“, dann gibt es keinen Zweifel: Das ist bei weitem die überzeugendste Emily-Smith-Scheibe – bislang.
Mike Kamp
 RICCARDO TESI & BANDITALIANA: Maggio
RICCARDO TESI & BANDITALIANA
Maggio
www.riccardotesi.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 55:53


Wonnemonat Mai, Pariser Mai 1968, das Meer, Auswandern und die Hoffnung auf ein besseres Leben. Lieder über all das sowie fünf Instrumentalstücke findet man auf dem neuen Album des Toskaners Riccardo Tesi. Eröffnet wird der Reigen mit einem ruhigen Maigesang aus dem Apennin, geprägt von der weichen, einnehmenden Stimme des Gitarristen, Sängers und Texters Maurizio Geri. Darauf folgt das schnelle „Se Accomatto“, voll mit all dem, was Riccardo Tesis Stücke so spannend macht – Taktwechsel, asymmetrische Rhythmen und hochklassige jazzige Soloparts. Mit dabei sind wie meist auf Banditaliana-Alben eine Vielzahl auserlesener Gäste. Besonders hervorzuheben sind der junge Pianist Alessandro Lanzoni, der Geiger Gabriele Savarese, der sardische Lautenist Mauro Palmas und die albanische Blaskapelle Fanfara Tirana. Letztere intonieren mit der Banditaliana den Schlager „Rosamunda“. Das Balkanflair der Banda mag den Gassenhauer ein wenig auffrischen, doch wirkt er mit seiner wenig distanzierten Interpretation wie ein Fremdkörper unter elf Juwelen. Schade, dass die poetischen Texte der Lieder im Beiheft nicht abgedruckt sind. Maggio ist trotzdem auch allen nicht Italienisch Sprechenden wärmstens empfohlen.
Martin Steiner

 THISELL: I
THISELL
I
www.thisellmusic.wordpress.com
(Continental Song City CSCCD 1106/In-akustik)
8 Tracks, 35:20 , mit engl. Texten


Mit der Einsamkeit ist das so eine Sache: Mal liebt man sie, mal erleidet man sie. Vielleicht stellt sich in Schweden die Frage nach diesem Gefühl noch dringender – bei wenigen Menschen auf viel Land. Peter Thisell schwankt zwischen den Polen. Beginnt ein Stück wie „A Town Of Windows“ mit verhalltem Harmonium, kann es nicht von glücklicher Zweisamkeit handeln. Spielt in „Bad Time“ eine Pedal Steel in Dur, wird es so schlimm nicht sein, nein, hier ist die Einsamkeit selbst gewählt. Und wenn dann noch das Tempo anzieht, könnte möglicherweise was aus der Geschichte werden, hätte er denn den Mumm, ihr seine Liebe zu gestehen. Hat er in „Lay Here“ aber nicht. Jede Wette, dass dieses Album im tiefsten schwedischen Winter aufgenommen worden ist. Verhallt ertönen Akkordeon und Fiddle, eingebettet in schlurfendes Rock-Instrumentarium. Tatsächlich passierte das alles aber in einem Sommer in der alten Dorfschule von Lur in Südschweden, aufgenommen im ehemaligen Klassenzimmer. Wie auch immer: Bei der Session jedenfalls sind Neues und Traditionelles eine schöne Verbindung eingegangen. Und möglicherweise befreit die Sonne nicht von Melancholie, zumindest nicht in Südschweden.
Volker Dick
 TROLSKA POLSKA: {Moss}
TROLSKA POLSKA
{Moss}
www.facebook.com/trolskapolska)
(GO’ Danish Folk Music GO0814)
15 Tracks, 58:41 , mit dän. Infos


Der junge dänische Komponist und Fiddler Martin Seeberg hat dieses Projekt mit sechs noch jüngeren Musikern der dänischen/schwedischen Folkszene realisiert. Nach der 2013 veröffentlichten EP Moss liegt nun das ganze Debütalbum vor. Die Reise in das Land der Trolle und Elfen ist verbunden mit einer Hinwendung zu Polska, Melancholie, Mystik und Zauber, weg von der fröhlichen dänischen Polka. Die Vorlieben Seebergs, der bei Valraven, Asynje und Instinkt spielt und diese Gruppen auch sehr beeinflusst hat, kommen auch bei diesem Album zum Tragen: die Verbindung zur Neo-Pagan-Musik, zu der auch Gruppen wie Faun (D), Rapalje (NL) und Hedningarna (S) gehören. Allerdings ist dieser Stil hier als Würze zur „normalen“ Folkmusik zu sehen. Es sind also nicht nur heftige mittelalterlich klingende Stücke mit vollem Einsatz von Drehleier, Cello, Nyckelharpa und Trollgesang, wie bei „Rumpenisserne“ oder „Trolls United“, sondern auch sehr lyrische, wie „Spirrevippen“, „Nyføding“ und „Mæt Af Dage“, die überwiegend mit Fiddle/Bratsche bzw. Flöte im Vordergrund gespielt werden. Dieses Album ist fantastisch in jeder Beziehung: die Melodien, die Arrangements, die Instrumentierung, die Dynamik und der neue Klang.
Bernd Künzer

 VALFART: På Vej
VALFART
På Vej
www.valfart.com
(GO’ Danish Folk Music GO0514)
16 Tracks, 51:41


Es passt natürlich zur allgemeinen Förderung der Folkmusik in Dänemark (musikalische Frühförderung, Studiengang Folkmusik und die Danish Music Awards), und doch ist es hoch anzuerkennen, dass Erling Olsen, Inhaber des dänischen Labels GO’, es immer wieder schafft, Neues in der dänischen Folkszene zu entdecken und zu veröffentlichen. In diesem Folker sind fünf der sechs rezensierten skandinavischen Alben bei GO’ erschienen! Die neue Gruppe Valfart stellt hier ihr Debüt vor, dessen Basis ein Kirchentheaterprojekt über eine Pilgerwanderung von der Insel Mors im Limfjord ist. Es sind drei junge, aber schon von anderen Projekten her bekannte Musikerinnen, die sich um den Multiinstrumentalisten (unter anderem Hardangerfiedel), Komponisten und Arrangeur Christian Risgaard (geb. 1950) versammelt haben: Mette Jensen (Akkordeon), Johanne Andersen (Flöte und Gesang) und Birgit Løkke (Percussion und Joik). Bis auf „Flickorne Svenson“ sind alle Stücke von Risgaard komponiert und arrangiert. Das meiste sind dänische Tänze und Psalmen, aber es gibt Ausflüge auf den Balkan, in den Mittleren Osten, nach Amerika und mit Joik in den hohen Norden. Die klare Stimme von Andersen muss unbedingt besonders erwähnt werden.
Bernd Künzer
 VOLGA: Kumushki Pjut
VOLGA
Kumushki Pjut
www.volgamusic.ru
(Asphalt Tango Records CD-ATR-4814)
11 Tracks, 46:48


In Russland gibt es eine lebendige Paganszene. Zwischen Heidentum, Nationalismus und Folklore finden Hunderte von Bands ihre Nische, mit den unterschiedlichsten musikalischen und politischen Anliegen und Fähigkeiten. Punk, Folk, Liedermacher, Gothic, Avantgarde, Industrial – russische Paganmusiker bedienen sich hemmungslos aus allen Töpfen. Die Unverkrampftheit der Musiker wird allerdings auch oft von Unvermögen begleitet, seien es fehlende finanzielle Mittel für eine saubere Produktion, sei es musikalisch dünnes Eis. Das Resultat ist deshalb oft interessant und macht neugierig, hinterlässt aber einen schalen Nachgeschmack, vielleicht wie ein Gericht eines Spitzenkochs auf einem Pappteller. Eine dieser Paganbands hat nun auch den Sprung nach Deutschland geschafft. Volga, das ist die russische Sängerin Anzhelika Manukyan, begleitet von einer Rhythmussektion und einer Stromgitarre. Die russischen Lieder sind, so die Künstlerin, allesamt „ancient“. Die Musik allerdings klingt nach Schülerband. Einfache Drum-’n’-Bass-Rhythmen treffen auf Proberaum-Metalriffs. Die Sängerin kann nach eigenen Angaben besser krächzen als singen, aber es geht um die Verbreitung der alten russischen Traditionen im Lied. Bedauerlicherweise enthält das Booklet keine Texte, geschweige denn eine Übersetzung, sodass die politische Aussage der Band im Verborgenen bleibt. Musikalisch verbleibt eine schöne Idee, aus der die Band mehr hätte machen müssen.
Chris Elstrodt

 WEST OF EDEN: Songs From Twisting River
WEST OF EDEN
Songs From Twisting River
www.westofeden.com
(West of Music)
12 Tracks, 48:57 , mit Fotos, engl. Infos u. Texten


Der Herbst kommt. Der Herbst des Jahres, des Lebens, der Liebe. Nicht nur die Fotos auf der Hülle und im Beiheft bringen diese Botschaft, sondern auch die Texte: Sie sind voller Schmerz wegen verlorener Liebe, voller Abschied, voller sehnsuchtsvoller Erinnerungen: „Once I was a lighthouse, / shining miles and miles around. / Now I’m like the ashes of a fire“, heißt es in dem Lied „Tumbleweed“, in dem Jenny Schaub vom Fall aus einer Liebesillusion heraus in eine Wirklichkeit der Lüge und der Einsamkeit singt. Man mag an Rilke denken. Text und Melodie sind indes von ihrem Mann Martin, so dass man hier wohl zwischen lyrischem Schmerz und einer doch glücklichen Musikerpartnerschaft unterscheiden darf. Die sechsköpfige Band aus dem schwedischen Göteborg übermittelt zusammen mit fünf Gastmusikern, darunter Michael McGoldrick, ihre herbstlichen Botschaften im Gewand volltönender, moderner Irish-Folk-Pop-Musik mit einem kräftigen Schuss Bluegrass, und zwar alles selbst geschrieben und -komponiert. Die Instrumente, auf denen eine spannende, vielschichtige, oft vorwärtstreibende Musik dargeboten wird, alle aufzuzählen, würde den Platz der Rezension sprengen, aber die drei Banjos müssen erwähnt werden.
Michael A. Schmiedel



International
 ROSEMARY STANDLEY/DOM LA NENA: Birds On A Wire
ROSEMARY STANDLEY/DOM LA NENA
Birds On A Wire
www.moriartyland.net
www.domlanena.com
(Air Rytmo/broken silence)
15 Tracks, 56:40 , Booklet mit Texten


Dies ist die Zusammenarbeit der Sängerin Rosemary Standley und der Cellistin Dom La Nena. Standley singt normalerweise in der frankoamerikanischen Rootsband Moriarty. Die Brasilianerin Dom La Nena hatte 2013 ein erstes Soloalbum mit eigenen Songs veröffentlicht. Auf dem gemeinsamen Album Birds On A Wire finden sich keine Eigenkompositionen, sondern fremde Stücke und wenige Traditionals. Am bekanntesten ist „Bird On A Wire“ von Leonard Cohen, nach dem auch das Album benannt wurde. Die Vielfalt des Materials ist groß und reicht von Tom Waits über den Barock-Komponisten Henry Purcell bis zum Argentinier Atahualpa Yupanqui. Vielleicht ist die Bandbreite etwas zu groß, um ein stimmiges Gesamtbild zu ergeben. Erstaunlich ist, dass Rosemary Standley, deren warme intensive Stimme sonst immer so viel Souveränität ausstrahlt, bei manchen Songs eher tastend, ja zögerlich wirkt. Dagegen zupft und streicht Dom La Nena das Cello ohne Schwächen und schafft so Arrangements von anrührender Schönheit. Das Album ist auf Moriartys Bandlabel Air Rytmo erschienen und aufwendig gestaltet. Allerdings schielt das opulent illustrierte Büchlein mit beigelegter CD fast etwas zu offensiv auf den Einsatz als Geschenk.
Christian Rath



Lateinamerika
 ADDYS MERCEDES: Locomotora A Cuba
ADDYS MERCEDES
Locomotora A Cuba
www.addysmercedes.com
(Medialuna 803433001126)
12 Tracks, 46:12 , mit span. Texten


Vom ersten Ton an zieht einen die gefühlvolle, leicht melancholische Stimme der Kubanerin Addys Mercedes in ihren Bann. Schon als sie zehn Jahre alt war, rief man ihr in ihrer Heimat hinterher: „Da ist die Sängerin.“ Damals beherrschte sie vor allem das klassische Repertoire von Sons und Boleros. Als junge Frau verließ sie 1993 ihre Heimat und zog nach Deutschland. Der europäische Einfluss ist aus ihrer Musik längst nicht mehr wegzudenken: Zwar verleugnet Addys Mercedes ihre Wurzeln nicht, bewegt sich aber weitab von musikalischen Kubaklischees und kreiert dabei ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Stil. In ihren Songs erzählt sie Geschichten aus dem Alltag – vom Mann, der mit einem Schwein das Zugabteil betritt („Locomotora A Cuba“), vom Betrunkenen, der ins Wasser fällt und von der Freude, in ihrem alten kubanischen Stadtviertel mit den Freunden ihrer Jugend gemeinsam zu singen („Ahí“). Begleitet wird sie dabei musikalisch von ihrem Lebensgefährten, dem Bassisten, Gitarristen und Percussionisten Cae Davis, „Adoptivonkel“ Pomez di Lorenzo, der für Ukulule und Tres zuständig ist, und ihrer dreizehnjährigen Tochter Lia, die mit ihrem Geigenspiel die Familienband komplettiert.
Suzanne Cords



Nordamerika
 KAT DANSER: Baptized By The Mud
KAT DANSER
Baptized By The Mud
www.katdanser.com
(Eigenverlag/Outside Music)
12 Tracks, 47:55 , mit engl. Texten u. Infos


Das bereits fünfte Album der Gitarristin und Sängerin schlägt einen großen Bogen über Folk, Blues, Gospel und Soul. Kat Danser komponiert genial und kann auch mit je einem Cover von Gertrude Ma Rainey, der „Mutter des Blues“, und der Deltablueslegende Mississippi Fred McDowell voll überzeugen. Als „Queen of the Swamp Blues“ hat sie in den letzten fünf Jahren den allerbesten Ruf erworben, dank ihrer Spielsicherheit und Frische ist sie allen Größen wie etwa Bonnie Raitt oder Rory Block ebenbürtig. Der Begleitband, mit der sie die sensationelle Scheibe im kanadischen Vancouver aufnahm, gehören Gitarrist und Produzent Steve Dawson, Pianist Darryl Havers, Schlagzeuger Geoffrey Hiehs, Bassist Jeremy Holmes und die Backgroundsänger Dawn Pemberton und Marcus Mosely an. Was dabei herauskam, ist die Musik des 21. Jahrhunderts – und mein Tipp des Jahres.
Annie Sziegoleit
 ROBBY HECHT: Robby Hecht
ROBBY HECHT
Robby Hecht
www.robbyhecht.com
(Old Man Henry Records)
Promo-CD, 12 Tracks, 44:20


Ein echter American Songwriter unsere Zeit – mit besten Retroqualitäten. Robby Hecht, der junge Mann aus Tennessee, lässt den amerikanischen Siebzigerjahre-Akustikpop hochleben. Sanfte Melodien und sichere Arrangements voll von diskretem Glamour, verspielten Kleinigkeiten – hier und da sind eine Geige, ein Klavier, etwas Saxofon, einige Akkorde Banjo oder eine Pedal Steel im Hintergrund zu hören. Das ist Musik wie Wellness gegen Lärm und Hektik. Die Texte haben es in sich: In den zwölf Songs beschreibt Hecht unter anderem Erfahrungen aus seinem Leben, die mitunter nicht zu den lustigsten gehören: In „Feeling It Now“ geht es um das Krankheitsbild manische Depression. Und es gibt Balladen wie „Barrio Moon“, die eine Geschichte von sich gegenseitig erstechenden Freunden erzählt. Hecht, der viele Freunde in der Nashville-Songwriter-Szene hat, zählt zum Trio der „New American Troubadours“, die in diesem Sommer Europa eroberten – nicht seine erste Europatour. Er könnte hier dem einem oder anderen schon zuvor in Begleitung von Neko Case, Josh Ritter oder Iron and Wine begegnet sein.
Imke Staats

 PACIFIKA : Amor Planeta
PACIFIKA
Amor Planeta
www.pacifikaonline.com
(Six Degrees 657035 120525/Exil/Indigo)
10 Tracks, 42:50


Globalpop aus Kanada – und das vom Allerfeinsten. Sängerin Silvana Kane hat peruanische Wurzeln, gibt mal die Elfe und mal das Girlie und singt sowohl auf Spanisch als auch auf Englisch. Mit Jugendfreund Adam Popowitz hatte sie in der Schule ihre erste eigene Band, 2004 kreuzten sich ihre Wege erneut. Adam hatte mittlerweile den Hardrock für sich entdeckt, Silvana eher den Maintreampop. Die beiden holten Klangtüftler Tony Peter an Bass und Schlagzeug mit ins Boot und gründeten Pacifika. Mühelos schafft das Trio die Balance zwischen hispanischer Lebensfreude und nordamerikanischem Elektroniksound. Kein Stück klingt wie das andere, jeder Song ist für eine Überraschung gut. Mal gibt sich das Keyboard sphärisch-verträumt, dann kreischt die Gitarre oder Gastmusiker überraschen mit Trompetenklängen und Brasilienflair. Inhaltlich geht es, wie der Titel Amor Planeta verspricht, um die Liebe in all ihren Facetten. Das vierte Album des kreativen Trios kommt weniger elektronisch als die Vorgänger daher, wartet stattdessen mit noch mehr ungewöhnlichen Klangexperimenten auf. Da kann man sich gar nicht satthören.
Suzanne Cords
 SEAN ROWE: Madman
SEAN ROWE
Madman
www.facebook.com/seanrowemusic
(Anti Records7324-2a /Indigo)
Promo-CD, 12 Tracks, 47:03


Balladesk legt das musikalische Raubein Sean Rowe auf seinem neuen Album los. Wie ein Wahnsinniger klingt er dabei nicht, eher zerbrechlich, verstört. In den nachfolgenden Songs führt Madman eine reichhaltige Mischung aus Soul, Folk, Country und Western, ja sogar grobschlächtigem elektrischen Blues, vor. Diese Vielfalt ist der Reichtum, aus dem Sean Rowe einen Brei anrührt, der unverfälscht und urwüchsig klingt. Zwar begann der New Yorker erst mit achtundzwanzig Jahren öffentlich aufzutreten, doch schrieb er da bereits seit zwanzig Jahren eigene Songs, nur eben für sich, privat, aus Spaß und eher nicht mit einer Musikerkarriere im Kopf. Erst nachdem er Otis Redding im Radio gehört hatte, fand er das Selbstvertrauen, seine eigenen Songs auch öffentlich singen zu wollen. Was sicher an seiner eigenartigen Stimme liegt, die vom Ton her ein wenig an die des späten Tom Waits erinnert. Dessen verschrobener elektrischer Blues klingt auch immer wieder als Einfluss auf diesem Album durch, ebenso wie Bruce Springsteen, den Rowe nach wie vor für einen der wichtigsten Songschreiber der Gegenwart hält.
Michael Freerix

 TIM SPARKS: Chasin’ The Boogie
TIM SPARKS
Chasin’ The Boogie
www.timsparks.com
(Acoustic Music Records 319.1519.2/Rough Trade)
12 Tracks, 41:20 , mit engl. Infos


Tim Sparks, Fingerstylegitarrist aus North Carolina, gehört zu den interessantesten Künstlern seiner Zunft. Mit Chasin’ the Boogie tritt Sparks eine Heimreise an. Im Booklet schildert er ausführlich seine Erinnerungen an eine Kindheit, die er musikalisch auferstehen lässt. Eine Zeit, die von Blues, Boogie, Ragtime und Gospeltunes geprägt ist. Sparks ist gleichermaßen Musiker wie Forscher. Dingen, die ihn musikalisch anrühren, geht er äußerst akribisch auf den Grund. Neben der bemerkenswerten Transkription der „Nussknacker-Suite“ von Tschaikowsky, hat er sich in den vergangenen Jahren unter anderem der Musik des Balkan oder dem Avantgardeklezmer eines John Zorn gewidmet. Unglaublich transparentes Spiel und gleichzeitig druckvoller Ton sind Sparks Markenzeichen. Technische Hürden scheint es keine zu geben, ob er nun das Feeling des Boogie-Pianos eines Pinetopp Smith einzufangen versucht oder in „Reckless Persuasion“ spät nachts den mondbeschienenen Highway herunterrast. Auch dem Beatles-Evergreen „Blackbird“ oder Joni Mitchells wunderbarem „Both Sides Now“ verleiht Sparks unerhörten, neuen Glanz. Man hört den Musiker atmen, stöhnen, summen und scheint einer Live-Performance beizuwohnen. Sparks vereint Virtuosität, Musikalität und Intelligenz aufs Schönste.
Rolf Beydemüller
 JONAH TOLCHIN: Clover Lane
JONAH TOLCHIN
Clover Lane
www.jonahtolchin.com
(YepRoc Records YEP-2364/Cargo Records)
Promo-CD, 11 Tracks, 40:49


Es klingt, als ob im nächsten Moment ein Bluesgewitter loslegte, doch zur Basstrommel gesellt sich eine Fiddle, was Hoffnung auf ein Tänzchen weckt, wenn auch ein trauriges. Aber knurrige E-Gitarre und Mundharmonika ziehen uns wieder in den Blues, die Fiddle schiebt ein wildes Solo ein und eine eigentümliche, leicht näselnde Stimme stellt klar: „Mockingbird don’t sing no more.“ So beginnt Jonah Tolchins zweites Album, sein erstes mit kompletter Band, aufgenommen in Nashville, produziert von Lone-Justice-Mann Marvin Etzioni. Dem Opener lässt der Mann aus Bar Harbor im US-Bundesstaat Maine das positiv beschwingte „Midnight Rain“ folgen, jedoch steht der Countryshuffle in Kontrast zum Textinhalt: Der Erzähler fragt sich, ob er die Frau wirklich liebt und man spürt – so recht will er die Antwort gar nicht wissen. Zwei Stücke später erklingt mit „Diamond Mind“ eine wundervolle Ballade, wer hätte das gedacht? Aber natürlich lauern auch hier hinter der schönen Melodie Tod und Verderben. Tolchin gehört zu den Meistern der Langsamkeit, verwebt Blues, Folk und Country in ein atmosphärisches Ganzes und schafft es in elf Songs, tief zu schürfen und uns berührt zurückzulassen.
Volker Dick

WIEDERVERÖFFENTLICHT
 SPIERS & BODEN: Through & Through
SPIERS & BODEN
Through & Through
www.spiersandboden.com
(Fellside FECD161)
14 Tracks, 65:14


Juli 2001: Drei Tage im Studio und das Debütalbum war quasi live eingespielt. Während Spiers & Boden sich zu einem erfolgreichen Duo entwickelten, ist es ihre Kreation Bellowhead, die ihnen nun erfolgreich die Zeit frisst. Also befindet sich das Duo auf Abschiedstour, und die Wiederveröffentlichung ihres Debüts ist eine willkommene Erinnerung an ihre Qualitäten.




MUSIK FÜR KINDER
 DIVERSE: The Rough Guide To Latin Music For Children
DIVERSE
The Rough Guide To Latin Music For Children
www.worldmusic.net/latinchildren
(World Music Network RGNET1321CD/Harmonia Mundi)
Promo-Do-CD, 24 Tracks, 138:19


Extra für Kinder soll dieses Album sein, weil es in dem einen oder anderen Song um Hexen, eine Reise zum Mond, einen Zug, wilde Tiere oder einen treuen Hund geht. Ziemlich an den Haaren herbeigezogen ist dieser Bezug, aber zum Abtanzen ist das Album mit namhaften Interpreten allemal gut – egal, wie alt man ist.




Afrika
 SALLY NYOLO: Tiger Run
SALLY NYOLO
Tiger Run
www.sallynyolo.com
(Riverboat Records TUGCD 1085)
10 Tracks, 38:14 , mit engl. Infos


Tiger in Afrika? Schlüssig ist Nyolos Erläuterung für den Titel des nunmehr achten Soloalbums nicht: Ihr bürgerlicher Familienname soll „Tochter der Schnurrhaare des Tigers“ bedeuten! Jedenfalls verdeutlicht diese Symbolik die Verbundenheit der Künstlerin zu Kameruns Fauna und Flora. Sie appelliert an die Hörer, ein offenes Ohr für die Geräusche und Klänge der Umwelt, zum Beispiel der Wälder, zu haben. Das Spektrum der vornehmlich selbst komponierten Songs ist breit, reicht vom landestypischen Bikutsi über die von Zap Mama her bekannte Vokalakrobatik (im Opener „Bidjegui“) zur Francopopballade des Titelstücks. Das Gros der Stücke ist eingängig und gut tanzbar, von Soukous, Funk und Afrorock inspiriert. Die raffinierten Arrangements (Highlight: „Welcome“) lassen selten Langeweile aufkommen, die von Nyolo selbst verantwortete Produktion wirkt nie überladen, trotz des Großeinsatzes an Studiomusikern (darunter Jazzdrummer Paco Séry und Percussionist Jo N’Gala). Es mag ihr Herzenswunsch gewesen sein, mal mit einer Opernsängerin zusammenzuarbeiten – das an sich reizende „Le Faiseur De Pluie Par Tous Les Temps“ wird durch die „Einlagen“ der Sopranistin Nathalie Leonoff aber eher zur Lachnummer!
Roland Schmitt
 SIERRA LEONE’S REFUGEE ALL STARS: Libation
SIERRA LEONE’S REFUGEE ALL STARS
Libation
sierraleonesrefugeeallstars.com
(Cumbancha CMB-CD-30)
12 Tracks, 47:47 , mit engl. Infos u. Übers.


Schon sehr bemerkenswert, was sich aus einer eher zufällig zusammengewürfelten Band inzwischen entwickelt hat. Die beiden „Köpfe“ der All Stars, Sänger und Songwriter Reuben M. Koroma und Gitarrist Francis „Franco“ John Langba, fanden nach der Flucht aus ihrem im Bürgerkrieg versinkenden Heimatland Ende der 1990er-Jahre in einem guineischen Flüchtlingslager zusammen, bevor sich weitere Musiker, Sänger und Sängerinnen anschlossen. Seit ihrem Debütalbum (2006) erlebt die Band eine sensationelle Karriere, gefeierte Konzertreisen und mit Preisen ausgezeichnete Alben sowie intensive Kontakte zu Stars der internationalen Pop- und Rockszene (unter anderem zu Aerosmith [!]). Ihrem sehr breit gefächerten Musikmix aus eingängigem Reggae, Afrofunk und -beat sowie Soukous bleibt das Septett auch auf seinem vierten Opus treu. Aber es ist auch ein bewusst vollzogener Schritt „back to the roots“, zu Highlife und Palmweinmusik. Keine überfrachteten Arrangements, aber weiterhin melodische, meist tanzbare Songs, die gleichwohl aussagekräftige und kritische Textinhalte transportieren. Der Albumtitel erinnert an die in vielen afrikanischen Kulturen gebräuchlichen Trinkzeremonien, mit denen geliebte Menschen geehrt werden.
Roland Schmitt

Besondere
HÜSCH!
Bann dr Morche grauit
www.songs-of-heimat.de
(Soul Folk Records)
11 Tracks, 39:56 , mit Infos


„Hüsch!“, sagt man im Thüringer Dialekt, wenn etwas von besonderer Güte ist. Skepsis scheint angebracht, wenn sich eine Band selbstbewusst einen solchen Namen gibt. Insbesondere, wenn das Booklet vermerkt, dass das Debütalbum sattsam bekannte Lieder enthält. Darunter solche, die man schon tausendmal gehört hat, beispielsweise „Es geht eine dunkle Wolk herein“ oder das Lied vom kleinen „Waldvögelein“. Doch dann legt man die Scheibe in den Player und nach einem gefühlvollen Klavierpräludium setzt Hanna Flocks Ausnahmestimme ein, ein warmer, ausdrucksstarker Alt, mit der ersten Strophe von „Kein schöner Land in dieser Zeit“. Ihre eigenwillige und ungemein geschmackvolle Phrasierung verursacht Gänsehaut. Im linken Kanal erklingt sodann ein treibender  HÜSCH!: Bann dr Morche grauit Rhythmus auf der Waldzither, rechts kommt das Banjo hinzu, zunächst im Call-and-Response mit dem Klavier, dann unisono, ehe sich die Violine mit einer zweiten Stimme darüberlegt. Es kommt eben darauf an, was man aus den bekannten Liedern macht. Bereits mit dem zweiten Lied zeigt das Quartett, dass es mehr kann als gefühlvolle Balladen: groovende, treibende Akkordarbeit, vielstimmige Jodler, die eher nach Blue Yodel und Fiddle-Potatoes, mehr nach Appalachen denn nach deutscher Geigentradition klingen. Flock ist offenbar nicht nur eine exquisite Sängerin und Pianistin, sondern auch eine geniale Arrangeurin, der drei Herren zur Seite stehen, die allesamt gute Sänger und Könner auf der sonst eher selten gehörten Waldzither sind, genauer gesagt der Thüringer Variante dieses Instruments. Außerdem spielen Nico Schneider Banjo, Gitarre und Maultrommel, Tim Liebert Flöte und Joachim Rosenbrück Violine, Gitarre und Maultrommel. Passend zum lokalen Bezug der Waldzither haben sie weniger bekannte Dialektlieder und Instrumentalstücke aus ihrer Heimat gesucht und sie mit den bekannten hochdeutschen Liedern zu einer Mischung zusammengefasst, die auch außerhalb ihrer Region ausgezeichnet funktioniert. Von besonderer Güte? Allerdings. Das Hüsch!-Debütalbum ist eine der schönsten Deutschfolkplatten der letzten Jahre. Einen Kritikpunkt gibt es indes: Sie ist mit nur knapp vierzig Minuten viel zu kurz.
Ulrich Joosten



Bücher
 WERNER HINZE [Hrsg.]: Dörrgemüse, trocken Brot, Marmelade, Heldentod : Der Erste Weltkrieg im Spiegel seiner Lieder.
WERNER HINZE [Hrsg.]
Dörrgemüse, trocken Brot, Marmelade, Heldentod : Der Erste Weltkrieg im Spiegel seiner Lieder.
(– Rom OT Lancken : Tonsplitter-Verl., 2014. – 144 S. : mit zahlr. Abb. – (Liede)
ISBN 978-3-936743-12-8 , 19,50 Euro


Liedersammlungen zum Thema Krieg sind leider noch immer aktuell, in diesen Jahren, wo sich die beiden Weltkriege jähren (hundert Jahre Ausbruch des Ersten, siebzig Jahre Ende des Zweiten) besonders. Für alle Gedenkveranstaltungen, für lebendigen Geschichtsunterricht, öffentliches und innerfamiliäres Erinnern und viele andere Anlässe ist Hinzes gründlich recherchierte Sekundärquelle, die sachlich und doch unterhaltsam bildet, dringend zu empfehlen, insbesondere, um falscher Heldenverehrung entgegenzuwirken. In seinem Vorwort schreibt Hinze: „Vergangenheitsbewältigung ist wichtig, um daraus zu lernen. Doch erinnern wir uns auch an unsere positiven Traditionen, um daraus Visionen zu entwickeln.“ Die positiven Traditionen stellt er klar heraus, ohne Polemik und hoffentlich auch für Mitglieder von Krieger- und Veteranenvereinen akzeptabel: Es ist die Bewusstseinsentwicklung der Soldaten im Spiegel ihrer Lieder von Kriegsjahr zu Kriegsjahr, von jubelnder Zustimmung bis zu entschiedener Ablehnung, von freiwilligem Melden bis zur Desertion, von Fanatismus zu Friedenssehnsucht, von Militarismus zu Pazifismus. Hinze macht am Beispiel des Ersten Weltkrieges die generelle Sinnlosigkeit des Krieges, die Zerstörung menschlicher Grundwerte der Frontsoldaten und das Erleben ihrer Angehörigen zu Hause, an der sogenannten Heimatfront, bewusst und emotional nacherlebbar.
Der Kriegsalltag steht im Zentrum seiner Dokumentation: Sorgen und Ängste, ihre Bewältigung und ihr Ausdruck im Lied. Auf kriegsverherrlichende Lieder hat Hinze bis auf Ausnahmen verzichtet. Diese wirken extrem kontrastierend und entlarven staatliche wie kirchliche Propaganda und deren Nutznießer. Das weckt noch mehr Unverständnis darüber, dass immer wieder „Ewiggestrige“ nachwachsen, die solche Lieder grölen, nach Revanche gieren und damit Krieg schüren. Dörrgemüse … geht durch Einbeziehung vieler kulturhistorischer und soziologischer Aspekte weit über ein Liederbuch hinaus. Ein wichtiges, empfehlenswertes Buch.
Kay Reinhardt
 JOHN COHEN: Here And Gone – Bob Dylan, Woody Guthrie & The 1960s / Photographs by John Cohen
JOHN COHEN
Here And Gone – Bob Dylan, Woody Guthrie & The 1960s / Photographs by John Cohen
(– Göttingen : Steidl, 2014. – 152 S.)
ISBN 978-3-86930-604-9 , 38,00 Euro


Der Musikologe, Fotograf und Filmemacher John Cohen war Gründungsmitglied der New Lost City Ramblers, einer der wichtigsten Musikgruppen des US-Folkrevivals. In den 1960er-Jahren machte er eine ganze Serie von Fotografien von Woody Guthrie und Bob Dylan nach dessen Ankunft in New York. Die in Here And Gone daraus zusammengestellten Bilder dokumentieren einen wichtigen Moment der Folkmusikgeschichte der USA. Stehen die intimen Aufnahmen aus den letzten Lebensjahren Guthries sozusagen für das Ende einer Phase, zeigen die frühen Fotos von Bob Dylan das neue „Gesicht“ der Folkmusik. Die Porträts dieser beiden Künstler aus den Sechzigerjahren werden ergänzt um Fotos, die das musikalische Treiben jener Zeit nicht nur am Washington Square, in der MacDougal Street und in Cohens Appartement illustrieren, sondern auch das Geschehen an der Westküste mit Aufnahmen unter anderem von Jerry Garcia. 1970, als Bob Dylan schon weltweit bekannt war, bat er John Cohen, ihn auf den Straßen im New Yorker Stadtteil Greenwich Village und auf einer Farm im Bundesstaat New York zu fotografieren. Dylans Management gab Cohen die Dias nie zurück. Einige wurden für die Gestaltung von Dylans 1970 erschienenem Album Self Portrait verwendet. Zahlreiche mehr finden sich jetzt im Booklet des als Volume 10 in der Reihe Bootleg Series veröffentlichten CD-Deluxe-Boxsets Another Self Portrait (1969-1971). Quasi als Anhang sind in Here And Gone drei Gespräche abgedruckt, die John Cohen, Bob Dylan und Happy Traum 1968 führten. Dabei geht es unter anderem um Filme, Gedichtkunst und Sprache sowie das Verhältnis von Rock ’n’ Roll zu Folkmusik.
Michael Kleff

 JENS KOMMNICK: Celtic Fingerstyle in DADGAD.
JENS KOMMNICK
Celtic Fingerstyle in DADGAD.
www.acoustic-music.de
(– Osnabrück : Acoustic Music, 2014. – 56 S. : überw. Noten u. TAB + DVD. – (G)
ISBN 978-3-945190-00-5, ISMN 979-0-700307-56-1 , 19,80 Euro


Jens Kommnick ist einer der arriviertesten Vertreter der keltischen Gitarre. Im Jahr 2012 wurde er als erster und bisher einziger Deutscher in Irland für sein Gitarrenspiel mit dem Titel All Ireland Champion ausgezeichnet. Nun gibt er sein Wissen in einem Lehrbuch für die populäre „keltische“ Gitarrenstimmung DADGAD weiter. Es umfasst zwanzig im Schwierigkeitsgrad von leicht bis mittelschwer ansteigende Übungen. Hinzu kommen ebenso viele Arrangements von traditionellem Material und Eigenkompositionen. Zusätzliche musikgeschichtliche Hintergrundinformationen, Einblicke in allgemeine musiktheoretische Grundlagen und praktische Akkorddiagramme runden das Werk ab. Zunächst führt Kommnick schrittweise an die grundlegenden Charakteristika der keltischen Stimmung und die Eigenheiten der Spieltechnik heran. Dann beschäftigt er sich mit Verzierungstechnik (Pull-off, Hammer-on, Slide), Tonleitern, Harfenimitation, Cuts und Grace Notes, Trillern und Triplets. Im zweiten Teil lernt man, die neu erworbenen Fähigkeiten in zwanzig sehr schönen Fingerstylearrangements anzuwenden. Sämtliche Übungen und Spielstücke sind in Notensystemen mit darunterstehender Tabulatur abgedruckt. Dass Kommnick nicht nur ein großartiger Gitarrist, sondern auch ein hervorragender Pädagoge ist, zeigt die beigelegte DVD. Sympathisch und zugleich anschaulich stellt er die Stücke vor, geht motivierend auf die jeweiligen Besonderheiten ein und demonstriert, wie man die schwierigen Stellen meistert. Es macht einfach Spaß, von Jens Kommnick als persönlichem Lehrer auf dem Fernseh- oder Computerbildschirm zu lernen. Viel besser kann man einen solchen DADGAD-Kurs kaum machen.
Ulrich Joosten
 NIGEL BOULLIER: Handed Down : Country Fiddling and Dancing in East and Central Down.
NIGEL BOULLIER
Handed Down : Country Fiddling and Dancing in East and Central Down.
www.ancestryireland.com
(– Belfast : Ulster Historical Foundation, 2012. – XV, 525 S. : mit zahlr. Ill)
ISBN 978-1-908448-51-4 , 24,99 brit. Pfund


„Near Banbridge Town in the County Down …“ – diese Textzeile aus „Star Of The County Down“ kennt wohl jeder Leser dieses Magazins. Doch viel mehr hat man meist in Sachen Musik nicht von Down gehört. Nigel Boullier, selbst Bewohner der nordirischen Graftschaft, möchte dies ändern. Mit seinem über fünfhundert Seiten umfassenden Werk hat er einen guten Schritt in diese Richtung getan. Er zeigt in zahlreichen Porträts von Musikern die Vielfalt der Geigentradition der Region. Aufgeteilt in kleine geografische Einheiten kann der Leser so einen guten Überblick über das Musikgeschehen bekommen; ob unionistisch oder nationalistisch, beide Kulturen kommen gleichberechtigt vor. Neben biografischen Angaben zu den Geigern gibt es haufenweise Noten von Stücken aus deren Repertoire. Schnell wird deutlich, dass die Übermacht der Reels, die sonst in der traditionellen irischen Musik vorhanden ist, nicht für Down gilt. Hier finden sich häufig in Irland eher seltene Rhythmen in den Repertoires der lokalen Musikgrößen. Woran das liegt? Offensichtlich an einer über die Zeiten hinweg ganz engen Verknüpfung von Tanz und Musik, die sonst auf der grünen Insel nicht immer so eng war. Damit der Leser diese ganzen Informationen gut einordnen kann, gibt Boullier zu Beginn des Buches einen Überblick über die traditionelle Musik Irlands und deren Verbindung zur Tanzkultur. In dieser Weise ist das eine besonders gute Aufstellung und empfiehlt sich für jeden, der etwas über die Hintergründe erfahren möchte. Damit gelingt es dem Autor, seinem Buch einen breiteren Ansatz zu geben und für weitere Lesergruppen interessant zu machen. Auf fast jede Frage, die man in Bezug auf die Verbindung von Musik und Tanz in Irland haben könnte, gibt es Antworten. Und damit auch Tänzer nicht zu kurz kommen, gibt es zahlreiche Anleitungen für die erwähnten Tänze. Ein wirklich empfehlenswertes Werk, für Musiker, Tänzer, aber auch für musikethnologisch und politisch interessierte Menschen.
Sabrina Palm

 NIGEL SCHOFIELD: Fairport by Fairport.
NIGEL SCHOFIELD
Fairport by Fairport.
www.rocket88books.com
(– London : Rocket 88, 2013. – 423 S. : mit Fotos.)
ISBN 978-1-906615-48-2 , 29,99 brit. Pfund


Sind sie nun die größte Folkrockband der Welt oder nicht? Mit Fairport-Fans kann man diese Frage ähnlich einem Naturgesetz kaum diskutieren. Tatsache ist: Viele Autoren haben versucht, das Phänomen Fairport Convention in mehr oder weniger tief schürfenden Büchern zu ergründen. Nigel Schofield unternimmt nichts dergleichen, er lässt Fairport schlicht erzählen wie es war. Jedes Kapitel ist eine Mischung aus a) Interviewausschnitten wirklich aller FC-Mitglieder, die zum Thema und besonders zu einem Zeitraum passen sowie so klingen, als hätte Schofield ein Gespräch am runden Tisch mitgeschnitten (was aus diversen Gründen natürlich unmöglich war), b) Schofields verbindenden Texten, die die Chronologie vorantreiben (trotz teils dramaturgisch notwendiger Zeitsprünge) und knapp die Hälfte des Buches ausmachen, und c) einem Tracklisting plus Trackbeschreibungen der meisten Alben. Diese Mischung ergibt tatsächlich eine weitestgehend eigene und authentisch klingende Geschichte der Band. Übrigens, bei dem regen Kommen und Gehen der Mitglieder formt sich schnell der Gedanke, dass ein Stammbaum das Buch so richtig perfekt gemacht hätte. Für Fairport-Fans natürlich ein Muss, wahrscheinlich haben sie das 2013 erschienene Werk bereits. Auch für Fans des Genres im Allgemeinen aber ein echtes Geschichtsbuch über die Erfinder des europäischen Folkrocks – und das ist quasi ein musikalisches Naturgesetz!
Mike Kamp
 CHRISTIANE MARTINI: Nur für Anfänger – Blockflöte 2 : e. umfassende, reich bebilderte Anleitung zum Blockflöten-Spiel.
CHRISTIANE MARTINI
Nur für Anfänger – Blockflöte 2 : e. umfassende, reich bebilderte Anleitung zum Blockflöten-Spiel.
www.bosworth.de
(– o. O. : Bosworth Ed., 2013. – 48 S. : mit zahlr. Notenbeisp. u. Ill. + CD. – ()
ISBN 978-3-86543-770-9 , 14,95 Euro


Nachdem im ersten Band der Blockflötenschule von Christiane Martini die Grundlagen des Blockflötenspiels dargestellt wurden, richtet sich dieses Lehrbuch mit CD auch an Anfänger, fängt jedoch nicht bei null an. Es wird nicht erwähnt, aber den ersten Band sollte man gut verinnerlicht haben. Denn hier geht es direkt mit einer Gavotte, einem Menuett und einer Bransle los, man lernt immer wieder einen neuen Ton kennen und zugehörige Spieltechniken oder passende Melodien. Insgesamt 24 Stücke sind jeweils mit Voll- und Playbackversion auf der CD enthalten, sodass man nach dem Üben nach Noten dann anhand der Audiotracks weiterüben kann. Nach den drei oben genannten klassischen Stücken geht es zu bekannten Songs oder Tanzmelodien über, und am Ende hat man sich über zwölf Töne und mit verschiedenen Takten Schritt für Schritt und ohne lange Erklärungen durch das Werk gearbeitet.
Doris Joosten

 RALF STOCK [Bearb.]: Meine ersten Weihnachtslieder für Akkordeon / zsgest. u. bearb. von Ralf Stock.
RALF STOCK [Bearb.]
Meine ersten Weihnachtslieder für Akkordeon / zsgest. u. bearb. von Ralf Stock.
www.holzschuh-verlag.de
(– Manching : Holzschuh-Verl., 2013. – 28 S. : Noten u. Texte. – (VHR ; 1849))
ISBN 978-3-86543-021-5, ISMN 979-0-2013-0867-8 , 9,80 Euro


Weihnachten steht vor der Tür, und wer die bekanntesten deutschen Weihnachtslieder gerne auf dem Akkordeon spielen möchte, der findet hier alle entsprechenden Lieder von „A, a, a, der Winter, der ist da“ bis hin zum einzigen nicht deutschsprachigen Titel, „We Wish You A Merry Christmas“. Alle Lieder sind jeweils mit Melodie- und Bassspiel notiert sowie mit dem Text aller Strophen, im Dreiviertel- oder Viervierteltakt, mit einfachen Melodien. Vielleicht ein Geschenk zu Nikolaus für den jungen Akkordeonschüler.
Doris Joosten
 SEBASTIAN HANKE: Die schönsten Klassik-Hits für jeden Gitarristen : 38 der beliebtesten Meisterwerke arrangiert für Gitarre ; für Anfänger u. Fortgeschrittene ; Barock
SEBASTIAN HANKE
Die schönsten Klassik-Hits für jeden Gitarristen : 38 der beliebtesten Meisterwerke arrangiert für Gitarre ; für Anfänger u. Fortgeschrittene ; Barock
www.editionhanke.com
(– Potsdam : Ed. Hanke, 2014. – 49 S. : Noten u. TAB)
ISBN 978-3-9814820-5-8 , 14,95 Euro


Eigentlich ist durch die Titelbeschreibung oben schon alles gesagt, fehlt nur noch die Auflistung der Komponisten: Bach, Beethoven, Bizet, Brahms, Charpentier, Dvorák, Grieg, Joplin („The Entertainer“), Monti, Mozart, Offenbach, Pachelbel, Rossini, Satie, Schubert, Strauss, Tárrega, Tschaikowski, Vivaldi. Auch die Stücke sind die üblichen bekannten. Wer also gerne einen Querschnitt dieser Art haben möchte, Bearbeitungen von Hanke mag oder kennenlernen möchte, der kann sich diese – auch mittels der Downloads – gut zu eigen machen.
Doris Joosten

Deutschland
 ALEX BEHNING: Hinterhofschuhe aus New York
ALEX BEHNING
Hinterhofschuhe aus New York
www.alexbehning.de
(Ufer Records UFRO 6062014)
Vinyl-LP plus CD, 11 Tracks, 39:07 , mit Texten


CDs gibt es, die möchte man gar nicht erst aus der Plastikverschweißung lösen. Ganz anders das neue Album von Alex Behning. Gutes altes Vinyl unter dickem Karton in Kodachrome-Farben mit dem Musiker, seiner Harmony-Akustikgitarre, einem alten Plattenspieler, darauf Dylans Highway 61 Revisited, daneben eine Scheibe von John Lee Hooker. Jedes Detail stimmt. Sogar das Stereosignet der alten Platten ist da. Der Inhalt erfüllt die Hoffnung voll und ganz: Wohltuend krachend geht es ab mit dem „Fünf Finger Blues“. Weiter geht es mit Folkblues, Fingerpicking der alten Schule, ab und an einem erdigen Knaller mit Elektrogitarre, hier einer Dobro, dort einer Hammond, etwas Irland und Countryanflügen. Alles auf den Punkt gespielt. Auf überflüssigen Schnickschnack hat der Wahlkonstanzer verzichtet. Erstaunlich, Alex Behning wurde 1968 geboren, zu der Zeit, als die Platten seiner heutigen Vorbilder so oder ähnlich klangen. Und der Mann singt seinen Blues auf Deutsch. Es sind einfache, eingängige Texte über die Liebe und das Leben – und wenn Worte und Musik eine so tiefe Symbiose eingehen wie bei „Auf dünnem Eis“, stellt sich ein wunderbar zerbrechliches Glücksgefühl ein.
Martin Steiner
 DIE GRENZGÄNGER: Maikäfer flieg! – Verschollene Lieder 1914-1918
DIE GRENZGÄNGER
Maikäfer flieg! – Verschollene Lieder 1914-1918
www.musikvonwelt.de
(Müller-Lüdenscheidt-Verlag)
16 Tracks, 57:39 , mit Texten u. Infos


Der Bremer Michael Zachcial gehört mit seiner Band schon viele Jahre zu jenen Folkmusikern, die historische Themen konzeptionell aufarbeiten. Der hundertste Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges bot den Anlass für ihr Programm „Maikäfer flieg!“, welches nun auch als Album vorliegt. Es bietet bekannte und seltene Texte zwischen Größenwahn und Depression, darunter erwartungsgemäß schwer Verdauliches, aber auch Parodien wie „Brot und Frieden hätt’ ich gern“ oder „Aspirin“. Oder Brechts sarkastische „Legende vom toten Soldaten“. Und als Abschluss „Zogen einst fünf wilde Schwäne“, als zeitloses Friedenslied auch heute, wo es noch immer – oder schon wieder – Krieg und Leid in der Welt gibt, eindrucksvoll. Musikalisch reicht das Spektrum vom Sound der Zwanzigerjahre über traditionelle Folkmelodien bis hin zu modernen, jazzigen Klängen bei besonderer Erwähnung des virtuosen Akkordeons von Felix Kroll. Vorbildlich auch das vierzigseitige, reich illustrierte Booklet, in dem ein nahezu unglaubliches Zitat von Friedrich Engels zu finden ist, der 1887 diesen barbarischen Weltkrieg in all seinen Dimensionen vorausgesagt hatte.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 SHANTEL & BUCOVINA ORKESTAR: The Mojo Club Session
SHANTEL & BUCOVINA ORKESTAR
The Mojo Club Session
www.bucovina.de
(Edel Content 0209517CTT/Edel Kultur)
Vinyl-Do-LP, 13 Tracks, 77:05


„The Kiez Is Alright“ heißt einer der letzten Erfolgstitel Shantels, nun hatte er im legendären Hamburger Musikmekka Mojo Club im Reeperbahn-Kiez Gelegenheit, das aufzunehmen, was in seiner Diskografie noch fehlt: ein Livealbum. Shantel hat sich zuletzt stark für die Übergangsphase des Rock ’n’ Roll zum Beat in den frühen Sechzigern interessiert, für das Milieu, in dem heute oft vergessene wilde Livebands entstanden, für Gitarrensounds aus dieser Zeit, Röhrenverstärker und entsprechende Mikros. Deshalb legte er großen Wert darauf, diese Aufnahme analog auf Bandmaschinen zu machen. Seiner Musik hat er seit dem letzten Album zudem mehr Garagensound gegeben. Die Aufnahmetechnik verleiht dem Klangbild tatsächlich etwas Ungeschöntes, Direktes. Völlig anders als die Studioaufnahmen. So hört sich eine Band am Bühnenrand an. Lediglich die Bläser sind etwas zurückgemixt. Aber die Rituale und besonderen Varianten einzelner Stücke, die man bislang nur in den Bühnenfassungen erleben konnte, sind hier eingefangen, das Publikum und die Atmosphäre hautnah vermittelt. Und Shantels momentanem Retrotouch entsprechend, gibt es das Album als 180g-Vinyl-Doppel-LP. Sammler wird es freuen.
Hans-Jürgen Lenhart
 TIDEMORE: By The Sea
TIDEMORE
By The Sea
www.tidemore.de
(Timezone TZ248)
11 Tracks, 44:20 , mit Texten


Es ist nicht ungefährlich, sich als Musiker auf Folkpop einzulassen. Gute Songs für akustische Gitarren gibt es zu Tausenden und auch die Spieltechnik wird selbst von den meisten Straßenmusikern ausgezeichnet beherrscht. Während es bei anderen Musikfarben oft möglich ist, die lohnenswerten Bands vom Durchschnitt zu unterscheiden, sind Akustikgitarristen im Folkpopsektor üblicherweise allesamt auf sehr hohem Niveau. Tidemore ist da keine Ausnahme. Elf wunderschöne Eigenkompositionen vertonen die zwei Brüder aus Thüringen auf ihrem zweiten regulären Album. Einen hohen Wiedererkennungswert erlangt das Duo, indem mal auf Deutsch, mal auf Englisch gesungen wird. Das klingt erst einmal befremdlich und beim ersten Durchhören nicht rund. Gerade auf die beiden deutschen Tracks wartet man aber in weiteren Durchgängen geradezu. Der Geist bleibt wach und man hört das Album vollständig und aufmerksam. Damit entgeht Tidemore einer weiteren Gefahr des Folkpop, nämlich der, als Hintergrundrauschen in Studentencafés zu enden. Sympathisch und musikalisch ausgereift ist das Duo allemal. By The Sea hat aber zusätzlich eine echte Chance, in den Gehörgängen zu verweilen, was den Künstlern wirklich zu wünschen wäre.
Chris Elstrodt

 TSCHING: Vagabundensuite
TSCHING
Vagabundensuite
www.tsching.net
(Eigenverlag)
15 Tracks, 65:37 , mit Zeichnungen u. dt. Infos


Was mag das wohl sein? Fragt man sich mit Blick auf das Cover mit einem gezeichneten gewaltigen Gerät aus diversen Blas- und Saiteninstrumenten und dem Bandnamen Tsching. Blasmusik? Und dann Tracktitel wie „Hejo“, „Taler“, „Schönerland“ oder „Maien“. Aufgelegt erklingen alsbald schräge, quirlige, rhythmische, ja, doch, Blas- und Stringmusiktöne aus den Lautsprechern, wie eine große Klezmer- oder Balkanmusikkapelle und doch von nur drei Berlinern auf Violoncello, Gitarre und Saxofon hervorgebracht. Und aus dieser Musik ostmittel- und südosteuropäischer Tradition entwinden sich plötzlich vertraute Melodien aus dem deutschen Volksliedgut, wie „Hejo, spann den Wagen an“, „Taler, Taler, du musst wandern“, „Kein schöner Land“ oder „Wie schön blüht uns der Maien“, ein wenig verfremdet, verklezmert zwar, doch erkennbar und somit behutsam aus dem starren Korsett der Schulunterrichtsmusik befreit und mit neu eingehauchtem Leben. Heimat und Fremde bekommen hier ein neues Verhältnis zueinander, umspielen einander, verschmelzen miteinander und öffnen den Horizont zu einem neuen Verständnis von Tradition und Volksmusik. Die Scheibe endet mit einer Verbindung von „Mazel Tov“ und „Maria durch ein Dornwald ging“, dem richtigen Soundtrack für den jüdisch-christlichen Dialog.
Michael A. Schmiedel
 FUNNY van DANNEN: Geile Welt
FUNNY van DANNEN
Geile Welt
www.funny-van-dannen.de
(JKP/Warner)
Promo-CD, 17 Tracks, 48:28


Alle ein bis zwei Jahre bringt Franz-Josef Hagmanns-Dajka aus Tüddern, besser bekannt als Funny van Dannen aus Berlin, seit 1995 seine Alben heraus. Immer wieder gelingen ihm Lieder mit unscheinbaren Alltagsgeschichten, die so wunderbar unfertig wirken. Seine Reflexionen über kleine und große Menschen- und Weltbeobachtungen sind ebenso originell wie hinterlistig, sind schlicht und raffiniert, sind kritisch und lebensbejahend, sind ironisch-philosophisch. Lakonisch vorgetragen, diesmal sogar mit mehreren Gastmusikern eingespielt, sind sie zwar keine musikalischen Offenbarungen, doch erfreuen und überraschen seine Texte immer wieder. Auf dieser neuen Produktion sind sie überwiegend geradezu positiv geraten, eine geile Welt eben. Ein poetisches Lied über nichts, Gähnen aus Spaß, das Bekenntnis, dass er keine Souldiva sei, immer wieder Geld, verlorene Menschen und Menschen im Glück, Arbeit in der Rüstungsindustrie und, dass man besser nicht den Wind fragt – es ist ein bunter Reigen wacher und verträumter Gedanken. Das sei nun die Platte, die er immer schon habe machen wollen, schreibt er im Pressetext, er sei sehr zufrieden. Und er hat auch allen Grund dazu.
Rainer Katlewski

 ZWECKGEMEINSCHAFT: Zweckgemeinschaft
ZWECKGEMEINSCHAFT
Zweckgemeinschaft
www.zweckgemeinschaft.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 54:31 , Texte


Christoph Scholtz, Rasmus König und Kai Schweiger, drei junge Männer aus Leipzig, alle Jahrgang 1984, sind zwei Jahre lang mit ihren Liedern durch die Gegend gezogen. Sie haben auf der Straße gesungen, in Wohnzimmern und auf kleinen und größeren Bühnen (TFF Rudolstadt 2014) und haben jetzt ihr Debütalbum herausgebracht, das mittels Crowdfunding finanziert wurde. Es sind Beziehungslieder des Dazwischen, keine heilen Welten, kein Himmelhochjauchzen, keine kitschigen Happy Ends, stattdessen Gefühle und Situationen in aller Widersprüchlichkeit. Ihre Lieder sind voller Melancholie, Einfühlungsvermögen, Nachdenklichkeit, manchmal spöttisch und manchmal anrührend. Es sind erstaunlich reife Texte, wortgewandt, voller kluger Bilder. Musikalisch ist das Trio vom Harmoniegesang durch Crosby, Stills, Nash & Young beeinflusst, zwei Zweckgemeinschaftler haben im Thomanerchor gesungen, zwei werden Musiklehrer, es sind also Profis am Werk. Unterstützung erhielten sie zudem von befreundeten Musikern. Mit Gitarren, Klavier, Percussion, Trompete und Streichern wird für einen wohligen Sound gesorgt. Es ist ein gelungener Start, mit einem gekonnten und liebevoll gestalteten Album, das Türen öffnen wird.
Rainer Katlewski



DVD/Filme
 HARD SOIL: The Muddy Roots of American Music
HARD SOIL
The Muddy Roots of American Music
www.slowboatfilms.com
(Slowboat Films)
114:00 plus 30:00 Extras , engl. mit dt. u. engl. Untertiteln


Für viele mag das wie eine Freakshow wirken: Die Bärte sind lang, die Haare auch, die Blicke irr, die Tätowierungen überall und die Flüche deftig und häufig. Sowohl Musiker als auch Publikum wirken wie eine verschworene Gemeinschaft aussortierter Kellerkinder. Doch abseits aller Äußerlichkeiten zeigt diese Dokumentation des Filmemachers Marc A. Littler Typen, die eine offenbar tiefe und ehrliche Leidenschaft zu den Traditionen US-amerikanischer Folkmusik hegen. Ihre wüsten Auftritte auf den Muddy-Roots-Festivals in Cookeville/Tennessee und im belgischen Waardamme offenbaren eine manchmal schwer zu ertragende Intensität. Allen porträtierten Künstlern nimmt man aber die Leidenschaft zur Folkmusik ab; jeder erzählt von dem Glück, Geschichten in Songs erzählen zu dürfen, die andere Menschen berühren – seien es auch vergleichsweise wenige. Wer beispielsweise das ungleiche Paar Sean Wheeler und Zander Schloss erlebt, wie sie Josh Hadens „Spiritual“ interpretieren, muss keine Fragen nach Authentizität mehr stellen. Diese Freaks und Punkkonvertiten sind musikalische Originale am Rand des Folks, die von innen brennen. Muddy Roots – eine Welt für sich, geöffnet durch diesen Film.
Volker Dick
 JOAN BAEZ: How Sweet the Sound – Das Gewissen und die Stimme der 1960er Jahre
JOAN BAEZ
How Sweet the Sound – Das Gewissen und die Stimme der 1960er Jahre
www.absolutmedien.de
(Absolut Medien 4027)
10 Kapitel plus Extras, 90:00 plus 65:00 , engl. mit dt. Untertiteln


Erstmals wurde diese Baez-Dokumentation 2009 in der vom US-Fernsehen PBS produzierten Reihe Americans Masters gezeigt. Die jetzt in Deutschland veröffentlichte DVD ist die auf Arte ausgestrahlte Version mit deutschen Untertiteln. How Sweet the Sound ist der erste umfassende Film, der das Leben einer Künstlerin nachzeichnet, deren weltweite Karriere mit ihrem (ungeplanten) Auftritt beim ersten Newport Folk Festival im Sommer 1959 begann und bis heute anhält. Interviews mit David Crosby, Bob Dylan, Ex-Ehemann David Harris, Reverend Jesse Jackson, Roger McGuinn und vielen anderen mehr sowie Ausschnitte aus Konzerten und Fernsehnachrichten präsentieren Joan Baez als eine Frau, die nicht nur mit ihrer Musik, sondern auch mit ihrer politischen Haltung das Gewissen einer Generation war und heute noch ist. Unter anderem begleiteten die Filmproduzenten Mark Spector und Mary Wharton Baez auf ihrer Welttournee 2008/2009, die sie auch noch einmal nach Sarajevo führte, wo sie fünfzehn Jahre zuvor während der Belagerung schon einmal gewesen war. Archivmaterial zeigt die Künstlerin im Dezember 1972 bei ihrem umstrittenen Besuch in Hanoi inmitten eines der heftigsten Bombenangriffe der USA, während des Vietnamkriegs oder mit Martin Luther King Jr., der ihr Mitte der Sechzigerjahre einen Solidaritätsbesuch in einem kalifornischen Gefängnis abstattete, als sie wegen der Blockade einer Zufahrt zu einem Armeekomplex zu einer neunzigtägigen Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Die nicht mit Untertitel versehenen Extras bieten neben mehreren längeren Interviewauszügen Gespräche, die Joan Baez unter anderem mit Vaclav Havel und Steve Earle führte, sowie einen siebeneinhalb Minuten langen Ausschnitt eines frühen Auftritts 1958 im legendäre Coffeehouse Club 47 in Cambridge, Massachusetts.
Michael Kleff

Europa
 ALDOC: From Tallaght To Halle
ALDOC
From Tallaght To Halle
www.aldocmusic.com
(CD-Nr. 253621)
10 Tracks, 51:29 , mit kurzen Infos


Wie ein chilliger Abend unter Palmen, wie ein Zug durch die Nacht im trubeligen Dublin, wie das Eintauchen in die kreative, drogengeschwängerte Atmosphäre eines Dub-Studios und eine immer virtuose, mal ziemlich jazzig-frei, mal nach irischer Trad-Music klingende Flöte – das alles und mehr ist Alan Dohertys neues Album. Der Meister-Flötist (Lord of the Rings, Gráda) hat in seiner neuen Heimat zu einer eher dem Fusion/Club-Segment zuzuordnenden als einer typischen Modern-Irish-Music-CD ausgeholt. Dazu haben er und Gerry Paul (Gitarre) eine Reihe von sensiblen Gästen an Bass, Drums und vielen anderen Instrumenten eingeladen. Anders als bei ähnlichen Projekten wie The Ollam, wo ganz deutlich die auf Irish-Trad basierenden Whistle- und Pipes-Linien im elektronischen Kontext führen, ist ALDOC eine wirklich multikulturelle Klangreise, welche die Beiträge der hochkarätigen Gastmusiker und Alans weitgestreute musikalische Interessen in den Vordergrund rückt. Chanting, sein vorzüglicher Gesang, Sprachkollagen, Scratching, Ambient und ethnische Sounds, alles hat seinen Platz. Anspieltipps: „Feed Me Seymour“, „Feeling So Much Better“, „Euge“, „In Halle“… Im Detail liebevoll, mit fantastischem Sound, findet man jedes Mal mehr in dieser großartigen Produktion. Congrats!
Johannes Schiefner
 JETHRO TULL’S IAN ANDERSON: Thick as a Brick – Live In Iceland
JETHRO TULL’S IAN ANDERSON
Thick as a Brick – Live In Iceland
www.jethrotull.com
(Eagle Records EDGCD533/Universal)
Do-CD, 18 Tracks, 108:20 , mit wenigen engl. Infos


War’s das jetzt wirklich? Anderson hat schon oft davon gesprochen, dass das Kapitel Tull eigentlich zu Ende sei, das ist es aber wohl noch nicht so ganz. Mit seinem 1972er-Meisterwerk Thick As A Brick tourte er 2012/13 und komplementierte es mit einer Fortsetzung nach vierzig Jahren Thick As A Brick 2 – Whatever Happened To Gerald Bostock, dem Protagonisten des Originals. Apropos Original, da gab sich der verkappte Folkie Anderson alle erdenkliche Mühe, den Teil eins in Island exakt wie auf der LP klingen zu lassen. Nur die Erinnerung an den Werbespot für Prostatakrebs-Vorsorgeuntersuchungen etwa zu dem Zeitpunkt, wo damals die LP umgedreht werden musste, die scheint völlig verblasst zu sein. Ansonsten hat es Teil zwei natürlich schwer, gegen die geballte Nostalgie des Erstlings zu bestehen, denn Thick As A Brick und Aqualung waren zwei legendäre Alben, die durchaus als eine Art Folkrock durchgehen konnten. Nicht von ungefähr sind später zeitweise die Fairport-Musiker Dave Pegg und Maartin Allcock bei Jethro Tull eingestiegen. Gute Musik mit ein wenig Patina.
Mike Kamp

 SALLY BARKER: Maid In England
SALLY BARKER
Maid In England
www.sallybarker.co.uk
(Hypertension Music/Soulfood HYP 14305)
13 Tracks, 64:21 , mit engl Infos


Diese Rezension ist eigentlich mehr eine Erzählung. Ab dem Jahr 2000 begannen die Aufnahmen für dieses Album, die meisten folklastigen Songs von der Engländerin stolz (ko-)geschrieben und mit Gästen wie Phil Beer, Maartin Allcock, Patsy Seddon oder Sarah Allen eingespielt. Probleme mit den Mandeln sorgten für eine lange Unterbrechung, nach einer Operation ging es weiter, und 2003 erschien das Werk – ohne jegliche Resonanz, denn ihr Mann erkrankte an Krebs und starb noch im gleichen Jahr. Nun gab es zwei Jungs, deren Erziehung Priorität hatte. Diese beiden – mittlerweile Teenager – überredeten Sally Barker 2013, an der englischen Version der Castingshow The Voice teilzunehmen. Ihre Stimme überzeugte den Juror Tom Jones, der sie einfühlsam ins Finale brachte. Sie wurde zwar nicht die Siegerin, aber es reichte locker, um ihre Karriere neu zu beleben. Sally Barkers alte (deutsche) Plattenfirma erklärte sich bereit, das 2003er-Album erneut zu veröffentlichen, angereichert mit zwei Songs aus der Castingshow (großartig: der Bee-Gees-Song „To Love Somebody“). Maid In England trägt deutlich die Botschaft: Welcome back, Sally! Jetzt wissen wir erst, wie sehr wir dich vermisst haben!
Mike Kamp
 THE BEVVY SISTERS: Plan B
THE BEVVY SISTERS
Plan B
www.bevvysisters.co.uk
(Interrupto Music IM004)
11 Tracks, 44:28


Die Bevvy Sisters sind in erster Linie drei Damen aus Schottland, die mit geradezu betörenden Stimmen traditionelle (wie „Ain’t No Grave“) und selbst geschriebene Americana-Songs interpretieren. In zweiter Linie gibt es auch noch einen David Donnelly, der im Gesamtzusammenhang nur optisch zu vernachlässigen ist, akustisch und mit seinen Kompositionen jedoch keinesfalls. Und drittens sind die Sisters (plus Brother) auch erfreulich kompakte Instrumentalisten, die jedoch ihr Können immer in den Dienst des Gesanges stellen. Egal ob Trad, Eigenes oder die zwei Sandy-Wright-Kompositionen „Little Bird“ und „Six Degrees“, die Bevvy Sisters interpretieren ihr Material mit ansteckendem Enthusiasmus und großem handwerklichen Können. European Americana at its best!
Mike Kamp

 RAY COOPER: Palace Of Tears
RAY COOPER
Palace Of Tears
www.raycooper.org
(Westpark Music 87267/Indigo)
10 Tracks, 47:49 , mit engl. Texten u. Infos


Genau die richtige Jahreszeit, um das zweite Soloalbum des Ex-Oysterband-Mannes Cooper zu hören und zu besprechen. Irgendwie passt eine CD nicht in Zeiten blauer Himmel und Schäfchenwolken, die vom Berliner Tränenpalast, den Tränen der Isis, zerstörten Engeln und kriegerischen Spuren im Sand handelt. Da wirken die beiden Instrumentalparts wie zum Beispiel „Maarit’s Waltz“ geradezu optimistisch, auch wenn Letzterer Betrachtungen über verflossene Schönheit folgt. Nein, niemand wird Ray Cooper vorwerfen können, textlich oder musikalisch ein Bruder Leichtfuß zu sein. Sein umfassendes instrumentelles Können (Gesang, Cello, Gitarre, Kantele, Harmonika, Mandoline, Percussion, Harmonium, Bassgitarre) macht Gastmusiker weitgehend überflüssig. Textlich ebenso wie musikalisch lässt sich Cooper zunehmend von seiner schwedischen Wahlheimat inspirieren. Wie gesagt, leichte Kost ist das nicht, und angenehm gepflegte Melancholie kommt auch kaum auf, aber wer Songs mit Tiefgang sucht, der ist bei Ray Cooper goldrichtig.
Mike Kamp
 MICK FLANNERY: By The Rule
MICK FLANNERY
By The Rule
www.mickflannery.com
(Universal 00602537757527)
13 Tracks, 46:24 , mit engl. Texten und Infos


Spätestens seit den Fleet Foxes und Bon Iver hat sich eine Songwritergeneration etabliert, die in der Tradition des amerikanischen Folkrevivals um Woody Guthrie und Bob Dylan steht und die nicht nur an die musikalischen Parameter der Sechziger anknüpft, sondern auch das Image des männlichen Sensibelchens in voller Konsequenz rekonstruiert. Heute bedeutet das: ein notorischer Bart, zur Schau gestellte soziale Isolation und genuschelter Falsett zur Akustikgitarre. Die Männer der Nufolk-Szene, der Ire Mick Flannery ist einer von ihnen, singen nicht mehr über politische Missstände, sondern über das Private, sei es Liebe, Freundschaft, oder – natürlich – Schmerz. Wenn der Künstler sich nur um sich selbst dreht, ist die Grenze zum Pathos fließend, aber es gelingen auch immer wieder anrührende Songs, denen das Understatement ihrer Macher gut steht. In dem Gerüst aus Gitarre und Klavier geht die Stimme Flannerys förmlich auf, ungeglättet und gespickt mit eigenwilligen Phrasierungen steht sie im Mittelpunkt der Songs und dient – in feinster Songwritertradition – ganz dem Text und ihrer persönlichen Ausdeutung. Mick Flannery reiht sich ein in die Riege irischer Sänger und Bands wie James Vincent McMorrow, Declan O’Rourke oder die Villagers.
Judith Wiemers

 SIOBHÁN KENNEDY: Seíd
SIOBHÁN KENNEDY
Seíd
www.siobhan-kennedy.com
(Siúnta Music)
14 Tracks, 49:41


Das Kompendium irischer Folkinstrumentals der irischen Flötistin Siobhán Kennedy beweist einmal mehr, dass es keiner jazzigen Rhythmen oder aufwendigen Produktionen bedarf, um die Varianz und Dramatik dieses Repertoires auszustellen. Ihre Sets kombinieren Reels, Hornpipes, Jigs und Airs und spielen mit Tempo- und Tonartwechseln, begleitet von Vamping an Klavier, Bouzouki und Gitarre. Jens Kommnick, der die zuvor genannten Instrumente bedient, fügt sich einfühlsam in die Tunes ein und bereichert die Melodieführung der Flöte, ohne sie je zu dominieren. Die Stückauswahl stellt Klassiker neben ungewöhnliche Hornpipes und vergessene Reels, die Kennedy auf alten Aufnahmen gefunden hat. Ihr Sinn für die musikalische Tradition und einhergehendes Verantwortungsgefühl gegenüber dem Material ebenso wie ihre Erfahrungen im Set- und Stepdance machen dieses Album so gut. Als weiteren Bonus bespielt Siobhán Kennedy hier fünf verschiedene Flöten aller Register (Whistles, Flutes, Low Whistle) und erschließt so die vielfältigen Klangräume ihres Instruments. Drei Songs komplettieren das versierte Debütalbum der Flötistin.
Judith Wiemers
 PIIA KLEEMOLA: Pirun Ja Papin Polska
PIIA KLEEMOLA
Pirun Ja Papin Polska
www.piiakleemola.com
(SEITACD017)
8 Tracks, 43:25 , finn. u. engl. Infos


Piia Kleemola schrieb ihre Doktorarbeit über die Violine in der finnischen Volksmusik. Die Musik, die sie dabei fand, wurde im und um das neunzehnte Jahrhundert komponiert und in Archiven Österbottens gesammelt, dem schwedischsprachigen Teil Finnlands im Westen. Daraus entstand ihr Album Fiddle Feast (2012) mit drei weiteren Violinistinnen, unter anderem Kukka Lehto (Polka Chicks). Ebenfalls auf dieser musikalischen Basis entwickelte sie „Die Polska von Teufel und Pfarrer“. Es ist ein Soloalbum, an dem nur bei zwei Stücken die Akkordeonspielerin Anne-Mari Kivimäki beteiligt ist. Das Geigenspiel von Piia Kleemola ist so raumfüllend, dass andere Instrumente es wohl schwer haben sich durchzusetzen. Sie erreicht das durch die starke Betonung der tiefen Saiten mit vielen Doppelgriffen, oft als Ostinato. Diese traditionelle, sehr rhythmische Spielweise ist darin begründet, dass die Spielleute früher oft solo in einem Saal zum Tanz aufspielten. Das musste dann schon eine gewisse Lautstärke haben. Kleemolas Musik lässt sich stilistisch aber nicht eindeutig zuordnen, denn sie enthält schwedische, finnische und zeitgenössische Anteile. Im Booklet findet man einiges an Erklärungen zu den einzelnen Stücken.
Bernd Künzer

 LEVELLERS: Greatest Hits
LEVELLERS
Greatest Hits
www.levellers.co.uk
(On The Fiddle Recordings/Rough Trade OTF019)
Promo-Do-CD, 35 Tracks, 124:58


Ziemt es sich für Folk-Rock-Punk-Anarchisten, ein Greatest-Hits-Album rauszubringen? Keine Ahnung, aber sie haben es zumindest selbst zusammengestellt, und es ist praktisch, alle ihre Mitsinghymnen der letzten circa fünfundzwanzig Jahre auf zwei Silberlingen versammelt zu hören, Songs wie „Hope Street“, „What A Beautiful Day“ oder „Just The One“. Wie sich das gehört, hat man noch ein paar Schmankerl eingebaut, Kooperationen mit Imelda May, Frank Turner, Bellowhead oder Billy Bragg. Das kommt ziemlich gut, und das ist auch gut abgepasst, schließlich geht’s Ende Oktober, Anfang November für vier Gigs durch diese Republik. Was allerdings als nicht so nett empfunden wird, ist, dass auch eine politisch denkende Band wie die englischen Levellers (oder ihre Vertriebspartner) diesen Promo-Exemplar-Unfug mitmachen. So erhält der Rezensent zwei Silberlinge plus Tracklisting, wo es doch angeblich auch noch opulente Booklets und eine DVD geben soll. Vielleicht ist dies nicht der richtige Ort für eine solche Kritik, aber wie man unter diesen Voraussetzungen eine Besprechung schreiben soll, die dem Produkt gerecht wird, das der Interessent kaufen kann, das bleibt das Geheimnis der Verantwortlichen.
Mike Kamp
 OQUESTRADA: Atlantic Beat – Mad’ In Portugal
OQUESTRADA
Atlantic Beat – Mad’ In Portugal
www.oquestrada.com
(Jaro Medien 4321-2)
10 Tracks, 41:19 , mit Texten


Tasca Beat, der „Rhythmus der Tavernen“, das Debütalbum der Lissaboner Gruppe wurde in Portugal zu einem riesigen Verkaufserfolg. Nun, fünf Jahre danach, folgt Atlantic Beat. Raus aus den Kneipen heißt die Devise. Rauf auf den Dampfer, von wo man einen guten Blick auf die Küste des kleinen südeuropäischen Landes am Atlantik genießt, das vom Rest Europas so gerne vergessen wird und wo die Zeit ein wenig gemächlicher fließt. In „Sweet Old Country“, dem englisch gesungenen Stück des Albums, bringt die Sängerin Marta Miranda die Liebe der Portugiesen zu ihrem Land zum Ausdruck. Dann rattern wir in Fernando Pessoas „Zug nach Süden“ („Comboio Descendente“), halb schlafend, halb wach, blicken aufs Meer Richtung Brasilien. Ja, das Herz des kleinen Landes am Atlantik schlägt ruhiger als anderswo – und doch beschwingt. Marta Miranda, Waschbecken-Bassist Pablo und der Mandolinist João Lima, unterstützt von Gästen an Gitarren, Akkordeon oder einer Trompete schenken dem Herzschlag eine Melodie. Oquestrada tönen ein wenig abgeklärter als auf dem Debütalbum, aber trotzdem einnehmend, und sie spielen mit viel Liebe zum Detail.
Martin Steiner

 ANDREAS TOPHØJ & RUNE BARSLUND: The Danish Immigrant
ANDREAS TOPHØJ & RUNE BARSLUND
The Danish Immigrant
www.andreasrune.dk
(GO’ Danish Folk Music GO1214 EP)
EP, 5 Tracks, 16:25 , engl. Kurzinfo


Einflüsse aus anderen Ländern auf die nationale Folkmusik gab es schon immer. Durch die erleichterten Reisemöglichkeiten hat das in den letzten fünfzig Jahren stark zugenommen und zur Bereicherung beigetragen. Die beiden jungen dänischen Musiker, Violine/Viola und Akkordeon, verarbeiten hier ihre Erfahrungen aus Amerika und Irland in eigenen Kompositionen mit ihrer skandinavischen Basis. Das heißt nicht, dass die Orte, an denen sie komponiert wurden, immer einen besonders starken Einfluss haben. „The Danish Immigrant“ könnte wirklich von einem im neunzehnten Jahrhundert nach Amerika ausgewanderten Dänen geschrieben sein. Die „Kerry Polska“ klingt jedoch ausgesprochen schwedisch. Vielleicht wegen des Heimwehs. Wesentlicher aber ist, wie die beiden zusammenspielen. Das ist so einfühlsam, dass Violine/Viola und Akkordeon manchmal kaum zu unterscheiden sind. Mit diesen fünf sehr anrührenden Melodien ist ein Kleinod produziert worden, bei dem man bedauert, dass es nur eine EP geworden ist. Es ist die Auskoppelung des Soundtracks eines Films, für den es 2012 einen Danish Music Award Folk gab. Bei zwei Stücken begleitet sie der Gitarrist Rasmus Zeeberg, mit dem sie auch in anderen Gruppen musizieren.
Bernd Künzer



International
 MIREL WAGNER: When The Cellar Children See The Light Of Day
MIREL WAGNER
When The Cellar Children See The Light Of Day
www.mirelwagner.com
(Sub PoP SP1075)
10 Tracks, 31:09 , mit Texten


Mirel Wagner ist in Äthiopien geboren, aber in Finnland aufgewachsen. Das bereits könnte Neugier wecken, und tatsächlich, ihr Bluesfolkalbum ist ein außergewöhnliches Werk. Mit ihrer zerbrechlichen Stimme vertont sie alle Hoffnungslosigkeit der Welt. Sie begleitet sich auf der Gitarre mit spärlichen spröden Akkorden, lediglich begleitet von Keyboards und Cello des einzigen Mitmusikers, Grammy-Gewinner Craig Armstrong. Musikalisch schmerzhaft reduziert bis zum absolut Notwendigen schleichen sich ihre düsteren Lieder in das Herz des Hörers, ein perfekter Alptraum für Alkoholiker oder Liebeskranke. Mirel Wagner verbündet sich in ihren Songs mit Nick Cave oder Dead Moon. Ihr Album erreicht die Intensität der Texas Campfire Tapes von Michelle Shocked. Der Gesang von Mirel Wagner hat nichts vom Blues, nichts von afrikanischer Gesangskultur. Stattdessen klingt sie wie die minderjährige Tochter von Nico nach einer Psychose. Sogar die Zeit zeigt sich beeindruckt und spendiert dem Album eine ausgiebige Besprechung. Zielgruppe des Albums ist dementsprechend eher der intellektuelle Punk, der früher die Neubauten gehört hat und nun sein Burn-out-Syndrom pflegt. Wer als Folkfan mit der dunklen Seite der Macht liebäugelt, sollte bei Mirel Wagner aufhorchen.
Chris Elstrodt
 WELTENKLANGHAUS: Raga Against The Machine
WELTENKLANGHAUS
Raga Against The Machine
www.weltenklanghaus.de
(Weltenklanghaus GM 011414)
8 Tracks, 55:37


Die ersten Sonderpunkte gibt’s schon mal für den Albumtitel. Doch was wie eine augenzwinkernde Parodie scheint, ergibt hier durchaus Sinn. Denn so wie Zack de la Roches alte Band ihr Repertoire aus recht heterogenem Material rekrutierte, so mischt auch der Eigner des Weltenklanghauses, Peter Krämer, gerne verschiedene (welt-)musikalische Stile zu etwas Neuem zusammen. Ein schönes Beispiel dafür ist Krämers Komposition mit dem skurrilen Titel „Felakutiaufkoxinkalkuti“, ein Parforceritt durch indische, afrikanische und krautrockmusikalische Welten. Doch bei aller Leidenschaft für den Crossover-Gedanken, Krämers große Liebe bleibt die indische Klassik. So ist denn auch das Weltenklanghaus komplett in indischer Hand. Sudokshina Chatterjee Manna (Gesang), Rajib Karmakar (Sitar), Prosenjit Sengupta (Sarod) und Subrata Manna (Tabla) bilden das Fundament, auf das der gelernte Gitarrist Krämer seine „Rockwerke“ aus Saiten, Tasten und Fellen schichtet. Und so beginnen die Stücke des WKH nicht selten mit dem obligaten Sitar-Arpeggio und enden mit rockigem Schlagwerk. Gewiss, Crossover ist nichts für Puristen. Aber wenn’s so gut gemacht wird wie hier, dann spricht absolut nichts dagegen!
Walter Bast

Lateinamerika
 MÁRCIO FARACO : Cajueiro
MÁRCIO FARACO
Cajueiro
www.marciofaraco.com
(World Village SKU 479100/Harmonia Mundi)
11 Tracks, 40:57


Ziemlich unbekannt ist, dass es in Frankreich eine Garde hervorragender brasilianischer Musiker gibt, die fast immer aufhorchen lassen, verirrt sich mal eines ihrer Alben zu uns. Márcio Faraco ist einer von ihnen, und er spielt nicht nur die Musik Brasiliens, sondern lässt klar erkennen, dass er in Frankreich wohnt. Da klingen ein Musetteakkordeon und Gypsy Swing an, und der dezente Gesangsstil hätte auch zu Chansons gepasst. Tatsächlich singt er auch einmal Französisch. Stimmlich erinnert er an Gilberto Gils leise Balladen, vermittelt aber mehr Jazzfeeling. Eine seiner stärksten Melodien hat „Mundo Lelê“ mit seinem hüpfenden Rhythmus aus Bahia. Durch die butterweiche Klangwelt von Faraco streifen Wolken aus Samba, Xote, Folk und Jazz. Faszinierend, wie Faraco alle seine Anleihen in seinen Sound integriert. Baden Powells Philippe sitzt übrigens seit Jahren am Piano an seiner Seite. Ansonsten passt Faraco in eine Reihe mit ebenso intelligent arrangierenden und dezenten brasilianischen Sängern/Gitarristen wie Vinicius Cantuaria.
Hans-Jürgen Lenhart
 O Lendário Chucrobillyman: Man Monkey
O Lendário Chucrobillyman
Man Monkey
www.myspacecom/chucrobillyman
(Off Label Records OLR33/Eigenvertrieb)
10 Tracks, 30:04


Der zweisprachige Name und das vom Musiker entworfene, vibrierende Cover lassen Besonderes ahnen. Klaus Koti aka O Lendário Chucrobillyman nennt sich im Untertitel „Trash Tropical One Man Band Orchestra“, was es irgendwo trifft. Die zehnsaitige Violagitarre, Schlagzeug und Müll [!] werden gleichzeitig bedient, wobei auf dem Album manchmal Overdubs mehrerer Gitarren zu hören sind. Und entsprechend dem Albumtitel spielt sich Chucrobillyman wie vom wilden Affen gebissen durch Garage Rock, Rockabilly, Boogie oder Delta Blues. Der Bottleneck-Blueser ist ein exzellenter Gitarrist, der gar an David Lindleys El-Rayo-X-Zeit erinnert. Die Grundriffs klingen aufgrund der Spielweise fast wie Loops. Die Stimme kommt etwas leise rüber, was daran liegt, dass hier durch eine angeschraubte Flüstertüte gesungen wird. Was der brasilianische [!] Bluespunk jedoch drübergelegt, ist schnell, fetzig, rotzig, archaisch. Da trommelt’s wie im Urwald, und eine geisterhafte Stimme lacht verzerrt aus dem Dschungel. Momentan hat er jedenfalls die beste Scheppergitarre im Universum.
Hans-Jürgen Lenhart

Nordamerika
 AMERICAN NOMAD: Country Mile
AMERICAN NOMAD
Country Mile
www.americannomadmusic.com
(Spruce and Maple Music SM 1101)
13 Tracks, 58:14


Mit dem Namen Hassan El-Tayyab wird man in den USA derzeit nur schwer Karriere machen. Aber unter diesem Ziel dürfte der Nachfahre eines Beduinenvolkes auch nicht angetreten sein. Im Namen seiner Band steckt er noch drin, der Nomade. El-Tayyab zog es in seinem Chevy Malibu quer durch Nordamerika, von Boston aus übers ganze Land, bevor er in der kalifornischen Bay Area hängen blieb. Dort lernte der Gitarrist die Sängerin Shilo Parkerson kennen, die mit ihrer kräftigen Stimme etliche Stücke des Albums prägt – beeinflusst von so unterschiedlichen Künstlerinnen wie Gillian Welch, Loretta Lynn und Billie Holiday. Was in etwa auch die musikalische Bandbreite der Stücke erfasst: Die zum Großteil von El-Tayyab stammenden Songs berühren Old-Time, Western Swing, Country, Blues und Folk. Einige von ihnen hätten das Zeug, zu Klassikern zu werden, etwa der Folksong „Be Here Now“ mit seiner intimen Fingerpickinggitarre und der Botschaft, im Hier und Jetzt zu sein und den eigenen Augen zu trauen. Oder „Hallelujah“, das mit ausstrahlender Wärme entzückt, eine zu Herzen gehende Countryballade – aber ganz ohne schmalziges Timbre. Wenn das die Musik amerikanischer Nomaden ist, dann bitte gerne.
Volker Dick
 FLACO & MAX: Legends & Legacies
FLACO & MAX
Legends & Legacies
https://myspace.com/flacojimenezmusic
(Smithsonian Folkways SFW CD 40569/Galileo MC)
17 Tracks, 58 min , 44-seit. Booklet mit engl. u. span. Texten u. Infos


Flaco Jiménez und Max Baca gehören zu den Familiendynastien, die Tejano Conjunto Musik über die Grenzen von Texas hinaus bekannt gemacht haben. Flaco, dessen Spiel auf dem dreireihigen Knopfakkordeon einem breiteren Publikum erstmals durch Ry Cooders Chicken Skin Music bekannt wurde, feierte dieses Jahr seinen 75. Geburtstag. Max, Jahrgang 1967, stand mit sieben Jahren zum ersten Mal mit Flaco auf der Bühne, der sich im weiteren Verlauf als Mentor und Lehrer des jungen Banjo-Sexto-Spielers erwies. Das vorliegende Album feiert auf siebzehn Stücken die traditionelle Conjunto Musik, wie sie seit Generationen gespielt wird. Wir hören Klassiker wie „Margarita, Margarita“, Standards wie „Mi Primer Amor“, das seit Dekaden zu Flacos Programm gehört, oder auch Stücke, die Flacos Vater Santiago Jiménez Sr. verfasst hat. Zum ersten Mal in ihrer Karriere singen Max und Flaco gemeinsam, und Akkordeon und Barca, begleitet von Bass und Schlagzeug, sind die Grundlage jeden Stückes. Die Beiden sind in ihrem Element, und es gibt dementsprechend musikalisch keine Überraschungen. Die Produktion ist transparent und auf das Wesentliche beschränkt. Eine schöne Zusammenfassung des Genres von zwei Veteranen und Meistern ihres Faches.
Dirk Trageser

 CHUCK PROPHET: Night Surfer
CHUCK PROPHET
Night Surfer
www.chuckprophet.com
(Yep Roc Records/Cargo-Records)
Promo-CD, 12 Songs, 46:33


Nach Anfängen als Gitarrist des Folkrockquartetts Green on Red steht Prophet bereits seit über zwanzig Jahren als Solokünstler auf der Bühne. Mittlerweile ist mit Night Surfer sein dreizehntes Album auf dem Markt. Peter Buck (Ex-R.E.M.) ist – wie beim Vorgängeralbum Temple Beautiful – wieder mit dabei und trägt zum folkigen Sechzigerjahre-Flair der Songs bei. Doch ist Prophet vor allem ein persönlicher Geschichtenerzähler, der sich zeitkritische Kommentare verkneift. Die näselnde Stimme des fünfzigjährigen US-Amerikaners wird immer wieder gerne mit der von Kinks-Mastermind Ray Davies verglichen. Tatsächlich sind weitere musikalische Parallelen herauszuhören, wenngleich sich Chuck Prophet durch seine Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen Musikern wie Bob Neuwirth, Jim Dickinson, Warren Zevon, Jonathan Richman oder Lucinda Williams als vielseitiger Musiker hervorgetan hat, der nicht immer im Mittelpunkt stehen muss. Gerade sein vielschichtiges Können kommt auf Night Surfer deutlich zum Tragen. Gitarrenbetont sind die Songs, und gerne setzen akustisch gespielte Streicherarrangements weiche Akzente. Abwechslungsreich ist dieses Album gestaltet, doch bleibt es vor allem im folkigen Songwriterbereich verortet.
Michael Freerix
 CHRIS SMITHER: Still On The Levee – A 50 Years Retrospective
CHRIS SMITHER
Still On The Levee – A 50 Years Retrospective
www.smither.com
(Homunculus Music/Signature Sounds 74374/Cargo)
CD 1: 13 Tracks, 46:12; CD 2: 12 Tracks, 46:58 , mit Texten


Wer den baumlangen Chris Smither schon einmal live gesehen hat, mag kaum glauben, dass der in Miami geborene und in New Orleans aufgewachsene Songschreiber bereits siebzig Jahre alt ist und fünfzig davon auf der Bühne steht. Ausgefeiltes, souverän entspanntes Fingerpicking, von Lightnin’ Hopkins und Mississippi John Hurt inspiriert, und eine leicht nuschelige, aber kraftvolle Stimme, die klingt, als habe ihr Besitzer vor dem Auftritt noch schnell mit Glasscherben in Bourbon gegurgelt. Seit Smithers 1970 sein erstes Album I’m A Stranger Too aufnahm, entstanden viele musikalische Freundschaften, mit Bonnie Raitt etwa, mit Lowell George oder mit Dr. John. Seinen bekanntesten Song, „Slow Surprise“, nahm Emmylou Harris für den Soundtrack des Films Der Pferdeflüsterer auf. Smithers Lieder erzählen tiefgründige Alltagsgeschichten über die universalen Themen Liebe, Leben und Verlust. Die Retrospektive umfasst fünfundzwanzig davon, die er mit seiner Stammband neu und, kurz gesagt, brillant eingespielt hat. Hochkarätige Gäste veredeln die Produktion, darunter Loudon Wainwright III (Gitarre und Gesang) und Allan Toussaint (Klavier). Hinzu kommen Smithers Schwester Catherine Norr (Gesang) sowie seine Tochter Robin (Geige). Gelegentliche Slide-Guitar- oder Cellolinien verfeinern die ausgefeilten Arrangements zu einem Genuss.
Ulrich Joosten

 FRANK SOLIVAN & DIRTY KITCHEN: Cold Spell
FRANK SOLIVAN & DIRTY KITCHEN
Cold Spell
www.dirtykitchenband.com
(Compass Records 7 4633 2)
Promo-CD, 10 Tracks, 48:23


Nach dem ersten Stück scheint klar: Was danach kommt, kann kein reiner Bluegrass sein. Eher ein akustisch vom Bluegrassinstrumentarium geprägtes Album voller kompositorischer Finessen und Feinheiten des Arrangements. Der frühe Eindruck relativiert sich dann im Laufe der zehn Songs – im Kern bleibt es Bluegrass, allerdings mit Elementen aus Jazz, Rock, Blues und Country beeindruckend anders formuliert. Davon kündet nicht nur der „Country Song“, der so gar nicht wie ein solcher klingt, sondern in dem es vor Breaks und schrägen Soli wimmelt und der zudem eine Länge von über acht Minuten erreicht! Prog-Grass offenbar. Dagegen lebt „She Said She Will“ von einem Bluesrock-Groove, bei dem die erstklassige Band mit Chris Luquette (g), Mike Munford (banjo) und Danny Booth (b) nichts verbirgt von ihrer kompakten Virtuosität, die sich durchs gesamte Album zieht. Frank Solivan zeigt sich als der gewohnt geschmackssichere Mandolinenspieler, brilliert aber genauso als Sänger, gleich ob soulig oder balladesk – gelegentlich umrahmt von wunderbaren Gesangsharmonien. Es gibt Bluegrass, den muss man nicht auf Platte bannen. Cold Spell lohnt dagegen das Zuhören von vorn bis hinten.
Volker Dick



REGGAE
 ALBOROSIE: Specialist Presents Alborosie & Friends  DR. RING DING & SHARP AXE BAND AND FRIENDS: Gwaan And March Forth – Dr. Goldphibes In The Chamber Of Dub  TIKEN JAH FAKOLY: Dernier Appel  MELLOW MOOD: Twinz  MAXI PRIEST: Easy To Love  WILLIAM WHITE: Open Country
ALBOROSIE
Specialist Presents Alborosie & Friends
www.alborosiemusic.com
(Greensleeves Records/VP Records VPGSCD7016/Groove Attack)
Do-CD, 24 Tracks, 89:50


DR. RING DING & SHARP AXE BAND AND FRIENDS
Gwaan And March Forth – Dr. Goldphibes In The Chamber Of Dub
www.ringding.de
(Flat Daddy Records/Broken Silence 06158)
Do-CD, 30 Tracks, 126:23


TIKEN JAH FAKOLY
Dernier Appel
www.tikenjah.net
(Barclay 378 084 - 9/Wrasse Records/Harmonia Mundi)
10 Tracks, 34:20


MELLOW MOOD
Twinz
www.mellowmoodmusic.com
(La Tempesta LTI-014/14/Master Music)
13 Tracks, 48:14


MAXI PRIEST
Easy To Love
www.maxipriest.com
(VP Records VPCD1978/VP Music Group/Groove Attack)
11 Tracks, 44:04


WILLIAM WHITE
Open Country
www.williamwhite.ch
(Eigenverlag 7640151866723/Galileo MC)
Do-CD, 19 Tracks, 94:31


Während der Reggae international zum popmusikalischen Allgemeingut auf hohem musikalischem und produktionstechnischem Niveau geworden ist, hat er seine in den Siebzigern und Achtzigern enorme gesellschaftliche Bedeutung, ganz zu schweigen von der politischen, nahezu vollkommen eingebüßt. Oder aufs – gleichermaßen klassische – dritte Popmusikterrain verschoben: Wohlfühlmusik, wo man hinhört! Selbst wenn Tiken Jah Fakoly, der führende afrikanische Reggaeinterpret von der Elfenbeinküste, den turbulenten Zeiten vollkommen angemessen Max Romeos „War Ina Babylon“ zeitgemäß entstaubt, wirkt das im sodann typisch afrikanisch tröpfelnden leichten Gewand vor allem idyllisch – nur im leichten Gegensatz zum Großteil des Rests des souveränen Kurzalbums, der gelegentlich immerhin nicht nur etwas zupackender, sondern auch angenehm zeitgemäß und frei von den historischen Klangfarben klingt. Näher an die historischen Vorbilder geht Alberto d’Ascola mit Specialist Presents Alborosie & Friends heran: Internationale Erstliga-Gäste von Dennis Brown bis Black Uhuru, Michael Rose bis Horace Andy, Ky-Mani Marley bis Gentleman adeln den Sizilianer, der vor dreizehn Jahren nach Jamaica aufbrach, um von den Gründervätern und ihren Zöglingen zu lernen, als einen der ihren; ihre Interpretationen, ob Klassiker wie „Natural Mystic“ und „Guess Who’s Coming“ oder weniger bekannte Stücke, sind ebenso kompetent wie der überwiegend schwere Roots Reggae mit sanften Dancehall-Beigaben der Band. Auf ähnlich souveräne Begleiter können sich auch der Schweizer William White, gebürtig aus Barbados, und Richard Alexander Jung aus Münster verlassen, der als Dr. Ring Ding seit Jahren vielen nachwachsenden Bands hierzulande den Weg geebnet hat. Beiden, White weniger, Ring Ding deutlich mehr, mangelt es aber an der stimmlichen Klasse und Präsenz internationaler Vorbilder wie etwa Maxi Priest, in den Achtzigern einer der größten Stars des Reggae überhaupt. Easy To Love, das zehnte Album des in London geborenen und aufgewachsenen Jamaikaners, stellt seine Sangesqualitäten neuerlich unter Beweis – kann darüber hinaus aber auch nicht die geringsten über allgemeingefällige Unterhaltung hinausgehenden Argumente aufweisen. Popreggae-Schmuseschnee von gestern, mit dem die nachfolgende Generation der Alborosie-Landsleute Mellow Mood ganz bestimmt nichts anfangen kann. Sie dürften mit Dancehall und Elektro aufgewachsen sein – und so knackig und modern klingt auch ihr drittes Album Twinz; auch noch in seinen rootsigeren Momenten. Eine erwähnenswerte Bedeutung, die nennenswert über das Festival und die Party hinausgehen könnte, ergibt aber auch das noch nicht ...
Christian Beck



WEIHNACHTSALBEN
 QUADRO NUEVO: Bethlehem
QUADRO NUEVO
Bethlehem
www.quadronuevo.de
(Fine Music FM184-2/Soulfood)
20 Tracks, 79:18


Das Akustikquartett aus Süddeutschland präsentiert mit Bethlehem sein zweites Weihnachtsalbum. Die Weisen aus aller Welt für Harfe, Saxofon, Akkordeon und Bass sind im gewohnten Tango-Jazz-Stil arrangiert. Ohne sich sehr an Altbekanntes zu klammern, gelingt es den Musikern, mit Respekt vor der Tradition eine andächtige und fröhliche Stimmung zu schaffen.
Sarah Fuhrmann
 GEORG WADENIUS/JAN LUNDGREN/ARLID ANDERSEN: Jul På Norska  GEORG WADENIUS/JAN LUNDGREN/ARLID ANDERSEN: Jul På Svenska
GEORG WADENIUS/JAN LUNDGREN/ARLID ANDERSEN
Jul På Norska
www.wadenius.com
(Parlophone 0209020CTT/Edel Kultur)
12 Tracks, 50:42


GEORG WADENIUS/JAN LUNDGREN/ARLID ANDERSEN
Jul På Svenska
www.wadenius.com
(Parlophone 0209021CTT/Edel Kultur)
11 Tracks, 43:06


Als gemischtes Doppel kann man die Weihnachtsalben des Jazztrios Wadenius, Lundgren und Andersen betrachten. Man hört förmlich die Schneeflocken fallen. Mit betont ruhigen Interpretationen nehmen sich die routinierten Musiker auf Jul På Norska traditionellen norwegischen Melodien an und lassen mit Gitarre, Klavier und Kontrabass in kammerjazziger Besetzung die Töne in ihrer Schlichtheit dahingleiten. Auf Jul På Svenska wiederholen sie ihr Konzept nun mit Bezug auf Schweden. Da gänzlich ohne Texte, würde vermutlich nur sehr spitzfindigen Kennern eine Unterscheidung gelingen. So kann man die totale Entspannung, die beim Hören des norwegischen Albums einsetzt, hier fortführen.
Sarah Fuhrmann

 ELIZABETH MITCHELL AND FRIENDS: The Sounding Joy. Christmas Songs In And Out Of The Ruth Crawford Seeger Songbook
ELIZABETH MITCHELL AND FRIENDS
The Sounding Joy. Christmas Songs In And Out Of The Ruth Crawford Seeger Songbook
www.youaremyflower.org
(Smithsonian Folkways SFW CD 45074)
24 Tracks, 70:32


In der ersten Hälfte der 1900er-Jahre sammelte die amerikanische Musikerin und Komponistin Ruth Crawford Seeger Folklieder für Kinder. Elizabeth Mitchell hat sich daraus Weihnachtslieder herausgesucht und zu einem Album zusammengestellt. Mit Spielfreude und authentischer Einfachheit bringen Mitchell und ihre Freunde diese nicht nur zu den kleinen Menschen.
Sarah Fuhrmann
 DIVERSE: Acoustic Christmas
DIVERSE
Acoustic Christmas
www.putumayo.com
(Putumayo PUT 340-2/Exil Music)
10 Tracks, 31:02


Putumayo, eine großer Name auf dem musikalischen Markt der thematischen Zusammenstellungen, hat sich hier der Weihnachtszeit angenommen. Und man sieht, ein bisschen Kitsch gehört dazu, aber es muss nicht triefen. Mal in Richtung Country, dann einen Schwenk zum Jazz oder zu Folk, aber immer dem großen Winterfest zu Ehren. Ohne Überraschungen, genau das, was man erwartet. Beim Plätzchenbacken ein guter Begleiter.
Sarah Fuhrmann

 SINATRA TRIBUTE BAND & MAX NEISSENDORFER: Winter Wonderland
SINATRA TRIBUTE BAND & MAX NEISSENDORFER
Winter Wonderland
www.sinatra-tribute-band.ch
(Jawo Records JAW019)
17 Tracks, 66:23


Wer Hollywood-Weihnachtsfilme mag, der wird Winter Wonderland lieben. Von „Let It Snow“ bis „Santa Claus Is Coming To Town“ ist alles dabei. Die Band ist – klar – eine Big Band, und Neissendorfer gibt den Entertainer. Weich wie Marshmallows, glitzernd wie Lichterketten, befinden sich ausschließlich amerikanische Evergreens auf dem Album, die garantiert jeder zumindest mitsummen kann.
Sarah Fuhrmann
 NOBODY KNOWS: Morgen, Kinder, und übermorgen auch. Eine neuverpackte Weihnachtshommage
NOBODY KNOWS
Morgen, Kinder, und übermorgen auch. Eine neuverpackte Weihnachtshommage
www.nobodyknows.de
(Rainsong Records RS0072013/Senna Music)
13 Tracks, 46:03


Das sonst keltischen, nordischen und osteuropäischen Klängen zugewandte Sextett hat mit seinem Weihnachtsalbum eine spaßige Interpretation klassischer Weihnachtsstücke herausgebracht. Mit einer Instrumentation, die an Hausmusik erinnert (Glockenspiel, Querflöte, Geige, Mundharmonika, Gitarre) und meist eher flotten, launigen Spielarten ist dies ein Album, das sich zwar für traditionsbewusste Weihnachtsfeierer eignet, die es aber gerne etwas weniger glatt und glänzend haben.
Sarah Fuhrmann

Afrika
 RICARDO LEMVO & MAKINA LOKA: La Rumba Soyo
RICARDO LEMVO & MAKINA LOKA
La Rumba Soyo
www.makinaloca.com
(Cumbancha CMB CD-31)
11 Tracks, 52:50 , m. engl. Infos


Er ist wieder da, der Afro-Latino-Star, mit einem Gute-Laune-Album erster Güte. Sein zwölfköpfiges Ensemble Makina Loka, das er 1990 gründete, stärkt ihm erneut den Rücken. Dazu gesellen sich zahlreiche Gäste, darunter Akkordeonist Mario Aguilar mit passgenauen Soli und Sängerin Chantal Yal Kizita. Lemvo stammt aus dem Norden Angolas, der Grenzregion Zaire, zur Demokratischen Republik Kongo hin, wo er auch aufwuchs. Als Fünfzehnjähriger siedelte er in die USA über, wo er später Politikwissenschaft studierte. In Los Angeles hat Lemvo bis heute seinen Lebensmittelpunkt. Die stilistische Bandbreite ist enorm. Natürlich bilden Rumba, Samba und Salsa die Grundfesten. Er bedient sich aber auch bei Merengue, Bolero, oder in Würdigung seiner angolanischen Wurzeln bei Kizomba und Semba. Die Stücke gehen fast fließend ineinander über, animieren erwartungsgemäß zum Tanzen. Verbunden sind sie durch Lemvos sonore Stimme. Bemerkenswert, wie oft er die Sprachen wechselt! Natürlich spielt das Thema Liebe die Hauptrolle, bisweilen augenzwinkernd wie in „Padre George“ („Meine Frau ist schwanger, und mein Nachbar ist der Vater!“) oder „Dikulusu“ (da gibt „seine“ Exfrau die Alimente an den Neuen weiter!).
Roland Schmitt



Asien
 DIVERSE: Magic Kamancheh. World Music Instruments – Die Streichlauten Vol. 1: Asien
DIVERSE
Magic Kamancheh. World Music Instruments – Die Streichlauten Vol. 1: Asien
www.noethno.de
(Noethno 1015-19/Galileo MC)
4 CDs, 41 Tracks, 317:50 , plus Buch u. DVD (240:00)


Eigentlich müsste man diesem Bernhard Hanneken eine Ehren-Ruth beim TFF Rudolstadt für sein Lebenswerk verleihen, wenn – ja wenn’s kein Geschmäckle hätte …! Denn Hanneken ist nicht nur seit Jahren künstlerischer Leiter des TFF, sondern parallel dazu auch noch Herausgeber einer CD-Edition über diejenigen (Welt-)Musikinstrumente, die beim TFF das „Special“ bestreiten. Und diese Edition kompiliert Hanneken mit der gleichen Akribie und immensen Fachkenntnis, mit der er auch das alljährliche Programm des TFF zusammenstellt. Auch die aktuelle Ausgabe der Edition ist ein dicker Brocken an kompetenter Information: vier randvolle CDs, ein 96-seitiges Buch (mit Lesebändchen), dazu eine knapp vierstündige DVD mit bewegten Bildern zum Thema. So werden im Buch die wichtigsten Instrumente in Einzeldarstellungen präsentiert, natürlich ist die persische Kamancheh ebenso vertreten wie die abchasische Apkhiartsa oder die indische Taus, eine Streichlaute mit dem Korpus eines Pfaus. Von allen finden wir Bilder und Beschreibungen; auf den beiliegenden CDs gibt’s dann die dazugehörenden Klänge. Tja, wie gesagt: Eigentlich müsste man … Aber das passiert wohl erst, wenn er sich ins Privatleben zurückgezogen hat!
Walter Bast



Australien/Ozeanien
 BRETT HUNT: Dangerous Currents
BRETT HUNT
Dangerous Currents
www.bretthunt.com.au
(Tonetoaster Records TT 01019)
10 Tracks, 36:14 , mit Texten


Es ist nicht leicht, einen Countrysänger wie Brett Hunt zu beschreiben. Die großen Vorbilder wie Willie Nelson oder Johnny Cash hört man zwar auch bei dem Australier heraus, die Atmosphäre auf Dangerous Currents ähnelt aber viel mehr der von irischen Liedermachern wie Christy Moore. Dabei gehört der Künstler musikalisch weder in die eine, noch in die andere Schublade. Sein Fingerpicking ist sein Markenzeichen und eines Ian Melrose würdig. Die Songs klingen sehr rau, so als würden sie von bluesorientierten Rockmusikern eingespielt. Ein akustisches Countryalbum von Rory Gallagher hätte vielleicht so geklungen. Die Texte sind spröde und beschränken sich auf das Wesentliche: „Gonna love you in the mornin’“. Musik, um auf Arbeitssuche zu gehen oder seinen Rausch zu verarbeiten. Das Holzfällerherz wird tief berührt, und der Hörer gerät in Versuchung, seinen Rucksack zu packen und durch die australische Wildnis zu ziehen. Brett Hunt weiß genau, welche Wirkung er erzielt. Jeder Einsatz der Mundharmonika oder der seltenen perkussiven Elemente erfolgt nicht nur als musikalischer Ausdruck seiner Seele. Nein, er möchte beinah berechnend den Zuhörer nur noch tiefer in seinen Bann schlagen, bis dieser ihm und seinen Geschichten verfallen ist.
Chris Elstrodt



Deutschland
 REIJKO KEKKONEN (Hg.): Wiegenlieder aus aller Welt. Mit CD zum Mitsingen. In Zusammenarbeit mit der European Choral Association
REIJKO KEKKONEN (Hg.)
Wiegenlieder aus aller Welt. Mit CD zum Mitsingen. In Zusammenarbeit mit der European Choral Association
(– Europa Cantat, Stuttgart: Carus-Verlag, 2013, mit Noten, orig. Texten, dt. Übe)
ISBN 978-3-89948-182-2 , 24,90 Euro


Und das Kind kann diesen Ritus später wiederum an eigene Kinder weitergeben. So bleiben wichtige menschliche Traditionen lebendig. Singen war schon immer ein Teil der menschlichen Kultur. Darüber hinaus hat das Singen einen wichtigen sozialen Aspekt: Menschen, die zusammen singen, erleben ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und Sicherheit.“ Mit diesen Worten im Vorwort benennt der Herausgeber bereits Intention und Anliegen der Sammlung, die als Buch über 128 Seiten Wiegenlieder aus aller Welt mit Noten, originalen Texten und deutschen Übersetzungen präsentiert. Türkische, chinesische, armenische und italienische Wiegenlieder finden wir neben Liedern aus Lappland, Venezuela oder von den Kanarischen Inseln – jedes einzelne mit großen wunderschönen Farbfotos ergänzt, die bei allen Gemeinsamkeiten auch auf die vielen interessanten Unterschiede der Traditionen hinweisen. Als Besonderheit enthält die Sammlung das international vielleicht bekannteste Wiegenlied, „Guten Abend, gut’ Nacht“ von Johannes Brahms – und zwar in siebzehn Sprachen. Die beigefügte CD verbindet instrumental musizierte Fassungen der Lieder aus insgesamt vierundzwanzig Nationen mit von Muttersprachlern gelesenen Singtexten und erleichtert das unmittelbare Mit- und Nachsingen. Denn genau darum geht es, um das Wiederentdecken und die Wertschätzung des gemeinsamen Singens. Mit der vorliegenden Veröffentlichung wird uns dafür hinsichtlich der praktischen Nutzung eine wertvolle, hinsichtlich ihrer Ausführung aber außerdem auch ausgesprochen schöne Grundlage in die Hand gegeben.
Cathrin Alisch



Besondere
CATCH-POP STRING-STRONG
II
www.catchpopstringstrong.com
(Col Legno WWE 1CD 30009/Harmonia Mundi)
14 Tracks, 52:12


Ihre Musik überfällt mit subversiver Kraft. Man muss sie live erlebt haben, die beiden klassisch ausgebildeten Streicherinnen von Catch-Pop String-Strong, jede geboren in einem anderen Teil Jugoslawiens. Rina Kaçinari verbrachte ihre Kindheit in der Kosovohauptstadt Pristina, Jelena Popržan stammt aus Novi Sad, der Kapitale der Wojwodina. Zusammen sind sie Catch-Pop String-Strong. Anders als Jelena Popržan an der Bratsche ist die Cellistin Rina Kaçinari mit traditioneller Musik aufgewachsen, hat sie auf Familienfesten gehört und nie vergessen. Immer wieder funkeln Fragmente dieser Melodien durch die eigenen Kompositionen. Diese Frauen haben nicht nur eine große Lust am Melodienerfinden, sie singen in  CATCH-POP STRING-STRONG: II vielen Sprachen – Albanisch, Türkisch, Italienisch, Englisch und Deutsch. II bringt auch vertonte Literatur wie einen Ausspruch von Johann Nestroy über all „die guten Menschen“. Es gibt noch weitere Wiener Aphorismen auf dem neuen Album von Catch-Pop String-Strong, mit denen sich die beiden Künstlerinnen die Kultur ihrer Wahlheimat Österreich aneignen. Doch mehr noch als von gelebter Vergangenheit ist der Klang von Catch-Pop String-Strong durchs Unterwegssein geprägt. Und vom Alltag zwischen den Reisen. Jelena Popržan singt über die Gehirnwäsche, die man erlebt, wenn man einen Popsong so oft hört, bis man ihn nicht mehr ertragen kann. Beide Künstlerinnen zupfen die Saiten mit atemberaubender Virtuosität und trommeln immer wieder auf die hölzernen Körper ihrer Instrumente. Ein Miniorchester auf insgesamt vier Beinen, wo Präzision und Freiheit im Spiel einander bedingen. Dabei weben sie einen dichten Klang aus Naturtönen. Das Album Catch-Pop String-Strongs ist ein Manifest der Vielfalt. Es gibt nostalgisches Schwelgen, feine Ironie und derben Humor. Anarchistisch klingt diese Musik, ausgelassen, aber auch elegisch. Wie bei einem albanisch-türkischen Lied über die Morgendämmerung, dem bewegenden Schlusspunkt auf dem Album von Rina Kaçinari und Jelena Popržan.
Grit Friedrich
MIGUEL RIVERA
Paseo De Ensueño
www.miguelrivera.es
(Karonte/Nuba Records/Galileo MC)
11 Tracks, 56:00 , mit span. Texten u. Infos


„Der Tod suchte mich an einem Frühlingsmorgen; und als er vor mir stand, sagte ich ihm ins Gesicht, dass er Geduld haben soll. Eines Morgens im Mai kam ich aus einem Traum ins Leben zurück – dank Soleá und Taranta, an der Hand meiner Negra, meiner Eva und meiner Sonanta“ [Soleá und Taranta sind Flamencogenres, die Sonanta ist eine Flamencogitarre, Übersetzung aus „La Corrala“; Anm. d. Verf.]. Miguel Rivera bereiste mit seiner Flamencogitarre lange Jahre die halbe Welt. Pro Jahrzehnt spielte er ein neues Album ein, mehr nicht. Paseo De Ensueño entstand zwischen Chemotherapiesitzungen im Kampf gegen den Krebs. Der Wille, dieses Album fertigzustellen, die Liebe zu seiner Frau  MIGUEL RIVERA: Paseo De Ensueño (Mi Negra), seiner Tochter Eva, zur Gitarre und nicht zuletzt dem Flamenco haben ihn am Leben erhalten. So jedenfalls singt der Cantaor Saúl Quirós im Stück „La Corrala“. Paseo De Ensueño ist ein reifes Werk geworden. Schon bei den ersten zwei Stücken, zwei Eigenkompositionen, beweist Miguel Rivera Mut. So gelassen und ruhig hat noch kaum ein Flamencogitarrist ein Album eröffnet. Rivera ist ein Meister der Zwischenräume. Jeder einzelne Ton hat seine Bedeutung. Ein weiterer Höhepunkt des Albums ist das von Rafael Riqueni geschriebene Titelstück. Der dichte gitarristische Dialog zwischen Miguel Rivera und Rafael Morales ist eine Mischung aus Flamenco und E-Musik. In der zweiten Hälfte nimmt das Werk zuweilen Tempo auf – mit einer Bulería, einer Rumba, die er für seine Tochter schrieb, Gastspielen diverser Flamencosänger sowie einer Flöteneinlage von Jorge Pardo. „Pasajeros En El Tiempo“, ein leicht angejazztes Stück mit Klavier, Palmas, Percussion und dem Cante von Argentina, einer jungen andalusischen Cantaora, ist der Ausklang eines der poetischsten Flamencoalben der letzten Zeit. Der Gewinn aus den Verkäufen des Albums fließt in die Fundación uno entre cien mil, ein Hilfswerk für Kinder mit Leukämie. Dem Mann gebührt Respekt.
Martin Steiner

Bücher
 LÜÜL: Und ich folge meiner Spur ...
LÜÜL
Und ich folge meiner Spur ...
www.lüül.de
( – Völlig neu überarb. u. aktual. Ausg. – o. O. : Eigenverl., 2014. – 397 S.)
ISBN 978-3-00-045438-7 , 15,00 Euro


Das Angebot an Büchern über die deutsche Musikszene der späten 1960er und frühen 1970er, in der sich Krautrocker, Jazzer, Folkies und Elektroniker ein fröhliches und wildes Stelldichein gaben, ist reichlich: opulente Bildbände mit Plattencovern, leidenschaftliche Pamphlete von Fans, Doktorarbeiten von Spätgeborenen und immer wieder Biografien und Autobiografien. Zu den informell ergiebigsten zählen da wohl Helmut Wenskes Rock ’n’ Roll Tripper II, Julian Copes Krautrocksampler und Ingeborg Schobers unübertroffenes Amon-Düül-Porträt Tanz der Lemminge. Seit Kurzem gibt es auch die Memoiren des Agitation-Free-Gitarristen Lutz Ulbrich (geb. 1952) in einer Neuauflage. Ulbrich, besser bekannt unter seinem Spitznamen „Lüül“, hatte seine Lebenserinnerungen bereits 2006 bei Schwarzkopf & Schwarzkopf vorgelegt (Lüül – ein Musikerleben). In dem Buch beschreibt er in lakonischer Aufsatzform seinen (musikalischen) Lebensweg von den Anfängen als fünfzehnjähriger Aushilfsgitarrist, über die Gründung der Berliner Krautrockformation Agitation Free, seine Lebens- und Drogengemeinschaft mit Velvet-Underground-Ikone Nico bis hin zu seinen aktuellen Projekten als Theatermensch und Mitglied der 17 Hippies. Zur Lesbarkeit: Ulbrich hat eine angenehm direkte Sprache, die Kapitel sind überschaubar und eignen sich so auch fürs Lesen zwischendurch. Das Charmante an Lüüls Autobiografie ist aber letztlich sein Humor und seine positive Lebenseinstellung: Always look on the bright side of life ...
Walter Bast
 The Great Australian Songbook: The Ultimate Collection.
The Great Australian Songbook
The Ultimate Collection.
www.musicsales.com
(– Sydney : Music Sales, 2013. – 539 S. : nur Noten, Texte u. Akk.)
ISBN 978- 0-949785-30-5 , 48,95 Euro


Ein ganz schöner Brocken ist das Songbuch der dreihundert beliebtesten (Folk-)Songs Australiens. Es ist bereits die vierte Auflage des Werks, welches 1993 erstmals erschienen ist und sich größter Beliebtheit in Australien erfreut. Das Buch enthält in dieser Auflage mehr als einhundert Songs zusätzlich aus sieben Jahrzehnten australischen Musikschaffen der bekanntesten Musiker und Songwriter Australiens. Laut Autor geben die Songs neben der Geschichte Australiens auch das Lebensgefühl der Menschen aus „Down Under“ wieder, aber leider enthält das Buch keinerlei Erklärungen zu den Songs, sodass das für Nicht-Aussis schwer nachvollziehbar ist. Alphabetisch nach Songtiteln geordnet, werden die Songs mit Melodienoten, Texten und Akkordangaben sowie Grifftabellen abgedruckt. Außer der alphabetischen Titelliste gibt es leider kein weiteres Register. Auch ist die Sammlung nicht ganz preiswert, was aber für Fans australischer Musik vielleicht kein Kaufhindernis ist.
Doris Joosten

Deutschland
 DIVERSE: Poem – Leonard Cohen in deutscher Sprache
DIVERSE
Poem – Leonard Cohen in deutscher Sprache
www.checkyourhead.de
(Columbia/Sony)
17 Tracks, 79:19 , mit dt. Texten u. Infos


Er wird zu Recht in einem Atemzug mit Neil Young, Bob Dylan und Townes Van Zandt genannt: der Poet und leise Rebell Leonard Cohen. Anlässlich seines achtzigsten Geburtstages erschien nun, quasi als Verbeugung vor diesem bedeutenden Künstler, das Album Poem – Leonard Cohen in deutscher Sprache. Der Berliner Autor, Übersetzer und Songschreiber Misha G. Schoeneberg hat siebzehn Songs des kanadischen Singer/Songwriters ins Deutsche übertragen und von Künstlern wie Karsten Troyke, Max Prosa, Tim Bendzko, Anna Loos, Jan Plewka, Manfred Maurenbrecher, Nina Hagen, Reinhard Mey und anderen interpretieren lassen. Herausgekommen ist eine bemerkenswerte Anthologie, die einige echte Songperlen offeriert. Ausnahmen: Das Castingduo Mrs. Greenbird benutzt allerlei elektronischen Schnickschnack, die Stimme von Steffen Brückner wirkt flach, die Kleinmädchenstimme von Partnerin Sarah Nücken nervt. Einige Beteiligte an dem Projekt nennen sich bezeichnenderweise Beautiful Losers. Ihre Version von „Hallelujah“ kann nur als Hinrichtung eines ursprünglich großartigen Songs empfunden werden. Dennoch: Der Titel Poem ist zutreffend, denn es ist tatsächlich vertonte Lyrik, die auf diesem insgesamt sehr besonderen Album zu Gehör gebracht wird.
Kai Engelke
 ELEMENT OF CRIME: Lieblingsfarben und Tiere
ELEMENT OF CRIME
Lieblingsfarben und Tiere
www.element-of-crime.de
(Universal Music Group/Vertigo Berlin)
10 Tracks, 37:15 , mit dt. Texten u. Infos


Die Klänge fließen entspannt und unaufgeregt dahin. Wie ein breiter Strom, der ruhig und kraftvoll seinem Ziel zustrebt, entfaltet die Musik eine nahezu hypnotische Energie, die tief ins Bewusstsein eindringen kann. Kein Instrument tritt mehr als nötig in den Vordergrund. Die Band agiert hochprofessionell und unangestrengt. Sven Regeners verhaltenes Spiel auf der gestopften Trompete setzt zusätzliche Akzente. Die Grundstimmung ist auf eine angenehme Weise melancholisch. Dazu singt Regener seine Texte, als sei er mal eben zufällig ins Studio hereingeschneit und formuliere nun, was ihm just in diesem Moment in den Sinn kommt. Natürlich ist es nicht so, aber genau darin besteht ja gerade die Kunst, nämlich das sorgfältig Durchdachte leichtfüßig und wie selbstverständlich klingen zu lassen. Wer kann es sich schon leisten, Zeilen wie die folgende in einem Lied unterzubringen: „Im Schwachstromübertragungsweg gibt es Durchleitungsprobleme …“? Regener kann es. Inhaltlich geht es meist um verlorene Liebe, enttäuschte Hoffnungen und bittersüße Erinnerungen. Sven Regener ist ein Musiker und Schriftsteller, der in seinen Texten zum Ausdruck bringt, was mit Worten häufig nur schwer zu sagen ist.
Kai Engelke

 HAMBURG KLEZMER BAND: Tunklgold
HAMBURG KLEZMER BAND
Tunklgold
www.hamburgklezmerband.com
(Da Casa Records/Galileo MC)
13 Tracks, 62:55 , mit engl. Infos


Ganz fünf Jahre sollte es dauern, bis diese 2007 gegründete Formation aus Hamburg, wenn auch zwischenzeitlich mit mehreren Umformierungen, ihr nunmehr zweites Album veröffentlicht hat. Dabei handelt es sich hier nicht um, man möchte beinahe sagen „noch eine weitere deutsche Klezmerband“, sondern ganz im Gegenteil um Musik, die über die üblichen jiddischen Pfade eigene und vor allem auch mitreißende Wege geht. Stanislav Dinerman (acc), Kateryna Ostrovska (v, g), Mikhail Misha Manevitch (tuba), Christian Dawid (cl, fl, voc) und Stanislav (Jona) Rayko (viol) bringen in Stücken wie „In Ades“, „Borscht“ oder „Monastrishter“ den zeitgenössischen Klezmer wieder zurück zu seinen Ursprüngen: Einladend rhythmische Arrangements animieren zum Mittanzen. „Stiller Abend. Dunkelgold. Ich sitz beim Gläschen Wein. Was blieb mir noch von meinem Tag?“ – so beginnt der letzte Vers von Itzik Mangers (1901-1969) Gedicht, das er natürlich in jiddischer Sprache schrieb, und „dunkel“ ist mit „tunkl“ zu ersetzen, wie im Titel des Albums. Bemerkenswert in Verbindung mit Mangers Träumereien sind in jedem Fall die dem Booklet beigefügten Gemälde Pavel Ehrlichs, die das in allem stimmige Album abrunden. Weiter so!
Matti Goldschmidt
 KÖSTER/HOCKER: Kumm jank
KÖSTER/HOCKER
Kumm jank
www.gerd-koester.de
(GMO – The Label 049-2/Rough Trade)
13 Tracks, 59:34 , mit Texten


Besinnliches trifft auf Belachbares, Melancholie auf Lebensfreude – so sind sie, die Kölschen. Immer gepolt zwischen extremen Befindlichkeiten. Wie „Yin und Yangk“ sind seit über 25 Jahren auch Gerd Köster und Frank Hocker. Einer ist ohne den anderen kaum vorstellbar. Der eine, Köster, ist einer der genialsten Texter, den die Kölner Mundartszene derzeit vorzuweisen hat, mit untrüglichem Gespür für Themen aus dem kölschen Milieu und einem scharfen Blick für die skurrilen und absurden Aspekte des Lebens. Der andere, das Yangk sozusagen, ist der kongeniale Komponist und Gitarrist Frank Hocker, der es immer wieder versteht, Kösters Texten die Melodien silbengenau maßzuschneidern und sie in ein sehr abwechslungsreiches Gewand aus Folk, Blues und akustischem Rock zu kleiden, zu „Kölschangsongs“ jenseits jeglicher Schunkelseligkeit. Das dynamische Duo wird vom fantastischen Friesen, dem Ex-BAP-Gitarristen Helmut Krumminga, zu einem trefflichen Trio erweitert, Buddy Sacher an der E-Gitarre, Thomas Flake am Bass und Roland Peil (Percussion) sowie Piet Haaser an den Tasten vervollständigen das Line-up dieses grandiosen Albums, auf dem es erstmals seit langer Zeit auch wieder eine neue Tom-Waits-Adaption, „The Long Way Home (Ömwääch heim)“, zu hören gibt. Schlicht genial!
Ulrich Joosten

 CYNTHIA NICKSCHAS: Kopfregal
CYNTHIA NICKSCHAS
Kopfregal
www.cynthiaandfriends.de
(Sturm & Klang/Laut & Luise/Al!ve)
10 Tracks, 45:59 , mit Infos u. dt. Texten


Sie ist ohne Zweifel eine neue, kraftvolle Stimme aus der häufig geschmähten „Generation Merkel“. Cynthia Nickschas selbst tituliert ihre oft trägen Altersgenossen als „Generation Blöd“. Sie benutzt eine derbe Sprache, um ihre Wahrheiten auszudrücken. Ihr stimmliches Spektrum ist wirklich beeindruckend: Sie kann von zart bis hart, von rau bis weich; mal gibt sie die Elfe, mal die freche Punkgöre. Und alles durchaus glaubhaft. Ein ironischer Song über die Austauschbarkeit der Castingstars („Niveau“) kommt als Reggae daher; das Lied „Gedankensalat“ thematisiert das Ringen um den richtigen Weg; der Song „Verdummt genug“ ist ein verzweifelter Schrei gegen Dummheit, Ignoranz und Abgestumpftheit. Die von Manuel Randi virtuos gespielte Flamencogitarre gibt dem Song Tiefe und Glaubwürdigkeit. Den Finger in Wunden zu legen, ist absolut richtig; doch gleichzeitig Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, kann schnell in Banalität münden: „Alles, was du weißt, ist nur ein Bruchteil von dem, was dir bevorsteht, bis dein Weg zu Ende geht.“ Na ja … Aber eines ist völlig klar: Cynthia Nickschas hat das Zeug, frischen Wind in die deutschsprachige Liederszene zu pusten.
Kai Engelke
 NOBODY KNOWS: Kleinstadtrhapsodien
NOBODY KNOWS
Kleinstadtrhapsodien
www.nobodyknows.de
(Prosodia 4280000827029)
13 Tracks, 43:30


Beim Betrachten des Covers denkt der Hörer: „Oh nein, das wird so eine moderne Liedermacherplattitüde.“ Dann hört man die ersten Töne und denkt: „Noch schlimmer, das wird ein Irish-Folk-Punk-Klon.“ Und dann zerreißt es einen vor Begeisterung. Auf zwölf Eigenkompositionen sausen die Musiker in bester Cochise-Manier durch die Schubladen und verbreiten Spielfreude, Humor und Lebensenergie. Man hört die Musiker durch ihre Instrumente lachen und bereitet sich mit ihnen auf den nächsten Schabernack oder auf die nächste große Party vor. Dabei ist das Etikett „Irish Folk Punk“ gar nicht so falsch. Aber auch nicht richtig. So wird die Folkband, die es immerhin seit 2003 gibt (wobei die Musiker jünger aussehen), von Zillo auf Mittelaltersamplern verwurstet. Die durchweg deutschen Texte sprengen ebenfalls jedes Klischee. Mit Rapunzel- und Wilhelm-Busch-Zitaten haben Nobody Knows auch einen eigenen Weg zur Coolness gefunden, der sich so wohltuend vom „Die-Stadt-ist-so-grau-aber-ich-liebe-dich-so-sehr“-Einerlei der neuen deutschen Kleinkunstszene abhebt. Sich mit einer Coverversion der großen Toss the Feathers zu verabschieden, grenzt an Angeberei. Nobody Knows bringen frischen Wind auf deutsche Bühnen und lassen dankbare Hörer zurück.
Chris Elstrodt

 PETER TILCH: Von Schönheit und Semmelknödeln – Chansons
PETER TILCH
Von Schönheit und Semmelknödeln – Chansons
www.petertilch.de
(TYXart/Chromart Classics TXA14048)
12 Tracks, 67:12 , mit Texten


Dass ein Künstler sich auf den großen und den kleinen Bühnen umtut, ist ungewöhnlich und verdient Beachtung. Peter Tilch ist als Bariton seit Jahren festes Ensemblemitglied am Landestheater Niederbayern, spielt außerdem Klarinette und tritt mit eigenen Kabarettchansons am Klavier auf. Da ist für eine ganz ausgezeichnete musikalische Grundlage schon mal gesorgt, und famose Musiker unterstützen ihn auf seinem Album zudem. Doch nicht nur musikalisch überzeugen die Lieder. Er ist ein sehr gekonnter und versierter Texter, der feinfühlig beobachtet und mit viel Witz seine Themen aufspießt. Sein genauer Blick erkennt ganz schön viel Oberflächliches. Macht Denken hässlich? Werden unserer Politiker immer schöner? Wie schön ist es, wenn man den ganzen Blödsinn nicht mehr hören kann? Wie verloren ist man, wenn man sein Handy verloren hat? Existenzielle Fragen mithin, da ist es gut, wenn man wenigstens eine ordentliche Rentenversicherung hat. Ganz wunderbar auch, wenn er das doch eher einfache Rezept für altbayrische Semmelknödel mit warmem Pathos singt. Ein Ohrenschmaus der besonderen Art, von dem hoffentlich noch einiges mehr in der Zukunft serviert wird.
Rainer Katlewski



Europa
 YANN LOUP ADAM: Carte De Visite
YANN LOUP ADAM
Carte De Visite
www.yannloup.de
(Leico 8775)
17 Tracks, 71:02 , mit frz. u. dt. Texten


Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm! So verhält es sich auch beim Debütalbum von Yann Loup Adam, gerade mal 23 Jahre jung und Sohn des lothringischen Liedermachers Marcel Adam. Wer Yann live erleben durfte, staunt über dessen Fingerfertigkeit auf der Gitarre. Seit geraumer Zeit ist er solo am Start, orientiert sich konzeptionell gewiss an seinem Vater, versucht aber durchaus, sich freizuschwimmen. Als in der deutsch-französischen Grenzregion lebender Künstler präsentiert sich Adam Junior entsprechend vielfältig, in den Sprachen (inklusive des Sarregueminer Dialekts) und mit den Stilen (unter anderem klassisches Chanson, Francopop, Blues), mit denen er aufgewachsen ist. Das Album ist vollgepackt, entspricht in etwa seinem Liverepertoire, glänzt mit erstaunlich reifen Eigenkompositionen („New York Country“, „Le Coeur Et La Cervelle“), zu denen der Papa bisweilen auch die Texte lieferte (unter anderem zur Hommage „Ray Charles“, zu „Der Emigrant“). Etliche Gastmusiker sorgen für eine sehr professionelle Produktion. Mancher Coversongs hätte es nicht bedurft, „Bleib mein Freund“, die einst von Jasemin Bonnin ins Deutsche übertragene Version von Tom Paxtons „The Last Thing On My Mind“ mal ausgenommen.
Roland Schmitt
 BALTIC CROSSING: The Tune Machine
BALTIC CROSSING
The Tune Machine
www.balticcrossing.dk
(GO’ Danish Folk Music GO0614 EP)
13 Tracks, 50:27 , engl. Info


Das aus Teilen von Mikrofonen und Musikinstrumenten zusammengebastelte Cover suggeriert Weltraumatmosphäre. Das lässt nicht vermuten, dass es sich hier um traditionelle, modern arrangierte Folkmusik handelt – wenn man Baltic Crossing nicht kennen würde. Seit zehn Jahren spielen sie nun zusammen, virtuos, und was ihre hohe Musikalität unterstreicht: Die fünf Musiker können sich zurücknehmen. So gibt es hier nicht nur laute, schnelle Stücke wie die Polska „Risumäki Satiainen“ oder die Polka „Goodnight Salonkylä“, die ihren Ursprung in Schottland hat und nun eines der beliebtesten Stücke der finnischen Fiddler ist, sondern auch leise melancholische wie das March-Set „Central Point“ oder „Wedding Guests“. Auch wenn der Klang der Gruppe von den skandinavischen Fiddles bestimmt wird, vielleicht bis auf „Emily Rock“, so tragen doch die beiden Mitspieler aus UK immer wieder zu anderen Klangfarben bei. So gut kann die grenzübergreifende Zusammenarbeit funktionieren. Anerkannt wurde das auch durch das „Rising Stars Program“ der European Concert Hall Organisation (ECHO), die Baltic Crossing als erste Folkgruppe 2011 zu einer Tournee durch die großen Konzerthäuser in Europa eingeladen hatte.
Bernd Künzer

 MICHELLE BURKE: Step Into My Parlour
MICHELLE BURKE
Step Into My Parlour
www.michelleburkemusic.com
(Kilcronat Records KLC002CD)
10 Tracks, 41:36 , mit engl. Infos


Bei manchen Alben erfüllt es einen mit Freude, dass sich Downloads noch nicht durchgesetzt haben. Weil nämlich alles stimmig ist, Musik und Verpackung. Michelle Burkes neues Werk ist ein Paradebeispiel. Das Werk ist zwar von parlour, also dem Salon oder Wohnzimmer ihrer Kindheit in Irland inspiriert, und Burke ist eine junge Dame, aber optisch und akustisch steht die Veröffentlichung für die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts, ohne allerdings die Folkwurzeln zu verleugnen. Das wäre für Burke auch schwierig. Die Irin lebt seit Jahren in Edinburgh und kann als Empfehlung unter anderem das Sängerinnenamt bei Cherish the Ladies auflisten. Und auch bei den Begleitern arbeitet sie mit den besten. Ein Auszug: Cathal McConnell von den Boys of the Lough singt und flötet, Heidi Talbot duettiert, James Ross am Piano, Anna Massie an der Gitarre – erlesener kann man kaum musizieren. Das Material ist eine ziemlich gerechte Aufteilung zwischen Trad und Zeitgenössischem. Musiker brennen Songs kaum je beliebig auf CD, aber in Burkes Fall ist klar: Hier hatte eine Künstlerin ein Konzept und das hat sie durchgezogen, bis hin zum Sherry, der natürlich im parlour getrunken wird. Wunderbar!
Mike Kamp
 ANTONIO CASTRIGNANÒ: Fomenta – Ilenu De Taranta
ANTONIO CASTRIGNANÒ
Fomenta – Ilenu De Taranta
www.galileo-mc.de
(Ponderosamusic & Art, CD123/Galileo MC)
9 Tracks, 41:36 , mit Texten


Bei manchen Alben sollte man sich vorgängig vergewissern, wer mitspielt und welche Instrumente zum Einsatz kommen. Beim neuen Werk des Apuliers sollte man zuerst reinhören. Da sind, wie schon auf dem Vorgängeralbum Mara La Fatìa, verschiedenste Trommeln, Saiteninstrumente, ein Akkordeon, Dudelsack und natürlich der eindringliche Gesang und die treibenden Pizzicarhythmen. Doch auf Fomenta sind auch türkische Einflüsse herauszuhören. Ein Blick ins Beiheft bestätigt das. Produziert hat das Album der Türke Mercan Dede, der mit seiner mit Samples und Elektronikklängen angereicherten Sufimusik weltbekannt wurde. Nicht weniger als vier Musiker bedienen auf Antonio Castrignanòs aktuellem Album Synthesizer und andere elektronische Klangerzeuger. Diese verweben sie so geschickt in den apulisch-türkischen Klangteppich, dass man kaum merkt, was hier akustisch und was elektronisch erzeugt wurde – etwa der repetitive Gesang am Anfang der „Pizzica Di Uccio“, der wohl aus der mongolischen Steppe stammt. Wie auch immer, die eingesetzte Elektronik fügt sich nahtlos ins Klangbild ein und sorgt für zusätzliche Dramatik. Intensiv und hörenswert.
Martin Steiner

 JOSIENNE CLARKE & BEN WALKER: Nothing Can Bring Back The Hour
JOSIENNE CLARKE & BEN WALKER
Nothing Can Bring Back The Hour
www.josienneclarke.co.uk
(Folkroom Records FRR1401)
13 Tracks, 42:59 , mit engl. Texten


Clarke & Walker sind zwei englische Spezialisten für Melancholie und daher auf Tonträger nicht gerade massenkompatibel. Live wird die Stimmung allerdings durch die herrlich witzigen und skurrilen Ansagen bestens aufgehellt. Ihre Arbeitsteilung haben die beiden bei ihrem Zweitling beibehalten. Clarke schreibt die Lieder und singt höchst bezaubernd, Walker zupft die Gitarre und schreibt die Orchesterarrangements. Richtig, dieses Mal haben sie sich Mitmusiker in Orchesterstärke und -besetzung ins Studio geholt – Bläser, Streicher, Percussion, alles was dazu gehört, neben Folk auch mal jazzig, mal funkig, mal klassisch. Wenn wir dann noch die Aufmachung des Booklets und die Fotos berücksichtigen, entsteht der Eindruck einer breiten und szenischen Filmmusik. Der Streifen würde dann wahrscheinlich im 19. Jahrhundert spielen. Wie gesagt, nicht jedermanns Sache, aber gut, sehr gut sogar.
Mike Kamp
 DIVERSE: 40 Years’ Credibility
DIVERSE
40 Years’ Credibility
www.kkv.no
(Kirkelig Kulturverksted FXCD 400)
48 Tracks, 211:00 , mit 32-seitigem Booklet


Zum vierzigsten Geburtstag gönnte sich das norwegische Label Kirkelig Kulturversted eine 4-CD-Box. Der Hörer erlebt noch einmal die Entwicklung der Folkmusik dieses skandinavischen Landes – vom traditionellen Folk hin zur modernen Crossover-Weltmusik. Bekannte Namen wie Bjørn Eidsvåg, Kari Bremnes oder Iver Kleive haben für dieses älteste Label Norwegens aufgenommen. Gründer Erik Hillestad feiert auf jeder CD ein Jahrzehnt mit jeweils zwölf Titeln. Die Zeit 1974-1983 dokumentiert das Zusammenkommen von weltlicher und kirchlicher Musik, also von Folk und Chormusik. 1984-1993 hört man neue Töne, die Musik greift mehr moderne Formen auf und präsentiert auch einen Spiritual wie „Motherless Child“. Die Epoche 1994-2003 baut Brücken und ist geprägt vom Austausch mit östlichen Kulturen, zum Beispiel mit Musikern aus Aserbaidschan. 2004-2013 hat sich das Label längst als weltoffene Plattform unterschiedlichster Musiktraditionen etabliert – egal, ob sie nun aus Norwegen oder dem Iran kommen. Was alle CDs verbindet: Die Aufnahmen sind sehr atmosphärisch, oft kontemplativ und klingen durchgehend hervorragend. Der Rückblick macht die Bedeutung des Labels für die Musik Norwegens bewusst.
Udo Hinz

 DIVERSE: The Elizabethan Session
DIVERSE
The Elizabethan Session
www.folkbytheoak.com/tes
(Quercus Records QRCD001)
14 Tracks, 53:08 , mit engl Texten u. Infos


Oh dear, wie fasst man sich bei einem solchen Projekt kurz? Worum geht’s? Sieben Top-Folkmusiker aus England (Emily Askew, Bella Hardy, Nancy Kerr, Hannah James, Jim Moray, Martin Simpson und John Smith) und eine Schottin (Rachel Newton) schlossen sich sieben Tage weg, um ein von der English Folk Dance and Song Society und dem Festival Folk by the Oak kommissioniertes Projekt durchzuziehen: Lieder mit elisabethanischen Themen und Gefühlen zu schreiben, die aber trotzdem nicht antiquiert klingen sollten. Nur zur Erinnerung: Elisabeth I. regierte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, zur Zeit Shakespeares also. Das Album wurde direkt im Anschluss an die Klausur innerhalb von zwei Tagen eingespielt, und was da aus den Lausprechern kommt – Respekt! Die Themenauswahl ist breit, der fast soulige Song „London“ schildert die brutalen und harten Lebensbedingungen dieser Zeit, Themen sind Sklavenhandel, Liebe und Betrug sowie Lieder über Zeitgenossen wie Christopher Marlowe. Die Musik entstand durch intensive Zusammenarbeit, auch wenn sich die Originalidee manchmal auf eine Person zurückverfolgen lässt, und die Namen der Musiker bürgen für höchste Qualität. Das muss reichen. Was bleibt zu sagen? Selber hören, es lohnt!
Mike Kamp
 GRIFF TRIO: Yoraré
GRIFF TRIO
Yoraré
www.griff.be
(Home Records 4446109)
17 Tracks, 66:04 , Booklet mit Texten u. engl. Zusammenfassungen


Griff ist eine belgische Band, die ihre bisher vier Alben abwechselnd als Sextett und als Trio aufgenommen hat. Nun war wieder ein Trio an der Reihe. Es besteht diesmal aus Raphael de Cock, Rémi Decker und dem neuen Mitglied Colin Deru. Alle drei spielen Dudelsack, alle drei spielen Flöte, alle drei singen, alle drei können alles sehr gut. Die Stücke sind meist entweder instrumental oder a cappella. Dudelsäcke scheinen für das Selbstverständnis der Band wichtig zu sein, ihr Motto lautet „bagpipes but no kilt“. Doch die Flöten, die manchmal wie eine Drehorgel zusammenklingen, sind meist interessanter. Auf „Yoraré“ hat sich das Trio ganz auf traditionelle belgische Musik konzentriert, auf Balladen, Trinklieder, Schäferrufe. Trotz des ausgesprochen traditionellen Materials wirkt das Album stylisch, näher oft an hochkultureller Konzeptkunst als an bodenständiger Folkmusik.
Christian Rath

 HUBERT Von GOISERN: Filmmusik  DIVERSE: Steilklänge – ausgewählt von Hubert von Goisern
HUBERT Von GOISERN
Filmmusik
www.hubertvongoisern.com
(Capriola/Sony/Blankomusik)
16 Tracks, 49:57 , mit dt.Infos


DIVERSE
Steilklänge – ausgewählt von Hubert von Goisern
(Capriola/Sony/Blankomusik)
28 Tracks, 67:27 , mit dt. Infos


Zwei Jahre war der Erfinder des „Alpenrocks“ nicht mehr auf Konzertbühnen anzutreffen. Diese Zeit nutzte er intensiv für andere Projekte, aus denen beide vorliegenden Alben entstanden. Zum einen wurde er gebeten, die Filmmusik für den sehr aufwendig produzierten Dokumentarfilm Österreich: Oben und unten zu entwickeln. Zwei Monate arbeitete von Goisern daran, weil er orchestralen Sound haben wollte. Dabei kooperierte er mit Professor Robert Opratko, da doch unerwartete Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit dem Orchester auftraten. In einem Interview sagte er dazu: „Ein Jodler hat keinen Takt, hat keinen Puls, sondern ist einfach frei in die Welt hinausgesungen. Und dass dann ein Orchester dazu spielen soll, das hat es notwendig gemacht, dass er aufteilt in Taktstruktur, um es dirigieren zu können.“ Herausgekommen ist ein sphärischer Sound der Goisern-Songs mit vielen verhallten Jodlern. Musik, die die Nerven beruhigt zum Feierabend – aber eigentlich braucht man die Bildergewalt des Films. Neben den Dreharbeiten für den Kinofilm Brenna tuats schon lang gab es dann das dritte große Projekt, die Musikkonzeption für die Großglockner-Dauerausstellung „Alpenliebe“. Geplant war eine Stunde traditionelle Musik aus dem gesamten Alpengebiet für einen Ausstellungsraum mit interaktiven Abspielmöglichkeiten. Letztendlich wurden es 99 Stücke, die von der Neugier des einundsechzigjährigen Hubert von Goisern auf die benachbarten Musikkulturen geprägt sind und von seinem ernsthaften Umgang mit fremden Traditionen. So wählte er für die Auswahl auf Steilklänge Dudelsackmusik aus Kärnten neben Volksmusik aus dem Piemont mit Drehleier, Akkordeonmusik aus der Lombardei neben einem italienischen Kirchenchor aus Friaul, Maultrommel-Variationen aus der Schweiz neben slowenischen Mehrstimmigkeiten. Und natürlich immer wieder Jodler aus den verschiedenen Gebieten. Ein eigener Song bildet den Abschluss.
Piet Pollack
 MARTYN JOSEPH: Kiss The World Beautiful
MARTYN JOSEPH
Kiss The World Beautiful
www.martynjoseph.com
(Pipe Records PRCD25)
11 Tracks, 47:02


Das Musikgeschäft ist manchmal kriminell, und es ist schlicht kriminell, dass Martyn Joseph in Deutschland kaum bekannt ist. Das wird ihn kaum stören, denn er hat Arbeit genug, aber es sollte uns sehr stören, denn wir verpassen einen einzigartigen Künstler. Drei Jahrzehnte im Geschäft, über dreißig Alben veröffentlicht und Konzerte in den USA, Kanada und quer durch Europa, nur in Deutschland ganz, ganz selten. Dabei hat der Mann aus Wales so viel zu bieten. Großartige Songs in der Art eines akustischen Bruce Springsteen, aber eigenständig, Songs mit einem ausgeprägten sozialen Bewusstsein, gesungen mit einer kraftvollen und emotionalen Stimme, die das Publikum unfehlbar packt. Wofür steht Martyn Joseph? Man sollte sich „Call It Democracy“ anhören und danach den Titelsong des Albums, stellvertretend für all das Falsche auf der Welt, und warum es sich trotzdem lohnt zu kämpfen. Oder besucht die Website seiner Stiftung www.letyourself.net. Für diese Stiftung hat er sein aktuelles Werk eingespielt, einen Querschnitt seines Programms (plus einmal Woody Guthrie und einmal Bruce Cockburn), nur Gitarre und Gesang, live – und umwerfend. Bringt den Mann nach Deutschland, und zwar regelmäßig!
Mike Kamp

 DIDIER LALOY/KATHY ADAM: Belem
DIDIER LALOY/KATHY ADAM
Belem
www.didierlaloy.be
(Home records 4446122)
11 Tracks, 46:18


Wollte man den belgischen Akkordeonisten Didier Laloy angemessen vorstellen, bräuchte man allein dafür schon eine Seite. In den letzten zwanzig Jahren hat er auf über hundert Alben mitgespielt. Er war unter anderem Mitglied der Gruppen Panta Rhei, Trio Trad, Urban Trad, Tref, S-Tres und Noirs. Ständig ruft er neue Formationen ins Leben. Nun also hat er ein Duo mit der Cellistin Kathy Adam gebildet. Sie war auch schon bei manch anderem seiner Projekte dabei, rückt jetzt aber mit in den Vordergrund. Gemeinsam schaffen sie einen originellen Mix aus Folk und Kammermusik, wobei der Folk klar dominiert. Überwiegend spielt Laloy auf dem Akkordeon die melodieführende Stimme, während Adam auf dem Cello begleitet. Auch die meisten Kompositionen stammen von Laloy, etwa das herausragende „Senn“, das er 2009 schon einmal aufgenommen hatte. Auf dem Duoalbum sind nur die beiden Musiker zu hören. Doch zu keinem Zeitpunkt wirkt die rein instrumentale Musik dünn oder skizzenhaft. Im Gegenteil, der Klang ist wuchtig, wie ein kleines Folkorchester. Ein besonderes Lob geht deshalb an den Produzenten Michel van Achter.
Christian Rath
 LIGURIANI: Stundai
LIGURIANI
Stundai
www.liguriani.it
(Felmay fy8218/Galileo MC)
10 Tracks, 48:48 , mit ital. u. engl. Texten u. Infos


Ein stundäio ist für die Genuesen ein wunderlicher Kauz, ein Einzelgänger. Einen eigenen Weg gehen auch die fünf Liguriani. Sie beweisen das mit der Dramaturgie ihres zweiten Albums. Es fängt mit einer ninnananna an, einem Schlaflied, und schließt mit einem Stück, in dem ein Unschuldiger zu zwanzig Jahren Haft verurteilt wird. Das Herz der Liguriani gehört nicht den Mitläufern, viel eher dem Deserteur oder der jungen Frau, die es sich nicht nehmen lässt, den Mann ihrer Träume selbst auszusuchen. Wenn der Geiger und Sänger Fabio Biale diese alten Lieder anstimmt, wird einem warm ums Herz. Doch bevor die Tränen fließen, laden Filippo Gambetta (diat. Akkordeon, Mandoline), Fabio Rinaudo (Drehleier, Dudelsack), Claudio De Angeli (Gitarre) und Michel Balatti (Flöten) mit einem Walzer oder einer Polka wieder zum Tanz. Und wie! Liguriani beweisen auf ihrem zweiten Album erneut, wie spannend traditionelle Musik sein kann. Da wird nie endlos wiederholt, immer wieder überraschen sie mit einer unerwarteten Kadenz. Stundai ist wie ein Erntedankfest an einem farbig schönen Herbsttag irgendwo in einem Bergdorf des Apennins. Ein raue Landschaft, aber man spürt die Nähe des Meeres. Bestnote.
Martin Steiner

 MANNIJO: Café-Klatsch
MANNIJO
Café-Klatsch
www.manfred-pohlmann.de
(Eigenverlag MJ05)
11 Tracks, 38:25 , mit Texten u. Infos


Seit den Neunzigerjahren gibt es das deutsch-französische Trio nun schon. Von Beginn an war der Gruppe der grenzüberschreitende Gedanke wichtig, „chansons transfrontières“ sozusagen. Mit Manfred Pohlmann (Gesang, Gitarre, Scheitholz) und Jo Nousse (Gesang, Gitarren) trafen sich zwei Chansonniers von beiden Seiten des Rheins, ein Moselfranke und ein Lothringer, und beschlossen, dass der Fluss keine trennende Grenze und die in beiden Regionen gesprochene moselfränkische Sprache ein verbindendes Element ist. Gemeinsam mit dem Pianisten Patrick Riollet spielt das Trio seitdem wahrhaft europäische Lieder, eingedenk der wechselhaften gemeinsamen Geschichte ihrer Heimatregion, die mal deutsch, mal französisch regiert wurde und unter dem jeweiligen Nationalismus zu leiden hatte. Wer könnte authentischer für ein multikulturelles Europa musizieren als diese drei, ob sie gegen das schleichende Sterben der regionalen Wurzeln ansingen („On Tient Ensemble“) für das Miteinander der Kulturen („Fir Mohamed a Mario“), sich an eine unbeschwerte Kindheit erinnern („On da Baach“) oder mit der ultimativen Pazifistenhymne „Le Déserteur“ von Boris Vian (das schon längstens einmal wiederbelebt gehörte) eine friedliche Zukunft einfordern. Musikalisch wird das Trio auf seinem fünften Album von Schlagzeug, Percussion, E-Gitarre und Chorgesang unterstützt. Ein sehr gelungenes, nur leider recht kurzes Werk.
Ulrich Joosten
 MONSIEUR DOUMANI: Grippy Grappa
MONSIEUR DOUMANI
Grippy Grappa
www.monsieurdoumani.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 61:06 , mit griech. u. engl. Infos


Zypriotische Musik kommt nicht alle Jahre in den Spieler des Rezensenten. Umso aufmerksamer lauscht er der vorliegenden Scheibe dieses Trios mit dem französischen Namen von der griechischsprachigen Insel Zypern. Nominiert als „Best Newcomer“ des Songlines Music Awards 2014 hat sie das Zeug, auch die Ohren aufgeschlossener Folker-Leserinnen und -Leser zu erobern. Auf Tzouras (einer Langhalslaute), Gitarre, Posaune, Flöte und anderen Blasinstrumenten und mit Gesang führen Antonis Antoniou, Angelis Ionas und Demetris Yiasemides durch modern, oft jazzig, teils auch im engeren Sinne folkig arrangierte Klangräume der Musik ihrer Heimatinsel. Über diese sind im Laufe der Jahrtausende viele Völker gezogen und haben ihre Spuren hinterlassen. Vieles, aber bei weitem nicht alles, klingt griechisch, manches arabisch, balkanisch, mediterran, mittel- und westeuropäisch, ja sogar an bretonischen Wechselgesang erinnert eines der Lieder, das nächste dann wieder an ägyptischen. Nur gesungen wird immer auf Griechisch. Leider gibt es keine lesbaren oder gar übersetzten Texte oder auch nur detailliertere Infos zu den Liedern. So bleibt nur das Lauschen auf die Melodien, Rhythmen und Harmonien, die viel Lebensfreude und Witz transportieren.
Michael A. Schmiedel

 DÓNAL Ó CEALLAIGH: Irish Songs, Amhráin Ghaeilge, Gälische Lieder, Música Gaélica, Chansons Gaéliques
DÓNAL Ó CEALLAIGH
Irish Songs, Amhráin Ghaeilge, Gälische Lieder, Música Gaélica, Chansons Gaéliques
www.donaloceallaigh.com
(Bluebird Cafe Berlin Records)
14 Tracks, 55:22 , mit engl. u. gäl. Infos


Haben Sie schon einmal einen Bossa Gaelach gehört, einen Bossa Nova auf Gälisch? Nein? Mit dem vorliegenden Album können Sie diese Erfahrungslücke schließen sowie ohnehin lernen, wie sich die gälische Sprache abseits rein traditioneller irischer Liedformen anhören kann. Dónal Ó Ceallaigh stammt aus Donegal, lebt aber in Frankfurt am Main, und verspürt, aufgewachsen gleichermaßen mit irischer und internationaler Musik, den Drang, durch Übertragung auf andere Musikstile die Lebendigkeit und Modernität seiner Muttersprache zu beweisen und zu fördern, nachdem sie im Zuge der Finanzkrise beinahe aus den Lehrplänen irischer Schulen gestrichen worden wäre. Dabei helfen ihm an diversen Instrumenten zehn Musikerinnen und Musiker mit Namen deutscher, griechischer und anderer Provenienz. Im Zentrum bleibt aber die Sprache, mit der Ó Ceallaigh moderne Liedermacherei betreibt. Das Fehlen von Texten im Beiheft gleichen detaillierte Erklärungen auf der Homepage ein wenig aus, die einem helfen, den Sinn des Unterfangens zu verstehen und für fördernswert zu erachten. Man kann sich aber auch einfach nur genüsslich den eigenwilligen Melodien und dem Klang der Sprache hingeben.
Michael A. Schmiedel



Lateinamerika
 Miriam Aida: É De Lei
Miriam Aida
É De Lei
www.miriamaida.com
(Connective Records CTV36532/ Broken Silence)
10 Tracks, 44:58 , mit engl. Infos


Die in Schweden lebende brasilianische Jazzsängerin Miriam Aida wagt sich hier an die legendären Afrosambas von Baden Powell und Vinícius de Moraes. Während es von vielen der Stücke wie „Canto De Ossanho“ von Powell Einspielungen gibt, die meist nur mit Gitarre, Percussion und Bass auskommen, wird hier ein ganzes Orchester mit Streichern, Flöten und Chor eingesetzt. Die oft archaische und hypnotische Stimmung der Originale steht bei Aida nicht so im Vordergrund wie die Melodie der Stücke. Der weibliche Gesang und die Arrangements lassen die Stücke nicht melancholisch wie bei Powell, sondern überraschend fröhlich wirken, mit einer eigenen Strahlkraft. Man versucht auch nicht, mit Powells begnadeten Gitarrenkünsten zu konkurrieren oder irgendwelche zeitgeistkonformen Sounds einzubauen. Baden Powell spielte jedoch etliche Stücke ebenso mit Orchester und Chor ein, woran sich die Neuinterpretation eher orientiert. Aida gelingt eine neue Wahrnehmung der Stücke, die einem gewahr werden lässt, welch zeitlose Kompositionen hier einst geschaffen wurden, die den so oft interpretierten Klassikern von Tom Jobim in nichts nachstehen.
Hans-Jürgen Lenhart
 MARIA BETHÂNIA: Meus Quintais
MARIA BETHÂNIA
Meus Quintais
www.mariabethania.com
(Discmedi DM5128-02/Galileo)
13 Tracks, 42:37 , mit port. Texten


Weniger ist bekanntlich manchmal mehr. Die große brasilianischen Sängerin Maria Bethânia reduziert auf ihrem neuen Album die Musik Brasiliens auf die Essenz. Gerade bei Liedern, die nur von ein oder zwei Instrumenten begleitet werden, kommt ihre warmherzige, reife Stimme zum Tragen. Das Album ist faszinierend ruhig und sehr atmosphärisch, besitzt aber auch rhythmische Titel. Meus Quintais, „meine Hinterhöfe“, hat die Künstlerin ihr einundfünfzigstes Album genannt. Sie singt über ihre Kindheit und changiert dabei zwischen Folksängerin und Liedermacherin – was in Brasilien ja eh kaum zu trennen ist. Die Siebenundsechzigjährige gehörte zu den Erneuerern der Música Popular Brasileira in den Sechziger-/Siebzigerjahren und ist eine der erfolgreichsten Sängerinnen des Landes. So klingt auch ihr neues Album durchgehend modern, durch die geschmackvollen Arrangements sogar zeitlos. Viele Titel sind mit traditionellen Instrumenten eingespielt und vertragen sich wunderbar mit Stücken, in denen zum Beispiel eine E-Gitarre oder nur ein Piano zu hören ist. Hübsch sind auch das Digipack und das 32-seitige Booklet. Eine Wohlfühlplatte!
Udo Hinz

Nordamerika
 SAM AMIDON: Lily-O
SAM AMIDON
Lily-O
www.samamidon.com
(Nonesuch Records 7559-79545-1/Warner)
10 Tracks, 47:14 , mit engl. Infos


Wenn sich einfache Folksongs mit den komplexen Ideen einfallsreicher Musiker verbinden, mag daraus etwas Ungehörtes entstehen. Dem in Vermont geborenen Sänger, Fiddler, Banjospieler und Gitarristen Sam Amidon gelingt auf seinem dritten Album genau das – die Zuhörer in akustische Welten zu entführen, die außergewöhnlich klingen. Es sind Welten, die zwar Vertrautes erkennen lassen, aber doch aus sich heraus ein eigenes Leben entwickeln. Dazu tragen Amidons Mitstreiter ihren gehörigen Teil bei, allen voran Jazzgitarrist Bill Frisell, dessen eigentümlich schräger E-Gitarrenton Klischees gar nicht erst aufscheinen lässt. Hinzu kommen Bassist Shazad Ismaily und Drummer Chris Vatalaro mit ihren besonderen musikalischen Sichtweisen. Und auch Produzent Valgeir Sigurðsson, in dessen Greenhouse Studios auf Island die Aufnahmen entstanden sind, hinterlässt seine Spuren auf diesem vielfach inspirierten Werk. Im Zentrum steht das fast neunminütige Titelstück „Lily-O“, das Sam Amidon a cappella mit seiner leicht brüchigen Stimme eröffnet, in dem sich nach und nach aber eine Soundwand auftürmt, die sämtlichen Schmerz der traurigen Ballade in sich vereint. So trifft Schönklang auf Tiefe. Gänsehaut!
Volker Dick
 ALANA AMRAM & THE ROUGH GEMS: Spring River
ALANA AMRAM & THE ROUGH GEMS
Spring River
www.alanaamram.com
(Kingswood Records)
Promo-CD, 10 Tracks, 36:32


Langsam und träge schlängelt sich die elektrifizierte Gitarre von Alana Amram durch den ersten – und titelgebenden – Song dieses Albums, „Spring River“. Darin beschreibt sie die schmutzig träge Schönheit des „Frühlingsflusses“, der Arkansas mit Missouri verbindet und Ursprung für vielerlei Leben in und um sich ist. Gleichzeitig definiert dieser Song recht genau ihre eigene Musik als bluesgefärbtes Amalgam aus Folk, Country und der Lust am Geschichtenerzählen. Alana Amram wurde die Musik quasi in ihre Wiege gelegt, ist sie doch die Tochter des Komponisten David Amram, der nicht nur zahlreiche Orchestermusiken geschrieben hat, sondern auch viele Filmmusiken – unter anderem die zu Pull My Daisy von Robert Frank, nach einer Geschichte von Jack Kerouac. Doch hat sich Alana schon lange aus dem Schatten ihres Vaters freigeschwommen und singt nun mit ihrer etwas rauchigen Stimme schwermütige Balladen, in denen immer wieder biblische Motive auftauchen. Ihre Musik kann als Bindeglied zwischen Himmel und Erde verstanden werden, als Mittler zwischen dem kaum sag- und doch deutlich fühlbaren. Spiritualität ist für Alana Amram wichtig, wenngleich sie diese gerne in ein erdenschweres Kleid steckt.
Michael Freerix

 DIVERSE: This Ain’t No Mouse Music! – The Story Of Chris Strachwitz And Arhoolie Music
DIVERSE
This Ain’t No Mouse Music! – The Story Of Chris Strachwitz And Arhoolie Music
www.arhoolie.com
(Arhoolie CD 545 A&B)
CD 1: 20 Tracks, 64:04; CD 2: 18 Tracks, 72:25 , 36-seitiges, engl. Begleitbuch


Als 16-Jähriger kommt Chris Strachwitz nach dem Zweiten Weltkrieg als deutscher Emigrant in die USA, wo er 1960 mit Arhoolie ein Schallplattenlabel gründet, das zu einem bedeutenden Klangarchiv der amerikanischen Regionalstile wird und sich zu einem der einflussreichsten Rootsmusik-Anbieter des Landes entwickelt. Weltmusik und Weltbeat – das sind heute gängige Vermarktungsbegriffe im Musikgeschäft. In den USA war schon immer fast jede Ethnomusik eine Vermischung unterschiedlicher Kulturen und Musikstile – wie Blues, Cajun, Zydeco oder auch Tex-Mex. Sie alle finden sich neben Bluegrass, Polka, Country und Jazz im Arhoolie-Repertoire. Die vorliegenden CDs bieten einen Querschnitt aus dem Soundtrack des gleichnamigen Films von Maureen Gosling und Chris Simon, der Leben und Werk von Chris Strachwitz nachzeichnet. Vertreten sind unter anderem Ry Cooder, Flaco Jiménez, Country Joe MacDonald, Clifton Chenier, Lydia Mendoza. Vierzehn der Titel sind bislang unveröffentlicht. Das Begleitbuch liefert Informationen zu Strachwitz, den Filmemachern und den Künstlern sowie zu den Songs und ihren Entstehungsgeschichten. Eine exzellente Einführung in den Katalog von Chris Strachwitz.
Michael Kleff
 THE FRETLESS: The Fretless
THE FRETLESS
The Fretless
www.thefretless.com
(Magnetic Music 05873/Membran Entertainment)
Promo-CD, 11 Tracks, 42:00


The Fretless haben sich beim Instrumentalstudium an der renommierten Bostoner Musikakademie Berklee kennengelernt und sich in der Besetzung eines klassischen Streichquartetts (Violine I, Violine II, Bratsche, Cello) gefunden. Ihre Musik hingegen entspringt schottischen und irischen Fiddletraditionen sowie Bluegrass und Americana ihrer Heimat Kanada. Der nordamerikanischen Folkmusik entnehmen sie Techniken wie das Choppen, eingestreute Banjoarrangements und die dort so typischen Bluesskalen. Das Repertoire ist hingegen größtenteils irischer und schottischer Folklore entlehnt. Ihr Set-up erlaubt der Band, mit vollmundigen Streichersounds zu arbeiten, den Jigs und Reels satte Harmonien zugrunde zu legen und ihre Sets mit allerlei technischen Finessen, waghalsigen Improvisationseinlagen und Modulationen auszustatten. Insbesondere das Cello, das sich als erstaunlich schnellfüßiges Melodieinstrument entpuppt und mit rhythmisierenden, perkussiven Stricharten für den Drive sorgt, gibt den Tracks klangliche Tiefe. Ergänzend wartet das zweite Album der Band mit einigen Songs auf, für die zwei Gastsänger engagiert wurden, und mit einer wilden Stepptanznummer.
Judith Wiemers

 LILY & MADELEINE: Fumes
LILY & MADELEINE
Fumes
www.lilandmad.com
(Asthmatic Kitty Records AKR128/Cargo)
Promo-CD, 10 Tracks, 37:17


Das neue Album der Schwestern aus Indianapolis, die – man mag es kaum glauben – mit siebzehn und neunzehn Jahren immer noch Teens sind. Ähnlich wie bei First Aid Kit aus Schweden ist es der phänomenale zweistimmige Gesang, der jedem gesungenen Wort eine endgültige Wahrheit zu verleihen scheint. Immer eine Spur zu rau, um kitschig zu sein, so brillant einfach, schlicht und authentisch kommt er daher, um ohne Umwege direkt an der Seele zu rühren. Mit Produzent und Manager Paul Mahern, sowie dem Ko-Songwriter Kenny Childers sitzt wieder das gleiche Team hinter den Reglern. Das klangliche Spektrum wird dezent erweitert Richtung Popappeal, dennoch bleiben die Stimmen immer – in diesem Falle – Frau im Haus. Die Stücke sind allesamt getragen, und die Instrumentierung mit vornehmlich Akustikgitarre, Bass und dezentem Schlagzeug schafft eine Grundlage mit genügend Bodenhaftung. Wobei Produktion und Arrangements ein perfektes Schaumbad ergeben, in dem Fumes in Schönheit und Sentimentalität hätte versinken können. Dass dies nicht passiert, ist die große Qualität dieses Albums – da winkt man auch die eine oder andere musikalische Belanglosigkeit gerne durch.
Dirk Trageser
 DAN POSSUMATO & FRIENDS: Tunes Inside
DAN POSSUMATO & FRIENDS
Tunes Inside
www.danpossumato.com
(Old Box Records 003/Eigenvertrieb)
14 Tracks, 51:05 , mit engl. Infos


Akkordeonist Dan Possumato und seine musikalischen Mitstreiter haben auf Tunes Inside ihre Anspielung auf die irische Pubsession in musikalische Tat umgesetzt. Die Einspielungen von Jigs, Reels, Songs und Polkas klingen wie direkt im Pub aufgenommen, mit Musikern unterschiedlichsten Niveaus, ungeschönt, unbearbeitet, ein bisschen asynchron und hier und dort klapprig, aber mit Groove gespielt, oder irisch gesagt lift. Hier sind echte Liebhaber am Werk, die nicht hauptberuflich, sondern lediglich aus Spaß am Repertoire musizieren. Die Auswahl der Tracks umfasst Kompositionen nordamerikanischer Nachkommen irischer Einwanderer, Standard-Sessionhits, Tunes aus Neufundland und Québec sowie Eigenkompositionen großer Namen der irischen Folksmusik (Frankie Gavin, Liam Clancy und andere). Für die musikalische Umsetzung verlassen sich die Musiker auf ein moderates Tempo und ein traditionelles Set-up mit mehreren Melodieinstrumenten (Geige, Uilleann Pipes, Knopfakkordeon) sowie Begleitung auf Gitarre, Banjo oder einem improvisierenden Klavier. Besonders schön und einfühlsam gespielt ist eine Komposition des Fiddlers André Bronet: „Valse Du Chef De Gare“.
Judith Wiemers

 THE STRAY BIRDS: Best Medicine
THE STRAY BIRDS
Best Medicine
www.thestraybirds.com
(Yep Roc Records YEP-2408/Cargo Records)
Promo-CD, 12 Tracks, 46:17


Sie schöpfen aus dem Vollen, holen sich Inspiration bei Altvorderen wie der Carter Family und Bill Monroe, vergessen also traditionelle Wurzeln nicht und bedienen sich aus der Pop- und Rockgeschichte. Dieses Trio aus Lancaster, Pennsylvania, reiht sich ein in die Riege großartiger junger Bands aus den USA, die energievolle akustische Musik zu bieten haben, voller Melodien und atmosphärisch dichter Arrangements. Maya de Vitry, Oliver Craven und Charlie Muench spielen eine Vielzahl an Instrumenten, singen ohne Tadel und schreiben überzeugende Songs. Nur zwei Stücke ihres zweiten Albums stammen nicht von ihnen, sind Traditionals. Die Stray Birds erzählen aber Geschichten wie die Alten, über Liebe, Einsamkeit, Schmerz und Hoffnung, Themen, die sich immer erneuern – erst recht, wenn sie in den Händen talentierter Songschreiber liegen. Ob die Band wundervolle Balladen liefert wie „Never For Nothing“ oder mitreißenden Western Swing, ob Old Time oder Bluegrass, immer üben ihre Lieder eine Faszination aus, die über die gesamte Plattenlänge trägt. „Music is the best medicine I sell“, heißt es im Titelstück. Was jeder sofort unterschreiben kann, der diesen Stray Birds zuhört.
Volker Dick
 DAVID VIDAL: World Of Trouble
DAVID VIDAL
World Of Trouble
www.davidvidal.net
(Wilmac Records)
Promo-CD, 11 Tracks, 40:55


David Vidal hat das Leben eines Hobos geführt, bevor er sich in Los Angeles niederließ und Songs für andere Musiker und Filmfirmen schrieb. Sein eigenes Material, bluesgetränkt und teilweise auf selbst gebauten Gitarren gespielt, hat er bisher auf vier Tonträgern veröffentlicht. Wenn man Hollywood vor Augen hat, verwundert die Knarzigkeit dieses Albums doch ein wenig. Nun, vermutlich helfen ihm genau die im Filmbusiness verdienten Dollars dazu, als Performer eine für Hollywood absolut untaugliche Musik zu machen. Simplizistisch doch souverän spielt Vidal mit seinem Bottleneck die sechs oder vier Saiten seiner Instrumente. Er erzählt Geschichten von Bergen, Flüssen und Seen; sogar das Sirren von Insekten und das Wispern von Wüstengras scheinen sich darin auszubreiten, doch das ist alles nur Fantasie, sind die Songs von David Vidal doch geradezu staubtrocken produziert. Joe Walsh und Gene Clark haben seine Songs aufgenommen. Jackson Browne hat mal ein Hähnchensalat-Sandwich mit ihm geteilt. Vidal ist schon lange in einer uramerikanischen Songschreiberszene verankert, und es bleibt zu hoffen, dass er noch viele ähnlich eigenwillige Alben veröffentlichen wird.
Michael Freerix

Onlinerezensionen
ACUERDO
Desde El Alma
www.acuerdo-berlin.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 58:11


Engagiert spielen die deutschlandweit auftretenden Musikpädagogen Anja Dolak (Knopfakkordeon) und Bernhard Hariolf Suhm (Violoncello) Tango, Musette und Klezmer, im September 2013 live aufgenommen in der Kirche Rahnsdorf (Berlin). Der Gruppenname entstammt einem Wortspiel aus dem Spanischen: „ac“ für Akkordeon und „cuerda“ für Saite.

ARANIS
Made In Belgium II
www.aranis.be
(home records 4446119)
13 Tracks, 56:13


Die sechsköpfige belgische Band Aranis hat zum zweiten Mal Material von zeitgenössischen belgischen Komponisten vertont. Eher Avantgarde als Folk – wer anstrengende Musik mag, kann sich hier beweisen.


ASP
Per Aspera Ad Aspera
www.aspswelten.de
(Trisol, Soulfood)
CD 1: 15 Tracks, 78:00; CD 2: 15 Tracks, 77:50


Das Best-of-Doppelalbum der Frankfurter nach fünfzehn Bandjahren enthält die Essenz aus acht Studiowerken. Kennzeichnend sind deutsche historisierende Texte, rockige Musik mit viel Schlagzeug und immer wieder elektronischen Einsprengseln. Das Genre eher Gothic und Metal als Folk, verpackt in gediegenes Artwork.

BACKBEAT SOUNDSYSTEM
Together Not Apart
www.backbeatsoundsystem.com
(Easy Star Records ES-1043/Broken Silence)
12 Tracks, 52:22


„Du glaubst, du weißt, was du mit einer Beziehung machen solltest, aber statt diesem Instinkt zu folgen, begräbst du ihn“ – könnte, was Sänger und Keyboarder Dean Forrest zum Track „Losing Faith“ zu sagen hat, auch auf das Debütalbum der acht Mann aus Cornwall allgemein zutreffen? Etwas kühl und noch wenig groovy, dieses rocklastige Reggaemodell ...


ABELARDO BARROSO WITH ORQUESTA SENSACIÓN
Cha Cha Cha
www.worldcircuit.co.uk
(World Circuit WCD088)
14 Tracks, 43:17


Remasterte Aufnahme eines der wichtigsten Sänger, die Kuba je hatte, aus den Fünfzigerjahren, die nachvollziehen lässt, warum man hier vom goldenen Zeitalter der kubanischen Musik spricht. Inbrünstig und voller Energie. Selbst in Afrika hatte seine Musik enormes Airplay. Die Aufnahmen stammen aus Barosos Comebackzeit.

BOISTER
Your Wound Is Your Crown
www.boister.net
(Piano Parasite Productions/Bug/A Wing/Prayer Recordings)
Promo-CD, 10 Tracks, 43:30 min


Die aus Baltimore stammende Band um Sängerin und Pianistin Anne Watts schenkt uns auf ihrem Album eine krachende Achterbahnfahrt mit viel Nervenkitzel. Sie ist die warme Feuerstelle inmitten von spröden, gewittrigen und windschiefen Arrangements. Rustikal, hemdsärmelig und zugleich verspielt, charmant und zugänglich. Ein großes Herz im Wolfspelz.


BUYAKANO
Bombasto
www.buyakano.com
(Beatbert 14/Broken Silence)
5 Tracks, 21:14


Die Rotterdamer Combo Buyakano versucht alles, um als Percussion Group zeitgemäß zu sein. Man nahm eine Brass Section hinzu, Rapper, eine deutschsprachige Sängerin, Gitarren; Funk, Dubsteb und vieles mehr wurden eingebaut, aber dass dies mal eine Sambatruppe gewesen sein soll, ahnt man nur noch. Hipper als hip, aber braucht’s das?

MEGAN CHASKEY
Naam Radiance
www.meganchaskey.com
(Eigenverlag o. Nr.)
10 Tracks, 65:50


Frau Chaskey ist Sängerin und hauptberuflich Yogalehrerin für Shakti Naam, eine Anti-Ageing-Schule von Bewegungs- und Atemübungen für gestresste Neuzeitmenschen. Ihr viertes Album (unter anderem mit Jazzer David Darling am Cello) bietet dafür den perfekten Soundtrack. Und wer beim „nur Hören“ zwischendrin mal sanft einnicken sollte – egal, auch das entspannt ...


JORAN ELANE
Glenvore
www.joran-elane.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 53:15


Weich gespülte Musik im Enya-Sound mit viel Hall und lang gezogenen Streicher- und Flötenklängen ist auf dem ersten Soloalbum von Joran Elane zu hören. Ausschließlich Eigenkompositionen in Deutsch und Englisch, über die Natur, die Liebe, die Mystik des Lebens – eben Fantasy Folk.

EUPHORIA
Reggae us da Berga
www.euphoriamusik.ch
(Brambus Records Brambus 201482-2/Rough Trade)
11 Tracks, 46:13


Seinem im Oktober 2013 live eingespielten Debütalbum nach zu urteilen, hat das Graubündner Sextett neben einem gewissen Potenzial noch einiges zu lernen. Das zeigt vor allem die melodisch und harmonisch verlustreiche Einebnung der Klassiker „Bend Down Low“ und „Israelites“, aber auch der Mangel an jeglicher Subtilität querbeet weit darüber hinaus.


FOLK’S SAKE
Best Of Live
www.folkssake.de
(Eigenverlag)
16 Tracks, 56:25


Auch das gibt es immer noch: gute alte irische Evergreens wie „Tell Me Ma“, „Foggy Dew“ und „Molly Malone“, hier dargebracht von zwei Mädels und drei Jungs aus Berlin auf allerlei Saiten- und Schlaginstrumenten sowie Mundharmonika, mit viel Gesang und Ansagen, da allesamt Konzertmitschnitte. Echte Volksmusik! Texte im Beiheft.

DEBORAH HENRIKSSON
Traces
www.deborahhenriksson.com
(DHP Records)
12 Tracks, 42:54


Mit durch Mats Nyman vertonten eigenen Texten vermag dieses Mal die aus New Jersey stammende Schwedin Freunde leicht poppiger, verträumter irischer Lieder zu erfreuen. Nyman begleitet sie auf diversen Instrumenten, Bengt Anderson auf Gitarre und Kent Ihrén mit Hintergrundgesang. Leider keine Texte im Beiheft.


INGO HÖRICHT & MICHAEL BERGER
Moments Animés
www.ingo-hoericht.de
(Cross the Border Prouctions 001 2014)
16 Tracks, 47:53


Ein Fall für Klassikliebhaber: Der musikalische Grenzgänger und Violinist Ingo Höricht spielt mit dem Jazzpianisten Michael Berger kammermusikalische Duos. Die Werke knüpfen an Kammermusik der Romantik an. Gelegentlich meint man Tango-Melancholie zu spüren. Die Musiker spielen schwermütig und sehnsuchtsvoll. Ein Album für ruhige Stunden.

CIRO HURTADO
Ayahuasca Dreams
www.cirohurtado.com
(Inti Productions IP -28062)
11 Tracks, 54:42


Der in den USA lebende Gitarrist blickt in seine Kindheit in Peru zurück. Die aufwendig arrangierten Instrumentaltitel und Lieder vereinen seine Erfahrungen aus Folk, Jazz und Pop. Bei einigen Titeln lud er Musiker aus Indien ein. Das Album erinnert an Weltmusik aus den Neunzigern und etwas an New Age. Kurz: leichtgängiger Peru-Fusion-Folk.


MEKLIT
We Are Alive
www.meklitmusic.com
(Six Degrees Records 657036 120426)
13 Tracks, 48:17


Die äthiopischen Wurzeln der stimmgewaltigen Sängerin, die in den USA aufwuchs, an der Yale University Politikwissenschaft studierte und nunmehr in San Francisco ansässig ist, werden an sich nur in dem traditionellen Stück „Kemekem“ (mit Samuel Yirga als Gastpianist) hörbar. Ansonsten liefert sie ein beachtliches, aber eher poppiges Soul-Jazz-Album.

ROSENGREEN
World At Your Feet
www.nikolajrosengreen.com
(GO’ Danish Folk Music GO0914)
10 Tracks, 43:18


Der dänische Gitarrist und Komponist Nikolaj Rosengreen begann mit Rock und klassischer Musik. Auf seinen Reisen, unter anderem nach Afrika, Spanien und Mali, übernahm er die Musik dieser Länder, sodass er jetzt als Weltmusiker angesehen werden kann. Er spielt perfekt die Flamenco- und die arabische Gitarre. Unterstützt wird er von Bass und Percussion.


MICHA SCHLÜTER
Nichtschwimmer
www.micha-schlueter.de
(Timezone Records/Timezone Distribution)
12 Tracks, 47:58


„Der Nichtschwimmer sitzt am Ufer und schaut den Anderen beim Schwimmen zu. Er begibt sich in die passive Rolle des Beobachters. Seine Muse ist die Banalität des Augenblicks“, schreibt Micha Schlüter als Motto seines Albums. Seine subtilen Beobachtungen verarbeitet er zu feinen Texten, aus denen er mithilfe origineller Melodien beachtenswerte Lieder macht.

ARTURO STÀLTERI
In Sete Altere – Arturo Stàlteri Suona Battiato
www.arturostalteri.wix.com
(Felmay fy7043/Pool Music)
11 Tracks, 55:38


Die Lieder des Sizilianers Franco Battiato – Popsänger, Politiker und Liedermacher zwischen Eurovision Song Contest, Klassik und Experiment – in neuer Verpackung, das verspricht die CD. Die Überraschung ist groß. Was bei Battiato opulent produziert war, erscheint hier auf das Klavier und ein wenig Elektronik reduziert als Minimal Music. Hat durchaus seinen Reiz.


VERAS KABINETT
Ungetüm
www.veraskabinett.de
(Traumton Records, Indigo 989302)
12 Tracks, 55:34


Veras Kabinett, das sind die Pianistin und Komponistin Vera Mohrs, Bassist Dominik Lamby und Schlagzeuger Hartmut Ritgen. Das musikalische Spektrum des Trios ist außerordentlich breit angelegt: druckvolle Beats, lässige Jazzphrasierungen, sanft orchestrale Klänge. Typisch sind die sowohl inhaltlichen als auch musikalischen Kontraste. Ungewöhnlich gut!




Lange Onlinerezensionen
 GIANT PANDA GUERILLA DUB SQUAD: Steady  GROUNDATION: A Miracle
GIANT PANDA GUERILLA DUB SQUAD
Steady
www.livepanda.com
(Easy Star Records ES-1044/Broken Silence)
13 Tracks, 52:56 , mit engl. Infos


GROUNDATION
A Miracle
www.groundation.com
(Soulbeats Records SBR 67/Broken Silence)
10 Tracks, 55:08


Beide Ensembles, sowohl die Neun-Mann-Band aus Sonoma County, Kalifornien, deren Name auf den Groundation Day anspielt, mit dem in der Rastafari-Welt Haile Selassis Besuch auf Jamaika am 21. April 1966 gefeiert wird, als auch das Quintett aus New York, spielen sich auf ihren neuen Alben souverän durch ihre bewährten Reggaehybride: solide grundiert mit den Roots der Generationen, die den Stil einst grundlegend definierten – aber doch nie einem Flirt mit neueren Varianten abgeneigt, die etwas weniger spirituell klingen, dafür aber etwas mehr den zeitgenössischen Tanzgrooves entsprechen, nach denen die internationale Clubgeneration gern auch einmal ein bisschen locker skankt zwischen all dem Hi-Energy-Abgehotte und dem gepflegten Chillen danach. Groundation können mit je einem Gastauftritt der beiden ehemaligen I Threes Judy Mowatt und Marcia Griffiths punkten, deren Gesang ihren Stücken praktisch automatisch gleichsam Klassikercharakter verleiht – die Giant Panda Guerilla Dub Squad steht dem auch ohne solche Adelung nicht nach. Beide Ensembles pflegen den Stil gleichermaßen kompetent wie souverän, wobei allerdings beiden die vor allem inhaltliche, aber auch musikalische Dringlichkeit der hervorstechenden Größen der Vergangenheit abgeht. Es scheint, auf welche Art auch immer, im Reggae eben doch noch einmal einen Unterschied zu machen, der hörbar wird, wo und in was für einer Gesellschaft man lebt. Amerika ist nicht Jamaika – eine ebenso banale wie im Reggae doch offenbar weiterhin essenzielle Erkenntnis ...
Christian Beck
 HIRUNDO MARIS: Vox Cosmica
HIRUNDO MARIS
Vox Cosmica
www.ariannasavall.com
(Carpe Diem Records)
10 Tracks, 77:43 , mit engl. u. dt. Infos


Beruhend auf der Gregorianik schrieb die frühmittelalterliche Äbtissin Hildegard von Bingen sehr vielfältige Kompositionen. Sie war überzeugt davon, dass der Kosmos ein großes klingendes Ganzes darstellt, welches von der Harmonie und Liebe eines Schöpfers zusammengehalten wird. Zu hören sind fünf einstimmige liturgische Gesänge von ihr – denn gesungene Gebete waren doppelt wirksam. Dazu ein Klagelied von Abaelard mit einem Thema aus dem Alten Testament. Zwischen diese Sologesänge mit äußerst sparsamer Begleitung wurden vier Meditationen für historische Instrumente eingefügt, die vom norwegischen Tenor und Komponisten Petter Udland Johannsen geschrieben wurden. Neben ihm gestalten die katalanische Sopranistin Arianna Savall, das Ensemble Hirundo Maris und zwei Musiker der Capella Antiqua Bambergensis dieses Album. Instrumentiert wurde mit Harfen, Hardangerfiedel, Colascione, Nonnengeige, Nyckelharpa, Glocken und Percussion. Ein Projekt mit sehr authentisch wirkender Alter Musik, darauf angelegt den Gesang wirken zu lassen.
Piet Pollack

 MARTIN KOLBE: Blue Moment
MARTIN KOLBE
Blue Moment
www.martinkolbe.com
(Stockfisch/In-akustik)
14 Tracks, 35:40 , mit zwei engl. Texten u. Infos


Martin Kolbe? Ja klar! Kolbe/Illenberger, in den 1970er- und 1980er-Jahren das mit Abstand profilierteste und erfolgreichste Gitarrenduo Deutschlands. Das vorliegende Album ist eine auf der Grundlage des Originaltapes neu bearbeitete Wiederveröffentlichung der dritten LP, die der damals junge Musiker 1977, noch vor der gemeinsamen Karriere mit Ralf Illenberger, im Stockfisch-Studio bei Günter Pauler in Northeim aufnahm. Neben virtuosen Interpretationen der beiden Fremdkompositionen „Here Comes The Sun“ und „Bach (Jesu bleibet meine Freude)“ finden sich auf dem Album ausschließlich Eigenkompositionen, darunter drei Songs, die Kolbe zu seinem filigranen Gitarrenspiel mit rauchiger Stimme singt. Zwar wollte er schon damals weg vom Hochgeschwindigkeits-Fingerpicking à la Leo Kottke, doch Anklänge dieses Stils finden sich noch vereinzelt auf Blue Moment. Erstaunlich auf alle Fälle, welche künstlerische Reife auf diesen weit mehr als dreißig Jahre alten Aufnahmen zum Ausdruck kommt. Nach einer etwa fünfundzwanzig Jahre währenden, krankheitsbedingten Schaffenspause ist Martin Kolbe nun endlich auch mit einem aktuellen Album zurückgekehrt. Mehr darüber im nächsten Folker.
Kai Engelke
 MUSÉE MÉCANIQUE: From Shores Of Sleep
MUSÉE MÉCANIQUE
From Shores Of Sleep
www.museemecanique.net
(Glitter House Records GRCD 822/Indigo)
Promo-CD, 10 Tracks, 46:28


Ein Schiff im Hafen ist sicher, aber dafür werden Schiffe nicht gebaut. Mit diesem Sinnspruch im Gepäck gingen die Mitglieder von Musée Mécanique auf ihre musikalisch große Fahrt. Dazu passt der Namensgeber des 2006 gegründeten Quintetts aus Portland, das am Hafen von San Francisco gelegene gleichnamige Museum mit seiner Sammlung alter mechanischer Musikinstrumente und Spielautomaten. Denn vintage und handgemacht klingt das Album. Thematisch sind es die sehnsuchtsvollen, verklärten und entrückten Aspekte einer solchen Reise, das Traum- und Märchenhafte. Zurückhaltend beginnen die Stücke und bauen sich Schicht um Schicht auf, bis zur überbordenden Opulenz. Streicher, Chöre und orchestrale Arrangements lösen sich los von der Komposition und beginnen eine eigene Reise. Pop, Folk und Filmmusik heißen die Gewässer, in denen die Mannschaft segelt, und das mit großer Kunstfertigkeit und Leidenschaft. Kein Wunder, dass Konstantin Gropper, der Kopf von Get Well Soon, den Begleittext geschrieben hat. Sechs Jahre haben sich die beiden Multiinstrumentalisten Sean Ogilvie und Micah Rabwin mit ihrer Crew für dieses Album Zeit gelassen, aber die spielt in diesem Universum sowieso keine Rolle.
Dirk Trageser

Besondere
DIVERSE
Native North America Vol. One: Aboriginal Folk, Rock And Country 1966-1985
www.lightintheattic.net
(Light In The Attic Records LITA 103/Cargo)
CD 1: 17 Tracks, 54:39, CD 2: 17 Tracks, 65:44 , mit aufwendigem engl. Beiheft u. Texten


Dieses Doppelalbum behandelt eine musikhistorische Lücke. Mit Aufkommen der Protestsongbewegung begannen auch nordamerikanische Ureinwohner, in Songs von ihrem Elend in den Reservaten zu singen. Teilweise taten sie das nicht in Englisch, sondern in der Sprache ihres Stammes, denn sie wollten vor allem von ihren eigenen Leuten verstanden werden und das Erbe dieser Sprache lebendig halten. Erst nachdem sich ein Netzwerk von indianischen Kleinstlabels entwickelt hatte, konnte die Musik eines Willie Dunn, John Angala oder Willie Trasher veröffentlicht werden. Doch nicht allein die Protestsongbewegung, sondern auch der Rock ’n’ Roll eines Elvis Presley schlägt sich in diesen Songs nieder. Der Songschreiber Gordon Dick nennt seine Musik  DIVERSE: Native North America Vol. One: Aboriginal Folk, Rock And Country 1966-1985 deshalb „Siwash Rock“. So findet sich klassisches Rockmaterial auf diesem Doppelalbum wie auch Country oder Folk, während in den Texten über Sinn und Zukunft des Indianerlebens reflektiert wird. Kevin „Sipreano“ Howes hat diesen Sampler aus unterschiedlichsten Quellen zusammengestellt. Die Suche nach den Autoren und Rechteinhabern war dabei häufig äußerst mühselig. Howes suchte zum Beispiel sehr lange vergeblich nach dem Songschreiber Tayara Papigatuk, von dessen Inuitband Sugluk einige Titel auf dem Sampler vertreten sind. Auf herkömmlichem Weg konnte er Papigatuk nicht ausfindig machen. Schließlich bekam Howes den Hinweis, Papigatuk würde in Cape Dorset, 2012 Kilometer nördlich von Montreal leben. Doch war dieser offiziell dort nicht gemeldet. Howes rief die lokale Radiostation an und bat, man möge seine Suchanzeige über das Radio verlesen, zusammen mit seiner Telefonnummer. Tatsächlich klingelte zwei Stunden später Howes’ Telefon und Papigatuk war am Hörer, jedoch nicht seines eigenen Telefons, sondern an dem eines Freundes. Er selbst hatte gar keines. Diese Geschichte macht deutlich, wie wenig die Songs, die auf Native North America versammelt sind, bisher überhaupt wahrgenommen wurden, obwohl viele von ihnen dem, was in den Sechziger- und Siebzigerjahren sonst noch so erschienen ist, kaum nachstehen.
Michael Freerix
BUBE DAME KÖNIG
Traumländlein – Neue Folkmusik
www.neue-volkslieder.de
(CPL-Music/Broken Silence 00649)
14 Tracks, 47:27 , mit Texten u. Infos


Zugegeben, wir haben im Vorfeld ein wenig gelästert über die Idee des Fundraisings durch sogenannte Liedpatenschaften zur Finanzierung der CD-Produktion. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!“, heißt es ja so schön. Doch die junge Band hat sich nicht verbiegen lassen. Es bedarf durchaus eines gesunden Selbstvertrauens, wenn man sich eine Setliste zulegt mit nicht nur von Folkies sattsam abgesungenen Heulern wie „Nun will der Lenz uns grüßen“, „Wenn alle Brünnlein fließen“ oder sogar dem gefühlt tausendfach abgenudelten „Dat du min Leevsten büst“. Dass das Gesamtwerk keineswegs piefig tümelnd, sondern weltmusikalisch offen sein würde, war schon durch die Mitwirkung des  BUBE DAME KÖNIG: Traumländlein – Neue Folkmusik Creole-Bundespreiträgers Till Uhlmann zu erahnen, einem der virtuosesten Drehleierspieler im Lande, der außerdem Violine und Chorgesang beisteuert. Sängerin Juliane Weinelt verfügt über eine elfenhafte, unverdorbene Sopranstimme. Sie spielt außerdem kompetent Querflöte, dazu Maultrommel. Jan Oelmann an Violine, Gitarre, Percussion und Gesang komplettiert das Trio. Sein angenehmer Bariton kontrastiert sehr schön mit Weinelts Stimme und sein druckvoll-grooviges, keltisch inspiriertes Gitarrenspiel ergänzt sich (nicht nur) mit Uhlmanns Leier perfekt. Vier Gastmusiker polieren den ausgezeichnet produzierten Gesamtsound mit Kontra-, Akustik- und E-Bass, Posaune, Pedal Steel, Dobro und E-Gitarre auf. Bube Dame König überzeugen von der ersten bis zur letzten Note nicht nur mit überschäumender Spielfreude, sondern auch mit sehr einfallsreichen und überaus geschmackvollen Arrangements und Bearbeitungen. Die Band geht mit Rhythmik und Melodie der Lieder frei, aber nicht respektlos um. Sie schaffen den Spagat, deutsche Volkslieder vom Mittelalter über die Romantik bis heute mit eigenen und Texten des Leipziger Dichters Thomas Kolitsch zu einem Gesamtwerk aus einem Guss zu verbinden, das sowohl eine Verbeugung in Richtung des deutschen Liedgutes als auch in die der keltischen Musik ist. Ein Hochgenuss!
Ulrich Joosten

Bücher
 KONSTANTIN WECKER: Mönch und Krieger : auf der Suche nach einer Welt, die es noch nicht gibt.
KONSTANTIN WECKER
Mönch und Krieger : auf der Suche nach einer Welt, die es noch nicht gibt.
www.gtvh.de
(– 3. Aufl. – Gütersloh : Gütersloher Verlagshaus, 2014. – 278 S.)
ISBN 978-3-579-07066-7 , 19,99 EUR (auch als E-Book erhältlich)


Alles zulassen, auskosten und leben, auch die eigenen gegensätzlichen Wesenszüge, scheint ihm bereits 1947 als Großauftrag in die Wiege gelegt worden zu sein, dem Konstantin Alexander Wecker. Da stecken schon beide drin: der Mönch (Kaiser Konstantin war zugleich oberster Priester von Rom) und der Krieger, der die ganze Welt einen will. Solche starke Vornamen, dazu den „Rufer zur rechten Zeit“ als Familiennamen, würden schwächere Typen überfordert haben. Ihm waren seine Namen offenbar Anspruch und Ermutigung zugleich. Er hat es gepackt. „Conny“, wie ihn früher nur sein Freund, der weise Dieter Hildebrandt, nennen durfte, bildete Körper und Geist, Herz und Sinne, Kunstfertigkeit und Charakter. Er nahm jede Lebenserfahrung, die sich ihm bot, dankbar als Herausforderung an: vom feinen Lyriker bis zur Rampensau, vom Sexfilmstarlet bis zum wahrhaft Liebenden, vom Junkie auf Trip bis zum nüchternen Visionär, vom Knastbruder bis zum Musik- und Friedensapostel. Dabei war er immer ehrlich Suchender, auch Gottsucher, was ihm mancher Mensch ob seines Pathos vielleicht bis heute nicht abnehmen mag. Doch das Pathos ist ein echtes, und die laute Stimme – die ihn schon manchmal selbst erschreckt hat, wenn er zu seinen Kindern sprach – hat er nun mal mitgekriegt, von ganz oben. Wer Konstantin Weckers Autobiografie unvoreingenommen liest, wird einen ebenso inspirierten wie spirituellen Mann mit Tiefgang kennenlernen, der durch seine Gedanken, seine Offenheit und Ehrlichkeit immer wieder positiv überrascht und durch sein Wesen berührt. Holen Sie ihn sich dort, „wo der Conny nicht mehr weit ist“ – in der nächsten Buchhandlung –, und nehmen Sie seine Literaturempfehlungen gleich mit! Schade, dass Wecker wohl nie Bundeskanzler oder -präsident werden wird. Wie sähe die Welt aus, wenn Künstler und Visionäre wie er in den Schaltzentralen der Macht säßen? Wie gut, dass es die Welt, die Wecker sucht, wenigstens in einigen Köpfen gibt. Ein Buch, wie ein Freund.
Kay Reinhardt
 GERHARD PAUL, RALPH SCHOCK [Hrsg.]: Sound des Jahrhunderts : Geräusche, Töne, Stimmen ;1889 bis heute / Hrsg.: Gerhard Paul u. a.
GERHARD PAUL, RALPH SCHOCK [Hrsg.]
Sound des Jahrhunderts : Geräusche, Töne, Stimmen ;1889 bis heute / Hrsg.: Gerhard Paul u. a.
www.bpb.de
(– Bonn : Bundeszentrale f. polit. Bildung, 2013. – 629 S. : mit zahlr. Fotos + )
ISBN 978-3-8389-7096-7 , 7,00 EUR


Veröffentlichungen der Bundeszentrale für politische Bildung sind in der Regel das Ergebnis sorgfältiger und umfassender Recherche. Ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis wegen fehlender Profitnotwendigkeit ist ein weiteres Argument für BPB-Publikationen. Schade nur, dass dort selten bis nie Themen bearbeitet werden, die die musikalischen Folker-Interessen berücksichtigen. Selbst bei Sound des Jahrhunderts sind lediglich 10 von 634 Seiten genuin Folker-relevant: ein Artikel über amerikanische Bürgerrechtssongs sowie die Abhandlung über „Degenhardt und die Geschichte der Liedermacher in der Bundesrepublik“, zufällig verfasst vom ex Chefredakteur Michael Kleff, der sich mit diesem Thema bekanntlich bestens auskennt. Eigentlich können wir schon froh sein, dass wir nicht komplett vergessen wurden. Dennoch kann dieses dicke Buch Lesern dieser Zeitschrift problemlos empfohlen werden, denn unsere Musik existiert schließlich nicht im luftleeren Raum. Der Folker ruft gerne, regelmäßig und zu Recht, das politische Umfeld des Musikmachens ins Gedächtnis, beeinflussende Faktoren sind aber auch „Geräusche, Töne, Stimmen – 1889 bis heute“, wie der Untertitel konkretisiert. Eine unglaublich breite Themenvielfalt wird kompetent und kompakt bearbeitet. Beispiele gefällig? „Musik im Konzentrationslager“, „AFN: neue Musik, neue Radiokultur, neues Lebensgefühl“ oder „Udo Lindenberg und die deutsch-deutsche Sehnsucht“ – und das waren jetzt nur musikbezogene Topics. Besonders spannend und informativ ist die beiliegende Daten-DVD, auf der neben dem kompletten Band auch eine große Menge der angesprochenen Klänge abrufbar ist. Dieses Buch verhilft zu einem besseren Verständnis der Klangentwicklung der letzten circa 120 Jahre auch unserer Musik – mit teils überraschenden Fakten.
Mike Kamp

 JAKE WALTON: Sunlight And Shade : Celtic Song Affairs / Ill.: Vivien Nicholson.
JAKE WALTON
Sunlight And Shade : Celtic Song Affairs / Ill.: Vivien Nicholson.
www.heupferd-musik.de
(– 1. Aufl. – Dreieich : Heupferd Musik-Verl., 2014. – 117 S. : mit zahlr. Noten)
ISBN 978-3-923445-11-0 , 16,00 EUR


Der Lied- und LP-Titel des kornischen Folkmusikers Jake Walton ist auch der Titel seines Songbuchs mit dem Zusatz „Celtic Song Affairs“. Es enthält die schönsten Stücke seiner vier Jahrzehnte umspannenden musikalischen Praxis als Songwriter und Musiker: originelle Bearbeitungen traditioneller Lieder befreundeter Musiker sowie eine Fülle eigener Songs, die ihn als kreativen Inspirator der keltischen Folkszene ausweisen. Jake Walton spielt Gitarre, Dulcimer und Drehleier und „gilt als wahrer Meister des keltischen Klanguniversums und dessen vielfältiger Songpoesie. Mit bemerkenswertem Einfühlungsvermögen gelingt es ihm, feinste Nuancen eines ungemein reichen musikalischen Erbes aufzuspüren, neu zu beleben und auf höchst kunstvolle Weise in zeitgemäße Formen zu überführen“ (Klappentext). Es ist begrüßenswert und verdienstvoll, dass der kleine Heupferd-Musikverlag aus Dreieich das verlegerische Risiko eingegangen ist, das Songbuch des hierzulande eher unbekannten Liedermachers und Sängers zu veröffentlichten. Das mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Illustrationen wunderschön ausgestattete Buch enthält knapp vierzig Lieder und ein Instrumentalstück im übersichtlichen Notensatz mit Texten und Gitarrenakkorden sowie Hinweise, auf welchen Bund man das Capo setzten sollte und mit welcher Gitarrenstimmung Walton sein Instrument spielt. Am Ende des Buches finden sich die verwendeten Akkordgriffbilder der verschiedenen, teils offenen Stimmungen. Ein Vorwort von Musikerkollege Jez Lowe eröffnet den Band. Walton selbst hat zu jedem Song Hintergründe und Anekdoten beigesteuert und das Nachwort verfasst. Die Texte sind auf Englisch und in deutscher Übersetzung abgedruckt. Ein Quellennachweis informiert über die Veröffentlichungsdaten und Urheberrechte. So weit, so schön. Ein fast rundum gelungenes Werk, wäre da nicht das eher unzulängliche Lektorat gewesen. So ist die erste Stimme des Instrumentalstücks „Appleby Gallop“ peinlicherweise einen Ganzton gegenüber der zweiten Stimme nach unten gerutscht. Auch den Texten hätte eine gründlichere Durchsicht gut getan. Es ist unschön, wenn zum Beispiel eine Liederklärung am Ende mit einem unvollständigen Satz schließt („The Music Makers“). Insgesamt ist es ein inhaltlich und optisch sehr gelungenes Liederbuch mit kleinen, verschmerzbaren Schönheitsfehlern.
Ulrich Joosten
 JOHN COWLEY [Hrsg.]: Creole Music of the French West Indies : a discography, 1900-1959 / comp. by Alain Boulanger, John Cowley, Marc Monneraye.
JOHN COWLEY [Hrsg.]
Creole Music of the French West Indies : a discography, 1900-1959 / comp. by Alain Boulanger, John Cowley, Marc Monneraye.
www.bear-family.com
(– Hambergen : Bear Family Publ.,2014. – 367 S. (frz./engl.) : mit zahlr. Abb. – )
ISBN 978-3-89916-705-4 , 49,90 EUR


Diese große, genau 1.000 g schwere und sehr aufwendig gestaltete Zusammenstellung von Veröffentlichungen kreolischer Musik der ersten sechs Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts ist zugleich eine Dokumentation der langen und vielschichtigen Tradition der schwarzen karibischen Musik auf den französischen Antillen und ihrer Rückkopplung mit dem Musikgeschehen in den Nachtclubs und Studios von Paris. Der Leser wird zu den Ursprüngen der Biguine geführt, die in der Sklaverei liegen, und vermag die eigenständige Entwicklung nachzuvollziehen, wenn ihm anhand alter Plakate, Plattenlabel, Plattencover, Fotos, Liederbüchern und ähnlichem etwa Chansons Créoles, Folklore Martiniquais, Orchestre Typique Antillais präsentiert werden. Ausgesprochen detailliert finden sich ganze Programmfolgen, Anzeigen, Bandbesetzungen, Kompositionen und Veröffentlichungen zwischen Folk, Jazz und Swing à la Creole neben Ergänzungen von Sprachwissenschaftlern, Anthropologen und Historikern. Eine wertvolle Zusammenstellung für Insider, allerdings – wie schade! – ohne jegliche Klangbeispiele.
Cathrin Alisch

 Joshua John Green: Music Making in the Faroes.
Joshua John Green
Music Making in the Faroes.
www.sprotin.fo
(– Aarhus : Scandinavian Books, 2013. – 332 S.)
ISBN 978-99918-76-55-9 , 188,00 DKK


Der kanadische Musikforscher Joshua Green hat mehrere Monate auf den Färöern verbracht und schreibt nun über die dortige Musikszene. Er konnte kein Färöisch, als er hingefahren ist, hat es dort nur bruchstückweise gelernt, und das merkt man. An schrägen Übersetzungen und Missverständnissen, die ihm nicht aufgehen, weil er ja eben die Sprache nicht beherrscht. Dass er kein Färöisch kann, erzählt er so ungefähr in jedem Kapitel einmal, wie er überhaupt Wiederholungen liebt, und das macht die Lektüre manchmal recht anstrengend. Dabei ist sein Buch eigentlich fantastisch gut, eine Fundgrube jedenfalls für alle, die gern mehr über die Musik auf den Färöern wissen möchten, aber kein Färöisch können. Sein Interesse wurde geweckt durch den Erfolg von Metalbands wie Tyr oder Hamferð. Die nun wieder greifen auf die nordische Mythologie zurück (etwa auf Tyr/Tiwaz, den Gott, dem wir den Dienstag verdanken) und orientieren sich an den alten Gesangstraditionen der Färöer. Die bestehen vor allem aus Reigen, die zu endlosen Balladen aus dem späten Mittelalter getanzt werden. Instrumente gab es auf den bettelarmen und von der Kolonialmacht Dänemark jahrhundertelang schonungslos ausgebeuteten Inseln so gut wie keine, und so wurde das Hauptgewicht eben auf Gesang gelegt. Ein guter Vorsänger beim Reigen konnte (und kann) den Ruhm erwerben, der anderswo Instrumentalvirtuosen vorbehalten ist. Joshua Green schildert die aktuelle Musikszene auf den Färöern, skizziert die Geschichte der färöischen Musik und reichert alles mit Anekdoten und eigenen Erlebnissen an.
Gabriele Haefs
 IIRO RANTALA: Songbook : 20 pieces for piano.
IIRO RANTALA
Songbook : 20 pieces for piano.
www.mutemusicproduction.com
(– o. O. : Bosworth, 2014. – 88 S. : nur Noten u. Abb. – (BOE ; 7752))
ISBN 978-3-86543-860-7 , 24,95 EUR


Der mit einem Echo ausgezeichnete finnische Jazzpianist veröffentlicht ein Liederbuch mit zwanzig selbst komponierten Werken, veröffentlicht auf verschiedenen seiner bisherigen Alben. Nichts für Anfänger, da einige Stücke schon recht kompliziert sind. Notiert sind sie mit Pianostimme sowie teilweise auch mit Violin- und Cellostimme. Bei einigen sind für weitere Instrumente Akkordangaben dazugegeben, aber merkwürdigerweise nicht bei allen.
Doris Joosten

 Element of Crime: Songbook.
Element of Crime
Songbook.
www.bosworth.de
(– o.O. : Bosworth Ed., 2014. – 288 S. : nur Noten u. Akk. + Texte. – (BOE ; 752)
ISBN 978-3-86543-594-1 , 29,95 EUR


Die seit dreißig Jahren existierende deutsche Band, die durch ihre melancholisch-chansoneske akustische Musik und durch ihre Texte von Sven Regener bekannt wurde, hat nun alle ihre Lieder in einem Songbuch veröffentlicht. Alle Stücke sind mit Noten, Akkorden und Akkorddiagrammen sowie Text abgedruckt. Laut Vorwort wurde bewusst auf Intros, Outros oder Zwischenspiele verzichtet, ebenso wie auf Gesangsphrasierungen, damit eigene „Gestaltungen“ der Songs möglich sind.
Doris Joosten



Afrika
 ANOUAR BRAHEM: Souvenance
ANOUAR BRAHEM
Souvenance
www.anouarbrahem.com
(ECM 2423/24)
Doppel-CD, 11 Titel, 89:03


Hypnotisch. Dieses Wort trifft die Musik des tunesischen Udspielers am Besten. Zunächst hört man nur einzelne, lange Töne des Klaviers. Leise, beinahe unhörbar zart, erklingen Violinen. Was zunächst als Klangfläche anmutet, entwickelt sich zu vielschichtigen Ebenen, aus denen akzentuierte Lautenschläge erwachsen. Immer tiefer tauchen sie den Hörer in eine behagliche Parallelwelt, in der Zeit und Raum schon bald vergessen sind. Plötzlich dringt ein düsterer Bass aus der Tiefe hervor, der einen aus der behaglichen Trance reißt. Die Noten des Klaviers wirken nun wie Steine, die in einen ruhenden See geworfen werden; der Bass schlägt die Wellen. Allmählich glätten sich die Wogen, doch in der Musik schwingt nun auch etwas Bedrohliches, dass die Spannung bis zuletzt aufrechterhält. Ähnlich wie der Opener „Improbable Day“ bauen sich auch die übrigen Songs langsam auf. Durch variierende Instrumentierung erschafft Anouar Brahem jedesm Mal einzigartige Welten, in denen man sich verlieren möchte. Die Musik ist jedoch keine leichte Kost, sondern erfordert vollste Aufmerksamkeit. Wer sich darauf einlässt, den wird die Magie von Souvenance in seinen Bann ziehen und nicht mehr loslassen.
René Gröger



Bücher
 EBERHARDT BORT [Hrsg.]: At Hame Wi’ Freedom : Essays on Hamish Henderson and the Scottish Folk Revival. – / Ed. by Eberhard Bort.
EBERHARDT BORT [Hrsg.]
At Hame Wi’ Freedom : Essays on Hamish Henderson and the Scottish Folk Revival. – / Ed. by Eberhard Bort.
www.gracenotepublications.co.uk
(– Ochtertyre : Grace Note Publications, 2012. – 219 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 078-1-907676-17-8 , 12,99 schott. Pfd.


So richtig hat sich das politische und kulturelle Schottland nie mit diesem unbequemen, streitbaren Folkloristen und Poeten anfreunden können. Die Folkszene liebte ihn zumeist umso mehr, und sie tut es noch heute, denn Henderson gab dem Revival den akademischen Hintergrund. Neben den jährlichen Carrying Stream Festivals des Edinburgh Folk Clubs, die ganz im Zeichen Hamish Hendersons Schaffen stehen, gab es bereits in den Jahren 2010 und 2011 zwei Bücher mit Artikeln, Analysen und Abhandlungen zu seinen Werken (siehe Folker 2/2012 und 6/2012) und At Hame Wi’ Freedom macht die Trilogie komplett. Treibende Kraft hinter diesem Projekt ist erneut der Deutsche in Edinburgh, Eberhard „Paddy“ Bort, der für den Einstieg und den Abschluss sorgt. Die zehn Beiträge dazwischen – zum Beispiel über Hendersons frühe Folkloristentage, über sein Verhältnis zu Irland und speziell Nordirland oder über die Blairgowrie Festivals der späten 1960er – sind alles andere als akademisch trocken, aber ab und an ist eine Vorliebe für theoretische Ausführungen zumindest hilfreich. Für Schottlandfreunde und Folkloristen generell auf jeden Fall erneut nachdrücklich zu empfehlen.
Mike Kamp
 MAIK HERFURTH: Das Akkord-Buch für Anfänger-Gitarristen : leicht & verständlich, alle wichtigen Akkorde, Titelvorschläge u. v. m. – kompl. aktual. Neuaufl.
MAIK HERFURTH
Das Akkord-Buch für Anfänger-Gitarristen : leicht & verständlich, alle wichtigen Akkorde, Titelvorschläge u. v. m. – kompl. aktual. Neuaufl.
www.acoustic-music.de
(– Osnabrück: Fingerprint, 2014. – 53 S. : mit zahlr. Abb. – (Gitarrenworkshops v)
ISBN 978-3-945190-02-9 , 16,80 EUR


Auf den ersten Blick sieht alles klar und übersichtlich aus: Griffdiagramme und Fotos für ein und denselben Akkord, leicht verständliche, knapp gehaltene Erklärungen und alles in großem Maßstab abgebildet. Doch anstatt nach dem Erlernen der ersten Akkorde (A, D und E) entsprechende Songs zum Üben anzubieten, sind erst einmal die Mollakkorde dran (E-Moll, A-Moll, D-Moll). Wieder keine Übungslieder. Dann weiter mit C-Dur und G-Dur. Hat der Lernwillige die drauf – richtig: noch immer keine praktischen Übungen, stattdessen, ganz wichtig, die Septakkorde. Anschließend keine Übungen, vielmehr heißt es: „Auf in die Welt der ‚gefürchteten‘ Barré-Akkorde!“ Der zunehmend genervte und abnehmend motivierte Gitarrenschüler erfährt: „Auf den nächsten Seiten widmen wir uns einem Barré-Akkord.“ Ein nahezu seitenfüllendes Foto nebst Griffdiagramm zeigt F-Barrée. Dazu zwölf Zeilen Text. Das war’s. Das also ist Herfurths Welt der Barré-Akkorde. Es folgen ein paar Seiten mit Schlagmustervorschlägen (Patterns), einige Sätze zum Gebrauch eines Kapos, und dann kommen – unbedingt nötig für Anfänger – Akkorde wie Asus4, Dsus2 und E7sus4; immer grade mal zwei auf einer Seite, ohne Text wohlgemerkt. Ganz nett das Kapitel mit den Powerchords, dann „haben wir fertig“ (steht wirklich so im Heft). Aber, stimmt auch nicht, denn es folgen ja noch neun [!] Seiten mit Songtiteln und entsprechenden Akkorden, fast ausnahmslos zu begleiten mit A, D und E sowie G, C und D beziehungsweise E, A und H7. Keine Texte, keine Noten, keine Tabulaturen und, was wirklich wichtig für den Anfänger gewesen wäre: keinerlei Hinweise, an welcher Stelle welcher Griff zu spielen ist (Akkordwechsel). Apropos Tabulaturen: Zwar wird auf dem Heftumschlag (U4) versprochen, „Wir lernen unter anderem, wie man eine Tabulatur liest und versteht“, doch im Heft findet sich nicht eine einzige Tabulatur, geschweige denn eine entsprechende Erklärung. Diese Veröffentlichung ist eine platzverschwendende, überteuerte Mogelpackung.
Kai Engelke

 ANDREAS GEBESMAIR, ANJA BRUNNER, REGINA SPERLICH: Balkanboom! : e. Geschichte der Balkanmusik in Österreich.
ANDREAS GEBESMAIR, ANJA BRUNNER, REGINA SPERLICH
Balkanboom! : e. Geschichte der Balkanmusik in Österreich.
www.peterlang.com
(– Frankfurt a. M. : Lang, 2014. – 329 Seiten. – (Musik und Gesellschaft ; 34))
ISBN 978-3-631-64526-0 , 61,95 EUR


Das waren noch Zeiten, als eine sich geschmäcklerisch atomisierende Gesellschaft musikalisch auf einen Nenner gebracht wurde. Zuletzt gelang das einer Musik, die unter dem Oberbegriff „Balkan“ firmiert. Von den Niederungen der Clubs hin zu Glamourwelt Madonnas, sie alle wurden Anfang des Jahrtausends von den schrägen Rhythmen und Harmonien des Balkans dominiert. Nach einigen Jahren war allerdings alles vorbei. Moden kommen und gehen, was bleibt? Diese Frage haben sich Andreas Gebesmair, Anja Brunner und Regina Sperlich in ihrer Studie zum Balkanboom! gestellt. Methodisch sauber, leider weitestgehend ohne Auswertung deutscher Quellen, arbeiten sie heraus, welcher Bedingungen es für den Hype bedurfte und warum Wien zum Hotspot wurde. Vorausgeschickt wird, dass es zuvor zu einer Umwertung des Folklorebegriffs kam: Der war etwas für Sammler und nostalgische gesonnene „Gastarbeiter“; mit der neuen Bezeichnung „World Music“ ließ sich die Chose besser vermarkten. Und die neue Weltmusik hörte sich auch anders, moderner an, denn ihre Protagonisten suchten nicht Heimatpflege, sondern Nähe zu Jazz, Rock oder Dance Music. Dem österreichischen Balkanhype kam zugute, dass die Flüchtlinge aus den Balkankriegen, die ihre Instrumente im Gepäck hatten, jung, akademisch gebildet und weltoffen waren. Das half ihnen, tonangebend den Hype zu reiten – und sich von ihm zu distanzieren, als es mit ihm zu Ende ging. Während der Bauer im Karpatendorf immer noch seine Fiedel streicht, hat sich der hippe, urbane „Balkanboom“-Musiker längst vom Genre abgewendet und musiziert anderswo. Was also ist geblieben? Laut Rolling Stone eine „Frischzellenkur“ für die globale Musik, eine Zunahme der personellen Musikerdichte in Wien und eine Zunahme der Livespielstätten. Denn nicht zuletzt half der Balkanboom ein Publikum zur Musik zu führen, das sich altersmäßig zwar von dem des Gypsy Swing und Klezmerrevivals unterschied, nun aber eine neue Gemeinsamkeit herstellte, in der man sich wesensgleich mit Freunden des abenteuerlichen Lebens wähnte. Kein schlechtes Fazit, oder?
Harald Justin
 GERHARD HILDNER [Zsgest.]: Kreuz und quer auf dem Akkordeon : 100 Schlager, Oldies, Stimmungslieder, Seemannslieder, pop. Volksmusik ; leicht gesetzt / Songauswahl: Gerhard Hild
GERHARD HILDNER [Zsgest.]
Kreuz und quer auf dem Akkordeon : 100 Schlager, Oldies, Stimmungslieder, Seemannslieder, pop. Volksmusik ; leicht gesetzt / Songauswahl: Gerhard Hild
www.bosworth.de
www.musikverlag-hildner.de
(– o.O. : Bosworth, 2014. – 262 S. : nur Noten, Akk., u. Texte. – (MH Songs))
ISBN 978-3-86543-854-6 , 29,95 EUR


Eigentlich ist schon fast alles gesagt durch den Untertitel, denn tatsächlich sind von Traditionals über Freddy Quinn, Helene Fischer, die Beatles und Scott Joplins „Entertainer“ oder „Scarborough Fair“ Stücke aller genannten Genres vertreten, ein wenig Folk noch dazu. Zu allen Stücken gibt es neben Melodie- und Bassbegleitung auch Akkord- und Tempoangaben sowie die vollständigen Texte. Praktisch an dieser Sammlung: Neben der Spiralheftung finden sich auch ausklappbare Seiten, sollte ein Stück mal umfangreicher sein, was ein Umblättern von Noten unnötig macht. Alles in allem aber eher eine Sammlung für den Alleinunterhalter mit Akkordeon als für den Folkie …
Doris Joosten

Deutschland
 A SEATED CRAFT: Of Birds
A SEATED CRAFT
Of Birds
www.aseatedcraft.com
(Revolver RDSCD039)
14 Tracks, 56:37 , mit Texten


Hinter dem Namen A Seated Craft steckt die Künstlerin Alexia Peniguel. Die Wahlberlinerin verwandelte ihre Wohnung in ein improvisiertes Tonstudio und gab den musikalischen Edelsteinen mit einigen befreundeten Künstlern über die Dauer eines Jahres hinweg die nötige Form. Of Birds ist eine dieser seltenen Veröffentlichungen, bei denen bereits mit den ersten Tönen der instrumentalen Einleitung Berührung mit dem Hörer stattfindet. Dieser findet seine Hoffnungen mit Einsetzen des Gesangs erfüllt, und so lehnt er sich entspannt zurück, um aufmerksam, entspannt und irgendwie glücklich dem Gesamtwerk zu lauschen. Die Musik der Künstlerin würde in einer Cocktailbar, nur begleitet von Piano und Kontrabass, genauso fesseln wie in der Chill-out-Lounge eines Jugendfestivals. Die Texte sind persönliche Erzählungen, der leicht angejazzte Gesang wird begleitet von Gitarre, Bläsern und etwas dezentem Schlagwerk. Das Ergebnis ist ein Album voller Geheimnisse, die man eigentlich nur seiner besten Freundin verrät. Diese Künstlerin hat den Durchbruch verdient, und doch hofft der Hörer im Stillen, dass sie wenigstens noch eine kleine Weile unbekannt bleibt, um diesen Schatz weiter etwas hüten zu können.
Christian Elstrodt
 BIBER HERRMANN: Grounded
BIBER HERRMANN
Grounded
www.biberherrmann.de
(Acoustic Music Records 319.1523.2/Rough Trade)
14 Tracks, 58:24


Zwar hat Biber Herrmann sein Album Grounded nicht ausdrücklich dem 2013 verstorbenen Freund und langjährigen Weggefährten Fritz Rau gewidmet, Zitate und Erinnerungen an die gemeinsame Zeit mit der Veranstaltungsreihe „Talk & Musik“ finden sich im Booklet jedoch zuhauf. Als „einen der authentischsten und wichtigsten Folk-Blues-Künstler“ bezeichnete der legendäre Musikveranstalter den Musiker, und wie Recht er damit hatte, stellt Herrmann hier in vierzehn von vierzehn Titeln unter Beweis. Die Fremdkompositionen von Robert Johnson, Huddie Leadbelly oder Bob Dylan sind nicht bloß kopiert, sondern interpretiert, „irgendwie anders“ als das Original, aber doch unverwechselbar und im gleichen musikalischen Duktus gehalten. Als Songwriter verarbeitet Biber Hermann thematisch große Themen wie Freundschaft, Liebe, Hoffnung und Krieg, schwere Texte in klarer, direkter Sprache. Gesang, akustische oder Resonator-Gitarre und ab und an etwas Mundharmonika, das sind die musikalischen Ausdrucksmittel. Handwerklich perfekt, virtuos – der eigentliche Zauber geht jedoch von etwas aus, was nicht erlernbar ist. Das Album strahlt eine tiefe, entspannte Ruhe aus, die Musik „atmet“. Tiefe Verneigung, große Kunst!
Achim Hennes

 GREGOR HILDEN: In Phase
GREGOR HILDEN
In Phase
www.gregorhilden.de
(Acoustic Music Records 319.1534.2/Rough Trade)
13 Tracks, 57:29


Mit dem Blues als Fundament und angereichert durch Funk, etwas Soul und Jazz bleibt Gregor Hilden sich und seiner Musik auch auf diesem Album treu. Ihm zur Seite stehen mit Thomas Hufschmidt, Keyboards, Horst Bergmeyer, Hammond B-3, Martin Engelien, Bass, und Dieter Steinmann, Schlagzeug, exzellente Musiker, bei denen sich das schnöde Vorwort „Begleit-“ verbietet. Folgerichtig räumt Hilden dann auch jedem von ihnen Platz und damit entsprechende solistische Ausdrucksmöglichkeit ein, wodurch immer wieder spannende Bögen und Zuspiele entstehen. Natürlich ist dabei auch dieses Instrumentalalbum von Hildens Gitarrenspiel dominiert: Lange Töne, die in einem schönen Vibrato enden, alles legato gespielt. Verwendet werden jeweils zum Stück ausgesuchte, edle „Vintage“-Instrumente und Verstärker, bei deren bloßer Nennung im Booklet es dem lesenden Gitarristen in den Finger kribbelt. Satte, schmatzende, runde Klänge, eine Wohltat für die Ohren und eine bedingungslose Empfehlung für Liebhaber des Blues in seiner eleganten, geschmackvollen Form.
Achim Hennes
 DANIEL VAGANT: Schön
DANIEL VAGANT
Schön
www.danielvagant.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 49:56


Dass ein versierter Singer/Songwriter aus Deutschland Zeilen singt wie „Ich finde mein Leben ganz toll“ oder „Ich werde fliegen wie ein Schmetterling“ erscheint nicht gerade selbstverständlich, zumal nicht wenige Liedermacher die schwermütig-melancholischen Inhalte eindeutig bevorzugen. So kann es durchaus als „schön“ empfunden werden, wenn gleich zu Beginn des Albums fast so etwas wie eine fröhliche Partystimmung aus den Boxen knallt. Aber das Trio aus Marburg kann auch ganz anders: Was unbeschwert beginnt, wird etwa ab der zweiten Hälfte des Albums ernsthaft und tiefsinnig. Die Reduzierung auf Stimme und Gitarre bei einigen Songs erzeugt zusätzlich Eindringlichkeit und Intensität. Von der Feierlaune zum anspruchsvollen Songwriting – das ist offensichtlich die Dramaturgie dieser rundum erfreulichen Produktion. Die immer wieder eingestreuten Querflöten- und Gitarrensoli von Daniel Vagant bereichern die Songs in besonderer Weise. Daniel Vagant (Gitarre, Gesang, Flöte) , Stephan Becker (Kontrabass) und Patrick Leipold (Schlagzeug, Cajon) präsentieren handgemachten, kraftvollen Akustik-Folkrock der allerfeinsten Sorte.
Kai Engelke

 WAGENBRETH/UHLMANN: Einsam heut Nacht
WAGENBRETH/UHLMANN
Einsam heut Nacht
www.rough-trade.net
(Skycap Records/Rough Trade)
14 Tracks, 52:33


Natürlich ist es der Sänger, der dieses Album ausmacht, aber es sind im vorliegenden Fall eindeutig auch die Songs. Manne Wagenbreth, ostdeutsches Folk-Urgestein aus der Leipziger Szene (Folkländer/Bierfiedler), verfügt über eine jener unverwechselbaren Reibeisenstimmen, die selbst das Örtliche Telefonbuch singen und zu einem herzergreifenden Erlebnis machen könnten. Kaum jemand vermag selbst abgenudelten Heulern so viel Glaubhaftigkeit und Seele zu verleihen wie er. Johannes Uhlmann (diatonisches Akkordeon, Gesang)ist als mit allen Folk- und Weltmusikwassern gewaschener Musiker (Uhlman, Leipziger Folk Session Band u. v. a.) dazu die Idealbesetzung. Den eklektischen Stilmix der Lieder präsentieren sie mit leichter Hand und wie aus einem Guss arrangiert, im Studio von befreundeten Musikern an Geige, Mandoline, Whistle, Posaune und Gesang veredelt. Erstaunlich, wie selbstverständlich deutsche Lieder aus Wagenbreths Feder neben Material von Tommy Sands (wie dem lüpfigen „Come In From The Rain“), dem ergreifenden „Heart Like A Wheel“ von Anna McGarrigle oder dem französischen Traditional „Aux Marches De Palais“ bestehen kann, wie wunderbar Folk- neben Pop- und Rocksongs wie „The River“ von Brian Eno oder „Darling Be Home Soon“ von John Sebastian koexistieren. Die geschmackvollen Arrangements machen dieses Album zu einem Werk, das man wieder und wieder hören möchte.
Ulrich Joosten



DVD/Filme
 DAS BLAUE EINHORN: Das letzte Konzert
DAS BLAUE EINHORN
Das letzte Konzert
www.unicornio.de
(Unicornio Records DVD)
Do-DVD, 34 Tracks, 120:23


Dieser Mitschnitt ihres letzten Konzerts, welches am 23. November 2013 im Alten Schlachthof statfand, ist das Abschiedsgeschenk der blauen Einhörner aus Dresden. Über zwanzig Jahre war Das Blaue Einhorn ein Symbol deutscher Folkmusik. Mit einem einzigartigen Gespür für das richtige Lied und das richtige Arrangement bereisten die vier Vagabunden musikalisch den halben Kontinent mit Liedern etwa aus Griechenland, Israel, Rumänien oder Finnland. Dabei gelang den Musikern das Kunststück, die musikalischen Grenzen vollständig aufzulösen. Jedes ausgewählte Stück auf der DVD klingt wie aus einer gemeinsamen, homogenen, ethnischen Tradition. Aus Klezmer, Fado und Rembetiko wird ein einziger, europäischer Stil. Rio Reiser, Jaques Brel und russische Volksweisen verschmelzen miteinander zur konzertanten Straßenmusik des Blauen Einhorns, das sich auf der Opernbühne genauso wohl fühlte wie in der Folklorekneipe. Die Arrangements gaukeln Quellentreue vor. Der Hörer glaubt, genau so wird das Lied dem Komponisten selbst im Ohr geklungen haben. Die vielen verspielten Details offenbaren den Humor der Interpreten. Das Einhorn ist gegangen und hinterlässt diese Doppel-DVD, die Sehnsucht, Trauer und Dankbarkeit erzeugt.
Chris Elstrodt
 HAINDLING: Haindling – und überhaupts ...
HAINDLING
Haindling – und überhaupts ...
www.haindling.de
www.kickfilm.de/haindling.html
(Zorro Medien DV 999948)
90:00


Zum siebzigsten beschert uns das bayrische Unikum Hans-Jürgen Buchner, Kopf der Gruppe Haindling, eine Bestandsaufnahme. Haindling, benannt nach seinem Wohnort in Niederbayern, macht seit über vierzig Jahren eine eigenwillige Mischung aus neuer Volksmusik, Jazz und Weltmusik. Regisseur Toni Schmid zeigt den Freigeist Buchner in seiner Welt voller Sonne – ob in Niederbayern oder China. Der Schützer des Bayerischen führt uns selbst auf Mundart (ohne Untertitel) spaßvoll durch sein Leben und trägt dazu oft knallige chinesische Hosen. Poetisch und philosophierend durchstreift er Haus und Garten, seine Instrumentensammlung, Zwiebelturmlandschaften und Straßen in China. Man erfährt Einiges über seine Arbeitsweise und Aufgeschlossenheit, zum Beispiel seinen Versuch, in seiner Fantasiesprache mit Chinesen zu kommunizieren. Zu Wort kommen auch die Bandmitglieder und Frau Ulrike, die wir in Aufnahmen aus den Achtzigern sehen, als beide eine Keramikwerkstatt führten, als Ehepaar auftraten und Buchner Schnauzer und Muskelshirt trug. Begleitet wird alles durch bekannte Hits und bisher unveröffentlichte Stücke. Ein Gute-Laune-Film über ein eigenwilliges, weltoffenes, konservatives und glückliches Original. Bestandsaufnahme bestanden!
Imke Staats

 GREG RUSSELL & CIARAN ALGAR: In Concert
GREG RUSSELL & CIARAN ALGAR
In Concert
www.russellalgar.co.uk
(Fellside Recordings FEDV001)
112:00 , plus Bonusmaterial (Interview)


Mitte letzten Jahres veröffentlichten die beiden jungen Engländer ihr zweites Album The Call (Fellside Recordings FECD 262), etwa zur gleichen Zeit wurde ein Auftritt im Theatre Royal in Workington gefilmt, den es nun als DVD gibt. Kein Wunder, dass sechs der sechzehn Titel vom aktuellen Album stammen. Ein mehr oder weniger komplettes Konzert also, mit Ansagen und Applaus, und damit eine ideale Bewerbung für Auftritte weltweit. Algar (hauptsächlich Fiddle) hatte gerade seine Schule abgeschlossen und Russell (Gesang, Gitarre, Bouzouki) war im Studium, und es ist bewundernswert zu sehen und hören, mit welcher sympathischen Souveränität sich die beiden durch die diversen Songs und gelegentlichen Instrumentals spielen. Keine eigenen Lieder, aber gelungene, stimmige Interpretationen von traditionellem und zeitgenössischem Material. Auch optisch keine Tricks, genügend und gut abgemischte Kameraperspektiven, angenehmes Licht, was will man mehr? Zwei klitzekleine Auffälligkeiten: Manchmal sind die Kameras zu sehen, bei einem solche kleinen Theater vielleicht unvermeidlich. Und Algar fummelt bei seinen Ansagen ein wenig zu intensiv mit Mikrofon und Ständer. Aber das ist sehr nachrangig bei einem solch angenehmen Konzerterlebnis.
Mike Kamp



Europa
 ATTWENGER: Spot
ATTWENGER
Spot
www.attwenger.at
(Trikont Records US-0462)
23 Tracks, 40:00


Das österreichische Schlagwerk/Akkordeon-Duo hat mittlerweile acht Studioalben und rund 750 Live-Auftritte in 25 Jahren hinter sich. Die Livekonzerte sind krachende Rhythmusübungen mit Katharsiseffekt, die Studioalben waren Erprobungen eines sonischen Spiels mit der Vieldeutigkeit der Sprache und eigentlich konkrete Poesie, in der Sprache dekonstruiert und mit Soundminimalismen zwischen elektrifizierten Akkordeon und Schlagzeug entkernt und neu belebt wird. Das war einzigartig im deutschen Sprachraum und großartig, Streetart mit Kunstverdacht und glücklicherweise nicht angekränkelt von einem Liedermachertum, das meint, bedeutungsschwangere Texte würden die Welt verändern. Auf dem aktuellen Album scheinen Attwenger ihrem alten Konzept nicht mehr so recht zu trauen: Immer noch gibt es die wunderbaren Text- und Sinnverdreher, die aus Sprache Musik machen und sich subversiv der Deutungshoheit der Sprache widersetzen. Allerdings gibt es mehrheitlich nun skurrile Geschichten über unter anderem automatische Türen und Japaner und die Musik dockt mehr als üblich an die österreichische Volksmusik an. Attwenger goes Mainstream? Oder ist Mainstream die neue radikale Avantgarde?
Harald Justin
 DIVERSE: Voice + Vision – Songs of Resistance, Democray + Peace
DIVERSE
Voice + Vision – Songs of Resistance, Democray + Peace
www.topicrecords.co.uk
(Topic Records TSCD774D)
Do-CD, 29 Tracks, 96:15 , mit engl. Infos


Diese Produktion löst gemischte Gefühle aus. Zusammengestellt wurde sie anlässlich des 75. Geburtstags des Labels und des 115-jährigen Bestehens der Schulungsstiftung der englischen Gewerkschaften. Die beiden CDs gehen inhaltlich und musikalisch in eine erfreuliche Richtung: Altes und Neueres aus dem Hause Topic (Martin Carthy, John Tams oder Shirley Collins), aber auch Spezialaufnahmen oder Übernahmen von Pete Seeger oder Chumbawamba. Der Untertitel gibt die Themen deutlich vor. Doug Nicholls, der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes, beschreibt im Beiheft ausführlich, warum die einzelnen Songs von ihm und Labelchef Suff ausgewählt wurden. Das ist alles sehr ehrenwert, wenn auch manchmal ein wenig mit Pathos angereichert. Nun mag es unangemessen sein, diese Frage von Deutschland aus in Richtung England zu stellen, aber glaubt der Generalsekretär tatsächlich, was er schreibt, nämlich das Gewerkschafter diese Lieder in Zukunft zu diversen Anlässen singen werden? Um Missverständnissen vorzubeugen: Es wäre grandios, wenn das geschähe, aber es ist wohl zu erwarten, dass Lieder wie „Rigs Of The Time“ oder „Black Leg Miner“ auch in Zukunft eher auf Folkbühnen interpretiert werden. Eine schönes Doppelalbum ist es allemal.
Mike Kamp

 PHILIPP FANKHAUSER: Home
PHILIPP FANKHAUSER
Home
www.philippfankhauser.com
(Funk House Blues Productions/Sony)
14 Tracks, 63:29 , mit engl. Texten u. Infos


Der Schweizer Bluesmusiker und Singer/Songwriter hat bereits dreizehn Alben veröffentlicht. Jetzt legt er das vierzehnte vor, das von dem Gitarristen und Bandleader Marco Jencarelli produziert wurde. Die Aufnahmen entstanden unter Mitwirkung seiner langjährigen Musikerfreunde Hendrix Ackle (Orgel, Piano) , Angus Thomas (Bass) und Richard Spooner (Schlagzeug). Bei einigen Titeln sind auch Till Grünewald (Altsaxofon), Lukas Thoeni (Flügelhorn), Thomi Geiger (Tenorsaxofon) und Luis Conte (Percussion) dabei. Vor mehr als zwanzig Jahren hatte Fankhauser den amerikanischen Gitarristen und Sänger Johnny Copeland (gestorben 1997) kennengelernt und war mit ihm durch Europa und die USA getourt. Eine Goldene Schallplatte in der Schweiz zählt zu seinen Auszeichnungen. Das alles spricht für Qualität. Mit Titeln wie „Sweet Sensations“ und „Rainy Night In Georgia“ stellen die Musiker enormes Können und große Spielfreude unter Beweis. Ein Lob verdienen auch das hervorragend gestaltete Digipack und das Booklet. Ein absolutes Muss für jeden Bluesfan
Annie Sziegoleit
 RENAUD GARCIA-FONS & DERYA TÜRKAN: Silk Moon
RENAUD GARCIA-FONS & DERYA TÜRKAN
Silk Moon
www.renaudgarciafons.com
(E-Motive Records EM0141/Galileo MC)
14 Tracks, 56:36


Der Franzose Renaud Garcia-Fons ist einer der virtuosesten und innovativsten Kontrabassisten dieser Zeit. In atemberaubender Perfektion entlockt er seinem fünfsaitigen Kontrabass ganz neue Töne, gezupft oder mit seiner spektakulären Bogentechnik. Trotz seiner nahezu grenzenlosen Möglichkeiten auf dem Instrument steht bei Garcia-Fons die Klarheit der musikalischen Aussage im Fokus. Das ist auf Silk Moon wieder ganz wunderbar gelungen: Mit dem türkischen Musiker Derya Türkan entsteht ein intensiver Dialog zwischen dem kleinsten Streichinstrument, der Kemençe, und dem großen Kontrabass. Dabei erreichen die beiden Virtuosen durch ihr intensives Zusammenspiel einen höchst organischen Sound, der durch reduzierte, geradezu kammermusikalische Intimität besticht. Hier passiert Weltmusik im allerbesten Sinn. Mit absoluter Selbstverständlichkeit trifft orientalische Musiktradition auf Flamenco, klassische Musik, Latin und vieles mehr. Es wird nie klischeehaft oder oberflächlich agiert, diese beiden meinen jeden Ton, den sie spielen. Und das geht direkt ins Herz. Überragend!
Christian Kussmann

 HARALD HAUGAARD: Lys Og Forfald
HARALD HAUGAARD
Lys Og Forfald
www.haraldh.dk
(Westpark Music)
11 Tracks 42:17 , dän., engl. u. dt. Infos


Das dritte Soloalbum des dänischen Meistergeigers ist der Abschluss einer Trilogie. Während die ersten beiden mehr zukunftsgerichtet sind, betont Haugaard im Booklet, dass auch der Zerfall wie im Herbst seine Ruhe und Schönheit hat: „Aus Zerfall entsteht Licht.“ Vielleicht entspricht das auch seinem Lebensweg. Nach dem Aufbau der Folkmusiklinie an der Akademie in Odense als Dozent ist er seit 2013 künstlerischer Leiter von Folk Baltica und hat bereits zwei Festivals erfolgreich durchgeführt. Es ist nicht nur die brillante Technik mit der Haugaard so fasziniert. Schon bei wenigen Tönen spürt man seine Seele, die verbunden ist mit seiner Geige und der dänischen Musiktradition. Nach mehr als vierhundert Auftritten weltweit, einigen CD-Produktionen und der Zusammenarbeit bei Gestaltung und Arrangement der Stücke ist mit seiner Band eine enge musikalische und menschliche Bindung entstanden. Im Einzelnen sind das seine Frau Helene Blum an der Violine, Kirstine Pedersen am Cello, Mikkel Grue und Mattias Pérez an der Gitarre und Sune Rahbek an der Percussion. Viele weitere Mitmusiker tragen zu Nuancen in den verschiedenen Stücken des Albums bei. Die Releasetour in Deutschland wird im November fortgesetzt.
Bernd Künzer
 GEMMA HAYES: Bones + Longing
GEMMA HAYES
Bones + Longing
www.gemmahayes.com
(Chasing Dragons GH233939/Membran)
11 Tracks, 11:28 , mit engl. Texten u. Infos


Für Gemma Hayes ist die Musik zugleich Kampf und Tagtraum. Schon als Kind fasziniert sie, „wie ein Song die Atmosphäre eines Raumes bestimmen kann und in die Menschen eindringt, um sie für kurze Zeit zu verändern. Ich mag wohin sie mich trägt“, erklärt die Irin. Süchtig sei sie nach dem Songschreiben, wie in einer Abhängigkeit gefangen, die ihr Schmerzen bereitet und doch Lebenselixier ist. Ihr nunmehr fünftes Album ist Zeugnis einer musikalischen Arbeit, die Hayes besonders mental gefordert hat. Ihr Anliegen, die Songs nicht in verkopft-überproduzierten Versionen zu veröffentlichen, zahlt sich aus. Von einigen der elf Tracks ist der allererste Take im Studio zu hören, „inklusive aller Ungenauigkeiten“, so Hayes. Sich in den Songs auf diese Weise menschlich unperfekt und ungeschönt zu zeigen, rang der Sängerin einiges an Mut ab, aber das Ergebnis dankt es ihr. Eindringliche Songs sind es geworden, am schönsten, wenn Hayes’ Stimme nur minimal begleitet wird und sehr nah und persönlich wird. Sie singt über finstere Sehnsüchte, dysfunktionale Beziehungen und den Schmerz in der Liebe. „There’s a name for the pain that sits in equal parts between us“, dichtet sie in „Making My Way Back“. Wunderschön.
Judith Wiemers

 HOLLER MY DEAR: Eat, Drink & Be Merry
HOLLER MY DEAR
Eat, Drink & Be Merry
www.hollermydear.com
(Traumton Records 4620/Indigo)
15 Tracks mit Texten, 65:36


„Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut!“, heißt es in Luthers Bibelworten. Weil Holler My Dear sich fürs gute Essen und Trinken erwärmen, stellen sie ihrem zweiten Album dies Zitat voran: „Eat, drink and be merry.“ In der Bibel erwidert Gott, dass es mehr im Leben gebe als nur Genuss. Doch die Band setzt nicht auf Botschaft, sondern auf ihr musikalisch großartiges Miteinander. Schon die Gruppierung zeigt, Europa ist längst enger zusammengewachsen, als die EU in Brüssel ahnt. Zwei Österreicher, zwei Russen, ein Engländer und ein Deutscher bewegen Mandoline, Gitarre, Akkordeon, Schlagzeug und Bass unverbraucht und mühelos in einer wundersamen Welt polyfoner Klänge. So wie Stephen Moult, einst Sängerknabe der Royal Opera in London, sein geniales Trompetenspiel damit verquickt, so quicklebendig und nonchalant ist Laura Winklers Gesang. Holler My Dears wunderbare Clever-&-Smart-Arrangements bekunden, progressive Musik lässt sich auch ohne elektronische Effekte machen. Eine farbenprächtige Widmung an die Hauptstadt: Hier steppt der Berliner Bär jazzig Avantgarde-verliebten Chansonpop à la russe in balkanesker Weltmusik.
Stefan Sell
 JETLAG ALLSTARS: Vintage
JETLAG ALLSTARS
Vintage
www.jetlagallstars.info
(Quinton Q-1403-2)
12 Tracks, 55:25


Auf das Wiener Quinton-Label ist gemeinhin Verlass: Es ist bekannt für Produktionen zwischen Jazz und Weltmusik außerhalb genormter Standards und mit hohen Anforderungen an die Klangqualität. Diesen Anspruch gilt es zu halten mit dem Trio um dem Violinisten Mario Gherghiu, dem Gitarristen Klaus Wienerroither und dem Bassisten Ernnö Rácz, das sich den dummen, weil nicht lustigen oder sonstwie passenden Namen „Jetlag Allstars“ gegeben hat. Geboten wird eine Rundreise durch die alten Jahre. Denn gut abgehangen, nämlich vintage, ist die Musik, bei denen zweimal die neu gegründete Barbara Bruckmüller Big Band mitspielt. Mit leichtem Pusztatemperament wird an sattsam bekannten Klassikern von unter anderem Mozart, Bach, Lehár und Strauss gezündelt, werden Rock, Bluegrass und Jazz zitiert. Mit Fug und Recht lässt sich nun darüber diskutieren, ob die Welt tatsächlich noch einen Versuch braucht, in der Klassik verjazzt oder gypsyfiziert bzw. Jazz oder Gypsymusik mit Klassik fusioniert werden muss. Anscheinend, denn das Fusionsubgenre Klassikjazzfolk füllt längst Regale und ist besonders in Wien beliebt. Wer noch Platz neben Jacques Loussiers verjazzten Bach-Einspielungen hat, darf zugreifen.
Harald Justin

 LA BANDA DI PIAZZA CARICAMENTO: Il Sesto Continente
LA BANDA DI PIAZZA CARICAMENTO
Il Sesto Continente
www.felmay.it
(Felmay fy8221)
11 Tracks, 44:25 , mit Texten


Davide Ferrari, Bandleader des Genueser Multikultiorchesters, erschuf sich seine eigene Vision des Paradieses: „Der sechste Kontinent ist ein idealer Ort, wo Migranten und Reisende ihre Träume verwirklichen können, wo alle mit offenen Armen empfangen und Emotionen gelebt werden, wo Traditionen und die Kreativität blühen.“ Musikalisch fühlt sich diese Welt recht funky an. „Rock The Casbah“, dieser alte Clash-Song, fetzt mit einem babylonischen Sprachgewirr über alle Kontinente hinweg. „Final Call“, ein Folksong der Irin Lorraine McCauley macht unversehens eine Reise über Tadschikistan in den Senegal. Die vielen ausdrucksvollen Sologesangsstimmen in unterschiedlichsten Sprachen und Timbres sorgen für Abwechslung. Vergleiche zu den Projekten von Daniele Sepe drängen sich auf. Wo der Neapolitaner seine Tradition mit radikalen Stilbrüchen konfrontiert, versucht die Banda aus unterschiedlichsten Musikstilen und Kulturen eine Einheit zu schaffen. Alles klingt erstaunlich organisch und ungezwungen. 25 Musikschaffende aus Europa, Afrika, Asien und Lateinamerika lassen ihre Kulturen in ein Gesamtwerk einfließen. Wären Politiker Musiker, könnte der sechste Kontinent Wirklichkeit werden.
Martin Steiner
 MAIRI MacINNES: Gràs
MAIRI MacINNES
Gràs
www.mairimacinnes.com
(Puffin Recordings PUFFIN01CD)
10 Tracks, 42:32 , mit engl. Infos


Eigentlich braucht man dieses Album gar nicht zu hören, um seine Qualität zu beurteilen. Wenn Musiker wie Aaron Jones, James Mackintosh oder Hamish Napier oder gar die Capercaillie-Sängerin Karen Matheson mit von der Partie sind, dann kann eigentlich nichts schiefgehen. Wenn man allerdings die wunderbare gälische Stimme von Mairi MacInnes kennt, dann kriegt man die CD gar nicht schnell genug in die Lade. Das erste Soloalbum seit gut zehn Jahren beginnt allerdings mit gerunzelter Stirn: Moment, macht MacInnes jetzt auf auf Esoterik? Keine Sorge, es ist lediglich eine kurze atmosphärische Einstimmung, und dann können wir uns voll und ganz auf diese einzigartige Stimme konzentrieren. Ob sie nun anhand einer Aufnahme aus dem Jahr 1972 mit ihrem Onkel im Duett singt, ob sie rhythmische und optimistische gälische Mouth Music oder hypnotisierende Waulking Songs der arbeitenden Frauen aufleben lässt oder ob sie herzzerreißende Liebes- und Abschiedslieder zelebriert, immer ist es der Gesang mit seiner ganzen Reife, der fasziniert. Wenn es denn eines Beweises bedurft hätte, dass Mairi MacInnes eine der ganz großen Sängerinnen Schottlands ist, dieses Album liefert ihn.
Mike Kamp

 MONSIEUR DOUMANI: Sikoses
MONSIEUR DOUMANI
Sikoses
www.monsieurdoumani.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 53:38 , mit Foto u. engl. u. zypr. Infos


In Heft 1/2015 besprachen wir das Debütalbum dieses zypriotischen Trios, und schon schieben Demetris Yiasemides, Angelos Ionas und Antonis Antoniou ihre Nummer zwei nach. Im Unterschied zu Grippy Grappa präsentiert Sikoses nicht so viele verschiedene Musikstile, sondern erscheint musikalisch mehr aus einem Guss, wenn auch die Zwischenspiele abwechslungsreich zwischen traditionelleren und jazzigeren Partien rangieren. Der Schwerpunkt lieg eindeutig auf den Texten, die im regionalen Idiom des zypriotischen Griechisch verfasst und so Griechen nicht ohne weiteres verständlich sind, erst recht nicht dem Rezensenten, der aber auf englische Übersetzungen im Beiheft zurückgreifen kann. Doch auch hier müsste man wohl noch mehr Erklärungen haben, um die vielen den Zyprioten wohl geläufigen Anspielungen zu verstehen. Es geht jedenfalls um eine Demaskierung gesellschaftlicher und politischer Missstände, die ironisch auf den Arm genommen werden. Sikoses ist der Name des letzten Schlemmens vor der Fastenzeit, des Karnevals eben, sodass die Lieder gleichsam musikalische Büttenreden sind. Der an die tschechische Gruppe Krless erinnernde Gesang lässt auch des Zypriotischen Unkundige den Witz der Lieder erspüren.
Michael A. Schmiedel
 PETE MORTON: The Frappin’ And Ramblin’ Pete Morton
PETE MORTON
The Frappin’ And Ramblin’ Pete Morton
www.petemorton.com
(Fellside Recordings FECD261)
10 Tracks, 46:51 , mit Texten


In der Kategorie „Worte pro Minute“ ist Pete Morton unschlagbar und hat für diese Stilrichtung einen eigenen Begriff gefunden, den Frap – eine Mischung aus akustischem Rap, Talking Blues und englischem Folksong. Davon hat der Engländer, der immer mal wieder kurze Gastspielreisen nach Deutschland unternimmt, gleich drei auf seinem neuen Album. Aber auch ansonsten schreckt Morton vor Worten nicht zurück. Das passt aber, oder wie nennt man das, wenn tatsächlich ein Lied über die Renationalisierung der Eisenbahn tagelang die Ohren blockiert? Morton legt meist großen Wert auf Inhalte, politisch, ja, und parteilich sowieso, denn er ergreift Partei für die Kleinen, die Immigranten, die Farmer, die Bettler, all die, die das System ausspuckt. Das macht er mit seiner kräftigen Stimme und Weggenossen wie Chris Parkinson (Melodeon, Akkordeon) , Jon Brindley (Fiddle, Gitarre) oder der kürzlich leider verstorbenen Maggie Boyle F(löte, Gesang). Der weitestgehende Livecharakter der Aufnahmen kommt dem rauen Charme der Lieder entgegen. Pete Morton eben, wie wir ihn lieben.
Mike Kamp

 ORIOXY: Lost Children
ORIOXY
Lost Children
www.orioxy.net
(GLM Music EC 562-2)
11 Tracks, 51:41 , mit arab., engl., franz. u. hebr. Texten


Gleich vorweg: Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia hat die Band in ihre „prioritäre Jazzförderung“ 2015-17 aufgenommen. Seit 2008 präsentiert sich Orioxy als musikalischer Flickenteppich unterschiedlichster Stilrichtungen, wobei gleich mehrere Sprachen, konkret englisch und französisch, aber auch hebräisch und sogar arabisch weniger das Traditionelle oder Folkloristische, sondern vielmehr eine Prise Fremdartigkeit einbringen. Als Seele des Ensembles und deren dritten Albums, im Pressetext als „turning point“ beschrieben, sind die beiden Frauen Yael Miller (voc, Texte) und Julie Campiche (harp) zu nennen, begleitet von der Rhythmusformation Manu Hagamnn (b) und Roland Merlinc (dr) . „Ishah“ (dt. „Frau“) mag als musikalischer Prototyp dieses Albums herhalten, in dem insbesondere das Harfenspiel fasziniert. Nicht nur sprachlich fällt „Bakhur Meshu’amam“ (dt. „Gelangweilter Kerl“) aus dem Rahmen: Die sonst eher weicheren Melodien werden hier, neben dem hebräischen Gesang von Miller, gesanglich vom Sami Darg Team, Rappern aus Gaza ergänzt. Schließlich darf zum Ausklang auch eine Neuinterpretation der Lennon-McCartney-Komposition „Blackbird“ nicht fehlen. Das alles ist spannend anzuhören.
Matti Goldschmitt
 PLAYING CARVER: Leave The Door Open
PLAYING CARVER
Leave The Door Open
www.brokensilence.de
(Leave The Door Open/Broken Silence THMLQ 423689)
12 Tracks, 43:35 , mit engl. Infos


Schon die Namen versprechen eine internationale Supergruppe. Das so ungewöhnliche wie großartige Projekt Playing Carver mit John Parish, Marta Collica, Boris Boublil, Gaspard LaNuit, Csaba Palotaï, Jeff Hallam und Marion Grandjean legt ein Folkrockalbum der ganz besonderen Klasse vor. Jeder Musiker übernimmt bei den Songs wechselnde Aufgaben und Instrumente. Die Titel sind Vertonungen von Kurzgeschichten des amerikanischen Schriftstellers Raymond Carver, der 1938 geboren wurde und 1988 gestorben ist. Alle seine Bücher sind auch in deutscher Übersetzung erschienen. Carver-Storys bilden die Grundlage des Robert-Altman-Films Short Cuts, auch in dem 2015 mit mehreren Oscars ausgezeichneten Film Birdman spielt ein Carver-Text – „Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden“ – eine zentrale Rolle. Das Musikprojekt Playing Carver ist eine wunderbare Hommage an diesen früh verstorbenen Autor.
Annie Sziegoleit

 ETTA SCOLLO: Scollo Con Cello – Tempo Al Tempo
ETTA SCOLLO
Scollo Con Cello – Tempo Al Tempo
www.jazzhausrecords.com
(jazzhaus records JHR 107)
14 Tracks, 48:09 , mit ital. u. dt. Texten


„Dare Tempo al Tempo“, der Zeit Raum geben, abwarten, was sich entwickelt. Diese Gedanken müssten all denjenigen Musikern mit auf den Weg gegeben werden, die ihren Kompositionen den Atem rauben. Scollo Con Cello ist eigentlich ein Duoalbum. Hier die Stimme und Gitarre der Sizilianerin, da das Cello, ab und an die Mandoline und Duostimme von Susanne Paul. Die Reduktion auf das Wesentliche, der Verzicht auf Overdubs und Gastmusiker schaffen Raum und eine intime Atmosphäre, die zum genauen Zuhören einlädt. Die musikalische Bandbreite reicht von barocken Tönen über Volkslieder bis zum Kunstlied. Etta Scollo philosophiert über die (fehlende) Zeit, Lieder zu schreiben, das Leben und die Liebe ? gesungen auf Italienisch, Deutsch, einmal auch auf Sizilianisch. Das Textmaterial stammt aus eigener Feder, aber auch von den sizilianischen Dichtern Salvatore Quasimodo und Sebastiano Burgaretta oder dem deutschen Lyriker Joachim Sartorius. Hervorzuheben ist das Beiheft mit guten deutschen Übersetzungen aller Lieder. Scollos gesangliche Oktavensprünge, der barocke Schönklang und die verspielten Elemente dieses Duoprojekts entführen in eine weibliche Klangwelt mit eigener Magie.
Martin Steiner
 ROBIN WILLAMSON: Trusting In The Rising Light
ROBIN WILLAMSON
Trusting In The Rising Light
www.pigswiskermusic.co.uk
(ECM 2393)
12 Tracks, 51:07 , mit engl. Texten


Warum findet der in Wales lebende Schotte Williamson eigentlich in der Folkszene so gut wie nicht mehr statt? Will er das selbst so? Selbst aufgeschlossene Festivals wie das TFF haben den über Siebzigjährigen ignoriert. Liegt es daran, dass er auf dem coolen Münchner Jazzlabel ECM veröffentlicht? Unvorstellbar! An der Musik jedenfalls kann es nicht liegen. Da gibt es sehr nachvollziehbare Parallelen zu seiner Arbeit mit der Incredible String Band oder später der Merry Band. Die zwölf eigenen Songs interpretiert er wie immer auf Harfe, Gitarre, Hardangerfiedel und Whistle sowie mit seinem typischen Gesang, einer bardischen und freien Interpretation der Melodie. Dazu kommen auf der CD (live spielt er momentan meist gemeinsam mit seiner Frau Bina) zwei amerikanische Kollegen, der Violinist Mat Maneri und der Vibrafonspieler und Percussionist Ches Smith. Mit letzterem zelebriert er eines der ungewöhnlichsten Stücke des Albums: „Night Comes Quick In LA“ – Percussion und Gesang, absolut faszinierend. Ansonsten sind unter anderem keltische, indische oder jazzige Elemente ebenso zu hören wie Blueseinflüsse. Doch, der Mann ist noch ausgesprochen fit! Wer Williamson lange nicht gehört hat, aber ihn vor dreißig Jahren mochte – einfach mal wieder vorbeihören.
Mike Kamp

Kurzrezensionen
 DOUG ADAMZ: Doug Adamz Plays National Steel
DOUG ADAMZ
Doug Adamz Plays National Steel
www.dougadamz.com
(Magi Productions)
17 Tracks, 58:03


Nicht Douglas Adams, mit „42“ Rekordhalter der kürzesten Antwort auf die am längsten dauernde Berechnung der Sinnfrage des Lebens, ist gemeint, sondern Doug Adamz, der Gitarrist aus Texas, der sich mit diesem Album dem Instrument der Dobro-Brüder widmet. Keine Neuinszenierung, aber solides Handwerk, mit großer Hingabe ausgeführt.

 REINI ADELBERT: Leave Your Light On
REINI ADELBERT
Leave Your Light On
www.reiniadelbert.co.za
(Eigenverlag)
11 Tracks, 38:38


Relaxte Grüße aus Capetown. Reini Adelbert, Fingerstyle spielender Anwalt und Singer/Songwriter mit Vorliebe für Afroblues, unterlegt Textzeilen wie „We are all rich and poor, black and white“ mit wunderbar warmen Saitentönen, die seine Stimme auf Seide betten. Sehr gut, um einen verplanten Tag unverplant ausklingen zu lassen.


 AMERICAN SONGBIRDS: Sing Me A Song
AMERICAN SONGBIRDS
Sing Me A Song
(Jaro JARO 4322-2)
13 Tracks, 53:23


Sing Me A Song heißt das Livealbum der vier Musikerinnen, und das tun sie. Vier starke, individuelle Sängerinnen singen, dass einem die Spucke wegbleibt. Souverän und mit großer Selbstverständlichkeit werden die Eigenkompositionen und Coverversionen aus den Ärmeln geschüttelt. Moderner Americana, der sich auch bei Genres wie Pop und Hip-Hop bedient.

 ÁRSTIDIR: Hvel
ÁRSTIDIR
Hvel
www.arstidir.com
(Beste! Unterhaltung/Broken Silence)
12 Tracks 45:04


Auf ihrem dritten Album spielen die inzwischen weltbekannten Isländer nun wieder als Quartett mit Gitarren, Geige, Cello, Klavier und mehrstimmigem Gesang. Sie bewegen sich zwischen Folk und Pop. Nach wie vor macht ihr harmonischer Gesang den einmaligen Klang aus. Vier Lieder sind auf Isländisch, der Rest auf Englisch. Alle Texte sind im Booklet abgedruckt.


 ARTHUR: Dreams And Images
ARTHUR
Dreams And Images
(Light In The Attic Records/Cargo LITA 118)
13 Tracks, 30:36


Diese Wiederveröffentlichung aus dem Jahr 1968 ist einigermaßen bizarr. Das von Lee Hazelwood produzierte Album beinhaltet eher vertonte Gedichte als Lieder und Arthurs helle Stimme zur Akustikgitarre, umwoben von einem versponnenen, psychedelischem Folkgespinst aus Streich- und Blasinstrumenten. Wirkt wie eine gelungene Persiflage auf diese Zeit.

 LARS ATTERMANN: Shanghaied Into The Lonely Sea
LARS ATTERMANN
Shanghaied Into The Lonely Sea
www.larsattermann.com
(Divine Records NM-1401/Broken Silence)
11 Tracks, 44:33


Der dänische Tausendsassa mit seinem zweiten Album. Tatkräftig unterstützt von Will Sexton, dessen Bruder Charlie Sexton an der Gitarre und Dony Wynn am Schlagzeug, entstanden in der Nähe von Austin elf Americanastücke gepaart mit nordischer Melancholie. Trotzdem fehlt dem Ganzen das Quäntchen Magie. Übrig bleibt ein ordentliches Album ohne Höhen und Tiefen.


 ROBBY BALLHAUSE: Well Wasted Time
ROBBY BALLHAUSE
Well Wasted Time
www.robbyballhause.de
(Timezone Records TZ367)
13 Tracks, 45:10


Ein Mann und seine Gitarre: Wie gut dieses einfache Rezept wirkt, zeigt Robby Ballhause, der das Wesentliche hier allein bestreitet. Dabei überzeugt er auf seinem siebten Album durch ausdrucksstarke Stimme und variantenreiches Gitarrenspiel – sowie mit seinen Songs übers Unterwegssein, Umweltzerstörung und die Kunst des Müßiggangs.

 BALTIC SEA CHILD: Baltic Sea Child
BALTIC SEA CHILD
Baltic Sea Child
www.spv.de
www.balticseachild.com
Promo-CD
(SPV Recordings)
11 Tracks, 40:00


Debütalbum der neuen Band rund um Kai Wingenfelder (Fury in the Slaughterhouse) und Lars Jensen (Tears for Beers). Fröhlicher, flotter, Pogues-artiger Irish Folkrock aus Norddeutschland. Spaß soll dieses Album dem Willen ihrer Macher nach machen. Das Ziel haben sie erreicht! Mehr wollen sie nicht. Obwohl einige der Balladen schon etwas ernster klingen.


 BASSA: Tango Azul
BASSA
Tango Azul
www.bassa-welt.de
(Flowfish Records/Broken Silence)
11 Tracks, 49:27


Präzise, gekonnt, überzeugend, virtuos: „Mit jedem Schritte und Tritte“ ihrer neuen Scheibe bringen Bassa Buenos Aires nach Berlin Mitte. Das Quartett deutsch-japanisch-amerikanischer Freundschaft vereint hör- und tanzbar Violine, Klarinette, Gitarre, Bass, Percussion zur Weltsprache Tango, voller Licht und Schatten, Sinnlichkeit und kühlem Temperament.

 BLACK PATTI: No Milk, No Sugar
BLACK PATTI
No Milk, No Sugar
www.black-patti.de
(Rhythm Bomb Records RBR5805/Broken Silence)
12 Tracks, 39:37


Das Duo Peter Crow C. und Ferdinand „Jelly Roll“ Kraemer haben sich dem Vorkriegsblues verschrieben und bieten Blues, Ragtime und Spirituals. Die Musik des Duos begeistert mit zweistimmigem Gesang, schönen Wechseln zwischen Gitarre, Mandoline und Mundharmonika. „Recorded on analog vintage equipment“ – garantiert authentische Atmosphäre und toller Klang.


 BLACKBERRY ’N MR. BOO-HOO: The Many Sides Of Blackberry ’N Mr. Boo-Hoo
BLACKBERRY ’N MR. BOO-HOO
The Many Sides Of Blackberry ’N Mr. Boo-Hoo
www.myspace.com/blackberrynmisterboohoo
(Rhythm Bomb Records RBR5901/Broken Silence)
17 Tracks, 59:48


Wild, rau, ungeschliffen und oft übersteuert: Die zwei Franzosen machen mit akustischer und E-Gitarre, Stompbox, Mundharmonika und Gesang Blues im weiteren Sinne, oft psychedelisch durchsetzt. Auf der Bühne wird das grandios sein, auf Tonträger ist das ziemlich starker Stoff bzw. eine Prüfung für unfreiwillige Mithörer – und damit wieder richtig gut.

 ROBERT SARAZIN BLAKE: Robert Sarazin Blake
ROBERT SARAZIN BLAKE
Robert Sarazin Blake
www.robertsarazinblake.com
(Songs & Whispers Records SSR 015/Broken Silence)
Promo-CD, 10 Tracks, 49:41


Der US-Amerikaner Blake macht sich auf seinem elften Album auf die Suche nach seinen irischen Wurzeln, klingt dabei wie Dylan auf seinem zweiten Album, nur weniger rau, weniger schwarz, sehr folkig und wie ein Original aus Greenwich Village in den Sechzigern. Hervor stechen die Duette mit der Songschreiberin Anais Mitchell.


 RYAN BOLDT: Broadside Ballads
RYAN BOLDT
Broadside Ballads
www.thedeepdarkwoods.com
(Dahl Street Records)
9 Tracks, 33:20


Ryan Boldt, Sänger und Gitarrist der kanadischen Band Deep Dark Woods, hier mit einem Soloalbum. Sehr sparsam instrumentiert, interpretiert Boldt Traditionals und ein eigenes Stück. Eingespielt mehr zufällig, mit und bei Freunden, hält eine melancholische Grundstimmung die Stücke zusammen, und im Hintergrund zwitschern ziemlich präsent die Vögel.

 JIM BOYES: Sensation Of A Wound – The Long, Long Trail Of Robert Riby Boyes
JIM BOYES
Sensation Of A Wound – The Long, Long Trail Of Robert Riby Boyes
www.nomasters.co.uk
(No Masters NMCD44)
14 Tracks, 44:30


Nur eines von Millionen traumatischer Soldatenleben im Ersten Weltkrieg, hier vom Großvater des Mitglieds von Coope, Boyes & Simpson, einfühlsam begleitet an Piano und Akkordeon von Belinda O’Hooley. Es sind die persönlichen, teils kleinen Drehungen und Wendungen, die die Geschichte einprägsam machen. Wann endlich lernen wir unsere Lektion?


 RODOLPHE BURGER: Le Cantique Des Cantiques & Hommage À Mahmoud Darwich
RODOLPHE BURGER
Le Cantique Des Cantiques & Hommage À Mahmoud Darwich
www.dernierebandemusic.com
(Dernière Bande)
2 Tracks, 59:24


Rodolphe Burger ist ein 57-jähriger Sänger und Gitarrist, der in Frankreich mit seiner Rockband Kat Onoma und als Solist bekannt wurde. Dieses Album enthält nur zwei Stücke, die auf einen Theaterabend zurückgehen, ein Track ist zwanzig Minuten lang, der andere vierzig. Burger spricht viel, seine Stimme ist großartig – männlich und sexy. Die Musik ist sehr reduziert, etwas Gitarre, etwas Ud, etwas Elektronik. Sehr stylish.

 TIMO BRAUWERS: Journey To The Unknown
TIMO BRAUWERS
Journey To The Unknown
www.timobrauwers.de
(Acoustic Delite Records)
11 Tracks, 45:38


Der Steelstringgitarrist aus Viersen veröffentlicht sein erstes Album in eigener Regie. Entspanntes perkussives Fingerpicking, lässiges Tapping und die ohrwurmartigen Kompositionen sorgen für einen hohen Wohlfühlfaktor. Ergänzt durch Bass, Schlagzeug und Vibrafon, tritt man diese Reise ins Unbekannte gerne an.


 NICO BRINA: That’s My Way – 30 Years: The Jubilee Sessions
NICO BRINA
That’s My Way – 30 Years: The Jubilee Sessions
www.nicobrina.ch
(Stormy Monday Records, MO81397)
17 Tracks, 53:02


Der 45-jährige Schweizer Boogie-Woogie-Pianist und Komponist präsentiert teilweise bereits veröffentlichte und Livetitel der letzten dreißig Jahre. Unterstützt wird er vom Gitarristen Pete Borel, der auch bei The Black Barons spielt, sowie den beiden Schlagzeuglehrern Tobias Schramm und Charlie Weibel.

 JON BROOKS: The Smiling & Beautiful Countryside
JON BROOKS
The Smiling & Beautiful Countryside
www.jonbrooks.ca
(Borealis Records BCD231)
10 Tracks, 45:58


Ein Geschichtenerzähler allererster Güte ist der Kanadier, und dazu braucht er nur Gitarre, Banjitar und seine markante Stimme. Selbst geschriebene zeitgemäße Mörderballaden des ländlichen Kanada, und das mit literarischen Einflüssen. Sein Kommentar: „Mit vier CDs habe ich inspiriert, jetzt geht’s ans Beleidigen!“ Und das ist sehr unterhaltsam.


 TOM BROSSEAU: Perfect Abandon
TOM BROSSEAU
Perfect Abandon
www.tombrosseau.com
Promo-CD
(Tin Angel Records/Indigo)
10 Tracks, 41:23


Mit leichtem Rockabilly-Swing segelt der Geschichtenerzähler Brosseau durch seine Songs. Sparsam arrangiert, ohne Angst vor der einen oder anderen sirrenden Gitarrensaite, besinnt sich der US-Amerikaner auf die Dreißiger- oder Vierzigerjahre, als Musiker riesige Hüte trugen und ausgesprochen trinkfest waren.

 BUENA VISTA SOCIAL CLUB: Lost And Found
BUENA VISTA SOCIAL CLUB
Lost And Found
www.worldcircuit.co.uk
(World Circuit WCD 090/Indigo)
14 Tracks, 48:26


Pünktlich zur Abschiedstournee des Buena Vista Social Club gibt es bisher unveröffentlichtes Material mit unterschiedlichen Aufnahmedaten. Das Album besteht aus einer Mischung von akzeptablen Gesangsnummern, etlichen teilweise verzichtbaren Instrumentalsessions sowie Konzertmitschnitten, die hier noch zu den Highlights gehören. Letzte Gelegenheit.


 CARNIVAL YOUTH: No Clouds Allowed
CARNIVAL YOUTH
No Clouds Allowed
www.facebook.com/carnivalyouth
(Popup-Records LC12427/Cargo/Believe)
Promo-CD, 11 Tracks, 40:35


Popmusik im besten Sinne. Die Indierocker von Carnival Youth machen alles richtig und liefern tanzwütige Ohrwürmer mit euphorisierenden Hymnen im Harmoniegesang, reichlich Glockenspiel und Klavier, gepaart mit glasklaren Beats und rhythmisierenden Gitarren. Ein erprobtes, süchtig machendes Rezept.

 COLOGNE WORLD JAZZ ENSEMBLE: Lullabies & Other Stories
COLOGNE WORLD JAZZ ENSEMBLE
Lullabies & Other Stories
www.cologne-world-jazz-ensemble.de
(JAZZYES 18320)
10 Titel, 56:28


Passend zum Titel beginnt das Album mit einer Spieluhrmelodie, die einen sofort in die Kindheit zurückversetzt. Wiegen- und Volkslieder stehen im Fokus dieses Albums. Das Quartett vereint Folklore und Jazz in klugen Arrangements, bei denen sanfte Melodien auf mitunter wilde Rhythmen treffen. Das Album ist zu spannend, um dabei einzuschlafen.


 JAN CORNELIUS: ... singt Wilhelmine Siefkes: Sünn un Swaarweer
JAN CORNELIUS
... singt Wilhelmine Siefkes: Sünn un Swaarweer
www.jan-cornelius.de
(Artychoke AP-0715-CD)
17 Tracks, 49:37


Von Jan Cornelius und seinen Mitmusikern Christa Ehrig und Klaus Hagemann vertonte Mundarttexte mit Tiefgang, aus der Feder der ostfriesischen Schriftstellerin Siefkes, ansprechend mit Gitarre, Cello, Bass, Keyboard, Flöte und Bass eingespielt. Ein inhaltlich wie musikalisch wunderbares, leicht melancholisches Album.

 ELISABETH CUTLER: Polishing Stones
ELISABETH CUTLER
Polishing Stones
www.elisabethcutler.com
(Beste! Unterhaltung bu061/Broken Silence)
11 Tracks, 47:49


Gediegen unterhaltsame Songwriterkost, in Italien geschrieben und dort sauber arrangiert und gespielt, ohne dass sich eine Spur von italienischer Atmosphäre in der wohligen Unterhaltsamkeit dieser Songs widerspiegeln würde. Balladen sind ihre Stärke, etwas anderes ist hier auch kaum zu hören.


 CYMINOLOGY: Phoenix
CYMINOLOGY
Phoenix
www.cyminology.de
(ECM/ECM 2397)
10 Tracks, 49:40


Mit Phoenix veröffentlicht das Quartett um die deutsch-iranische Sängerin Cymin Samawatie ein sehr starkes sechstes Album, diesmal erweitert um Martin Stegner an der Viola. Durch die komplett persischen Texte, die berührende Stimme sowie das extrem aufmerksame und intensive Zusammenspiel der Band ist hier ein ganz besonderes Stück Musik gelungen. Einzigartig und wunderschön.

 MANU DELAGO: Silver Kobalt
MANU DELAGO
Silver Kobalt
www.manudelago.com
(Tru Thoughts/Groove Attack)
10 Titel, 53:36


Als Virtuose auf dem Schweizer Instrument Hang erlangte Manu Delago 2007 Popularität. Auf Silver Kobalt entlockt er dem Instrument, das an zwei aufeinanderliegende Steeldrums erinnert, perkussive und schwebende Patterns. Mit Effekten und Synthesizern wird dieser warme Klang aufgebrochen. Ein sperriges Album zwischen rockigem Kammerjazz und Elektro.


 DAWA: Psithurisma
DAWA
Psithurisma
www.dawa-official.com
(Las Vegas Records LC 24415)
10 Tracks, 41:25


Gespielt wird mit Gitarren und Cajons, Cello und Akkordeon, das verspricht sogenannte „handgemachte Musik“. Gesungen wird in englischer Sprache, die Truppe kommt aus Wien, und die Musik ist so auswechselbar wie ungefähr zehntausend andere Produktionen im weiten Singer/Songwriter-Kontext mit Americanavorlieben.

 DIVERSE: A Taste Of Nordic Notes
DIVERSE
A Taste Of Nordic Notes
www.besteunterhaltung.biz
(Beste! Unterhaltung/CPL Music)
CD 1: 19 Tracks 71:53, CD 2: 16 Tracks 71:33


Die 35 Musikstücke bewegen sich von Island und Norwegen über Finnland sogar nach Deutschland und durch einige Genres wie Jazz und Folk, sind aber überwiegend popnah. Allerdings sucht man vergebens nach einem Konzept, und so ist dem Hörer die Entscheidung überlassen, entweder alles anzuhören oder eben nichts. Es geht hier wohl mehr um die Selbstdarstellung der drei Labels, die diese CDs produziert haben.


 DIVERSE: Dear Jean – Artists Celebrate Jean Ritchie
DIVERSE
Dear Jean – Artists Celebrate Jean Ritchie
www.compassrecords.com
(Compass Records 7 4631 2)
Do-CD, 37 Tracks, 138:28


Grandiose akustische Ehrung zu Lebzeiten der amerikanischen Folkikone. Zahlreiche prominente und meist amerikanische Künstler singen Ritchies eigene Lieder oder Traditionals aus dem Familienrepertoire, und das immer mit kreativem Respekt. Dabei unter anderem Judy Collins, Janis Ian, Alison Brown, Pete Seeger, John McCutcheon, Archie Fisher und Ritchie selbst.

 DIVERSE: Hanoi Masters: „War Is A Wound, Peace Is A Scar“
DIVERSE
Hanoi Masters: „War Is A Wound, Peace Is A Scar“
www.glitterbeat.com
(Glitterbeat GBCD 021/Indigo)
11 Tracks, 35:45


Vierzig Jahre nach Ende des Vietnamkrieges traf Musikproduzent Ian Brennan in Hanoi auf Menschen, für die die Pflege ihrer Musiktradition elementarer Teil ihrer Traumatherapie ist. Entstanden ist ein faszinierendes Tondokument mit zum Teil noch nie gehörten Klängen wie die der K’ni, einem Hybriden aus Spießgeige und Maultrommel (Tracks 4 und 10) Grandios.


 DIVERSE: The Eve Folk Recordings
DIVERSE
The Eve Folk Recordings
www.cherryred.co.uk
(RPM Records Retro D 957/Cherry Red Records)
Do-CD, 45 Tracks, 116:48


Das Produzenten- und Managementteam Peter Eden und Geoff Stephens veröffentlichte Mitte der Sechzigerjahre drei LPs: Mick Softley (Singer/Songwriter), Bob Davenport & The Rakes (trad. engl. Folk) sowie Vernon Haddock’s Jubilee Lovelies (Skiffle) plus vier Donovan-Tracks. Alles hier drauf, plus ein sehr informatives 24-seitiges Beiheft.

 DIVERSE: The Rough Guide To Latin Rare Groove (Vol. 2)
DIVERSE
The Rough Guide To Latin Rare Groove (Vol. 2)
www.worldmusicnet/latinraregroove2
(World Music Network RGNET 1324/Harmonia Mundi)
15 Tracks, 62:02


Latin Rare Groove bezieht sich auf einen Trend der Londoner Clubszene in den 1980ern, bei dem sich die DJs darin gegenseitig übertrafen, immer unbekanntere, aber sehr tanzbare Latinscheiben aufzutreiben und so die World Music Disco zu etablieren. Dieser Trend ist derzeit wieder im Kommen, nur gibt es jetzt vermehrt Hip-Hop- und Dub-Einflüsse.


 DIVERSE: The Rough Guide To Psychedelic India
DIVERSE
The Rough Guide To Psychedelic India
www.worldmusic.net
(World Network Music RGNET 1332CD/Harmonia Mundi)
12 Tracks, 67:45


Zugegeben, für manche Liebhaber der indischen Klassik ist das Zirpen der Tanpura-Grundtonlauten schon halluzinogen genug. Die britische DJane Ritu zeigt mit dieser feinen Kompilation aber, dass es zwischen Bollywood, Bhangra, Baul und Bhattacharya (feat. John McLaughlin) noch jede Menge schräger Sounds zu entdecken gibt. Notfalls auch ohne Drogen.

 Diverse: The Rough Guide To Psychedelic Salsa
Diverse
The Rough Guide To Psychedelic Salsa
www.worldmusicnet/psychedelic-salsa
(World Music Network RGNET 1304/Harmonia Mundi)
13 Tracks, 61:32


Auch im Salsa gab es einst einen Einfluss der psychedelischen Musik mit viel Effekthascherei. Die Songstrukturen wurden dadurch aber nicht komplexer wie im Psychedelic Rock. Viele der heutigen Formationen spielen ursprünglichen Salsa und polieren ihn ironisch mit psychedelischen Effekten auf, um damit eine gewisse Hipness zu erreichen.


 DIVERSE: The Rough Guide To Unsung Heroes Of Country Blues
DIVERSE
The Rough Guide To Unsung Heroes Of Country Blues
www.worldmusic.net
(World Music Network RGNET1334CD/Harmonia Mundi)
Promo-CD, 24 Tracks, 73:46


Ein schönes Beispiel dafür, wie gut ein Sampler sein kann: 24 der weniger bekannten Countrybluesmusiker der 1920er- bis 1930er-Jahre in erfreulich gut remasterter Form geben einen Einblick in die Musik des schwarzen, ländlichen Amerika. Klassiker wie „Poor Boy, Long Ways From Home“ oder „Tain’t Nobodys Business If I Do“ gibt es hier im Original.

 DRESCHER: Erntezeit
DRESCHER
Erntezeit
www.diedrescher.com
(Drescher Records)
10 Tracks, 48:04


Bandname und das von dem österreichischen Quintett anvisierte Genre sind Programm: Dreschmetal heißt die Devise, sprich: Akkordeon trifft heftige Stromgitarre trifft bösen Austro-Heavy-Metal-Sänger und eine knüppelnde Rhythmustruppe. Nicht jedermanns Geschmack, aber sicherlich die beste Antwort auf die an Gemütlichkeit sterbende Austropopszene.


 DR. MOJO Musik: A La Carte
DR. MOJO Musik
A La Carte
www.drmojo.de
(Eigenverlag)
15 Tracks, 56:51


Dr. Mojo ist ein Musiker aus Remscheid, der im Rahmen seiner Auftritte oft ein Set mit Wunschtiteln spielt. Bei den oft gewünschte Titeln treffen sich dann Cat Stevens, Leonhard Cohen, Eric Idle oder Robert Johnson. Durchaus im neuen, eigenen Gewand, und als besonders schöne Geste kommt ein Teil der Konzerterlöse dem Kinderhospiz Burgholz zugute.

 DUO DORADO: New Colors From Argentina
DUO DORADO
New Colors From Argentina
www.dorado.ch.vu
(Acoustic Music Records 319.1528.2)
11 Tracks, 38:33


Der nach Vertrauen und Virtuosität klingende Wahlschweizer Familienverbund aus Argentinien führt vor, dass die reichhaltige Heimatfolklore – nicht nur der Tango – interessante Jazzallianzen eingehen kann. Das klanglich farbenprächtige Vibrafon des Sohnes paart sich gekonnt mit dem sensiblen väterlichen Spiel der Gitarre, ohne die die argentinische Volksmusik nicht denkbar wäre.


 BERNHARD EDER: Nonsleeper
BERNHARD EDER
Nonsleeper
www.bernhardeder.net
(Solaris Empire Solaris 30)
10 Tracks, 48:31


Nonsleeper heißt passenderweise das fünfte Album des sympathischen Österreichers. Die weiche Stimme des Pop-Poeten klingt nach einer durchzechten Nacht, nach einer Tasse heißem Kaffee im Chill-out-Bereich, nach diesem Dämmerzustand, in dem man gleichzeitig hellwach und völlig übermüdet die Umwelt wie unter Drogeneinfluss wahrnimmt. Entsprechend surreal und unwirklich klingen die Songperlen des Künstlers.

 EGGS LAID BY TIGERS: This Red-Eyed Earth
EGGS LAID BY TIGERS
This Red-Eyed Earth
www.eggslaidbytigers.com
(ILK 233/Cargo)
8 Titel, 44:42


Das Trio aus Kopenhagen bewies bereits vor einem Jahr mit ihrem Debütalbum Under The Mile Off Moon, dass ihnen verträumte Balladen und seichter Soul liegen. Textlich werden die Songs mit Versen des walisischen Schriftstellers Dylan Thomas verziert. Die acht Songs des Albums sind zwar unaufdringlich poppig, leider fesseln sie einen so jedoch nicht.


 EM HUISKEN: Güntsied/Jenseits
EM HUISKEN
Güntsied/Jenseits
www.emhuisken.de
(Bluebird Café Berlin Records)
10 Tracks, 49:15


Eines jener gut gemeinten Alben, denen man einen kompetenten Produzenten gewünscht hätte, um beispielsweise die Whistle bei Track 1 zu verhindern und vor allem für einen vernünftigen Mix zu sorgen. Ein Solowerk, auf dem Stefan Em Huisken alle Instrumente, darunter Gitarre, Bombarde, Bass und Cajon (nicht mal übel) selbst eingespielt und dazu gesungen hat. Leider mit zweifelhaftem Erfolg.

 FAIRYTALE: Forest Of Summer
FAIRYTALE
Forest Of Summer
www.fairytale-folkmusic.de
(Magic Mile Music, SPV/Believe digital)
Promo-CD, 12 Tracks, 48:00


Eine Fülle des Wohlklangs ohne schroffe Kanten bietet das Debütalbum der deutschen Folkband. Mehrstimmiger Frauengesang, interessante rhythmische Akzente, sanfte Celloklänge und schnelle Geigensolos werden zu einer handwerklich gekonnten, sehr poppigen Mischung zusammengerührt. Die Corrs lassen grüßen.


 FAST EDDY’S BLUE BAND: Blues & Songs – Best Of 25 Years
FAST EDDY’S BLUE BAND
Blues & Songs – Best Of 25 Years
www.fasteddysblueband.de
(Stormy Monday Records, MO81401)
16 Tracks, 72:04


Der Gitarre spielende Blues- und Rocksänger Eddy Wilkinson, ein Stuttgarter mit englischen Wurzeln, tourt seit 25 Jahren als Solist, im Duo oder mit seiner Band durch Europa. Das Best-of-Album versammelt eigene Titel und Coverversionen von Klassikern. Gastmusiker sind unter anderen Paul Lawall (E-Gitarre), Michael Walter (Bass), Peter Schmidt (Schlagzeug) und Hartmut Zelle (Keyboard).

 FIDDLER’S GREEN: 25 Blarney Roses
FIDDLER’S GREEN
25 Blarney Roses
www.fiddlers.de
Promo-CD
(Deaf Shepherd Recordings)
17 Tracks, 59:45


Die fränkischen Irish-Speed-Folk-Rocker bleiben ihrem erfolgreichen Stil auch bei ihrer 18. CD treu: Deftig, rockig, Pogues-artig, hart und schnell. Ob das neue „Take me Back“ oder der Evergreen „Rocky Road To Dublin“ – Fans bekommen, was sie erwarten, Neulinge wissen, was sie künftig erwarten dürfen. Nr. 19 kommt bestimmt.


 JOE FILISKO & ERIC NODEN: On The Move
JOE FILISKO & ERIC NODEN
On The Move
www.rootsduo.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 46:01


Noden stammt aus Chicago und spielt eine im Ragtime verankerte Variante des Blues,  allerdings im Duo mit dem Harmonikaspieler Joe Filisko, der durch seine facettenreiche Virtuosität das Material aufblühen lässt.

 FINE BLEND: Hom(m)age
FINE BLEND
Hom(m)age
(Eigenverlag)
15 Tracks, 53:24


Dem Hobby frönen zu können, sich selbst und geneigten Freunden mit Gitarre und Gesang Zeugnis davon abzulegen, dass man ein musikalischer Freund von Phil Ochs, Wizz Jones oder Lead Belly ist, ist eine nette Sache. Wenn die Freunde dann noch mitspielen, ist der Abend gerettet. Für eine Karriere reicht das nicht, für den Hobbykeller schon.


 FOLLIA!: Follia!
FOLLIA!
Follia!
www.follia.be
(Wild Boar Music wbm 21.122)
12 Tracks, 48:28


Die siebenköpfige belgische Folkband hat ihr drittes Album nach sich selbst benannt, so als habe sie jetzt zu sich gefunden. Dabei experimentiert die Band hier so viel wie nie zuvor. Es bleibt aber alles verspielt und poppig. „L’air Du Cool“ verbindet zum Beispiel flämischen Dudelsackfolk mit Rap und (dezenten) Death-Metal-Elementen.

 KEN FOUST: Ken Foust
KEN FOUST
Ken Foust
www.sireena.de
(SIS 5104/Broken Silence)
11 Tracks, 34:51


Wer ein völlig entspannt klingendes Americana-Album hören möchte, das feine, kleine Melodien in Vielzahl zu bieten hat und gut erzählte Geschichten, der sollte Ken Foust eine Chance geben. Der aus North Carolina stammende Sänger und Songschreiber versammelt hier Titel aus den Jahren 1984 bis 2014 – eine ansprechende Zusammenstellung.


 BLIND BOY FULLER: The Rough Guide To Blues Legends: Blind Boy Fuller
BLIND BOY FULLER
The Rough Guide To Blues Legends: Blind Boy Fuller
www.worldmusic.net
(World Music Network RGNET1330CD/Harmonia Mundi)
Promo-CD, 25 Tracks, 70:32


In ihrer sehr empfehlenswerten Serie Jazz and Blues Legends widmet sich das Label World Music Network hier dem Bluesgitarristen und Sänger Blind Boy Fuller. Bereits im Jahr 1941 verstorben, gilt er für den Piedmont Blues als das, was Robert Johnson für den Delta Blues bedeutete. Zeitlose Bluessongs, für Sänger und Gitarristen auch heute noch eine Fundgrube.

 THE FUNNYOUNGUYS: Tries & Triggers
THE FUNNYOUNGUYS
Tries & Triggers
www.thefunnyounguys.com
(Timezone TZ251)
14 Tracks, 51:51


Die beiden Schwestern aus Nürnberg starten bereits auf ihrem Debütalbum durch. Der lockere Folkpop erobert die Herzen des Hörers im Sturm. Es lohnt sich, auf die aussagestarken Texte der Geschwister zu achten, die sich gut hinter der gespielten Leichtigkeit der Musik verbergen. Ein Vergleich mit Amy Macdonald ist bei den Nürnbergerinnen unvermeidlich. Es gibt schlechtere Referenzen.


 BILL GABLE: No Straight Lines
BILL GABLE
No Straight Lines
www.billgablemusic.com
(Autograph 502)
11 Tracks, 59:22


Singer/Songwriter trifft Weltmusik: Der amerikanische Sänger und Gitarrist singt nachdenkliche Lieder. Mal ist er ein klassischer Erzähler à la James Taylor mit luftigen Arrangements, mal reichert er weltoffen seine Lieder mit Flamencogitarre, der bulgarischen Holzflöte Kaval oder der arabischen Udlaute an. Hörenswertes Crossover mit hervorragenden Musikern für besinnliche Stunden.

 GITARRE & CELLO: Zwei
GITARRE & CELLO
Zwei
www.gitarre-cello.de
(Moon Sound Records 1315-1514-75)
13 Tracks, 46:37


Elegisch-samtiger Celloklang trifft filigran-silbrige Gitarrentöne: Das Duo Gitarre & Cello entführt auf ihrem Album Zwei in den Schönklang. In den vorwiegend eigenen Kompositionen trifft das gestrichene Cello von Ania Strass direkt ins Herz. Umgarnt werden ihre atmosphärischen Melodien von Matthias Strass auf der Steelstringgitarre. Ausflüge gibt es zum Irish Folk und zum Jazz. Musik zum Träumen.


 KATIA GUERREIRO: Live At The Olympia
KATIA GUERREIRO
Live At The Olympia
www.uau.pt
(Katia Guerreiro Produções UAU002)
CD: 15 Tracks, 70:41; DVD: 20 Tracks, 110:27


Der Auftritt im Pariser Olympia war für die Fadosängerin die „magischste Nacht des Lebens“. Ganz Diva singt sie sich durch ihr Repertoire, angereichert mit einer Nummer von Charles Aznavour. Eine hochemotionale Stimme, zwei portugiesische Gitarren, eine klassische Gitarre und ein Bass – mehr brauchte es nicht, um das Olympia in Verzückung zu bringen.

 JEAN GUIDONI: Paris-Milan
JEAN GUIDONI
Paris-Milan
www.jeanguidoni.com
(Tacet)
12 Tracks, 38:13


Jean Guidoni ist ein 62-jähriger französischer Chansonnier, der früher oft seine Homosexualität thematisierte. Sein neuestes Album enthält ausschließlich Texte des 2011 gestorbenen Allain Leprest. Die Musik schrieb jeweils Romain Didier, ein dritter Chansonnier. Natürlich kam ein großes Chansonalbum heraus, mit viel Bedeutung in der Stimme, opulent orchestriert.


 GULDMUS Hvid: Nat
GULDMUS Hvid
Nat
www.gofolk.dk
(Go’ Danish Folk Music)
10 Tracks, 35:04


Recht puristische dänische Folkmusik, deren Texte man leider nicht versteht, da auch das Booklet nur auf Dänisch vorliegt. Es dominieren das wuchtige Cello des Schweden Thommy Andersson und der prägnante Gesang von Mia Guldhammer, dezent begleitet von Gitarrenzupfen. Ruhige Lieder auf einem Debütalbum mit Vinyllänge.

 KIERAN HALPIN: It’s Always 3.15
KIERAN HALPIN
It’s Always 3.15
www.kieranhalpin.com
(SOS Records SOS023)
10 Tracks, 40:10


Vier Jahrzehnte solide Singer/Songwriter-Kunst zu Themen von aktueller Relevanz, mal zwischenmenschlich, mal philosophisch, mal politisch, immer eingängig, gespeist aus der Weisheit des Viel- und Weitgereisten – dafür steht Kieran Halpin. Dem bleibt der irische Wahlschotte auch auf seinem zweiten reinen Soloalbum in zehn neuen, auf das Wesentliche reduzierten Miniaturen treu.


 BELLA HARDY: With The Dawn
BELLA HARDY
With The Dawn
www.bellahardy.com
(Noe Records NOE08)
11 Tracks, 36:39


Die Engländerin, die sich in Edinburgh pudelwohl fühlt, eilt von Erfolg zu Erfolg: BBC Folk Awards Singer of the Year 2014 und jetzt mit dem siebten Album der Einstieg auf Platz 29 in den Indiecharts – es läuft! Das neue Werk ist ein sehr persönliches, zeitgenössisches Album, wenig Fiddle, ziemlich experimentell, gewöhnungsbedürftig und gleichzeitig faszinierend.

 THE HEADLOCKS: Most Golden Goose
THE HEADLOCKS
Most Golden Goose
www.theheadlocks.com
(Eigenverlag)
17 Tracks, 42:00


Je eine Schippe Rock, Folk, Indie und Country, ein himmelwärts strebender, hymnischer Gesang, im Fahrwasser der Achtzigerjahre Empathen Green on Red und Midnight Oil und jede Menge guter Songs ergeben ein spannendes und explosives Gemisch. Das Quintett aus New York schenkt uns in klassischer Besetzung ein zupackendes zweites Album ohne Ausfälle.


 ZAM HELGA: Monster
ZAM HELGA
Monster
www.zamhelga.de
(Gim Records)
Promo-CD, 11 Tracks, 68:34


Der Namensgeber der Helga Pictures versucht mit Monster ein Comeback als Singer/Songwriter. Die rauen, deutschen Songs werden mit Gitarre, etwas Schlagwerk und eben der prägnanten Stimme des Sängers instrumentiert. Monster erinnert an die Stimmung der Subway-to-Sally-Soloprojekte. Musik fürs Lagerfeuer, für geleerte Bierdosen und für Menschen von der Straße.

 ANDREW D. HUBER: Mercury Gets A Moon
ANDREW D. HUBER
Mercury Gets A Moon
www.andrewdhuber.com
(Northlight Records/BMI NLR011)
15 Tracks, 51:18


Der amerikanische Folkrock-Songwriter (auch Frontmann bei The Gecko Club) präsentiert auf seinem eigenen Label Folkrock mit keltischen Wurzeln. Er selbst spielt verschiedene Akustikgitarren, Mandoline, Banjo, etc. Als Gastmusiker sind dabei: Anthony Jay Houston (Schlagzeug und Percussion), Jo Marie Sison (Geige), Mary Bell (Flöte) sowie Aidan Huber, Margaret Huber und andere.


 SOPHIE HUNGER: Supermoon
SOPHIE HUNGER
Supermoon
www.carolineinternational.com
(Caroline International)
Promo-CD, 12 Tracks, 43:09


Folk, Lied & Weltmusik? Mitnichten. Sophie Hunger macht Popmusik. Ihre Lieder heißen „Supermoon“ oder „Superman Woman“. Und, die Welt ist ein Supermarkt. Die Schweizerin bedient sich aller Genres – ob Artrock, Noise oder Chanson (zusammen mit Éric Cantona). Egal, Supermoon fährt in Bauch, Bein und Brain. Sophie Hunger und Sprachbarrieren – Fehlanzeige.

 INDIALUCIA: Acatao
INDIALUCIA
Acatao
www.indialucia.com
(CM Records/Galileo MC)
12 Tracks, 55:52


Das außergewöhnlich aufwendig und liebevoll konzipierte Projekt des polnischen Flamencogitarristen Miguel Czachowski verbindet spanische und indische Musik auf höchstem musikalischen Niveau. Ein Crossoveralbum allererster Güte mit einem Riesenaufgebot an Sängern und Instrumentalisten zweier Kontinente. Shakti lässt grüßen.


 LYNN JACKSON & CHRIS BOYNE: The Acoustic Sessions
LYNN JACKSON & CHRIS BOYNE
The Acoustic Sessions
www.lynnjackson.net
(Busted Flat Records/Busted 076)
13 Tracks, 48:38


Die Kanadierin Lynn Jackson hat 13 Titel aus ihrem Repertoire neu eingespielt, begleitet von einem zweiten Gitarristen und gelegentlich von einem Cello oder Kontrabass akzentuiert. Diese Aufnahmen stellen ihre raue, zerbrechliche Stimme stärker in den Vordergrund und geben ihr den Raum die Qualitäten ihrer Songs ganz auszuloten.

 KLEZMANIAXX: Krapum!
KLEZMANIAXX
Krapum!
www.klezmaniaxx.de
(Krekhts 003)
15 tracks, 38:57


Seit Jahren spielt das 1998 gegründete Quintett monatlich in Nürnberg mit flotten Interpretationen traditioneller Melodien zum Mittanzen auf. Natürlich ohne Verstärkeranlage, so das Markenzeichen von Rudolf Harder (Tanzanleitung), Martin Barfuß (tb), Petro Grimm (tp), Karen Harder (cl) und Andreas Vogt (dr).


 KLEZMERS TECHTER: Mayim
KLEZMERS TECHTER
Mayim
www.klezmerstechter.de
(Flexaton)
13 tracks, 65:40


Die 2013 bis 2014 eingespielten Lieder des 1994 gegründeten Trios mit Nina Hacker (b), Gabriela Kaufmann (cl) und Almut Schwab (acc, fl) erschienen unter dem Titel „Wasser“ auf deren nunmehr sechsten Album: Mit fröhlichen Weisen zum Mittanzen auffordernd und eher traurigeren zum Nachdenken anregend.

 THE LATE CALL: Golden
THE LATE CALL
Golden
www.thelatecall.com
Promo-CD
(Tapete Records 306/Indigo)
12 Tracks, 42:26


Die Stärke dieses Albums: Johannes Mayers Stimme, die vor einer Kulisse aus leichtfüßigen Americanagitarren, Hammondorgel und viel Siebziger-Nashville-Gefühl ihre Vorzüge ausspielen kann. Mayers Stimmumfang und Farbe, aber besonders seine interpretatorische Ausgestaltung rücken ihn in die Nähe ganz großer Singer/Songwriter der Vergangenheit und Jetztzeit.


 MARCEESE: Have Love, Will Travel
MARCEESE
Have Love, Will Travel
www.marceese.de
(Timezone TZ33777)
11 Tracks, 51:32


Marceese spielt Songs der Hardrocker Kiss im Folkgewand. Das ist auf dem ersten Album originell. Das nun erschienene zweite Album gleicher Bauart spricht nur noch Liebhaber an. Die Songs werden mit akustischer Gitarre, mit Ukulele und selten auch mal mit einem elektronischen Gitarrensolo untermalt. Das reicht für launige Pausenunterhaltung von Fans der Band.

 JOHN McDONOUGH: Dreams And Imagination
JOHN McDONOUGH
Dreams And Imagination
www.johnmcdonoughlive.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 42:52


Schon zwanzig Jahre als Musiker unterwegs, legt uns der in Austin,Texas, lebende Sänger und Gitarrist ein, wie es sich für diese Gegend gehört, americanalastiges, Singer/Songwriter-Album mit leichten Popanleihen vor. Stimmig und solide eingespielt und produziert, letztlich aber nicht originär genug, um wirklich zu begeistern


 NEW PARTNER: New Partner
NEW PARTNER
New Partner
www.stargazerrecords.de
(Stargazer Records SG035/Broken Silence)
10 Tracks, 38:24


Südschweden klingt fast wie Südstaaten – jedenfalls scheint Björn Wahlström als Kind in einen Plattenschrank voller Country- und Folkmusik gefallen zu sein. Allerdings präsentieren er und seine Band Americana in Zeitlupe, mit Wahlströms extremer und beeindruckend ausdrucksstarker Stimme über allem. Musik zwischen Pathos und Verletzlichkeit.

 NORRØN: Øjeblikket
NORRØN
Øjeblikket
(GO’ Danish Folk Music GO1714)
9 Tracks, 50:02


Die bekannten dänischen Musikerinnen (Klarinette, Flöte, Violin) sind Absolventen der dänischen Musikakademie und legen hier ihr Debütalbum als Trio vor. Wegen der Freiheit bei der Improvisation zählt bei ihnen der Augenblick. Durch den Verzicht auf ein Rhythmusinstrument entsteht auf der Basis der schönen Melodielinien ein sehr harmonischer filigraner Klang.


 ODi: Maslow’s Songbook
ODi
Maslow’s Songbook
www.odimusic.co.uk
(2 Hoots Records/Songs & Whispers 2HRCD002/Broken Silence)
12 Tracks, 46:19


Die irische Songwriterin Claire Odlum besitzt eine ähnliche Druckkraft und Stimmqualität wie ihre Landsmännin Wallis Bird. Die Songs gehen nach vorne, bestechen durch ihre unprätentiöse, einfache Struktur und überraschen beizeiten durch fast zarte Momente schönster Folkseligkeit. ODi tourt derzeit durch Norddeutschland. Anspieltipp: „Real To Me“.

 SEÁN Ó hÉANAIGH: The Tides That Bind – Fánaíocht
SEÁN Ó hÉANAIGH
The Tides That Bind – Fánaíocht
www.cic.ie
(ÉinniúCD002/Cló Iar-Chonnacht)
12 Tracks, 50:45


Der Mann aus Connemara mit der spröden, aber attraktiven Stimme ging im schottischen Ardgour ins Studio und nahm mit einer erlesenen Gruppe von Highlands-&-Islands-Musikern dieses Album auf. Songs im irischen und schottischen Gälisch, englischsprachiger Trad und Eigenes. Sehr erfreuliche Klänge für Freunde irischer und schottischer Musik.


 THE PLAYFORDS: The Hunt Is Up – Shakespeares Songbook
THE PLAYFORDS
The Hunt Is Up – Shakespeares Songbook
www.the-playfords.de
(Raumklang, RK 3404)
14 Tracks, 52:07


Der amerikanische Musikwissenschaftler Duffin hat aus Shakespeares Werken einen Überblick populärer Musik des 16./17.Jahrhunderts erstellt. Daraus bedient sich das bekannte Alte-Musik-Ensemble The Playfords. Gassenhauer, Lautenstücke und Hofmusik werden mit Gambe, Renaissancelaute, Blockflöten, Barockgitarre und Violone begleitet.

 DAN POSSUMATO & FRIENDS: Tunes Inside
DAN POSSUMATO & FRIENDS
Tunes Inside
www.danpossumato.com
(Old Box Records OBR003)
14 Tracks, 51:10


25 Tunes und zwei Songs, alles zutiefst irisch gefärbt und eingespielt im Stil einer Pubsession von dem amerikanischen Melodeon- und Knopfakkordeonspieler Possumato und sechzehn teils hochkarätigen Freunden auf einer Masse von akustischen Instrumenten – doch, das macht hörbar eine Menge Spaß!


 JOE PUG: Windfall
JOE PUG
Windfall
www.joepugmusic.com
(Loose Music Records VJCD 221/Rough Trade)
Promo-CD, 10 Tracks, 35:54


Joe Pug hat eine harte Zeit hinter sich, endloses Touren und dann den Burn-out davon. Er befand sich in entsprechend schlechter Verfassung, als er begann, die Songs für Windfall zu schreiben. Doch nicht Wut und Verzweiflung, sondern eine tiefe Melancholie prägt die Atmosphäre dieses Albums, das von der Hoffnung auf bessere Zeiten getragen und dabei Musik wie für einen Spätwestern ist.

 RADA SYNERGICA: Beat!
RADA SYNERGICA
Beat!
www.rada-synergica.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 46:09


Drei Frauen, drei Stimmen und sieben Instrumente – dazu pure Leidenschaft, mitreißende Rhythmen und ein Herz für Zigeuner- und Klezmermusik. Das sind Claudia Herold(g), llyke Jilani (acc) und Stefanie Koch (cl), auf ihrem ersten Album unterstützt von Steffen Petzold (b)und Jan van de Kest (dr).


 JOSH ROUSE: The Embers Of Time
JOSH ROUSE
The Embers Of Time
www.joshrouse.com
(Bedroom Classics/Yep Roc Records YEP-2416/Cargo)
10 Tracks, 33:47


Midlife Crisis, Vergangenheitsbewältigung, Leben im fremden Land, Vater werden, und der Beginn einer Gestalttherapie sind nur einige der Umstände, die die Entstehung dieser Produktion begleitet haben. Umso erfreulicher, dass dabei ein unterhaltsames Singer/Songwriter-Album mit flockigem Countrytouch entstanden ist. Dazu eine tolle Stimme und hintergründige Text.

 RUDI TUESDAY BAND: Tales From Somewhere Down The Road
RUDI TUESDAY BAND
Tales From Somewhere Down The Road
www.rudituesdayband.de
(DMG Records Germany 54.218151.2/Broken Silence)
13 Tracks, 54:55


Der Songschreiber Rüdiger Mund hat eine Band um sich geschart, die ihm einen feinen Klangteppich knüpft, mit Mustern aus Banjo, Gitarren und dezenten Drums. Musikalisch bewegt sich das Ganze zwischen Country und Folk. Mund zeigt Talent für schöne Melodien. Dagegen fallen seine aus Klischees zusammengestanzten englischen Texte doch deutlich ab.


 DANNY SANTOS Y LOS BLUEGRASS VATOS: Hogtied
DANNY SANTOS Y LOS BLUEGRASS VATOS
Hogtied
www.dannysantosmusic.com
(Brambus Records 201583-2)
14 Tracks, 43:08


Ein Songwriter, aus dem Tex-Mex-Genre stammend, tut sich mit einer Bluegrassband zusammen, und es klingt – überzeugend. Hier geht es jedoch nicht um Hochgeschwindigkeit und Twang, sondern eine gelassenere Variante, so was wie „Songschreiber-Bluegrass“. Dazu gesellt sich eine Portion Western Swing, und alles wird auf virtuose Weise dargeboten.

 MARKUS SCHLESINGER: Don’t Be Afraid
MARKUS SCHLESINGER
Don’t Be Afraid
www.fingerpicking.at
(Vienna 2day CSM Y1436-B18)
10 Tracks, 37:40


Geerdete Fingerpickinggitarre bietet der Akustikgitarrist und gelegentliche Sänger Markus Schlesinger aus Wien. Auf seinem zweiten Album spielt er mit den Fingern klare Melodien und mit dem Daumen kraftvolle Basslinien. Eingefangen ist dies mit warmem Sound. Seine Musik strahlt eine wohltuende Einfachheit aus. Man fühlt sich an die Gitarrenmusik der Siebzigerjahre erinnert – im positiven Sinne!


 SEHRANG: Dar Lahze
SEHRANG
Dar Lahze
www.sehrang.com
(Lotus Records LR 14039)
11 Tracks, 68:24


Sehrang sind: die Sängerin Golnar Shahyar, der Gitarrist Mahan Mirarab und der Percussionist Shayan Fathi. Alle sind zwischen 1983 und 1985 in Teheran geboren und haben in Wien Musik studiert. Ihr Debütalbum ist denn auch eine ausgesprochen gelungene Melange aus persischer Tradition, Jazz und einem herzhaften Griff in den Topf globaler Klangformen.

 ARMIN SENGBUSCH UND DIE GEHEIMEN SINFONIKER: Ich kann fühlen, dass du einsam bist
ARMIN SENGBUSCH UND DIE GEHEIMEN SINFONIKER
Ich kann fühlen, dass du einsam bist
www.schriftstehler.de
(Timezone, Timezone Distribution, TZ328)
11 Tracks, 43:46


Sengbusch beklagt die Beziehungslosigkeit in einem Mietshaus („Anonym“) und fordert Gott auf, ihn anzurufen, da beide einsam seien „Hallo Gott“. Zwar bedauert er, dass niemand ihm sagt, wo’s langgeht, doch für andere bietet er sackweise Lebenshilfe an: „Du musst lernen, dich den Problemen zu stellen … du bist geboren, um zu leben“. Kenn ich doch irgendwoher?


 SERENATA GUAYANESA: ¡Canta Con Venezuela!
SERENATA GUAYANESA
¡Canta Con Venezuela!
www.serenata-guayanesa.com
(Smithsonian Folkways SFW CD 40566/Galileo MC)
16 Tracks, 63:54


Das 1972 formierte Ensemble gilt als die Eminenz Venezuelas. Es trägt die wunderbare, bei uns leider verloren gegangene Tradition der Serenade schon im Namen. Die kunstvoll mehrstimmig vorgetragenen, von Saiten- und Percussioninstrumenten begleiteten romantischen und patriotischen Eigenkompositionen und Traditionals spiegeln die Stilvielfalt des Landes.

 LUDWIG SEUSS BAND: Downhill Sessions Part II
LUDWIG SEUSS BAND
Downhill Sessions Part II
www.ludwig-seuss.de
(Downhill Records, DH081, Galileo MC)
13 Tracks, 62:20


Seine Hauptgruppe ist die Spider Murphy Gang. Aber der deutsche Pianist, Organist und Akkordeonist Ludwig Seuss ist auch mit anderen Formationen und als Solist unterwegs. New Orleans, R ’n’ B und vor allem Cajun und Zydeco sind seine Spezialität. Eine riesige Mannschaft an Gastmusikern ist auf diesem Album dabei, unter anderem die deutsche Blueslegende Abi Wallenstein und der 2012 verstorbene Gitarrist und Sänger Louisiana Red.


 PHIL MacLENNAN SMILLIE: Sound Of Taransay
PHIL MacLENNAN SMILLIE
Sound Of Taransay
www.philsmilliemusic.com
(Eigenverlag HRCD106)
10 Tracks, 32:39


Von fetzig bis evokativ reicht das Stimmungsspektrum des Soloalbums des Tannahill-Weavers-Flötisten. Sehr viel Eigenes, einiges Fremde und auch ein wenig Traditionelles. Beeindruckend die Liste der Gäste wie Aaron Jones, Dougie MacLean, Fred Morrison oder Patsy Seddon, beeindruckend wie das gesamte, leider ein wenig kurz geratene Album überhaupt.

 SULP: Swiss Market Place
SULP
Swiss Market Place
www.zytglogge.ch
(Zytglogge zyt 4965)
14 Tracks, 44:43


SULP, auf gut Schweizerisch „Swiss Urban Ländler Passion“, spielen Mozarts „Rondo Alla Turca“ und tönen wie die Ländlerlegende Jost Ribary. Matthias Gubler (Saxofon), Simon Dettwiler (Schwyzerörgeli) und Hannes Fankhauser (Kontrabass, Tuba, Alphorn) können aber auch anders: schön schräg sein mit jazzigen Untertönen nämlich. Dann sind sie am besten.


 TORPUS & THE ART DIRECTORS: The Dawn Chorus
TORPUS & THE ART DIRECTORS
The Dawn Chorus
www.ghvc.de
www.torpus.de
(Grand Hotel van Cleef)
Promo-CD, 13 Tracks, 49:34


Die vierköpfige Band aus Nordfriesland und Hamburg bietet hauptsächlich eine eher sanfte Rock- oder Folkrockmusik, die man beim Hören in England ansiedeln würde: Gesang in englischem Slang, Schlagzeug, Gitarren, etwas Elektronik.

 TRIO ROSENROT: Lenz
TRIO ROSENROT
Lenz
www.triorosenrot.de
(Westpark Music 87286)
11 Tracks, 54:22


Trio Rosenrot befreit das Volkslied aus dem trostlosen Musikantenstadl-Dasein. Bei Liedern wie „Es waren zwei Königskinder“ und „Der Mond ist aufgegangen“ entfaltet der Liederbaum seine tiefen Wurzeln in lichter Krone. Vor allem die Texte gewinnen in den schlanken Cool-Jazz-Bearbeitungen durch Jennifer Kothes klare Sopranstimme wieder an Bedeutung.


 MAHSA VAHDAT: Traces On An Old Vineyard
MAHSA VAHDAT
Traces On An Old Vineyard
www.kkv.no
www.mahsavahdat.com
(Kirkelig Kulturverksted)
12 Tracks, 56:56


Die iranische Sängerin interpretiert wieder Gedichte von Hafez, Rumi und Khayam in melancholischen Weisen, begleitet von Musikern aus dem Iran und Norwegen. Englische Übersetzungen der Texte und zu einem Lied eine Erklärung sind im schönen Beiheft abgedruckt. Hohe tief- und wohl auch doppelsinnig deutbare Poesie, gewidmet der Stadt Schiraz, in der Hafez’ Grabmal steht.

 ROCKY VOTOLATO: Hospital Handshakes
ROCKY VOTOLATO
Hospital Handshakes
www.rockyvotolato.com
(Glitterhouse GRCD833/Indigo)
11 Tracks, 38:20


Dies ist das mittlerweile achte Album von Rocky Votolato und das erste nach einer veritablen anderthalbjährigen Schaffenskrise. Dementsprechend handeln die Stücke auch von überwundener Depression, spiritueller Suche und dem Finden des Sinn des Lebens. Der sonst dunkle Indie-Folkpunk bekommt ein paar Sonnenstrahlen spendiert, und die Band rockt.


 MARCO R. WAGNER: My Old Spain
MARCO R. WAGNER
My Old Spain
www.marcorwagner.com
(Marco Rodriguez Music SRD-433/ Several Records)
12 Tracks, 48:21


Entspannte Singer/Songwriter-Musik von dem in Brasilien geborenen und in Spanien und den USA aufgewachsenen Gitarristen und Sänger. Unaufdringliche Arrangements, wunderbar perlende Akustikgitarren, eine sonore Stimme und eine transparente Produktion machen dieses Album zu einem perfekten Begleiter für die kommenden langen Sommerabende.

 RYLEY WALKER: Primrose Green
RYLEY WALKER
Primrose Green
(Dead Oceans/Cargo DOC 101)
10 Tracks, 44:08


„Lost my mind in the seventies“ könnte man denken, wenn Ryley Walker „Lost my mind with a headful of primrose green“ singt. Doch der Gitarrist aus Chicago übersteht die Flowerpower-Zeitreise dank einer Frischzellenkur, die sein sphärisch-träumerisches Album erstaunlich experimentierfreudig und zeitlos macht.


 ANDREA WELLARD: A Distant Welcome
ANDREA WELLARD
A Distant Welcome
www.andreawellard.com
(Zeitart Records LLCD0018)
12 Tracks, 53:00


Das zweite Album der Kanadierin enthält zwölf Balladen aus dem weiten Feld zwischen Folk und Pop, dem das Label „Americana“ nur unzureichend gerecht wird. Die meisten Songs sind tanzflächentaugliches Hitformat mit Ohrwurmcharakter. Es wird wohl vom Werbebudget abhängen, ob diese Künstlerin die Top 20 erreicht, das Songmaterial ist wie geschaffen dafür.

 HANK WOJI: The Working Life
HANK WOJI
The Working Life
www.hankwoji.com
(KZ-Records KZR006)
13 Tracks, 50:12


Woij ist Protestsänger, der sich mit Klampfe und umgehängter Mundharmonika an Straßenecken aufbaut und seine Songs spielt, manche davon covert er auch. Bruce Springsteen taucht da auf, Joe Hill, Tracy Chapman. Woji hält die Flagge des Protestsängers hoch, trägt sie weiter und überzeugt mit seiner Leidenschaft für die richtige Sache.


 WÜNNESPIL UND FREUNDE: Olden Times
WÜNNESPIL UND FREUNDE
Olden Times
www.wuennespil.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 64:02


Musik des Mittelalters und der Renaissance, angereichert mit nordischen (isländischen), keltischen (irischen und schottischen) Elementen, auf Harfe, Uilleann Pipes, Cister, Tamburin, Rauschpfeife, Krummhorn, Rahmentrommel usw., kompetent instrumentiert und gesungen. Kein Pseudomittelalter-Krawall, sondern fein arrangierte Musik zum Hinhören.

 AKALÉ WUBÉ: Sost
AKALÉ WUBÉ
Sost
www.akalewube.com
(Clapson CS1497)
11 Titel, 50:03


Der Eröffnungstitel „Anbessa“ mit Manu Dibango macht gleich zu Beginn deutlich, wo das Pariser Quintett stilistisch einzuordnen ist: Funkiger Ethio Jazz à la Mulatu Astatke. Produktionstechnisch fängt das Album den Sound der Sechziger und Siebziger sehr gut ein. Das Album, das teils aus Eigenkompositionen, teils aus Neuvertonungen besteht, macht Lust auf mehr.


 NORMAN YOUNG: Im Blauen bleiben
NORMAN YOUNG
Im Blauen bleiben
www.normanyoung.de
(Timezone, Timezone Distribution, TZ321)
11 Tracks, 40:26


„Zeit der feinen Töne“ ist ein Song des Berliner Singer/Songwriters überschrieben. Stimmt, es sind tatsächlich besondere Klänge, die Norman Young, ausschließlich mit Stimme und Gitarre, auf seinem Erstling Im Blauen bleiben präsentiert. Aber auch die Texte lassen aufhorchen. Young schreibt Texte im Wortsinn, man könnte sie auch Gedichte nennen.




Lateinamerika
 AXEL KRYGIER: Hombre De Piedra
AXEL KRYGIER
Hombre De Piedra
www.axelk.com
(Crammed Disc Cram 255)
Promo-CD, 11 Tracks, 40:00


Kann ein Danceflooralbum gleichzeitig eine authentische Folk-CD sein? Dem Argentinier Alex Krygier gelingt das Experiment. Hier findet die Symbiose der beiden eigentlich unvereinbaren Musikstile geschickt und homogen statt. Authentisch bedeutet eben nicht, ein paar Folkmelodien über einen Discobeat zu legen, sondern die eigentliche Essenz der Musik zu erkennen und wie ein Teppichweber zu verknüpfen, sodass ein eigenes Muster entsteht. Das Ergebnis ist schlichtweg genial und bis dahin ungehört. Welch wirrer Geist lässt sich auf einem Dancealbum von einem französischen Dokumentarfilm über Höhlenmalerei inspirieren? Krygier nimmt die Anleihe als Parabel und jagt den unerschrockenen Hörer durch seine Vision einer abgedrehten Zivilisation, ein Höllentrip zwischen Tango und Baguette, zwischen Ennio Morricone und Balkanbeat. Hombre De Piedra ist Punk und Underground im besten Sinne, Musik eines Außenseiters für Außenseiter und dabei trotz aller Fremdartigkeit gut hörbar und auch für Gelegenheitshörer leicht zu erschließen. Wenn Krygier Filme drehen würde, stünde er irgendwo zwischen den Coen-Brüdern und Kaurismäki. Musikalisch entzieht er sich jedoch jedem Vergleich. Diese Entdeckungsreise sei jedem offenen Ohr dringend empfohlen.
Christian Elstrodt
 TIGANÁ SANTANA: Tempo & Magma
TIGANÁ SANTANA
Tempo & Magma
www.tiganasantana.com
(Ajabu! AJABUCD022/Broken Silence)
14 Tracks, 69:34


Tiganá Santana lernte man vor einiger Zeit als den neuen sanften Barden Brasiliens kennen. Nun legt er ein ambitioniertes Doppelalbum vor, das er im senegalesischen Dakar mit westafrikanischen Musikern aufnahm. Santana schlägt mit diesen Aufnahmen eine Brücke zu den afrikanischen Wurzeln seiner Musik, insbesondere zum Wüstenblues eines Ali Farka Touré. Seine an sich sehr reduzierte Musik, die meist mit Gesang, Gitarre und etwas Percussion auskommt, wird hier mit Instrumenten wie der Spießlaute Ngoni und anderen Instrumenten, die nach einsaitiger Geige, Balafon, Kora und Holzflöte klingen, „afrikanisiert“. Das klingt oft beschwörend, als würde man alte rituelle Musik vor sich hin summen, wobei Santanas Stimme der von Milton Nascimento am nächsten kommt. Zwischen entspanntem musikalischem Fluss und federnden Rhythmen bewegt sich diese Musik. Als Gastsänger sind die brasilianische Sängerin Céu und die Candomblé-Hohepriesterin Mae Stella de Oxossi zu hören. Mit Santana kehrt ein kontemplatives Element in die brasilianische Musik zurück.
Hans-Jürgen Lenhart

Nordamerika
 BLIND WILLIES: Every Day Is Judgement Day
BLIND WILLIES
Every Day Is Judgement Day
www.blindwillies.net
(Eigenverlag)
15 Tracks, 57:27 , mit engl. Texten u. Infos


Die Band um Frontmann und Sänger/Songwriter Alexei Wajchman, beheimatet in San Francisco, hat nichts mit Flowerpower am Hut. Roh, berauschend, wütend, bisweilen zärtlich und versöhnlich präsentiert sich die Mischung aus Rock, Jazz, Americana, osteuropäischer Gypsymusik und Klezmereinsprengseln. Cello, Trompete und Flöte stehen gleichberechtigt neben krachenden E- Gitarren und ergeben eine hochdynamische Mischung. Oft düster, kämpferisch und politisch kreisen die Texte um den Begriff Freiheit und dessen Vereinnahmung, Missbrauch und Pervertierung. So ist das erste Stück mit dem Titel „Cremo Tango“, inspiriert von Tadeusz Borowskis autobiografischer Kurzgeschichtensammlung This Way for the Gas, Ladies and Gentlemen, welche seine Erlebnisse als Häftling im KZ Auschwitz zum Inhalt haben und an dessen Eingangstor „Arbeit macht frei“ stand. „Big City“ bezieht im Gegensatz hierzu seine Inspiration aus Freude am Singen mit Kindern. Die Blind Willies geben dem Schrecken, der Hoffnung, dem Aufgeben, Überleben, Lieben und Hassen eine Plattform, denn all das macht uns zu Menschen. Was zählt, ist die Freude am Leben selbst, und dieses Album macht es vor.
Dirk Trageser
 THE CHUCK WAGON GANG: Complete Recordings 1936-1955
THE CHUCK WAGON GANG
Complete Recordings 1936-1955
(Bear Family BCD 17348 EK)
5 CDs, 152 Tracks, ca. 410:00 , mit engl. Texten u. Infos


„Gott sprach, und aus der staubigen Erde von Texas erschallte ein Klang …, und dieser wird uns für immer als der Gesang der Chuck Wagon Gang in Erinnerung bleiben.“ So heißt es im Vorwort von Mary Stuart. Und in der Tat, engelsgleich klingt der Gesang der 1936 gegründeten Gruppe, gegenwärtig geleitet von Shaye Smith, der Enkelin der Original-Altstimme Anna Carter Gordon Davis. Bis zum heutigen Tag führt die Chuck Wagon Gang die traditionellen Gospelsongs im Bluegrassgewand auf, so wie sie „Dad“ Carter seinen Kindern beigebracht hat. Die vorliegende Box im LP-Format enthält auf fünf CDs die kompletten Aufnahmen mit Gründer „Dad“ Carter von 1936 bis 1955 inklusive unveröffentlichter Aufnahmen und Raritäten. In Zahlen sind das 152 Einzeltitel mit einer Gesamtspieldauer von ca. 410 Minuten. Zudem beinhaltet die Box noch einen 148 Seiten starken, farbigen Hardcover-Bildband mit Abhandlungen von Bill C. Malone, Eddie Stubbs, Harold Timmons und Gruppenmitglied Shaye Smith, plus seltene Fotos und Illustrationen aus dem Privatarchiv der Gruppe. Wie immer hat Bear Family hier mit viel Liebe und Respekt vor der Arbeit der Künstler eine Werkschau herausgebracht, die in musikalischer und ästhetischer Hinsicht einzigartig sein dürfte. Wenn heute noch jemand das Wagnis eingeht in eine solche Vorleistung zu gehen, zumal die Käuferschicht für diese Form von Musik überschaubar sein dürfte, ist das mehr als bemerkenswert.
Dirk Trageser

 HAT CHECK GIRL: At 2 In The Morning
HAT CHECK GIRL
At 2 In The Morning
www.hatcheckgirl.net
(Gallway Bay Music GBM 107)
11 Tracks, 41:47 , mit engl. Texten


Peter Gallway ist ein Veteran der Greenwich-Village-Szene der Sechzigerjahre, stand jedoch immer im Schatten anderer Songschreiber, obwohl er in den frühen Siebzigern einige Alben auf Majorlabels veröffentlichte. Doch scheint es für ihn nie so recht geklappt zu haben, was um so überraschender ist, hat er doch mit Laura Nyro, Jane Sibbery, Chrissie Hynde, Suzanne Vega, Marshall Crenshaw und Rosanne Cash zusammengearbeitet und sich praktisch nebenbei zum namhaften Produzenten entwickelt, der über fünfzig Alben auf seiner Liste stehen hat. Irgendwo auf diesem Weg durch Studios und Auftrittsorte stieß Gallway vor zwanzig Jahren auf die Songschreiberin und Sängerin Annie Gallup. Musikalisch und stimmlich klappte es zwischen den beiden so gut, das sie seither als Hat Check Girl auftreten und drei Alben veröffentlichten. Nun steht mit At 2 In The Morning ihr viertes Werk im Regal und ist mit seinem absolut reduzierten Klang von zwei akustischen Gitarren und zwei Stimmen ein ungewöhnlich intimes Abenteuer. Die beiden klingen, als würden sie in die Nacht singen, allein für die Leuchtkäfer, die elegant um die Sträucher schwirren.
Michael Freerix
 MARKUS JAMES: Head For The Hills
MARKUS JAMES
Head For The Hills
www.facebook.com/markusjamesmusic
(Firenze Records 014)
16 Tracks, 55:34 , mit engl. Beiheft u. Texten


Hinter der auf den ersten Blick rauen Schale des US-Amerikaners Markus James steckt selbstverständlich doch ein weicher Kern. Mit kratziger Stimme und fetter Slidegitarre baut er Songs, die tief im Mississippidelta verwurzelt sind. Doch gleichzeitig packt James seine akustische Gitarren in den Koffer und reist durch Mali, um dort ansässige Musiker zu treffen und in der Wüste nach den Wurzeln des Blues zu forschen. Regelmäßig tritt er deshalb auch beim Festival au Désert auf. James ist also nicht nur Bluesfan, sondern ein Gläubiger in der „Church of Blues“, der sein Leben komplett diesem Glauben unterworfen hat. Head For The Hills nun pendelt zwischen den Extremen. Einerseits singt James reißerische, vom Schlagzeug angetriebene, schnelle Titel, als hätte er den Höllenhunde in seinem Rücken. Andererseits spielt er auch vollkommen kontemplative, scheinbar zu Naturgeräuschen improvisierte, akustische Titel. Das ist abwechslungsreich und vielschichtig. Von der Grundstimmung her folgt diese Album den bekannten Pfaden – warum auch nicht, verlangt man von einem Ry Cooder ja auch nicht, das er plötzlich wie Jimmy Page klingt. Wobei James seinen komplett eigenen Sound hat, der niemandem nacheifert.
Michael Freerix

 TREVOR LAURENCE & SIMON HUTNER: Harlem Street Singer – The Reverend Gary Davis Story  WOODY MANN: A Tribute To The Reverend  EMPIRE ROOTS BAND: Music From The Film Harlem Street Singers
TREVOR LAURENCE & SIMON HUTNER
Harlem Street Singer – The Reverend Gary Davis Story
www.harlemstreetsinger.com
(Acoustic Traditions Films, AT101, Acoustic Music Records)
DVD, 77:00 , mit engl. Infos


WOODY MANN
A Tribute To The Reverend
www.woodymann.com
(Acoustic Music Records, Rough Trade 319.1530.2)
14 Tracks, 36:43 , mit engl. Infos


EMPIRE ROOTS BAND
Music From The Film Harlem Street Singers
www.woodymann.com
(Acoustic Music Records, Rough Trade 319.1529.2)
11 Tracks, 46:31 , mit engl. Infos im Digipack


Die vielfach ausgezeichnete DVD Harlem Street Singer erzählt die Lebensgeschichte des Reverend Gary Davis (1896-1972), eines der bekanntesten und einflussreichsten Blues-, Gospel- und Ragtimegitarristen unserer Zeit. Der schwarze Musiker, der als Kind erblindete, begann seine Karriere als Straßenmusikant in North Carolina, bevor er in den 1960er-Jahren die New Yorker Folkszene nachhaltig inspirierte. Er war Vorbild für so illustre Künstlerpersönlichkeiten wie David Bromberg, Jerry Garcia, Stefan Grossman, Ry Cooder, Happy Traum und John Cohen. Bob Dylan und Peter, Paul & Mary nahmen Coverversionen seiner Songs auf. Werner Lämmerhirt spielte Davis’ berühmten „Hesitation Blues“ und Hannes Waders „Kokain“ ist die deutsche Version von Davis’ „Cocaine“. Der Film reiht zahlreiche Originalaufnahmen in Bild und Ton aneinander, Weggefährten des Reverend, der auch als überzeugter Baptistenprediger tätig war, berichten über den Bluesmann, und zwischendurch spielt immer wieder die Empire Roots Band mit Dave Keyes (Piano), Woody Mann (Gitarre), Brian Glassman (Kontrabass) und dem Blues- und Gospelsänger Bill Sims Jr. Kompositionen des Meisters. Der Fingerstylegitarrist Woody Mann setzte seinem ehemaligen Gitarrenlehrer Reverend Gary Davis als Produzent und Mitwirkender im Film ein geradezu liebevolles Denkmal. Das umfangreiche Zusatzmaterial zur DVD enthält – neben zahlreichen Statements und Interviews – eine Filmsequenz, in der Mann als junger Gitarrenschüler vom Reverend unterrichtet wird. Manns Album A Tribute To The Reverend ist eine weitere Verbeugung vor einem außergewöhnlichen Blueskünstler, der selbst nie Instrumentalunterricht erhielt und daher einen recht unkonventionellen, dafür aber nicht minder ausdrucksstarken eigenen Stil entwickelte. Woody Mann spielt, begleitet vom Kontrabassisten Brian Glassman, Stücke des Reverend und eigene Kompositionen. Das Album Music From The Film Harlem Street Singer ist der Soundtrack zum Film. Insgesamt ein hochkarätiges Paket, das geeignet ist, den Ausnahmekünstler Reverend Gary Davis intensiv kennenzulernen.
Kai Engelke
 GRETCHEN PETERS: Blackbirds
GRETCHEN PETERS
Blackbirds
www.gretchenpeters.com
(Proper Records PRPCD124/H’Art Music)
Promo-CD, 11 Tracks, 49:31


Das Album heißt nicht umsonst Blackbirds, die vielfach gepriesene Songschreiberin Gretchen Peters spürt das Alter. Als sie mit der Arbeit an den Stücken begann, gab es eine Woche, in der sie zu drei Trauerfeiern und einer Hochzeit eingeladen war – nicht umgekehrt. Allerdings scheint es für Frauen im Musikgeschäft nur mit Mut möglich zu sein, von diesem Prozess in Liedern zu erzählen, zumindest in den USA. Gretchen Peters, Mitglied der renommierten Nashville Songwriters Hall of Fame, hat sich getraut, das Thema Vergänglichkeit anzupacken. „Everything Falls Away“, „Black Ribbons“, „Blackbirds“ lauten einige der Songtitel, die unterstreichen: Hier scheint keine ewige Jugend auf. Dennoch klingt Peters nicht depressiv oder durchgängig düster, sondern vor allem nachdenklich. Ihren Folk- und Countryrock durchzieht eine gedeckte Stimmung, die Lichtblicke nicht ausschließt. Musikalisch taucht gelegentlich eine Nähe zu Joni Mitchell auf, der Folkrock der Siebziger wirkt als Mittel der Wahl. Unterstützt wird die Künstlerin von Musikern wie Jerry Douglas und Jason Isbell, die Band groovt. Nein, Gretchen Peters ist kein Trauerkloß; ein Herbstalbum ist es trotzdem.
Volker Dick

 ANDY DALE PETTY: Frick’s Lament
ANDY DALE PETTY
Frick’s Lament
www.andydalepetty.bandcamp.com
(Voodoo Rhythm Records VRCD84/Cargo)
Promo-CD, 12 Tracks, 29:39


Dieser Petty heißt nicht Tom, er ist gerade mal so um die dreißig, und es setzt sich der Eindruck fest, als sei er zur falschen Zeit jung. Er wäre wahrscheinlich lieber in den Vierziger- oder Fünfzigerjahren auf Güterzüge gesprungen und mit Jack Kerouac oder Woody Guthrie durchs Land gezogen. So aber muss er das Beste machen, was er heute tun kann. Was bedeutet, dass er uns in eine andere Zeit trägt. Er hebt Schätze aus den 1920er-Jahren, beschwört aber genauso den Folkgeist der Sechziger herauf, mit seinem schnellen Fingerpicking oder dem Spiel auf der Slidegitarre. John Fahey und Bert Jansch lassen kurz grüßen. Außerdem zeigt sich Petty als versierter Mann am Banjo, ob es um Picking- oder Clawhammertechnik geht. So führt uns der viel gereiste Musiker aus Huntsville, Alabama, durch einen Kosmos aus Old-Time, Bluegrass, Folk und Countryblues, gelegentlich unterstützt durch Schlagzeug und anderes. Im Wesentlichen bleibt es aber bei der Konstellation „Ein Mann und sein Instrument“, dies eingebettet in eine ebenfalls zeitvergessene Produktion zwischen Hallorgie und Wohnzimmerkonzert. Das klingt nicht wirklich nach Retro, sondern einfach nur eigen. So ist er wohl, dieser Petty.
Volker Dick
 ASTRID YOUNG: One Night At Giant Rock
ASTRID YOUNG
One Night At Giant Rock
www.astridyoung.net
(Eigenverlag)
Promo CD, 11 Tracks, 45:52


Nach mehr als zehnjähriger Pause legt die Halbschwester von Neil Young ein neues Album vor. Eine eigenwillige Mischung aus Folk, Country, Funk, Singer/Songwriter und vielem mehr. Urbane Kiezmusik, die trotz ihrer Zickzackfahrt nicht zerrissen oder beliebig wirkt. Bisweilen sind es nur Kleinigkeiten im Arrangement, Chorgesangslinien oder Gitarreneinsätze, die den Stücken einen extra Dreh verleihen. Begleitet von Victor DeLorenzo, Schlagzeuger der Violent Femmes, Joe Gore und Eric McFadden an der Gitarre plus Ehemann Ray Farrugia, Mitglied von Junkhouse, ebenfalls Schlagzeug, sind zudem einige Protagonisten dabei, die schon lange aus einem traditionellen Background heraus unbeschwert mit Stilen und Versatzstücken experimentieren. Die Produktion ist bodenständig und kantig, an den richtigen Stellen aber auch samtweich geschliffen. Schade nur, dass dem Album am Ende etwas die Luft ausgeht.
Dirk Trageser

Besondere
GERD SCHINKEL
Abgelaufen – Eigenfüßige Lieder vom Jakobsweg
(Eigenverlag, ausschließlich erhältlich unter info@gerdschinkel.de)
Do-CD, selbst gebrannt, CD1: 31 Tracks, 78:57, CD 2: 28 Tracks, 77:08 , Heft mit allen Texten extra erhältlich


Es gibt viele gute Gründe, den Jakobsweg zu gehen: die Suche nach sich selbst; innerlich zur Ruhe kommen, um Antworten auf oft gestellte Fragen zu erhalten; Gedankenklarheit gewinnen; neue Erfahrungen sammeln; vielleicht sogar den Zugang zu einer übergeordneten Instanz erlangen. In jedem Fall ist der weite, oft beschwerliche Weg zu Fuß das Ziel. Auf der Suche nach Anregungen für neue Lieder ist Gerd Schinkel im Sommer 2014 auf dem Jakobsweg gegangen – hundertsechzig Kilometer in sieben Etappen. Unterwegs notierte er regelmäßig seine Eindrücke, Gedanken, Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse, um sie gleich nach der Rückkehr aus Santiago de Compostela zu ernsthaft reflektierenden  GERD SCHINKEL: Abgelaufen – Eigenfüßige Lieder vom Jakobsweg Texten und ebensolchen Liedern zu verarbeiten. Herausgekommen ist ein wirklich besonderes Werk, das sowohl ein Konzeptalbum als auch ein Hörbuch ist. In seinen sorgfältig formulierten Zwischentexten, die er Moderationen nennt, schildert Schinkel seine Zweifel und Unsicherheiten, die er im Vorfeld empfand, erzählt von wilden Radfahrern und skurrilen Mitwanderern, berichtet von verschiedenen Arten zu gehen und vom Wetter, von geplagten Füßen und schleichender Zeit. Und auch der Tod wird angstfrei thematisiert. Im Wechsel mit den Texten, die Schinkel angenehm unaufgeregt mit professioneller Stimmführung vorträgt, erklingen seine Lieder – souverän gereimt, musikalisch ansprechend vertont. Keine technischen Spielereien, keine Effekte, nur Stimme und Gitarre. Auch das macht die Faszination dieser Eigenproduktion mit einfachsten Mitteln aus. Das umfangreiche Textheft, das sämtliche Moderationen und Lieder enthält, ermöglicht es dem Hörer zusätzlich, auf intensive Weise zweieinhalb Stunden lang in Schinkels vielfältige Gedanken- und Liederwelt einzutauchen und seine Pilgerreise anschaulich nachzuvollziehen. Schinkel hat sich auf die Suche nach Inspiration begeben und sie offensichtlich auch gefunden. Daran lässt er den Hörer nun teilhaben.
Kai Engelke
CRISTINA PATO & DAVIDE SALVADO & ANXO PINTOS & ROBERTO COMESAÑA
Rústica
(Fol 100FOL1083/Galileo MC)
8 Tracks, 31:32 , mit galic. Infos u. Texten


Bei Liebhabern galicischer Musik werden diese (leider nur!) knapp 32 Minuten allergrößten Zuspruch finden. Auch uneingeweihte Folkfans werden Rústica zu schätzen und zu genießen wissen. Waren doch bei diesem Vierergipfel einige der besten Neofolkloristen der nordwestspanischen Region mit maximaler, spürbarer Sensibilität und Tiefe am Werk. Die zum Teil auch singende Gaitaspielerin Cristina Pato (auch Pianistin) betreibt seit längerem von New York aus ihre musikalische Wurzelpflege und zelebriert – wie im Booklet zu lesen – hiermit die fünfzehn Jahre ihrer Solokarriere. Dafür kann sie auf drei ihr sehr am Herzen liegende Kollegen zählen. Der Drehleierspieler Anxo Pintos (hier auch künstlerischer Leiter) kam uns  CRISTINA PATO & DAVIDE SALVADO & ANXO PINTOS & ROBERTO COMESAÑA: Rústica mit seinem überaus vitalen, innovativen Spiel unter anderem auf den diversen Alben der 2014 aufgelösten Band Berrogüetto zu Ohren. Die einfühlsamen Akkordeonklänge, die in der galicischen Musik ihr besonderes Zuhause haben, steuert der hier weniger bekannte Roberto Comesaña bei. Fehlt noch einer der derzeit – zu Recht! – gefeiertsten Vokalisten der Szene: Davide Salvados gleichermaßen traditionsverbundener wie freiheitsliebender Gesang hätte die Gaitera auf Anhieb betört, ist ihrem Einführungstext zu entnehmen. So erging es wohl auch jedem, der den Mittdreißiger bei der letzten WOMEX in Santiago de Compostela live erleben konnte. Auch nun, in sieben der insgesamt acht adaptierten, neu arrangierten, größtenteils von Salvado selbst eingesammelten Traditionals verfehlt die Kunst des Sängers und Pandereteiros ihre suggestive Wirkung nicht. Die warme, angenehm geerdete Stimme und der flirrende, teils spitz anmutende Klang der Gaita gehen eine vertrauensvolle, gelungene Allianz ein. Die beiden anderen Instrumentalisten tragen mit viel Gespür fürs richtige Maß das Ihre bei zu Rústica, diesem musikalischen „Liebesbrief an das unglaubliche Kulturgut Galiciens, an das unglaubliche Talent der galicischen Künstler, die menschlichen Beziehungen, die Freundschaft, Emotion, das Vertrauen“.
Katrin Wilke

Bücher
 KLAUS & HENRIKE ECKHARDT: Hör an mein Stimm – wiederentdeckte Volkslieder / aus d. Verklingenden Weisen von Louis Pinck, ausgewählt von Klaus Eckhardt ; Umschlaggestaltung, Ill
KLAUS & HENRIKE ECKHARDT
Hör an mein Stimm – wiederentdeckte Volkslieder / aus d. Verklingenden Weisen von Louis Pinck, ausgewählt von Klaus Eckhardt ; Umschlaggestaltung, Ill
(– Norderstedt : BoD - Books on Demand, 2014. – 47 S. : Noten, Texte u. zahlr. fa)
ISBN 978-3-7347-3193-8 , 14,90 EUR


Von wegen: Book on demand, das kann doch nichts sein … Doch, doch, kann es sehr wohl. Den Beweis liefern Klaus und Henrike Eckhardt, auch bekannt als saarländisches Folkduo Erledanz, mit einem Liederbuch, das man schlicht als wunderschön bezeichnen muss. Und das liegt in allererster Linie an den Illustrationen von Henrike Eckhardt. Das Buch im A5-Format beinhaltet einundzwanzig „wiederentdeckte“ deutsche Volkslieder, die dem passionierten Deuschfolkie so neu nun nicht sind, darunter „Der arme Bauer (Lothringer Bur)“, „Die Brombeeren“, „Das Sichelein“ und andere, allerdings in weniger bekannten Text- oder Melodieversionen. Insofern hat dieses Buch durchaus seine Berechtigung, zumal die Lieder sauber und übersichtlich in Noten gesetzt sind, mit Angaben der Akkorde über den Noten, die im Anhang auch noch einmal in Kapodasterversionen angegeben sind. Was dieses Buch allerdings zu einem außergewöhnlichen macht, sind die bereits erwähnten, meist ganzseitigen, farbenfrohen Illustrationen von Henrike Eckhardt, die einen Vergleich etwa mit Tatjana Hauptmann oder Tomi Ungerer nicht zu scheuen brauchen.
Ulrich Joosten
 SASCHA LANGE: Meuten, Swings & Edelweißpiraten : Jugendkultur und Opposition im Nationalsozialismus.
SASCHA LANGE
Meuten, Swings & Edelweißpiraten : Jugendkultur und Opposition im Nationalsozialismus.
www.ventil-verlag.de
(– Mainz : Ventil-Verl., 2015. – 223 S. : mit zahlr. s/w-Abb.)
ISBN 978-3-95575-039-8 , 17,00 EUR


Sie begrüßten sich schon mal mit „Swing Heil“, einer Adaption des amerikanischen Songs „Swing High“ von Tommy Dorsey, damals im Hamburg der Vierzigerjahre. Dass eine Grußformel der verhassten Nationalsozialisten ganz ähnlich klang, war den jungen Andersdenkenden, die sich auch „Swing-Boys“, „Youngsters“ oder „Edelweißpiraten“ nannten, natürlich bewusst. Sie hatten nichts am Hut mit HJ und Nazi-Ideologie. Sie wollten sich mit allen Mitteln dem Zwang des Nationalsozialismus entziehen, und sei es zunächst nur durch Kleidung und die damals verbotene Swing- und Jazzmusik. Der Musiker, Autor und promovierte Historiker Sascha Lange stellt in seinem Buch anschaulich und sorgfältig recherchiert die unterschiedlichsten Aktivitäten von Jugendgruppen außerhalb der Hitlerjugend dar. Er zeigt auf, dass es den meisten Jugendlichen zunächst um Nonkonformität und Opposition ging, die allerdings nicht selten in Widerstand mündete. Viele der Swings, die sich in den Jahren 1933 bis 1945 in „Banden“, „Meuten“ und „Cliquen“ zusammenfanden, wurden verhaftet, verurteilt und in Konzentrationslager geschickt, was in den meisten Fällen einem Todesurteil gleichkam. Sascha Lange hat seine Darstellungen jugendlicher Opposition geografisch geordnet, sodass sich für den Leser ein detaillierter Überblick ergibt, was wann wo stattfand. Neben den bekanntesten Widerstandsgruppen wie „Weiße Rose“ oder „Edelweißpiraten“ finden zahlreiche weitere, eher weniger bekannte Widerstandsgruppen Erwähnung. Es fällt auf, dass amerikanisch geprägte Musik in vielen der damaligen Jugendgruppen außerhalb der HJ eine ganz wesentliche Rolle spielte. Interviews mit Zeitzeugen wie Coco Schumann, Manfred Omankowsky oder Heinz Koch ergänzen diese umfangreiche Materialsammlung auf eindrucksvolle Weise.
Kai Engelke

 SIMONA PAKENHAM: Singing and Dancing wherever She Goes – A Life of Maud Karpeles.
SIMONA PAKENHAM
Singing and Dancing wherever She Goes – A Life of Maud Karpeles.
(– London : English Folk Dance and Song Society, 2011. – 276 S. : mit zahlr. s/w )
ISBN 978-0-85418-216-9 , 10,00 brit. Pfd.


Cecil Sharp war eine monumentale Figur der englischen Folkmusik des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, ein Name, der auch interessierten Menschen hierzulande geläufig ist. Aber Maud Karpeles? Oberflächlich gesehen war sie seine Assistentin, Begleiterin auf seinen zahlreichen Feldforschungsreisen in England und besonders in den Appalachian Mountains der USA. Beide pflegten ein seltsames Abhängigkeitsverhältnis: Er sah sie als eine Art Tochter und (preiswerte) Unterstützerin seiner folkloristischen Ambitionen, sie ihn als ein Objekt rein platonischer Verehrung. Als Sharp 1924 starb, wurde Karpeles seine unnachgiebige folkloristische Nachlassverwalterin und sorgte im Rahmen der English Folk Dance and Song Society (EFDSS) und des von ihr 1942 ins Leben gerufenen International Folk Music Council für den Fortbestand seiner Ideen. Karpeles starb 1976 im Alter von 91 Jahren und war bis zuletzt höchst aktiv in Sachen Folkmusik. Simona Pakenham, die Karpeles kannte, hat eine Biografie aus gemischten Quellen verfasst. Zum einen basiert sie auf Karpeles’ eigener, ziemlich faktischer und nie veröffentlichter Autobiografie. Zum andern zieht Packenham Tagebücher und Briefe aus der Bücherei des Cecil Sharp House in London hinzu, und das führt insgesamt zu einer verdichteten Lebensgeschichte mit ausführlichem Bildmaterial.
Mike Kamp
 NEPOMUK RIVA [HRSG.]: Klangbotschaften aus der Vergangenheit : Forschungen zu Aufnahmen aus d. Berliner Lautarchiv.
NEPOMUK RIVA [HRSG.]
Klangbotschaften aus der Vergangenheit : Forschungen zu Aufnahmen aus d. Berliner Lautarchiv.
www.shaker.de
(– o. O. : Shaker-Verl., 2014. – 240 S. : mit Abb. – (Berichte aus der Musikwisse)
ISBN 978-3-8440-3203-1 , 49,80 EUR


Das Lautarchiv der Berliner Humboldt-Universität besitzt eine riesige Sammlung von Schellackplatten und Aufnahmen auf Wachswalzen, und einige davon werden im vorliegenden Buch untersucht. Die Aufnahmen entstanden zwischen 1916 und 1940, aufgenommen wurde Gesang von Insassen von Kriegsgefangenenlagern im Ersten Weltkrieg, von rückgewanderten Bessarabiendeutschen und von anderen, die das Schicksal aus welchen Gründen auch immer nach Deutschland verschlagen hatte. Manchmal ist es möglich, mehr über diese Menschen zu erfahren, wie im Fall der Bessarabiendeutschen Aniela Ziebart, die Weihnachtslieder aus ihrer Heimat aufnahm. Andere, wie der 1894 im damals russischen Vilnius geborene Scholom Finn, von dem zwei revolutionäre russische Lieder vorliegen, sind biografisch nicht mehr greifbar. Aufnahmen von katalanischen Kriegsgefangenen aus dem Roussillon belegen, wie der Erste Weltkrieg als auslösendes Moment fungierte: Viele der damals in die französische Armee eingezogenen Katalanen begannen danach, sich eher als Franzosen denn als Katalanen zu begreifen, der Niedergang der katalanischen Sprache in Frankreich war die direkte Folge. Ein Abschiedslied aus Samoa und Untersuchungen der Trommelsprache der Duala in Afrika zeigen Folgen der deutschen Kolonialherrschaft auf, und es gibt noch viel mehr zu entdecken in diesem überaus spannenden Buch. Mit einer Ausnahme wurden alle Beiträge von Männern verfasst, was man daran merkt, dass sexistische Scherzchen oder Textstellen einfach so durchrutschen, was das Lesevergnügen durchaus schmälert. Außerdem wäre ein gründliches Korrekturlesen sinnvoll gewesen, um wenigstens die ärgsten sprachlichen Schnitzer und Druckfehler zu tilgen: „augenscheinlich“ statt „sichtbar“, „des Knecht Ruprechts“, „Beschneidigung“, um nur einige wenige zu nennen. Aber die Vorzüge überwiegen, also ein unbedingt lesenswertes Buch!
Gabriele Haefs

 GERHARD GRAF-MARTINEZ: Flamenco Guitar Technics Vol. 1 : Arpegios, Rasgueados : music notation + tablature ; dt./span./engl. / alle Übungen u. Studien sind Kompositionen von  GERHARD GRAF-MARTINEZ: Flamenco Guitar Technics Vol. 2 : Picados, Escalas, Ligados : music notation + tablature ; dt./span./engl. / alle Übungen u. Studien sind Kompositione  GERHARD GRAF-MARTINEZ: Flamenco Guitar Technics Vol. 3: Acordes, Cadencias : music notation + tablature ; dt./span./engl. / alle Übungen u. Studien sind Kompositionen von Ge
GERHARD GRAF-MARTINEZ
Flamenco Guitar Technics Vol. 1 : Arpegios, Rasgueados : music notation + tablature ; dt./span./engl. / alle Übungen u. Studien sind Kompositionen von
(– Urbach : Nota Blanca Verl., 2014. – 60 S. : nur Noten u. TAB. – (nota blanca ;)
ISBN 979-0-9000067-0-7 , 13,90 EUR


GERHARD GRAF-MARTINEZ
Flamenco Guitar Technics Vol. 2 : Picados, Escalas, Ligados : music notation + tablature ; dt./span./engl. / alle Übungen u. Studien sind Kompositione
(– Urbach : Nota Blanca Verl., 2014. – 71 S. : nur Noten u. TAB. – (nota blanca ;)
ISBN 979-0-9000067-1-4 , 15,90 EUR


GERHARD GRAF-MARTINEZ
Flamenco Guitar Technics Vol. 3: Acordes, Cadencias : music notation + tablature ; dt./span./engl. / alle Übungen u. Studien sind Kompositionen von Ge
www.nota-blanca.de
(– Urbach : Nota Blanca Verl., 2014. – 95 S. : nur Noten u. TAB. – (nota blanca ;)
ISBN 979-0-9000067-2-1 , 19,90 EUR


Gerhard Graf-Martinez, ein bekannter deutscher Flamencogitarrist und Autor zahlreicher Publikationen zum Thema, legt nach einer zweibändigen Schule nun drei Hefte zum „daily workout“ vor. Studien und Übungen, die gleichermaßen für Anfänger wie Fortgeschrittene konzipiert sind. Es wurde besonderer Wert darauf gelegt, dass diese Etüdensammlung nicht allzu trocken gerät, was sich bei Übungen nicht immer ganz vermeiden lässt (auch bei diesen nicht). Der erste Band behandelt in erster Linie Akkordzerlegungen und die wichtigen Anschlagtechniken (Rasgueados) des Flamenco. Volume zwei beschäftigt sich mit den klassischen Modi (Tonleitern), die die Grundlage für die Improvisation bilden, ergänzt durch Legatoetüden (Bindungsübungen). Der dritte und ausführlichste Band setzt sich mit der Harmonik des Flamenco auseinander. Akkordfolgen (Kadenzen) werden vorgestellt, analysiert und wiederum durch kleine spielerische Sequenzen ergänzt. Die praktischen Übungen klingen durchweg sehr lebens- sprich flamenconah und bieten dem Schüler genügend Futter auf dem Weg zur Meisterschaft. Das Noten- und Tabulaturbild ist vorbildlich, was grafische Darstellung und Lesbarkeit angeht. Alle Hefte sind auch als E-Books erhältlich.
Rolf Beydemüller
 HAPPY TRAUM: The Blues Bag : e. Sammlung traditioneller Bluessongs u. Instrumentals aus dem Repertoire der großen Country-Blues-Gitarristen ; in Gitarren-Tabulatur
HAPPY TRAUM
The Blues Bag : e. Sammlung traditioneller Bluessongs u. Instrumentals aus dem Repertoire der großen Country-Blues-Gitarristen ; in Gitarren-Tabulatur
www.bosworth.de
(– Dt. Erstausg. – o.O. : Bosworth Ed., 2015. – 94 S. : überw. Noten u. Abb. – (B)
ISBN 978-3-86543-868-3 , 19,95 EUR


Keinen wirklichen Blueslehrgang, aber eine schöne Sammlung von Bluesoriginalen liefert der Folkbluesgitarrist Happy Traum in einem Band, der angereichert durch tolle Schwarz-Weiß-Aufnahmen, eine unbedingte Kaufempfehlung abgibt. Nach einer kurzen, prägnanten Einführung ins „Wesen des Blues“ geht es dann auch gleich los. Neben den Songs, die mit Melodie und Text abgedruckt sind, findet man kleine Intros und Soli (die der Autor „Breaks“ nennt) für akustische Gitarre. In den kurzen vorangestellten Texten erhellt Traum Hintergrund und Herkunft des jeweiligen Titels. The Blues Bag bietet reichlich gut klingenden Lehrstoff für alle Bluesliebhaber.
Rolf Beydemüller

 JUSTIN SANDERCOE: Justinguitar.com – Songbook für Ukulele : 25 sagenhaft coole Ukulele-Songs mit detaillierten Spieltipps.
JUSTIN SANDERCOE
Justinguitar.com – Songbook für Ukulele : 25 sagenhaft coole Ukulele-Songs mit detaillierten Spieltipps.
www.bosworth.de
(– Dt. Erstausg. – o. O. : Bosworth, 2014. – 63 S. : überw. Noten, Akkorde u. Tex)
ISBN 978-86543-870-6 , 16,95 EUR


Der fleißige Sandercoe liefert nun auch sein erstes Ukulele-Songbuch ab und das kann sich wirklich sehen lassen. 25 fein ausgewählte Hits verschiedenster Genres von ganz einfach bis ziemlich komplex. Wie auch in den Liederbüchern für Gitarre setzt der umtriebige Brite auf lockeren Erzählstil, übersichtliche Darstellung und gute Einführung in den jeweiligen Song. Israel Kamakawiwo’oles wunderbares Medley von „Somewhere Óver The Rainbow/What A Wonderful World“ ist ebenso mit an Bord wie auch Pharrell Williams Megahit „Happy“ oder Eddie Vedders „Longing To Belong“ von dessen Album Ukulele Songs. „Georgia On My Mind“, „American Pie“ oder Cohens „Hallelujah“ auf der Ukulele? Na klar. Sandercoe macht vor, wie es geht.
Rolf Beydemüller



Deutschland
 BUKAHARA: Strange Delight
BUKAHARA
Strange Delight
www.bukahara.com
(Capital Music)
11 Tracks, 48:00


„Man wird niemanden finden, der einem sagt, wo es lang geht im Leben.“ So lautet nur eine Liedzeile von Bukahara. Wenige Bands schaffen es, aus dem engen Korsett der Balkan Beats auszubrechen und einen kongenialen eigenen Sound zu finden. Schon darum sind die vier Männer eine Entdeckung. Hier wird kollektiv gewerkelt und das Ergebnis klingt höchst individuell, verrät multiple Einflüsse und eine breite musikalische Bildung. Strange Delight ist mit Sorgfalt produziert. Unverwechselbar der raue Gesang von Soufian Zoghlami, der gut gezupfte Bass von Ahmed Eid, das Sinti Swing erprobte Geigenspiel von Daniel Avi Schneider. Und die Posaune von Max von Einem rundet das Bild ab, mit gezielt eingesetzten Bläserlinien. Kraftvolle und zuweilen verrätselte Songs bringt Bukahara, Lieder, die in die Beine fahren, schon beim ersten Hören. „Macht den Fernseher und das Handy aus“ und schaut was passiert, wenn man die Augen offenhält und die Ohren für den Balkan Orient Folk Mix dieser Band aus dem tiefen Westen der Republik, zu hören Mitte Juli auf der Funkhaus Europa Odyssee.
Grit Friedrich
 CATALEYA FAY: Journey
CATALEYA FAY
Journey
www.cataleyafay.com
(Electromantica EM1001)
12 Tracks, 52:00 , mit dt. u. engl. Texten u. Infos


Cataleya Fay nennt ihr neu erschienenes Album selbst „Spiegel meines Lebens“, weil sie all ihre Lebenserfahrungen in ihren Songs verarbeitet und den Hörer so an ihrem Gefühlen und Erlebnissen teilhaben lässt. Die Sängerin ist vor allem für ihre Liveperfomances bekannt, bei denen sie meist nur Gitarren- und Klavierklänge begleiten. Dennoch hat sie sich nach ihrem Debütalbum Trace für eine weitere Studioplatte entschieden. Zu hören sind auf Journey neben der einprägsamen Stimme der Singer/Songwriterin in erster Linie Gitarrenklänge, Cello- und Klavierarrangements, aber auch exotische Instrumente wie Sitar oder Lap-Steel-Gitarre. Die Songs zeugen von Unbeschwertheit und sorgen für Unbeschwertheit beim Hören. Trotz Studioarbeit bleibt die für Fay typische Fragilität erhalten, die dem Folkpopsound einen Schuss Soul verleiht. Zwar hat die Künstlerin all ihre Songs selbst geschrieben und komponiert, aber auf musikalische Unterstützung wollte sie nicht verzichten. Die Platte wird mit Einflüssen der Gastmusiker Sitara und Henning Schmitz bereichert. Besonderes Highlight ist der letzte Track, der als einzige Ausnahme in deutscher Sprache gesungen wird.
Claudia Niedermeier

 JAMARAM & ACOUSTIC NIGHT ALLSTARS: Heavy Heavy
JAMARAM & ACOUSTIC NIGHT ALLSTARS
Heavy Heavy
www.jamaram.de
(Turban Records/Soulfire Artists SF 045)
16 Tracks, 64:19 , mit simb., engl. u. dt. Texten u. engl. Infos


Ursprünglich vor allem auf Reggaekurs, haben Jamaram aus München schon von jeher und zunehmend verstärkt Ausflüge in darüber hinausgehende Gebiete gepflegt – Hauptsache afrikanisch grundiert. Heavy Heavy führt sie auf diesem Weg schon deshalb auf eine neue Stufe, weil es sich dabei um eine gleichberechtigte Kollaboration mit den Acoustic Night Allstars, sechs Sängern und Musikern aus Harare, Simbabwe, handelt. Nach dem ersten Zusammentreffen beider Ensembles beim Harare International Festival of the Arts 2012 nahmen die multinationalen Bayern ihre afrikanischen Kollegen mit auf eine Deutschlandtour, bei der sich das gemeinsame Programm zu entwickeln begann, das auf Heavy Heavy nun veröffentlicht wurde. Die vergleichsweise schwerblütigen jamaikanischen Blue Beats rücken für Jamaram-Verhältnisse dabei in den Hintergrund, stattdessen dominieren über weite Strecken ansteckend leichtfüßig-afrikanische, oft besonders von Mbira und Kora geprägte Klänge und Melodien. Jetzt bitte nur noch auf seichten Konsenspop wie „Why“ und „Miles Away“ verzichten. Dass es in den Texten nahezu ausschließlich um private Befindlichkeiten geht, macht alles leicht, um nicht zu sagen leichtgewichtig genug.
Christian Beck
 MANFRED MAURENBRECHER: Rotes Tuch
MANFRED MAURENBRECHER
Rotes Tuch
www.maurenbrecher.com
(Reptiphon/Broken Silence)
15 Tracks, 63:18 , Texte u. Infos


Seit vielen Jahren eine verlässliche Liedermacheradresse, und doch staunt man immer wieder, wie genau sich Maurenbrecher Land, Leute und seine Zeit anschaut und wie trefflich er dies stets zu Liedern formt. Obwohl das Cover ihn als modischen Che-Guevara-Verschnitt präsentiert, belehrt oder bekehrt er nicht, sondern beschreibt. Er erzählt Geschichten, reflektiert, fantasiert, sinniert, träumt, spottet, karikiert, beißt. Das Album ist bunt gemischt und die Lieder sind recht unterschiedlich entstanden. Sein Lied vom „Staubsauger“, mit dem erst der Dreck und später alles weggesaugt wird, was stört, ist für ein Berliner Lesebühnenprogramm geschrieben. Das Titelstück „Rotes Tuch“ hat er bereits 1988 verfasst, die „Romanze“, ein Text über eine äußerst unwahrscheinliche Liebe, ist erst im Studio entstanden. Bei zwei Titeln („Wer hat, der kriegt“ und „Schuldunfähig“) stand Franz Josef Degenhardt Pate, dessen Methode, Typen zu beschreiben, an deren Zynismus sich Missstände offenbaren, er hier übernimmt. Zudem macht er Anleihen bei Dylan, Cohen und anderen und bleibt doch immer unverkennbar Maurenbrecher: kratzige Stimme, Realismus, Poesie, Blues, Klavier und einige Begleitmusiker.
Rainer Katlewski

 MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN: Voodoo
MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN
Voodoo
www.pulveraffen.de
(Timezone/Timezone Distribution)
19 Tracks, 69:51 , mit Fotos u. dt. Infos u. Texten


Piraten sind in, seitdem Jack Sparrow auf der Leinwand die Karibik unsicher macht. Während bei ihm aber nur ein Affe eine Hauptrolle spielt, sind es hier gleich vier Pulveraffen, die mit Mr. Hurley auf Kaperfahrt gehen. Diese feuern denn auch eine volle musikalische Breitseite auf den nichts Böses ahnenden Hörer ab, der mitgerissen von treibenden und wiegenden Rhythmen verschiedener musikkultureller Provenienz vom Shanty über Irish Punk Folk und deutschem Volkslied bis zum Rock ’n’ Roll nicht anders kann, als sich zu ergeben und entern zu lassen. Wer schon über die Seefahrerpersiflage von Santiano lachen kann, wird hier damit gar nicht wieder aufhören, so sehr wird das Piratenklischee kreuz und quer durch den Kakao gezogen. Unterbrochen werden die vom Schrumpfkopf im Rumtopf, von Männern mit Haaren im Gesicht und vom Haken an dem Haken an der Hand handelnden Lieder, die auch Blut-Svente und Messer-Jocke mitgrölen würden, von einer vierepisodigen Geschichte von Captain Blakes Konsultation der Heilkünste eine Voodoozauberin, deren Nebenwirkungen immer weitere Behandlungen erfordern. Diese fünfte Scheibe der Osnabrücker Seeräuber ist der perfekte Gute-Laune-Soundtrack für Segeltouren und Kindergeburtstage gleichermaßen!
Michael A. Schmiedel
 STRÖMKARLEN: Edda Sånger
STRÖMKARLEN
Edda Sånger
www.stroemkarlen.de
(Eigenverlag)
Do-CD, 14 Tracks, 76:13 , Buch mit isländ. Lyriktexten, engl. u. dt. Übers. u. Erl.


Das Trio Strömkarlen benennt sich nach einem schwedischen Wassergeist. Ihr dreistimmiger Gesang mit der klaren Sopranstimme, einem Bariton und einem Bass ist ein besonderes Merkmal der Gruppe. Dieses, ihr fünftes, Album zum zehnjährigen Bestehen ist nun in jeder Hinsicht etwas ganz Besonderes. Die beiden CDs sind in ein in blaues Leinen gebundenes, 70-seitiges Buch eingelegt, das alle Texte und umfangreiche Erläuterungen enthält. Teile der Edda-Dichtungen sind weit früher entstanden, aber erst im 13. Jahrhundert im Codex Regius festgehalten worden. Überlieferte Melodien gibt es nicht. Die Musiker haben daher aus ihrer Kenntnis skandinavischer und keltischer Musik eigene Kompositionen für die Edda-Gedichte geschrieben. Das ist natürlich nicht authentisch, aber der Musik des frühen Mittelalters einfühlsam nachempfunden. Dramatisch-schöne Gesänge sind dabei, wie zum Beispiel „Die Namen Odins“, was etwas an das mittelalterliche gotländische Musikdrama Volund (1993) erinnert. Es gibt aber auch einige etwas „leichtere“ Stücke wie „Loddfafnirs Lied“, mit Slidegitarre, etwas poppig. Gesungen wird auf Schwedisch, Isländisch oder Nynorsk. Das ganze Projekt ist eine wunderbare Möglichkeit, sich mit der Edda zu befassen. Die Musik ist die Brücke dazu.
Bernd Künzer

 JÜRGEN THELEN: Wir ziehen nach Amerika – Lieder der Auswanderungen des 19. Jahrhunderts
JÜRGEN THELEN
Wir ziehen nach Amerika – Lieder der Auswanderungen des 19. Jahrhunderts
www.dilldapp.de
(Eigenverlag CD-TD-042015)
16 Tracks, 46:50


Der Multiinstrumentalist Jürgen Thelen ist auch als Spielmann Thelonius Dilldapp bekannt, der mit Dudelsack und Drehleier über die Mittelaltermärkte dieser Republik zieht. Nun spürt er mit zeitgenössischen Liedern der deutschen Auswanderungswelle im 18. und 19. Jahrhundert nach, mit Liedern, die die Strapazen der vielfach abenteuerlichen Reisen aufzeigen und die Erwartungshaltung der Auswanderer, die oftmals mit der realen Situation in der neuen Heimat nicht viel zu tun hatte. Das ein oder andere Lied kennt man von anderen Interpreten, doch selten klangen sie als Gesamtkonzept so stimmig wie in den sehr gelungenen Arrangements und der einfühlsamen Interpretation Thelens. Er schafft eine authentische Atmosphäre, die den Hörer förmlich in die Zeit der Emigranten zurückversetzt. Zu seinem Gesang hat der Musiker fast sämtliche Instrumente selbst eingespielt: Gitarre, Waldzither, Akkordeon, Schlüsselfidel, Dudelsack, Klarinette, Flöten, Brummtopf und Drehleier – und zwar äußerst gekonnt. Nur zwei Gastmusiker unterstützten ihn im Studio: Andreas Krall an Klavier, Organetto, Trommel und mit Gesang sowie Daniela Osietzki an der Harfe. Das Album ist als Dokumentation der historischen Auswandererlieder und als äußerst gelungenes Deutschfolkalbum rundweg zu empfehlen.
Ulrich Joosten
 TROVACI: Aprililili
TROVACI
Aprililili
www.trovaci.de
(GMO – The Label GMO 053-2/Rough Trade)
11 Tracks, 45:13 , mit serb., engl. u. dt. Texten u. engl. Infos


Aprililili steht im Titelstück für Sprüche, es gäbe keine Faschisten, Nationalisten, Radikale, arme und kranke Menschen mehr – bestenfalls als Aprilscherze abzutun. Als Klassifizierung für Trovacis viertes Album taugt der Albumtitel dagegen kein Stück – diese Musik, die Themen, Ton und Haltung sind keine Aprilscherze. Kein Wunder, wenn es schon damit beginnt, dass man sich im Exil trifft, weil es in der Heimat zugeht wie auf dem Balkan bei Krieg! Betrachtungen der Weltpolitik im Allgemeinen – „Che“ – und im Besonderen – „Is It Okay?“, ein Stück über die NSA, das schon alleine deshalb auf Englisch gesungen wird, damit dessen Mitarbeiter auch alles verstehen. Aufgelockert von allgemein menschlichen Themen, vor allem der Liebe. Die vier Wahlkölner aus dem ehemaligen Jugoslawien und ihre beiden deutschen Mitstreiter gießen sie auf Serbisch, Deutsch und Englisch in schweren Reggae, kräftigen, rauen Rock, aber auch die gelegentliche melancholisch schwebende Meditation und einen locker luftigen Schlager zwischen Latin und Reggae, der zwar behauptet „Multikulti ist gescheitert“, aber schon im Titel „Nix Vorbei“ und dann vor allem auch durch sein eigenes Beispiel das Gegenteil beweist.
Christian Beck

 U.T.A.: Endless Summer
U.T.A.
Endless Summer
www.uta-holst-ziegeler.de
(Eigenverlag)
16 Tracks, 47:43


Wozu braucht die Welt ein Magazin wie den Folker, wenn es doch Spotify und Last FM gibt, wodurch der Hörer Neuheiten in unbegrenzter Zahl aus seinem Lieblingsgenre hören kann? Die Antwort ist einfach: Damit Alben wie Endless Summer nicht untergehen. Die Künstlerin U.T.A. hat ein großartiges Debüt hingelegt, welches komplett handgemacht und ohne Werbebudget die musikalische Welt bereichert. Eine Liedermacherin mit Gitarre und selbst geschriebenen Songs, das klingt nach einer CD von Tausenden. Aber bereits bei den ersten Tönen zieht die Künstlerin den Hörer in ihren Bann. Die bluesige Stimme der Sängerin klingt noch lange nach dem Ende der Albumlaufzeit im Ohr. Die begleitende Gitarre ist, wie übrigens die gesamte Produktion, auf höchstem Niveau. U.T.A. schreibt ihre Songs auf Englisch und legt vorsichtshalber keine Texte ins Booklet, auch die Homepage ist mehr als spartanisch. Selbst hören ist also angesagt, um den Worten der Dortmunderin zu folgen. U.T.A. hat ihren Stil gefunden und drückt ihn perfekt aus. Das Cover im Bauwagenstil harmoniert mit dem Inhalt. Das Einfache wird zur bewusst gewählten Kunstform, und Endless Summer damit in jedem Wortsinn schlicht großartig.
Christian Elstrodt
 KONSTANTIN WECKER: Ohne Warum
KONSTANTIN WECKER
Ohne Warum
www.wecker.de
(Sturm & Klang)
Promo-CD, 16 Tracks, 64:29


Immer wieder gelingt es Konstantin Wecker, Poesie und Musik auf das Schönste miteinander in Einklang zu bringen. Zarte, innerliche, suchende, auch mystische Texte aus eigener und fremder Feder (z. B. von Angelus Silesius, Meister Eckhart, Novalis, Hugo von Hofmannsthal) stehen gleichberechtigt neben fordernden, aufrüttelnden, anklagenden Liedern, die auf Missstände verweisen und zum eigenen Handeln ermuntern. „An Meine Kinder“ ist ein sehr privates Lied, wohingegen „Die Mordnacht von Kundus“ auf eine völlig andere, aber ebenfalls existente Wirklichkeit verweist. Weckers Neubearbeitung des alten, schon immer hochpolitischen Volkslieds „Die Gedanken sind frei“ transportiert die Liedaussage in die Jetztzeit. „Willi 2015“ veranschaulicht, dass Dummheit und Ignoranz leider noch immer fester Bestandteil des öffentlichen Lebens sind. Lieder, geprägt von Wut und Zärtlichkeit, Mystik und Widerstand. Der Poet und Musiker Konstantin Wecker ist ein Künstler, dem seine Verantwortung als Person von öffentlichem Interesse schon immer bewusst gewesen ist. Dabei stellt sich die Verbindung von Ernsthaftigkeit und bestem Entertainment als ein weiteres Markenzeichen des Münchner Liedermachers dar.
Kai Engelke

DVD/Filme
 MARCUS H. RODENMÜLLER: Hubert von Goisern – Brenna tuat’s schon lang
MARCUS H. RODENMÜLLER
Hubert von Goisern – Brenna tuat’s schon lang
www.hubertvongoisern.com
(Langbein & Partner/Blankomusik)
Promo-DVD/PR-Screener, 94:34


Es ist ein ausgiebiges Künstlerporträt und ein Rückblick auf viele Dinge, die Hubert von Goisern antreiben. Den Rahmen des Films bildet ein Angelkahn auf einem malerischen Alpensee. Dort sitzt der Protagonist und philosophiert über sein Leben und seine Musik. Eine Reise durch Raum und Zeit, Begegnungen mit anderen Reisenden. Gezeigt werden wenig veröffentlichtes Archivmaterial, einige Konzertauszüge und Gespräche mit ehemaligen Mitstreitern. Dazu gehören erste Auftrittsorte in Wien 1984. Oder wie der BMG-Manager Goisern erstmals auf einem Open-Air-Festival sah und erstaunt war, dass das Publikum bei „Koa Hiatamadl“ auf die Tische sprang und mitsang. Gezeigt wird Goiserns Rebellionsgeist, zum Beispiel gegen Herrn Haider. Und seine vielen Reisen zu anderen Kulturen – zur Affenforscherin Jane Goodall, nach Tibet, für Konzerte in Ägypten und im Senegal. Großen Raum nimmt im Film sein Schiffsprojekt 2007 bis 2009 ein, als er die Donau hinunterfuhr – eine völkerverbindende Musikreise im bunt bemalten Lastkahn, im Unwetter die Technik von der Bühne holend und hinterher das Keyboard mit dem Föhn trocknend. Diese vielen kleinen Details machen den Film interessant und spannend. Und die Unbekümmertheit, mit der sich HvG auf andere Musikkulturen einlässt und sie in sich einsaugt.
Piet Pollack
 KOFELGSCHROA: Frei. Sein. Wollen.
KOFELGSCHROA
Frei. Sein. Wollen.
www.indigo.de
www.kofelgschroa.by
(Indigo DV 10853-8)
191:00 , inkl. Bonusmaterial


Die erfolgreichen Oberammergauer Handwerker und Freizeitvolksmusiker begeisterten die Freunde des neuen Folks und des Authentischen und irritierten TV-und Rundfunkmoderatoren. Regisseurin Barbara Weber hat das Quartett, bestehend aus dem Brüderpaar Martin und Michael von Mücke, Maxi Pongratz und Matthias Meichelböck, in den letzten sieben Jahren begleitet und ein recht aufschlussreiches Porträt daraus geschaffen. Vor allem ist es ihr gut gelungen, die relativ stillen Typen in ihrem eigenen Tempo, ihren Ansichten sowie in ihrem regionalen Umfeld einzufangen. Dass sie sich, wie sie betonen, zwar fürs Musikmachen, aber kaum für die Gestaltung ihrer Karriere interessieren, lässt allenthalben Gerüchte über einen wohlkalkulierten Kult grassieren. Die Dokumentation wirkt dem entgegen, sie hinterlässt den Eindruck geradezu liebenswerter Wahrhaftigkeit, Individualität und Bescheidenheit der mit trockenem Humor gesegneten jungen Männer. Und gleichzeitig können wir uns den real existierenden Gegenentwurf zum hektisch-zwanghaften Leben andernorts betrachten. Als unterhaltsame Extras sind Videos, Tourimpressionen aus Peru und den USA, Auftritte zwischen Küche und Altenheim und mehr oder weniger geglückte Interviews dabei.
Imke Staats

 THE RED HOT CHILLI PIPERS: Live At The Lake 2014
THE RED HOT CHILLI PIPERS
Live At The Lake 2014
www.redhotchillipipers.com
(Chilli Pipers Production CPP01NDVD)
auch als Do-CD erhältlich, 116:00 plus 21:00 Extras


Das Milwaukee Irish Fest an den Ufern des Lake Michigan ist wahrscheinlich das größte keltische Festival Nordamerikas. Der ideale Ort für die Red Hot Chilli Pipers, um in einer Riesenbesetzung mit sage und schreibe sechzehn Beteiligten auf die Bühne zu gehen: Gitarre, Bass, Keyboards, diverse Percussioninstrumente, eine Bläsersektion, zwei ausgezeichnete Tänzerinnen in ständig wechselnden Kostümen und eine Sängerin. Im Zentrum natürlich immer die drei Dudelsäcke, deren Ruf die Band ohne Frage nachhaltig aufpoliert hat. Während die CD-Version noch die Möglichkeit des Mittanzens gibt, zwingt die fast identische DVD natürlich den faszinierten Blick auf den Schirm, wo das riesige Publikum bei den wenigen langsameren Stücken brav mit den Handys wedelt. Alles ist komplett durchgestylt: Die Kleidung, die Dudelsäcke, die Choreografie, die ganze Show. Und genau das ist es, eine Show mit Konfettikanonen, ziemlich amerikanisiert, kein Wunder bei dem Spielort, alle sind permanent in Bewegung, hoch professionell, eine einzige riesige zweistündige Party (plus 21 Minuten extra, wie minutiös alles geplant wurde). Wer das nicht abkann, der ist hier und bei jedem RHCP-Konzert sowieso fehl am Platz.
Mike Kamp
 PERRY STENBÄCK & DEKADANSORKESTERN: Cornelis Och Andra Visor
PERRY STENBÄCK & DEKADANSORKESTERN
Cornelis Och Andra Visor
(GO’ Danish Folk Music GO0115)
DVD, 12 Tracks, 70:24


Neben seinem Gesang spielt er mindestens zehn unterschiedliche Instrumente, von der Gitarre bis zur Nyckelharpa, ist in vielen Genres zu Hause, vom Folk über den Blues bis zum Jazz und Reggae, hat einen Masterabschluss am Königlichen Musikkolleg in Kopenhagen gemacht und ist 2009 mit einem Danish Music Award Folk als bester Instrumentalist ausgezeichnet worden. Jetzt mit Mitte vierzig hat er sich mit dem Dekadansorkestern, das allerdings nur aus weiteren drei Musikern (Schlagzeug, Kontrabass, zweite Stimme) besteht, einen sehr schönen Wunsch erfüllt. Er erinnert mit diesem Projekt besonders an den niederländisch-schwedischen Liedermacher Cornelis Vreeswijk (1937-1987), von dem 7 der 12 Lieder auf der DVD sind. Dieser hat auf eindrucksvolle Weise die Einflüsse von französischen Chansons, amerikanischem Blues und später auch Sambamusik in die schwedische Liedtradition aufgenommen, wobei es ihm meist um sozialkritische Inhalte ging. Perry Stenbäcks Interpretationen klingen perfekt, aber verglichen mit Vreeswijks originalen Aufnahmen ein wenig weich gespült. Dennoch ein guter Beitrag zur skandinavischen Liedtradition, die bei uns weniger bekannt ist als die von den Geigen dominierte Musik.
Bernd Künzer

Europa
 THE ALT: The Alt
THE ALT
The Alt
www.thealtmusic.com
(Under the Arch Records UTACD002)
11 Tracks, 47:31 , mit engl. Infos


Wenn drei profilierte Musiker zusammen ein Album aufnehmen, dann muss nicht zwangsläufig etwas Gutes dabei herauskommen. Die Iren Nuala Kennedy (Gesang, Flöte, Whistle), John Doyle von der Gruppe Solas (Gesang, Gitarre, Bouzouki, Mandoline) und Eamon O’Leary (Gesang, Gitarre, Bouzouki) jedoch hatten klare Vorstellungen von dem, was sie musikalisch umsetzen wollten, und so mieteten sie sich im Winter in einem abgelegenen Blockhaus in den Appalachians ein, um ihr Debüt einzuspielen. Dem Trio, benannt nach einem mythenbehafteten Tal im County Sligo, war klar: Selbstverständlich könnten wir unsere eigene, zeitgenössische Musik schreiben, aber mit dieser Band wollen wir an die Wurzeln gehen. Traditionelle Lieder und ein paar feine Instrumentals aus England, Schottland, jedoch überwiegend aus Irland haben sie also für dieses Album bearbeitet. Der Klang ist frisch und klar wie die Bergluft des amerikanischen Aufnahmeortes, die Arrangements scheinbar simpel und dennoch filigran ineinander verwoben, und besonders die gesanglichen Harmonien mit dem typisch irischen „Lilt“ sind ausgereift, überlegt und trotzdem natürlich. So klingt wunderschöne Musik.
Mike Kamp
 CANZONIERE GRECANICO SALENTINO: Quaranta 40
CANZONIERE GRECANICO SALENTINO
Quaranta 40
www.canzonieregrecanicosalentino.net
(Ponderosa Music & Arts CD 126)
Promo-CD, 13 Tracks, 45:24


1975 trat die apulische Gruppe erstmals an die Öffentlichkeit. Ihre Pizziche (die Salentiner Variante der Tarantella) sangen sie auf Griko, einer aus altgriechischen, byzantinischen und italienischen Elementen gemischten Sprache, die ältere Leute der Gegend noch heute sprechen. Vor acht Jahren übergab Daniele Durante, der musikalische Leiter des Canzoniere, den Dirgentenstab seinem Sohn Mauro. Rechtzeitig zum vierzigjährigen Jubiläum hat das Septett mit vielen Gästen, darunter dem Komponisten und Pianisten Ludovico Einaudi und den albanischen Bläsern der Fanfara Tirana, ein Album eingespielt. Volksmusik lebt, wenn sie mit neuen Realitäten konfrontiert wird. Das gelingt auf Quaranta 40 sowohl musikalisch als auch textlich. „Solo Andata“, ein eindrücklich vertontes Gedicht des Schriftstellers Erri De Luca über das Flüchtlingselend vor den Küsten Italiens, wurde 2014 von Amnesty International mit dem Preis für Kunst und Menschenrechte ausgezeichnet. Passend zu den teils auch sarkastischen und witzigen Texten vermitteln die Pizziche und Balladen eine Stimmungspalette von sanfter Melancholie zu rauer Euphorie. Der Canzoniere lebt – und wie!
Martin Steiner

 DIVERSE : Sulle Rive Del Tango Azul
DIVERSE
Sulle Rive Del Tango Azul
www.sullerivedeltango.it
(Agualoca, Indigo)
12 Tracks, 49:05, 13 Tracks, 55:33


Denkt man an Neapel und die Seilbahn, die einst bis zum Vesuv hochfuhr, fällt einem das Lied „Funiculì, Funiculà“ ein, selbst Richard Strauss hat dafür Tantiemen zahlen müssen. Aber Tango Napoli? Ja, doch Sulle Rive Del Tango („An den Ufern des Tango“) ist ein imaginärer Ort, ein wenig magisch, wo Sprachen verwirren können, Geschichten miteinander verflochten sind und Klänge sich mischen, um einen Tango zu kreieren, verzaubert und respektlos. Es ist nur eine Übung in Freiheit. Zehn Jahre gibt es die Künstlergruppe und das eigenwillige Plattenlabel und anlässlich dieses „Aniversario“ ist aus der exquisit gepflegten, immer zeitgemäßen Tangoreihe eine wunderbar breit gefächerte Kompilation erschienen. Ja, klar der Tango ist auch in Neapel zu Hause, ebenso wie beispielsweise das Quartett Kantango, deren Stimme diesmal mit der Sängerin Lura von den Kapverden kommt. Raritäten von traditionell bis Elektrobeat. Lasziv apokalyptisch lassen der Serbe Boris Kovac und sein Ladbaaba Orchestra in einem Tango-Dub-Talkingblues ihr „Begin-ing“ kreisen. Für Tangofans ein Muss!
Stefan Sell
 DREAMERS’ CIRCUS: Second Movement
DREAMERS’ CIRCUS
Second Movement
www.dreamerscircus.com
(GO’ Danish Folk Music GO0315)
11 Tracks, 46:46 , mit engl. Info


Hier haben drei sehr individuelle Spitzenmusiker zu einem sehr homogenen Spiel zusammengefunden: Nikolaj Busk, Tasteninstrumente, und Ale Carr, Cister, mit ihren Einfällen zu Kompositionen und Arrangements, und Rune Tonsgaard, Violine, der gleichermaßen im Folk und in der Klassik zu Hause ist. Innerhalb von wenigen Jahren wurde das Trio mit allen möglichen Preisen ausgezeichnet. Sie stehen an der Spitze der Weiterentwicklung traditioneller Musik in Skandinavien, einer Entwicklung, die vor Jahren unter anderem durch die schwedische Gruppe Väsen eingeleitet wurde. Ihre Wurzeln haben sie auch auf ihrem dritten Album nicht vergessen. Die Melodien klingen folknah und meist sehr sanft, werden aber aufgebrochen durch schnelle und sehr rhythmische Passagen. Auffällig ist das oft auf dem Piano gespielte aus wenigen Tönen bestehende Ostinato. Aus diesen Gegensätzen entsteht eine große Dynamik, die kennzeichnend für die Musik von Dreamers’ Circus ist. Kurz: Lieblichkeit und Harmonie gegenüber Heftigkeit und Lautstärke. Erreicht wird das auch durch einige Overdubs, die dem Trio orchestrale Kraft verleihen. Wer sie allerdings zum Beispiel bei Folk Baltica im Mai live gehört hat, wird bemerkt haben, dass das Trio auch ohne diese Technik glänzt. ?
Bernd Künzer

 I HAVE A TRIBE: Yellow Raincoats
I HAVE A TRIBE
Yellow Raincoats
www.soundcloud.com/i-have-a-tribe
(Grönland 23354/Rough Trade)
Promo-CD, 4 Tracks, 15:24


Die EP des Iren Patrick O’Laoghaire alias I Have A Tribe beginnt wie ein Nachspiel, mit einer wie dahingespielten einstimmigen Klaviermelodie und einer fast gesprochenen, rezitierenden Gesangsstimme. Die Klangwelt ist so durchsichtig, die Stimmaufnahme so unverfälscht und voller Sprechgeräusche und winziger Unsauberkeiten, das man O’Laoghaire fast neben sich sitzen vermutet. Die Intimität der Produktion reflektiert auch das Songwriting, dessen persönlicher Bezug dem Sänger nach eigener Aussage einiges an Mut abverlangte. „Ich wollte sehen, ob ich etwas machen kann mit den Farben in meinem Kopf“, so O’Laoghaire. Das Wagnis ist geglückt, die vier Songs der EP sind einfach, schlicht und doch speziell in ihrer Unperfektheit. Sie erinnern an die unbegleiteten Folksongs seiner Heimat und nutzen Klavier, Gitarre und Elektronika à la William Fitzsimmons nur als Beiwerk. Die regionalen Nachbarn James Vincent McMorrow und Conor O’Brien von den Villagers, mit denen Patrick O’Laoghaire jeweils das Label teilt und im Studio gemeinsam arbeitete, klingen ebenfalls musikalisch durch. Auf ein Album darf und sollte man gespannt sein.
Judith Wiemers
 IVA NOVA: Krutila Pila
IVA NOVA
Krutila Pila
www.iva-nova.ru
(Geometry Geo 081 CD)
12 Tracks, 42:53 , mit russ. u. engl. Texten


Vier Musikerinnen, die einen wilden Mix aus Punk und Folk fabrizieren? Da drängt sich ein Vergleich mit Katzenjammer aus Norwegen auf. Iva Nova stammen zwar aus dem russischen Sankt Petersburg und haben 2004 ihr erstes Album veröffentlicht, zu einer Zeit also, in der Katzenjammer noch nicht einmal gegründet war. Die Parallelen zwischen der slawischen und der skandinavischen Musik sind aber auffällig. Dakha-Brakha-Fans lieben Pohjonnen und Farlanders-Anhänger kaufen Mari-Boine-CDs. Folgerichtig sind Iva Nova ein Geheimtipp für Freunde der nordischen Musik. Mit Katzenjammer sind die Russinnen jedoch nur bedingt vergleichbar. Die Folknummern sind sehr hart arrangiert und sprechen damit sogar Metalfans an. Eine düstere, kraftvolle Grundstimmung durchzieht das Album, welche man vielleicht von den frühen Hedningarna-Alben kennt. Das Akkordeon als bestimmendes Instrument treibt die Songs durch die schrägen Arrangements und verursacht Aggression im Bauchraum. Diese Stimmung mit einem lupenreinen Folkalbum zu erzeugen, ist schon außergewöhnlich. Iva Nova trauen sich auf Krutila Pila auch in elektrische Gefilde, die, zart dosiert, den dampfenden Jazzrocknummern eine avantgardistische Note verleihen.
Christian Elstrodt

 THE LEGENDARY TIGERMAN : True
THE LEGENDARY TIGERMAN
True
www.thelegendarytigerman.com
(Metropolitana/India Records CD 471174-2)
13 Tracks, 45:50 , mit engl. Infos


Er ist ein neuer Stern am Blues- und Rockhimmel, Paulo Furtado aus Portugal. Zwar legte er sein Debütalbum bereits vor dreizehn Jahren vor, aber hierzulande muss er noch entdeckt werden, und dafür ist es höchste Zeit. Der als „Legendary Tigerman“ auftretende Sänger und Gitarrist spielt als One-Man-Band alle Instrumente selbst – und ein Sturm bricht los. Seine Inspiration holt sich der Linkshänder auch aus der Literatur, so widmet er sein Album dem legendären Poeten Charles Bukowski und dem 2009 verstorbenen amerikanischen Sänger Lux Interior. Die Texte handeln von Außenseitern und den Dramen ihres Lebens. Da passt einfach alles zusammen – mal druckvolle Beats und eine melancholische Stimme, mal unangepasster, archaischer Delta Blues und wilder Rock ’n’ Roll. Der 45-Jährige spielte schon Filmmusik ein und sucht doch immer wieder die Nähe zu Undergroundbands. Bei einigen wenigen Titeln sind Gastmusiker dabei, darunter Sängerin Rita Pereira alias Rita Redshoes. Auch bei Coverversionen von „Twenty Flight Rock“ (Eddie Cochran) und „Green Onions“ (Booker T) kommt pure Freude auf. Für mich ist das – schon jetzt – die Platte des Jahres.
Annie Sziegoleit
 NORRIE MacIVER: Danns An Rathaid – The Road Dance
NORRIE MacIVER
Danns An Rathaid – The Road Dance
www.norriemaciver.co.uk
(Tago Records TAGOCD01)
12 Tracks, 57:08 , mit engl. u. gäl. Texten


Das erste Soloalbum des Mànran-Sängers MacIver beginnt ziemlich Americana-orientiert. Komisch, das soll gälische Musik von den Äußeren Hebriden sein? Na ja, der Beginn ist ein wenig atypisch und dann wiederum auch nicht, denn was sollen wir von einem Werk halten, auf dem der A.-P.-Carter-Klassiker „Will The Circle Be Unbroken“ gleich zweimal vertreten ist, jeweils in Englisch und in Gälisch. Das kann irritieren, und auch der zweite Track, MacIvers eigenes Lied über die Glasgower Boxerlegende Benny Lynch, ist eher zurückhaltender, wenn auch eingängiger Folkrock. Kraft und Intensität werden beim dritten Track, dem ebenfalls von MacIver geschriebenen gälischen Titelstück, deutlich gesteigert. Das geht ins Ohr und in die Beine. Höhepunkt des Albums aber ist Track vier, „Hold Your Breath“, ein großartiges englisch/gälisches Duett zwischen MacIver und Julie Fowlis, elegisch, balladesk und ungemein breitenwirksam – ein moderner Klassiker. In der Folge gibt es keine Hänger mehr (die beiden „Circle“-Versionen sind eher rätselhaft), neben Dylan lassen auch die Runrig-Brüder Macdonald grüßen, und vielleicht hat Calum Macdonald ja Recht, wenn er über MacIver schreibt: „Die gälische Crossoverstimme seiner Generation.“
Mike Kamp

 MALINKY: Far Better Days
MALINKY
Far Better Days
www.malinky.com
(Malinky Music MM001)
11 Tracks, 47:51 , mit engl. Texten u. Infos


Nach 2008 meldet sich das schottische Quartett Malinky mit einem neuen Album zurück, und das ist gleich in zweifacher Hinsicht eine gute Nachricht. Da ist zum einen natürlich die Musik. Das Motto lautet: zurück zu den Wurzeln der Band, und das sind nun mal die Songs, ausschließlich Songs, und zwar (fast) ausschließlich traditionelle. Jede Gruppe, die eine Fiona Hunter, einen Steve Byrne oder einen Mark Dunlop in ihren Reihen hat, wäre auch dumm, wenn sie diese wunderbaren Interpreten nicht nutzen würden. Jede der drei Stimmen ist überdurchschnittlich, aber Fiona Hunter singt in einer höheren Liga als der Rest. Bei ihr ist der gesangliche Reifeprozess der letzten Jahre besonders deutlich zu hören. Großartig auch das Zusammenspiel aller vier Stimmen bei Songs wie „Son David“, da passt einfach alles. Wo jedoch ein Mike Vass die Fiddle bedient, da ist auch die Instrumentierung zusammen mit unter anderem Bouzouki, Gitarre oder Flöten bemerkenswert. Die Art, wie die Instrumental- und Gesangsparts ineinander verwoben sind, das ist feinstes Arrangement, perfekt produziert von Donald Shaw. Und zum anderen? 2016 planen Malinky, diese herrliche Musik nach Deutschland zu bringen. Da sollten die Veranstalter doch Schlange stehen!
Mike Kamp
 DONNIE MUNRO: Sweet Surrender – Live Accoustic
DONNIE MUNRO
Sweet Surrender – Live Accoustic
www.donniemunro.co.uk
(Hypertension Music/Soulfood Music HYP 15308)
Do-CD, 19 Tracks, 100:55 , mit wenigen engl. Infos


Donnie Munro war die ultimative Stimme der Gruppe Runrig in ihrer prägendsten Phase. Darüber sind sich achtzehn Jahre nach seinem Ausstieg beide Parteien wohl im Klaren, und daher ist es völlig okay, dass Munro bei seinen Konzerten auch weiterhin Runrig-Titel auf seiner Setlist hat. Die Fans haben neben der Band Munro sowieso weiterhin ins Herz geschlossen. Aber was Munro nun präsentiert, ist in seiner Konsequenz für Runrig nur schwer vorstellbar: Alle Songs, von Runrig, Munro oder wem auch immer, werden live auf Gesang, Gitarre und Fiddle (Maggie Adamson von den Shetlandinseln) reduziert. Diese akustische Radikalkur fokussiert die Lieder mehr oder weniger auf Munros sehr dramatische Stimme, wobei der Begleitgesang von Produzent und Gitarrist Eric Cloughley eine willkommene Ergänzung ist. Diese Behandlung bekommt natürlich weniger den typischen Runrig-Songs im Viervierteltakt. Dazu eignen sich in erster Linie langsame oder verlangsamte Nummern wie „The Cutter“, „The Wire“ oder „Eirinn“. Oder eben Munros fünf hier vertretene eigene Kompositionen wie etwa „Irene“. Für Fans ein absolutes Muss!
Mike Kamp

 RE NILIU: In A Cosmic Ear
RE NILIU
In A Cosmic Ear
www.reniliu.it
(Alfa Music AFMCD173/Felmay)
12 Tracks, 58:18 , mit ital./engl. Texten u. Infos


Re Niliu waren in den Achtzigerjahren die treibende Kraft einer neuen kalabrischen Volksmusik. Urig tönende ethnische Instrumente trafen auf elektrische Gitarren und Elektronik. Traditionelle Klänge kontrastierten mit Jazz und Einflüssen anderer Kulturen. Nun, vierzehn Jahre nach ihrer Auflösung im Jahr 2001, legt die zum Septett angewachsene Band unter Gründungsmitglied Ettore Castagna ein neues Album vor. Beim Anhören stellt sich die Frage: Liegt Kalabrien noch in Europa oder hat der Rest Europas seine archaischen Wurzeln verloren? Wer den Lautstärkeregler voll aufdreht, findet vielleicht eine Antwort: Mimmo Mellace trommelt mit Schlaginstrumenten aus aller Welt einen hypnotischen Tanz zu Dudelsack, Akkordeon und einer Vielzahl von Saiteninstrumenten, deren Aufzählung jede Rezension sprengen würde. Dazu der Gesang. Rau, erdig, eindringlich. Genau wie die Musik. Das ist der Soundtrack einer bergigen Landschaft unweit des Meeres, wo Schafe auf der Weide blöken und der Hirt ab und an auf ein halluzinogenes Pflänzchen stößt. In A Cosmic Ear ist ein Aufbruch in neue (musikalische) Welten, aber auch die Rückbesinnung auf ein Kalabrien fernab aller Klischees. ?
Martin Steiner
 SAVINA YANNATOU & PRIMAVERA EN SALONICO: Songs Of Thessaloniki
SAVINA YANNATOU & PRIMAVERA EN SALONICO
Songs Of Thessaloniki
www.savinayannatou.com
(ECM 2398, CD 6025 4709151)
17 Tracks, 67:32


Zwanzig Jahre ist es her, dass Savina Yannatou mit ihrem Album Anixi Sti Saloniki – Sefarditika Laika Tragoudia sich sephardischer Gesänge annahm. Seitdem arbeitet sie mit dem Ensemble Primavera en Salonico. Mit den Songs Of Thessaloniki erweist sie ihrer Heimatstadt alle Ehre. Aufgrund der multikulturellen Tradition sprach man lange Zeit vom „Jerusalem des Balkans“. Einem Paradies gleich mischten sich hier Religionen und Kulturen der unterschiedlichsten Couleur, lebten Griechen, Juden, Türken, Bulgaren, Serben, Armenier, Slawo-Mazedonier und Pontosgriechen miteinander. Yannatou besingt sie in siebzehn mehrsprachigen Liedern, schafft so eine Klangbiografie liebevoll kolorierter Momentaufnahmen. Das macht die Sängerin so einfühlsam und voller Herzblut, dass dem Hörer ein Panorama vor Augen tritt, das mehr offenbart, als zu sehen wäre. Hier darf man getrost seinen Ohren trauen. Man spürt in jedem Ton ihre lange Erfahrung im Umgang mit Alter Musik. Yannatous Stimme ist ein Gedicht, ihr Ensemble der lyrisch kongeniale Partner, zusammen gelingt ihnen, all die verschiedenen Facetten mit Bravour zu vereinen: einfach grandios!
Stefan Sell

International
 FATOUMATA DIAWARA & ROBERTO FONSECA: At Home (Live In Mariac)
FATOUMATA DIAWARA & ROBERTO FONSECA
At Home (Live In Mariac)
www.fatoumatadiawara.fr
www.robertofonseca.com
(Jazz Village JV 9570080/Harmonia Mundi)
6 Tracks, 48:08


„Wo ist zu Hause, Mama?“, sang einst Johnny Cash. Die malische Sängerin Fatoumata Diawara und der bekannte kubanische Pianist Roberto Fonseca nennen ihr Album At Home, aber es wirft die Frage auf, wo dieses zu Hause denn nun ist. In Kuba, in Afrika oder gar in den USA, denn der erste Titel kommt äußerst funkig daher. Funk galt seit den Siebzigern als schwarze Musik, heute ist das anders. Da spielen Schwarze Musik aus weit auseinanderliegenden Regionen miteinander. Fonseca hat auf seinem letzten Album damit schon Erfahrung gesammelt. Im Grunde bietet das Album Afropop mit Jazz kubanischen Einschlags, wobei Fonsecas furiose Soli dazu führen, dass das Ganze nicht zu sehr in Richtung Salif Keita klingt. Die erste Zusammenarbeit des Duos gleich als Konzertmitschnitt zu präsentieren, zeigt wie überzeugt Fonseca von der Kooperation mit Diawara war. Die an der Elfenbeinküste geborene Tochter malischer Eltern kam über die afrikanische Musiktheaterszene nach oben und sollte bei Fonseca eigentlich nur zu einem Albumtrack singen. Der war so begeistert von ihr, dass gleich ein ganzes Album mit Tournee draus wurde.
Hans-Jürgen Lenhart
 WHO’S THE BOSSA?: The Chamber Music Project
WHO’S THE BOSSA?
The Chamber Music Project
www.whosthebossa.com
(Music & Words CUP8061/ mc-galileo)
12 Tracks, 56:26 min


Normalerweise weiß man von der innigen Verbindung von Bossa Nova und Cool Jazz, aber Tom Jobim hat auch immer den Einfluss von Harmonien aus der Klassik im Bossa Nova betont. Und wie ergreifend brasilianische Musik zum Beispiel mit Cellobegleitung klingen kann, weiß man von den Alben, auf denen Jaques Morelenbaum, der brasilianische Vorzeigecellist und -arrangeur, mitmischt. Da verwundert es nicht, wenn das international besetzte Quartett Who’s The Bossa? mit Cello, Piano, Gitarre und Gesang den Bossa Nova auf kammermusikalische Begleitung arrangiert und das wie selbstverständlich klingt. Hier steht die Zeit still, und die Melancholie ist noch intensiver als sie eh schon in brasilianischen Liedern hervorklingt. Das ist gar kurz vorm Taschentuchhervorholen. Sängerin Josee Koning erinnert dabei etwas an Joyce Moreno. Zum Relaxen optimal geeignet.
Hans-Jürgen Lenhart

Kurzrezensionen
 ACOUSTIC REVOLUTION: Finally Folk
ACOUSTIC REVOLUTION
Finally Folk
www.acoustic-revolution.com
(Tonart Promotions)
Promo-CD, 11 Tracks, 45:38


Gitarrenlastigen Folkrock mit großer Stimmgewalt bietet die Acoustic Revolution. Man merkt dem Trio die Herkunft aus den Rockgefilden an. Eine etwas bedächtigere Herangehensweise hätte einigen Songs vermutlich gut getan, elf Powerrocknummern im Folkgewand haben aber auch ihren Reiz. Das fehlende Schlagzeug wird durch die kraftvolle Spielweise jedenfalls mehr als ersetzt.

 ALTAN: The Widening Gyre
ALTAN
The Widening Gyre
www.altan.ie
(Compass Records, Compass CD 7 4640 2)
14 Tracks, 58:59


Altan – mit Neubesetzung Martin Tourish (Piano, Akkordeon) – treffen sich mit Giganten der amerikanischen Newgrass-Szene, unter anderem Darol Anger (Fiddle), Sam Bush (Mandoline), zu einer bunten transatlantischen Session. Dabei erhalten sowohl die rasanten Tunes aus Donegal als auch Old-Time-Klassiker Farbtupfer der jeweils anderen Kultur. Hochwertig produziert und musikalisch sehr vielseitig.


 MIRIAM ARIANA & LENE HØST: Vingefang
MIRIAM ARIANA & LENE HØST
Vingefang
www.miriamariana.com
(GO’ Danish Folk Music GO0215)
8 Tracks, 30:01


Das Debüt der beiden Folkmusikabsolventinnen der Musikakademie im dänischen Odense enthält Klänge ihrer Heimat, wie in „Jag Er Her“, aus Brasilien, wie in „Sanfona Sentida“, oder kombiniert beide, wie in „Perdido A Padre …“. Dazu etwas Overdubbing und A-cappella-Gesang. Sehr abwechslungsreich und höchst musikalisch dargebracht.

 BAD TEMPER JOE: Tough Ain’t Easy
BAD TEMPER JOE
Tough Ain’t Easy
www.badtemperjoe.com
(Timezone TZ387)
Promo-CD, 12 Tracks, 64:51


Zwölf Stücke zwischen Blues und Folk, gespielt auf akustischer Gitarre und mit ausdrucksstarker Stimme gesungen. Bad Temper Joe schreibt dazu sehr tiefgründige Texte, die immer ernst und melancholisch sind, jedoch nie mahnend oder düster. Dass er ein sehr belesener Mensch ist, verrät das Booklet. Dass er ein sehr guter Musiker ist, beweist dieses Album.


 EMILY BARKER: The Toerag Sessions
EMILY BARKER
The Toerag Sessions
www.emilybarker.com
(Everyone Sang ES143CD)
12 Tracks, 44:57


Die Australierin in England begab sich ohne ihr Damentrio The Red Clay Halo ins Studio und spielte ihre Songs sozusagen direkt auf CD und LP. Analoger geht’s nicht. Daher kommen die eigenen Lieder nur mit Gitarre (elektrisch/akustisch) und Mundharmonika begleitet so intim wie selten rüber. Was bleibt ist der dezente Americana-Twang in den Melodien.

 ARNAUD BIBONNE & CAMILLE RAIBAUD: En Cadencia – Musique Traditionelle Des Landes De Gascogne
ARNAUD BIBONNE & CAMILLE RAIBAUD
En Cadencia – Musique Traditionelle Des Landes De Gascogne
www.bibonne-raibaud.com
(AEPEM 15-03)
27 Tracks, 62:14


Arnaud Bibonne spielt die Boha, eine Sackpfeife aus der Gascogne. Camille Raibaud ist Geiger. Gemeinsam spielen sie traditionelle gascognische Tanzmusik. Historisch sind die beiden Instrumente wohl nicht im Duo eingesetzt worden. Trotzdem klingt das Album sehr puristisch.


 MICKE BJORKLOF & BLUE STRIP: Ain’t Bad Yet
MICKE BJORKLOF & BLUE STRIP
Ain’t Bad Yet
www.mickebjorklof.com
(Hokahey Records HHR1501/Rough Trade)
11 Tracks, 41:03


Die fünf Finnen spielen Bluesrock, und das nicht etwa unterkühlt, sondern mit viel Energie und hörbarem Spaß an der Sache. Kein Stück ist wie das andere, Rocksongs im Vorwärtsgang, Balladen, Slow Blues im Wechsel, mit Harp, Steelgitarre und Percussion abwechslungsreich instrumentiert. Ganz zu Recht „die Beste Bluesband Finnlands“.

 MAX & LAURA BRAUN: Highwire Haywire
MAX & LAURA BRAUN
Highwire Haywire
www.maxandlaurabraun.com
(Interbang Records/Broken Silence)
10 Tracks, 40:41


Erstaunlich, was sich alles unter der Überschrift „zerbrechlich“ vereinen kann: geradeaus folkig, verquer, harmonisch, experimentell, dezent dissonant, wallend, gehaucht. Genau solche Musik nämlich spielt das britisch orientierte Geschwisterduo auf Gitarre, Banjo, Piano und ergänzt Gesang und Studiogäste.


 SANDY BRECHIN & EWAN WILKINSON: Hard Times Come And Go
SANDY BRECHIN & EWAN WILKINSON
Hard Times Come And Go
www.brechin-all-records.com
(Brechin All Records CDBAR020)
14 Tracks, 48:03


Enorm flinke Finger auf dem Akkordeon bei den sechs Instrumentals, eine sympathische Stimme bei den fünf Traditionals und drei Eigenkompositionen sowie eine ausgesuchte Schar an Gästen (zum Beispiel an Fiddle oder Pipes) im Studio, so präsentiert sich das Duo Brechin & Wilkinson aus Edinburgh auf ihrem durchgehend erfreulichen zweiten Album.

 ABLAYE CISSOKO & VOLKER GOETZE: Djaliya
ABLAYE CISSOKO & VOLKER GOETZE
Djaliya
www.ablaye-cissoko.com
(Ma Case 011)
9 Tracks, 35:21


Seit sich das Duo 2001 im Senegal kennenlernte, entwickeln sie gemeinsam Klangräume aus Jazztrompetensound und afrikanischer Kora. Percussionist Francois Verly ergänzt die zwei Musiker dezent und gibt dem verträumten Gesang von Cissoko einen rhythmischen Unterbau. Ein gelungener Nachfolger zum letzten gemeinsamen Album Sira.


 GERDA STEVENSON: Night Touches Day
GERDA STEVENSON
Night Touches Day
www.gerdastevenson.co.uk
(Gean Records GEAN01CD)
13 Tracks, 52:35


Teilweise fast chansonhaft schreibt und singt die Schottin ihre intelligenten Lieder, zweimal in Scots, begleitet von arrivierten Musikern wie James Ross (Piano) oder Inge Thomson (Akkordeon). Besonders die beiden religionskritischen Lieder stoßen einigen Rezensenten negativ auf, dieser sieht sie als Beweis für die mutige Behandlung aktueller Themen.

 SEBASTIAN STURM & EXILE AIRLINE: The Kingston Session
SEBASTIAN STURM & EXILE AIRLINE
The Kingston Session
www.sebastian-sturm.com
(Rootdown Records RDM13087-2/Soulfood)
Promo-CD, 9 Tracks, 46:16


Alles beim Alten beim Aachener Rootsreggae-Nachgeborenen: kompetent und weitgehend stilvoll – aber die Magie der jamaikanischen Vorbilder ist, sowohl im Groove als auch was die Ausstrahlung des Sängers betrifft, noch einmal etwas anderes. Es gab sie folglich auch bei der Live-Studiosession im Harry-J-Studio in Kingston, Jamaika, nicht für lau.


 SVER: Fryd
SVER
Fryd
www.sverfolk.com
(Folkhall Records)
11 Tracks, 47:46


Das junge Quintett basiert seine Musik auf norwegische Traditionen. Die eigenen Kompositionen – die meisten stammen vom Hardangerfiedler Olav Mjelva – gehen aber mit ihren Arrangements mehr in Richtung Folkrock, auch wenn die Geigen die bestimmenden Instrumente sind. Es gibt aber immer wieder ruhige Melodien, trotz der relativ hohen Durchschnittsgeschwindigkeit.

 SOFIA TALVIK: Big Sky Country
SOFIA TALVIK
Big Sky Country
www.sofiatalvik.com
(Makaki Music)
11 Tracks, 38:42


Die auf Gotland lebende Sängerin, Gitarristin und Komponistin hat sich als Singer/Songwriterin dem Americana-Stil verschrieben. Alle Songs bis auf einen von Buffy Sainte-Marie sind von ihr und klingen sehr authentisch, was wohl ihren vielen Aufenthalten in den USA zu verdanken ist. Ihr exzellentes Gitarrenspiel wird auf dem Album etwas von den (guten) Begleitmusikern überdeckt.


 TARNEYBACKLE: Singing Land
TARNEYBACKLE
Singing Land
www.tarneybackle.co.uk
(Eigenverlag TBMCD6)
13 Tracks, 53:18


Das sechste Album des Trios aus Perthshire. Eine Dame und zwei Herren singen sich durch eine Mischung aus Trads, Eigenem und Fremdkompositionen wie dem Titelsong von Dougie MacLean. Der instrumentale Teil (Gitarren, Mandoline, Flöte und Percussion) könnte aus den Siebzigern stammen, die Stimmen überzeugen besonders beim engen Harmoniegesang.

 THE TALLEST MAN ON EARTH: Dark Bird Is Home
THE TALLEST MAN ON EARTH
Dark Bird Is Home
www.thetallestmanonearth.com
(Dead Oceans DOC100)
Promo-CD, 10 Tracks, 41:45


Der sympathische Folkanarchist beginnt mit seinem neuen Album auch ein neues Kapitel. Zum ersten Mal spielt der dünne Mann seine Songs mit einer vollwertigen Band ein. Damit wird aus einem Songwriter ein Folkrocker, und aus träumerischem Abhängen auf der Wiese wird begeistertes Mitwippen auf der Tanzfläche. Ohrwürmer sind die Songs allemal.


 THROUGH THE STREETS OF THE CITY: New Orleans Brass Bands
THROUGH THE STREETS OF THE CITY
New Orleans Brass Bands
www.folkways.si.edu
(Smithsonian Folkways/Galileo MC, SFW CD 40212)
15 Tracks, 69:37


Das National Museum of African American History and Culture präsentiert ein weiteres Album mit „Legacy Recordings“. Zu hören sind verschiedene Brassbands von den 1920er-Jahren bis heute mit Klassikern wie „Give Me My Money Back“ und „Shake It And Break It“.

 TIR NAN OG: Jack Of Folk
TIR NAN OG
Jack Of Folk
www.tirnan.org
(Eigenverlag)
11 Tracks, 38:17


Auch die dritte Scheibe der Irish Folkrocker aus Neuenburg an der Donau bietet deftigen Partyfolk, hier und da aber auch mit etwas Melancholie durchdrungen. Die mit männlichem und weiblichem Gesang, Gitarren, Geige, Bass, Whistle und allerhand Schlagwerk dargebrachten Songs sind großenteils selbst geschrieben. Die Texte gibt es leider nicht zum Mitlesen.


 TOMBO: Ragamuffin Brass Orchestra
TOMBO
Ragamuffin Brass Orchestra
www.tombosound.com
(Huette Records/Hoanzl)
10 Tracks, 46:30


Auf seiner EP Raggamuffin Sounds in der Diskostadt zuletzt noch mit Hang zum fetten, aber entspannten Reggaegroove, reiten den Wiener Ragga-Singer/Songwriter auf Ragamuffin Brass Orchestra etwas die Ambitionen: Die jazzigen Brassbandarrangements sind wie seine Deklamation ausgesprochen gelungen – aber auch etwas zickig, wenn nicht gar sperrig.

 TONE FISH: On The Hook
TONE FISH
On The Hook
www.tone-fish.com
(Timezone TZ402)
13 Tracks


Shuffle-Rhythmus mit dem Cajon, Tin Whistle und bezaubernder mehrstimmiger Gesang, das sind die Zutaten des Folkrockquartetts Tone Fish aus Hameln. Welthits und eigene Songs werden durch die irische Folkmühle gedreht. Tone Fish klingen nach einer typisch deutschen Folkband, glatt und schön. Das ist nichts Schlechtes, muss man aber mögen.


 CLICK HERE: Balkandalucia, Vol. 1 DJ Click Presents
CLICK HERE
Balkandalucia, Vol. 1 DJ Click Presents
www.nofridge.com
(No Fridge CDNO17)
17 Tracks, 73:00


DJ Click hat sein Soundequipment von Griechenland über Bulgarien bis nach Andalusien gekarrt und dort berückende Stimmen eingefangen. Es gibt eine ganze Reihe rumänischer Lieder, Flamenco und viele gute Instrumentalisten und Künstler, wie Tziganiada aus Paris oder die Operndiva Leontina Vaduva. Eine Tanzscheibe mit viel Emotion produziert, typisch DJ Click eben.

 ÚZGIN ÜVER: 99
ÚZGIN ÜVER
99
www.uzginuver.hu
(Lollipoppe Shoppe 013/Cargo Records)
20 Tracks, 1:06:37


Das remasterte Album der Ungarn von Úzgin Üver erschien erstmals 1999 und spielte somit bereits lange vor dem Balkanbeat-Hype mit osteuropäischen Klanghybriden und Elektronika. Die Band mischt Instrumente und Spielarten aus der Türkei, Armenien sowie Zentralasien und experimentiert in psychedelischen Endlosschleifen mit Oberton- und Kehlkopfgesang.


 VINCENT’S CHAIR: The New Vibe
VINCENT’S CHAIR
The New Vibe
www.vincentschair.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 41:02


Die Band Vincent’s Chair stammt aus Australien und zählt ihre Musik zum Acoustic Folk. Englische Texte werden mit sparsam eingesetzten Klängen von Akustikgitarre, Bratsche, Schlagzeug oder E-Gitarre so unterlegt, dass stets der Gesang im Vordergrund steht.

 MADISON WARD & THE MAMA BEAR: Skeleton Crew
MADISON WARD & THE MAMA BEAR
Skeleton Crew
www.facebook.com/madisonwardandthemamabear
(Glasnotemusic/Caroline)
Promo-CD, 12 Tracks, 52:59


Farbiges Mutter-Sohn-Gespann mit recht einfachen Folksongs und ausdrucksvoller Stimme, die aber einen Tick zu angestrengt klingt. Das ungewöhnliche Duo zeigt nur manchmal, was es kann, nämlich wenn es zu swingen anfängt.


 WHISKEY & WOMEN: Medicine For The Blues
WHISKEY & WOMEN
Medicine For The Blues
www.whiskeyandwomenmusic.com
(Via Bandcamp)
11 Tracks, 43:10


Träumen sich diese drei Damen musikalisch in die feuchten Sümpfe Louisianas, weil es in ihrer Heimat Kalifornien nicht mehr regnet? Auf jeden Fall nehmen sie bei ihrer Mischung aus Cajun, Zydeco, Blues und Punk keine Gefangenen, spielen Traditionals und eigene Stücke, in die selbst Irish Folk einfließt. Whisky soll es regnen für dieses Trio!

 WILLIAM ELLIOTT WHITMORE: Radium Death
WILLIAM ELLIOTT WHITMORE
Radium Death
www.williamelliottwhitmore.com
(Anti 7382-2a/ Indigo)
10 Tracks, 35:39


Von der Stimme her eher eine Rockröhre, singt Whitmore Coffeehouse-Folk und Country mit spärlicher Begleitung (Akustik- oder E-Gitarre, Banjo, manchmal Bass und Schlagzeug dazu). Unübliche Kombination, aber für Musikkneipen geeignet.


 RAFAEL CORTÉS: Blanco Y Negro
RAFAEL CORTÉS
Blanco Y Negro
www.herzogrecords.com/de/artist/rafael-cortés
(Herzog Records, Edel/Finetunes)
8 Tracks, 36:31


Die Widmung eines Meisters an den Meister. Rafael Cortés, Flamencogitarrist aus Essen mit andalusischen Wurzeln, verneigt sich vor der Anfang 2014 verstorbenen Legende Paco de Lucia. Es habe ihn größte Anstrengung gekostet, dieses Album zu machen, weil ihm der Stern fehle, der ihn geleitet habe. In Cortés Händen ist das Erbe gut aufgehoben.

 KAURNA CRONIN: Glass Fool
KAURNA CRONIN
Glass Fool
www.kaurnacronin.com
(Songs&Whispers S&W40)
10 Tracks, 34:37


Der wunderbar verschrobene Indiefolkpop des Australiers Kaurna Cronin geht in eine neue Runde. Nur mit Mundharmonika und akustischer Gitarre bewaffnet, singt sich der Musiker in die Herzen der Fans. Die hohe Gesangslage ist gewöhnungsbedürftig, macht aber gerade den Charme von Glass Fool aus. Ob Bon Iver oder Kaurna Cronin, Musik dieser Art ist schwer festivaltauglich.


 THE DAD HORSE EXPERIENCE: Best of – Seine schönsten Melodien 2008-2014
THE DAD HORSE EXPERIENCE
Best of – Seine schönsten Melodien 2008-2014
www.dad-horse-experience.com
(Off Label Records, Sacred Flu Records/Fuego)
Promo-CD, 13 Tracks, 46:24


Stolperfolk und Rumpelcountry samt Gesang in schlechtem Englisch: Es wäre nicht Dad Horse Ottn, wenn es anders klänge. Manchen Schwank hat der Norddeutsche in seiner bisherigen Karriere zum scheppernden Banjo erzählt. Dabei bleibt er so eigenständig, dass man ihn auch in Übersee liebt – womöglich mehr als hierzulande. Speziell, aber herzlich.

 LUKE DANIELS: Tribute To William Hannah
LUKE DANIELS
Tribute To William Hannah
www.lukedanielsmusic.com
(Greentrax Recordings CDTRAX379)
12 Tracks, 38:04


Hannah war in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts „Schottlands bedeutendster Akkordeonspieler“ und ist heute dennoch so gut wie vergessen. Luke Daniels (Knopfakkordeon) zusammen mit Ian Carr, Neil Ewart und John Paul Gandy haben seinen Stil genau studiert und erinnern mit den teils bekannten Stücken ausgesprochen kompetent an einen alten Meister.


 DE TEMPS ANTAN: Ce Monde Ici-Bas
DE TEMPS ANTAN
Ce Monde Ici-Bas
www.detempsantan.qc.ca
(L-Abe LABECD-1998)
11 Tracks, 49:42


Live rocken die drei Herren aus der Provinz Quebec mit vornehmlich Gitarre, Bouzouki, Akkordeon, Fiddle und natürlich Fußpercussion derart ab, dass CDs wie diese einen willkommenen Einblick in die feineren Aspekte ihrer Musik geben. Wie virtuos man Maultrommel oder Mundharmonika spielen kann! Großartig und mitreißend.

 DIVERSE: Classic American Ballads
DIVERSE
Classic American Ballads
www.folkways.si.edu
(Smithsonian/Folkways SFW CD 40125)
25 Tracks, 74:16


Vor Youtube und Twitter wurden Nachrichten auch in Songs verbreitet. Doc Watson, Sis Cunningham, Woody Guthrie und Pete Seeger u. v. a. m. präsentieren beispielhaft eine Chronik von Tragödien und grausigen Verbrechen in den USA. Die Themen der zwischen 1836 und 1947 geschriebenen Songs reichen vom Untergang der Titanic bis zum berüchtigten Outlaw Billy The Kid.


 DIVERSE: Cornemuse Picarde – Musique Traditionelle Du Nord, Pas-de-Calais, Picardie, Flandre, Wallonie
DIVERSE
Cornemuse Picarde – Musique Traditionelle Du Nord, Pas-de-Calais, Picardie, Flandre, Wallonie
www.amuseon.fr
(Amuséon/AEPEM)
Do-CD, CD 1: 27 Tracks, 73:07, CD 2: 18 Tracks, 46:37


Dokumentation der Dudelsackwiederbelebung in der Picardie. Acht Musiker sind auf verschiedenen Instrumenten zu hören. Konzertmitschnitte vom Pipasso-Festival und Studioaufnahmen, dazu Gesprächsmitschnitte mit dem legendären Dudelsackbauer Remy Dubois. Ein 148-seitiges Booklet mit vielen Fotos macht das Doppelalbum zum Muss für Dudelsackconnaisseurs.

 DIVERSE: Frankensterne – Das „Who is Who“ der fränkischen Musikszene auf 3 CDs
DIVERSE
Frankensterne – Das „Who is Who“ der fränkischen Musikszene auf 3 CDs
www.intraton.de
(Intraton/Bruno Records Best.-Nr. 09114)
3 CDs, CD 1: 17 Tracks, 79:46, CD2 : 19 Tracks, 79:24, CD 3: 20 Tracks, 79:27


Umfassender geht’s nicht. Radiolegende Alfred Urban (aka Der Frankenflüsterer) hat vier Stunden Musik mit der Creme der fränkischen Musikszene zusammengestellt, von der legendären Frankenbänd über Ihre Kinder, Klaus Brandl bis hin zu Sandy Wolfrum, um wirklich nur einige zu nennen. Die Kompilation macht die Vielfalt der fränkischen (Rock-)Musikszene deutlich.


 DOUBLE TONIC: Drops Of Celtic Life
DOUBLE TONIC
Drops Of Celtic Life
www.doubletonic.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 57:15


Traditionelle irische und schottische Lieder als entspannter Jazzgesang begleitet von Piano, Saxofon, Bass und Schlagzeug. Yvonne Arnitz aus Waldbronn im Schwarzwald und ihre Band verschmelzen die beiden Musikkulturen gekonnt zu einer Einheit, etwas ungewohnt, aber wunderschön. Ein Stück stammt vom Saxofonisten und Flötisten Klaus Bucher. Texte angeblich auf der Homepage.

 DR. WILL FEAT. SAN2: Cuffs Off
DR. WILL FEAT. SAN2
Cuffs Off
www.drwill.de
(Downhill Records/Galileo DH083)
15 Tracks, 47:18


Der umtriebige und facettenreiche Sänger, Gitarrist, Percussionist und Produzent Will Hampel alias Dr. Will aus München spielt seinen Blues diesmal mit vielen Gästen. Darunter Sahmo Bibergeil (Gitarre), San2 (Harmonika), Jürgen Reiter (Bass), Uli Kümpfel (Mandoline), Titus Waldenfels (Violine) und Ludwig Seuss (Akkordeon).


 ELINA DUNI QUARTET: Dallëndyshe
ELINA DUNI QUARTET
Dallëndyshe
www.elinaduni.com
(ECM 2401, CD 4709282)
12 Tracks, 55:07


Ein wundervoll berührendes, ja lichterfülltes Album aus Jazz und Folk. Tranceartig erzählen die Lieder voll Melancholie und Zuversicht von Liebe und Exil. Betörend schön besingt die albanisch-schweizerische Sängerin Zerrissenheit und Verbundenheit des Balkans. Dem gut aufeinander eingespielten Quartett ist ein Album aus einem Guss gelungen.

 DUO DOYNA: Sammy’s Freilach
DUO DOYNA
Sammy’s Freilach
www.doyna.de
(Konnex-Records KCD 531)
9 Tracks, 49:22


Annette Maye (cl) und Martin Schulte (g) bilden das Duo Doyna, welches fröhlich und virtuos neben Eigenkompositionen und Tangos wunderschöne Balladen mit hauptsächlich jiddischem Einschlag in ihrem Programm hat. Dabei wird die jazzig-freie, expressive Improvisation in den Mittelpunkt gestellt.


 DUO SERAPHIM: A Renaissance Journey
DUO SERAPHIM
A Renaissance Journey
www.green-sonic.net
(Friends Of Green Sonic CD 1428)
24 Tracks, 54:09


Britta Hauenschild an der Renaissance-Traversflöte und Andreas Düker mit Renaissancelaute und Vihuela sind mit jeweils drei bis fünf Stücken aus fünf Ländern zu hören. Man muss diesen spartanischen Sound schon mögen, da die aufgenommenen Instrumentalstücke des 16./17. Jh. immer gleich instrumentiert sind. Sehr aufwendige Medieninfos und geschmackvolles Artwork sind hervorzuheben.

 LUDOVICO EINAUDI: Taranta Project
LUDOVICO EINAUDI
Taranta Project
www.ludovicoeinaudi.com
(Ponderosa Music & Art CD 130)
Promo-CD, 12 Tracks, 64:24


Der Turiner Ambient-Klassik-Komponist und Pianist Ludovico Einaudi lädt zum Pizzica-Dinner in Apulien. Mit von der Partie sind etwa der türkische Ethnoklangtüftler Mercan Dede, der malische Griot Ballaké Sissoko und der apulische Sänger Antonio Castrignanò. Das rockige „Nazzu Nazzu“ mündet nach einer Zwischenstation in der Mongolei im Nigerdelta.


 EL ZITHERACCHI: Modernes Raubzithertum
EL ZITHERACCHI
Modernes Raubzithertum
www.zitheracchi.com
(JD Records and Pictures)
13 Tracks,46:07


Der humorige Titel leitet irr: Die meisten seiner Stücke hat das Trio selbst komponiert. Modern sind die überwiegend instrumentalen Stücke schon, vor allem im Sinne des Unterschieds zum traditionellen Einsatz der Zither in der Volksmusik, oft beinahe meditativ ruhig, weniger dissonant als gewohnt. Bayerische Titel wie „Da Nosnbahra“ unterstützen die Denkrichtung. Angenehm!

 RAPHAËL FAŸS: Circulo De La Noche
RAPHAËL FAŸS
Circulo De La Noche
www.raphaelfays.com
(Label Ouest 1500987713475454/Broken Silence)
3 CDs, CD 1: 8 Tracks, 38:16, CD 2: 8 Tracks, 43:53, CD 3: 8 Tracks, 41:35


Flamenco pur führt die Hörer stilvoll auf eine Reise durch die Nacht. Faÿs, der sich schon früh der Synthese zwischen Gypsy-Style und Flamenco widmete, lässt hier das Duende zwischen Jazz und Tradition verschmelzen. Wie bei dieser Melange zu erwarten, spielt der in Paris geborene Gitarrist passioniert und voller Hingabe.


 WILLIAM FITZSIMMONS: Pittsburgh
WILLIAM FITZSIMMONS
Pittsburgh
www.williamfitzsimmons.com
(Grönland/Rough Trade)
Promo-CD, 7 Tracks, 39:00


Kaum zu glauben, dass ein bärtiger Barde so gefühlvolle und emotionale Songs schreiben kann. Doch genau darin liegt das Talent des Singer/Songwriters William Fitzsimmons. Sein neues Minialbum Pittsburgh bringt uns Erlebnisse und Erfahrungen des Künstlers nahe, die er mit sanften Gitarrenklängen untermalt und so für nachdenkliche Stimmung sorgt.

 JOHNETHEN FUCHS: Algeroy
JOHNETHEN FUCHS
Algeroy
www.soundcloud.com/johnethenfuchs
(Calyra)
12 Tracks, 51:16


Die ersten Songs auf dem Debüt von Johnethen Fuchs könnten auch von einem Americana-Superstar der Siebziger stammen. In klassischer Bandbesetzung bietet der Künstler Singer/Songwriter-Rock, der zum Mitsingen und Nachspielen einlädt. In der Mitte verliert das Album an Fahrt, die Songs orientieren sich hier eher am Indie-Folkrock neuerer Zeit.


 GANEF: Strassenköter
GANEF
Strassenköter
www.ganef.de
(Sturm & Klang/Alive)
13 Tacks, 46:13


Jude, Russe, Deutscher, selbstbewusst, frech. Sergej Master, in Odessa geboren, singt seine Lieder im Stile der russischen Gaunerchansons. Sein Künstlername „Ganef“ (jiddisch für „Dieb“) unterstreicht diesen Anspruch ebenso wie die Wölfe und Straßenköter in seinen Liedern. Doch seine Wildnis ist die Großstadt, insbesondere die Straßen in Berlin.

 GLITTERTIND: Blåne For Blåne
GLITTERTIND
Blåne For Blåne
www.glittertind.net
(Indie Recordings INDIE138CDL)
10 Tracks, 41:53


Glittertind benannten sich nach einem Berg im Herzen Norwegens und nehmen sich gerne historische Themen vor. Die sechs Musiker legen jetzt ein ambitioniertes Konzeptalbum vor: Lieder über das Ende des zweiten Weltkrieges und den Neustart der Kriegsgeneration. Das schwere Thema gehen sie leichtfüßig an. Dabei hat sich die Metalfolkformation neu erfunden als mitreißende akustische Folkband.


 GREAT LAKE SWIMMERS: A Forest Of Arms
GREAT LAKE SWIMMERS
A Forest Of Arms
www.thegreatlakeswimmers.com
(Nettwerk Productions/Soulfood Music 31050-2)
Promo-CD, 12 Tracks, 40:25


Das kanadische Quintett kommt aus der semiakustischen Ecke der Mumfords, nur dass die Swimmer keine Epigonen sein können, weil sie diesen folkrockigen Stil schon vor den Engländern kreiert haben. Schlagzeug, Bass, Gitarre, Banjo und Geige treiben die Lieder mächtig voran, deren Inhalte sich zwischen persönlichen und umweltpolitischen Themen bewegen.

 JJ GREY & MOFRO: Ol’ Glory
JJ GREY & MOFRO
Ol’ Glory
www.jjgrey.com
(Provogue PRD Promo 450/Rough Trade)
12 Tracks, 58:36


Hier trifft weißer Southern-Rock-Gesang auf schwarze Soulmusik, doch die alten Soulveteranen versprühten da wesentlich mehr Adrenalin. Dynamische Steigerungen eines endlos wiederholten Songriffs machen nun mal noch kein gutes Stück. Nur die Balladen können einigermaßen überzeugen. Grey kommt live eindeutig besser rüber.


 SCHORSCH HAMPEL: Sog gscheid
SCHORSCH HAMPEL
Sog gscheid
www.schorsch-hampel.de
(Focus 370.0174.2/Rough Trade)
16 Tracks, 57:23


Gewohnt bissig und politisch präsentiert Hampel neue, ausschließlich selbst geschriebene Songs zwischen Blues und Songwriteridiom, kompetent unterstützt von einer erstklassigen Riege an Gastmusikern, die im Studio mit Bass, Schlagzeug, Akkordeon, Klarinette und Banjo für eine authentische Blues- und Rootsathmospäre sorgten – nur eben in bayerischer Mundart.

 BARNA HOWARD: Quite A Feelin’
BARNA HOWARD
Quite A Feelin’
www.barnahoward.com
(Loose Music/Rough Trade)
Promo-CD, 10 Tracks, 37:38


Auf seinem zweiten Album klingt Barna Howard schon wie ein Alter, mit seiner warmen, einprägsamen Stimme und den melancholisch-nachdenklichen Liedern, in denen er seine Jugend in Eureka, Missouri, reflektiert. Dazu erklingen Gitarren und Banjos in bewährter Songschreibertradition. Man fühlt sich auf angenehme Weise zu Hause – und lauscht andächtig.


 HUBERT VON GOISERN: Federn
HUBERT VON GOISERN
Federn
www.hubertvongoisern.com
(Capriola/Sony 88875074402)
15 Tracks, 67:02


Das neue Goisern-Album enthält die Musik seiner Tour 2014 (siehe Ortstermin in Folker 1/2015). Viele Anregungen seines Louisiana-Aufenthalts wurden in treibende Americana, kräftigen Delta Blues, Cajun- und Bluegrassmusik mit österreichischen Texten verwandelt. Soundprägend neben vielen Akkordeons und Jodlern ist Gast Steve Fishell an Pedal Steel, Dobro und Lap Steel.

 THE HUT PEOPLE: Cabinet Of Curiosities
THE HUT PEOPLE
Cabinet Of Curiosities
www.thehutpeople.co.uk
(Fellside Recordings FECD264)
14 Tracks, 59:56


Eigentlich ist es ganz einfach, was das englische Duo auf seinem dritten Album macht: Instrumentals unter anderem aus England, Schottland, Schweden, Spanien oder dem Baskenland mit Akkordeon und Percussion. Aber wie die Stücke arrangiert und die unzähligen Rhythmusgeräte (bis zu zwölf pro Track) eingesetzt werden, das muss man hören. Erstaunlich!


 JANSBERG: Terra Nova
JANSBERG
Terra Nova
www.jansberg.com
(GO’ Danish Folk Music GO0415)
13 Tracks, 44:47


Jansberg geht seinen 2004 mit Signatur begonnenen Weg der Erneuerung der Traditionen weiter und produziert hier einen zeitgenössischen Sound mit Hilfe einiger Elektronik. Er ist mit seiner Fiddle und den eigenen Kompositionen weiterhin die treibende Kraft des Quintetts. Es ist – auch wegen der vielen schönen Melodien – unverkennbar, dass es sich um dänische Folkmusik handelt.

 EILEN JEWELL: Sunday Over Ghost Town
EILEN JEWELL
Sunday Over Ghost Town
www.eilenjewell.com
(Signature Sounds SIG 2076/Cargo)
12 Tacks, 37:17


Die kleine Stadt Boise, Idaho, versteckt sich als durchgängiges Thema auf diesem Album, zog doch Eilen Jewell zum Songschreiben zurück in ihre alte Heimatstadt und nahm die Fäden auf, die sie dort in ihrer Jugend gesponnen hatte. Bluegrassgefärbt sind ihre Songs, mit charmanten Verweisen in Richtung Rockabilly und Hinterwäldlermusik.


 JOHEWO: Zeitfenster
JOHEWO
Zeitfenster
www.johewo.de
(Eigenverlag)
16 Tracks, 72:03


Das Debüt der beiden jungen Singer/Songwriter Jonathan Heintges und Oliver Wonschik aus Mülheim/Ruhr birgt ansprechendes Gitarrenspiel, eingängige Melodien und angenehmen Gesang. An den Texten ließe sich noch arbeiten. Es lassen sich übrigens auch Lieder ohne das Personalpronomen „ich“ schreiben.

 THE JUKE JOINT PIMPS: Boogie Pimps
THE JUKE JOINT PIMPS
Boogie Pimps
www.voodoorhythm.com
www.juke-joints-pimps.com
(Voodoo Rhythm Records)
7 Tracks, 41:23


Sofort bollert er los – der dreckigste Blues des Mississippideltas, geschaffen aus Mundharmonika, Gitarre, Schlagzeug und Gesang. Klingt echt, roh, wild und alt. Er stammt jedoch von zwei Herren vom Rhein und ist ganz neu. Erfolgreich um den authentischen Klang bemüht, eignet sich das nostalgische Werk perfekt zum Trinken, Tanzen und Schwitzen.


 JULIKA: Itufi – To The Tropics And Back
JULIKA
Itufi – To The Tropics And Back
www.julakim.de
(Eigenverlag)
Promo-CD, 7 Tracks, 43:08


Nach einer Südamerikatournee vertonte die Darmstädter Liedermacherin ihre Eindrücke gleich in mehreren Sprachen – auf sehr poetisch-persönliche Weise. Dabei fordert sie den Zuhörer mit expressivem Gesang, überzogenem Einsatz von Effektgeräten und lässt mal zehn Minuten Vögel statt ihrer selbst singen. Unausgereifte Verbindung von Folk und Avantgarde.

 PEKKO KÄPPI: Sanguis Meus, Mama!
PEKKO KÄPPI
Sanguis Meus, Mama!
www.pekkokappi.com
(GAEA Records GAEACD66)
10 Tracks, 38:45


Pekko Käppi ist vielleicht der einzige Folkmusiker, der es jemals auf das Stoner-Rock-Festival Roadburn geschafft hat. Auf die WOMEX passt die Musik des Finnen ebenfalls. Mittlerweile auf dem vierten Album bietet Pekko Käppi einen psychedelischen Mix aus finnischem Folk und Independentsounds, der eine Entdeckungsreise für Menschen mit skurrilem Humor verspricht.


 MICHAEL PATRICK KELLY: Human
MICHAEL PATRICK KELLY
Human
www.facebook.com/michael.patrick.kelly.official
(Sony/Columbia)
Promo-CD, 11 Tracks, 39:00


Ein überperfekt produziertes Album, das trotz aalglatter und überflüssiger Orchesterarrangements und schwülstigem Backgroundgesang die cleveren, tanzenden Popsongs mit gelegentlichen Folkanleihen nicht erdrückt. Singen kann Kelly sowieso. Man wünscht ihm eine unvoreingenommene Hörerschaft, die von Kelly-Family-Vergleichen absieht. Es lohnt sich.

 KING AUTOMATIC: Lorraine Exotica
KING AUTOMATIC
Lorraine Exotica
www.kingautomatic.com
(Voodoo rhythm)
14 Tracks, 40:28


King Automatic ist ein lothringischer Garagenrocker, der auf seinem vierten Album einige (für seine Verhältnisse) „exotische“ Einflüsse verarbeitete: Salsa, Ska und ukrainische Folklore.


 KLEINE FREIHEIT: Lebend
KLEINE FREIHEIT
Lebend
www.kleinefreiheit-musik.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 79:47


Mitschnitt eines Konzertes des Liedermacherduos Roland Prakken und Kanneman mit norddeutschem Songschreiberfolk, gespielt auf Gitarre, Mandoline, Slide Guitar und Harp. Lakonisch-ironische, hörenswerte Texte über Klabautermänner, Perlentaucher, Penner und anderes Gelichter mit humorvoll-reflektiven Ansagen.

 BERND KÖHLER UND EWO2: In dieser Straße – Das Waterboarding-Syndrom
BERND KÖHLER UND EWO2
In dieser Straße – Das Waterboarding-Syndrom
www.ewo2.de
(Jump Up, jup 35)
14 Tracks, 67:05


Bernd Köhler ist ein hoch engagierter Musiker, der seit vielen Jahren gegen Gewalt, Hass und Krieg ansingt. Dabei steht ihm das ausgezeichnete kleine elektronische Weltorchester (EWO2), bestehend aus Hans Reffert, Jan Lindquist, Adax Dörsam und Laurent Leroi, zur Seite. Allerdings sollten Sprachschnitzer wie „… lernten dem Volke sich wehren“ vermieden werden.


 KRAJA: Hur Långt Som Helst
KRAJA
Hur Långt Som Helst
www.kraja.nu
(Westpark Musik)
12 Tracks, 42:34


Auch auf dem vierten Album des Quartetts gibt es sanfte instrumentale Begleitungen zu dem überirdisch schönen A-cappella-Gesang. Ein Weg in die Zukunft des Quartetts? Alle Melodien und Arrangements sind dieses Mal von den Musikerinnen selbst. Die von ihnen bearbeiteten Texte (mit deutscher und englischer Übersetzung) sind meist skandinavischen Ursprungs, je zwei sind aber auch indianisch und afrikanisch.

 LA MINOR: Ona Büla Pervoi
LA MINOR
Ona Büla Pervoi
www.tomato-production.com/kuenstler/la-minor
(Krekhts 003)
12 Tracks, 48:13


„Sie war die Erste“ ist bereits das sechste Album des 2001 in Sankt Petersburg gegründeten Sextetts, welches sich mit Psychobillyelementen auf „urbanen Folk“ spezialisierte. Slava Shalygins (voc) Repertoire, durchwegs auf Russisch singend, bewegt sich, unterstützt von seinen fünf Kollegen, zwischen tanzbaren Kaffeehausliedern und Punk.


 SINIKKA LANGELAND: The Half-Finished Heaven
SINIKKA LANGELAND
The Half-Finished Heaven
www.sinikka.no
(ECM Records, ECM2377)
12 Tracks, 49:22


Mystisch, sphärisch und von erhabener Schönheit: Die norwegische Kantelespielerin und Sängerin vereint Traditionen von Norwegen und Finnland. Den glockenhaften Klang ihres Zupfinstruments bereichert sie mit meditativen Improvisationen eines Jazzsaxofonisten, der Melancholie eines klassischen Bratschisten und schamanenhafter Percussion. Ein Kunstwerk jenseits von Genres und Zeiten.

 LÍADAN: In Am Tátha – Well Timed
LÍADAN
In Am Tátha – Well Timed
www.liadan.ie
(Eigenverlag LN0003/Magnetic Music)
Promo-CD, 11 Tracks; 42:16


Sechs irische Musikerinnen, die beschlossen haben, ihre sehr traditionell gehaltenen Arrangements mit Fiddles, Akkordeon und Flute weitgehend ohne moderne Begleitinstrumente oder Percussion zu präsentieren – sehr mutig. Daneben lassen fantasievoll arrangierte Songs die jungen Stimmen verschiedener Bandmitglieder hören. Schöne, farbenfrohe, intensive Klangerfahrung!


 LIANA: Embalo
LIANA
Embalo
www.lianafado.com
(Eigenverlag)
14 Tracks, 43:20


Liana wurde im deutschen Sprachraum vor allem als Sängerin des Stockholm Lisboa Projects bekannt. Auf Embalo singt sie neben einem Lied von José Afonso und dem selbst geschriebenen Titelstück traditionellen Fado. Liana hat ein Flair für Pathos – und im letzten Stück darf das große Orchester die Sängerin begleiten. Eine Zeitreise in die Vergangenheit.

 SHELBY LYNNE: I Can’t Imagine
SHELBY LYNNE
I Can’t Imagine
www.shelbylynne.com
(Rounder/Universal/Concord)
10 Tracks, 40:53


„Alle da? Das Lied geht so. Knopf drücken und los.“ So beschreibt Shelby Lynne ihre Aufnahmetechnik. Kaum zu glauben, klingt doch das Album nach ausgefuchster Produktion. Bekannt durch ihr 1999er-Album I Am Shelby Lynne mit folgender kleiner Durststrecke, schöpft I Can’t Imagine seine Inspiration aus Southern Soul, RnB, Country und Americana.


 ROB LYTLE: A Hypocrite Of  Heart And Hope
ROB LYTLE
A Hypocrite Of Heart And Hope
www.roblytle.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 33:22


In den 1980ern war Lytle Mitglied des Duos Theater Side und in den Neunzigern Teil der Bostoner Folkszene, um dann eine vierzehnjährige Pause einzulegen um sich lieber um die Familie zu kümmern. Seit 2009 ist er wieder Aktiv, und das vorliegende Album bietet schnörkellose, countrylastige Singer/Songwriter-Stücke mit feiner Westcoast-Leichtigkeit.

 THE MAGICAL MOONBAND: Back In Time
THE MAGICAL MOONBAND
Back In Time
www.themoonband.de
(Millaphon Records, Broken Silence)
Promo-CD, 12 Tracks, 46:58


Die junge Münchner Formation The Moonband erfüllte sich mit ihrer CD Back In Time den Wunsch, ausschließlich Songs einzuspielen, die sie beeinflusst und inspiriert haben. Darunter finden sich Kompositionen von Bob Dylan, Colin Wilkie und Tim O’Brian. Schwungvoller Folkrock mit Gesang, Gitarre, Bouzouki, Banjo und Mandoline. Macht Spaß.


 EMILY MAGUIRE: Bird Inside A Cage
EMILY MAGUIRE
Bird Inside A Cage
www.emilymaguire.com
(Shaktu Records/Rough Trade SHK2104)
Promo-CD, 10 Tracks, 35:30


Dass die Künstlerin aus England seit ihrer Jugend mit Depressionen zu kämpfen hat, kann man den Presseverlautbarungen entnehmen und vielleicht noch den Texten, wenn man den selbst geschriebenen Songs sorgfältig lauscht. Die Musik jedoch ist kraftvoller, energischer Singer/Songwriter-Rock mit vielen leichten und überschäumenden Popelementen.

 LAURA MARLING: Short Movie
LAURA MARLING
Short Movie
www.lauramarling.com
(Caroline/Virgin)
Promo-CD, 13 Tracks, 50:05


Dem fünften Album der immer noch sehr jungen Dame (25) ging ein Jahr Auszeit in LA voraus, wo sie sich – ausgepowert vom endlosen Touren – auf sich selbst besann, verrückte Dinge tat und neue Kraft und neue Ideen tankte. Das Resultat ist eine dynamische, eigen- und selbstständige Musik, die weder Vergleiche kennt noch welche scheuen braucht.


 SIOBHAN MILLER: Flight Of Time
SIOBHAN MILLER
Flight Of Time
www.siobhanmiller.com
(Vertical Records)
10 Tracks, 42:32


Hoppla, welche Überraschung! Miller, die bislang vornehmlich mit einfühlsamen Interpretationen schottischer Balladen glänzte, überzeugt auf ihrem ersten Soloalbum mit teils eigenen Pop-Rock-Stücken, und das Prague Philharmonic Orchestra sorgt für den Schmelz. Love-and-Money-Frontmann James Grant produzierte und spielte Gitarre. Wenig Folk, sehr gute Musik.

 MOIRAI: Sideways
MOIRAI
Sideways
www.moiraitrio.co.uk
(Wildgoose Records WGS410CD)
13 Tracks, 58:58


Leicht abseits ausgetretener Folkpfade bewegt sich das englische Damentrio mit der renommierten Jo Freya (Saxofon, Klarinette), Melanie Biggs (Melodeon, Flöte) und Sarah Matthews (Violine, Viola, Gitarre). Das klingt bei den Instrumentals und bei den Songs dank drei guter Stimmen und besonderem Humor (siehe auch Titelsong) sehr erfreulich.


 MOLOTOW BRASS ORCHESTRA: Schaubeschad!
MOLOTOW BRASS ORCHESTRA
Schaubeschad!
www.brassorkestar.ch
(Godbrain Distribution iMusician A19646)
12 Tracks, 46:00


Hier kommen zur Wucht von serbischem Kolo oder rumänischer Geamparale eine gut dosierte Portion Jazz, urbane Grooves, höchste Präzision im Spiel und, Achtung, Einflüsse aus der Schweiz. Immer mehr Stücke stammen aus eigener Feder. Die Reise geht beim Molotow Brass Orchestra vom bernischen Guggisbärg auf den Balkan, mitten in eine Hochzeit.

 MONOSWEZI: Monoswezi Yanga
MONOSWEZI
Monoswezi Yanga
www.monoswezi.com.com
(Riverboat TUGCD1090)
10 Tracks, 46:11


Ihr zweites Album entstand auf den schwedischen Kosterinseln, fernab der großen Städte. In völliger Abgeschiedenheit nahm das Quintett ihre Sessions auf – meist in einem Take. Skandinavischer Jazz verbindet sich mit afrikanischen Folksongs, begleitet vom multilingualen Gesang von Hope Masike. Ein abwechslungsreiches und zugleich organisches Album.


 ANDREW MAXWELL MORRIS: Well Tread Roads
ANDREW MAXWELL MORRIS
Well Tread Roads
www.andrewmaxwellmorris.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 33:58


Melodisch und harmonisch, doch leicht selbstmitleidig und pathetisch sind die Songs von Andrew Maxwell Morris. Ein ausgebranntes Auto ziert das Cover seines Albums, doch singt er von Liebe und Zuneigung, die irgendwo da draußen, in der Wüste, auf ihn warten.

 MR ŽARKO: Electric Gypsy Disco Noise & Electric Gypsy Disco Noise The Remixes
MR ŽARKO
Electric Gypsy Disco Noise & Electric Gypsy Disco Noise The Remixes
www.mrzarko.com
(Pyromusic PYR22 & PYR29)
13 Tracks, 57:00 & 11 Tracks, 52:00


Selbstironisch bis zum Abwinken. Mr Žarko und seine serbisch-rumänisch-deutsche Powerband bringen jeden Tanzmuffel aufs Parkett. Wer Spaß hat an kalkulierter Balkanmugge, wird diese Band lieben, solides Handwerk war das Debüt von 2013. Das wurde jetzt um ein Remixalbum ergänzt. Reggaeton trifft Oriental Surf Rock, Electro Swing und Dubstep.


 WOLFGANG MÜLLER: Auf die Welt
WOLFGANG MÜLLER
Auf die Welt
www.mueller-musik.de
(Fressmann/Indigo)
9 Tracks, 31:48


Geheimnisvoll schöne und poetische, ruhige Lieder über die Welt, die Melancholie und Einsamkeit ausstrahlen. Klavier und Gitarre, schwarzes Cover, eine verhaltene, gedämpfte, leicht angekratzte Stimme, doch „Traurigkeit ist keine Option“ lautet die letzte Zeile des insgesamt recht kurzen, neuen Albums des Hamburger Songwriters.

 YVONNE MWALE: Nikale
YVONNE MWALE
Nikale
www.yvonnemwale.com
(Art of June AOJ11)
14 Tracks, 59:38


Gleich zu Beginn wird klar, dass es sich hier um ein ungewöhnliches Album handelt. Das Sounddesign wurde nämlich hörbar aus Vintage-Instrumenten erschaffen. Dazu singt die Sambierin mit einem souligen Timbre, dass an Erykah Badu oder Lauryn Hill erinnert. Eine Empfehlung für Liebhaber von afrikanischem Souljazz.


 KARL NEUKAUF: Papperlapapp
KARL NEUKAUF
Papperlapapp
www.karlneukauf.de
(Timezone, TZ 386)
11 Tracks, 55:46


Es soll Musikkritiker geben, die in ihrer Freizeit kaum noch Musik hören, weil sie täglich mit Massen an Mittelmäßigkeit bzw. Unterdurchschnittlichem überhäuft werden. Wie schön ist es da, ab und zu etwas ganz Besonderes zu entdecken. Karl Neukauf ist so einer. Der junge Berliner Rockchansonnier und Multiinstrumentalist produziert eine Songperle nach der anderen.

 NEW KINGSTON: Kingston City
NEW KINGSTON
Kingston City
www.newkingstonmusic.com
(Easy Star Records ES-1045/Broken Silence)
12 Tracks, 48:22


Für eine gewisse Qualität bürgt bereits das New Yorker Label Easy Star Records, bei dem die drei Brüder aus Brooklyn mit jamaikanischem Hintergrund nach zwei selbst verlegten Alben die vorliegende Nummer drei veröffentlichten. Vom Rootsmodell gesättigter Reggae der Jetztzeit, mit Gastauftritten namhafter Kollegen, darunter Sister Carol und Sugar Minott.


 NEWPOLI:  Nun Te Vutà
NEWPOLI
Nun Te Vutà
www.newpolimusic.com
(Beartones)
12 Tracks, 51:38


„Schau nicht zurück“, so die Übersetzung des Titelstücks, handelt von Menschen, die ihre Heimat für eine bessere Zukunft verlassen mussten. Schwerpunkt des hervorragenden Albums des Septetts aus Boston sind fünf Eigenkompositionen und Traditionals aus der Basilicata. Herausragend sind die Duette der Sängerinnen Angela Rossi und Carmen Marsico. ??

 NOWHERE TRAIN: Tape
NOWHERE TRAIN
Tape
www.nowheretrain.com
(Recordbag Recordings/Hoanzl)
Promo-CD, 10 Tracks, 42:34


Die Österreicher nehmen’s locker, verbreiten dadurch gute Laune und wirken zudem noch authentisch in dem, was sie spielen: viel Americana, gewürzt mit Elementen anderer Stile. Mal klingen sie wie eine Jugband, dann erinnern sie an Camper van Beethoven. Im Dezember fährt der Bandzug nicht nach Nirgendwo, sondern nach Deutschland: hingehen!


 ODESSA-PROJEKT: Liza
ODESSA-PROJEKT
Liza
www.odessa-projekt.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 61:25


Auch auf dem dritten Album des Odessa-Projekts wurde eine bunte Mischung aus Balkanmusik zusammengestellt, begonnen bei der Romamusik aus Ungarn über Serbien oder Bulgarien bis hin zu Klezmerbulgars oder sogar jiddischem Theater. Das alles klingt meist wild und ausgelassen, mitunter aber auch melancholisch.

 OONAGH: Aeria
OONAGH
Aeria
www.oonagh.tv
(Electrola CD 06025 4715571/Universal)
13 Tracks, 49:10


Die Künstlerin Oonagh entführt mit ihrem Album Aeria ihre Hörer in eine Welt voller Mystik und Magie. Nicht nur Texte auf Deutsch, Elbisch oder Quechua sorgen für eine keltische Feenatmosphäre, sondern auch chorische Unterstützung, Gitarrenklänge und die unverwechselbare Stimme der Sängerin, die einen Hauch von Musical beinhaltet.


 OPEZ: Dead Dance
OPEZ
Dead Dance
www.agogo-records.com
(agogo AR 059CD)
11 Tracks, 41:05


„Latin Desert & Funeral Party“ nennt das Duo des Multiinstrumentalisten Massi Amadori (Gitarren, Ukulele, Percssion, Harmonium, Effekte) und Francesco Tappis (Bass) seine Musik. Tatsächlich: Dead Dance ist ein Soundtrack der Wüste im Niemandsland zwischen Mexiko und den USA und nicht der Gegend von Perugia, aus der die Musiker stammen.

 THE JAY OTTAWAY BAND: Live In Europe
THE JAY OTTAWAY BAND
Live In Europe
www.jayottawayband.de
(Cactus Rock Records CCR72)
13 Tracks, 63:17


Die Freude daran, miteinander zu musizieren, ist bei diesem Livealbum vom ersten bis zum letzten Ton hörbar. Soul, Blues und Americana sind hier die Zutaten, das gekonnte Wechselspiel von Saxofon, Piano, akustischer und E-Gitarre auf breitem rhythmischem Fundament trägt Jay Ottaways Gesang – eine fantastische Band präsentiert ein fantastisches Liveerlebnis.


 ANTTI PAALANEN: Meluta
ANTTI PAALANEN
Meluta
www.antipaalanen.com
(Westpark Musik)
10 Tracks, 41:23


Wem die elektronische Percussion und das Stimmengegrummel nicht auf den Geist gehen, der kann in Paalanens intensiver rhythmischer Spielweise des Akkordeons Kreatives und Schönes entdecken. Es sind keine Melodien im herkömmlichen Sinne, sondern melodische Tonfolgen, die mit finnischem Tango und Techno zu einem neuartigen Klangerlebnis verschmelzen.

 THE PAPERBOYS: At Peace With One’s Ghosts
THE PAPERBOYS
At Peace With One’s Ghosts
www.paperboys.com
(Stompy Songs/Socan/Magnetic Music)
11 Tracks, 48:05


Auch schon fast 25 Jahre haben die Papierboys auf dem Buckel. Spielte die Band um Sänger und Gitarrist Tom Landa zunächst Celtic Pop, haben im Laufe der Zeit, Latin, Tex-Mex, Soul und Country deutliche Spuren hinterlassen. Die Mischung funktioniert bestens, auch wenn die Produktion auf Mainstream poliert ist und dem Gesang etwas Persönlichkeit abgeht.


 DAVE PEABODY: Right Now Blues
DAVE PEABODY
Right Now Blues
www.blindlemonrecords.de
(Blind Lemon Records BLR-CD1502/Broken Silence)
14 Tracks, 42:34


Auf eine beeindruckende, fünfzigjährige Musikerlaufbahn blickt Dave Peabody zurück. Immer ist er dem ländlichen Blues im Stil der 1920er- bis 1940er-Jahre treu geblieben, der als Tanzmusik in unzähligen „Juke Joints“ jeweils das Wochenende einläutete. Neben dieser Zeitreise erlebt man hier Fingerpicking und Slidegitarre in authentischer und perfekter Form.

 ERIC PFEIL: Die Liebe, der Tod, die Stadt, der Fluss
ERIC PFEIL
Die Liebe, der Tod, die Stadt, der Fluss
www.ericpfeil.com
(Trikont, US-0469)
Promo-CD, 15 Tracks, 52:33


Eric Pfeil, von Haus aus Musikkritiker und FAZ-Autor, stellt einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis, dass ein scharfzüngiger Rezensent durchaus in der Lage sein kann, den von ihm verrissenen Musikanten zu zeigen, wie man es besser machen kann. Viel besser. Pfeil ist ein Singer/Songwriter der neuen Generation, dessen Namen man sich merken sollte.


 CURRO PIÑANA: El Alma Lastimada Y Otros Poemas
CURRO PIÑANA
El Alma Lastimada Y Otros Poemas
www.curropinana.com
(Karonte KAR7740/Galileo MC)
12 Tracks, 48:46


Nicht allzu oft wird der maurisch-jüdische Hintergrund des Flamenco so feinfühlig und geschmackssicher vergegenwärtigt wie von dem Cantaor aus Cartagena. Im Zentrum dieser sinnlich, durchaus irdischen Arbeit steht der sephardische Poet und Philosoph Ibn Gabirol (11. Jh.), dessen mystische Verse der Flamencologe Antonio Parra für diverse Flamencostile adaptierte.

 POSPOLITE RUSZENIE: Pospoliteruszenie
POSPOLITE RUSZENIE
Pospoliteruszenie
www.pospolite.ruszenie.pl
(Eigenverlag)
10 Tracks, 46:55


Debüt einer polnischen Mittelalterrockband, teilweise in die Metalrichtung gehend. Drehleier, Geige, Schalmei und Dudelsack bringen melodisch die interessanten Arrangements zur Geltung: teils sehr kompakt, teils entspannt, mit vielen Rhythmuswechseln. Bearbeitet und stark verändert wurden Stücke polnischer Renaissancekomponisten.


 PRAIRIE LIZARDS: Live
PRAIRIE LIZARDS
Live
www.prairielizards.com
EP
(Cactus Rock Records)
6 Tracks, 19:21


Die Band aus Österreich präsentiert Rockblues und Gospel mit Gerald „Futsch“ Furian, Gitarre, Tanja Pichler, Gesang und Percussion, sowie Gastmusikern. Die Aufnahmen – Coverversionen und Traditionals von Robert Johnson und Jack & Jim Anglin – wurden teils live, teils im Studio eingespielt.

 THE PROCLAIMERS: Let’s Hear It For The Dogs
THE PROCLAIMERS
Let’s Hear It For The Dogs
www.proclaimers.co.uk
(Cooking Vinyl/Indigo)
Promo-CD, 13 Tracks, 38:10


Das zehnte Studioalbum der Zwillinge aus Leith birgt wenig Neues – und das ist eine wirklich gute Nachricht. Die gleichen enorm eingängigen Upbeat-Popfolksongs mit deutlichem schottischen Zungenschlag, immer um die drei Minuten lang, oft mit tiefer gehenden Texten, aber dieses Mal genial produziert von Dave Enriga (unter anderem Manic Street Preachers).


 PROTOJE: Ancient Future
PROTOJE
Ancient Future
www.protoje.com
(Baco Records)
Promo-CD, 11 Tracks, 47:01


Oje Ken Ollivierre, genannt Protoje, ist ein Vertreter einer neuen Generation jamaikanischer Reggaesänger, die neben den modernen Dancehall- und Hip-Hop-Stilen auch wieder klassischen Rootsreggae pflegt. Sein drittes Album Ancient Future wechselt kreuz und quer zwischen den Polen – die Musik auf Topniveau, der Sänger regelrecht charismatisch!

 RASGUEO: Waterfall
RASGUEO
Waterfall
www.rasgueo.de
(Galileo MC)
8 Tracks, 47:50


Das Berliner Quartett Rasgueo beschreitet interessante Pfade zwischen Flamenco und Jazz. Frisch, virtuos und inspiriert interagiert die Band um den griechischen Gitarristen Nikos Tsiachris. Solist Martin Auer an der Trompete setzt gekonnte Highlights, aber auch Drummer Diego Piera und Kontrabassist Martin Lilich sind wesentlich mehr als lediglich Sidemen.


 THE REAL MCKENZIES: Rats In The Burlap
THE REAL MCKENZIES
Rats In The Burlap
www.realmckenzies.com
(Fat Wreck Records)
14 Tracks, 36:29


Heißer, wilder Celtic Folk Rock aus Kanada mit männlichem Gesang, Gitarren, Bass, Schlagzeug und Highland Pipes. Die Musik klingt nach einer Mischung aus Pogues, Rawlins Cross und Lynyrd Skynyrd, aber nicht so eingängig. Leider gibt es keine Texte zum Mitlesen.

 KIMMIE RHODES: Cowgirl Boudoir
KIMMIE RHODES
Cowgirl Boudoir
www.kimmierhodes.com
(Sunbird SBD 020/Broken Silence)
14 Tracks, 50:40


Kimmie Rhodes steht nun schon seit vierzig Jahren auf der Bühne, hat Songs für Willie Nelson oder Emmylou Harris geschrieben, zwischendurch zwei Kinder großgezogen, und trotzdem den Enthusiasmus für ihre Musik nie verloren. Cowgirl Boudoir kann als Beispiel für ein Songschreiberalbum gelten, das reif wirkt, doch viele jugendlichen Facetten hat und keine klare Trennung zwischen Country und Folk ziehen mag.


 DR. RING DING SKA-VAGANZA: Bingo Bongo
DR. RING DING SKA-VAGANZA
Bingo Bongo
www.ringding.de
(Pork Pie 06162/Broken Silence)
15 Tracks, 56:31


Kommt der Mann aus Münster bei aller Ska- und Reggaekompetenz als Sänger allmählich eher auf den Hund als vorwärts? Er klingt immer deutscher, dünner oder gepresster, uncooler – nicht nur wenn Dinge passieren wie die hierzulande oft obligatorischen „hällos“, „äverythings“ und „rädys“! Das ist sehr schade, denn die Musik kann einen echt packen!

 RUMBACALÍ: El Duende, La Luz Y La Noche
RUMBACALÍ
El Duende, La Luz Y La Noche
www.galileo-mc.de
(Kasbah Music KM00215/Galileo MC)
13 Tracks, 51:14


Barcelonas quasi erstes „Weltmusikpatent“, die Rumba Catalana, ist nach wie vor beliebt bei tanzlustigem Publikum und jungen Musikern. Diese verkuppelt der stadtbekannte Rumbero Sicus einmal mehr mit der alten Garde, vor allem den wegbereitenden Gitanos. Der Rumba-eigene Humor geht einher mit musikalischer Eleganz. Etwaiger Patina wird per Scratching der Garaus gemacht.


 DANNY SCHMIDT: Owls
DANNY SCHMIDT
Owls
www.dannyschmidt.com
(Live On Records LOR CD 09)
11 Tracks, 45:59


Bereits 1999 veröffentlichte Danny Schmidt sein Debüt, Owls ist Album Nummer sieben. Mit leicht heiserer Stimme erzählt Schmidt Geschichten von der Erntezeit, von Waffen und Papierflugzeugen als Bildern einer Welt, die sich in Auflösung befindet. Seine Texte sind überaus poetisch, die Musik dazu verhalten, balladesk und recht weich produziert.

 MATHIAS SCHÜLLER: Fremder
MATHIAS SCHÜLLER
Fremder
www.mathiasschueller.de
(Cactus Rock Records, CRR 67)
Do-CD, 13 Tracks, 58:19 und 9 Tracks, 50:49


Eigentlich wollte der niederrheinische Singer/Songwriter Mathias Schüller nur zehn oder zwölf eigene, deutschsprachige Lieder aufnehmen. Daraus wurde dann ein Doppelalbum mit insgesamt zweiundzwanzig Songs. Inhaltlich geht es fast ausschließlich um die Betrachtung eigener Befindlichkeiten. Musikalisch ansprechend.


 ANDY SHAUF: The Bearer Of Bad News
ANDY SHAUF
The Bearer Of Bad News
www.andyshauf.com
(Tender Loving Empire TLE 053/Cargo)
11 Tracks, 44:11


Mit einem ungewöhnlichen Klarinettenarrangement beginnt dieses Album voller langsamer Songs, die mit ihren schleppenden Tempi und der abgedämpften akustischen Gitarre an den Neil Young in seiner Harvest-Zeit erinnert. Shauf hingegen ist ein zeitgenössischer, introspektiver Songschreiber, der US-amerikanische Roots mit slawischen Einschlägen verbindet.

 SHORT TAILED SNAILS: Dunkle Wolken
SHORT TAILED SNAILS
Dunkle Wolken
www.short-tailed-snails.de
(Eigenverlag)
15 Tracks, 51:39


Die „Kurzschwanzschnecken“, wie die Übersetzung des Gruppennamens heißt, bieten feinen akustischen Mittelalter-Deutschfolk. Viele Standards wie „Schiarazula“, „Tourdion“, „Dunkle Wolk“, „Schnitter Tod“ oder „Fünf Söhne“ sind in geschmackvollen, luftigen Arrangements zu hören. Die Gruppe wurde 2010 in Heidelberg gegründet.


 SINSÉMILIA: Un Autre Monde Est Possible
SINSÉMILIA
Un Autre Monde Est Possible
www.sinsemilia.com
(Soulbeats Records SBR070/Broken Silence)
Promo-CD, 10 Tracks, 48:47


Die Reggaeband aus Grenoble ist seit 1990 aktiv. Un Autre Monde Est Possible, ihr siebtes Studioalbum, spielt ihre Stärken voll aus: stilistisch variable Stücke, meist auf solider souveräner Roots-Reggae-Rhythmusgrundlage. Besonders markant, wenn sie mit Chansonformen spielen, aber auch schon mal nervend, wenn es zu brachial rockt.

 STEVE SKAITH: Latin Quarter: Bare Bones
STEVE SKAITH
Latin Quarter: Bare Bones
www.latinquartermusic.com
(Westpark Music B7298)
11 Tracks, 42:56


Sänger und Latin-Quarter-Mastermind Steve Skaith präsentiert elf der meist eminent politischen Songs seiner Band im akustischen Gewand. Eine Stimme, eine Gitarre, ein Hauch von Keyboards und (wenig) Backing Harmonies mit dem Ziel, die Seele der Lieder durch ein einfaches Arrangement herauszuarbeiten. Mission accomplished – ein hervorragendes Album!


 THE SKINTS: FM
THE SKINTS
FM
www.theskints.co.uk
(Easy Star Records ES-1046/Broken Silence)
15 Tracks, 43:39


Drittes Album der Reggae- und Dub-Band aus East London – absolute Weltklasse, was die Kompetenz und vor allem die Lebendigkeit und Kraft betrifft, mit der durch die verschiedensten Stile gegroovt wird! Ein Unterschied zu so vielen sauber und fehlerlos, aber auch ohne großes Feuer spielenden mitteleuropäischen Reggaeacts, wie von gewollt zu gekonnt.

 SOAPKILLS: The Best Of Soapkills
SOAPKILLS
The Best Of Soapkills
(Crammed Discs/Indigo, CRAM260)
Promo-CD, 14 Tracks, 56:11


Bevor Yasmine Hamdan nach Paris zog und mit ihrer Karriere durchstarten konnte, hatte sie eine der ersten Indiebands des Nahen Ostens. Schon damals glückte ihr mit den Soapkills die geniale Fusion klassischer arabischer Musik mit Elementen der Popmusik. Das Best Of … bringt unverwechselbar die Stimme zur Geltung, die, kaum erhoben, alles leise beben lässt.


 LA SOCIÈTE FRATERNELLE DES CORNEMUSES DU CENTRE: La Belle Si Nous Partons
LA SOCIÈTE FRATERNELLE DES CORNEMUSES DU CENTRE
La Belle Si Nous Partons
www.lafrat.com
(AEPEM 15-02)
13 Tracks, 51:53


Der Geiger, Dudelsackspieler und Sänger Julien Barbances (La Machine) leitet auch ein französisches Dudelsackorchester, die Sociète Fraternelle des Cornemuses du Centre. Auf dem zweiten Album des Projekts sind 54 Musiker beteiligt, darunter vier Percussionisten, deren rhythmische Finessen oft den eigentlichen Reiz ausmachen. Gespielt wird vor allem überlieferte Musik aus Zentralfrankreich.

 SPIRO: Welcome Joy And Welcome Sorrow
SPIRO
Welcome Joy And Welcome Sorrow
www.spiromusic.com
(Real World Records/Pias/Rough Trade)
14 Tracks, 51:44


Das Konzept ist ebenso simpel wie das Resultat komplex ist. Kein Wunder, wenn das Grundprinzip des Quartetts aus Bristol lautet, jedes der akustischen Instrumente (Violine, Gitarre, Cello, Mandoline, Akkordeon) so zu spielen, wie sie gemeinhin nicht gespielt werden. Schwer zu sagen, wie man das Ergebnis nennt, aber Spiro sorgen definitiv für Schlagzeilen.


 JOSCHO STEPHAN: Guitar Heroes
JOSCHO STEPHAN
Guitar Heroes
www.joscho-stephan.de
(MGL Musikproduktion/ In-Akustik)
16 Tracks, 65:15


In der Sache nichts Neues, darin aber unschlagbar: Hier zeigt die Creme de la Creme ihre besten „Saiten“. Joscho Stephan lässt seine flinken Finger den Spuren seiner „Guitar Heroes“ folgen: von Django Reinhardt bis George Harrison. Zur „Saite“ stehen ihm Tommy Emmanuel, Stochelo Rosenberg und Biréli Lagrène, da kann kein Lauf schiefgehen.

 SUFJAN STEVENS: Carrie & Lovell
SUFJAN STEVENS
Carrie & Lovell
www.music.sufjan.com
(Asthmatic Kitty Records/Cargo)
10 Tracks, 43:29


Der Detroiter Sufjan Stevens fing in Folkbands am Banjo an und entwickelte sich zum Multiinstrumentalisten, der in vielerlei Zusammenhängen musizierte. Auf seinem neuen Album erklingen Songs, die beinahe schüchtern vorgetragen werden. Intime Geschichten zur akustischen Gitarre, wie in einen halligen Raum gesungen.


Lateinamerika
 PABLO MÁRQUEZ: Gustavo Leguizamón – El Cuchi Bien Temperado
PABLO MÁRQUEZ
Gustavo Leguizamón – El Cuchi Bien Temperado
www.pablomarquez.free.fr
(ECM New Series)
17 Tracks, 66:50


Pablo Márquez, einer der wichtigsten zeitgenössischen Gitarristen erkundet die Musik seiner Heimat Argentinien. „Die höchste Auszeichnung für einen Künstler ist es, dass man annimmt, sein Werk sei anonym.“ Dieses Zitat beschreibt in schöner Weise Schaffen und Bedeutung des argentinischen Komponisten, Musikers und Dichters Gustavo Leguizamón (1917-2000). Seine Zambas sind in einer Weise selbstverständlicher Bestandteil des alltäglichen musikalischen Lebens, dass kaum jemand auf die Idee kam, dass der in Salta wirkende Anwalt und Lehrer hinter den Melodien stecken könnte, die sogar von Kindern gesungen werden. Diese Einspielung versammelt Arrangements großer Lieder des Traditionalisten Leguizamón, der ein erstaunliches Interesse an moderner Musik zeigte. Und so findet sich manch abenteuerliche Harmonisierung in den tief in der argentinischen Seele verwurzelten Zambas, den wichtigsten Tänzen neben dem Tango. Márquez Spiel ist delikat und voller Raffinesse. Man glaubt ihm sofort, wenn er sagt, dass ihm, dem klassisch Geschulten, diese Musik im Blut liege. Eine meisterlich umgesetzte Widmung an seinen ehemaligen Geschichtslehrer Leguizamón und eine kostbare Liebeserklärung an die Musik der Heimat.
Rolf Beydemüller



Nordamerika
 ANNA & ELIZABETH: Anna & Elizabeth
ANNA & ELIZABETH
Anna & Elizabeth
www.annaandelizabeth.com
(Free Dirt Records Dirt-CD-0072/Galileo)
16 Tracks, 45:10 , mit engl. Texten


Sie haben alte Platten gehört und in Archiven gegraben. Nicht aus nüchternem Interesse, sondern aus Zuneigung. Elizabeth LaPrelle und Anna Roberts-Gevalt geht es nicht um die Konservierung der Tradition, sondern um frisches Leben in alten Balladen, Melodien und Geschichten. Die Lieder erzählen vom Leben der einfachen Leute in den Appalachen, Heimat von Anna & Elizabeth. Dort, in Floyd/Virginia, haben sie ihr zweites Album aufgenommen. Alles klingt reduziert und lebt von den beiden ineinanderfließenden Stimmen, den Harmonien, den offenbar alten Gitarren, Fiddles und Banjos, deren Hölzer und Felle schon viele Resonanzen erfahren haben. Die Wirkung dieser Einfachheit zeigt eine greifbare Intensität und überträgt die Tatsache, dass beide Musikerinnen ehrlich empfinden, was sie da vortragen. Die Traditionals sind nicht die, die häufig in der Old-Time Music auftauchen, und auch in Sachen neuere Songs heben Anna & Elizabeth Schätze – etwa Connie Converses „Father Neptune“. Manchmal verwenden sie auch nur Fragmente eines Songs. So wurzelt „Orfeo“ in einem Kinderlied: Dem A-cappella-Auftakt folgen Uilleann Pipes, gespielt von Joey Abarta, und Fiddle. Ein Stein, den das kalt lässt.
Volker Dick
 GLEN CAMPBELL: I’ll Be Me
GLEN CAMPBELL
I’ll Be Me
www.glencampbellmusic.com
(Big Machine Records 0602547227973, Universal)
10 Tracks, 32:51


Dieses Album ist der Soundtrack zur Filmdokumentation Glen Campbell: I’ll Be Me, die den Musiker auf seiner Abschiedstournee begleitet, nach dem bei ihm Alzheimer diagnostiziert worden war. Berührend wie er auf der Bühne virtuos Gitarre spielt und singt, sich aber nicht mehr an den Namen seiner Exfrau erinnern kann. Das Titelstück behandelt die Krankheit, den Umstand, dass man den geliebten Partner zwar am längsten wiedererkennen werde, aber am Ende nicht vermissen wird, weil man sich auch an ihn nicht mehr erinnert, und dass das eigentlich das Beste daran sei. Ein Abschied voll Wehmut, Melancholie, aber unsentimental und voller Humor. Aufgenommen hat er dieses letzte Stück mit den legendären Studiomusikern der Wrecking Crew deren Mitglied er in den 1960ern war, bevor er seine Solokarriere begann und Country-Superstar wurde. Der Soundtrack fängt die vielen Facetten Campbells langer Karriere ein. The Band Perry und Tochter Ashley sind mit einigen Stücken vertreten, erreichen aber nicht die Intensität Campbells. Und die in Nashville mitgeschnitten Livaufnahmen zeigen, welche immense Kraft der Mann auf der Bühne noch hatte. Ein würdiger Abschied eines großen Künstlers.
Dirk Trageser

 DIVERSE: Protest Songs – Stark Songs Of Struggle And Strife
DIVERSE
Protest Songs – Stark Songs Of Struggle And Strife
www.notnowmusic.co.uk
(Not Now Music NOT2CD453)
CD 1: 73:07, CD 2: 67:26 , minimale engl. Infos


2011 forderte Spex, das Magazin für Popkultur, unter der Überschrift „Spex und Byte FM suchen neue Protestsongs“ Musiker auf, Lieder einzureichen, „die textlich und/oder musikalisch Bezug nehmen auf politische, soziale oder kriegerische Konflikte der letzten Monate“. Der Folker fragte damals im Editorial, was wohl Künstler dazu sagen würden, die ihre Musik als Teil einer politischen Bewegung verstanden und sie nicht als preiswürdiges Produkt präsentierten. Eine Sammlung genau solcher Musiker liegt hier vor. Der Schwerpunkt liegt auf „Protestsongs“ aus den Vierziger- und Fünfzigerjahren. Krieg, Armut, Rassismus und Gewerkschaften sind die vorherrschenden Themen. Unter den Künstlern: Woody Guthrie, Pete Seeger, Cisco Houston und Ramblin’ Jack Elliott. Sowie neben Gruppen wie The Almanac Singers, The Weavers und den New Lost City Ramblers eine Reihe von frühen Folkbluesmusikern wie Josh White, Brownie McGhee, Sonny Terry, Big Bill Broonzy und Lead Belly. Die Songs reichen von „Talking Union“ über „The Rich And The Poor Man“ bis hin zu so bekannten Titeln wie „We Shall Overcome“. Eine hervorragende Einführung in die Geschichte des Genres und ihrer Interpreten, in deren Fußstapfen später Künstler wie Bob Dylan (zumindest zeitweise), Tom Paxton und Phil Ochs traten.
Michael Kleff
 ELEPHANT MICA: Where In The Woods
ELEPHANT MICA
Where In The Woods
www.elephantmicah.com
(Western Vinyl WV 124/Cargo)
8 Tracks, 35:42 , mit engl. Beiheft


Elephant Mica klingt, als würde er in einem entlegenen Wald nur für die Bäume musizieren. Oder für den Waldgeist. Sparsame Songs, allein mit der Wandergitarre begleitet, sehr „old-fashioned“. Kein Wunder, arbeitet Joseph O’Connell, der hinter diesem Bandnamen steckt, doch hauptamtlich als Folklorist, als einer, der im Auftrag öffentlicher Institutionen Volkslieder sammelt. Seine eigenen Songs entstehen nur nebenbei. O’Connell hat scheinbar auch wenig Ehrgeiz, seine Sachen in die Welt zu senden, entstanden diese Songs doch schon 2006/2007. Überaus sympathisch, wie bedeckt er sich mit seiner Musik hält. Hörbar ist O’Connell außerdem ein großer Fan von Will Oldham aka Bonnie Prince Billy. Tatsächlich singt der bei einigen Songs auch Harmoniegesang. Manchmal gibt es eine geschlagene Handtrommel, oder Blockflöte und Harmonium sind zu Gesang und Gitarre arrangiert, was der Lagerfeuerqualität dieser Musik guttut. Es scheint, als würde dieses Album in seiner gesamten Laufzeit immer leiser werden, als hätte O’Connell Angst, seine Zuhörer mit Worten und Musik zu erschrecken, zu verstören. Doch man sollte eher das Gegenteil machen, ganz laut aufdrehen, um diese totale Innerlichkeit voll genießen zu können. Seine Musik klingt wirklich weltvergessen und ist dadurch ganz besonders eindringlich.
Michael Freerix

 LEA: Let You In
LEA
Let You In
www.thisislea.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 35:30


Meine Güte, hat diese Frau Soul in der Stimme – mit einem Timbre, das an Joan Armatrading denken lässt oder an Tracy Chapman, mit der sie gern verglichen wird. Doch die Singer/Songwriterin Lea Morris aus Washington, D. C., ist mit mehr als einer außergewöhnlichen Stimme gesegnet. Frau Morris ist nebenbei eine exquisite Gitarristin, die von der zart gepickten Ballade bis zum jazzig-groovenden Flatpicking so ziemlich jede Spielart beherrscht. Und sie versteht es, großartige Songtexte mit meist positiver Grundstimmung zu schreiben. Dazu gelingen ihr wunderbare Melodien, mit denen sie ihre bildhafte Lyrik zu Songs verschmilzt, die stilistisch zwischen Gospel, Folk, Jazz, Country und Rhythm and Blues angesiedelt sind. Auf ihrem neunten Album präsentiert die Songschreiberin Lieder, die Geschichten aus weiblicher Sicht erzählen, für die Morris jeweils in die Rolle der Protagonistin schlüpft. Unterstützt wird sie von einer glänzend aufgelegten Studioband mit funkig-rockigen Arrangements, wobei die klassische Besetzung aus Schlagzeug, Bass und elektrischer Gitarre um Piano, Orgel, Akkordeon, Cello, Steel Drums, Banjo und Mandoline erweitert wird. Special Guest Howard Levy schließlich vervollständigt mit gänsehauttreibenden Bluesharpsoli den kompakten Gesamtklang eines exzellenten Albums.
Ulrich Joosten
 LYDIA LUNCH & CYPRESS GROVE & SPIRITUAL FRONT : Twin Horses
LYDIA LUNCH & CYPRESS GROVE & SPIRITUAL FRONT
Twin Horses
www.lydia-linch-official.com
(Rustblade/Broken Silence RBL 047)
10 Tracks, 43:46 , mit engl. Infos


Die amerikanische Sängerin, Schauspielerin und Dichterin Lydia Lunch ist seit den Siebzigerjahren in der Szene aktiv. Nach A Fistful Of Desert Blues legt sie nun ein zweites Album in Zusammenarbeit mit dem englischen Singer/Songwriter und Produzenten Cypress Grove vor. Die beiden Grenzgänger mit einem Faible für düsteren Rockblues und Neofolk verbünden sich hier mit der für melancholischen Folkblues und gefühlvollen Suicide Pop bekannten italienischen Band Spiritual Front – eine eindrucksvolle Mischung. Zu hören sind je vier Kompositionen von Lunch/Grove und Spiritual Front sowie der Eagles-Klassiker „Hotel California“ sowie eine weitere Coverversion.
Annie Sziegoleit

 BOZ SCAGGS: A Fool To Care
BOZ SCAGGS
A Fool To Care
www.bozscaggs.com
(Savoy/Caroline FTN16037/Universal)
15 Tracks, 64:32


Oh, diese Stimme – „melt frozen butter, wrapped in silk“ sagte einst ein Kritiker, und auch im Alter von 71 Jahren trifft das den Kern. Im Laufe seiner Karriere war Boz Scaggs zunächst Sänger einer Rock-’n’-Roll-Band, entdeckte dann den Rhythm and Blues für sich, tauchte tiefer in den Blues ein und machte in den letzten Jahren als Jazzcrooner Furore. Dies alles verschmilzt nun in A Fool To Care zu einem „Gesamtkunstwerk amerikanischer Musik“. Eine selbstverständliche Lässigkeit, ein mal treibender, mal swingender Groove zieht sich durch alle Aufnahmen. Die Qualität der Musik, das Können der Musiker ist schier atemberaubend, und immer wieder kommen kleine Meisterwerke zum Vorschein, sei es ein Wechsel in der Stimmlage des Sängers, eine rhythmische Drehung oder ein kurzes, wie zufällig eingeworfenes Solo. Herausragende Titel sind hierbei das irgendwo zwischen Texas-Shuffle und Country liegende „Hell To Pay“ mit der Bluessängerin Bonnie Raitt im Duett, oder auch „Last Tango On 16th Street”, ein sentimentaler Tango mit Bandoneonbegleitung.
Achim Hennes
 JAMES TAYLOR: Before This World
JAMES TAYLOR
Before This World
www.jamestaylor.com
(Concord/ Universal)
Promo-CD, 10 Tracks, 41:52


Er hat nach wie vor Geschichten zu erzählen. Nach dreizehn Jahren entstand ein neues Studioalbum mit zehn eigenen Songs und dem Traditional „Wild Mountain Thyme“. Kräftig unterstützt wird Taylor von seiner exzellenten All-Star-Band, mit der er zurzeit auch auf Europatournee ist. Gastmusiker mit Harmoniegesang beim spirituell-mysteriösen Titelsong ist Sting. Hier ist auch Taylors Nachbar in Massachusetts, der Cellist Yo-Yo-Ma zu hören, ebenso wie beim eindringlichen „You And I Again“, ein neues Liebeslied über eine alte Liebe. Musikalisch und textlich hat James Taylor seine hohen Standards gehalten: Lieder voller Leichtigkeit, die so schwer zu schreiben sind, mit tiefsinnigen poetischen Reflexionen und Erinnerungen an das Unterwegssein. „Today, Today, Today“ ist eine Countrynummer, mit der er auf das Jahr 1968 zurückblickt. Es gibt Lieder über einen Exjunkie, den Krieg in Afghanistan, über ein Baseballteam („Angels Of Fenway“ über die Boston Red Sox) und natürlich Road Songs wie „Stretch Of The Highway“ über den wohltuenden Reiz des Reisens. Insgesamt ein unbedingt empfehlenswertes Album!
Piet Pollack

 THE WEATHER STATION : Loyalty
THE WEATHER STATION
Loyalty
www.the-weather-station.com
(Paradise of Bachelors PoB-19/Cargo Records)
11 Tracks, 39:53 , mit engl. Texten


Kurzgeschichten reihen sich aneinander, Momente, Begegnungen, Naturerscheinungen ziehen vor dem inneren Auge auf, gekoppelt an tiefe Gefühle und Eindrücke – vielleicht liegt das nahe, wenn man wie Tamara Lindeman aus Kanada kommt, genauer: aus der Musikstadt Toronto. Von ihr stammen sämtliche Songs, dazu spielt sie Gitarre, Klavier, Orgel, Vibrafon und Banjo. Die übrigen Instrumente, darunter Schlagzeug und Bass, steuert Afie Jurvanen bei. Im Wesentlichen ist es dieses Duo, das einen Klangteppich webt, der unaufhörlich zu schweben scheint. Wirkliche musikalische Höhepunkte machen einem Fließen Platz. Und möglicherweise handelt es sich von vorn bis hinten tatsächlich nur um ein einziges langes Stück voller Höhen und Tiefen. Tamara Lindeman steht mit ihrem dritten Album in der Songschreiberriege ihres Landes, und ihre Stimme erinnert öfter an Joni Mitchell, bleibt aber in der Brust, wirkt nahbar und warm. Die Texte leben von starken Bildern, von eingefangener Atmosphäre, etwa wenn sie Einsamkeit festmacht am Hineinragen der Wolkenkratzer in endlose Dunkelheit. Immer wieder steht die Natur als Metapher für innere Zustände. So nimmt sie uns gefangen und erzählt und erzählt und erzählt.
Volker Dick



Onlinerezensionen
MARCUS LØVDAL
BAND Marcus Løvdal Band
www.marcuslovdal.com
(Grappa Musikkforlag, BMCD6529)
11 Tracks, 43:54


Weltsprache Bluesrock: Der norwegische Gitarrist Marcus Løvdal feiert auf seinem Debüt mit eigenen Songs den elektrischen Chicago-Blues. Ihm zur Seite versierte Musiker seiner 2012 gegründeten Band. Die von Bjørn Blix gesungenen englischsprachigen Lieder sind eingängig, entspannt oder rockig. Ihr warmer Sound geben ihnen eine eigene Note. Herausragend: wunderbare Hammondorgel-Soli.




Afrika
 FATAU KEITA & THE NAAWUNI BIE BAND: Selina
FATAU KEITA & THE NAAWUNI BIE BAND
Selina
fataukeita.com
(copam nma 805)
9 Tracks, 49:24 , mit engl. Infos


Das in Accra ansässige Goethe-Institut hat Wort gehalten und nach dem Album Tu Na Me Nsa der Ghana Bigshots eine weitere junge Band mit einem CD-Projekt gefördert. Diesmal steht der Gitarrist, Sänger und Songschreiber Fatau Keita im Fokus. Der ist gerade mal achtundzwanzig Jahre jung, stammt aus Tamale im Norden Ghanas, singt seine Songs inbrünstig mit einer ungewöhnlich rauen und reifen Stimme, dass einem die Spucke wegbleibt. Die Basis bildet erwartungsgemäß der Highlife, doch wird der durch Rock- und Funkelemente angereichert. Keita nennt als seine Vorbilder unter anderem Salif Keita, Fela Kuti, Angélique Kidjo und Osibisa. Die Texte sind in verschiedenen Sprachen abgefasst wie Dagbani, Hausa, Twi, drehen sich um Liebe und Harmonie und gegenseitige Achtung. Der Opener „Africa“ preist die Kulturen des Kontinents, geißelt aber auch die angebliche Neigung, Konflikte kriegerisch „zu lösen“. Fatau Keitas 2012 gegründete Begleitgruppe (zu Deutsch „Kinder-Gottes-Band“) setzt sich zum Teil aus noch jüngeren Musikern und Sängerinnen zusammen. Bemerkenswert wie bestens diese Truppe aufeinander eingespielt ist. Der eingängige und gut tanzbare Musikmix ist aus einem Guss, professionell (vom Künstler selbst) produziert. Alle Achtung!
Roland Schmitt
 MOH! KOUYATÉ: Loundo (Un Jour)
MOH! KOUYATÉ
Loundo (Un Jour)
mohkouyate.com
(Folison811)
14 Tracks, 60:40 , mit franz. Infos


Das (neue) Ausrufezeichen hinter dem Spitznamen (den er seiner Oma verdankt) signalisiert eindrücklich: Jetzt komm’ ich! Moh(ammed) aka Mamadou Kouyaté wurde 1977 in Guinea in eine traditionelle Griotfamilie geboren. Sein weiterer Weg war klar vorgezeichnet: aufzuwachsen mit den Geschichten seines Klans, mit den Musiktraditionen seiner Familie und seiner Heimat. Klar, dass bei seinem Debütalbum auch einige Verwandte mit ihm Boot sind: Abdoulayé Koyaté an der Kora, Sekou Kouyaté an der (zweiten) Gitarre. Die Leadgitarre behält er (wie auch den Gesang) natürlich sich selbst vor. Sein Können auf derselben konnte Moh! auch schon mehrfach unter Beweis stellen, unter anderem bei Sessions für Fatoumata Diawara und mit US-Bluesman Corey Harris. Beeinflusst haben ihn einheimische Bands wie Bembeya Jazz, aber er hörte auch B. B. King, George Benson oder Jimi Hendrix. Entsprechend bedient sich Moh! Kouyaté bei Stilrichtungen aller Art: melodiösem Afropop, traditioneller Mandinge-Musik, Blues, Funk, Rock. In seinen nachdenklichen Texten preist er die Familienbande, verneigt sich vor seiner Mutter, beschwört den gegenseitigen Respekt unter den Menschen. In „Yarré“ fordert er eine bessere Politik für die Völker Guineas.
Roland Schmitt

 SOUAD MASSI: El  Mutakallimûn
SOUAD MASSI
El Mutakallimûn
wrasserecords.com
(Wrasse Records WRASS330)
10 Titel, 40:08


Die aus Algerien stammende Sängerin meldet sich nach fünf Jahren mit einem neuen Soloalbum zurück. Für El Mutakallimûn hat sie tief in der kulturellen Schatzkiste gegraben und arabische Gedichte interpretiert – eine poetische Reise, die den Hörer bis ins sechste Jahrhundert zurückführt. Als „Genies, die Wunder hinterlassen haben“ bezeichnet Souad Massi die Dichter und überträgt ihre Begeisterung auf die Musik: Begleitet von tanzbarem Reggae, stürmischen Jazzrhythmen und westlichen Balladen, singt sie lyrische Melodien. Sie möchte das westliche Bild des arabischen Raums entzerren – die Texte liberaler Geistesgrößen sollen dazu motivieren, sich mit der arabischen Kultur auseinanderzusetzen. Fernab von politischen Grabenkämpfen möchte Massi zu einem musikalischen Austausch anregen. Das gelingt bei getragenen Songs wie „Saaiche“ ausgesprochen gut. Vor allem das Gitarrenspiel von Jean-Francois Kellner beeindruckt. Auf poppigeren Stücken, wie dem bläserdurchsetzten „Lastou Adri“ wirkt die Kombination aus arabischer Lyrik und westlichem Klang jedoch etwas gestellt. Allein für das ambitionierte Konzept des Albums verdient die Sängerin aber Anerkennung.
René Gröger
 HINDI ZAHRA: Homeland
HINDI ZAHRA
Homeland
hindi-zahra.com
(Parlophone 0825646136889)
11 Titel, 49:21


Wüstenrock meets Psychedelic – mit diesem Stilmix beginnt die französisch-marokkanische Sängerin. Doch zu behaupten, dass der Opener „To The Forces“ exemplarisch für den Sound ihres zweiten Albums steht, wäre glatt gelogen. Mit jedem neuen Titel wechselt Hindi Zahra die Genres, verweist auf andere Einflüsse und zieht den Hörer in eine eigene, sich ständig verändernde Klangwelt. Mal erinnert sie an Norah Jones, dann ist schemenhaft Jazzqueen Billie Holiday auszumachen, dann weicht dieses Bild prompt trippigen Szenen à la Portishead. Auf Homeland spiegelt sich die Umtriebigkeit der Sängerin wider: Zwei Jahre lang war sie weltweit auf Tour, bevor sie sich nach Marrakesch zurückzog, um die neuen Eindrücke zu verarbeiten. Aus dieser intensiven Introspektion heraus entstanden die Lieder. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass Zahra sie trotz verschiedenster Klänge im Inneren zusammenhält. Ihre Stimme schafft Brücken und verbindet die Songs über Genregrenzen hinweg. Ein brillantes Album, dass den Begriff „Weltmusik“ sprengt und gleichzeitig selbst definiert.
René Gröger

Besondere
CHASSOL
Big Sun
www.chassol.fr
(Tricatel TRICDFR046/Broken Silence)
27 Tracks, 69:44


Der aus Martinique in der Karibik stammende Avantgardemusiker Christophe Chassol hat mit Big Sun seiner Heimat ein mehr als ungewöhnliches Denkmal gesetzt. Auf dem Album verwendet er Feldaufnahmen aus einem Dokumentarfilm und O-Töne. Das Spektrum reicht von Vogelgesängen, Gesprächen, Gedichtvorträgen und Gesängen der Einwohner Martiniques, Flötenspiel, Karnevalklängen, Muschelhornechos bis zu Ozeangeräuschen und vielem mehr. Doch ist dies nur das Rohmaterial für die Musik. Über ein im Grunde Midi-basiertes Programm geben die Tier- und Menschenlaute Impulse für ein in der Melodik synchron zu hörendes Instrumentalspiel. Sprachmelodie und Instrumentalspiel sind quasi unisono, Teile  CHASSOL: Big Sun davon werden geloopt, um dann Impulse für die sich daraus entwickelte Komposition eines Instrumentalstücks zu geben. Eine geniale Idee. Eine zufällige Sprachaufnahme eines Bewohners kann so zu einer Art Rap mit aus der Rede erschaffenen Breakbeats und musikalischer Begleitung werden. Die Musik variiert zwischen ungewohnt und verblüffend, aber auch zwischen Hörbild und Filmmusik. Es ist bereits das dritte Album Chassols in dieser Art und vermittelt eine bis dahin kaum bekannte Technik, Sprache und Geräusche eines Landes musikalisch zu verarbeiten. (Nur vom Brasilianer Hermeto Pascoal sind ansonsten derartige Aufnahmen bekannt.) Aus den in der Neuen Musik bekannten Soundscapes wird so eine Art O-Ton-Musik. Und dieser Begriff trifft es auch am besten, obwohl Chassol seine Methode „Ultrascores“ nennt. Zum Album gibt es außerdem eine frei herunterladbare Filmfassung mit all den Begegnungen, die die Grundlage des Albums bilden. Eine Menge musikalischer Weiterverarbeitung, Improvisation und Abmischung sowie metrische Anpassung war notwendig, um alles derart natürlich wirken zu lassen. Auch wenn die dabei entstandene Musik manchmal gewöhnungsbedürftig erscheint, ist dieses Werk allein von seiner Komplexität und dem Konzept her als revolutionär zu bezeichnen.
Hans-Jürgen Lenhart
MAUI
Viaje Interior
soymaui.com
(Nuevos Medios NM 15927/Galileo MC)
11 Tracks, 36:15 , mit span. Infos u. Texten


Für eine „innere Reise“, wie die deutsche Übersetzung des Albumtitels lautet, hat das per Crowdfunding realisierte Album viele Zeugen und gute Geister. Die lange Liste beteiligter, vor allem in Madrid lebender Musiker, darunter Koryphäen wie der Flamencojazzer Jorge Pardo, der kubanische Bassist Yelsy Heredia oder die hörbar seelenverwandte Sängerin Martirio, lässt die große Beliebtheit der Cello spielenden Sängerin in ihrer Wahlheimatstadt erahnen. Die charmante, poesievernarrte Singer/Songwriterin mutet ein wenig wie das spanische Pendant zu Dota Kehr an mit ihrer unaufgeregt klingenden, in ihrer angenehmen Schlichtheit dennoch charismatischen Stimme. Dabei kommt Maui zumindest optisch spleeniger daher als die Berlinerin, wie  MAUI: Viaje Interior Albumfotos und Videoclips zeigen. Dann ist da auch die fast durchgängige, die Tradition recht frei auslegende Flamencospur, die auch den Gesang der aus dem andalusischen Utrera stammenden Künstlerin zart durchzieht. Das reiche, fantasievoll eingesetzte Instrumentarium enthält hier und da eine Flamencogitarre. Zu hören sind, samt der üblichen Palmas und Jaleos, traditionelle Rhythmen wie etwa ein liedtitelgebender Tanguillo („Tanguillo De La Sardina“). Das „Orthodoxeste“, weil gängige Flamencoalbenlänge, sind die (leider!) nur gut dreißig Minuten, die musikalisch allerdings wirkungsvoll genutzt sind. In denen wähnt man sich per Tango („Ay De Mi“) auch mal in Argentinien oder an einem imaginären, zwischen den Kapverden und Brasilien siedelnden Ort, etwa im ausnehmend schönen Opener „De Baldosas Amarillas“. Die vielen guten, kreativen Energien von und um Maui zu einem wohlklingenden Ganzen zu bündeln, ist ein großes Verdienst von Diego Guerrero, der als Multiinstrumentalist und Produzent ein wichtiger Impulsgeber in Madrids Szene ist. Diese Erstveröffentlichung unter eigenem Namen – zuvor firmierte die Künstlerin lange als Maui y los Sirénidos – erscheint bemerkenswerterweise bei Nuevos Medios, dem Pionierlabel des Nuevo Flamenco, das zur Freude der Aficionados unter anderem mit diesem Album seine Arbeit wieder aufnahm.
Katrin Wilke

Deutschland
 CASSY CARRINGTON & IHR HERR COSLER: Suite 107
CASSY CARRINGTON & IHR HERR COSLER
Suite 107
alleliebencassy.de
(Engel & Stadt Records/Conträr)
12 Tracks, 38:35 , Texte


Designer und DJ Rolf Rotterdam aus dem kleinen Schöppingen in Westfalen hatte schon einiges in seinem Leben gemacht. Mit seiner Verwandlung in Köln zu Cassy Carrington startete er eine neue Karriere als Schauspielerin und Sängerin von Popchansons. Als sehr große, fesche Diva präsentiert sie mit dem Pianisten Tobias Cosler, der auch für die Kompositionen und Arrangements und einige Texte verantwortlich ist, ihre eigenen Songs. Liebe und Leben sind ihre Themen, die sie mit Charme, Schwung, Ironie und leichtem Lispeln dem Publikum einschmeichelnd darbietet. Das pralle Leben und die aufregende Liebe sind leichter zu besingen als zu machen. Von Singles und tollen Typen, die man nicht bekommt, singt sie, vom Nörgeln aus Prinzip und dem Wunsch nach mehr Glitter, um den Widrigkeiten des Lebens zu begegnen. Rausch und Leidenschaft auch in einer Beziehung und immer mehr, mehr, mehr. Die Travestierolle als Cassy hatte Rotterdam eher zufällig begonnen, doch sie scheint ihm gut zu passen. „Heute bin ich nicht verkleidet, hab mich nur geschminkt und ein bisschen schön gemacht, wie Frauen halt so sind.“, heißt es im Lied „Lügen muss ich nicht“. Ein Debüt, mit Crowdfunding unterstützt, dass sich hören lassen kann.
Rainer Katlewski
 IRXN: Irgendwo und irgendwann
IRXN
Irgendwo und irgendwann
bscmusic.com
irxn.net
(BSC Music)
12 Tracks, 41:42 , mit Fotos u. wenigen dt. Infos


Viele gute Musiker in deutschen Landen finden ihren Ausdruck im Irish Folk Rock, singen demzufolge auf Englisch oder gar Gälisch. IRXN-Gitarrist Reinhold Alsheimer meint aber: „Ich denke, dass man dann am authentischsten Lieder schreibt, wenn man sie in der Sprache, in der man denkt, fühlt, träumt, liebt und hasst, schreibt.“ Und diese Sprache ist für die neuerdings in München ansässige Band Irxn eben Bayerisch, genauer Chiemgauerisch und Münchnerisch. Ob historisch hinterlegte Ballade, Revolutions- oder Liebeslied, der bayrische Dialekt oder auch mal ein bayerisch angehauchtes Standarddeutsch verbindet sich mit tradierten, rockig auf Gitarre, Bass, Geige, Tuba und Schlagzeug gespielten Melodien keltischer und anderer Provenienz zu einer harmonisch-passenden Einheit, auch wenn dann doch mal gejodelt wird. Ob das Titellied zur Melodie von „Cotton-Eyed Joe“, die Tuba im Reggaerhythmus in „Die Leichtigkeit des Seins“ oder das russendiskohafte „Wuads Luada“, die Musik reißt einfach mit und groovt einem tief durchs Gemüt. Die Texte kann man online mitlesen unter irxn.net/irgendwo-lyrics.php, allerdings ohne standarddeutsche Übersetzungen.
Michael A. Schmiedel

 JENS KOMMNICK: Redwood
JENS KOMMNICK
Redwood
jenskommnick.de
(Siúnta Music, SM 2204)
14 Tracks, 53:16 , mit dt. u. engl. Infos


Es gibt hin und wieder Hörerlebnisse, die einen sprachlos zurücklassen. Schönheit vermag das. Und davon fließt dieses Album über. Jens Kommnick, ein Gitarrist von der niedersächsischen Nordseeküste und längst kein Unbekannter mehr, legt mit Redwood sein drittes Soloalbum vor. Der musikalische Bogen umfasst Traditionals aus dem weiten Feld der keltischen Musik, klassische Kompositionen und eigene Werke. Kommnick ist mehr als ein begnadeter Steelstringgitarrist, er spielt Harfe, Cello, Bouzouki, Mandoline, Uilleann Pipes, Whistles, Drehleier, Piano … „Cedar House“, eines der berührendsten Stücke des Albums, ist seinem Freund Reinhard Mey gewidmet, mit dem ihn auch musikalisch viel verbindet. Wir hören ein Blockflötenquartett der Renaissance, den letzten Satz aus dem Zweiten Brandenburgischen Konzert von Bach in einer aufregend instrumentierten Folkversion, einen balkaninspirierten Tanz, bretonische, irische, dänische Weisen, und immer klingt alles so, als hätte es gar nicht anders sein können. Kommnick beherrscht alle Spielarten: virtuos, zupackend, still, in sich gekehrt. Alles ist versehen mit einer Leichtigkeit, die einem frohen Herzen zu entspringen scheint und sagt: Alles ist gut.
Rolf Beydemüller
 LÜÜL & BAND: Wanderjahre
LÜÜL & BAND
Wanderjahre
luul.de
(MIG Music GmbH MIG 01282 CD)
14 Tracks, 52:37 , mit dt. Texten u. Infos


Das Cover zeigt eine kleine Zirkustruppe, Artisten, Fahrende, immer unterwegs, wandernd, von einem Ort zum nächsten, stets auf der Suche nach Aufmerksamkeit, Anerkennung, vielleicht sogar ein wenig Geborgenheit, Liebe gar. Die Begleitumstände sind jedoch alles andere als günstig: Der Asphalt ist regennass, im Hintergrund sind zerbombte Häuser zu erkennen, wohl Ruinen im Berlin der Nachkriegszeit. Auch Lüül ist ein Fahrender, ein Artist, ein Clown, ein Suchender. Seine Lieder, die er mit unverwechselbarer Stimme, die manchmal ein wenig an Rio Reiser erinnert, vorträgt, erzählen auf beschwingte, auch augenzwinkernde Weise vom Alleinsein („Kleines Solo“), vom gegenseitigen Fremdsein („Morgens in der U-Bahn“), von der Unentrinnbarkeit vor dem Schicksal („Samarra“), von zerbrochener („Draußen“) und neu entflammter Liebe („Maria“). Das Eingangslied „West-Berlin“ ist Lüüls Liebeserklärung an seine Heimatstadt. Neben den eigenen Texten und Kompositionen des Sängers sind einzelne Werke von Erich Kästner, Tom Waits und Goethe zu hören. Der Klang der akustischen Instrumente (Gitarre, Geige, Akkordeon, Ukulele, Kontrabass, Marimba) verstärkt den intimen Charakter dieses hörenswerten Albums.
Kai Engelke

 CHRISTINA LUX: Embrace Live
CHRISTINA LUX
Embrace Live
christinalux.de
(BSC Focus 307.178.2/Rough Trade)
14 Tracks, 68:32


Intimität lässt sich von zwei Seiten betrachten. Zeigt die Künstlerin sich selbst verletzlich und singt von den eigenen Gefühlen? Dann ist der Zuhörer nur ein Zaungast und darf an den Geschichten Anteil nehmen, ohne selbst Beteiligter zu sein. Spricht die Künstlerin den Hörer direkt an, verhält es sich genau umgekehrt. Die Welt des Zuhörers gerät in den Vordergrund und die Künstlerin wird lediglich Reiseleiter. Auf ihrem neuen Livealbum vereinigt Christina Lux beide Wege und schafft so eine atemberaubende Nähe. In jedem Song singt die Musikerin ihre Texte in einer Eindringlichkeit, dass sich das Publikum beinah unerlaubt im Herzen der Künstlerin wiederfindet. Gleichzeitig erscheinen dem Hörer eigene Bilder, Geschichten, Erlebnisse, Hoffnungen und Träume, die die eigene Gefühlswelt spiegeln. Manche Songwriter vermögen die Zuhörer mit wenigen Worten in ihren Bann zu schlagen. Die gesangliche Stärke von Christina Lux aber, die jedem Jazzorchester zur Ehre gereichen würde, gibt der intimen Performance der Künstlerin eine einzigartige Kraft und einen scheinbar unauflösbaren Widerspruch zur filigranen Songstruktur. Embrace Live wird so zu einem kostbaren Vertrauten und Verbündeten.
Christian Elstrodt
 STEPHAN MICUS: Nomad Songs
STEPHAN MICUS
Nomad Songs
stephanmicus.com
(ECM Records, ECM 2409)
11 Tracks, 56:02 , mit engl. Infos


Die „Nomaden-Lieder“ sind das persönliche Tagebuch eines unermüdlich Reisenden. Stephan Micus bereist seit Jahrzehnten die Welt. Er ist Forscher und Lauschender. Micus bringt Instrumente von diesen Reisen mit: ein Ndingo aus Botswana (eine Art Kalimba), eine Genbri aus Marokko (eine dreisaitige Basslaute), die balinesische Suling, die ägyptische Nay und eine japanische Shakuhachi (Flöten) – die Liste ist lang. Micus sucht vor Ort nach Lehrern, die ihm das nötige technische Rüstzeug fürs Spiel vermitteln. Und dann begibt er sich mit seinen Fundstücken in die Stille, überlässt sich der Musik, die sich in seinem Inneren formuliert. Und hier wird alles dann auf eine authentische und persönliche Weise eins: der Klang der Instrumente aus aller Welt, die enge Verbundenheit mit ihrem Ursprungsland und die Klangwelt eines Künstlers, der seit den Siebzigerjahren klingt wie kein anderer. Von Album zu Album stellt Micus andere Instrumente in den Fokus, ordnet sie neu an, erschafft Kombinationen, die es so noch nicht gegeben hat. Immer dabei ist Micus’ warme Stimme. In den Eingangszeilen wird die innere Grenzenlosigkeit des Menschen in Khalil Gibrans schönen Worten beschrieben. Micus macht sie hörbar.
Rolf Beydemüller

 QUADRO NUEVO: Tango
QUADRO NUEVO
Tango
quadronuevo.de
(GLM Music/Fine Music, FM 196-2)
Promo-CD, 15 Tracks , mit engl., dt. Texten u. vielen Fotos


Im Winter 2014 packt eines der bekanntesten deutschen Quartetts in Sachen Weltmusik wieder einmal die Instrumente ein und geht auf Reisen. Dieses Mal startet Quadro Nuevo jedoch nicht zur „Grand Voyage“, zu großflächiger musikalischer Rundtour, sondern begibt sich gezielt auf die Spuren des originalen Tangos, also direkt nach Buenos Aires, quartiert sich dort in einer alten Villa des Stadtteiles Boedo ein und inhaliert die Atmosphäre der Stadt. Quadro Nuevo galt viele Jahre als „die europäische Antwort auf den argentinischen Tango“. Mit diesem Album, dem bislang vielleicht wichtigsten der Bandgeschichte, legen die vier Musiker, neben Saxofon, Klarinetten, Kontrabass, Konzertharfe und Bandoneon ergänzt durch Chris Gall am Piano, nun ein beeindruckendes musikalisches Zeugnis einer Annäherung an das Fremde vor, brillant gespielt, ideenreich und zauberhaft transparent arrangiert, vor allem aber mit großer Bescheidenheit und ungeheurem Respekt. Tangoklassiker wie „La Cumparsita“, „El Dia Que Me Quieras“ oder „Por Una Cabeza“ erscheinen neben Eigenkompositionen wie „Casa De Los Sueños“ von Andreas Hinterseher (Bandoneon) oder „Buenos Aires Taxi Drive“ von D. D. Lowka (Kontrabass). Großartige Musik und unbedingt tanzbar.
Cathrin Alisch
 TALKING EARTH TRUST: Spirit of Colours – Et Flair von den Farwen
TALKING EARTH TRUST
Spirit of Colours – Et Flair von den Farwen
beerecords.com
talkingearthtrust.de
(Bee Records)
Do-CD, 30 Tracks, 54:31, plus CD-ROM Audio, 29:01, plus Video, 57:46 , mit Fotos, dt. Infos u. Texten in verschiedenen Sprachen


Es ist keine Liebe auf den ersten Klang. Etwas chaotisch klingende Weltmusik mit schrägen Jazztönen und Rhythmen, die auch einem Nichttänzer nicht tanzbar vorkommen. Dann aber Klangfarbtupfer aus Rhythm and Blues, aus türkischer und indischer Musik und beim dritten Hinhören die Wahrnehmung, dass dort nicht nur auf Englisch gesungen wird, sondern auch auf Türkisch und Hindi – und auf Mosel- und Rheinfränkisch, nicht sehr gut verstehbar, aber doch vertraut. Was ist das? Roland Schmitt löste das Rätsel schon im Folker 6/1998: Der Saarländer Udo Redlich versammelte über hundert Musiker aus allen erreichbaren Einwandererkulturen um sich und brachte sie dazu, miteinander zu musizieren und dabei ihre jeweilige Musikkultur mit einzubringen. Diese so – aufgrund häufiger Fluktuation – immer wieder neu entstehende globale Musik unterlegten saarländische Ureinwohner mit Mundarttexten. Dadurch verbindet sich die Musik der weiten Welt mit der Sprache der Region, was ersterer zu neuen Wurzeln und letzterer zu neuer Weltläufigkeit verhilft. Wer offen ist für ungewohnte Hör- und bei den Videoclips auch Sehweisen, kann sich von diesen drei Scheiben inspirieren lassen für ein gelingendes Miteinanderspielen und -leben.
Michael A. Schmiedel

DVD/Filme
 FEUERSCHWANZ: 10 Jahre – Feuerschwanz Live
FEUERSCHWANZ
10 Jahre – Feuerschwanz Live
www.feuerschwanz.de
(Fame Artist Recordings GmbH)
DVD 21 Tracks, 130 min, plus CD: 16 Tracks, 74:21


Es ist ein Best-of-Album, optisch als DVD und akustisch als CD, live aufgenommen im April 2014 im ausverkauften E-Werk Erlangen – ein „Heimspiel“, wie der frenetische Applaus schon beim Opener vermuten lässt. Oder lag es an den drei leicht bekleideten Grazien („Miezen“), die immer wieder als Dekoration auftauchten? Musikalisch durchgängig Mittelalterpartymusik, wie man sie schon von den bisherigen sechs Studioalben kennt. Die Titelnamen kennzeichnen ziemlich genau die Art der Musik, die zu hören ist: „Wir lieben Dudelsack“, „Hurra, Hurra, die Pest ist da“, „Meister der Folter“, „Met und Miezen“, „Das niemals endende Gelage“ und „Metnotstand im Märchenland“. Kennzeichnend sind der skurrile Humor und die Mitsinge-, Mitklatsch- und Mitgrölrefrains sowie die vielen optischen Gimmicks, die die Show ausmachen: der Sänger in Ritterrüstung mit Gitarre, Stagediving im Schlauchboot quer durch den Saal, die Metmaschine auf der Bühne oder der Mann im Batman-Shirt mit Engelsflügeln. Der Unterhaltungswert geht über alles, selbst wenn man immer wieder unter der Gürtellinie landet. Als Gäste sind Vito C. (J. B. O.), Thomas Lindner (Schandmaul), Tobias Heindl (Fiddler’s Green) und der Tod höchstpersönlich dabei.
Piet Pollack
 STEFFEN KÖNIG & OLAF NEUMANN: Love Supreme – Sechs Saiten und ein Brett
STEFFEN KÖNIG & OLAF NEUMANN
Love Supreme – Sechs Saiten und ein Brett
www.love-supreme.eu
(Shortcut & Newman Filmproduktion)
93:00, OmU


In diesem Film geht es gewissermaßen ums „Hohelied der Liebe“ unter dem Aspekt der Leidenschaft für die elektrische Gitarre. Und was vom Titel her an John Coltranes legendäres Album von 1965 erinnert und entsprechend hohe Erwartungen weckt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung leider eher als recht beliebiges Sammelsurium an Statements von Musikern, die teilweise nicht einmal ausgesprochene Gitarristen sind. Auch kann man kaum umhin den Neunzigminüter als einen umfassenden Werbefilm für Duesenberg-Gitarren zu verstehen. Alle Instrumentalisten des Filmes halten eine Schöpfung der Hannoveraner E-Gitarrenschmiede in der Hand und loben sie über den grünen Klee. Es gibt sympathische Interviewmomente (zum Beispiel mit dem Maffay-Gitarristen Carl Carlton) und vereinzelte musikalische Highlights (zum Beispiel mit Tom Bukovac, einem äußerst gefragten Nashville-Sessiongitarristen, solo und in einem wunderbaren Duo mit Sängerin und Lebensgefährtin Sarah Buxton auf dem heimischen Sofa), sowie sehr ästhetische Aufnahmen aus der Duesenberg-Werkstatt, die den Bau einer E-Gitarre dokumentieren. Allerdings reicht das kaum für einen inhaltlich geschlossenen Film zu einem Thema dieser Größenordnung. Schade eigentlich.
Rolf Beydemüller

 THE LEVELLERS: A Curious Life – The Story of The Levellers
THE LEVELLERS
A Curious Life – The Story of The Levellers
www.levellers.co.uk
(OFT Recordings OFTDVD003/India Media)
Promo-DVD, 78:00


„Die Musik ist wie Folk und die Einstellung ist wie Punk“, sagt Jeremy Cunningham, der exentrische, rastalockige und auf der Bühne derwischhafte Bassist der englischen Anarchoband, der das Cover ziert. Es ist auch Cunningham mit seinem koboldartigen Lachen, der im Rahmen der DVD als eine Art Erzähler die chronologische Geschichte der Levellers vorantreibt, anfangs mehr als später. Als Archivist und hauptsächlicher Gestalter der Alben und Plakate ist er dazu prädestiniert. Mit dabei seine völlig normalen Eltern, die nichtsdestotrotz spürbar stolz auf ihren schillernden Sohn sind. Nach und nach kommen auch die andere Bandmitglieder zu Wort, und es entsteht ein überzeugendes Porträt einer Band, die von Anfang an darauf bedacht war, so viel wie möglich selber zu gestalten – DIY („do it yourself“), wie der Engländer sagt – und trotzdem oder gerade deshalb in den Neunzigern mit sieben goldenen Platten ausgezeichnet wurde. Die Geschichte einer außergewöhnlichen und politischen Band. Außergewöhnlich auch das Promogehabe des deutschen Vertriebs: Der beliefert die Presse mit dem Film, jedoch ohne das Bonusmaterial und die dazugehörige CD. Wie soll man Empfehlungen aussprechen, wenn gerade die Hälfte des Produktes vorliegt? Wenn es nicht die Levellers wären, dann würde diese Zumutung unrezensiert in der Wertstofftonne landen!
Mike Kamp



Europa
 ALMA: Transalpin
ALMA
Transalpin
col-legno.com
almamusik.at
(Col-Legno WWE 1CD 20428/Harmonia Mundi)
15 Tracks, 56:55


Schon mit ihrem ersten Album Nativa hatte sich das österreichische Quintett, in dem drei Geigen, ein Bass und ein Akkordeon den Ton angeben, in die Herzen der Kritiker und der Konzertbesucher gespielt. Was Alma so einzigartig macht, ist die hohe, an der Klassik geschulte Kunst der Instrumentenbeherrschung, verbunden aber mit einer Liebe zu den verschiedensten Formen der österreichischen Volksmusik. Zu einem Steirer oder Schleuniger auf dem ersten Album kommen nun schon einmal, neben obligatorischen Jodlern, auch Anklänge an Marokko oder noch weiter entferntere Gegenden hinzu. Der Untertitel „So weit die Phantasie zu hören vermag“ gibt die Richtung für geigenumflorte Traumreisen über Berg und Tal vor. Sphärische Frauenstimmen summen Sehnsuchtsmelodien, und das große Wundern stellt sich sofort ein: Alma eröffnet tatsächlich neue Hörhorizonte im Genre der konzertant aufgeführten Volksmusik, an die niemand zu denken wagte. Großartig.
Harald Justin
 BANDADRIATICA: Babilonia?
BANDADRIATICA
Babilonia?
finisterre.it
(Finisterre FT66/Felmay)
12 Tracks, 56:05 , mit Texten u. Infos


„Diario Di Bordo“, „Bordbuch“, nennt Claudio Prima, Sänger und Bandleader der Gruppe, das Beiheft zur CD. Die Reise der Banda führt die Apulier nach Kleinasien, wo sie auf den libanesischen Percussionisten Rony Barrak, den türkischen Sazspieler Deniz Köseoglu und die armenisch-kurdische Geigerin Nure Dlovani treffen. Das Album beweist, dass Musik wie eine gemeinsame Sprache sein kann. Eine Banda ist eigentlich eine italienische Blaskapelle. Doch Bandadriatica sind weit mehr als das. Vielmehr sind sie eine Band mit Percussion, Akkordeon, akustischen und elektrischen Saiteninstrumenten, deren wuchtige Bläsersätze den Gesamtklang dominieren. Babilonia steht für Abwechslung und Offenheit anderen Kulturen gegenüber. In jedem Hafen, den das Schiff anläuft, wird ein neuer Film gedreht. Epische Klänge gehen in jazzige Fragmente und Soli über. Es darf geträumt und getanzt werden. Der herausragende Gesang von Claudio Prima und den Gastsängerinnen Enza Pagliara und Rachele Andrioli lässt keine Sprachverwirrung aufkommen. Mit Ausnahme des Titelstücks singen sie ausschließlich im apulischen Dialekt und verwurzeln so die Musik im Stiefel Italiens.
Martin Steiner

 KIRSTEN BRÅTEN BERG: Tonesvarm Gennom 35 År
KIRSTEN BRÅTEN BERG
Tonesvarm Gennom 35 År
bergsam.no/folkemusikk
(Grappa/Galileo)
CD 1: 16 Tracks, 56:44, CD 2: 13 Tracks, 47:46 , mit norw. Texten u. Infos


Es gibt wohl kaum jemanden in der skandinavischen Folkszene, der sie nicht kennt. Die Norwegerin mit ihrer so typischen Stimme hat seit ihren ersten Auftritten (1970) sechzehn Alben herausgebracht. Die Bandbreite der Stücke ist beträchtlich. Das einzig Konstante ist die dem Kveding, dem urtümlichen norwegischen Gesangsstil zuzuordnende Stimme Bråten Bergs. Die wichtigsten Musiker, mit denen sie seit Ende der Achtzigerjahre zusammengearbeitet hat, sind der Multiinstrumentalist Ale Möller, die norwegischen Jazzmusiker Arild Andersen (Kontrabass) und Bugge Wesseltoft (Keyboards) und in den letzten Jahren die Norwegerin Annbjørg Lien (Violine, Hardangerfiedel). Dazu kamen dann 1997 das Projekt mit zwei senegalischen Musikern und 2000 Stemmenes Skygge mit Lena Willemark (Gesang, Violine, Flöte) und Marilyn Mazur (Percussion), womit sie 2005 auch bei Folk Baltica aufgetreten sind. Überraschend: jeweils ein Lied von Leonard Cohen und Richard Thompson sind auf der zweiten CD. Der „musikalische Tonschwarm durch 35 Jahre“ ist weder thematisch noch chronologisch geordnet. Die Auswahl ist aber so gut, dass man die beiden CDs hintereinander in einem Zug hören kann, ohne dass es langweilig wird.
Bernd Künzer
 KERSTIN BLODIG: Out Of The Woods
KERSTIN BLODIG
Out Of The Woods
kerstinblodig.com
(Stockfisch Records/In-akustik)
13 Tracks, 65:41 , mit dt. u. engl. Infos


Auf Anraten ihres Produzenten entschied sich die Norwegerin Kerstin Blodig, ihr Studio kurzerhand in das frühlingsgrüne Dickicht des Sollings zu verlagern. Vor der Geräuschkulisse des Waldes entstanden dort mit einigen Gastmusikern die Aufnahmen für ihr neues Album – passend Out Of The Woods betitelt. Für die erfahrene Musikerin, deren Backkatalog als Solistin sowie als Teil zahlreicher Bandprojekte beeindruckend ist, war die Aussicht, eine Auswahl an Songs zum Thema Frühling inmitten der Natur zu singen, besonders reizvoll. Bereits der erste Track, eine Interpretation des Folksongs „False, False“, den Blodig im schottischen Dialekt vorträgt, beweist ihr einfühlsames Gespür für verschiedene Folkmusiktraditionen. Sie nimmt sich viel Zeit, um die Erzählung einer verlorenen Liebe zu erzählen, und verlässt sich auf die sparsame Begleitung von Gitarre und Bass. Für die Eigenkompositionen „The Raven“ und „Solbønn“ greifen die Gastmusiker und die Künstlerin selbst – die sich als erstklassige Akustikgitarristin empfiehlt – zu typisch norwegischem Instrumentarium wie Nyckelharpa und Geige. Über die wiederkehrenden esoterischen Verweise auf die mystische Welt der Elfen und Trolle mag man hinwegsehen.
Judith Wiemers

 THEA GILMORE: Ghosts & Graffiti
THEA GILMORE
Ghosts & Graffiti
theagilmore.net
(Fullfill Records FCCD165/Al!ve)
20 Tracks, 72:55 , mit engl. Infos u. Texten


Nach vierzehn Alben in siebzehn Jahren wäre es durchaus legitim, wenn Thea Gilmore eine Greatest-Hits-Sammlung veröffentlichen würde. Dumm nur, dass sie nie Hits im Rahmen der Charts aufweisen konnte. Also hat sie mal ausführlich innegehalten (knapp 73 Minuten sind schon ein Ausrufezeichen), ein paar Höhepunkte aus ihrem Backkatalog und ein paar Radiofavoriten rausgepickt, vier neue Songs eingespielt sowie sechs neu interpretierte und eingespielte frühere Stücke ausgesucht. Genau diese letzten beiden Kategorien haben es in sich, denn hier wird nach Herzenslust kollaboriert. The Waterboys, Joan Baez, Billy Bragg oder King Creosote sind nur ein paar der Namen und ein deutliches Zeichen der Wertschätzung. Wie diese Musiker jedoch gemeinsam mit Gilmore die politischen und persönlichen, aber immer tief gehenden und cleveren Rock-Pop-Folk-Songs dieser profilierten englischen Songwriterin neu erklingen lassen – doch, das hat schon was. Lange mögen ehrliche Künstlerinnen wie Thea Gilmore erfolgreich gegen den mächtigen Online-Musikindustriebrei ansingen!
Mike Kamp
 GRENSZLAND: Kersen delen/Kirschen teilen
GRENSZLAND
Kersen delen/Kirschen teilen
grenszland.de
grenszland.nl
(Nederossi NOP 141001/NOP 141002)
CD 1: 19 Tracks, 71:57, CD 2: 19 Tracks, 72:28


Hinter Grenszland verbirgt sich ein Duo mit dem Sänger und Gitarristen Johan Meijer und dem Geiger Jos Koning. Beide CDs sind einzeln erhältlich und bis auf zwei Titel identisch, allerdings eine komplett auf Deutsch und eine komplett auf Niederländisch. Meijers Verdienste um die Verbreitung europäischen Liedgutes dürften in Liedermacherkreisen bekannt sein, somit sind wieder Nachdichtungen großer Chansonniers wie Georges Brassens, Jacques Brel und Wladimir Wyssozki – in Übersetzungen meist von Diete Oudesluijs und Meijer – zu hören. Die Hälfte aber sind Songs von Gerhard Gundermann, dem Meijer seit Jahren – beispielsweise durch das Album Hondsdraf (siehe Folker 5/2008) – besonders verbunden ist, darunter großartige Titel wie „Gras“ oder „Die Zukunft“. Dazu kommen eigene, melancholische Lieder wie „Anna Paulowna“ und zwei Instrumentalstücke wie etwa „Fyn Swyntie“, in denen Jos Koning seine Virtuosität beweisen kann. Im Gegensatz zu Meijers preisgekrönten Europeana-Alben ist die Instrumentierung diesmal minimalistisch, sodass man sich auf seinen Gesang mit dem an Herman van Veen erinnernden Akzent und die Liedtexte konzentrieren kann. Leider sind die Texte und Infos nur im Internet nachzulesen.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 OTAVA YO: What Are Those For Songs!
OTAVA YO
What Are Those For Songs!
otava-yo.spb.ru
(CPL-Music CPL 007)
11 Tracks, 48:49 , mit Texten


Folk-Fusion aus Russland ist hierzulande stark im Kommen, und so ist es für die sechs Musiker aus St. Petersburg schwer, nicht nur eine weitere slawische Folkrockkapelle zu sein. Die gute Nachricht: Otava Yo klingen kein Stück nach Gogol Bordello, im Gegenteil, bei Otava Yo bekommt das Label Folkpunk eine ganz andere Bedeutung. Mit viel Spielwitz überzeichnen die Jungs russische Gewohnheiten und Melodien und führen sie zu einer unwiderstehlichen Mischung aus Nostalgie und Ironie. Das Ergebnis wird musikalisch dann deutlich beschleunigt, um dem Pogotänzer zu seinem Recht zu verhelfen. Mit dieser Mixtur verbreiten Otava Yo Ausgelassenheit und Fröhlichkeit. Der Humor geht nicht zu Lasten anderer, die Musiker nehmen sich selbst nicht zu ernst. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hier um sechs ausgezeichnete Profis handelt, deren leicht aussehende Spielfreude hart erarbeitet wurde. Ein Studioalbum hat es bei einer Band, die für ihre Livequalitäten berühmt ist, selten leicht, aber dieses Debüt muss man genießen. Die Zwischentöne, die im lauten Gestampfe vor der Bühne üblicherweise untergehen, kommen auf What Are Those For Songs! zu ihrem Recht. Übrigens könnte der Titel des Albums passender nicht sein.
Christian Elstrodt
 RÖNSY: Juureilevia Tarinoita/Wandering Tales
RÖNSY
Juureilevia Tarinoita/Wandering Tales
ronsy.net
(Ääniä Records)
7 Tracks, 50:00 , mit finn. Infos


Wenn die große finnische Akkordeonistin Maria Kalianemi ein Album mit jungen Musikern produziert, dann geht es nicht nur um die Bewahrung der Tradition, wie man an ihrer inzwischen weltbekannten Schülerin Johanna Juhola sehen kann. Die Basis für diese Musik wurde in der Folkabteilung der finnischen Sibelius-Akademie gelegt, an der alle drei Musikerinnen von Rönsy studiert haben. Ein weiterer Einfluss geht von Timo Alakotila aus, der als der wichtigste Komponist der moderneren finnischen Folkmusik gilt. Mit ihm spielt Ristiluoma in der Gruppe T For Three zusammen. Rönsys Debütalbum wurde als das „Kantele-Album des Jahres 2010“ ausgezeichnet. Und auf diesem Weg haben sie sich weiterentwickelt. Das Trio besteht aus Helmi Camus, Kontrabass und Harmonium, Maija Kauhanen, Kantele, Saxofon und Harmonium, sowie Kaisa Ristiluoma, Akkordeon. Alle drei singen. Die sieben Eigenkompositionen zeichnen sich durch meisterhaft strukturierte Arrangements und eine meist minimalistische Spielweise aus. Der Sound ist modern und typisch finnisch, vergleichbar mit dem von Troka und JPP, also melodiös trotz einiger provozierender Dissonanzen. Wenn man dieses Album hört, ist einem nicht bange um die finnische Folkmusik.
Bernd Künzer

 SEIVA: Seiva
SEIVA
Seiva
seivaonline.com
(Bigorna/Galileo)
12 Tracks, 44:53


Seiva ist eine neue portugiesische Formation, die akustische Folkmusik im Stil einer Alternative-Rock-Band spielt. Wer bei dieser Beschreibung spontan an die Gruppe Dazkarieh denkt, liegt genau richtig. Denn Seiva ist das Nachfolgeprojekt von Dazkarieh, die sich 2014 auflösten. Zwei der drei Musiker von Seiva spielten schon bei Dazkarieh: der einfallsreiche Gitarrist Vasco Ribeiro Casais und die starke Sängerin Joana Negrao. Und auch der Bandsound hat sich nicht wesentlich verändert. Zwar hatte Dazkarieh 1999 als Gothic-Folkband angefangen und durchlief anschließend eine Weltmusikphase. Doch ab dem epochalen Album Incognita Alquimia im Jahr 2006 war die Richtung klar: Von „Nu Portuguese Folk“ sprach die Plattenfirma damals. Und genauso kann man auch die Musik von Seiva beschreiben: Folk auf der Höhe der Zeit, mit starken Melodien und noch besseren Arrangements, regional verankert, international anschlussfähig. Es ist rätselhaft, warum es auf der alten Bandseite von Dazkarieh heißt, die Musiker wollten etwas Neues machen. Dass Ribeiro Casais und Negrao den bisherigen Schlagzeuger durch eine Percussionistin ersetzt haben, macht jedenfalls keinen großen Unterschied. Mochten sie einfach den Namen Dazkarieh, ein Fantasiewort, nicht mehr? Seiva, das mit „Lebenssaft“ übersetzt werden kann, passt jedenfalls zum Anspruch, sich noch mehr der ländlichen portugiesischen Kultur zuzuwenden. Doch egal wie das Kind heißt, es ist großartig, dass Seiva da weitermachen, wo Dazkarieh aufgehört hat.
Christian Rath
 SIMPSON CUTTING KERR: Murmurs
SIMPSON CUTTING KERR
Murmurs
topicrecords.co.uk
(Topic Records TSCD591)
12 Tracks, 50:57 , mit engl. Infos u. einigen Texten


Es ist in den letzten Jahren in englischen Folkkreisen deutlich populärer geworden, sich in wechselnden Kombinationen zusammenzufinden, manchmal nur für ein Projekt, manchmal auch für länger. Das Trio aus drei bekannten Künstlern wie Martin Simpson (Gitarre, Gesang), Andy Cutting (diatonische Akkordeons) und Nancy Kerr (Fiddle, Gesang) scheint eher in letzterer Kategorie einzuordnen zu sein, so natürlich, leichtfüßig und frisch klingt ihr Zusammenspiel bei den traditionellen und eignen Songs und Tunes. Was wiederum auch nicht verwundert, schließlich sagt Simpson auf die Frage nach seiner Lieblingsbeschäftigung: „Mit Andy Cutting Musik machen.“ Und somit spielt Zweiterer auch in des Ersteren Band. Nancy Kerr hat bereits in diversen Formationen bewiesen, dass sie hervorragend auf Mitmusiker eingehen kann, ohne ihren eigenen Stil zu verleugnen. Erst gingen die drei auf Tour, dann ins Studio, und entsprechend organisch klingen die Aufnahmen. Simpson als musikalischer Veteran trägt den Hauptanteil der Beiträge, und man muss nur seine Interpretation des Klassikers „The Plains Of Waterloo“ als Beweis hören, warum das Zusammentreffen dieser drei Könner absolut zu begrüßen ist.
Mike Kamp

 SMADJ: Spleen
SMADJ
Spleen
smadjmusic.com
(Jazzvillage, Harmonia Mundi)
11 Tracks, 48:17 , frz. Texte und Infos


Auf der mandelförmig gewölbten Ud figuriert Jean-Pierre Smadja, kurz Smadj, sein unglaubliches Oriental-Electronic-Feuer. Die doppelten Saiten über kurzem, abgewinkeltem Hals schwirren und flirren in einer Atmosphäre, die einerseits die bedeutende Rolle der Laute Ud in der arabischen Musik bestärkt, andererseits ihre Zukunft im einundzwanzigsten Jahrhundert festigt. Fünf Jahre Zeit hat er sich für seine Aufnahmen in Frankreich und der Türkei gelassen. Entstanden ist eine meditativ pulsierende Melange, die wieder mal beweist, dass die Essenz aller Kulturen eine einende ist. Das scheinbar Trennende findet hier wie von selbst zusammen. Der „Spleen“ wird zu etwas Selbstverständlichem. Ob Kora, Ud, Bandoneon, Klarinette oder Trompete, alle sprechen eine Sprache in ganz verschiedenen Nuancen. Bereits 2002 hat Smadj im Duo Duoud auf dem Album Wild Serenade mit dem fulminant furiosen Eröffnungsstück „Yarima“ neue Maßstäbe für die Fusion ältester Tradition und neuester Elektronikgrooves gesetzt. Darin erinnerten sie an die bahnbrechende Alex Oriental Experience der 1970er-Jahre. Einfach großartig bestechend eloquent dieses Album. Smadj setzt der Urmutter all ihrer europäischen Nachfahren ein weiteres Denkmal.
Stefan Sell
 HANS THEESSINK: True & Blue – Live
HANS THEESSINK
True & Blue – Live
theessink.com
(Blue Groove Records BG 2520/In-Akustik)
14 Tracks, 70:00


Der Wahlwiener Hans Theessink, den es vom niederländischen Enschede in die Donaumetropole verschlug, hat sich längst mit seiner eigenen, rhythmisch entspannten Spielart des Blues, den er gänzlich „theessinkifiziert“ hat, in die Herzen vieler Fans gespielt. Ob in Amerika, Deutschland, Österreich, Indien oder Dänemark, sein Bariton und seine Gitarre sind immer eine Empfehlung wert. Auf die braucht auch Terry Evans nicht zu warten, seit Jahren sind der ehemalige Sänger von Ry Cooder und Theessink miteinander befreundet, und die Studioalben der beiden Blues Brothers heimsten sich das Lob der internationalen Fachpresse ein. Das Paar ist ein gern gehörter Liveact, und da lag die Aufnahme eines Livealbums nahe. Keine Frage, dass es wunderbar ist: Die beiden Stimmen ergänzen sich traumhaft, die Stimmung ist lässig bis euphorisch, das einfache, aber effektvolle Gitarrenspiel ein Triumph der Rhythmuskunst, die Titelauswahl aus gut abgehangenen Standards ein Coup zum Mitsummen, und das kleine Gitarrenkunststück, bei der Theessink beim Automobilklassiker „Maybellene“ einen Startversuch imitiert, ist mehr als einen Lacher wert. Ein Ehrenplatz für dieses Juwel!
Harald Justin

 WE BANJO 3: Live in Galway
WE BANJO 3
Live in Galway
webanjo3.com
(Eigenverlag WB3CD003)
15 Tracks, 56:00 , mit wenigen engl. Infos


Was macht ein Rezensent, wenn er ein Zitat von sich auf dem Plattencover und seinen Namen bei den Danksagungen findet? Nun, er hört gleich doppelt sorgfältig hin, wenn er sich sein Urteil bildet, dabei ist der vorliegende Fall ein Kinderspiel: We Banjo 3 sind eine Liveband par excellence, da kann doch eigentlich nichts schiefgehen, wenn sie vor heimatlichem Publikum aufnehmen. Man muss doch nur die Mikrofone richtig aufstellen und nicht vergessen den Knopf zu drücken. Stimmt – und doch sind die beiden Brüderpaare im Sinne der Abwechslung ein Risiko eingegangen. Nicht nur haben sie Gastmusiker auf die Bühne geholt, sie haben sich für das Album sogar eine vierköpfige Bläsersektion zugelegt (Trompete, Posaune, zweimal Saxofon). Diese vier Herren drücken nachdrücklich auf die Powertaste und sorgen für zusätzliche rhythmische Akzente. Das könnte auch nach hinten losgehen – zu viel des Guten. We Banjo 3 setzen die Bläser jedoch nur bei einem Drittel der Stücke ein und vermeiden damit eine Übersättigung. Die Mischung aus Gästen und We Banjo 3 pur ist ausgewogen, das Publikum stimmt lautstark ein: „We need more banjos in this world!“, und der Eindruck eines grandiosen Abends ist nachhaltig. Alle Liveklippen erfolgreich umschifft!
Mike Kamp



International
 CHECKPOINT 303: The Iqrit Files
CHECKPOINT 303
The Iqrit Files
checkpoint303.com
(Kirkelig Kulturverksted, Indigo)
13 Tracks, 45:28 , arab. u. engl. Texte


Das Kollektiv Checkpoint 303 setzt mit seiner Klangcollage The Iqrit Files ein Mahnmal, erinnert an eine Tragödie aus Jahre 1948, bei der das palästinensische Dorf Iqrit im Verlauf des arabisch-israelischen Krieges zerstört wurde und seine Bewohner flüchteten. Ein schwieriges Unterfangen, zum einen, weil die Musik ohne ausführliche Informationen zu den Hintergründen wie ein experimenteller DJ-Remix anmuten kann, zum anderen, weil die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern bis heute nicht beendet wurden. Das Besondere an diesem musikalischen Mahnmal: In seiner Vielstimmigkeit, den Worten, Gesängen und Klängen wiederholen sich rhythmisch die allgegenwärtige Bedrohung, der Verlust der Heimat und das Fehlen einer lebenswürdigen Zukunft, das Hörbild wird zum Aufschrei nach Menschlichkeit und Frieden. Hinsichtlich dieses Tenors ein Mahnen, das nicht oft genug erfolgen kann und hier auf klingende Weise zugleich aufwühlt und einnehmend wie bewegend berührt. So zitiert „My Homeland“ die Melodie des bekannten Volksliedes „Üsküdara“, das so viele Kulturen ihr eigen nennen. Wird das Lied gesungen, sind Text und Inhalt immer verschieden, die Melodie aber ist weltweit immer dieselbe.
Stefan Sell
 MAJA & DAVID: CPH-Café-YUL
MAJA & DAVID
CPH-Café-YUL
majandavid.com
(GO’ Danish Folk Music GO0615)
11 Tracks, 44:51 , mit engl. Infos?


Maja Kjær Jacobsen ist Masterabsolventin der dänischen Musikakademie. Sie begann mit vierzehn, Geige zu spielen und später auch die Hardangerfiedel. Sie komponiert und ist Mitglied des Trios Fru Skagerrak und eines Trios mit ihrem eigenen Namen. Sie hat sich intensiv mit der traditionellen Musik ihrer Heimatregion, Zentral-Jütland, beschäftigt und plant hierüber ein Buch zu veröffentlichen. Der Komponist und Fiddler David Boulanger kommt aus Québec und ist unter anderem Mitglied der legendären Folkband La Bottine Souriante. Das dänisch-kanadische Duo spielt seit 2012 zusammen und hat in kurzer Zeit mit ihrem phänomenalen Zusammenspiel die Zuhörer fasziniert und die Bühnen erobert. Gleich nach dem Erfolg ihres noch über Crowdfunding finanzierten Debüts Nord (2013) produzierten sie das vorliegende Album. Auch bei diesem stehen die Fiddles im Mittelpunkt, wobei die Melodiestimme meist von Jacobsen gespielt wird, während Boulanger eine unglaublich schöne Begleitung auf den tiefen Saiten erklingen lässt. Daneben gibt es mehrere Gesangseinlagen und natürlich das frankokanadische Foot Tapping. Das gesamt Werk ist eine Mischung aus traditionellen Melodien und Eigenkompositionen der beiden Musiker. Die Texte sind auf der Website des Duos zu finden.
Bernd Künzer

 NOA: Love Medicine
NOA
Love Medicine
noasmusic.com
(MW-Records MWCD 1027)
12 Tracks, 43:25 , mit engl. Infos u. engl., hebr., span. Texten


Vor über fünfundzwanzig Jahren traten Achinoam Nini, so der Name, unter dem Noa in Israel bekannt ist, und Gil Dor, Komponist, Gitarrist und Produzent, ein erstes Mal gemeinsam in der Öffentlichkeit auf. 1991 erschien Noas erstes Album. Ein knappes Vierteljahrhundert später ist es nun bereits das vierzehnte sein. Wie von Beginn an, konzentriert sich das Repertoire Noas auf zwei Märkte, zum einen auf Israel, wo ein Erfolg im Wesentlichen nur mit Liedern in hebräischer Sprache möglich ist. Zum anderen ist die in New York aufgewachsene und fließend englisch sprechende Sängerin auf dem außerisraelischen Markt aktiv, darunter vor allem in den USA, Deutschland und Spanien. So gehört das vorliegend Album eindeutig zu Letzterem, ist doch nur eines der dreizehn Lieder, „Schalom“, in hebräischer Sprache. Weitere neun Liedtexte stammen von Noa selbst, allesamt in Englisch, während die Musik zum Großteil gemeinsam von ihr und Dor komponiert wurde. Gewagt, aber trotzdem gelungen, ist die Coverversion von „Eternal Flame“, ein weltweiter Nummer-eins-Hit der Bangles aus dem Jahr 1989. Herausragend vielleicht „You“, das Noa im Duett mit dem spanischen Liedermacher Joaquin Sabina singt.
Matti Goldschmidt
 SOLODEGUITAR: Covered With Love/Reprises Par Amour
SOLODEGUITAR
Covered With Love/Reprises Par Amour
solodeguitar.com
(Acoustic Music Records, Rough Trade)
15 Tracks, 49:36 , Bonus: 50 Fotos


In Montepellier mit dem wunderbaren Namen Solo Razafindrakoto geboren, wuchs Solorazaf in seiner Heimat Madagaskar auf und kehrte mit zweiundzwanzig nach Frankreich zurück. Er wurde schon bald zu einem gefragten Sideman. Fünfzehn Jahre ist er in der Miriam Makeba Band. Kein Wunder, dass ihm auf seinem außergewöhnlichen Coveralbum mit „Pata, Pata“ eine der liebevollsten Hommagen an Makeba gelungen ist. Sein Scatgesang weht wie ein Windhauch, sein perkussives Spiel perlt wie Regentropfentrommeln und sein kunstvoll jazzig, immer afrikanisch verwurzeltes Spiel auf den Saiten seiner einzigartig dreieckigen Gitarre bezirzt vom ersten Ton an. Solorazaf spielt so locker leicht, als spiele er eine Triangel, die alles Umkreisende mit ihren Eckpunkten berührt und ihre unfassbar polyfon-rhythmischen Klänge aus dem schallenden Innenkreis in die Welt entlässt. Fast die Hälfte der Stücke sind von Jimi Hendrix, sommerlich heiter, sanft berührend variiert. Ferner Marvin Gayes „What’s Going On“ und eine fantastisch leichtfüßige Version des meistgecoverten Beatles-Stücks „Yesterday“. Flirrend-flirtend, beglückend faszinierend dreht und dreht sie sich: das Gitarrenalbum des Jahres! Es wird uns diesen heißen Sommer in Herbst und Winter hinüberretten.
Stefan Sell

 VIBRATANGISSIMO: Voyage À Buenos Aires – Live
VIBRATANGISSIMO
Voyage À Buenos Aires – Live
vibratangissimo.de
(Big-Tone-Records, BTR 0615)
11 Tracks, 76:54 , mit engl., dt. Infos u. vielen Fotos


Im Rahmen des zwanzigjährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft im November 2014 macht die Berliner Kulturverwaltung ihrer argentinischen Partnerin ein besonderes Geschenk, indem sie als musikalischen Gruß ein modernes Tangoquartett aus Berlin nach Buenos Aires schickt, mit Musikern, deren Lebensläufe sich wie ein Konzentrat der Geschichte des letzten Jahrhunderts lesen. Juan Lucas Aisemberg (Bratsche) wurde 1967 als Kind argentinischer Eltern in Budapest geboren, wuchs in Italien auf, studierte in Rom, Gstaad (Schweiz) und Berlin. Tuyêt Pham (Piano) wurde in Paris als Kind vietnamesischer Eltern geboren und kam zum Studium nach Berlin. Oli Bott (Vibrafon) und Arnulf Ballhorn (Bass) sind Deutsche mit allerdings nicht minder abenteuerlichen Entwicklungswegen. Das Album der vier klassisch ausgebildeten Musiker (plus César Nigro an der Gitarre auf Track 6) ist ein Livemitschnitt zweier Konzerte im Anschluss an die Reise in der Kunstfabrik Schlot in Berlin. Zu hören sind Titel von Alberto Ginastera, Astor Piazzolla, Ariel Ramírez, Horacio Salgán und Oli Bott, arrangiert von Juan Lucas Aisemberg. Zu hören ist auch die hohe Musikalität in Arrangement und Ausführung, die spieltechnische Perfektion, der Anspruch. Zu spüren ist aber auch die Distanz zum lebendigen Tango als Tanz.
Cathrin Alisch



Kurzrezensionen
 RYAN ADAMS: Ten Songs From Live At Carnegie Hall
RYAN ADAMS
Ten Songs From Live At Carnegie Hall
(Paxamericana, Columbia PAX-AM 053/Sony)
10 Stücke, 51:43


Für die CD-Version des Albums hat sich Ryan zehn Stücke ausgesucht, die umfangreichere Vinylversion bringt es dagegen auf beachtliche sechs Alben. Aufgenommen wurden zwei Soloauftritte in der ehrwürdigen Carnegie Hall in New York, und alle, die ihrer Schwermut einen Tag Kur gönnen möchten, sind hier bestens aufgehoben. Eine (nicht nur) melancholische Werkschau.

 THE APACHE RELAY: The Apache Relay
THE APACHE RELAY
The Apache Relay
theapacherelay.com
(Membran/Sony)
13 Tracks 45:47


Der Sechser aus Nashville hat auf seinem neuen Album dem semiakustischen Folkrock einen Wall of Sound verpasst, an dem Phil Spector seine Freude hätte. Himmelwärtsstrebende Stücke und ein euphorischer Gesang, bei dem selbst ein „Don’t Leave Me Now“ wie ein Jubilieren klingt. Seelenverwandte von Mumford & Sons, mit denen sie auch schon auf Tour waren.


 SIGRUN BANKWITZ & THOMAS BRECKHEIMER: My Favorite Celtic Songs
SIGRUN BANKWITZ & THOMAS BRECKHEIMER
My Favorite Celtic Songs
sibanmusik.de
aurilli.de
(Siban Musik)
18 Tracks, 50:14


Keltische Lieblingslieder eines niedersächsischen Musikerpaares. Was kann dabei rumkommen? In diesem Fall schlicht und doch wunderbar vorgetragene irische und schottische Lieder zur Harfe, deren Melodien zum Hinschmelzen schön in die Seele dringen. Kein geringerer als Jens Kommnick begleitet die beiden auf seine feine, hintergründige Weise.

 LAMIA BÈDIOUI & THE DESERT FISH: Athamra
LAMIA BÈDIOUI & THE DESERT FISH
Athamra
lamiabedioui.com
(Eigenverlag)
14 Tracks, 61:13


Die griechische Band The Desert Fish trifft auf die wunderbare tunesische Sängerin und Geschichtenerzählerin Lamia Bèdioui. Seit mehr als zwanzig Jahren lebt sie in Griechenland. Ihre Stimme reift im reizvollen Zusammenspiel der hinreißenden Arrangements zur Tiefe einer Diamanda Galas und der Verspieltheit eines Angelo Branduardi. Fabelhaft!


 BLOCKFLÖTE DES TODES:  Fifty Shades Of Earl Grey
BLOCKFLÖTE DES TODES
Fifty Shades Of Earl Grey
blockfloetedestodes.de
(Revolver Distribution Service/Rough Trade)
12 Tracks, 37:36


Matthias Schrei aus Berlin, der sich die Blockflöte des Todes nennt, startet und beendet sein Album über die Maßen freundlich und liebevoll mit einem Song über seine Tochter. Die weiteren Lieder sind ebenso wenig tödlich, sondern voller spleeniger Einfälle, die zudem musikalisch vielseitig präsentiert werden.

 NIAMH BOADLE: Maid On The Shore
NIAMH BOADLE
Maid On The Shore
niamhboadle.co.uk
(Wild Goose Records WGS 411 CD)
13 Tracks, 51:08


Das ist genau das, was die Inseln im Nordwesten haben und wir nicht: Junge, talentierte (Folk-)Musiker und -innen, die ihr Fach an Hochschulen studieren und überdies prestigeträchtige Preise gewinnen können. Und mit einundzwanzig Jahren ziemlich reife Alben einspielen, wie diese Dame mit irisch-englischem Hintergrund und einem ebensolchen Repertoire.


 PHILIP BRADATSCH: When I’m Crue
PHILIP BRADATSCH
When I’m Crue
reverbnation.com/philipbradatsch
(Off Label Records)
9 Tracks, 33:00


Er singt vom Leben in all seinen Facetten, ob fröhlich, traurig oder liebevoll. Der Sänger Philip Bradatsch verarbeitet auf seinem Album When I’m Cruel Eindrücke jeder Art. Geschichten über Schrecken, Krankheit oder Gefühle im Regen versetzen den Zuhörer dank Gitarrensounds und rauer Stimme an ein imaginäres Lagerfeuer mit Countryflair.

 THE BROS LANDRETH: Let It Lie
THE BROS LANDRETH
Let It Lie
thebroslandreth.com
(State Creek Records/Alive)
Promo-CD, 11 Tracks, 44:00


Mit einer kleinen Slide-Melodie auf der Dobro fängt dieses Album an und macht klar: Hier gibt es traditionellen Rootsrock, zwar mit Schlagzeug und elektrischem Bass, doch auch mit feinen Balladen und einer knappen, auf das Notwendigste reduzierten Produktion.


 CHAPEAU: Claque
CHAPEAU
Claque
chapeau-band.de
(Prosodia Records 4280000827067/Eigenvertrieb)
11 Tracks, 37:37


Es gehört eine Menge Mut dazu, Wilhelm Busch zu vertonen. Die Liedersammlung dann noch unter einen Hut zu bringen, ist schon fast ein Geniestreich. In diesem Fall ist der Hut wortwörtlich zu verstehen. Das Duo nennt sich nicht nur nach einem Zylinder, sondern ordnet thematisch auch jedes Gedicht von Wilhelm Busch einer eigenen Kappe zu. Hut ab für dieses Experiment.

 CIMBALIBAND: Moldva
CIMBALIBAND
Moldva
cimbaliband.hu
(Fonó, FA 365-2)
12 Tracks, 48: 39


Speedfolk à la Magyar-Party über Hackbrett, virtuose Sologeige, Singstimme (Eszter Szita) und Begleitensemble. Bandleader, Balazs Unger, sammelte seit 1996 Eindrücke, originale Elemente der Tanzszene im benachbarten Rumänien und präsentiert auf diesem Album grenzübergreifend authentische und tanzbare Musik vom Balkan auf traditionellen Instrumenten.


 COLLUDIE STONE: Native Land
COLLUDIE STONE
Native Land
colludiestone.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 51:50


Debütalbum eines schwäbischen Irish-Folk-Quintetts mit fünf Songs und sieben Tunes der feineren Art. Eher Musik für eine tea time am Kamin als für eine laute Pubparty, die zwischen einfachen traditionellen Melodien und vertrackten Arrangements Spannung aufbaut. Da sind Könner am Werk, was man auch am aufwendig gestalteten Beiheft sieht.

 THE CROOKED BROTHERS: Thank You I’m Sorry
THE CROOKED BROTHERS
Thank You I’m Sorry
crookedbrothers.com
(The Instrument Village IV011/Rough Trade)
9 Tracks, 34:09


Wem es nicht seltsam vorkommt, wenn drei befreundete Musiker ihre Vornamen behalten, sich aber den Familiennamen Crooked selbst vergeben, und dann gemeinsam eine Mixtur aus Folk, Country, Bluegrass und Rock ’n’ Roll auf allerlei akustischen Instrumenten, darunter Cello, Kontrabass und elektrischer Pedal-Steel-Gitarre spielen – der wird dieses Album lieben.


 THE DESLONDES: The Deslondes
THE DESLONDES
The Deslondes
thedeslondes.com
(New West Records KW6325/Membran/Sony)
12 Tracks, 39:32


Aus Nashville, Tennessee, kommt die fünf Mann starke famose Band, die eigene Songs à la New Orleans, Rhythm and Blues, Memphis Rock und Louisiana Country präsentiert. The Deslondes wurden 2010 von Sam Doores, Riley Downing und Dan Cutler gegründet. Im letzten Sommer spielten sie bereits beim legendären Newport Folk Festival.

 DIVERSE: Cruinneachadh Chaluim
DIVERSE
Cruinneachadh Chaluim
greentrax.com
(Greentrax Recordings CDTRAX9026D)
Do-CD, 33 Tracks, 113:37


Das 26. Album in der Serie mit Feldaufnahmen enthält Material aus den Fünfzigern vom ersten offiziellen Sammler der School of Scottish Studies, Calum MacLean. Je eine Gesangs- und Instrumental-CD, tontechnisch gut aufbereitet, von hoher musikalischer Qualität, und das 44-seitige Booklet ist voller interessanter Infos – eine wie üblich vorbildliche Produktion.


 DIVERSE: Folk Aus Norwegen Vol. 3
DIVERSE
Folk Aus Norwegen Vol. 3
nordic-notes.de
(Nordic Notes)
16 Tracks 68:34


Innovativ ist ein Sampler selten, aber manchmal kann er auch Kennern der Szene Anregendes bieten, nämlich dann, wenn der Herausgeber den Mut hat, unbekanntere Musiker vorzustellen wie hier Maar, Gammalgrass, Sudan Dudan, Erlend Viken Trio, das Unni Boksasp Ensemble, bei denen es sich lohnt, sich näher damit zu beschäftigen. Eine geschickte Auswahl.


 DIVERSE: Independent Celebration Vol. 1
DIVERSE
Independent Celebration Vol. 1
(Birdstone Records)
Promo-CD, 16 Tracks 64:43


Die erste Veröffentlichung des neuen Hamburger Labels hat es sich zur Aufgabe gemacht, neue oder wenig bekannte Musiker auf dem deutschen Markt vorzustellen. Künstler wie Ben Taylor, Grant-Lee Phillips oder Tom Freund haben schon eine veritable Karriere vorzuweisen, aber es gibt noch viel mehr zu entdecken, auf dieser rundum gelungenen Kompilation.


 EL JUNTACADAVERES: Twists And Turns
EL JUNTACADAVERES
Twists And Turns
eljuntacadaveres.com
(MW Records MWCD3048/Galileo MC)
13 Tracks, 43:36


Bei El Juntacadaveres treffen sich neben Tango Hip-Hop, Art Rock, Jazz, aber auch Cumbia, Blues und Walzer. Und neben dem Bandoneon hört man Saxofon oder Hammondorgel. Das ist wohl die nächste Generation des Tangos, ein quirliger Crossover, der nicht mehr unbedingt die Elektronik im Vordergrund braucht. Vielleicht sollte man es Art Tango nennen.

 THE EXPANDERS: Hustling Culture
THE EXPANDERS
Hustling Culture
theexpanders.net
(Easy Star Records ES-1050/Broken Silence)
12 Tracks, 51:15


Drittes Album des Quintetts aus Los Angeles, das seit 2003 seiner Vorliebe für den Roots Reggae der Siebziger frönt. Die Grooves sind kompetent, lassen aber Flair vermissen – wie das Songwriting, das zwar muntere, flüssige Melodien produziert, aber in keinster Weise den Vorbildern auch nur ähnelt. Lobend sei der völlige Verzicht auf Patois erwähnt!


 EX SILENTIO: Mneme
EX SILENTIO
Mneme
(Carpe Diem Records, 16306)
10 Tracks, 60:11


Das Ensemble Ex Silentio präsentiert Exzellentes unter der Obhut von Mneme, der Muse der Erinnerung. Die hier zu hörenden „Cantigas de Santa Maria“ gehen auf eine Sammlung König Alfons des Weisen zurück, der bereits im dreizehnten Jahrhundert im Süden Spaniens ein Hand in Hand von Juden, Moslems und Christen gefördert hat.

 FARIS: Mississippi To Sahara
FARIS
Mississippi To Sahara
facebook.com/farismississippitosahara
(Wrasse Records WRASS329)
10 Tracks, 53:44


Dem sogenannten Desert Blues à la Farka Touré wird gerne bescheinigt, dass er zum Beispiel mit dem Delta Blues in enger Verbindung steht. Faris Amine, Sohn eines italienischen Entwicklungshelfers und einer algerischen Targia, interpretiert vorzüglich als Sänger und Gitarrist Bluessongs unter anderem von Son House und Fred McDowell im Assouf-Stil der Touareg.


 MICK FITZGERALD: Cabra Tracks
MICK FITZGERALD
Cabra Tracks
mickafitzgerald.de
(Claddagh Recods)
11 Tracks, 39:47


Dass ambitionierte Amateurmusiker wie Mick Fitzgerald mit relativ wenig Aufwand Alben produzieren können, ist eine der schönen Seiten der modernen Musikindustrie. Auf Cabra Tracks besinnt er sich auf seine Herkunft in der irischen Provinz und gedenkt in elf Songs langen Nächten im Pub, harter Farmarbeit und den Kapriolen exzentrischer Bürgerschrecks.

 ELIN FURUBOTN: Ǻ Nærme Seg Det Nære
ELIN FURUBOTN
Ǻ Nærme Seg Det Nære
furubotn.com
(Grappa)
10 Tracks, 38:58


Mit ihrer lieblichen Jungmädchenstimme singt die Komponistin und Gitarristin hier leichte und eher leise eigene Popsongs untermalt von Musikern des Stavanger Symfoniorkester. Alles schön arrangiert und zum Entspannen. Das muss einer solchen Musikerin erlaubt sein, auch wenn es um Nuancen anders klingt als zum Beispiel mit dem Jazzsaxofonisten Karl Seglem.


 GALLEY BEGGAR: Silence & Tears
GALLEY BEGGAR
Silence & Tears
galleybeggar.com
(Rise Above Records RISECD189/Soulfood)
8 Tracks, 39:07


Folkrock von einem Sextett aus der englischen Grafschaft Kent. So retro, dass die analogen Aufnahmen ohne Frage aus den Sechzigern oder Siebzigern stammen könnten, psychedelische Improvisationen eingeschlossen. Die frühen Steeleye oder Fairport lassen bei den sechs eigenen und zwei Trad-Songs überdeutlich grüßen. Bemerkenswert: Sängerin Maria O’Donnell.

 ANNIE GALLUP: Ghost
ANNIE GALLUP
Ghost
anniegallup.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
11 Tracks, 39:16


Der Samen aus dem dieses Album wuchs wurde vor Fünf Jahren gelegt, als Annie zum ersten Mal den Geiger Gabe Witcher hörte und unbedingt mit diesem zusammenarbeiten wollte. Entstanden sind elf ruhige Singer/Songwriter-Stücke, bei denen sich die Produktion ganz auf Witchers Geige, Annies Gitarre, Banjo und ihre whiskeyrauchige Stimme konzentriert.


 GARRIC: Cercaires D’Oc
GARRIC
Cercaires D’Oc
garric.org
(L’autre Distribution)
12 Tracks, 49:49


Garric ist eine neue okzitanische Band aus erfahrenen Musikern, Cercaires D’Oc („Goldsucher“) ihr Debütalbum. Musikalisch bieten sie abwechslungsreichen, traditionell tanzbaren Folkrock. Der etwas exaltierte Gesang von Daniel Galvier ist Geschmackssache.

 GLENFIDDLE: Put An Egg On It!
GLENFIDDLE
Put An Egg On It!
timezone-records.com
glenfiddle.de
(Timezone)
16 Tracks, 61:17


Tonträger Nummer 17 der Lübecker Celtic-Folk-Rocker seit 1989, wobei der Folk gegenüber dem Rock etwas überwiegt. Neben irischen Evergreens und einem griechischen Volkslied wäre zumindest bei den fünf eigenen Liedern, zum Beispiel beim in Portugal entstandenen Titelsong, wünschenswert, die Texte mitlesen zu können. Schön wie immer die Flöte von De Vries!


 GÓBÉ: Ez Van!
GÓBÉ
Ez Van!
gobezenekar.hu
(Fonó FA 354-2)
9 Tracks, 42:02


Die sechs jungen Magyaren stellen ihrem Album nicht von ungefähr ein Zitat von Zoltán Kodály voran, der bereits auf die besondere Rolle kleiner Nationen im großen Ganzen hinweist, und bieten mit ausgeprägtem Lokalkolorit Weltmusik im besten Sinne des Wortes. Sie loten auf ausschließlich traditionellen Instrumenten mit allerdings moderner Stilistik die eigenen transbalkanischen Wurzeln aus.

 GOISSAHANNES: Lonetal Impressionen
GOISSAHANNES
Lonetal Impressionen
goissahannes.de
(Eigenverlag CH19)
Do-CD, CD 1: 9 Tracks, 46:51, CD 2: 9 Tracks, 45:12


Eine Sammlung von Liedern über den Landstrich Lonetal auf der Schwäbischen Alb, mit historischen Sagen und Geschichten, teils neu vertont, teils zu bekannteren Folksongmelodien gesungen. Musikalisch kompetent von Johannes Christ auf Gitarren, Mandoline, Bass und Percussion eingespielt, während Silvia und Jana Christ Flöten und Gesang beisteuern. Liebevoll gestaltetes Cover mit vielen Texten und Informationen.


 DIE GRENZGÄNGER: Und weil der Mensch ein Mensch ist
DIE GRENZGÄNGER
Und weil der Mensch ein Mensch ist
musikvonwelt.de
(Feinste Musikkonserven/Müller-Lüdenscheidt-Verlag)
16 Tracks, 47:31


Nach Dunkel war’s, der Mond schien helle und Maikäfer flieg! legen die Grenzgänger erneut ein Album vor, das durch sein politisches Engagement, ihre sorgfältig recherchierte Vorbereitung sowie eine üppig ausgestattete Aufmachung überzeugt. Dieses Mal widmen sie sich anlässlich des siebzigsten Jahrestages der Befreiung vom Faschismus Liedern aus den Konzentrationslagern und dem Widerstand gegen Hitler und den Nationalsozialismus. Dass die Grenzgänger darüber hinaus hervorragende Musiker sind, dürfte sich inzwischen längst herumgesprochen haben.

 WARREN HAYNES: Ashes And Dust
WARREN HAYNES
Ashes And Dust
warrenhaynes.net
(Provogue/Mascot Records/Rough Trade)
Promo-CD, 13 Tracks, 79:18


Als elektrischer Gitarrist bei den Allman Brothers und G’vt Mule hat sich Haynes eine hohen Status erspielt, doch auf seinem fünften Soloalbum gibt er sich rein akustisch und überaus abwechslungsreich, erklingen doch immer wieder Fiddle, Klarinette oder Dobro. Mehr als dreißig Songs kamen im Studio zustande, doch nur dreizehn schafften es auf dieses feine Album.


 THE HILLBENDERS: Tommy – A Blugrass Opry
THE HILLBENDERS
Tommy – A Blugrass Opry
hillbenders.com
(Compass Records 7 4650 2)
23 Tracks, 55:54


Gegeben wird die Rockoper Tommy, und zwar in voller Länge. Allerdings nicht mit dem Instrumentarium der Who, sondern in klassischer Bluegrassbesetzung. Das Quintett aus Missouri traut sich was, auch wenn die Grundidee nicht besonders originell ist, gibt es doch reichlich Rock in Bluegrassgewand. Dennoch: eine überzeugende Adaption.

 HUNGRYTOWN: Further West
HUNGRYTOWN
Further West
hungrytown.net
(Listen Here! Records LH503)
12 Tracks, 35:46


Drittes Album des Duos aus Vermont mit Unterstützung von Lissa Schmeckenburger (Fiddle) und Suzanne Mueller (Cello). Texte, meist auch die Musik und herrlicher Gesang von Rebecca Hall, und der ganze Rest (acht Instrumente!) plus Produktion stammt von Ken Anderson. Gelungenes, ruhiges Werk mit A-cappella-Version von Woddy Guthries „Pastures Of Plenty“.


 IRON AND WINE & BEN BRIDWELL: Sing Into My Mouth
IRON AND WINE & BEN BRIDWELL
Sing Into My Mouth
(Caroline/Universal)
Promo-CD, 12 Tracks, 44:54


Sing Into My Mouth, ist ein gemeinsames Album von Sam Beam alias Iron and Wine und Ben Bridwell (Band of Horses) mit Coverstücken von Künstlern, die einen großen Einfluss auf die beiden Musiker hatten. Stücke von unter anderem Bonnie Raitt, John Cale, Sade und J. J. Cale, kongenial, im bandtypischen, melancholisch-wehmütigen Americana-Klanggewand umgesetzt.

 TERJE ISUNGSET: Meditations
TERJE ISUNGSET
Meditations
icemusic.no
(All Ice Records/Galileo)
10 Tracks, 52:51


Schon mit dem schwedischen Trio Groupa ging es Isungset nicht nur um die vordergründige Erzeugung von Rhythmus, sondern um die Entwicklung von Klängen mit ungewöhnlichen Materialien, natürlich nicht unrhythmisch. Damals waren es Holzhohlkörper, aneinandergereihte Holzstäbe etcetera. Seit einigen Jahren als Komponist und Solist beschäftigt er sich mit dem Klang von Eis.


 JIM JONES: Race With The Wind
JIM JONES
Race With The Wind
jimjonesmusic.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
13 Tracks, 55:41


Jim Jones ist ein Mann in den besten Jahren, der sich im Country- und Western-Metier gut auskennt. Und Pferde sind sein Ding, über sie singt er gerne. Auf Race With The Wind finden sich dreizehn Songs voller Prärieduft und Naturromantik, professionell produziert und gespielt.

 KANAKU Y EL TIGRE: Quema Quema Quema
KANAKU Y EL TIGRE
Quema Quema Quema
kanakuyeltigre.com
(Strut/Tiger’s Milk STRUT130/K7!/Indigo)
Promo-CD, 10 Tracks, 34:09


Das von Lima aus agierende Endzwanziger-Duo zelebriert auf seinem zweiten Album eine Art Freak beziehungsweise Weird Folk. Seltsame, durchaus suggestive von beiden Amerikas sowie nach eigener Aussage von Kerouacs On the Road inspirierte Folk-Indiepop-Melange. Sänger Nico Saba, einer der zwei peruanischen Weltbürger, singt vor allem auf Spanisch, teils auch auf Englisch.


 ELIN KÅVEN: Jiknon Musihkka/Frozen Music
ELIN KÅVEN
Jiknon Musihkka/Frozen Music
elinkaaven.com
(Nordic Notes)
10 Tracks, 46:50, plus DVD Frozen Music Live 54:40


Die sanfte melodiöse Stimme Kåvens wie auch die einfachen Melodien laden zum Träumen ein. Eine Verbindung zur traditionellen Folkmusik ist nicht zu erkennen. Es ist eher alternativer Pop. Die lyrischen samischen Texte sind gut nachvollziehbar, da sie im Booklet auf Englisch abgedruckt sind. Auf der DVD ist zu sehen, dass sie den Tanz in ihre Aufführungen einbezieht.

 SVAVAR KNÚTUR: Songs Of Weltschmerz, Waldeinsamkeit And Wanderlust
SVAVAR KNÚTUR
Songs Of Weltschmerz, Waldeinsamkeit And Wanderlust
svavarknutur.com
(Beste Unterhaltung BU 065)
EP, 4 Tracks, 15:46


Zur Überbrückung bis zum nächsten Album zwischendurch ein Knútur-Häppchen auf EP. Melancholische Songs, zwei auf Isländisch, einer auf Englisch sowie auf Deutsch „In stiller Nacht“ von Brahms. Aufgenommen live im Wohnzimmer des Singer/Songwriters. Gewohnt kompetente Gitarrenarbeit und gänsehauttreibender Gesang. Dennoch: Ein De-Esser hätte dem Gesang gut getan.


 LINDIGO: Milé Sèk Milé
LINDIGO
Milé Sèk Milé
fr-fr.facebook.com/pages/LiNDiGo/56010702229
(Hélico HWB 58125/ Broken Silence)
17 Tracks, 61:07


Die Musik der madagassischen Band ist weitgehend von Ruf-Antwort-Gesängen und Percussion geprägt. Sie wirkt ursprünglich, rituell und fröhlich zugleich. Beeindruckend ist ein Stück, in dem der Rhythmus allein mit Händeklatschen erzeugt wird. Gesungen wird auf Französisch. Für Fans von Percussiongruppen.

 SHURA LIPOVSKY & ENSEMBLE NOVAYA SHIRA: Vaytinke
SHURA LIPOVSKY & ENSEMBLE NOVAYA SHIRA
Vaytinke
shuralipovsky.com
(I-C-U-B4-T CUP 8058)
17 Tracks, 60:38


Ein kleines Juwel für Liebhaber jiddischer Musik, insbesondere, weil die Niederländerin Lipkowsky fünf der dreizehn Lieder selbst komponierte und textete – einfühlsam begleitet von Paul Prenen (p), Peter van Os (acc), Maaike Roelofs (vc), Marjolijn van Roon (rec) und Bert Vos (v).


 CHEIKH LÔ: Balbalou
CHEIKH LÔ
Balbalou
cheikhlomusic.com
(Chapter Two)
Promo-CD, 10 Tracks, 43:38


Aus Burkina Faso stammend zog Lô als Teenager in die Heimat seiner Eltern. Im Senegal ist er ein Star, seine Stimme hat in jeder Beziehung Gewicht. Der sympathische Singer/Songwriter wartet mit einem gewohnt stilistisch breit gefächerten Album auf: Mbalax, Rumba, Jazzfunk. Highlight: „Doyal Naniou“ mit Oumou Sangare, eine Kritik afrikanischer Regime.

 ERJA LYYTINEN: Live In London
ERJA LYYTINEN
Live In London
erjalyytinen.com
(Tuohi Records THC-002/Rough Trade)
CD: 11 Tracks, 67:40, DVD: 11 Tracks, 67:40


Im altehrwürdigen 100 Club spielte das Quartett um die Finnin Erja Lyytinen dieses Livealbum ein, das neben Klassikern von Elmore James vor allem mit den eigenen Stücken die Sonderstellung der Bluesgitarristin unter den zahlreichen jungen Kolleginnen unter Beweis stellt. Hier ist eine der weltweit führenden Slidegitarristinnen zu hören und zu sehen.


 WENDY MacISAAC: Off The Floor
WENDY MacISAAC
Off The Floor
wendymacisaac.com
(Eigenverlag WMOTFCD1/Galileo MC)
9 Tracks, 47:24


MacIsaac ist eine grandiose Fiddlerin von Cape Breton, die in den letzten Jahren meist mit Mary Jane Lamont unterwegs war, aber hier, begleitet von Gitarre und Piano, ihre Tanzmusik im für die Insel typischen rauen und rhythmischen Stil live eingespielt hat. Zwar liegen zwischen Teil eins und zwei neun Jahre, aber beide Aufnahmen machen begeisterte Tänzer hörbar.

 MÄKKELÄ: Last Of A Dying Breed
MÄKKELÄ
Last Of A Dying Breed
maekkelae.com
(9PM Records 9 PM 047/Broken Silence)
12 Tracks, 42:57


Der finnische Tom Waits spielt auf seinem neuen Album in fast schmerzhafter Weise minimalistisch. Die Songs sind spröde und nicht dazu geschaffen, den Hörer zu erfreuen oder gar zu erreichen. Gerade dadurch entsteht ein Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Mäkkelä spielt den Soundtrack für das Roadmovie des eigenen Lebens, bitter, verzerrt und doch auf seltsame Weise schön.


 MAJORSTUEN: Kvitre
MAJORSTUEN
Kvitre
majorstuen.biz
(Majorstuen Fiddlers Company)
13 Tracks, 50:08


Indem sie alle Geige spielen – nur manchmal ersetzt durch Viola, Kontrabass und Cello –, steht das Quintett instrumental auf traditionellem Boden. Sie gelten aber seit fünfzehn Jahren als eine der innovativsten norwegischen Gruppen, was sie auch hier mit ihrem siebten Album beweisen, abgesehen von den vielen Auszeichnungen, die sie erhalten haben. Ein Muss für Freunde skandinavischer Musik.

 MALICANTI: Tarantelle E Canti Tradizionali Delle Puglie Vol. 2
MALICANTI
Tarantelle E Canti Tradizionali Delle Puglie Vol. 2
finisterre.it
(Finisterre FT63/Felmay)
20 Tracks, 64:49


Die fünfköpfige Gruppe geht einen anderen Weg als die meisten Formationen Apuliens, die ihre Musik mit Klängen aus aller Welt anreichern. Malicantis Repertoire stammt von den Bauern, die sie im Olivenhain und bei der Weinlese besuchen. Ihre a cappella gesungenen Arbeitslieder, Tarantelle und Pizziche verströmen einen archaischen Charme. Naturbelassen.


 ELENI MANDELL: Dark Lights Up
ELENI MANDELL
Dark Lights Up
elenimandell.com
(Yep Roc/Cargo)
12 Tracks, 39:26


Leichtfüßig swingender Folk-Country-Pop der Sängerin aus L. A., die an die Schottin Eddi Reader erinnert, aber auch ein Schuss Fats Domino ist dabei. Sehr entspannt und unangestrengt im Gesang, ist Mandell eine gut gelaunte Scheibe mit eingängigen Melodien gelungen.

 SUE MASSEK: As Sarah Ogan Gunning Sings The Songs From Precious Memories (An Original Play By Si Kahn)
SUE MASSEK
As Sarah Ogan Gunning Sings The Songs From Precious Memories (An Original Play By Si Kahn)
suemassek.com
(Strictly Country Records SCR-75)
16 Tracks, 43:15


Sieben Songs der amerikanischen Gewerkschafterin und Liedermacherin Sarah Ogan Gunning plus fünf Bonustracks von Aunt Molly Jackson und Jim Garland sowie drei Traditionals – gesungen von der Clawhammer-Banjo-Spezialistin Sue Massek mit Unterstüzung von Alice Gerrard (Fiddle, Harmoniegesang), Dan Hood (Gitarre, Mandoline), Ron Brendle (Bass) und Si Kahn (Gesang, Gitarre), von dem das Skript des zugrunde liegenden Bühnenstücks stammt. Musikalischer Geschichtsunterricht der feinen Sorte.


 JEN MAURER/PAUL KOVAC: Boy = Girl
JEN MAURER/PAUL KOVAC
Boy = Girl
boyequalsgirl.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
16 Tracks, 54:23


Mit „Peace, Love and Banjo“ grüßen Maurer und Kovac auf ihrer Website, und genau das gibt es hier zu hören. Die US-Amerikaner spielen Eigenkompositionen und einige wenige ausgemachte Cover. Maurer und Kovac stehen seit mehr als zwanzig Jahren mit Blues, Zydeco und Bluegrass auf der Bühne, ihre lange musikalische Freundschaft ist das Fundament dieses reifen Albums.

 MEC YEK: Super Diver City
MEC YEK
Super Diver City
choux.net/mecyek
(Choux de Bruxelles)
12 Tracks, 41:04


Das Brüsseler Mestizo-Chanson-Kollektiv Jaune Toujours nennt sich Mec Yek, wenn es sich um die singenden slowakischen Schwestern Katja und Milka Pohlodkova zum Septett erweitert und Gypsy-Pop spielt. Höhepunkt ihres zweiten Albums ist eine Coverversion des Amy-Winehouse-Hits „Back To Black“.


 MERLICE: Harfenduo
MERLICE
Harfenduo
merlice.de
(Eigenverlag o. Nr.)
EP, 5 Tracks, 19:47


Merit Zloch und Alice Ludewig präsentieren Eigenkompositionen und historische Tanzmusik. Zwei wunderbar gespielte böhmische Hakenharfen ergänzen sich gegenseitig und umspielen sich in transparenten, überraschenden Arrangements mit Elementen aus Folk, Alter Musik, Pop und Jazz. Traumhaftes Album, nur definitiv zu kurz. Davon bitte viel mehr!

 MOJO JUJU & THE SNAKE OIL MERCHANTS: Anthology
MOJO JUJU & THE SNAKE OIL MERCHANTS
Anthology
offlabelreccords.de/timezone
(Off Label Records OLR 42)
15 Tracks, 74:39


Zum Kinofilm Beste Freunde steuern sie einen Teil des Soundtracks bei. Das verwundert nicht: Die australische Combo um die Frontfrau Mojo Juju entfacht ein stilloses, enorm swingendes Durcheinander, das mit Anleihen an Gypsy- und Neo-Swing, an Rhythm and Blues mit Punkattitüde Musik macht, die einfach einen gewissen Zauber versprüht. Mojo eben.


 WOLFGANG MUTHSPIEL: Vienna, World
WOLFGANG MUTHSPIEL
Vienna, World
viennaworld.net
(Material Records MRE 042-2/Harmonia Mundi)
13 Tracks, 59:20


Der Österreicher gilt als einer der besten Jazzgitarristen. Aber das reicht Wolfgang Muthspiel nicht. Er singt zudem, und Genregrenzen überspringt er, diesmal von Wien aus mit Gästen in New York, Buenos Aires, Rio, Schweden. Klangfarben wechseln, Stile ebenso – Unklassifizierbarkeit zwischen Pop und Rock, getragen allemal von Muthspiels Melancholie.

 MYDY RABICAD: Glamtronic
MYDY RABICAD
Glamtronic
mydyrabycad.cz
(Da Ska Records, Indie Scope)
11 Tracks, 41:02


Ausgerechnet der Opener „Don’t Play This Song“ ist so genial und erfrischend freudig gespielt wie fett produziert, dass man ihn immer wieder spielen möchte. Doch was so vielversprechend beginnt, transformiert die aus Prag stammende Band mehr und mehr in charttaugliche Tanzmusik.


 NACHTCAFÉ: Uomini E No
NACHTCAFÉ
Uomini E No
nachtcafe.it
(Eigenverlag)
9 Tracks, 45:58


Das Sextett aus Bozen besingt in neun Liedern den Mann. Themen sind werdende Väter, korrupte Macher oder Ausländer auf der Flucht vor Rassisten. Einige Lieder haben literarischen Vorlagen wie „Avventura Di Un Idiota“, das auf Dostojevskis Idiot basiert. Sänger Gabriele Muscolinos Timbre und Diktion erinnern an Fabrizio de André. Schön.

 IGNAZ NETZER: When The Music Is Over
IGNAZ NETZER
When The Music Is Over
ignaznetzer.de
(Catmusic Production)
13 Tracks, 50:39


Feiner, akustischer Gitarrenblues, eigene Songs mit authentischen Texten – Ignaz Netzer zeigt sich auch in der Rolle des Arrangeurs und Songwriters als Künstler von sehr hohem Format. Spannend, fesselnd und relaxt zugleich fließt die Musik, und sehr gerne hört man ihr zu – schade nur, wenn sich dann der Titel des Albums verwirklicht.


 DAISY O’HARA: Home
DAISY O’HARA
Home
daisyohara.com
(Eigenverlag)
14 Tracks, 50:07


Eine Melange aus irischer und mitteleuropäischer Folklore bieten die sympathischen Österreicher auch auf ihrem dritten Album. Die Eigenkompositionen sind in leicht holperiger englischer Sprache und zeigen ein breites Engagement für gesellschaftliche Themen. Das Selfmade-Album wurde überraschend professionell produziert und ist ein weiterer Beweis, dass „selbst gemacht“ nicht automatisch „schlecht gemacht“ bedeutet.

 NILS ØKLAND BAND: Kjølvatn
NILS ØKLAND BAND
Kjølvatn
nilsokland.no
(ECM 2383)
10 Tracks, 49:25


Der Komponist Økland versteht es, Klangräume – bevorzugt in Kirchen – zu füllen. Im Mittelpunkt steht seine Hardangerfiedel, die sehr einfühlsam durch seine Mitspieler mit Saxofon, Harmonium, Kontrabass und Percussion ergänzt wird. Dabei entstehen stille meditative Klangfolgen, die nur manchmal durch eine hervorgehobene Melodie – wie bei „Amstel“ – etwas diesseitiger klingen.


 PAPER MOON SHINERS: Paper Moon Shiners
PAPER MOON SHINERS
Paper Moon Shiners
papermoonshiners.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
12 Tracks, 38:12


Das Duo aus Austin, Texas, schöpft aus der US-Musiktradition Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts Blues, Swing, Ragtime, Roots und Folk. Archaisch produziert und mit leichtem Vaudeville-Überschwang trägt Elena Antinellis Stimme durch die zwölf Stücke. Eine Zeitreise in die Vergangenheit, mit viel Spaß, ohne musikarchäologischen Anspruch.

 ELISEO PARRA: El Man Sur
ELISEO PARRA
El Man Sur
eliseoparra.org
(Mirmidón/Karonte KAR735/Galileo MC)
12 Tracks, 53:31


Gerade auch die renommierteren Musiker des ökonomisch gebeutelten Südens realisieren immer häufiger ihre Projekte per Crowdfunding. So auch Spaniens Lichtgestalt des (Neo-)Folk, diesmal verstärkt den iberischen Süden bereisend, gemeinsam mit seinen vertrauten Mitmusikern sowie illustren Gästen wie dem Basken Kepa Junkera. Geschmackssichere Wurzelpflege wie eh und je.


 BADEN POWELL: Live In Berlin
BADEN POWELL
Live In Berlin
brazil-on-guitar.de
(MPS 0210304MS/Edel)
16 Tracks, 116:36


Am 22.4.2000 ließ Powell in Berlin bei seinem letzten Deutschland-Konzert vor seinem Tod in seinem Spiel die Geschichte der brasilianischen Musik Revue passieren. Teilweise hat man den Eindruck, er würde eine ganze Band ersetzen wollen. Er spielt im abrupten Wechsel zwischen besinnlich und dynamisch und dadurch immer spannend und überraschend.

 STEPHEN & PERNILLE QUIGG: River Of Time
STEPHEN & PERNILLE QUIGG
River Of Time
stephenquigg.co.uk
(Lowland Recordings LOWLAND019)
15 Tracks, 52:19


Das einzige noch aktive Mitglied der legendären McCalmans hat sich mit seiner dänischen Gattin zusammengetan und ein Programm zusammengestellt, das auch seinem alten Trio gut gestanden hätte: Traditionelles, Fremdkompositionen und Eigenes (von Pernille), Heiteres und Besinnliches mit Gitarren, Banjo und herrlichen Harmonien. Für Fans der Macs ein Muss!


 RADIO EUROPA: Together In Music
RADIO EUROPA
Together In Music
radio-europa.eu
(Upsolute Music Records)
10 Tracks, 58:07


Sie vereinen den Sirtaki eines Theodorakis, Montis Csárdás, Beethoven und Mozart. Europa lebt. Griechenland, Italien, Österreich, Deutschland sind für Radio Europa ein selbstverständliches Miteinander. Könnte doch die Musik Europas Vorbild sein, Together In Music wäre hier der geeignete Botschafter: einfach spitze und absolut hörenswert!

 RAGGABUND: Buena Medicina
RAGGABUND
Buena Medicina
raggabund.de
(Irievibration Records IRIE082/Groove Attack)
13 Tracks, 51:40


Die Münchener Brüder Paco Mendoza und Don Caramelo tänzeln durch alles, was leichte Offbeats garantiert – von der Cumbia bis zur Dancehall. Klassisches deutsches Crossover-Reggae-Album insofern, dass es sauber produziert fröhlich vor sich hinskankt – ihm aber jegliche Dringlichkeit, jegliches Geheimnis und jegliches Gewicht konsequent abgehen.


 JENNA REID: Live In Shetland
JENNA REID
Live In Shetland
jennaandbethanyreid.co.uk
(Eigenverlag LOFCD003)
18 Tracks, 68:42


Ein Abend in ihrer Heimat und gleichzeitig ein Fest für die Freunde der Fiddle. Die beliebte Musikerin (zum Beispiel bei Blazin’ Fiddles, Rant) teilt das Konzert in drei Teile, einen mit ihrer Schwester Bethany (Piano), mit Harris Playfair (Piano) und mit Kevin Mackenzie (Gitarre). Einige der Tunes sind bekannt wie Willie Hunters Ohrwurm „Leaving Lerwick Harbour“.

 JÜRGEN SAALMANN: Transit
JÜRGEN SAALMANN
Transit
juergensaalmann.de
(Stereoflex Records SFX058/Membran)
11 Tracks, 46:53


Ein interessanter Blend aus akustischer Gitarrenmusik, folkigen Melodien, hippen Beats und atmosphärischen Soundscapes. Das Richtige fürs Fernwehkino im Kopf. Gitarrist Jürgen Saalmann kontrastiert Moderne und Tradition, Akustik und Elektronik, Konkretes und Ambientes auf sensible, hochmusikalische Art und Weise.


 ST. BEAUFORT: St. Beaufort
ST. BEAUFORT
St. Beaufort
stbeaufort.com

12 Tracks, 43:22


Das Trio aus Berlin wandelt mit seinen eigenen Stücken auf den Spuren der Folkmusik zwischen Alter und Neuer Welt. Besondere Kennzeichen: dreistimmiger Gesang zu Gitarre, Banjo und Mandoline. Dazu kommt manch schöne Melodie, etwa in der Ballade „Mountain“. So klingt es also, wenn ein Deutscher, ein US-Amerikaner und ein Kanadier zusammenkommen.

 SALTFISHFORTY: Live
SALTFISHFORTY
Live
saltfishforty.co.uk
(Eigenverlag)
14 Tracks, 58:58


In dieser Zeitschrift stand die Empfehlung an deutsche Festivals schon öfter: Holt euch das Duo von den Orkneys! Hier ist der Livebeweis. Gegen die Fiddle und Gitarre der beiden Herren ist Windstärke zehn ein laues Lüftchen. Aber sie wissen sehr genau, wann sie mit Songs das Tempo rausnehmen müssen. Warum bucht die hierzulande eigentlich keiner?


 SANTIANO: Von Liebe, Tod und Freiheit
SANTIANO
Von Liebe, Tod und Freiheit
santiano.de
(Electrola/Universal, CD 06025 4714050)
13 Tracks, 46:41


Hartmut Krech und Mark Nissen, Geschäftsführer der Flensburger Elephant Music, unter anderem bekannt für „Schnappi, das kleine Krokodil“, DJ Ötzi und Nino De Angelo, schreiben für die Erfolgstruppe Santiano breitbeinig-klotzende Seemannsschlager, die die fünf Jungs von Santiano ebenso breitbeinig-strunzend präsentieren.

 ANDRE SCHMIDT: Ausnahmsweise Zweifelsfrei
ANDRE SCHMIDT
Ausnahmsweise Zweifelsfrei
andreschmidt.net
(Timezone TZ 354/Timezone Distribution)
10 Tracks, 30:28


Im weiten Feld der Liedermacher zwischen Funny van Dannen und Rainald Grebe tummelt sich auch Andre Schmidt. Der Künstler singt von Themen, über die man normalerweise keine Songs schreibt. Ob Tomatensoße oder Cordjackett, der Hang zum gewöhnlichen Außergewöhnlichen dominiert diese Veröffentlichung.


 SES: Tronzar Os Valos
SES
Tronzar Os Valos
mariaxosesilvar.com
(Fol Música 100FOL1085/Galileo MC)
12 Tracks, 44:47


Mit diesem zweiten Album im Gepäck hatte die galicische Bardin nun auch ihre hiesige Livepremiere (beim TFF). Die singende, aus Blues oder Rock, heimischer oder aber kubanischer Tradition schöpfende Multiinstrumentalistin ist sozial wie musikalisch ein Unruhegeist. Das Album heißt nicht nur so, auch die durchweg auf Galicisch gesungenen Lieder wollen es: „Mauern niederreißen“.

 SIMON & JAN: Ach Mensch
SIMON & JAN
Ach Mensch
simonundjan.de
(Ahuga!/Al!ve)
13 Tracks, 69:42


Die zweite Scheibe von Simon Eickhoff und Jan Traphan kommt mit ganz ruhigen Tönen, leise, unschuldig und einschmeichelnd daher, um in den Texten aber voll beißender Kritik, biestig und widerborstig zu sein. Eine verführerische Mischung, die zudem musikalisch abwechslungsreich und vielseitig ist. Erfrischend boshaft, kritisch, mit Wohlhörfaktor.


 TILL SIMON: Von innen nach außen
TILL SIMON
Von innen nach außen
tillsimon.de
(Peakrider Records PRCD 1501)
10 Tracks, 44:02


Auf seinem Debütalbum positioniert sich der Mann mit der ausdrucksstarken Stimme aus dem norddeutschen Achim zwischen den Polen Popsänger und Liedermacher – wobei er einem Klaus Hoffmann nähersteht als einem Herbert Grönemeyer. Alle Songs zeigen sich erstklassig produziert, und so manchem radiotauglichen Ohrwurm wäre Erfolg zu wünschen.

 SOLID GROUND: Dance!
SOLID GROUND
Dance!
solid-ground.de
(Folk Up Music)
15 Tracks, 45:21


Das unterfränkische Septett steuert immer mehr in die Jazz-Pop-Schlager-Richtung des Irish Folk, obwohl Sängerin Simone Papkes Stärke die getragenen Traditionals sind, wie hier „Red Is The Rose“. Die Geigen- und Klavierpartien sind aber auch sehr schön. Fünf Euro jeder verkauften CD gehen an die Welthungerhilfe. Ein digitales Textbeiheft ist auf der Website zu finden.


 DELE SOSIMI: You No Fit Touch Am
DELE SOSIMI
You No Fit Touch Am
delesosimi.org
(Wah Wah 45s WAHCD027)
Promo-CD, 7 Tracks, 53:23


Schon die ersten Takte geben die Richtung vor: Afrobeat in Fela-Kuti-Tradition, und zwar in einer ähnlich packenden, hypnotischen Umsetzung. Was nicht von ungefähr kommt, denn der in London geborene, in Nigeria aufgewachsene Sosimi war viele Jahre als Keyboarder und Sänger ein Fela-Sideman. Sein drittes Soloalbum überzeugt, auch dank einer klasse Band.

 SPUYTEN DUYVIL: The Social Music Hour Vol. 1
SPUYTEN DUYVIL
The Social Music Hour Vol. 1
spuytenduyvilmusic.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
12 Tracks, 40:42


Die sechs Mitglieder von Spuyten Duyvil haben den Blues schon mit der Muttermilch eingesogen. Zwölf traditionelle Songs spielen die US-Amerikaner auf der Social Music Hour, mit Banjo, akustischem Bass, Mundharmonika und gelegentlich auch Schlagzeug und beweisen damit, dass der Blues nicht aus der Mode gekommen und quicklebendig ist.


 STILLER HAS: Alterswild – Live Am Gurtenfestival
STILLER HAS
Alterswild – Live Am Gurtenfestival
soundservice.ch
(Sound Service 200315-2)
13 Tracks, 78:13


Bei guten Bluesern verhält es sich wie bei gutem Wein: Sie werden mit dem Alter immer besser. Endo Anaconda, Mastermind der Berner Blues-Lied-Rockband hat alle Stimmkniffe eines Crooners drauf. Auf dem Berner Hausberg sind er und seine Band kaum zu stoppen. Zu alledem nimmt er sich selbst auf die Schippe. Dem Mann gehört ein Denkmal gesetzt.

 SUDDEN FLOW: Tales Of The Future Past
SUDDEN FLOW
Tales Of The Future Past
suddenflow.de
(L+R Records CDLR684829/Bellaphon)
14 Tracks, 46:00


Das Duo Sudden Flow verbindet verschiedene Genre-Elemente miteinander und ordnet sich selbst dem Acoustic Polybeat zu. Zwar sorgen die Songs mit Klängen von Trompete, Percussion oder Gitarre zusammen mit der Stimme der Sängerin für eine jeweils eigene Atmosphäre, aber gleichzeitig scheint dem Album ein roter Faden zu fehlen.


 PAT THOMAS & KWASHIBU AREA BAND: Kwashibu Area Band
PAT THOMAS & KWASHIBU AREA BAND
Kwashibu Area Band
facebook.com/PatThomasKwashibu
(Strut Records)
Promo-CD, 8 Tracks, 44:29


Highlife pur aus Ghana, ganz im Stile der 1970er-Jahre, aber durchaus zeitgemäß arrangiert. Der aus Kumasi stammende Singer/Songwriter-Veteran greift auf altes und neues Material zurück. Das groovt und swingt, dass es eine Freude ist. Cooler Gesang, wundervoll perlende Gitarrenlicks, fette Bläsersätze; Spitzenband mit unter anderem Schlagzeuglegende Tony Allen.

 JOE TOPPING: The Vagrant Kings
JOE TOPPING
The Vagrant Kings
joetoppingmusic.com
(Fellside Recordings FECD265)
11 Tracks, 50:31


Der Titel des Albums ist gleichzeitig der Name von Toppings neuem Begleittrio. Mit Tasten- und Blasinstrumenten, Bass, Perckussion, Pedal Steel Guitar sowie Toppings Bottleneckgitarre, Banjo und Harmonika produzieren die vier Engländer einen unaufgesetzten, aber sehr amerikanischen und bluesigen Sound. Die Songs und Arrangements sind vom Chef.


 TOTÓ LA MOMPOSINA Y SUS TAMBORES: Tambolero
TOTÓ LA MOMPOSINA Y SUS TAMBORES
Tambolero
totolamomposina.com
(Real World/PIAS/Rough Trade)
Promo-CD, 12 Tracks, 52:35


Gerade wurde die Übermutter der afrokolumbianischen Musik fünfundsiebzig. Auf der Konzertbühne ist ihre Energie ungebrochen, genährt auch von einer deutlich verjüngten, die Traditionen recht innovativ angehenden Band. Nun geht es, warum auch immer, chronologisch zurück mit diesen bis dato nicht veröffentlichten, neu bearbeiteten, allemal hörenswerten Aufnahmen.

 BOB WAYNE: Hits The Hits
BOB WAYNE
Hits The Hits
bobwayne.org
(People Like You Records 4683012/Universal)
11 Tracks, 43:24


Mit Banjo und Fiddle spielt Wayne Titel aus der Rock und Popgeschichte und macht sie so zu Kleinoden der zeitgemäßen Hillbillymusik. Auf Hits The Hits treffen Led Zeppelin auf Adele, die Red Hot Chili Peppers auf Rihanna. Musik, die sich als Coveralbum schnell im Ironischen und Witzigem verlieren könnte, wird von Wayne durch und durch überzeugend ernst genommen.


 WHY DIDN’T THEY ASK EVANS?: Ënn ëmm klænen Dòrf
WHY DIDN’T THEY ASK EVANS?
Ënn ëmm klænen Dòrf
whydidnttheyaskevans.bandcamp.com
(Eigenverlag EVANS3)
EP, 5 Tracks, 19:21


Wunderbar auf akustischer und E-Gitarre, Bass, Geige, Schlagzeug, Tin Whistle eingespielter Folkrock – eine musikalische Heimatchronik, mehrstimmig gesungen in moselfränkischer Mundart. Tolle Arrangements, von besinnlich bis fetzig, inspiriert von Celtic bis Deutschfolk, Musik, die mit den Mundarttexten vortrefflich funktioniert. Frage an Evans: Wann gibt es mehr von diesem Stoff?

 YXALAG: Filfarbike Mishpokhe – Klezmer Tales
YXALAG
Filfarbike Mishpokhe – Klezmer Tales
yxalag.de
(CP Arts 006)
11 Tracks, 73:23


Klezmer besteht für das Septett aus Leidenschaft, Melancholie und Spielfreude. Kayako Bruckmann (v), Nicolas Kücken (g), Jakob Lakner (cl), Nele Schaumburg (v), Luka Stankovic (tb) und Ulrich Zeller (b) sind allesamt Vollblutmusiker, eine Familie, die „vielfarbig“ (so der jiddische Titel) jazzig improvisiert.


Lateinamerika
 HAMILTON DE HOLANDA: Bandolim
HAMILTON DE HOLANDA
Bandolim
hamiltondeholanda.com
(MPS 0210346MS1P/Edel)
14 Tracks, 58:18


Der Bandolim ist die zehnsaitige brasilianische Mandoline. Wenn dieses Instrument zuletzt international bekannt wurde, dann ist es vor allem Hamilton de Holanda zu verdanken. Er hat es aus seinem traditionellen Kontext heraus weiterentwickelt. De Holanda zeigt, dass man damit im Grunde alle Stile und Spielweisen ausführen kann. Der Bandolim ist historisch sehr dem Choro verbunden, de Holanda kooperiert aber lieber mit Musikern, die dafür untypisch sind. Auf dem Album sticht dabei besonders der Harmonikaspieler Gabriel Gross hervor, de Holanda spielte aber auch oft mit bekannten Pianisten zusammen. Das vorliegende Album ist eine Kompilation aus vier seiner Alben und sollte helfen, ihn hierzulande bekannter zu machen. In Brasilien zählt er zu den einflussreichsten Instrumentalisten und hat dort bereits achtundzwanzig Alben veröffentlicht. Ein kreativer Tausendsassa also, der das brasilianische Pendant zum amerikanischen Mandolinenpapst David Grisman ist. Entsprechend hört man in seinen Stücken nicht nur brasilianische Stile wie Samba oder Choro, sondern auch Swing, spanische oder portugiesische Musik. Und de Holandas Virtuosität verführt schnell dazu, das Wort „unerreicht“ zu benutzen.
Hans-Jürgen Lenhart
 MONSIEUR PERINÉ: Caja De Música
MONSIEUR PERINÉ
Caja De Música
mperine.com
(Flowfish Records ff 0069/Broken Silence)
15 Tracks, 51:33 , mit span. Infos u. Texten


Schon bei den Konzerten der letzten, der zweiten Europatour dieser jungen Durchstarter aus Bogotá zeichnete sich ab, dass sich ihr reizvolles, kolumbianisches Swing-Jazz-Folklore-Patent schnell um weitere, weltweit eingesammelte Einflüsse erweitern würde. Der Nachfolger des gefeierten Debüts wurde von Eduardo Cabra von der puerto-ricanischen Band Calle 13 produziert und ist dem Namen gemäß eine wahre „Musikbox“, die verschiedenste Atmosphären und viele neue Stilverquickungen birgt. Die siebenköpfige Band um die charmante, außer spanisch auch französisch singende Catalina García entpuppt sich als mittlerweile musikalisch noch sattelfester und noch weltgewandter. Man tut sich für die hier und da dezent elektrifizierte, grundsätzlich weiterhin akustische Melange diesmal auch mit Streichern von Puerto Ricos Sinfonikern sowie weiteren singenden Gästen zusammen wie dem dominikanischen Soulbarden Vicente García im swingenden Opener „Nuestra Canción“ oder im mehr gen Reggae pendelnden „Cempasúchil” mit Rubén Albarrán von Mexikos renommierter Band Café Tacvba. Die Sammlung der diesmal fast durchweg eigenen Kompositionen ergibt eine Farbenpracht wie die der CD beiliegenden bunten Zettel mit den Liedtexten.
Katrin Wilke

Nordamerika
 SAMANTHA CRAIN: Under Branch & Thorn & Tree
SAMANTHA CRAIN
Under Branch & Thorn & Tree
samanthacrain.com
(Full Time Hobby FTH236CDP/Rough Trade)
Promo-CD, 10 Tracks, 37:43


„Gefährliche Strömung“ würde wohl auf dem Warnschild stehen, denn unter der glatten Oberfläche, brodelt es gewaltig auf diesem Album. Die Stücke sind zurückhaltend, aber eindringlich arrangiert, und die akustischer Gitarre steht dabei im Zentrum einer bodenständigen, perlenden Produktion. Das ganze Album wurde in nur zehn Tagen komplett analog aufgenommen, Gitarre und Gesang waren meistens schon nach dem ersten oder zweiten Take im Kasten, erzählt Samantha Crain. Mit dem letzten Album Kid Face hat sie ihre Stimme und ihr Thema gefunden. Crain sieht sich als Protestsängerin, nicht im Sinne einer Joan Baez, sondern mit den Mitteln der feinen Beobachterin ihrer Umgebung, ihre Texte sind geschrieben aus der Perspektive der 99 Prozent, die sich mit dem alltäglichen Leben herumschlagen müssen und die, wenn man zuhört, ihren Protest ebenso bestimmt äußern. Gesanglich lotet sie in den zehn Stücken die Möglichkeiten der Brechung und Phrasierung aus, um die Nuancen der Texte freizulegen, und sie hat den Mut, dessen es bedarf, um derart frei und offen zu singen. Wie gesagt, der Sog liegt unter der Oberfläche, und in diesem Fall darf man sich ruhig einmal mitreißen lassen.
Dirk Trageser
 VINCENT CROSS: A Town Called Normal
VINCENT CROSS
A Town Called Normal
vincentcross.com
(Eigenverlag/Hemifran)
12 Tracks, 35:53 , mit engl. Texten u. Infos


Folk, Indiepop, Americana mit einer dominierenden Bluegrassnote, so könnte man das dritte Album des in Dublin geborenen, in Australien aufgewachsenen und heute in New York lebenden Vincent Cross beschreiben. Wunderbare Stücke mit hohem Wiedererkennungswert, die auch alleine mit Gitarre und Gesang bestehen können, hier aber – vornehmlich mit Kontrabass, Mandoline, Schlagzeug und einem klangprägenden Banjo – verfeinert werden. Der Gesang, ausdrucksstark und markant, hat das für Bluegrass typisch Näselnde und wird meist von einer hohen zweiten Stimme begleitet. Trotzdem klingt die Produktion weniger rootsmäßig als zum Beispiel bei der Old Crow Medicine Show, die in ähnlichem Fahrwasser schwimmen. Der Klang ist ungemein warm und dicht und bleibt doch leicht und geschmeidig. Die Arrangements sind kleine Kunstwerke, die erst nach und nach ihre Besonderheiten offenbaren. Dies ist vor allem dem quicklebendigen Bass von Max Johnson und dem Banjo von Bennet Sullivan zu verdanken, die bei den meisten Stücken mitspielen und viel zum ohnehin hohen Standard beitragen.
Dirk Trageser

 FRAZEY FORD: Indian Ocean
FRAZEY FORD
Indian Ocean
frazeyford.com
(Nettwerk Records 067003103428/Soulfood)
11 Tracks, 47:00


Mit einem Riff auf ihrer akustischen Gitarre beginnt das ehemalige Mitglied des Folktrios The Be Good Tanyas ihr zweites Soloalbum, doch was dann kommt, entfernt sich weit von dem, was Ford seit gut zwanzig Jahren an Musik macht. Sie hat sich auf Indian Ocean mit Soullegenden wie den Brüdern Teenie und Leroy Hodges zusammengetan, um den Soul im Folk zu suchen – oder den Folk mit Soul zu tränken. Rauchig ist die Stimme der Kanadierin, was ihren Songs einen besonderen Charme verleiht. Historisch war das Aufnahmestudio von Indian Ocean: die Royal Studios in Memphis, in denen schon Al Green Hits wie „Let’s Stay Together“ aufnahm, bevor er sich dem Gospel zuwandte und Prediger wurde. Die Musik von Ford hingegen hat nichts Predigerhaftes, sie ist mit ihrer Mischung aus Soul, Folk und Gospel ein offenes Angebot an die Sinne und modern jenseits von modisch. Ford erkundet neues Terrain, indem sie sich tief vor der US-amerikanischen Musikgeschichte verneigt und als Weiße vom Gefühl her grundschwarze Songs schreibt. Ihr Blues widmet sich dabei voll und ganz der Liebe und der Sehnsucht.
Michael Freerix
 GIANT SAND: Heartbreak Pass
GIANT SAND
Heartbreak Pass
howegelb.com
(New West Records NW6319/ADA/Warner)
15 Tracks, 49:29 , mit engl. Texten u. Infos


Nach der Giant-Giant-Sand-Inkarnation von 2012 nennt Howe Gelb sein Bandprojekt nun wieder Giant Sand. Rund dreißig Alben hat er mit seinem Alt.-Country-Aushängeschild seit 1985 veröffentlicht, neben rund dreißig weiteren mit anderen Projekten. Gemeinsam ist allen ihr ewiges Oszillieren über die gesamte stilistische Palette zeitgenössischer Rock-Americana. So auch auf Heartbreak Pass nun wieder, zu dem neben der aktuellen Bandbesetzung auch zahlreiche Weggefährten der letzten dreißig Jahre beitrugen, von Winston Watson über John Parish bis zu Gelbs Tochter Talula. Echtes Leben in punktuellen Vignetten; keine zwei Stücke, die dem Album einen kohärenten Stil verleihen würden – aber zusammen entsteht wieder unverwechselbar Giant Sand. Hier heftiger, da sanfter; hier schlichter, da üppiger; hier Rock, da nahezu Kunstlied; hier wie ein Wiegenlied, da reinster Noise. Gebündelt werden die heterogenen Kräfte von der selbstbewussten Zerbrechlichkeit, die Howe Gelb eignet. Seinem nahezu vollständigen Verzicht auf große Gesten. Und der charakteristischen Anmutung von Größe und Weisheit, die Gelbs und Giant Sands Werken gerade durch diesen Verzicht erwächst – mit um so mehr Substanz und Nachhaltigkeit.
Christian Beck

 HEATHER NOVA: The Way It Feels
HEATHER NOVA
The Way It Feels
heathernova.com
(Embassy of Music BMD-1172302/Warner)
12 Tracks, 58:38 , mit engl. Texten u. Infos


Bereits seit den 1990er-Jahren ist Heather Nova in der Szene von Rock, Alternative und Folk ein Begriff. Gekonnt wie keine andere Künstlerin hat sie es geschafft, klassische Instrumente wie das Cello im Rockbereich zu etablieren. Nachdem ihr Debütalbum weltweit Erfolg verzeichnen konnte, riss die Erfolgsstory nicht ab. Ihr neues Album, das im Mai dieses Jahres erschienen ist, verbreitet wieder die typische Popfolk-Atmosphäre, für die Nova bekannt ist. Natürlich hat sie wieder all ihre Songs selbst geschrieben, sodass ein Album voller Emotion, ein wenig Melancholie und jeder Menge Authentizität entstanden ist. Heather Nova hat die Platte explizit als Album entwickelt, das die Hörer mit auf eine Reise nehmen möchte. Es werden Geschichten erzählt, die das Innere der Sängerin offenbaren und den Zuhörer gefangen nehmen. The Way It Feels sorgt für stimmungsvolle Stunden, Minuten oder auch nur Momente, in denen nichts verlangt oder gefordert wird und sich doch ganz viel im Inneren abspielt.
Claudia Niedermeier
 MANDOLIN ORANGE: Such Jubilee
MANDOLIN ORANGE
Such Jubilee
mandolinorange.com
(Yep Roc Records YEP-2417/Cargo Records)
Promo-CD, 10 Tracks, 36:09


Es gibt Alben, die packen einen vom ersten Ton an, und es gibt solche, deren Wirkung entfaltet sich erst nach und nach, weil sie kein oberflächliches Aufsehen erregen, sondern mit der Zeit in die Tiefe wirken. Zu dieser Kategorie zählt die zweite Veröffentlichung von Mandolin Orange, dem Duo aus North Carolina. Emily Frantz und Andrew Marlin spielen diverse Instrumente, mischen auf geschmackvolle Weise akustische Gitarren, Mandoline, Fiddle, Clawhammer-Banjo und E-Gitarre, gelegentlich kommt ein sanftes Schlagzeug hinzu. Oft genug umschmeicheln sich Gitarre und Mandoline und weben ein atmosphärisch dichtes Geflecht. Das klingt nach alter Folk- und Bluegrass-Schule, und tatsächlich gehören Leute wie Tim O’Brien und Norman Blake zu ihren Helden. Doch Mandolin Orange haben ihren eigenen Weg gefunden. Die Songs sind von Melancholie durchzogen, lassen Bilder von Landschaften entstehen, erzählen über Freundschaft, Heimat, das Vergehen der Zeit. Trotz ihrer jungen Jahre scheinen sie immer daran zu denken, dass alles endlich ist. Kleine Melodien prägen meist kurze Nummern, die keine endlosen Geschichten erzählen, sondern Schlaglichter werfen. Den Rest denke sich jeder selbst.
Volker Dick

 MR. SUN: The People Need Light
MR. SUN
The People Need Light
mrsunband.com
(Compass Records 7 4647 2)
11 Tracks, 59:53 , mit engl. Infos


Das erste Stück „The Likes Of You“ kommt irgendwoher und verschwindet später auch im Nichts, aber dazwischen nutzen vier erstklassige Musiker gleich zu Beginn die Gelegenheit zu einer kleinen Demonstration ihrer Virtuosität und Musikalität. Besonders Bassist Ethan Jodziewicz hängt sich voll rein, ein Schüler Edgar Meyers, dessen Fähigkeiten im Quartett mit den drei weiteren Hochkarätern nochmals deutlich leuchten. Die Kollegen sind Darol Anger an der Fiddle, Joe Walsh an der Mandoline und Grant Gordy an der Gitarre. Allesamt Namen, die im Feld der akustischen Musik zwischen Bluegrass und Jazz hohes Ansehen genießen. Dass sie drei Musikergenerationen umspannen, gibt dem Projekt Mr. Sun zusätzliche Raffinesse. Jazzstandards wie „After You’ve Gone“ und „If I Were A Bell“ stehen neben Eigenkompositionen wie Angers „Key Signator“ oder „Ben’s House“, geschrieben von Grant Gordy – eine jazzige Ballade, harmonisch vertrackt, mit schwebenden Passagen und feinfühliger Dynamik. Wie schreibt Darol Anger in den Liner Notes zum Titelstück? „Die beseelte Kraft der von Hand gefertigten Saiteninstrumente scheint auf die Menschen und wärmt sie wie ein Feuerchen in einer Berghütte.“ Stimmt.
Volker Dick
 OLD MAN LUEDECKE: Domestic Eccentric
OLD MAN LUEDECKE
Domestic Eccentric
oldmanluedecke.ca
(True North Records TND505)
14 Tracks, 45:41 , mit engl. Texten


Old Man Luedecke ist kein alter Mann. Eigentlich heißt er Chris mit Vornamen, ist Nachfahre norddeutscher Einwanderer und lebt in der kanadischen Provinz Nova Scotia. Mit seinem Künstlernamen Old Man Luedecke kann er jedoch in der Folkszene steinalt werden, zumal seine Old-Time-gefärbten und banjodominierten Songs eher von der zurückgelehnten Sorte sind. In Kanada ist er damit ausgesprochen erfolgreich und sammelt Juno Awards und ähnliche Preise en masse. Aufregend ist das nicht, soll es auch nicht sein. Banjo, Gitarre, Fiddle, Bass und Mandoline bestimmen den Sound, der von Luedecke und Tim O’Brien produziert wurde, und die Lieder drehen sich oft auf manchmal leicht verschrobene Art um persönliche und häusliche Themen. Von einem Album mit dem Titel Domestic Eccentric erwartet wohl auch niemand eine profunde Kritik der Rolle der USA im Nahen Osten. Wer zum Kosmos Old Man Luedeckes Zugang findet – und so schwer ist das nun wirklich nicht –, der entdeckt einen sympathischen Zeitgenossen mit unaufgeregten Liedern. Ist doch auch schön, oder?
Mike Kamp

 JON REGEN: Stop Time
JON REGEN
Stop Time
jonregen.com
(Membran/Sony, CD 234012)
10 Tracks, 38:21 , mit engl. Texten u. Infos


Der New Yorker Pianist und Singer/Songwriter zeigt auf seiner fünften Scheibe nach dem erfolgreichen Album Revolution vor vier Jahren enormes Feingefühl für die passenden Töne und dazu die richtigen Sätze. Jon Regen hat das Timing und das Soulfeeling, das es braucht, um den Hörer in den Bann zu ziehen. Mit samtweicher und zugleich fordernder Stimme interpretiert er Melodien, die nicht mehr aus den Kopf gehen. Dieser Künstler geht seinen Weg. Seine Touren führten ihn bereits durch die ganze Welt. In Deutschland war er unter anderem umjubelter Gast beim Berliner Jazzfestival. Titel wie „I Will Wait“ und „Morning Papers“ hinterlassen durch Herz und Humor bleibenden Eindruck. Bei einigen Titeln wird Jon Regen von Davey Faragher am Bass und Pete Thomas am Schlagzeug zurückhaltend und passend unterstützt. Regens Stimme und sein Spiel sind vergleichbar Spiel mit Größen wie Randy Newman oder auch Bruce Hornsby. Ein intelligenter Musiker, der uns sicher noch lange etwas erzählen wird. Ehrfurchtsvoll und gerne hören wir zu.
Annie Sziegoleit
 CHRISTOPHER PAUL STELLING: Labor Against Waste
CHRISTOPHER PAUL STELLING
Labor Against Waste
christopherpaulstelling.com
(Anti Records ANTI 2410-2/Indigo)
10 Tracks, 40:46


Auf der einen Seite stellt sich Christopher Paul Stelling mit seinem flinken Fingerpicking auf seinem dritten Album wie ein Mann alter Schule dar, der bereits in den frühen Sechzigerjahren begann. Seine Stimme ist rau, die Konzertgitarre zerschlissen, und Stelling singt wütende Lieder über die Gesellschaft in ihrem gegenwärtigen Zustand und gegen die Mechanismen in unserer auf Konsum basierenden Welt. Doch andererseits ist Labor Against Waste auch zeitgemäß und mit einem Bewusstsein für das gegenwärtige Musikpublikum produziert: zarte Streicherarrangements geben seinen Songs eine gewisse Weichheit, wo sie an anderer Stelle von vorwärtsdrängendem Schlagzeug und Bass angetrieben werden. Doch immer wieder schlägt seine Stimme ins Hysterische um, bricht ab, um eigenbrötlerisch auch ins vollkommen Stille abzudriften. Stelling scheint mit seinen dreiundreißig Lebensjahren von großen Widersprüchen – und von Widerspruchsgeist zur Gegenwartsgesellschaft – angetrieben zu sein. Seine Texte sind sehr poetisch, legen sich quer, meiden die direkte Aussage, die direkte Ansage. Auf den Songs von Labor Against Waste zeigt sich Stelling als ein Protestsongschreiber, der in Frage stellt, ohne vorzugeben, Antworten zu wissen. Wenig lakonisch oder sarkastisch, ist Stelling ein wütender Künstler, mit einer Wut, die diffus, doch mitreißend ist.
Michael Freerix

Onlinerezensionen
THE CHILDREN OF LIR
Now Hit Me With The Piano Please!
www.bexstudio.de
www.childrenoflir.de
(Bex Records)
15 Tracks, 62:40


Die Kölner Celtik-Folk-Band präsentiert wieder ein sehr eigenwilliges Werk mit rockig-jazzigen Arrangements bekannter irischer und schottischer sowie eigener Songs, deren englische, gälische und deutsche Texte ernste Themen transportieren und teilweise im Beiheft mitzulesen sind. Ein Album für aufmerksame Hörer, die auch Ecken und Kanten zu schätzen wissen.

GARDEN OF DELIGHT
Back To Ireland
www.god-band.de
(DMG Records)
12 Tracks, 52:46


G. O. D. Nummer 35 mit gewohnt ruhig groovendem Celtic Rock der unhektischen Art mit einer guten Portion Southern Rock, als würden sich Rawlins Cross, Lynyrd Skynyrd und Paddy goes to Holyhead ein Stelldichein geben. Die Odenwälder verstehen ihr Handwerk. Nur ein richtiges Booklet sollten sie sich leisten, damit man auch den Tiefsinn der Lyrics mitbekommt.


THE VIOLET MOON
A Walk in Time
www.folkundmittelalter.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 30:55


Traditionelle und eigene Lieder eines englischen Duos, wohnhaft in Sachsen. Die Lieder sind großenteils Balladen, die Geschichten erzählen und recht gut verständlich sind, wenn es auch keine Texte zum Mitlesen gibt. Die Begleitung besteht aus einfachen, etwas langweiligen Gitarrenakkorden. Im Ganzen etwas fad dargebracht.




MUSIK FÜR KINDER
 CAFÈ UNTERZUCKER: Bitte, Mammi, hol mich ab – Kindische Urlaubslieder
CAFÈ UNTERZUCKER
Bitte, Mammi, hol mich ab – Kindische Urlaubslieder
cafeunterzucker.de
(Trikont 804612/Indigo)
15 Tracks, 48: 07


Frisch, frech und sehr ironisch wird schon im ersten Titel der potenzielle Nachwuchssnob aufs Korn genommen und in der Folge alle Pannen, die so unterwegs passieren können. Musikalisch abwechslungsreiche Reiselieder über Blechbläser, diverse Gitarren, Mandoline, Bratsche, Banjo, Bass, Stimmen und Kinderchor illustrieren nebst breitem bayerischem Slang den ganz normalen Ferienalltag.
Cathrin Alisch
 HELMUT MEIER: Max geht Fliegen
HELMUT MEIER
Max geht Fliegen
helmut-meier.de
(Verlag Gefühl + Stärke, GS 6677)
17 Tracks, 44: 01


Alltagstaugliche Wind- und Wettermusik für Kinder mit einfachen Texten und neben den Gesängen (Solo und Kinderstimmen) abwechslungsreicher Instrumentierung über diverse Zupfinstrumente, Cello, Geige, Bässe, Patala, Posaune, Percussion etcetera. Die in sich zusammenhängende musikalische Geschichte bietet mit dem farbenfroh gestalteten Booklet eine Einladung zum Nachvollziehen und Mitmachen.
Cathrin Alisch

WIEDERVERÖFFENTLICHT
 JERRYCAN: Sony Man Mountain
JERRYCAN
Sony Man Mountain
strictlycountryrecords.com
(Strictly Country Records, SCR 76)
15 Tracks, 40:15


All das, was die Bluegrassmusik so besonders, so liebenswert macht, das haben Jerrycan zu bieten: präzise Satzgesänge und meisterhaftes Soloinstrumentenspiel auf Gitarre, Banjo, Mandoline, Geige, Bass. Die Wiederveröffentlichung aus dem Jahr 1982 klingt wie aus den Appalachen, kommt aber aus den Niederlanden. Erstaunlich!
Kai Engelke
 GEORGE THOROGOOD AND THE DELAWARE DESTROYERS: George Thorogood And The Delaware Destroyers
GEORGE THOROGOOD AND THE DELAWARE DESTROYERS
George Thorogood And The Delaware Destroyers
georgethorogood.com
(Rounder Records/Universal)
Promo-CD, 11 Tracks, 51:55


Die Neuauflage des Erstlings von 1976 klingt noch genauso roh, wild und ungeschliffen wie damals, hier allerdings erweitert um einen Bonustitel und frisch abgemischt. Bo Diddley, John Lee Hooker und Chuck Berry waren und sind die musikalischen Vorbilder des Mannes mit der elektrischen Slidegitarre, der das Genre des „Hard Rockin’ Boogie“ prägte.
Achim Hennes

Afrika
 BALLOU CANTA: Boboto
BALLOU CANTA
Boboto
balloucanta.com
(Ting Bang TB9562926-06)
11 Tracks, 45:48 , mit Texten u. franz. u. engl. Infos


Schon vom ersten Ton an bezaubert der in der kongolesischen Hafenstadt Pointe-Noire geborene Sänger und Gitarrist mit seinen einschmeichelnden Liedern. Seit Jahrzehnten schüttelt Ballou Canta seine Rumba-Ohrwürmer scheinbar aus dem Ärmel. Die intensiven Kooperationen mit Afropop-Stars wie Manu Dibango, Papa Wemba, Lokua Kanza oder Ray Lema haben sich ausgezahlt. Das in seiner französischen Wahlheimat produzierte Album ist abwechslungsreich arrangiert, wirkt erstaunlich homogen, trotz der Vielzahl an Studiomusikern. Canta ist stimmlich noch immer auf der Höhe, interpretiert seine durchweg mit Keyboarder Hervé Celcal komponierten Stücke mit großer Inbrunst und einer fast schon unverschämten Lässigkeit. Getreu dem Titelsong „Boboto“ – in etwa mit „savoir vivre“ zu übertragen – sind die Liedtexte (vornehmlich in Lingála) positiv besetzt. Fast alle drehen sich um die Freuden der Liebe. Es gibt aber auch kritische Zwischentöne, zum Beispiel in „Zonga“, das die Polygamie (zumindest) in Frage stellt. „Voumbouka“ („Wach auf“) wendet sich an junge Afrikanerinnen und Afrikaner, selbstbewusst aus den Verletzungen der Geschichte zu lernen und das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Perfekte Einladung zur Soukous-Party!
Roland Schmitt
 DAMILY: Very Aomby
DAMILY
Very Aomby
damily.net
(Hélico HWB64126)
11 Tracks, 52:33 , m. franz. u. engl. Infos


Was höre ich denn da? Ein Powergitarrengeschrammel à la „früher Billy Bragg“! Der Sänger, Songwriter und Gitarrist Damily (Jahrgang 1968) stammt allerdings aus Toliara, einer Stadt im Südwesten Madagaskars und propagiert mit seiner gleichnamigen Band den bis dato wenig bekannten „Tsapiky Sound“. Der ist in der Tat rau, geradeaus, fast schon punkig, mit einem gehörigen Schuss Technobeat. Die Rhythmik erinnert gleichwohl an die Musik anderer madagassischer Ensembles wie zum Beispiel Tarika oder Ny Malagasy Orkestra. Das mittlerweile achte Album wurde innerhalb weniger Tage im Mai 2014 in zwei Sessions eingespielt. Auf typische traditionelle Instrumente wie die Bambusharfe Valiha wird offenbar bewusst verzichtet. Im Zentrum stehen Damilys E-Gitarre und Gesang, dazu E-Bass, Schlagzeug und Percussion – c’est tout! Die Liedinhalte kreisen um den beschwerlichen Alltag, Familienbande und – ganz profan – um eine Fliege („Lalitsy“) oder im Titelstück um ein Haustier, das Zebu (Buckelrind). Bemerkenswerterweise erinnern gleich zwei Stücke an (offenbar unvergessene) Banditen. Alles in allem: Dancefloorstoff, bisweilen ultraschnell und absolut mitreißend.
Roland Schmitt

Besondere
SHANTEL
Viva Diaspora
bucovina.de
(Essay Recordings AY D 37/ Indigo)
Promo-CD, 17 Tracks, 58:37


Kosmopolit Shantel pendelt seit einiger Zeit zwischen Frankfurt und Athen. Sein Ruf „Viva Diaspora“ will zeigen, dass gerade dort, wo die Krise ist, am ehesten ein kreativer Umbruch stattfindet. Der Gruß aus Athen geht aber nicht Richtung Brüssel, sondern in den Orient. Die Reise beginnt daher mit der griechischen Sängerin Areti Ketime und einem gepimpten Rembetiko. Ab dem vierten Titel wird es erst deutlicher mit dem Dancebeat und vor allem den auf Eingängigkeit getrimmten Melodien. Es ist eine Reise vom Land in die Stadt, von Athen nach Frankfurt, Brooklyn und Istanbul, von Folk zu Pop und Dancefloor mit Ausflügen in den Orient und den Reggae. Und mit dem schunkeligen Reggae „The Whip“ ist ihm  SHANTEL: Viva Diaspora sogar die hitverdächtigste Nummer gelungen. Manches auf dieser Reise tritt aber zu lange auf der Stelle durch endlose Refrainwiederholungen, anderes wie „Acid Greek“ ringt dagegen seinem Ost-West-Konzept eine neue Variante ab, wenn Shantel seine E-Gitarre hier solistisch wie eine Bouzouki klingen lässt. Hier arbeitete er übrigens mit dem Greek-Electronica-Pionier Imam Baildi zusammen. Shantel lässt die Elektrosounds und Bläser diesmal lange außen vor und favorisiert teilweise eher die Saiteninstrumente. Ud, traditionelle Streichinstrumente und orientalische Zithern sind zu hören, Orientalisches vermischt sich mit Dubrhythmen, sogar ein gemütlicher Walzer ist dabei. Erst gegen Ende kommt der gewohnte Paprika-Sound zum Zug mit seinen ratternden Trompeten, der beseelten Sängerin, dem schnellem Tempo, den stampfenden Beats und den wabernden Electronikaklängen. Shantel fordert also immer wieder zu neuen Erfahrungen heraus, bleibt aber der Fahnenhalter eines Global Pop, in dem Südosteuropa und Orient mit auf der Landkarte sind. Er überzeugt dann, wenn er die akustischen und traditionellen Elemente Südosteuropas subtil urbanisiert. Geht es zu sehr Richtung Party, muss man befürchten, dass er demnächst gefragt wird, wen auch immer beim Eurovision Song Contest er vertreten will.
Hans-Jürgen Lenhart
BROOM BEZZUMS
No Smaller Than The World
broombezzums.com
(Steeplejack Music SJCD017)
15 Tracks, 61:38 , mit engl. Texten


Es gibt diverse Sorten Musiker. Die Hoffnungslosen, aus denen beim besten Willen nie etwas wird. Die harten Arbeiter, die das Niveau halten und erfolgreich touren. Die Genies, die ein Meisterwerk nach dem anderen raushauen. Und dann gibt es die Musiker, die fangen nicht schlecht an und werden danach besser und besser. Zu dieser Kategorie gehören Broom Bezzums. Fünf Jahre haben Mark Bloomer und Andrew Cadie an dem Album gearbeitet, im Musikgeschäft ein unglaublich langer Zeitraum. Aber die beiden wissen genau, was sie tun und was sie musikalisch wollen, und das verträgt keine falsche Eile. Zwölf ausgereifte Songs mit politischen Aussagen und drei mitreißende Tunesets, meist selbst geschrieben, aber auch ein wenig „trad. arr.“  BROOM BEZZUMS: No Smaller Than The World sowie einmal Jez Lowe und einmal Guthrie/Bragg. Lieder, bei denen jede Note, jedes Arrangement, jede kleine Klangidee in sich stimmig ist, solche Lieder bricht man nicht übers Knie. Dazu brauchen die beiden multiinstrumentalen „Ginsterbesen“ auch passende Partner wie den Mann mit den ganz besonderen Ohren, Produzent und Mixer Jürgen Treyz, und eine ganze Reihe großartiger musikalischer Gäste. Ausgesprochen erfreulich ist, dass sich die Zusammenarbeit mit der wunderbaren Sängerin Katie Doherty nicht auf das Broom-Bezzums-Weihnachstprogramm beschränkt. Ihren Gesang können wir hier häufiger genießen, sie hat auch einen eigenen Song beigesteuert und wird im Booklet als (vielleicht zeitweises) Mitglied der Band gelistet. Das Album weist keinen schwachen Track auf, die sorgfältige Arbeit hält die ganze generöse Stunde an, die die Lieder in der Summe dauern. Und dass einige Songs, allen voran das moderne Shanty „Keep Hauling“, tagelang die Gehörgänge blockiert, kommt strafverschärfend hinzu. Anlässlich des dritten Albums des Duos stand in einem Artikel in diesem Magazin zu lesen: „Broom Bezzums eilen innerhalb von vier Jahren in die erste Division der Folkmusik.“ Bleiben wir doch bei dem fußballerischen Bild: Mit No Smaller Than The World qualifizieren sich Broom Bezzums für die Champions League!
Mike Kamp

IRIT DEKEL & ELDAD ZITRIN
Last Of Songs
lastofsongs.com
(Pinorrekk Records/Edel Kultur)
Promo-CD, 12 Tracks, 58:49 , mit engl. Infos


Für Fans wahrlich origineller, in ihrer Andersartigkeit überraschender Coverversionen. Schöner ausgedrückt: Neulektüren bekannter Songs wird beim Hören dieses Plattendebüts vom Tel Aviver Duo aller Wahrscheinlichkeit nach das Herz aufgehen. Die exzellente Vokalistin und der weitschweifig aktive, gelegentlich auch singende Multiinstrumentalist, für ihre Musik zu Hause längst gefeiert und in höchsten Tönen gelobt, meinen mit gesundem, hierbei durchaus angemessenem Selbstbewusstsein, gar besser als das Original zu sein. Und man möchte ihnen von der ersten Note ihres Lieddutzend an recht geben. Einen total entschleunigten Anfang – entgegen dem Brauch, mit dem Opener eines Albums erst mal Gas zu geben – genehmigt sich das Duo  IRIT DEKEL & ELDAD ZITRIN: Last Of Songs mit seiner betörenden Version von „Bye Bye Love“, die Lichtjahre entfernt vom ursprünglichen Everly-Brothers-Klassiker dahinzusegeln scheint. Man wandelt, mitgenommen von feinen Streichern, im Fahrwasser dezent gestalteter Orientalismen, von Tangoflair und anderen Stilistiken und Atmosphären, die in ihrer einander befruchtenden und bereichernden Koexistenz so wohl auch im israelischen, vor allem Tel Aviver Melting Pot köcheln. Bisweilen vermag man gar nicht die musikalische Vorlage zu erkennen; schließlich sind viele der bis zu hundert Jahre alten Originale Jazz- oder Bluessongs, die da von den zwei Israelis überaus kunstvoll und kreativ in ein ganz anderes, eher poppiges Genre überführt wurden. Angesichts des hörbaren Einfallsreichtums scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, dass die beiden ein Album mit wirklich eigenen Songs nachlegen. Und auch dann können sie sicher wieder auf so gute Geister zählen wie etwa den begnadeten Percussionisten Itamar Doari, der in zwei der jeweils von vielen Musikern gestalteten Liedern mitwirkt. Hinsichtlich einer etwaigen politischen Dimension ihrer Arbeit verweisen die ukrainisch verwurzelte Dekel und der griechisch-polnischstämmige Zitrin auf das von ihnen zelebrierte Miteinander von Kulturkreisen, das genauso doch auch anderen Menschen verschiedener Herkunft gelingen sollte.
Katrin Wilke



Bücher
 THOMAS JACOB:: Marcel Adam : Kleinkunst ist kein Rock ’n’ Roll – C’est dur la culture ; aus d. Leben e. musikal. Grenzgängers.
THOMAS JACOB:
Marcel Adam : Kleinkunst ist kein Rock ’n’ Roll – C’est dur la culture ; aus d. Leben e. musikal. Grenzgängers.
bestoffverlag.de
(– 1. Aufl. – Regensburg : Best-off-Verl., 2015. – 135 S. mit zahlr. Farbfotos + )
ISBN 978-3-942427-50-0 , 20,00 EUR


In der Großregion Saar-Lor-Lux beziehungsweise im Südwesten Deutschlands ist der liebenswerte Lothringer Liedermacher, Chansonnier und Mundart-Comedian (Jahrgang 1951) bekannt wie ein bunter Hund. Seit rund dreißig Jahren tourt er mit seinen Liedern, Sprüchen und Geschichten vor allem durch diese Grenzregion; ihm gelang es aber auch sich andernorts ein treues Publikum aufzubauen. Der Alltag eines Kleinkünstlers ist bekanntlich kein Zuckerschlecken – von solchen Erlebnissen erzählt Marcel Adam, sein Freund Thomas Jacob hat diese Anekdoten aufgeschrieben. Das zweisprachige, auf Hochglanzpapier mit vielen Fotos gedruckte Buch ist also keine Autobiografie – was eigentlich schade ist. Denn Marcel Adam, der für seine Liedtexte – ob in Deutsch, Lothringer Platt oder Französisch – immer wieder auf Episoden aus seinem Leben und Beobachtungen in seinem familiären Umfeld zurückgreift, hätte garantiert Spannendes und Bewegendes zu berichten: von seiner Kindheit und Jugendzeit im dörflichen Hambach, von den schmerzlichen Erfahrungen, denen Angehörige und Bekannte im Zweiten Weltkrieg („Malgré-nous“) oder während des Algerien-Kriegs ausgesetzt waren. Das interessanteste Kapitel ist hochaktuell, blickt aber eben auch in die Vergangenheit zurück: „Europa – die Grenzen sind offen …!“ Adams Fan werden schmunzeln, wenn sie seine schrägen Storys mit unverschämten und nervigen Veranstaltern, mit überforderten und grantigen Hausmeistern lesen. Im Schlusskapitel erklärt er mit leichter Bitternis „Was ist ein Kleinkünstler?“.
Roland Schmitt
 CID/FRAEN AN GENDER [HRSG.]:: Mund auf statt Klappe zu! : Frauenbewegeung in lauten Tönen. Vol. 1: Lieder für Frauenchor a capella / hrsg. von CID / Fraen an Gender.   CID/FRAEN AN GENDER [HRSG.]:: Mund auf statt Klappe zu! : Frauenbewegeung in lauten Tönen. Vol. 2: Lieder für Frauenchor mit Klavier- oder Akkordeonbegleitung / hrsg. von CID / Fra
CID/FRAEN AN GENDER [HRSG.]:
Mund auf statt Klappe zu! : Frauenbewegeung in lauten Tönen. Vol. 1: Lieder für Frauenchor a capella / hrsg. von CID / Fraen an Gender.
furore-verlag.de
(– Kassel : Furore-Verl., 2014. – 24 S. : über. Noten. – (Furore-Ed. ; 15050))
ISMN 979-0-50182-850-0 , 10,00 EUR


CID/FRAEN AN GENDER [HRSG.]:
Mund auf statt Klappe zu! : Frauenbewegeung in lauten Tönen. Vol. 2: Lieder für Frauenchor mit Klavier- oder Akkordeonbegleitung / hrsg. von CID / Fra
(– Kassel : Furore-Verl., 2014. – 24 S. : über. Noten. – (Furore-Ed. ; 15051))
ISMN 979-0-50182-851-7 , 15,00 EUR


Es scheint so lange her, dass es ganz normal war, Frauenliederbücher zu veröffentlichen. Schön, dass es nun immerhin zwei gibt, herausgegeben vom Furore-Verlag in Kassel. Der erste Band enthält sechs Lieder, der zweite fünf, mit Texten und Noten sowie Arrangements für Klavier und Akkordeon, dazu Infos zur Geschichte der Lieder auf Deutsch und Englisch. Die Lieder aber sind in verschiedenen Sprachen, auch Französisch, Luxemburgisch und Italienisch sind vertreten. Es geht los mit „Bread And Roses“ aus dem Jahre 1912, den Text hat interessanterweise ein Mann geschrieben, James Oppenheim, und noch heute wird es weltweit gern von Gewerkschaftschören vorgetragen. Wir finden das Suffragettenlied „The March Of The Women“ der englischen Komponistin Ethel Smyth und ein französisches Lied gegen die sogenannten „Ehrenmorde“, das zur Melodie von „Bella Ciao“ gesungen wird, es gibt ein Wiederhören mit „Wir fahr’n nach Holland nicht der Tulpen wegen“ von Inge Latz, das dem Kampf gegen den §218 entstammt und gerade wieder beklemmend aktuell ist, und es gibt ein ganz neues Lied von Frauen aus Trier, Saarbrücken und Luxemburg, das die heutigen Wünsche und Forderungen aufgreift. Zwei Bücher zum Singen und zum Lesen, zum Auffrischen der Erinnerungen und zur Ermutigung, und das durchaus nicht nur für Frauenchöre.
Gabriele Haefs

 VOLKERT F. FALTINGS/JAN I. FALTINGS/DENNIS WERNER:: Lieder und Tänze von Föhr und Amrum : e. Beitrag zur inselnordfriesischen Musikgeschichte.
VOLKERT F. FALTINGS/JAN I. FALTINGS/DENNIS WERNER:
Lieder und Tänze von Föhr und Amrum : e. Beitrag zur inselnordfriesischen Musikgeschichte.
quedens.de
(– Insel Amrum : Quedens, 2015. – 200 S. : mit zahlr. Fotos u. Notenbeisp. – (No)
ISBN 978-3-943307-15-3 , 17,95 EUR


Man freut sich, ein wirkliches Buch in Händen zu halten, gebunden und anspruchsvoll gestaltet mit gestochen scharfen Abbildungen – häufig Fotografien aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Der Autor Volkert F. Faltings nimmt den Leser in einer – trotz ihrer Wissenschaftlichkeit – sehr schönen Sprache mit in die musikalische Vergangenheit der Nordseeinseln Föhr und Amrum. Die traditionelle Musik der Region wird eingebettet in die Kulturgeschichte der Inseln. Historische Quellen geben Eindrücke vom Leben der Musikanten und Sänger im Alltagsleben. Im zweiten Teil des Buches werden handschriftliche Noten der Musikanten Paul Nickels Paulsen (1815-1876) und Jens Philipp Hassold (1855-1940) vorgestellt. Traditionelle Musik aus Handschriften sind Quellen, die, bislang kaum genutzt, immer mehr Akzeptanz unter den Musikanten der Folkszene in Deutschland finden; hier gibt es neuen Stoff aus dem hohen Norden. Die Tanzbeschreibungen der Ida Christina Jensen (1841-1929) und gesammelte Balladen und Lieder der Region sind nicht nur musikhistorisch interessant, sondern wie die Handschriften anregend für Tänzer, Sänger und Musikanten. Angefügt sind bearbeitete Auszüge aus den Tanzmusikhandschriften aus dem Repertoire der Gruppe Kalüün, die sich in der Tradition der alten Musikanten sieht. Eine nützliche Weiterführung des hervorragenden Buches wäre die Herausgabe der Handschriften als Faksimile – mit allen Noten, allen Fehlern und ohne Vorschläge zur Akkordbegleitung. Jede Region in Deutschland sollte Studien wie diese haben.
Ralf Gehler
 ANDREA DAUN:: Tausendschöns Abenteuer. / Ill. von Régis Noël ; Hörbuch: Gelesen von Tom Daun ; Haufenmusik: Tom Daun.
ANDREA DAUN:
Tausendschöns Abenteuer. / Ill. von Régis Noël ; Hörbuch: Gelesen von Tom Daun ; Haufenmusik: Tom Daun.
rgverlag.com
andreadaun.de
(– Dörfles : Götz, 2015. – 87 S. : mit zahlr. Ill. + CD)
ISBN 978-3-902625-58-8 , 19,90 EUR


In Zusammenarbeit mit dem Zeichner Régis Noël und ihrem Mann, dem Harfenisten Tom Daun, hat die Pädagogin Andrea Daun ein Märchenbuch für Kinder ab vier Jahren veröffentlicht. Diese Geschichte soll die Fantasie beflügeln und Kindern helfen, sich ihren eigenen Ängsten zu stellen oder diese sogar zu überwinden. In sechs Kapiteln erlebt Tausendschön kleine Abenteuer, in denen sie in verschiedene Rollen schlüpft und die sie gemeinsam mit Ihren Freunden Emil, dem Eisfuchs, dem Drachen und der Zauberin Eliza meistert, obwohl sie selbst keinerlei besondere Fähigkeiten besitzt. Die Zauberwesen helfen Tausendschön bei ihren Abenteuern, andererseits brauchen sie selbst Tausendschöns Hilfe und Freundschaft, um überleben zu können. Nach jedem Kapitel gibt es noch eine Zusammenfassung der Geschichte in Versform, welche zum Nachspielen durch die Kinder einlädt. Und als Bonus, sehr schön gemacht, gibt es eine CD im Buch. Darauf ist die Geschichte als Hörbuch enthalten, vorgelesen von Tom Daun und sehr dezent und passend mit Harfenmusik von ihm begleitet. Natürlich braucht ein Kinderbuch auch Illustrationen, welche Régis Noël beigesteuert hat. Neben zahlreichen ganzseitigen, einfachen gehaltenen und dadurch kindgerechten Aquarellen hat er Details aus der Geschichte zeichnerisch festgehalten. Insgesamt passt das alles sehr gut zusammen. Nicht nur als Gesamtkonzept sehr stimmig gemacht, sondern auch pädagogisch gut gelungen. Kurz, spannend und zielgerichtet auf Fantasieanregung und Angstbewältigung ausgerichtet.
Doris Joosten

 MICHAEL LANGER:: Acoustic Pop Guitar Solos 3 : Noten & TAB – easy/medium ; 20 Songs ;  incl. CD.
MICHAEL LANGER:
Acoustic Pop Guitar Solos 3 : Noten & TAB – easy/medium ; 20 Songs ; incl. CD.
edition-dux.de
(– Manching : Ed. Dux, 2015. – 130 S. : : nur Noten m. TAB u. Texte + CD)
ISBN 978-3-86849-270-5, ISMN 979-0-50017-424-0 , 22,80 EUR


Der renommierte Wiener Gitarrist Michael Langer setzt sein bewährtes Konzept mit Bearbeitungen beliebter Popsongs im mittlerweile dritten Band fort. Neben einer kurzen Einführung in die Historie des Liedes erhält der Begleiter eine Anleitung fürs „Strumming“, sprich Anschlagen, sowie ein „Basic Picking“, also ein Zupfmuster. Text und Akkorde sind übersichtlich auf eine Seite gesetzt. Am interessantesten ist aber sicherlich die abschließende Soloversion, die dann doch schon ein gewisses gitarristisches Können voraussetzt. Hier zeigt sich in besonderem Maße Langers große Fähigkeit, populäre Songs in quasi klassische Gitarrensolowerke zu übersetzen, Noten und Tabulatur, versteht sich. Eine mustergültige Einspielung aller zwanzig Titel findet sich auf der beigefügten CD. Am Start sind diesmal Songs von Jason Mraz, Passenger, Eric Clapton, Miley Cirus, Avicii und vielen anderen.
Rolf Beydemüller
 SILVIA KUMETH:: Spielstücke für Okarina und Akkordeon.
SILVIA KUMETH:
Spielstücke für Okarina und Akkordeon.
preissler-verlag.de
(– Manching : Pressiere, 2015. – 31 / 16 S. : nur Noten + CD. - (JP ; 6626))
ISMN 979-0-2014-6626-2 , 19,80 EUR


Das Notenheft enthält die gleichen vierzehn Stücke wie die erste, 2011 erschienene Ausgabe für Okarina und Steirische Harmonika, diesmal umgeschrieben für Akkordeon. Die Akkordeonnoten (Melodie und Bass mit Akkordangaben für Begleitinstrumente) werden ergänzt durch die Noten nur für Okarina und einer Grifftabelle für Okarina. Auch die beiliegende CD zum Reinhören und Mitspielen ist die der 2011er-Ausgabe mit Steirischer Harmonika und Okarina.
Doris Joosten

 MICHAEL LANGER:: Acoustic Pop Guitar Ensemble 6 : Pharrell Williams „Happy“ (für 4 Gitarren) ; Partitur & Stimmen ; Level easy/medium.   MICHAEL LANGER:: Acoustic Pop Guitar Ensemble 7 : Bob Marley „I Shot The Sheriff“ (für 4 Gitarren) ; Partitur & Stimmen ; Level easy.
MICHAEL LANGER:
Acoustic Pop Guitar Ensemble 6 : Pharrell Williams „Happy“ (für 4 Gitarren) ; Partitur & Stimmen ; Level easy/medium.
edition-dux.de
(– Manching : Ed. Dux, 2015. – 8/3/3/3/3 S. : nur Noten)
ISBN 978-3-86849-268-2, ISMN 979-0-50017-422-6 , 13,80 EUR


MICHAEL LANGER:
Acoustic Pop Guitar Ensemble 7 : Bob Marley „I Shot The Sheriff“ (für 4 Gitarren) ; Partitur & Stimmen ; Level easy.
(– Manching : Ed. Dux, 2015. – 8/3/3/3/3 S. : nur Noten)
ISBN 978-3-86849-269-9, ISMN 979-0-50017-423-3 , 13,80 EUR


Auch für das vierstimmige Gitarrenensemble schreibt Michael Langer in loser Folge Arrangements weltbekannter Popsongs. Hier spricht der Wiener Gitarrenprofessor in erster Linie Gitarrenlehrer an, die auf der Suche nach zeitgemäßem Unterrichtsmaterial sind. Dicht gesät ist die Literatur in diesem Bereich nicht und daher stellen diese Quartette von Popklassikern eine schöne Bereicherung für den ergänzenden Ensembleunterricht an Musikschulen dar. Der exzellente, übersichtliche Notendruck (in diesem Fall gibt es keine Tabulatur), vier Einzelstimmen sowie Partitur, machen diese Ausgaben zu einer echten Freude. Davon abgesehen klingen die Arrangements frisch und sehr „groovy“. Beste Voraussetzungen um den Spielspaß auf hohem Niveau zu halten.
Rolf Beydemüller
 VAHID MATEJKO:: Tango Play-Alongs für Akkordeon.   VAHID MATEJKO:: Tango Play-Alongs für Flöte.
VAHID MATEJKO:
Tango Play-Alongs für Akkordeon.
alfredverlag.de
(– o. O. : Alfred Music, 2015. – 52 S. : nur Noten + CD)
ISBN 978-3-943638-76-9 , 17,95 EUR


VAHID MATEJKO:
Tango Play-Alongs für Flöte.
(– o. O. : Alfred Music, 2015. – 35 S. : nur Noten + CD)
ISBN 978-3-943638-73-8 , 17,95 EUR


Elf selbst komponierte und arrangierte Tangos hat Matejko in den beiden vorliegenden Heften veröffentlicht. Sie liefern die Noten der gleichen elf Stücke für das jeweilige Instrument (im Falle des Akkordeons neben der Melodie natürlich auch die Bassbegleitung) sowie Akkordangaben. Ergänzt wird das Heft jeweils durch eine Begleit-CD. Diese enthält jedes Stück als Demotrack sowie als Play-along-Version, live eingespielt von hochkarätigen Studiomusikern. Im Falle der Querflötenausgabe zum Beispiel konnte für dieses Projekt Prof. Heiner Wiberny (ex WDR Big Band) gewonnen werden. Neben den beiden vorgestellten Ausgaben gibt es Matejkos Tango Play-Alongs noch für Klarinette, Saxofon, Violine und Cello.
Doris Joosten

 MICHAEL LANGER:: Louis Moreau Gottschalk : Manchega : für 2 Gitarren.
MICHAEL LANGER:
Louis Moreau Gottschalk : Manchega : für 2 Gitarren.
edition-dux.de
(– Manching : Ed. Dux, 2015. – 8/3/3 S. : nur Noten. – (fingerstyle))
ISBN 978-3-868649-272-9, ISMN 979-0-50017-426-4 , 9,80 EUR


Und noch eine Michael-Langer-Serie, die unter dem Oberbegriff „Fingerstyle“ Solo- und Duoarrangements für Gitarre(n) aus den Bereichen Pop, Rock, Jazz und Latin veröffentlicht. Nach Stücken von Paul Simon, Carlos Santana oder Joe Zawinul hat Langer hier eine Komposition des Komponisten und Konzertpianisten Louis Moreau Gottschalk (1829-1869) für Gitarrenduo bearbeitet. „Manchega“ ist ein feines, eingängiges und mitreißendes Stückchen Salonmusik mit starkem Latin-Flavour. Das Duo stellt an die Ausführenden allerdings einige Anforderungen.
Rolf Beydemüller
 BUGGE WESSELTOFT:: It’s Snowing on My Piano : Songbook ; Christmas Music for Piano.
BUGGE WESSELTOFT:
It’s Snowing on My Piano : Songbook ; Christmas Music for Piano.
bosworth.de
(– o. O. : Bosworth Ed., 2014. – 56 S. : nur Noten. – (BOE ; 7753))
ISBN 978-3-86543-861-4 , 24,95 EUR


Laut WAZ ist It’s Snowing On My Piano die größte Weihnachts-CD, die der zeitgenössische Jazz je hervorgebracht hat, da sie überirdisch schön sei. Sie war das Erstlingswerk von Wesseltoft und wurde mit dem German Jazz Award in Gold und Platin ausgezeichnet. Nach siebzehn Jahren hat Bosworth 2014 die Noten dazu veröffentlicht. Wesseltoft hat die zwölf Stücke entweder selbst komponiert oder bekannte Traditionals (unter anderem „Stille Nacht“, „Es ist ein Ros entsprungen“, „In Dulce Jubilo“) auf seine Art arrangiert, alles sehr ruhig und entspannend, wie es zur Weihnachtszeit zugehen sollte. Eine schöne Möglichkeit für Pianisten, Weihnachtslieder auch mal anders darzubieten.
Doris Joosten

 SEBASTIAN MÜLLER [MITARB.]:: Das Weihnachtsliederbuch für Alt und Jung : 70 leicht arrangierte Weihnachtslieder für Gesang und Gitarre.  / arr. von Sebastian Müller.   SEBASTIAN MÜLLER [MITARB.]:: Das Weihnachtsliederbuch für Alt und Jung : 70 leicht arrangierte Weihnachtslieder für Gesang und Ukulele. / arr. von Sebastian Müller.
SEBASTIAN MÜLLER [MITARB.]:
Das Weihnachtsliederbuch für Alt und Jung : 70 leicht arrangierte Weihnachtslieder für Gesang und Gitarre. / arr. von Sebastian Müller.
schott-musik.de
(– Mainz [u. a.] : Schott, 2014. – 119 S. : überw. Noten ; mit Abb. – (ED ; 22026)
ISBN 978-3-7957-4903-3 , 14,99 EUR


SEBASTIAN MÜLLER [MITARB.]:
Das Weihnachtsliederbuch für Alt und Jung : 70 leicht arrangierte Weihnachtslieder für Gesang und Ukulele. / arr. von Sebastian Müller.
(– Mainz [u. a.] : Schott, 2014. – 119 S. : überw. Noten ; mit Abb. – (ED ; 22027)
ISBN 978-3-7957-4904-0 , 14,99 EUR


Ho, ho, ho! Alle Jahre wieder landen CDs und Liedersammlungen mit weihnachtlichem Material auf dem Markt. Brauchen wir die? Nun ja, kommt drauf an. Wenn es um „Jingle Bells“ oder „O du fröhliche“ geht, wohl eher nicht. Die gibt es zuhauf. Sucht man darüber hinaus auch neuzeitliche Klassiker wie etwa George Michaels „Last Christmas“ oder Mariah Careys „All I Want For Christmas Is You“, dann ist diese Edition mit siebzig Weihnachtsbaum-Evergreens vielleicht doch beachtenswert. Gleich in zwei Ausgaben ist sie erhältlich: für den Gitarristen (und der darf auch ruhig noch Anfänger sein) sowie für den Ukulele spielenden Weihnachtsbarden. Melodien, Texte, Griffbilder und je einen Vorschlag fürs Schlagen oder Zupfen, fertig ist das Liederbuch. Und wo wir schon bei Weihnachten sind: Die Hefte von Sebastian Müller sind schöne Geschenke!
Rolf Beydemüller
 PETER GRETZEL & EVA MARIA HOIS:: Arthur Halberstadt 1874-1950 : Volkskundler und Volksliedforscher im Semmeringgebiet.
PETER GRETZEL & EVA MARIA HOIS:
Arthur Halberstadt 1874-1950 : Volkskundler und Volksliedforscher im Semmeringgebiet.
volkskulturnoe.at
(– Atzenbrugg: Kultur Region Niederösterreich, 2015. – 232 S. : mit zahlr. Abb.)
ISBN 978-3-901820-92-2 , 32,90 EUR


Lebendiges, liebevolles Porträt eines engagierten Amateurfolkloristen. „Seine Absicht war, die bäuerlich geprägte Kultur einer Kleinregion zu dokumentieren, zu kommunizieren und so am Leben zu erhalten.“ Das großformatige Buch ist aufwendig gestaltet, ausgesprochen reich bebildert und von hoher Papierqualität. Die aktuell eingespielte CD (31 Tracks) veranschaulicht die erwähnten Lieder und Melodien.
Mike Kamp

Deutschland
 CASSARD: Joli-Coeur
CASSARD
Joli-Coeur
duo-cassard.de
(Ojo Music)
14 Tracks, 56:11


Das dritte Album der beiden Multiinstrumentalisten bietet wiederum frankophile Musik vom Feinsten. Johannes Mayr spielt Akkordeon, Nyckelharpa, Harmonium und Kontrabass. Christoph Pelgen ist an verschiedensten Dudelsäcken, aber auch mit Krummhorn, Mandoline, Tin Whistle, Gitarre und Saxofon zu hören. Neben vielen instrumentalen Eigenkompositionen finden sich drei traditionelle französische Lieder mit erotischen Anspielungen, ein schwedisches Weihnachtslied und das deutsche Renaissancelied „Winter, du must Urlaub han“ auf dieser sehr abwechslungsreichen Scheibe. Gerade die vertrackten Rhythmen – hier mal fünf Viertel mit eingeschobenem vierfachen Walzertakt, da mal eine Sechzehntel-Polska – und die verspielten, kreativen Arrangements lassen immer wieder aufhorchen. Da endet ein Stück schon mal mit chromatischem Lauf und Unterquinte. Alles virtuos zelebriert und in traumhaft sicherem Zusammenspiel. Der Albumtitel bezieht sich übrigens auf den gleichnamigen kleinen Affen aus einem Roman von Hector Malot (1878). Sehr stilvoll, witzig und passend auch die Gestaltung, welche alten Postkarten aus der Zeit um 1900 entnommen wurde. Fazit: Dieses Album ist uneingeschränkt zu empfehlen.
Piet Pollack
 DIESELKNECHT: Vinyl-Single-Serie 2015
DIESELKNECHT
Vinyl-Single-Serie 2015
dieselknecht.com
(Agrar Berlin AB-4600-01 bis AB 4600-05)
10 Tracks auf 5 Singles, 26:51


Das wäre selbst in den großen Zeiten der Vinyligen ein Wagnis gewesen: ein neues Album nicht als Langspielplatte, sondern im Verlauf von sechs Monaten als Sammlung von fünf Singles herauszubringen. Doch vielleicht setzen die Jungs von Dieselknecht auf ein Ausrufezeichen in der Nische, und irgendwo lauert bestimmt schon der Downloadcode. Aber erst mal lagen bis Redaktionsschluss drei Vinylsingles vor, und bei Erscheinen dieses Hefts werden es fünf sein, ganz klassisch mit je einem Song auf je einer Seite. Wir legen die im April erschienene Scheibe „Dein Spiel“ auf, bitten den alten Dreher, auf 45 Umdrehungen pro Minute zu beschleunigen und erleben die Dortmunder, wie wir sie kennen: Ihre Mischung aus Folk, Punk und Leidenschaft, ungezwungen mit viel Banjo und Gitarre vorgetragen, melodiös, mitreißend – eindeutig eine Hitsingle, die nach 2:24 zu Ende ist. Ähnlich geht es weiter, die Themen unserer Zeit und der deutschen Liedtradition aufgreifend, mit Americana-Instrumenten. „Der letzte Wilderer“ erhält auf Single zwei seine Würdigung, und „Wenn der Hammer fällt“ prangert kapitalistisches Entlassen an. Kurzum: Es ist an der Zeit, die Duals und Thorense rauszuholen, es soll euer Schaden nicht sein.
Volker Dick

 FLEADH: The Peacock’s Feather
FLEADH
The Peacock’s Feather
greenhill-media.com
fleadh.de
(Green Hill Media)
13 Tracks, 55:18 , mit engl. Texten u. Infos


Fünf gestandene Männer aus Neckargemünd präsentieren auch auf ihrer dritten Scheibe bodenständigen, deftigen Irish Folk, der zugleich eine wohltuende Ruhe ausstrahlt. Sieben Lieder thematisieren die ernsten Seiten des Lebens, wie Mobbing, die Tretmühlen des Geldverdienenmüssens, häusliche Gewalt, Einsamkeit, verlorene Lebenskämpfe und verlogene Propaganda. Der irischstämmige Frontsänger Saoirse Mhór trägt sie mit der Stimme eines Mannes vor, der unter all dem leidet, aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, dass es auch alles anders sein könnte, Letzteres vor allem in „Salt Of The Earth“, das von der Fülle eines Lebens handelt, dessen Inhalte man richtig gewählt hat. Irische Lieder müssen also nicht immer nur von Kriegen und Hungersnöten vergangener Jahrhunderte erzählen, sondern können auch die Probleme des heutigen Lebens behandeln und ihre Zeitlosigkeit hervorheben. Auf Gitarren, Whistles, Bodhrán, Uilleann Pipes, Fiddle, Manoline, Harmonika und Percussion begleiten ihn seine deutschen Kompagnons Frank Weber, Thomas Gorny, Marcus Eichenlaub und Frank McDürschner nicht nur, sondern bringen in sechs mal getragenen, mal flotten, meist vielschichtigen und groovigen Tunesets auch eine eigene Note in die Musik. Eine Musik mit Tiefgang!
Michael A. Schmiedel
 ANDRÉ KRENGEL ACOUSTIC EMBASSY: Head, Heart & Hands
ANDRÉ KRENGEL ACOUSTIC EMBASSY
Head, Heart & Hands
andrekrengel.de
(DMG Records/Broken Silence)
15 Tracks, 70:10


Aus dem Düsseldorfer „Gitarrenhexer“ ist inzwischen ein Wahlmünchener geworden. André Krengel lässt auf Head, Heart & Hands seine virtuos entspannt gespielte Gitarre erzählen. Seine musikalischen Geschichten sind klingende Weltreisen durch Länder wie Latin, Pop, Jazz, Flamenco und Gypsy Swing im Flair eines entspannten Sommers, dessen luftig sonnige Töne auf diesem Album für dunkle Winter konserviert sind. Die Reise unternimmt Krengel in erlesener Gesellschaft. An Bord: der Flötist Domingo Patricio, den viele von Paco de Lucia her kennen, der Flamencogitarrist Rafael Cortez und die äthiopische Vokalistin Tsega Tebege, die hier eine zauberhafte Fassung des Mamboklassikers „Sway“ singt. Konstantin Wienstroers klare, wundervoll exakt und groovig perlenden Basslinien sind die perfekte Basis. Zu Oscar Petersons „Nigerian Marketplace“ hat er eigens ein Intro komponiert. Sein Bruder Markus, einer der gefragtesten Studiogitarristen, hier, wie ursprünglich, mal wieder auf der Violine zu hören, und ein weiterer bewundernswert einfühlsamer Gastmusiker an Schlagzeug und Percussion, der durch pointiertes Spiel glänzt: der Multiinstrumentalist Jürgen Dahmen.
Stefan Sell

 POLKAHOLIX: Sex & Drugs & Sauerkraut
POLKAHOLIX
Sex & Drugs & Sauerkraut
polkaholix.de
(Monopol Records/DA Music)
13 Tracks, 45:36 , mit dt. u. engl. Infos


Die zum Sextett geschrumpften Polkaholix – plus Gasttrompeter Peter Zimmer – mussten über Mangel an Aufmerksamkeit seitens des Folker für ihren Partymix aus Ska, Rock und Folk rund um die Polka noch nie klagen. Eine gute Gelegenheit, anhand ihres Modells einmal grundsätzlich das Lob des guten Songs im Sinne einer griffigen Komposition zu singen! Zumal der Unterschied zum nicht so guten Song auch beim vierten Album der Berliner wieder ziemlich offen zutage liegt. Kein Wunder, bei Coverversionen solcher Vorlagen wie Falcos „Amadeus“ – ein Refrain ohne Inhalt, der trotzdem nie wieder zu vergessen ist. Kiss’ „I Was Made For Lovin’ You“ – ein vollschmieriger Rockschlager, aber wieder ein Refrain, der bleibt. Sonnys „Bang Bang“ für seine Frau Cher – quasi die Quersumme der vorgenannten. Vom durch und durch wunderbaren Traditional „Roving Gambler“ ganz zu schweigen. Kategorischer Imperativ Nummer eins: ein Song! Hart gefolgt von Imperativ Nummer zwei: und ab damit durch den Fleischwolf der eigenen Handschrift! Die Polkaholix wissen das von Anfang an. Und wozu dann all die Füller ganz anderen Kalibers? Die zwar grooven wie die Hits – aber hängen bleibt davon nix. Die leidigen Tantiemen?
Christian Beck
 VENIJA: Venija
VENIJA
Venija
stadtstreicher-records.de
(Stadtstreicher Records, Best. Nr. CD-00-001)
11 Tracks, 47:14 , mit dt. Texten u. Infos


Stadtstreicher Records ist ein neues Label aus Hamburg, das Liedermachern und Folkgruppen aus dem jugendbündischen Bereich ein Forum bieten möchte und hier seine erste Produktion vorlegt. Folgerichtig kommt auch die junge Kölner Sängerin Venija aus dem bündischen Umfeld. Sie trat schon häufiger mit gutem Erfolg bei den Peter-Rohland-Singewettstreiten auf der Burg Waldeck auf und sammelte wichtige musikalische Erfahrungen „auf Fahrt“ und gemeinsam mit ihrer Band Heckenkapelle. Ihre in spanischer, englischer, französischer und deutscher Sprache geschriebenen Lieder interpretiert sie lässig und unaufgeregt, manchmal vielleicht eine Spur zu verhalten. Die sparsame, dafür nicht minder effektive akustische Instrumentierung unterstreicht den persönlichen Charakter der Lieder. Venijas Texte präsentieren eigenständige Bilder, die dazu passenden Melodien kommen originell bis ungewöhnlich daher. Ein Hidden Track, inhaltlich an Joachim Ringelnatz angelehnt, verdient diese Bezeichnung tatsächlich: der Hörer muss geschlagene fünfzehn Minuten warten, bis „Ansprache einer Fremden“ erklingt. Gut gemeinter Rat an das Label: eine CD ohne Rückenaufdruck verschwindet häufig im CD-Regal auf Nimmerwiedersehen. Und das wäre in diesem Fall wirklich schade!
Kai Engelke

DVD/Filme
 ELINA BROTHERUS & MARIA KALANIEMI: Tango Hosut/Tango Trousers
ELINA BROTHERUS & MARIA KALANIEMI
Tango Hosut/Tango Trousers
mariakalaniemi.com
(Eigenverlag)
DVD 8 Tracks, 35:46


Die bildende Künstlerin Brotherus hatte die Idee, ihre finnischen Landschaften mit der finnischen Musik Kalaniemis zu verbinden. Maria Kalaniemi gilt als die führende zeitgenössische Akkordeonistin Finnlands und Eero Grundström, ihr DuoPartner seit 2010, ist Komponist und Harmonium-/Mundharmonikaspieler der Gruppe Sväng. Beide unterrichten an der Sibelius-Akademie. Brotherus hat sich mit ihren Fotos und Videos auch international einen Namen gemacht. Es geht ihr um die Beziehung von Mensch und Natur, die sie vor allen Dingen mit (Selbst-)Porträts, Landschaftsbildern und einzelnen Menschen in Landschaften beschreibt. Ihre Videodarstellungen sind eher statisch. Die Einstellungen sind mit 10 bis 25 Sekunden extrem lang mit einem Minimum an Bewegung der Personen. Zu diesen Bildfolgen hat Kalaniemi passende Musik komponiert, die manchmal sogar programmatisch wirkt, wie im „Stillen Waldsee“, der sich nach einem bewegten Bad unter ausklingenden Einzeltönen immer mehr beruhigt. Wie, um die acht ruhigen Sequenzen aufzulösen, wurde für das letzte Stück eine kurze Walzerszene mit französischen Klängen aufgenommen. Sowohl die Videos als auch die Musik können ohne einander bestehen. Beide zusammen führen aber zu einem besonderen Erlebnis.
Bernd Künzer



Europa
 A FILETTA: Castelli
A FILETTA
Castelli
worldvillagemusic.com
(World Village)
Promo-CD, 14 Tracks, 38:34


Castelli, „Schlösser“, sind für das sechsköpfige korsische Vokalensemble Orte der Vergangenheit, der Geschichtsschreibung, aber auch Sandburgen, die ständig in Bewegung sind. Sie bilden das Fundament und die Hülle ihrer im Laufe der letzten Jahre entstandenen Stücke. Ihre Kompositionen für Film, Theater und Ausdruckstanz wechseln sich ab mit sakralen Gesängen, vertonten Texten von Fernando Pessoa oder einfach nur einem wunderschönen korsischen Schlaflied. Das Album schließt mit einer georgischen Hymne. So viele Ingredienzien könnten für ein uneinheitliches Werk sorgen, doch A Filettas Schaffen ist tief in der polyfonen Gesangstradition Korsikas verwurzelt. Der Kontrast ihrer geistlichen und weltlichen ernsten Musik ist reizvoll, die Stücke sind spannend arrangiert, und die Zusammenstellung macht Sinn. Castelli fasziniert vom ersten bis zum letzten Ton. Die Gesangslinien – Altus, Tenor, Bariton und Bass – fließen ineinander, trennen sich, bilden Kontraste und finden wieder eine Einheit. A Filettas Musik ist tatsächlich eine Festung der Tradition und Geschichte. Darin wohnen sechs Männer, deren Sinne offen sind für Neues und Ungehörtes – immer im Dienste einer rauen Schönheit.
Martin Steiner
 MARK BILLINGHAM & MY DARLING CLEMENTINE: The Other Half
MARK BILLINGHAM & MY DARLING CLEMENTINE
The Other Half
mydarlingclementinemusic.co.uk
(Hachette Audio/Hemifrân)
15 Tracks, 64:00 , mit engl. Infos, Kombi aus Hörbuch u. Musik


Schon die Aufmachung der Platte The Other Half erinnert in ihrem Design an einen rustikalen Westernsaloon, wie wir ihn aus dem Fernsehen kennen. Und genauso klingt auch die Musik von My Darling Clementine. Das Duo interpretiert verschiedene Countrysongs derart authentisch, dass eine tolle Atmosphäre entsteht. Dadurch funktioniert das Konzept des Albums sehr gut, denn bei The Other Half handelt es sich um eine Kombination aus Hörbuch und Musik. Mark Billingham erzählt die Geschichte der jungen Marcia, die in einer Bar jobbt und täglich die Freuden und Leiden ihrer Kunden erfährt, während sie Bier und Burger serviert. Doch ein Anruf verändert ihr Leben. Billingham hat eine angenehme Stimme, der man gerne zuhört. Sollte man die Texte nicht auf Anhieb verstehen, so ist Nachlesen im Booklet problemlos möglich. Die Songs zwischen den Textpassagen sorgen für die richtige Stimmung und machen die Geschichte leichter.
Claudia Niedermeier

 KETIL BJØRNSTAD & OLE PAUS: Frolandia
KETIL BJØRNSTAD & OLE PAUS
Frolandia
ketilbjornstad.com
(Grappa/Galileo)
17 Tracks 65:32 , mit allen norw. Liedtexten


Den Lyriker, Schriftsteller, Jazzkomponisten und -pianisten Ketil Bjørnstad (*1952) verbindet eine dauerhafte Freundschaft mit dem Musiker, Sänger Schriftsteller und Dichter Ole Paus (*1947), seit sie beide 1973 für ein Album Paus’ zusammenarbeiteten. Bjørnstad sagte einmal, dass er keine Melodie schriebe, ohne Paus’ Stimme im Kopf zu haben. Der geht auf die siebzig zu und dachte ans Aufhören, aber nach so vielen Jahren der gemeinsamen Arbeit war es für beide ein würdiger Abschluss, dieses Auftragswerk für die südnorwegische Kommune Froland zu erfüllen, zumal Bjørnstad sechzehn Jahre dort gelebt hat und Paus sich immer für „sein kleines Land“ stark gemacht hat. So geht es hier auch um eine Huldigung an das norwegische Binnenland mit seinen kleinen Dörfern im Gegensatz zu den Küstenregionen, wo alles groß ist. Die siebzehn Lieder auf dem Album sind fast wie ein Vermächtnis, sehr anrührend durch die inzwischen etwas brüchige Stimme Paus’ und die wehmütigen Melodien und Liedtexte Bjørnstads. Es ist alles gut anzuhören: Piano und Gesang, unterstützt von Annbjørg Lien, die Hardangerfiedel und Nyckelharpa spielt, dem Gitarristen Rolf Kristensen, dem Bassisten Ole Kelly Kvamme und dem Schlagzeuger Tom Rudi Torjussen.
Bernd Künzer
 FLEMMING BORBY: Somebody Wrong
FLEMMING BORBY
Somebody Wrong
flemmingborby.net
(Divine Records divine010CD/Rough Trade)
8 Tracks, 33:02


Popfolk aus Dänemark ist oft ein bisschen sperriger und verschrobener als die glatten Hitproduktionen der schwedischen Nachbarn. In diesem Sinne ist das neue Album von Flemming Borby ein typisch dänisches Album. Der seit Längerem in Berlin lebende Künstler hat sein Soloalbum im Vintagestil gestaltet, und auch textlich finden sich Anleihen an die Zeit der Plattenspieler und Nierenmikrofone. Die Kompositionen sind aber alles andere als altmodisch. Zwischen Countryanleihen und Liedermacherfolk klingt der sympathische Weltenbummler hochmodern und man wartet geradezu auf ein Engagement beim Reeperbahn-Festival oder bei Haldern Pop. Manche Songs sind so sehr Americana, dass sie auch Green on Red gut zu Gesicht stehen würden. Vielleicht müssen Lieder, die in einem texanischen Aufnahmestudio eingespielt wurden, eben so klingen. Der leicht rauchige Unterton in der hellen Stimme des Sängers sorgt für einen hohen Wiedererkennungswert, die Songs sind mal verträumt, mal energetisch und laden zum Nachspielen ein. Nach der Karriere in diversen Indie-Folkpop-Bands, von denen man hierzulande Labrador am ehesten kennt, scheint Flemming Borby nun seinen Weg gefunden zu haben.
Chris Elstrodt

 DAVID DE JACOBA: Jubileo
DAVID DE JACOBA
Jubileo
galileo-mc.de
(Karonte KAR7741/Galileo MC)
9 Tracks, 36:15 , mit span. Infos u. Texten


Gerade der Flamenco bringt nicht selten erstaunlich reife, avancierte Debütalben hervor, bei denen man sich fragt, warum der Künstler nicht eher ans Licht trat. Bis dahin sammeln jedoch die Cantaores und Gitarristen (bestenfalls!) jahrelang Erfahrung im Begleiten anderer Kollegen. So wohl auch im Falle des dreißigjährigen Andalusiers, dessen erste eigene Arbeit heiß erwartet wurde. Er bekam seinen Ritterschlag immerhin von Paco de Lucía, der den Cantaor auf seine letzten Touren mitnahm. Der verstorbene Gitarrist hatte den jungen Kollegen gebeten, dem „puren Flamenco“ treu zu bleiben. Dies, genauso wie der frische Atem des heutigen Flamenco haftet den neun, überwiegend traditionsnahen Stücken an. Der dezent raue Cante des Gitano, bisweilen an sein Idol Camarón, den größten Flamencosänger der Moderne, erinnernd, ist durchweg bestechend und treffsicher, von großer melodischer und rhythmischer Ausgefeiltheit und Intuition. Dass der seit 2008 in Madrid lebende David Maldonado Santiago – so sein bürgerlicher Name – mit seiner Kunst offene Türen eintritt, zeigt die stattliche Gästeliste. Neben einigen der besten Gitarristen (unter anderem Tomatito, Vicente Amigo) kamen auch Flamencoblueser Raimundo Amador, Bassist Alain Pérez und Percussionist Lucky Losada ins mythische Studio „Uno“.
Katrin Wilke
 ILARIA GRAZIANO E FRANCESCO FORNI: From Bedlam To Lenane
ILARIA GRAZIANO E FRANCESCO FORNI
From Bedlam To Lenane
agualocarecords.com
(Agualoca Records)
Promo-CD, 13 Tracks, 52:09


Es gibt Musik fürs Hirn und es gibt solche für Bauch und Herz. From Bedlam To Lenane ist reines Gefühlskino: Countryblues, mexikanischer Herzschmerz, Jazz Manouche und italienische Canzoni, abwechselnd und zusammen gesungen von Ilaria Graziano und Francesco Forni, die sich an Gitarre, Ukulele und Percussion begleiten. Die Reduktion auf wenige Instrumente lässt die Musik atmen. Dazu kommt die einzigartige Stimme von Ilaria Graziano, die ein einfaches Lied zu einem Erlebnis macht. Auch Francesco Forni ist kein schlechter Sänger, aber bei den englisch gesungenen Liedern steht ihm die Sprache für den starken Ausdruck ein wenig im Weg. Dafür sorgt der schleppende Blues seiner Eigenkomposition „Rosaspina“, mit starkem Gesang und Slidegitarreneinlage, für den vielleicht hellsten Glanzpunkt des Albums. So aktuell die Musik in ihrer Vielsprachigkeit und den unterschiedlichen Stilen ist, so nostalgisch wirkt sie manchmal. Kein Wunder, weilen doch die Autoren der Fremdkompositionen – Johnny Cash, der Mexikaner José López Alavez und Andy Stroud (Mann Nina Simones) – allesamt nicht mehr unter uns. Zudem verströmt das Album das gewisse Hippiefeeling der stärksten Folkalben der Endsechziger.
Martin Steiner

 GLEN HANSARD: Didn’t He Ramble
GLEN HANSARD
Didn’t He Ramble
glenhansardmusic.com
(Anti-/Plateau Records 26CD/Indigo)
10 Tracks, 39:20 , mit engl. Texten u. Infos


Auch Folkhelden kommen in die Jahre. Selbst wenn bärtige Männer mit Klampfe besser altern als die glattwangigen Erzeugnisse der Boybandindustrie, so sind auch sie nicht gefeit vor den künstlerischen Begleiterscheinungen des äußerlichen Alterns. Statt einer routinierten Vorhersehbarkeit anheimzufallen oder die vormals besungenen jugendlichen Leidenschaften als chronische Beratungsresistenz zu entlarven, geht Glen Hansard auf seinem zweiten Soloalbum Didn’t He Ramble in eine fast klischeefreie Tiefe. Spirituelle Einschläge in seinen Songs wurden schon oft thematisiert und klingen hier besonders in „Her Mercy“ an, das mit seiner hymnischen Schlussapotheose auch einem Kirchendienst entsprungen sein könnte. Die Stärken des Albums liegen jedoch anderswo. Zum einen in der Textgestaltung. Keine ungestüme Liebeslyrik wird bemüht, Hansard findet stattdessen die Poetik in den Krisen des realen Lebens, wie wenn er auf „Wedding Ring“ anzweifelt, dass ein Goldring die ewige Liebe einer Frau an sich binden kann. Oder wenn er ein liebevolles Selbstgespräch mit den dunklen Seiten seiner Persönlichkeit führt („My Little Ruin“), als seien sie gute Freunde. Die andere Stärke Hansards – sein Songwriting – offenbart sich am eindrucksvollsten in dem im Stil eines irischen Folksongs geschriebenen „McCormack’s Wall“, das vom Dubliners-Geiger John Sheehan begleitet wird.
Judith Wiemers
 JOHN JONES: Never Stop Moving
JOHN JONES
Never Stop Moving
jj-rr.org/never-stop-moving
(Westpark Music 87277)
11 Tracks, 43:54 , mit engl. Texten


Diese Stimme ist unverkennbar! John Jones ist der Sänger der Oysterband, und das lässt sich bei seinem zweiten Soloausflug nicht verhehlen. Könnte dieses Album auch eine Oysters-Produktion sein? Ja, warum nicht? Wenn denn die Stimme das Charakteristische ist und der Produzent derselbe, dann wäre auch das denkbar, aber generell ist John Jones solo folkiger, sanfter, optisch zwar immer noch dezent machohaft unnahbar im Booklet, doch der Krebs – besiegt oder nicht – hat ihn verletzlicher gemacht. Seine Songs (plus zwei Traditionals) haben eine durchgängige inhaltliche Qualität, Beliebiges ist Jones fremd. Und immer scheint seine Liebe zu seiner widersprüchlichen englischen und walisischen Heimat durch. Zuneigung, die nie in Pathos ausartet und ausgesprochene oder indirekte Kritik einschließt. Instrumental ist Jones abwesend, aber die ausgewogene Crew mit Produzent Al Scott und Saitenspezi Benji Kirkpatrick an der Spitze macht einen Superjob und bewegt sich zwischen Folk und Rock mit Schwerpunkt auf ersterem. Ein sehr gutes Album eines Routiniers, der seiner Musik definitiv noch nicht überdrüssig ist.
Mike Kamp

 LAURA MOISIO: Ikuinen Vaio
LAURA MOISIO
Ikuinen Vaio
lauramoisio.fi
(Beste! Unterhaltung BU067)
9 Tracks, 30:13 , mit finnischen Texten


Was wären wir nur ohne das feine Label Beste! Unterhaltung. So manches nordische Kleinod entdeckten die fränkischen Spürhunde und machten es der Folkgemeinde zugänglich. Wie zum Beispiel Laura Moisio, eine finnische Liedermacherin aus Tampere, die bereits mit ihrem zweiten Album auf dem Label startet. Die zarte Stimme der Sängerin, die liebevolle Begleitung auf der Gitarre und die ausgesucht klugen Kompositionen sind von überragender Qualität und verweisen die hippen Akustikfolkveröffentlichungen von „Über-dem-Teich“ auf die Plätze. Ob es nordische Eigenart ist oder ob der fehlende Druck von Publicitymaschinen größere Sorgfalt ermöglicht, Ikuinen Vaio klingt, wie bereits der Vorgänger, ruhiger, persönlicher und einen Tick edler als die Liedermacherkonkurrenz. Man möchte bereits den Opener vor seinen High-End-Boxen genießen und sich von dem glockenhellen Klang der Sängerin verzaubern lassen. Laura Moisio singt ausschließlich auf Finnisch. Ohne Google-Übersetzer müssen die meisten Hörer deswegen leider von nordischen Liebesschwüren und Sonnenuntergängen träumen oder hoffen, dass der Verlag mal ein deutsches Textheft spendiert.
Chris Elstrodt
 BRIAN McNEILL & FRIENDS: The Falkirk Music Pot
BRIAN McNEILL & FRIENDS
The Falkirk Music Pot
brianmcneill.co.uk
(Greentrax Recordings CDTRAX383D)
Do-CD, 22 Tracks, 97:21 , mit engl. Infos & Texten


Brian McNeill ist nicht der Typ für einfache Alben mit einfachen Liedern. Bei ihm mussten es schon immer Projekte oder Konzepte sein, damit seine unglaublich vitale Kreativität gefordert ist. Der Falkirk Community Trust konnte daher anlässlich der Verleihung des Titels „Creative Place“ keinen geeigneteren Kandidaten finden, um ein breit angelegtes CD-Projekt durchzuziehen. McNeill sagte seiner Geburtsstadt natürlich zu und was für ein wunderbar-diverses Doppelalbum ist das Ergebnis! Natürlich ist McNeill der rote Faden, die Klammer, die alles gestaltet und zusammenhält, und Interpret etlicher seiner Lieder, aber neben ihm hören wir lokale Singer/Songwriter, Instrumentalisten wie Piperinnen oder Keyboarder, ein Wiederhören mit der ehemaligen Battlefield-Band-Sängerin Sylvia Barnes, Brassbands und einen Chor sowie grandiose Aufnahmen aus Afrika, wo McNeill Sängerinnen der Partnerschule der Falkirk High School aufnahm – die junge Mercy Nyirongo ist ein Erlebnis. Einfach ein fantastisches und variables Album, natürlich mit schottischem Schwerpunkt in Falkirk, eine weitere Glanztat des Brian McNeill.
Mike Kamp

 CEMIL QOÇGIRI & TARA JAFF: Tembur & Harp
CEMIL QOÇGIRI & TARA JAFF
Tembur & Harp
tarajaff.com
(Sony Music Entertainment Türkiye, 88875124302)
11 Tracks, 42: 30 , mit engl. Infos u. kurd./engl. Texten


Wie viele Künstler haben versucht, in Worte zu fassen, was Exil bedeutet, die Sehnsucht nach dem Vertrauten. Wohl dem, der – ohne fremde Sprachen zu bemühen – in Ton modellieren oder in Tönen beschreiben kann, was er oder sie fühlt, vermisst, erbittet, vielleicht anruft oder an universellen Gemeinsamkeiten wortlos beschwört. Das ist der erste Eindruck, sind die ersten Assoziationen beim Hören einer in jeder Hinsicht ungewöhnlichen Produktion, die zwei junge kurdische Musiker, unterwegs quer durch Europa, aufgewachsen in Deutschland und Großbritannien, zusammenbringt, um gemeinsam die eigenen Traditionen der Eltern und Großeltern, kurdische Volkslieder, nicht nur nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, sondern in ihrer Intensität einem breiten Publikum zu Gehör zu bringen und somit darauf hinzuweisen, wie wesentlich jedes einzelne farbige Steinchen im bunten Mosaik zwischen Orient und Okzident unserer Zeit ist. Zwei kurdische Musiker führen uns über ihre gewählten Instrumente, die keltische Harfe und die orientalische Langhalslaute, fabelhaft eben diesen Dialog vor, begleiten einander und den fein harmonisierten Gesang, sensibel ergänzt durch Cello, Klarinette, Kontrabass, Ney und Percussion. Betörend schöne Musik, die wie eine Einladung zu Transparenz gehört werden kann.
Cathrin Alisch
 JOHN RENBOURN: The Attic Tapes
JOHN RENBOURN
The Attic Tapes
worldmusic.net/johnrenbourn
(Riverboat Records/Harmonia Mundi)
20 Tracks, 61:25 , mit engl. Text


Mac MacLeod, einem Freund John Renbourns, ist es zu verdanken, dass die vorliegenden Aufnahmen aus den frühen Sechzigerjahren aufgetaucht sind. John Renbourn selbst nahm sich dieser Aufnahmen mit großem Engagement an. Klanglich restauriert präsentieren sie einen Künstler, der seine erste Platte bei Transatlantic Records zwei, drei Jahre später veröffentlichen sollte. Sie dokumentieren, was „mir in dieser Zeit widerfuhr und sind eine Reflexion der Szene allgemein“ (Renbourn). Erstaunlich ist gleich der Opener des Albums: Davy Grahams Fingerstyleklassiker „Anji“ in einer sehr frühen Aufnahme, die Renbourn in den Liner Notes als lose und unstabil bezeichnet. Die Sammlung enthält viele Livetakes: Renbourn als Gitarrist und Sänger, aber auch im Duo mit der Sängerin Beverly Martin, besagtem Freund MacLeod, Gesang und Gitarre und last but not least mit Davy Graham persönlich und einer echt feinen Fassung von „Nobody Knows You When You Are Down And Out“. Das fertige Artwork ging tragischerweise gerade einen Tag nach Renbourns Tod im März 2015 an ihn raus, sodass er das endgültige Werk, an dem ihm so viel lag, nicht mehr zu sehen bekam und auch die Datierung der einzelnen Tracks nicht mehr vornehmen konnte.
Rolf Beydemüller

 ROSAPAEDA: Inna Different Stylee
ROSAPAEDA
Inna Different Stylee
rosapaeda.it
(Felmay fy 8231/Pool Music & Media)
10 Tracks, 44:13 , mit ital./apul. Texten u. ital. u. engl. Infos


So unnachgiebig sie in ihren Texten Beschwerde führt, als Frau wie gegen gesellschaftliche Kälte, so kraftvoll zog Antonella Di Domenico alias Rosapaeda die Synthese ihrer bisherigen Karriere in Eigenregie zusammen. Der Albumtitel führt zurück zur Reggaeband Different Stylee, mit der 1982 alles anfing – verweist aber auch darauf, dass inzwischen auch einiges anders ist. Die traditionelle Folkmusik des italienischen Südens, der sich die Sängerin und Bassistin aus Bari zwischenzeitlich zuwandte, bleibt in der Sprache wie in den Gesangsmelodien präsent – eine große Bereicherung; der vollmoderne Reggae klingt mitunter so sehr nach Club und Lounge, dass er als Reggae kaum noch erkennbar ist, in der Form wie im Geist; produziert haben der italienische House-Produzent Eddi Xedrom Romano und das Londoner Reggae-Schwergewicht Dennis Bovell. Viel Hin und Her also, viel Hü und Hott – und in der Tat ist manche Kombination gewöhnungsbedürftig, namentlich der für Reggaeverhältnisse teils etwas exaltierte Gesangsstil der Cantante. Aber alles passt mit jedem Hören besser zusammen – und schnell ist alles rund wie der stilistische und der Karrierekreis, die Inna Different Stylee beide bravourös schließt …
Christian Beck
 HANK SHIZZOE: This Place Belongs To The Birds
HANK SHIZZOE
This Place Belongs To The Birds
hankshizzoe.com
(Blue Rose Records BLU DP0667)
10 Tracks, 35:56 , mit engl. Texten


Vögel, ja, wer würde sie nicht mögen, wie sie bunt und fröhlich tschilpend durch die Lüfte sausen? Auf seinem vierzehnten Album hat der Schweizer Hank Shizzoe ihnen eine Würdigung komponiert und stellt klar, dass der Himmel den Gefiederten gehört. Ansonsten spielen Vögel in den Songs keine Rolle und auch das Vögeln nur bedingt. Es geht vielmehr in beschaulicher Weise um Weltbetrachtungen, Schönheit, den Sinn von Veränderungen, das Heimweh. Es herrscht Gelassenheit vom ersten Ton an, gepaart mit Nachdenklichkeit. Der Schwerpunkt liegt auf dem Erzählen und dem schönen Klang, weniger auf fesselnden Melodien und erinnerungswürdigen Hooks. Shizzoe spielt viele der Instrumente selbst wie Bouzouki, Ukulele und Banjo, immer im Geiste der US-Wurzelmusik, die er verinnerlicht hat. So gelingt beispielsweise ein Song der Marke „Ballad Of The Warm Bed“, ein Loblied auf jenes, vorgetragen in kultivierter Langsamkeit. Originell sind ihm die Coverversionen gelungen. Bei „I Wanna Be Loved By You“ macht er uns nicht die Marilyn, sondern trägt mit Slidegitarre und wildem Augenzwinkern vor. Und das „End Of The Line“ der Traveling Wilburys kommt erfrischt und entspannt daher. Genauso, wie Hank Shizzoe wirkt.
Volker Dick

 SOKRATIS SINOPOULOS: Eight Winds
SOKRATIS SINOPOULOS
Eight Winds
facebook.com/sokratissinopoulos
(ECM 2407)
12 Tracks, 57:09


Der aus Athen stammende Gitarrist Sokratis Sinopoulos pendelt traumwandlerisch zwischen Tradition und Moderne, Folk und Jazz, verbindet das Alte mit dem Neuen und schafft dem Universalen Raum. Er spielt Lyra, eine für die Inseln der Ägäis so spezifische Viola mit drei Saiten, die wie eine Kniegeige mit dem Bogen gestrichen wird. Hier ist Stille zu spüren. Die Stille zwischen allen Impulsen, die Stille des Unsagbaren, die Stille im Verwehten, Fliehenden. Musik als flüchtiges Element, sehnend wie klagend und werbend, der gestrichene Ton – das Streichen der Wellen im Ägäischen Meer. In der Antike machte die Lyra Gedichte zur Lyrik. Sie ist die Urmutter aller Saiteninstrumente. Die „Acht Winde“ beschwören das Klangbild einer vom Wind gespielten Harfe, so sanft ihr Ton, so zart der Wohlklang des Quartetts. Man hört wieder, das Klavier ist eigentlich ein Saiteninstrument. Das spartanische Spiel verwandelt weiß geflecktes Azur über den Ebenen und Erhebungen Griechenlands in kontrastreiches Schwarz-Weiß. Ein Wechselspiel von Hell und Dunkel, das sich Wesentlichem widmet – ein lyrisch verführerisches Werk!
Stefan Sell
 THORHAUGE & FORSKOV: Spillemand! Musik Fra Carl Nielsens Barndom
THORHAUGE & FORSKOV
Spillemand! Musik Fra Carl Nielsens Barndom
nikolajforskov.dk
(GO’ Danish Folk Music GO 0715)
12 Tracks, 37:32 , mit dän. Info


Zum hundertfünfzigsten Geburtstag des großen dänischen Komponisten Carl Nielsen haben sich die beiden Geiger Nikolaj Forskov Eriksen und Christoffer Thorhauge Dam mit der Musik seiner Kindheit beschäftigt. Denn Nielsens Vater, Niels „Maler“ Jørgensen, war ein populärer Fiddler auf der Insel Fünen. Es sind Kompositionen des Vaters und einiger Zeitgenossen auf dem Album. Sie beginnt aber mit einer Polka – der ersten Komposition von Carl Nielsen als dieser gerade neun Jahre alt und schon ein brillanter Geiger war, der zusammen mit seinem Vater nächtelang zum Tanz aufspielte. Zu diesem ersten Stück sagte sein Vater allerdings nur: „Du solltest es lassen mit dieser Kunst. Das ist nichts, wozu man tanzen kann.“ Vielleicht schon eine Prophezeiung zur späteren Entwicklung seines Sohnes. Neben seinen eigenen Kompositionen spielte Niels Maler Jørgensen überwiegend die populäre Musik seiner Zeit, die er tanzbar arrangierte. So zum Beispiel „Den Tapre Landsoldat“ von Horneman, das noch heute von Kindern gesungen wird, oder „Dybt I Havet“ von Heiberg nach einer alten schwedischen Folkmelodie, hier gesungen von Laura Thorhauge. Das schön gestaltete Booklet enthält viele Originalzitate mit Erklärungen zum damaligen Musikleben.
Bernd Künzer

 TRAD-ATTACK: AH!
TRAD-ATTACK
AH!
tradattack.de
(Nordic Notes NN068)
12 Tracks, 45:31 , mit estn. u. englischen Texten u. Infos


Der Namensbestandteil „Attack“ lässt es schon erahnen, aber mit welcher Geschwindigkeit die Band über die Köpfe der Hörer hinwegfegt, überrascht dann trotz Vorwarnung. Der estnische Dudelsack, an dessen Klang man sich erst einmal gewöhnen muss, steht im Mittelpunkt des wilden Ritts. Die Musikerin Sandra Sillamaa spielt ihre Instrumentals, als gäbe es kein Morgen mehr. Begleitet wird die Künstlerin von ihren zwei Mitmusikern an Schlagwerk und Gitarre, die auch in Wacken eine schlanke Figur abgeben würden. Noch gewöhnungsbedürftiger als der Klang des estnischen Dudelsacks ist der Gesang, der Assoziationen mit heiseren Schamanen in Ekstase weckt. Beim Erstkontakt mit der Band schwankt der Hörer noch zwischen Abtanzen, Staunen und Flüchten. Die meisten werden sich aber für die Tanzfläche entscheiden. Dabei lohnt es sich, bei AH! genauer hinzuhören. Leichte Dancefloor-Elemente verbinden sich mit alten Traditionals auf bislang nicht gehörte Weise. Trad-Attack schaffen und betreten Neuland. Dass bereits das erste Album diverse Preise abgeräumt hat, ist nur angemessen. Wenn das Publikum die außergewöhnliche Klangfarbe verzeiht, kann aus der estnischen Band etwas richtig Großes werden.
Chris Elstrodt
 LUCY WARD: I Dreamt I Was A Bird …
LUCY WARD
I Dreamt I Was A Bird …
lucywardsings.com
(Betty Beetroot Records BETTY01)
9 Tracks, 37:16 , mit engl. Texten


Lucy Ward, die Dritte! Obwohl sie auf Tonträger immer eine andere Künstlerin war als live solo, ist eine Entwicklung unverkennbar. Ward ist ein Ausbund an Energie und Fantasie, ihre komplexen Lieder sprengen herkömmliche Schubladen. Selbst das einzige Traditional „Lord Randell“ ist als solches nur an den Urheberangaben zu identifizieren. Nein, Lucy Ward, die Solosängerin in den Folkclubs, kann diesen Sound nicht reproduzieren. Live hat sie ganz andere Qualitäten. Ihre neue vierköpfige Band mit Bass, Schlagzeug, Keyboard und Fiddle bringt das wohl schon eher rüber. Aber Wards überbordendes Talent, aktiv unterstützt von Hausproduzent Stu Hanna, bräuchte wohl eher ein Orchester als Spielwiese. Weil das momentan noch zu teuer ist, darf es bei diesem Album auch mal eine in England sehr bekannte Blaskapelle sein. Bei all diesen Ideen verwundert es nicht, dass Wards oft auch politische Lieder erst auf dem zweiten Blick als solche erkennbar sind. Ist das denn noch Folk? Das ist eine Frage der Definition, es ist auf jeden Fall unglaublich spannende Musik. Normalerweise sind CDs mit 37 Minuten Spielzeit eine Zumutung. Dieses Werk lässt einen nach dieser kurzen Zeit völlig ausgelaugt zurück, und das ist ein Kompliment!
Mike Kamp

 ZEPHYR COMBO: Face À L’Orage
ZEPHYR COMBO
Face À L’Orage
zephyrcombo.ch
(Narrenschiff)
12 Tracks, 44:45


Die Zéphyr Combo ist eine vierköpfige Schweizer Folkband. Ihr erstes Album entsprach vor einigen Jahren noch gehobener Straßenmusik. Inzwischen haben sie sich deutlich weiterentwickelt. Kopf der Gruppe ist wohl der aus Belgien stammende Sänger und Akkordeonist Geert Dedapper, jedenfalls schreibt er fast alle Stücke. Die Geigerin und Querflötistin Esther Nydegger ragt dagegen mit ihren instrumentellen Fähigkeiten heraus. Hinzu kommen noch Fridolin Blumer (Kontrabass) und Ali Salvioni (Percussion). Die Zéphyr Combo spielt gerne bei Bal-Folk-Tanzfesten. Auch auf dem Album ist allen Stücken der passende Tanz zugeordnet, auch wenn man bei „Marion“ den Rond de St. Vincent genauso schwer erkennt wie bei „Saule“ die Mazurka. Höhepunkt des Werks ist die „Route Des Princes“, eine beschwingte Gavotte de L’Aven mit wunderschöner Melodie, effektvoll ans Ende des Albums gesetzt.
Christian Rath



International
 JAURENA RUF PROJECT: Tango-Tales, Piazzolla & Jaurena – Historia Del Tango
JAURENA RUF PROJECT
Tango-Tales, Piazzolla & Jaurena – Historia Del Tango
jaurena-ruf.com
(GP Arts, gpArts 007/ Edel)
9 Tracks, 51: 15 , mit dt., engl. span. Infos


Der Altmeister am Bandoneon, Raul Jaurena aus Montevideo, vervollständigt mit dieser Produktion seine Trilogie Tango Tales und führt im dritten Teil der Tangogeschichten einen musikalischen Dialog mit Duopartner Bernd Ruf an der Klarinette, vor allem aber einen musikhistorischen mit seinem frühen Vorbild und späteren Wegefährten Astor Piazzolla. Die beiden Instrumentalisten und Komponisten sind einander nicht nur mehrfach begegnet, sondern teilten Mitte der Sechzigerjahre für eine Theatersaison in Santiago de Chile sogar ein Apartment miteinander. Jaurena gilt weltweit als renommierter Interpret für klassischen Tango Argentino. Dennoch komponierte und spielte Jaurena auch zeit seines Lebens eigene Musik. Nicht von ungefähr erscheint auf diesem Album am Anfang „Historia Del Tango“ von Piazzolla vor einigen Kompositionen Jaurenas, bevor er im letzten Titel seine eigene Musik mit der Piazzollas verwebt. Rufs Klarinette ergänzt spieltechnisch brillant nicht nur die assoziativen Klangbilder, sondern baut von der Geschichte des Tangos eine Brücke zu der nicht minder bedeutenden von Klezmer und Jazz. Zauberhaft transparente Aufnahmen, so sensibel wie ausdruckstark arrangiert und interpretiert.
Cathrin Alisch



Kurzrezensionen
 DAVE ALVIN AND PHIL ALVIN: Lost Time
DAVE ALVIN AND PHIL ALVIN
Lost Time
davealvin.net
(Yep Rock Records/Cargo Records)
Promo-CD, 12 Tracks, 43:53


Die erste gemeinsame Platte der beiden Brüder seit dreißig Jahren führt stilistisch vom Folkblues eines Leadbelly bis zum Funk eines James Brown. Die tiefste Verneigung gebührt jedoch dem gemeinsamen Mentor Big Joe Turner, und so strotzt dieses Album vor exzellentem Blues-Shouting (Phil Alvin) und einer fantastisch gespielten Gitarre (Dave Alvin).

 ANIMA: Sacred Alliance
ANIMA
Sacred Alliance
animasoundmedicine.co.uk
(Eigenverlag ANCD 09)
9 Tracks, 73:29


Das Werk des britischen Komponisten, Musikers und selbsternannten Schamanen Ali Calderwood bewegt sich an der Schnittstelle von asiatischer Tradition und moderner elektronisch-akustischer Funktionsmusik. Es dient der Unterstützung bei Meditationsübungen oder Hypnosesitzungen. Motto: Naturklang und Synthesizer treffen das Unterbewusste. Beruhigend.


 MARA ARANDA: Mare Vostrum
MARA ARANDA
Mare Vostrum
mara-aranda.com
(Picap 911221/Galileo MC)
11 Tracks, 60:34


Die Botschafterin mediterraner und weiterer Musikkulturen feiert ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum als Sängerin und Musikforscherin mit dieser neuen Liedersammlung. Ihre angestammte Band Solatge erweiterte sie um etliche exzellente Gastinstrumentalisten. Der Titel des Albums könnte kaum aktueller und berührender sein angesichts der zugespitzten Flüchtlingskatastrophe.

 ATLAS QUARTETT: Horizont
ATLAS QUARTETT
Horizont
deltamusic.de
(Jazzline, N77022)
9 Tracks, 46:14


Rasant, fulminant und zunächst piano-dominant (Flügel: Matthias Frey) werden hier in jeder Hinsicht musikalische Horizonterweiterungen geboten, assoziative Klangbilder, orientalische Melodik mit Jazzelementen und Tangorhythmik verbunden, türkische Saz mit brasilianischer Percussion, Stimme und russischem Bajan. Weltmusik im besten Sinne des Wortes.


 AUBURN: Mixed Feelings
AUBURN
Mixed Feelings
auburn.org.uk
(Bat Country BC034CD)
12 Tracks, 42:35


Die Band um die englische Sängerin und Songschreiberin Liz Lenten wandelt auf Americana-Pfaden und hat dieses Album wie den Vorgänger in Nashville aufgenommen. Dennoch ist kein US-Mainstream entstanden, die Aufnahmen bleiben eigenwillig europäisch. Und Liz Lenten mit ihrer rauen und leicht brüchigen Stimme macht die Stücke zu etwas Besonderem.

 BAMBA WASSOULOU GROOVE: Farima
BAMBA WASSOULOU GROOVE
Farima
(Label Bleu LBLC2604)
11 Tracks, 61:08


Das 2012 von Percussionist Bamba Dembélé gegründete malische Septett steht eindeutig in der Tradition der Super Djata Band um den legendären, im Jahr zuvor verstorbenen Gitarristen Zani Diabaté. Baïni und Moussa Diabaté erweisen als Saitenvirtuosen ihrem Ahnen alle Ehre. Das Gros der durchweg dynamischen, betörenden Songs sind Kompositionen von Zani und Bamba.


 BANDAKADABRA: Entomology
BANDAKADABRA
Entomology
felmay.it
(Felmay fy8222)
9 Tracks, 40:12


Die fünfzehnköpfige Turiner Bläsertruppe ist eine Jazz-, Latin- und Balkan-Brassband mit italienischem Flair, deren Swing jede Hüfte zum Schwingen bringt. So sexy hat Blasmusik selten geklungen. Kein Wunder: Fabio Barovero, Gründer von Mau Mau und der Banda Ionica, einer der genialsten Brassbands Italiens, produzierte das Album.

 BIXIGA 70: III
BIXIGA 70
III
bixiga70.com
(Glitter Beat GBCD 026/ Indigo)
9 Tracks, 44:45


In Brasilien scheint eine Afrobeatwelle ausgebrochen zu sein. Bixiga 70 sucht dabei ihren eigenen Typ dazu – etwas sanfter und mit melodischen Anleihen im Surf Sound und im Baiao. Doch durch die meist ständige Wiederholung einfacher Akkordfolgen und fehlenden Gesang wirkt die Musik wie eine Tonspur, bei der die Gesangsspur abhandengekommen ist.


 BOY & BEAR: Limit Of Love
BOY & BEAR
Limit Of Love
boyandbear.com
(Nettwerk 32575 2 7/Soulfood Music)
Promo-CD, 11 Tracks, 39:51


Die introvertierten Stücke des dritten Albums der Australier sind üblicher Nu-Singer/Songwriter-Folkrock. Mit gelegentlichen kleinen Blitzen aus den großen Jahren des britischen Pop – passend zu Produzent Ethan Johns, Sohn des Beatles- und Stones-Tontechnikers Glyn Johns, und dem Aufenthalt für die Aufnahmen in Peter Gabriels Studios in Wiltshire.

 CELENKA: Celenka
CELENKA
Celenka
facebook.com/celenkaband
(Kuu Records)
15 Tracks, 57:05


Schon die Besetzung des Trios ist ungewöhnlich. Neben der traditionellen finnischen Kantele und einem Harmonium gibt es eine Trompete, die neben der Gesangsstimme von Emmi Kujanpää besonders zum authentischen bulgarisch/rumänischen Klang beiträgt. Eine virtuos gespielte „schmissige“ Musik, die zum Tanzen animiert, aber auch einige finnisch klingende melancholische Melodien enthält.


 HANS CHRISTIAN: Nanda Devi
HANS CHRISTIAN
Nanda Devi
allemandemusic.com
(New Earth Records NE 3147/Silenzio)
9 Tracks, 61:22


Wer bei Georg Deuter ständig wegdöst und wem Stephan Micus oder László Hortobágyi zu experimentell erscheinen, findet in der Musik des gelernten Cellisten einen veritablen Mittelweg: Mittels einer beeindruckenden Liste von Streich-, Zupf- und Schlaginstrumenten spielt sich H. C. durch neun sanft groovende Stückchen imaginärer Folklore. Entspannend.

 THE COFFIS BROTHERS & THE MOUNTAIN MEN: Wrong Side Of The Road
THE COFFIS BROTHERS & THE MOUNTAIN MEN
Wrong Side Of The Road
coffisbrothers.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
13 Tracks, 56:41


Folk, Americana, Rock, klanglich verwurzelt in den Sechzigern und Siebzigern, hörbar inspiriert von Jackson Brown, The Band, Neil Young und gelegentlich Lynyrd Skynyrd. Weder neu noch grenzerweiternd, dafür solide, authentisch, mitreißend. Es groovt, es rockt, der mehrstimmige Gesang bewegt, und die Stücke machen Spaß. Eine durch und durch gelungene Zeitreise.


 CULTUS FEROX: Nette Jungs
CULTUS FEROX
Nette Jungs
cultusferox.com
(Wannsee Records)
Promo-CD, 11 Tracks, 44:45


Mittelaltermetal mit schweren E-Gitarren-Riffs und melodischen Sackpfeifen, gespielt von netten Jungs aus Berlin. Der Gruppenname heißt im Lateinischen „Wilde Lebensart“, und das trifft die Musik genau. Auf dem achten Album der Gruppe, die seit 2002 existiert, gibt es auch eine Prise Piratenromantik.

 LYDIA DAHER & TATAFULL: Algier
LYDIA DAHER & TATAFULL
Algier
lydiadaher.de
(Trikont US0464)
7 Tracks inkl. 2 Videos, 20:00


Wer die arabische Welt in seine eigenen vier Wände holen möchte, aber dennoch gerne deutsche Musik hören will, der ist mit Lydia Daher & Tatafull bestens bedient. Die instrumentale Untermalung erinnert an den fernen Osten, während Schlagwerk und die Stimme von Lydia Daher europäische Elemente in die Musik bringen.


 MELANIE DEKKER: Lekker, Eh – Live In Europe
MELANIE DEKKER
Lekker, Eh – Live In Europe
melaniedekker.com
(Elephant Ears Entertainment MDE320151)
13 Tracks, 51:39


Zehntes Album der kanadischen Singer/Songwriterin, mitgeschnitten in den Niederlanden, wo ihre Wurzeln liegen, und in Deutschland. Die vierköpfige Band legt dem klaren Gesang der Chefin eine perfekte, zurückhaltende akustische Grundlage – dass wirklich jeder Ton immer mit so viel Bedeutung schwanger gehen muss, ist aber sicherlich Geschmackssache.

 DIVERSE: Joy Of Living – A Tribute To Ewan MacColl
DIVERSE
Joy Of Living – A Tribute To Ewan MacColl
ewanmaccoll.co.uk
(Cooking Vinyl/Indigo)
Promo-Do-CD, 21 Tracks, 82:42


Hundert Jahre wäre er kürzlich geworden, und seinen reichhaltigen Schatz an ausgesprochen bekannten Liedern haben seine Söhne Calum und Neill von ausgesprochen bekannten anglophilen Künstlern interpretieren lassen. Zum Beispiel Steve Earle, Jarvis Cocker, Christy Moore, Kathryn Williams, Karine Polwart, Billy Bragg, Rufus & Martha Wainwright – einfach grandios!


 DIVERSE: The Rough Guide To The Blues Songsters
DIVERSE
The Rough Guide To The Blues Songsters
worldmusic.net
(World Music Network RGNET1343CD/Harmonia Mundi)
Promo-CD, 24 Tracks, 72:18


In den 1920er- und 1930er-Jahren gab es neben den lokalen (Blues-)Musikern im ländlichen Amerika die „Songsters“ – Musiker, die durch den Süden zogen und bei regionalen Veranstaltungen Gehörtes und selbst Erlebtes von Ort zu Ort trugen. Leadbelly und Charlie Patton sind darunter die populärsten, viele weitere dieser Musiker gibt es hier zu entdecken.

 DIVERSE: The Rough Guide To Unsung Heroes Of Country Blues Vol. 2
DIVERSE
The Rough Guide To Unsung Heroes Of Country Blues Vol. 2
(World Music Network RGNET1344CD /Harmonia Mundi)
24 Tracks, 73:18


Die zweite Version dringt noch tiefer in den ländlichen Countryblues der Zwanziger- bis Dreißigerjahre ein. Die erste instrumentale Bluesaufnahme „Guitar Rag“ von Sylvester Weaver aus dem Jahr 1927 ist ebenso dabei wie die Slide- und Bottleneckgitarre von Ramblin’ Thomas, die Memphis Jug Band, Papa Charlie Jackson und viele andere.


 DORLE & BAND: Oktoberlicht
DORLE & BAND
Oktoberlicht
dorle-schausbreitner.de
(Eigenverlag, Portabile Music)
13 Tracks, 63:31


Die Trierer Liedermacherszene lebt auch nach dem Tod Walter Liederschmitts, der zur vorliegenden Scheibe zwei Lieder beigetragen hat, weiter, zum Beispiel in Dorle Schausbreitner & Band. Mit eindringlicher Stimme singt sie über Menschen in ganz unterschiedlichen Lebensumständen, immer zugleich ernst und mit Witz. Auch erwähnenswert ist das Saxofonspiel von Nils Thomas.

 DOWNPILOT: Radio Ghost
DOWNPILOT
Radio Ghost
downpilot.com
(Tapete Records TR319, Promo-CD)
9 Tracks, 41:54


Vier Jahre nach seiner letzten Veröffentlichung gibt es ein Lebenszeichen von dem Multitalent aus Seattle. Getragen und melancholisch, mit psychedelischen Farbtupfern und einem großen Gespür für Melodien, reist das Album, bei dem Paul Hiraga alle Instrumente selbst eingespielt hat, durch die Erinnerungen seiner Kindheit.


 DUNGEN: Allas Sak
DUNGEN
Allas Sak
dungen-music.com
(Smalltown Supersound/Rough Trade)
10 Tracks, 41:44


Das neue Meisterwerk der Schweden setzt sich erneut zwischen alle Stühle. Psychedelische Elemente in bester Sechzigerjahre-Folkpop-Tradition werden mit Rockkompositionen moderner Jugendbands gekreuzt. Progrock kreuzt sich mit Satzgesang, Liedermacher trifft auf Hardrock. Das Album klingt altmodisch und hochmodern zugleich und hält bis zum letzten Ton die Spannung.

 JAN EGGUM: Rio
JAN EGGUM
Rio
(Grappa/Galileo)
Promo-CD,12 Tracks, 40:54


Der 1951 geborene Jan Eggum ist ein norwegischer Singer/Songwriter, der seit 1975 über zwanzig Platten veröffentlicht hat, außerhalb Norwegens aber kaum bekannt ist. Seine Musik klingt zwar nach den Achtzigern, er wurde aber bis in die Neuzeit mit diversen „Spellemannsprisen“ ausgezeichnet. Das vorliegende Album hat er in Brasilien mit bekannten lokalen Musikern eingespielt.


 EIGHT O’FIVE JIVE: Too Many Men
EIGHT O’FIVE JIVE
Too Many Men
eightofivejive.net
(Red Rudy Too Tunes RRTT002/Hemifrån)
12 Tracks, 37:22


Die Sängerin und Komponistin Lee Shropshire spielt hier zusammen mit ihrer Band, die 2014 den Nashville  Independent Music Award gewann. Zu hören sind Eigenkompositionen und Klassiker, und immer ist es swingender und tanzbarer R ’n’ B. Die Mitspieler sind Patrick Mosser am Saxofon, Duane Spencer am Schlagzeug, Andy Scheinmann an der Gitarre und Bill Bois am Bass.

 ELECTRO BAMAKO: Now
ELECTRO BAMAKO
Now
electrobamako.com
(CSB Productions CSB 109)
12 Tracks, 50:15


Afro-Techno? Ja, das gibt’s tatsächlich – warum auch nicht. Das französisch-malische Projekt (1999 als Duo gegründet) mit Marc Minelli, Paul Sidibe und Damien Traini bedient sich malischer Musiktraditionen und -instrumente und dreht diese durch den „elektronischen Wolf“. Not my cup of coffee, aber sehr dancefloortauglich und gewiss zukunftsträchtig.


 THE GOOD LIFE: Everybody’s Coming Down
THE GOOD LIFE
Everybody’s Coming Down
thegoodlifemusic.com
(Saddle Creek/Cargo)
Promo-CD, 12 Tracks, 37:21


Passt das, was hier so unbeschwert vor sich hin lärmt, noch in den Kontext dieses Magazins? The Good Life mit Mastermind Tim Kasher klingen wie jemand, der Folk hört, aber Indierock macht und auf einer sehr weiten Umlaufbahn die Rootssonne umkreist. Allemal interessanter als ein nächster traditionsverpflichteter Wiedergänger der guten alten Zeit.

 GUO GAN & LOUP BARROW: The Kite
GUO GAN & LOUP BARROW
The Kite
guogan.fr
(Felmay Records fy 8228/Pool Music & Media)
10 Tracks, 50:40


Guo Gans virtuoses Spiel auf der zweisaitigen Spießgeige Erhu wird von Duopartner Loup Barrow, der auf dem Cristal Baschet (einem „Keyboard“ aus Glasstäben und Metallresonatoren), dem Hang (einer Steeldrumvariante, made in CH) sowie einer konventionellen Glasharfe zu hören ist, aufs Feinste begleitet. Ein ausgesprochen gelungener Ost-West-Dialog.


 GUTTENBERGER BROTHERS: #One
GUTTENBERGER BROTHERS
#One
guttenberger-brothers.de
(59Music)
12 Tracks, 56:47


Solides Handwerk aus Stuttgart. Bekannte Standards. Deutsche Texte zu gutem Jazz, immer noch eine Seltenheit – erinnert ein wenig an Paul Kuhn, Roger Cicero, Götz Alsmann. Im Gewand der Kompositionen von Bassist Branko Arnšek tönt das so: „Gestern warst du bei mir, es gab Chips und dazu ein Bier, dazu haben wir uns den Tatort angesehen, das war toll.“ Wer’s mag.

 TIGRAN HAMASYAN: Luys I Luso
TIGRAN HAMASYAN
Luys I Luso
luysiluso.com
(ECM Records)
Promo-CD, 14 Tracks, 76:05


Armenische Chorwerke aus fünfzehn Jahrhunderten bilden die Grundlage dieser fast jenseitig zu nennenden Erkundungen des armenischen Ausnahmepianisten Tigran Hamasyan, der damit sein Debüt bei ECM gibt. Er beleuchtet die archaischen und modernen Gesänge improvisatorisch mit einer Weite des Geistes und des Herzens, die ihresgleichen sucht.


 HAZMAT MODINE: Extra-Deluxe-Supreme
HAZMAT MODINE
Extra-Deluxe-Supreme
hazmatmodine.com
(JARO 4326-2)
10 Tracks, 51:38


Weltmusik im besten Sinne des (so umstrittenen) Wortes! Das Oktett aus New York um Leader und Leadsänger Wade Schuman zieht instrumental alle Register: natürlich mit viel Gebläse, aber auch mit Akkordeon, Gitarren und Percussion. Stilistisch breit gefächert: Jazz und Blues, Klezmer und Gospel, Rocksteady und Afropop. Melodiös und einfallsreich.

 NOTKER HOMBURGER: Stubete
NOTKER HOMBURGER
Stubete
notker-homburger.de
(Ufer Records)
18 Tracks, 65:50


Eine sehr originelle Scheibe aus Konstanz! Sechs Musiker treffen sich zu einem gemütlichen Stubete, was man rund um den Bodensee eine Session nennt, und singen und spielen süddeutsch-badisch-alpenländische und nordamerikanische Lieder und Stücke nach- und ineinander verflochten. Da säße man gerne dabei auf dem Sofa. Mit informativem Beiheft.


 JENSEN & BUGGE + HØIRUP: Slid Din Tid
JENSEN & BUGGE + HØIRUP
Slid Din Tid
jensen-bugge.dk
(GO’ Danish Folk Music GO0815)
12 Tracks, 40:09


Mit diesem Album zum zweihundertsten Geburtstag des höchst talentierten Fiddlers und Komponisten Borcher Madsen (1815-1897) von der dänischen Insel Falster setzt das Trio seine erfolgreichen Bearbeitungen von Melodien aus alten Notenbüchern fort. Alle drei Musiker spielen in vielen anderen Formationen mit und haben bereits mehrere Danish Music Awards für ihre neue Interpretation traditioneller Musik bekommen.

 MARIA JOÃO & OGRE: Plástico
MARIA JOÃO & OGRE
Plástico
mariajoao.org
(Espuma Preta/Edel)
12 Tracks, 55:01


Portugals bekannteste Vokalakrobatin tat sich für ihr aktuelles Album mit den Electronikajazzern Ogre zusammen. Plástico ist der passende Titel für das ambitiöse, lustvoll schräge Projekt. Wer Maria João als herausragende Ethnojazzsängerin mit portugiesischen Wurzeln kennenlernen möchte, wird jedoch eher bei ihren früheren Aufnahmen fündig.


 MARTIN KÄLBERER: Suono
MARTIN KÄLBERER
Suono
martinmusic.de
(GLM/Soulfood)
Do-CD, CD 1: 8 Tracks, 42:48, CD 2: 8 Tracks, 43:04


Auf zwei CDs entfaltet der Multiinstrumentalist mit „Vielklang“ und „Einklang“ übertitelt vorwiegend meditative Klangbilder. Die erste CD dominiert die Hang in außergewöhnlich feiner akustischer Abbildung mit perkussiven und stimmlichen Ergänzungen. CD zwei setzt auf loungige Klaviermusik mit dezenten Jazzeinwürfen.

 KARDES TÜRKÜLER: Kerwanê –Best Of
KARDES TÜRKÜLER
Kerwanê –Best Of
kardesturkuler.com
(Network NW234044/Membran)
15 Tracks, 66:34


Die bekannte Folk-Big-Band aus Istanbul, die sich mit bis zu fünfundzwanzig Musikern und Tänzern „aus allen Teilen und Kulturen Anatoliens“ Pluralität, Modernität und Traditionspflege gleichermaßen auf die theatralisch inszenierten Klangfahnen schreibt, legt mir ihrer jüngsten Produktion genau das vor: hymnenartige Choralität neben einheimischen Instrumenten auf der Suche nach Visionen in einem politisch, ethnisch und religiös polarisierten Land.


 KELLERKOMMANDO: Belzebub
KELLERKOMMANDO
Belzebub
kellerkommando.com
(Downbeat records/Warner)
16 Tracks, 48:43


Das „Anti-Stadl“-Kellerkommando eröffnet ihr neues Belzebub-Album mit „Kerwaliedle“ im Schelllacksound. Zeilen eines Scherzliedes der 1920er-Jahre („Uns geht’s gut, wir haben keine Sorgen, wir denken nicht an morgen“) schallen in Diskrepanz zur Musik einer Band von heute: Gesellschaftskritik zu tanzbar angesagten Heimatsounds. Fränkische Folksmusik folgt fetten Beats – formidabel!

 KLEZMEYERS: Emilias Lächeln
KLEZMEYERS
Emilias Lächeln
klezmeyers.de
(GLM FM 203-2)
13 Tracks, 56:37


Die drei Berliner Instrumentalisten, namentlich David Hagen (b), Robert Kessler (g) und Franziska Orso (cl), verschmelzen Klezmer mit Flamenco, Tango und Jazz. In virtuosem Zusammenspiel entsteht eine Musik, die ihre traditionellen Wurzeln nicht verleugnet, aber immer wieder aufs Neue überrascht.


 KÖSTER & HOCKER: Best Of I  KÖSTER & HOCKER: Best Of II
KÖSTER & HOCKER
Best Of I
gerd-koester.de
(GMO-The Label 057-2/Rough Trade)
17 Tracks, 77:40


KÖSTER & HOCKER
Best Of II
gerd-koester.de
17 Tracks
70:05
(GMO-The Label 058-2/Rough Trade)


Auf zwei separat erhältlichen CDs sind „beste Reste“ der kölschen Glittertwins versammelt, live an diversen Kölner Kultspielstätten (E-Werk, Tanzbrunnen) eingespielt und entsprechend von klanglich unterschiedlicher Qualität., bewusst nicht nachbearbeitet oder ausgebessert („Ihr werdet schon sehen, was ihr hört, bzw. it is what it fuckin’ is“, sagt Köster, die ehrliche Haut dazu. Dafür dürfen sich die Fans auf frühe Aufnahmen aus The-Piano-Has-Been-Drinking-Zeiten freuen, auf unveröffentlichte Aufnahmen von den „Arsch-Huh“-Konzerten 1992 und 2012, und auf gemeinsame Songs mit Kasalla, LSE, Hans Süper, Arno Steffen, Tommy Engel und Wilfried Schmickler.

 DEE KOURTSMAN: Islands By Bicycle
DEE KOURTSMAN
Islands By Bicycle
deekourtsman.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 39:00


Das Debütalbum des russischen Songwriters Dee Kourtsman ist gleichermaßen gefällig und sperrig. Der Wahlfinne wechselt unvorhersehbar zwischen luftigen instrumentalen Sommermelodien und bodenständigen Songs wie bei einem Mixtape zweier völlig unterschiedlicher CDs. Der Künstler veröffentlicht ohne übergreifendes Konzept einfach, was er möchte. Auch mal schön.


 KRAUKA: Timinn Tifar
KRAUKA
Timinn Tifar
krauka.dk
(Eigenverlag)
EP, 6 Tracks, 21:33


Die inzwischen zum Quintett angewachsene dänisch-isländische Gruppe hat sich seit ihrer Gründung 1999 dem Wikingertum verschrieben und spielt auch auf ihrer sechsten Veröffentlichung eine Musik, wie sie vielleicht vor tausend Jahren gemacht wurde. Die Instrumentierung (Lyra, Bouzouki, Schlagzeug) wurde zeitgemäß mit einer E-Gitarre angereichert. Sie passen auf jedes Mittelalterfest.

 KROKE: Ten
KROKE
Ten
kroke.com.pl
(Universal 470 572 3)
9 Tracks, 47:41


Das Dutzend ist voll: In Polen bereits 2014 erschienen, präsentiert das Trio Kroke (dt. „Krakau“) mit Tomasz Kukurba (v), Jerzy Bawol (acc) und Tomasz Lato (b) sein zwölftes Album, das zu Hause zwischenzeitlich bereits Goldstatus erlangt hat. Wie immer eine Mischung aus Melancholie und geballter Energie.


 LISA LAMBE: Hiding Away
LISA LAMBE
Hiding Away
lisalambe.ie
(Eigenverlag)
14 Tracks, 52:49


Man hört der Irin Lisa Lambe ihre musikalische sowie persönliche Verbundenheit mit Nashville unmittelbar an. Stimmlich wie auch in der Auswahl ihrer Begleitinstrumente und Arrangements steht sie in der Tradition der Country- und Americana-Hochburg und produziert in Eigenregie schlichte Songs mit schnörkellosem, glasklarem Gesang.

 LA MONDRAGORE: Midgard
LA MONDRAGORE
Midgard
mandragore.ca
(Big Round Records BR8939)
12 Tracks, 51:06


Egal, welche Region sie sich vornehmen, La Mandragore aus Montreal klingen wie sehr gute Interpreten Alter Musik, und das sind sie schlussendlich auch. Nach Andalusien steht nun wohl recherchiert Skandinavisches auf dem Programm und erneut lebt die Musik von ausgeklügelten Instrumentalarrangements und der klaren Stimme der Chefin Ingried Boussaroque.


 LAUTARI: Vol. 67 – Live 2014
LAUTARI
Vol. 67 – Live 2014
lautari.art.pl
(Muzyka Serpent, ISBN 978-83-942512-0-8, Booklet)
15 Tracks, 60:00


33 Bände musikalischer Spurensuche veröffentlichte der polnische Ethnograf Oskar Kolberg. Die Romamusiker in Rumänien heißen Lautari („Leute“). Populäre Lautari sind Taraf de Haïdouks und Fanfare Ciocarlia. Die hier brillant eingespielte Variante schenkt dieser Feldforschung neue Tonfarben zwischen Jazz und Ethnofolk. In „Tryptyk 1“ scheint Pachelbels Kanon durch. Hörenswert!

 FRANKIE LEE: American Dreamer
FRANKIE LEE
American Dreamer
frankieleemusic.com
(Loose Music/Rough Trade)
Promo-CD, 10 Tracks, 40:06


Eine Lebensgeschichte wie aus dem Musiker Bilderbuch. Schon mit zwölf abgetaucht in die lokale Musikszene von Minneapolis, mit zwanzig Station in Nashville, dann sechs Jahre Austin mit ersten Auftritten. Wie zu erwarten, mäandert Frankie Lee zwischen Americana, Country und Singer/Songwriter, und das gar nicht schlecht, aber stets vorhersehbar.


 LYDOM, BUGGE & HØIRUP: Gangspil
LYDOM, BUGGE & HØIRUP
Gangspil
sonnichlydom.dk
(GO’ Danish Folk Music GO1015)
15 Tracks, 49:51


Die drei Musiker wurden mit einer Vielzahl von dänischen Music Awards ausgezeichnet, als Solisten oder mit ihren Gruppen wie Baltic Crossing, Habadekuk, Himmerland und ULC. Trotz dieses unterschiedlichen Hintergrunds haben sie die Auswahl der Stücke auf einen einfachen Nenner gebracht, wie sie sagen: Es sind alles gute Melodien aus alten Notenbüchern, die sie für diese „Live“- Aufnahmen arrangiert haben.

 MAALSTROM: Lure
MAALSTROM
Lure
maalstroom.det
(Pigeon 009)
11 Tracks, 59:32


Eine ganz eigene Mischung von Folk und Jazzelementen. Eigenkompositionen, beeinflusst von englischer, irischer und niederländischer Musik, dazu traditionelle Melodien und Lieder spielt das niederländische Quartett auf Klarinette und Bassklarinette, die in der Kombination mit einer fünfsaitigen Geige den ureigenen Klangcharakter prägt. Hinzu kommen Gitarre, Bouzouki, Piano, Percussion und Gesang.


 SARAH MacDOUGALL: Grand Canyon
SARAH MacDOUGALL
Grand Canyon
sarahmacdougall.com
(Baseline Music RHM02/Al!ve)
8 Tracks, 34:30


Jede Songperle der Wahlkanadierin entspricht dem Hitformat und klingt dennoch nach lupenreinem Singer/Songwriter-Folk. Zu Recht überschlagen sich sowohl Folkmagazine als auch Mainstreamradio vor Begeisterung. Der Spannungsaufbau in den Balladen erzeugt Gänsehaut, die Songs animieren zum Mitsingen. Auf Grand Canyon macht die Künstlerin einfach alles richtig.

 THE MAHONES: The Hunger & The Fight Part 2
THE MAHONES
The Hunger & The Fight Part 2
wolverine-records.de
the-mahones.myshopify.com
(Wolverine Records, Soulfood)
Promo-CD, 12 Tracks, 41:58


Punkmusik muss wohl so klingen: laut, schrill, voll, schräg, aggressiv. Die Kingstoner aus Ontario haben sicher kein leichtes Leben, dass sie sich den Frust so aus der Kehle schreien müssen. So ganz im Hintergrund erinnert es etwas an die guten alten Pogues. Melodie ist also durchaus vorhanden, wenn sie auch untergeht.


 AXL MAKANA: Mein Optimistick
AXL MAKANA
Mein Optimistick
facebook.com/axl.makana
(Motor RAR38951/Motor-Music)
11 Tracks, 35:47


Der Mutabor-Frontmann geht das zweite Mal auf Solopfade. Augenzwinkernde Texte werden in eingängige Melodien verpackt und mit Straßengitarre zum Besten gegeben. Das wird Irish-Folk-Punks entsetzen, aber Studienräte zum wohlwollenden Nicken veranlassen. Der Eigenbrötler hat seine eigene Nische gefunden, an die sich der verwöhnte Hörer erst gewöhnen muss.

 MARIZA: Mundo
MARIZA
Mundo
mariza.com
(Warner)
Promo-CD, 14 Tracks, 48:29


Erneut liierte sich die gefeierte Portugiesin mit Spaniens Topproduzent Javier Limón für ein Album, das diesmal die vom Fado geprägte Stimme verstärkt in poppigeres Fahrwasser lenkt. Mariza hat ihre stilistische Weltgewandtheit schon meisterhafter bewiesen als in einigen der zum Teil spanischen Liedchen, wo bisweilen ihr großes Charisma auf der Strecke bleibt.


 BACHAR MAR-KHALIFÉ: Ya Balad
BACHAR MAR-KHALIFÉ
Ya Balad
(Infiné Music/Warp/Rough Trade)
Promo-CD, 11 Tracks, 47:36


Ya Balad („O Heimatland“) ist voller Herzblut. Die berührend sanfte Stimme von Bachar Mar-Khalifé wird von Elementen klassisch libanesischer Musik wie Anklängen westlicher Klassik getragen und mit Hip-Hop und barockem Cembalo weitergeführt. Um einen Viertelton nach unten gestimmt, zeigt das Cembalo seine arabischen „Saiten“. Der west-östliche Divan des 21. Jahrhunderts.

 DAVID MASSEY: Until The Day Is Done
DAVID MASSEY
Until The Day Is Done
davemasseymusic.com
(Poetic Debris Records)
13 Tracks, 50:24


Der musizierende Rechtsanwalt aus Washington, D. C., präsentiert sich und seine Songs im Line-up einer kompletten Rockband, die sich aber dezent zurückhält. Massey singt mit sanfter Stimme über Sinnsuche, erträumte Liebe und kaputte Elternhäuser und sieht sich dabei in der Tradition eines Steve Forbert oder James McMurtry. Die erreicht er aber nicht.


 PABLO MILANÉS & JOSÉ MARÍA VITIER: Canción De Otoño – Pablo Milanés Interpreta Canciones De José María Vitier
PABLO MILANÉS & JOSÉ MARÍA VITIER
Canción De Otoño – Pablo Milanés Interpreta Canciones De José María Vitier
milanespablo.com
(Fol 230FOL1084/Galileo MC)
14 Tracks, 46:21


Zwei große Kubaner erfüllen sich mit dem Album einen lang gehegten Wunsch. Vom Pianisten und Komponisten Vitier (Schöpfer der Filmmusik zu Erdbeer und Schokolade) vertonte eigene Texte sowie die anderer emblematischer Hispano-Dichter und -Denker intoniert Meisterbarde Milanés sensibelst und poetisch. Ein intim-gefühlvoller Dialog zwischen Stimme und Klavier.

 MILLPOND MOON: Time To Turn The Tide
MILLPOND MOON
Time To Turn The Tide
millpondmoon.com
(Tikopia Records)
10 Tracks, 42:25


Transatlantisches bietet das norwegische Duo aus Songschreiber Rune Hauge und Sängerin Kjersti Misje: Ihre Mitspieler kommen aus ihrer Heimat und aus den USA, ihre Musik mixt Bluegrass mit Folk und einer Prise Jazz. Unter den eigenen Stücken findet sich manch akustische Preziose, dazu kommen Covers aus der Feder von Bob Dylan und Robbie Robertson.


 ROSS MUNRO: Twisted Tradition
ROSS MUNRO
Twisted Tradition
greentrax.com
(Greentrax Recordings CDTRAX384)
13 Tracks, 47:35


Ross Munro aus Schottland ist ein Meister auf dem Dudelsack, beherrscht aber noch diverse andere Instrumente, sodass er sein erstes Soloalbum fast im Alleingang eingespielt hat. Er arrangiert die zahlreichen Klassiker auf eine ziemlich moderne Art, was manchmal bombastisch gut, ab und an aber auch etwas altbacken klingt. Definitiv für Freunde der Pipes.

 ISRAEL NASH: Israel Nash’s Silver Season
ISRAEL NASH
Israel Nash’s Silver Season
israelnash.com
(Loose Music VJCD226/Rough Trade, Promo-CD)
9 Tracks, 49:18


Immer wieder Neil Young, unglaublich wie dieser Mann inspiriert. In diesem Fall gesellen sich noch Pink Floyd im Countrygewand dazu. Trotzdem entfaltet die Musik einen ganz eigenen Charme. Ein psychedelisch durchtränktes, aber schön strukturiertes, von Israel Nash und seinen Mitstreitern versiert eingespieltes und warm produziertes Album.


 OTAVA YO: Once Upon A Time
OTAVA YO
Once Upon A Time
otava-yo.spb.ru
(CPL-Music CPL 005)
12 Tracks, 41:39


Wer von den Anarcho-Folkpunks Otava Yo bereits abhängig geworden ist, bekommt jetzt mit dem Debütalbum Once Upon A Time neues Futter. In Russland bereits 2009 veröffentlicht, hat das deutsche Label das Erstlingswerk nun auch hier nachgeschoben. Rotzfrech und jenseits jeglicher Stile zeigten die Partykönige schon beim Start, in welche Richtung die Tanzschuhe einmal steppen würden.

 PATCHFOLK: Handmade
PATCHFOLK
Handmade
patchfolk.de
(Eigenverlag)
Demo-CD, 13 Tracks, 53:37


Das rein männliche Quintett aus dem Heidelberg-Mannheimer Raum liefert auf seinem Erstling bodenständigen Irish Folk, teils mit amerikanischen und anderen Einflüssen. Den sechs Liedern (leider ohne mitzulesende Texte) und sieben Instrumentals hört man die vier Jahre Bühnenerfahrung positiv an. Eine schöne Scheibe!


 HARALD PETERSTORFER: Laterna Magica
HARALD PETERSTORFER
Laterna Magica
haraldpeterstorfer.com
(ATS Records)
13 Tracks, 56:56


Der österreichische Akustikgitarrist nimmt erneut mit auf eine Reise ins Reich von Mythen, Märchen und Zauberwesen. Fein gewirkte Miniaturen und Stimmungen entführen in eine stille Klangwelt fernab von alltäglicher Wirklichkeit. Fantasie – und sehnsuchtsvoll und vielleicht auch ein wenig weltflüchtig.

 THE PINDER BROTHERS: Melancholy Sea
THE PINDER BROTHERS
Melancholy Sea
pinderbros.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
11 Tracks, 41:29


Ein Brothers im Bandnamen scheint im Moment ein Pseudonym für traditionsbewusst, mehrstimmig, hymnisch, klassisch instrumentiert, songorientiert, analog klingend, inspiriert von Westcoast-Sound, Americana und Southern Rock der Sechziger und Siebziger zu sein. In diesem Fall gesellen sich noch ein Quentchen College-/Indierock und gelegentlich ein Gitarrensolo dazu.


 DOMINIK PLANGGER: Trans/alplantisch
DOMINIK PLANGGER
Trans/alplantisch
dominikplangger.com
(Eigenverlag, CD2015001)
11 Tracks, 40:49


Dominik Plangger ist ein romantischer Rebell. Einer, der monatelang auf einer einsamen Tiroler Bergalm haust, um anschließend mehrere tausend Zuhörer mit seinen Liedern und vor allem mit seiner Stimme zu begeistern. Ein Album wollte er produzieren, das so klingt, als sei es daheim am Stubentisch bei einem Glas Wein aufgenommen worden. Das ist ihm vortrefflich gelungen.

 PROMISED LAND SOUND: For Use And Delight
PROMISED LAND SOUND
For Use And Delight
facebook.com/promisedlandsound
(Paradise of Bachelors PoB-22/Cargo)
11 Tracks, 48:11


Das junge Trio aus Nashville frönt auf seinem zweiten Album weiter seinem explizit harmonischen, harmonisch reichen und vielstimmig reich instrumentierten, sanften Country-/Folkrock. Ein ausgesprochen stimmiger und fruchtbarer Brückenschlag zwischen den Generationen und Zeitaltern – hier Lo-Fi und jetzt, da aber auch noch viel Wohlklang anno Tobak.


 RENATA ROSA: Encantacoes
RENATA ROSA
Encantacoes
(Hélico HWB58127/Broken Silence)
9 Tracks, 33:40


Der brasilianischen Sängerin aus dem Nordosten hört man ihre Wurzeln an, aber auch ihr Bestreben, sich anderen Einflüssen zu öffnen. Sie hat eine hohe, intensive Stimme, die Melodien sind sehr einfach, oftmals tänzelnd, aber eingängig. Die Gitarre klingt manchmal fast nach Hackbrett, Snaredrum und andere Percussioninstrumente bestimmen das Spiel.

 SAINTSENECA: Such Things
SAINTSENECA
Such Things
saintseneca.com
(Anti- EPIT 7429-2/Indigo)
Promo-CD, 15 Tracks, 43:13


Ihre Bluegrassvergangenheit geht im Nu Folk/Alt. Rock, dem sich die 2007 gegründete Kapelle aus Columbus, Ohio, inzwischen zugewandt hat, nahezu rückstandslos auf. Nur in gelegentlichen Verschnaufpäuschen ist noch kurz leise etwas davon zu hören – aber dann kommt gewiss gleich wieder die Dampfwalze und planiert den Weg zum Stadionformat weiter …


 SANGRE DE MUERDAGO: O Camiño Das Mans Valeiras
SANGRE DE MUERDAGO
O Camiño Das Mans Valeiras
(Sick Man Getting Sick Records)
Promo-CD, 8 Tracks, 44:08


Verträumter, melancholischer Akustikfolk eines Quartetts aus Galicien, gespielt mit Nyckelharpa, Barockflöte, Drehleier, Cello und gezupften Gitarren. Sehr harmonisches Zusammenspiel und angenehmer mehrstimmiger Gesang machen dieses Werk zu Neofolk vom Feinsten. Der Albumtitel heißt übersetzt „Der Pfad der leeren Hände“.

 SEA+AIR: Evropi
SEA+AIR
Evropi
seaandair.net
(Gitterhouse/Indigio CD 11188-2)
Promo-CD, 12 Tracks, 50:27


„Ob als Flüchtlinge, Gastarbeiter oder Musiker, Heimatlosigkeit liegt in unseren Genen“, beschreibt die Griechin Eleni Zafiriadou den vermutlichen Ursprung ihrer Reisen mit ihrem Mann Daniel Benjamin. Das Duo gibt geniale Popsong-Statements zur Lage Europas: Tüpfel traditionell griechischer Musik zum Sound der Achtziger in wavig-punkigen Klangcollagen.


 MARTIN SEXTON: Mixtape Of The Open Road
MARTIN SEXTON
Mixtape Of The Open Road
martinsexton.com
(Kitchen Table KTR009 /Cargo)
12 Tracks, 41:04


Wie es ein Mixtape verspricht, präsentiert Sexton eine Fahrt durch Stile und Zeiten. Das geht von den Fünfzigerjahren bis zu Songs, die zu den Dire Straits in den Achtzigern gepasst hätten, oder zu Soul und Blues. Sextons Stimme erinnert dabei stark an Doc Watson und klingt im Opener so, als hätte der plötzlich einen auf Doo Wop gemacht. Das swingt.

 SHIREGREEN: Neue Pfade
SHIREGREEN
Neue Pfade
shiregreen.de
(DMG Records/Broken Silence)
15 Tracks, 60:58


Nach mehreren Alben auf Englisch knüpft Klaus Adamaschek alias Shiregreen (deutsch für Auenland) an seine ganz alten Liedermacherzeiten an, er singt wieder auf Deutsch. Doch musikalisch bleibt er dem amerikanischen Folkrock und der Countrymusik treu. Romantisch, persönlich, kritisch, vor allem stimmungsvoll präsentiert er seine Lieder.


 MATTHIAS SIEGRIST: Im Schrebergarten
MATTHIAS SIEGRIST
Im Schrebergarten
brambus.com
(Brambus Records 201584 2)
12 Tracks, 41:10


Der Zürcher Liedermacher Matthias Siegrist legt mit Im Schrebergarten eine erste Kostprobe seiner deutschsprachigen Lieder vor. Herausgekommen ist ein sanftes, träumerisches Werk mit Texten, die zum Weiterspinnen seiner Gedanken anregen. Begleitet wird der Gitarrist und Sänger vom Akkordeonisten Niculin Christen und dem Percussionisten Tino Siegrist.

 ERIK SITBON AND THE GHOST BAND: Erik Sitbon And the Ghost Band
ERIK SITBON AND THE GHOST BAND
Erik Sitbon And the Ghost Band
eriksitbon.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 11 Tracks, 41:11


Der französische Sänger und Gitarrist Erik Sitbon bewegt sich zwischen Country und Rock. Die fünfköpfige Ghostband begleitete ihn erstmals im Studio. Ein abwechslungsreiches und fast schon poppiges Album.


 CARMEN SOUZA & THEO PASCAL: Epistola
CARMEN SOUZA & THEO PASCAL
Epistola
carmensouza.com
theopascal.com
(Jazz Pilon,GMC06/Galileo MC)
11 Tracks, 45:32


Stimme trifft auf Kontrabass, Kapverden auf Lissabon, London und New York, traditionelle Vokalelemente ergänzt durch Saxofon, Klarinette, Schlagzeug, Gitarre und Piano auf modernen Jazz. Abwechslungsreiche Kompositionen und fantasievolle Arrangements inszenieren die expressive Sängerin in ihren vielfältigen Facetten zwischen Wüste, Wasser und Undergroundclub.

 JOHN CEE STANNARD & BLUES HORIZON: Stone Cold Sober
JOHN CEE STANNARD & BLUES HORIZON
Stone Cold Sober
johnceestannard.co.uk
(Cast Iron Recordings CIRCD025/Hemifrån)
12 Tracks, 55:36


Im Grunde ist es Countryblues, gespielt auf (überwiegend) akustischen Instrumenten, aber John Stannard versteht es, diesem immer wieder einen besonderen Kick zu geben. Sei es hier einmal eine Violine als tragendes Melodieinstrument, dort ein Kontrabass für die besonders tiefen Töne oder auch einmal eine Hammondorgel im Wettstreit mit der Bluesharp.


 ALAN STIVELL: Amzer
ALAN STIVELL
Amzer
alanstivell.bzh
(World village/Harmonia Mundi)
Promo-CD, 12 Tracks, 54:44


Es ist das wohl einundzwanzigste Studioalbum des bretonischen Altmeisters. Zu hören sind Harfengeklimper und unmelodiöser Gesang. Ein langweiliges und überflüssiges Werk.

 PAULA TEBBENS TRIO: Falling Must Be Like This
PAULA TEBBENS TRIO
Falling Must Be Like This
paulatebbens.tumblr.com
(Machine Drops)
11 Tracks, 40:27


Nach ihrem Start in ihrer Wahlheimat Kopenhagen hat sich die Berlinerin Paula Tebbens mit etwa dreihundert Auftritten in Dänemark und Deutschland schon einen guten Platz in der Singer/Songwriter-Szene erspielt. Im Juni 2015 wurde das Trio im „Modern-Minstrel“-Wettbewerb Troubadour in Berlin ausgezeichnet. Das Debüt enthält englischsprachige Lieder begleitet von Gitarre, Bass und Schlagzeug.


 TRAMPER: Grün
TRAMPER
Grün
facebook.com/tramperaio
(Timezone TZ470/Timezone Distribution)
10 Tracks, 47:55


Mit dem Album Grün will Tramper die Hörer auf eine Reise mitnehmen, die verschiedene Orte zum Ziel hat. Jeder der deutschen Songs hat seine eigene Geschichte, die vom Sänger erzählt wird. Dabei untermalen Gitarrenklänge seine Stimme. Außerdem wird er von einer Violine begleitet, die zahlreiche Soloparts spielt.

 VERSENGOLD: Zeitlos
VERSENGOLD
Zeitlos
versengold.de
(Fuego/Indigo)
14 Tracks, 52:49


Das siebte Studioalbum der Musiker um Malte Hoyer widmet sich zeitlosen Themen in anspruchsvoller eigener Lyrik. Neben Trinkliedern und zwei Reels sind Balladen über Liebe, Krieg und Wandermusiker enthalten. Manchmal klingt es irisch, das Piano und – neu – das Schlagzeug finden ab und an den Weg zum Folkpop. Hervorzuheben ist die stilvolle grafische Gestaltung.


 VOICE IN THE ATTIC: After Songdown
VOICE IN THE ATTIC
After Songdown
voiceintheattic.com
(Eigenverlag)
15 Tracks, 49:54


Ob das Album des Wahlkölners Voice In The Attic gefällt oder nicht, entscheidet wohl die Klangfarbe der Stimme. Die einwandfreien Kompositionen aus dem Genre Americana könnten der Feder jedes Songwriters entsprungen sein. Der Gesang jedoch, irgendwo zwischen Dinosaur Jr. und Tom Waits, hat einen absoluten Wiedererkennungswert.

 HANNES WADER: Live
HANNES WADER
Live
hannes-wader.de
(Mercury Records/Universal)
Promo-Doppel-CD, CD 1: 13 Tracks, 66:54, CD 2: 14 Tracks, 67:21


Klar, ohne „Heute hier, morgen dort“, „Manche Stadt“ und einige weitere, immer wieder geforderte Wader-Lieder kommt der alte Barde nicht von der Bühne. Aber dennoch enthalten die zwei Live-CDs mit weit über zwei Stunden Spielzeit etliche zum Teil fast vergessene Lieder des Künstlers und sogar ein paar Titel, die noch nie veröffentlicht wurden. Ein opulenter Hörgenuss.


 BODO WARTKE: Was, wenn doch?
BODO WARTKE
Was, wenn doch?
bodowartke.de
(Reimkultur/Tonpool Medien)
16 Tracks, 68:07


Auch in seinem neuesten Programm spielt Bodo Wartke mit den Worten und Klaviertasten virtuos. Lieder vor allem über die Liebe mit den Schwierigkeiten, Verwicklungen und Überraschungen, die das Leben bereithält. Ironisch, witzig und heiter werden die holprigen Umwege, um das Glück zu finden, zu flotter Musik herbei und hinweg besungen.

 NOEMI WAYSFELD & BLIK: Alfama
NOEMI WAYSFELD & BLIK
Alfama
noemiwaysfeld-blik.com
(AWZ CW 895835)
12 Tracks, 54:19


Auf ihrem zweiten Album widmet sich Waysfeld, gemeinsam mit ihrer Band Blik, bestehend aus Thierry Bretonnet (acc), Florent Labodinière (g) und Antoine Rozenbaum (b), der Idee des Exils und den damit verbundenen musikalischen Emotionen, hervorgerufen durch den Schwebezustand zwischen den Welten.


 SOPHIE ZELMANI: Everywhere
SOPHIE ZELMANI
Everywhere
sophie-zelmani.com
Promo-CD
(Oh Dear Recordings ODRCD02/Cargo Records)
12 Tracks, 40:50


Eine zerbrechliche Frauenstimme singt, spartanisch begleitet von etwas Klavier und Gitarre, melancholische Lieder von der Liebe und dem persönlichen Umfeld. Diese Art von Folkpop hat zurzeit Hochkonjunktur. Die schwedische Sängerin folgt allerdings bereits seit elf Alben diesem Stil und zeigt dem Nachwuchs auf Everywhere, wie das Original klingt.




Nordamerika
 BARBARA BLUE: Memphis Blue – Sweet, Strong & Tight
BARBARA BLUE
Memphis Blue – Sweet, Strong & Tight
barbarablue.com
(Big Blue Records BBR-1214/Hemifran)
13 Tracks, 50:30


Als stimmgewaltige und ausdrucksstarke Sängerin zeigt Barbara Blue hier alle Facetten der Musik aus Memphis auf. Der Blues, Funk und Soul wird meist orchestral vorgetragen, mit Unterstützung der Bläsersection The Royal Horns entstehen geradezu opulente musikalische Gemälde. Die Hausband des Aufnahmestudios, The Royal Rhythm Section, steuert neben Bass, Schlagzeug und Rhythmusgitarre auch herrlich wummerndes Hammond-B3- oder Wurlitzer-Donnergrollen bei, und die Begleitmusiker, allen voran Gitarrist Ronnie Earl, Pianist und Akkordeonspieler Sonny Barbato und Harpspieler Bobby Rush, adeln die Stücke noch zusätzlich. Herzzerreißende Balladen, vor Lebensfreude sprühende Soul- und Funknummern, ein Gospel wie ein Gebet („Me And Jesus“) und zum Schluss dann der reduzierte, rein akustische „800 Mile Blues“, in den Barbara Blue und Ronnie Earl so viel Tiefe und Emotion hineinlegen, als wären sie tatsächlich achthundert Meilen von zu Hause entfernt. Der Sängerin ist eine vom ersten bis zum letzten Ton abwechslungsreiches, strahlendes, höchst musikalisches Album gelungen.
Achim Hennes
 THE ROBERT CRAY BAND: 4 Nights Of 40 Years Live
THE ROBERT CRAY BAND
4 Nights Of 40 Years Live
robertcray.com
(Provogue/Mascot Music, Rough Trade)
Promo-CD, 13 Tracks, 73:26, Promo-DVD, 17 Videos mit engl. Infos


Robert Cray vorzustellen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Der Gitarrist, Sänger und Komponist hat seit seinem Debüt 1980 bis heute die Blues- und Soulwelt bereichert. Über zwanzig Alben hat der in die Blues Hall of Fame aufgenommene fünffache Grammy-Gewinner mit seiner Band in den vierzig Jahren seiner Karriere eingespielt. Er stand mit den Großen des Blues und R ’n’ B wie John Lee Hooker, Keith Richards, Jimmie Vaughan, Bonnie Raitt, Buddy Guy, B. B. King und Eric Clapton auf der Bühne. Beeinflusst wurde er von Jugend an von keinen Geringeren als Muddy Waters und Albert Collins. Der erfahrene und gereifte Musiker präsentiert neben seiner Studioarbeit auch die ehrlichsten und engagiertesten Livekonzerte. Titel wie „Right Next Door“ und „Smoking Gun“ sind bereits zu Klassikern geworden. Auch auf CD und DVD ist es ein Erlebnis, ihm und seiner Band zuzuhören.
Annie Sziegoleit

 DANIEL ROMANO : If I’ve Only One Time Askin’
DANIEL ROMANO
If I’ve Only One Time Askin’
danielromanomusic.com
(New West NW6307/ Ada/Warner)
12 Tracks, 38:46


Wer schon einmal durch den mittleren Westen der USA gereist ist, wird die Omnipräsenz von Countrymusik hautnah gespürt haben. Im Normalfall die romantisch überzuckerte Version. Umso verwunderlicher, dass nicht wenige Musiker mit einem musikalisch rabiaterem Background sich dieser Stilrichtung zugewandt haben. Auch Daniel Romano hat eine Punkvergangenheit, seine Hinwendung zum Country ist aber weder ironisch noch nostalgisch, sondern das ernsthafte Unterfangen, in diesem Genre einen eigenen Ausdruck zu finden. Kompositorisch ist das Feld, das Romano bearbeitet, reinster Country, aber was er hier zum blühen bringt, ist verblüffend. Ungewöhnlich, wie so gewöhnliche Instrumente wie Streicher, Gitarren, Bass oder Klavier miteinander verwachsen, plötzlich ausscheren, sich verzweigen und aufblühen. Auch den Texten, ebenfalls genretypisch, gelingen wunderbare Bilder für altbekannte Situationen. „I got more happiness from a bottle / And get more love from a stranger ... “ Aufgenommen und produziert hat Romero dieses vierte Solowerk praktisch im Alleingang in seinem Heimstudio in Kanada. Ein Countryalbum für Leute die eigentlich keinen Country mögen.
Dirk Trageser



WIEDERVERÖFFENTLICHT
 ELSTER SILBERFLUG: Ich fahr dahin & Komm in meinen Rosengarten
ELSTER SILBERFLUG
Ich fahr dahin & Komm in meinen Rosengarten
elster-silberflug.de
(Sireena SIR 2136)
27 Tracks, 74:17


Lange überfällige Neuauflage der beiden damals (1974 und 1976) bahnbrechenden LPs. Die Elstern waren eine der ersten Bands, die deutsche Volkslieder, frisch aufgespielt in modernen Arrangements, den tümelnden Musikantenstadeln entgegensetzten. Die zweite LP wurde seinerzeit vom heutigen Klangguru Günter Pauler für Stockfisch eingespielt, die CD-Neuauflage klingt entsprechend gut.

 GOLDBERG: Misty Flats
GOLDBERG
Misty Flats
(Light In The Attic FDR 612/ Cargo)
37:23


Wenn seine Band nicht zerbrochen wäre, dann wäre das vorliegende Album vermutlich das erste Punkalbum der Welt geworden, sagt Goldberg über die 1974 entstandenen Aufnahmen. In nur zwei Tagen, mit Freund und Produzent Michael Yonkers aufgenommen, hören wir stattdessen einen von Akustikgitarren getragenen Singer/ Songwriter mit einer Menge Strahlkraft.


KEN JAH
 V. POULSEN’S KAPEL: Old School
V. POULSEN’S KAPEL
Old School
vpoulsen.dk
(GO’ Danish Folk Music GO1215)
15 Tracks, 38:33


Die dänischen Fiddler/Akkordeonisten Sonnich Lydom und Jes Kroman kennen sich seit vierzig Jahren, gründeten 1981 V. Poulsen’s Kapel und spielten damals eine MC ein. Old School ist eine Wiederveröffentlichung mit der die beiden Musiker der jüngeren Generation zeigen wollen, wie Klang und Spielweise in jener Zeit waren. Schöne Tanzmelodien, sehr schwungvoll aber auch anrührend gespielt.




Afrika
 TIKEN JAH FAKOLY: Racines
TIKEN JAH FAKOLY
Racines
www.tikenjah.net
(Barclay 474 781-7/Harmonia Mundi)
11 Tracks, 40:46 , mit ausführlichen fr. Infos


„They ain’t makin’ Jews like Jesus anymore“, hat Kinky Friedman einst treffsicher geblödelt. Und markante Stücke wie manche Klassiker des Rootsreggae und charaktervolle Stimmen wie die Max Romeos auch nicht, könnte man hinzufügen. In beider Hinsicht macht auch der Ivorer Tiken Jah Fakoly keine Ausnahme, was seinen Gesang betrifft auch auf Racines – „Wurzeln“ – mit dem darauf befindlichen knappen Dutzend Welthits der Reggaegeschichte nicht. Der stimmliche Mangel gegenüber den großen Sängern vergangener Zeiten fällt aber nicht ins Gewicht – er wird offenbar durch andere Qualitäten wettgemacht, Fakolys Herz schätzungsweise und ganz sicher auch die Fähigkeiten seiner Musiker auf Racines um Sly & Robbie und Mikey Chung. Gemeinsam holen sie Songs wie Junior Murvins „Police And Thieves“, Burning Spears „Christopher Columbus“ und „Slavery Days“, Peter Toshs „African“ und natürlich verschiedene Bob-Marley-Titel zurück in die Gegenwart – mit einem gelegentlichen Touch afrikanischer Folklore. Die vollkommen souveränen Grooves sind unwiderstehlich, Fakoly singt hundertprozentig sachdienlich – und wenn Max Romeo bei „One Step Forward“ zum Duett einsetzt, wird sogar die Ausstrahlungsleerstelle noch besetzt.
Christian Beck
 SONGHOY BLUES: Music In Exile
SONGHOY BLUES
Music In Exile
www.songhoy-blues.com
(Transgressive, Promo-CD)
14 Tracks, 53:47


„File under Afro-Rock“ – in solch eine Schublade steckte man in den 1970ern unter anderem die ghanaische Band Osibisa. Heute könnte dies auch „marketingtechnisch“ auf das malische Quartett Sonhoy Blues angewendet werden. Aliou, Oumar und Garba Touré sowie Nathanael Dembele stammen aus dem durch extremistische Islamisten destabilisierten Norden (Gao und Timbuktu). Sie flohen nach Bamako, da sie als Musiker in ihrer Heimatregion nunmehr als Kriminelle eingestuft und verfolgt wurden. Im September 2013 taten sich die vier auf Anraten des Produzenten Marc-Antoine Moreau zusammen, der mit Yeah-Yeah-Yeahs-Gitarrist Nick Zinner für das Debütalbum verantwortlich zeichnet. Dieses enthält als Opener das bereits durch Damon Albarns Africa-Express-Compilation bekannt gewordene Stück „Soubour“, einen Riffrocksong erster Güte. Die neuen Tracks können sich gleichfalls hören lassen, stehen deutlich in der Tradition von Ali Farka Touré und weiteren Repräsentanten des sogenannten „Desert Blues“, aber in puncto Rhythmik und Dynamik legen die Jungs – in klassischer Rockbesetzung mit E-Gitarren, E-Bass und Drums – noch eine Schippe drauf. Die Deluxe-Ausgabe enthält als Bonus unter anderem eine eigenwillige Version von Led Zeppelins „Kashmir“.
Roland Schmitt

Besondere
DIVERSE
40!!! Years Bear Family Records
www.bear-family.com
(Bear Family Records)
CD 1: 76:24, CD 2: 74:10, CD 3: 72:50 , jeweils 24 Tracks, plus DVD: 75:00, plus 308-seitiges Buch im LP-Format


Die Besondere besteht in diesem Fall aus einer aufwendig gestalteten Box, die drei CDs, eine DVD sowie einen Hardcover-Band enthält, der wiederum eine Fülle von aussagekräftigen Fotos, Liedtexten in englischer, deutscher und sogar schwedischer Sprache und etliche Kommentare, Berichte und Statements präsentiert. Das Label Bear Family Records mit Sitz im niedersächsischen Dörfchen Vollersode bei Bremen, ist inzwischen – man höre und staune – Weltmarktführer in Sachen Wiederveröffentlichungen, mit eindeutigem Schwerpunkt auf US-amerikanischen Produktionen. Richard Weize, absoluter Bärenfanatiker und bis vor Kurzem uneingeschränkter Herrscher seiner großen kleinen Plattenfirma, ist seit seiner Jugend ein leidenschaftlicher Sammler, der aus einer Not eine Tugend machte, indem er vor vierzig Jahren damit begann LPs, die nicht mehr in Deutschland zu erhalten waren, wiederzuveröffentlichen. Und zwar nicht nur im Hinblick auf seine eigene, umfangreiche Sammlung, sondern auch, um sie anderen Interessenten zugänglich zu machen und zu verkaufen. Aktuelle Trends hat Weize stets ignoriert. Er veröffentlichte ausschließlich das, was er selbst mochte. Das außerordentlich umfangreiche Repertoire von Bear Family Records umfasst mittlerweile ein  DIVERSE: 40!!! Years Bear Family Records großes Spektrum unterschiedlicher Genres: Country, Rockabilly, Bluegrass, Rock ’n’ Roll, Rhythm and Blues, Blues, Cajun, Calypso, Skiffle, Pop, Liedermacher, Soul, Jazz, Chanson, Folk, Beat, Neue Deutsche Welle und sogar deutsche Schlager der Fünfzige- und Sechzigerjahre. Erwartete der Rezensent angesichts dieser opulenten Produktion zunächst einen repräsentativen Querschnitt durch das Veröffentlichungsprogramm all dieser Jahre, so musste er sich dann doch mit einem Katalog der Jahre 2010 bis 2015 im Buch zufriedengeben. Auf den drei CDs finden sich fast ausnahmslos countryorientierte Songs, die phonetisch das Wort „Bär“ enthalten: „Die Geschichte von Bruno dem Bär“, „Bareback Ridin’ Cowboy“, „I Can’t Bear To See You Go“ und selbstverständlich auch „Beer, Bourbon & The Songs Of Bobby Bare“. Götz Alsmann intoniert zur Ukulele „Kleiner Bär von Berlin“, Gunter Gabriel schmettert den „Richard Weize’s Bear Family Blues“, und Ry Cooder komponierte extra fürs vierzigjährige Jubiläum den „Bear Family Song“. Schon sehr skurril, diese nahezu wahnwitzige Mixtur aus Kunst und Kitsch! Die DVD enthält einen Film aus dem Jahr 2010 von Arild Rafalzik mit dem Titel 35 Jahre Bear Family sowie einen von Anja Caspary moderierten, mehrteiligen Beitrag für den Privatfernsehsender VH-1 zum Thema Bear Family Records aus dem Jahr 1996. Der mit zahlreichen Preisen bedachte Richard Weize ist nunmal ein akribischer Archivar, der nicht nur alte Musikaufnahmen vor dem Vergessen bewahrt, sondern auch die mannigfaltigen Spuren seiner eigenen Arbeit und die seiner Mitarbeiter. Das dokumentiert ein umfangreiches Fotoalbum im Buch, das unter anderem so unterschiedliche Musikerpersönlichkeiten zeigt wie Bill Clifton, Wanda Jackson, Wolfgang Sauer, Bela B. (Die Ärzte), Ted Herold, Su Kramer, Götz Alsmann, Bill Ramsey, George Hamilton IV, Gunter Gabriel und viele andere, die bei Weizes Jubiläumsfesten zu Gast waren. Abgerundet wird das Buch durch ein Lexikon, das alle auf den drei CDs enthaltenen Musikerinnen und Musiker mit Begleittext, Foto und Songtext vorstellt. Richard Weize, der Mann in der Latzhose, hat sich mit der deutsch-englischen Box 40 !!! Years Bear Family Records ein verdientes Denkmal gesetzt.
Kai Engelke
Rivière Noire
Rivière Noire
www.rivierenoire.fr
(CPL-Music CPL 008/Broken Silence)
16 Tracks, 62:23


Dass das Debütalbum von Rivière Noire in Frankreich als bestes Weltmusikalbum des Jahres ausgezeichnet wurde, lässt sich bereits mit Hören des ersten Titels nachvollziehen. Musikalisches Crossover hat es in letzter Zeit immer mehr gegeben, und war zunehmend in Form partytauglicher Musik, die mehr Moden nebeneinandersetzte als integrierte. Hier passiert etwas gänzlich anderes. Der Brasilianer Orlando Morais (voc), der Bretone Jean Lamoot (b, progr, keyb) und der von der Karibikinsel Guadeloupe stammende Pascal Danaé (g, perc, keyb) sind ein mehrsprachiges Weltmusiktrio, das sich unter anderem nach Mali in Salif Keitas Studio begab, um mit dortigen Musikern eine Musik  Rivière Noire: Rivière Noire einzuspielen, die tatsächlich stilistisches Neuland betritt. Hier hört man mehr als nur die Verbindung der musikalischen Wurzeln einzelner regionaler Kulturen. Alles schillert in entspannten atmosphärischen Facetten, die aber zusammen keinem Stil eindeutig zuzuordnen sind. Da gibt es den wunderbaren melancholischen Ansatz des Brasilianers, die sphärischen Klänge des Bretonen und die Einflüsse des Mannes aus Guadeloupe, durch den die Musik wiederum manchmal an die eindringliche Melodik des Angolaners Waldemar Bastos oder der Kapverden erinnert. Doch damit nicht genug. Immer wieder gebrochen wird diese sanfte, fast hingehauchte Musik durch die Sänger, Koraspieler und Percussionisten aus Mali, die im Kontrast zum Trio eine unerwartete Intensität einbringen. Bereichert wird die Musik des Weiteren durch durch den Raum schwebende Chöre, O-Töne, elektronische Beats und manchmal Ausflüge in Rockmusik oder eine eher fröhliche Melodik. Eine ganze Menge Zutaten also, aber nichts wirkt hier zusammengeworfen. Alles atmet vielmehr miteinander. Ein großer Wurf von bislang so gut wie unbekannten Musikern. Man höre sich allein die Version der drei von Cesaria Evoras Song „Sodade“ an. Mehr Gefühl geht nicht.
Hans-Jürgen Lenhart

GRÁINNE HOLLAND
Gaelré
www.grainneholland.com
(Gael Linn, CEFCD208/Magnetic Music)
11 Tracks, 51:08 , mit engl. Infos u. ir.-gäl. Texten


Aus Irland kommen in diesem Jahr unglaublich schöne Alben gälischer Sängerinnen, zuletzt Noeleen Ní Cholla, jetzt Gráinne Holland. Holland kommt aus einem Stadtteil Belfasts, dessen Einwohner sich vor Jahrzehnten entschlossen haben, Irisch zu sprechen. Irischsprachige Gegenden, die Gaeltachta, sind ja bekannt, aber nur wenige wissen, dass es auch in einigen Städten welche gibt. Gráinne Holland schreibt, sie habe sich schon als Kind für gälische Musik interessiert, nun hat sie daraus ihren Beruf gemacht. Wenn sie nicht singt, produziert und moderiert sie Fernsehsendungen in irischer Sprache. Ihr erstes Album erschien 2011, jetzt also das zweite. Elf Lieder sind darauf, allesamt traditionell, mehr oder weniger jedenfalls,  GRÁINNE HOLLAND: Gaelré wie ein Lied von Robert Burns zum Beispiel, mit dem das Album eröffnet: „Down The Moor”, hier in der Übersetzung als „Síos An Sliabh“ von Seán Bán Mac Grianna, einem bekannten Dichter aus Donegal (viele Jahre eher bekannt unter seinem weiblichen Pseudonym Máire). Es gibt noch andere Übersetzungen, zum Beispiel „An Drúcht Geal Ceo“, bekannt auf Englisch als „The Foggy Dew“, sicher eines der stärksten Stücke dieses an starken Stücken so reichen Werks. Übersetzt hat Séamas Ó Grianna, noch ein Dichter aus Donegal. Gráinne Hollands Version ist klagender, weniger martialisch als die bekannten englischen Versionen, interessant ist auch der Vergleich der Übersetzungen, von den im englischen Original erwähnten Helden ist nur Pearse übrig, von den Schlachtfeldern Suvla und Sud-el-Bar, jetzt aber in getrennten Strophen. Es ist aber nicht alles so ernst, das Liebeslied „Thug Mí Gaol“ kommt fröhlich angehüpft, der pure Ohrwurm „Ceól An Phiobaire“ darf nicht fehlen, und dann gibt es noch die richtig bekannten gälischen Hits wie „An Droighneann Donn“ oder auf die Melodie des später entstandenen „Boolavogue“ das ergreifende Liebeslied des blinden Dichters Cathal Buí Mac Giolla Gunna. Alles ist einfach gleich überzeugend und im eigenen Gráinne-Holland-Stil vorgetragen.
Gabriele Haefs



Bücher
 MASEN ABOU-DAKN: Mehr als nur Worte – Erfolgreich Songtexte schreiben : d. Kreativbuch f. Songwriter u. Musiker: mehr Ideen, starke Lyrics, klares Profil.
MASEN ABOU-DAKN
Mehr als nur Worte – Erfolgreich Songtexte schreiben : d. Kreativbuch f. Songwriter u. Musiker: mehr Ideen, starke Lyrics, klares Profil.
www.schott-music.com
(Mainz (u.a.) : Schott, 2015. – 272 S. : mit Abb. – (ED ; 22329))
ISBN 978-3-7957-4464-9 , 19,50 EUR


Es sind derzeit gute Zeiten für deutsch singende Singer/Songwriter oder Pop- und Rocksänger. Das Problem ist nur: Bei deutschen Texten versteht das Publikum, was man singt und sagen möchte. Da ist es besser, wenn die Songs textlich durchdachte Form und Inhalt haben – zugleich aber individueller Ausdruck des jeweiligen Künstlers sind. Für alle, die beim Schreiben ihrer Texte ein solides Fundament möchten, sei das Buch des Songwriting-Pädagogen Masen Abou-Dakn empfohlen. Im Vergleich zu seinem 2006 erschienenen Buch Songtexte schreiben hat der Autor jetzt ein Werk publiziert, das noch mehr als Arbeitsbuch durchgearbeitet werden will – gleich ab der ersten Seite. Es geht um die entscheidenden Themen, bei denen man von den Erfahrungen des Autors stark profitiert. Ein paar Beispiele: Wie schreibe ich eine „Hookline“, die im Gedächtnis bleibt? Wie werden meine Texte emotional? Brauchen Songs eine Story? Muss mein Text „schön“ singbar sein? Der Autor illustriert sein Wissen mit Auszügen aus 180 Songs. Dieses Buch liest man nicht innerhalb weniger Tage durch, man sollte es über Monate durcharbeiten. Der Lohn dafür ist, dass man sich von Übung zu Übung mit der Sprache sicherer fühlt. Und man spürt: Zum Schreiben von Songtexten mag Talent von Vorteil sein, man kann Kreativität aber auch trainieren. Dieses in einem renommierten Musikverlag erschienene Arbeitsbuch empfiehlt sich ebenfalls für Schulen, Musikschulen und Musikhochschulen. Es macht Mut zum Schreiben und zum eigenen Profil.
Udo Hinz
 OSKAR KRÖHER: Fahrende Sänger.
OSKAR KRÖHER
Fahrende Sänger.
www.spurbuch.de
(Baunach : Spurbuchverl., 2015. – 456 S. : mit Farb- u. s/w-Fotos)
ISBN 978-3-88778-441-6 , 29,80 EUR


Im fünften und vorläufig letzten Band seiner Lebenserinnerungen blickt Oss Kröher auf sein Leben als Sänger im Duo Hein & Oss zurück. Er beschreibt, wie es ihm gelang, aus der Leidenschaft für Lieder einen Beruf zu machen und zu einem „Volkssänger“ zu werden, der das Bundesland Rheinland-Pfalz auch im Ausland musikalisch repräsentierte. Den Schwerpunkt des Buches bilden die sechs Waldeck-Festivals von 1964 bis 1969. Der Autor betrachtet sie als die Wiege des demokratischen Volkslieds, dem er verpflichtet ist. Er verweist auf den 1966 im Alter von 33 Jahren verstorbenen Peter Rohland als den Begründer des neuen Volksliedsingens, dessen Erbe Hein & Oss antraten. Lesenswert sind die Schilderungen von den Begegnungen, die bei den Waldeck-Festivals und im Anschluss an sie stattfanden, unter anderem mit Hannes Wader, Walter Moßmann, Franz Josef Degenhardt, Reinhard Mey, Charlie McLean, Roger Siffer, Katja Ebstein, Susanne Tremper, Martin und Gertrude Degenhardt, John Pearse, Colin Wilkie und Shirley Hart, Karl Wolfram, Christof Stählin, Elsbeth Janda und Fritz Nötzold, Horst Lippmann und Fritz Rau, Hans Nikel, Udo Bowien, Tomi Ungerer, Rolf-Ulrich Kaiser, Jan Weber, Susanne Fijal. Besondere Bedeutung hatten die Beziehungen zu Veronica und Fitzroy McLean, Martin Schließler, Prof. Walter Grab, Willy Brandt. Zu erwähnen ist, dass Oss Kröher stärker als andere Chronisten die deutsche Jugendbewegung als einen der wichtigen Faktoren ansieht, die am deutschen Folkrevival mitgewirkt haben. Was fehlt, ist ein Eingehen auf die Folkszene der Siebziger, Achtzigerjahre, die mit ihren unzähligen Festivals eine ungemeine Verbreitung der Impulse von Burg Waldeck bewirkt und unter anderem in Ingelheim, Mainz und Tübingen neue Entwicklungen aufgezeigt hat.
Eckard Holler

 DAVID BURKE: Singing Out : a Folk Narrative of Maddy Prior, June Tabor & Linda Thompson.
DAVID BURKE
Singing Out : a Folk Narrative of Maddy Prior, June Tabor & Linda Thompson.
www.soundcheckbooks.co.uk
(London : Soundcheck Books, 2015. – XII, 198 S. : mit Fotos)
ISBN 978-0-9929480-2-3 , 14,99 brit. Pfd.


Über drei weibliche Legenden der englischen Folkszene zu schreiben, ist eigentlich eine fantastische Idee: Die Stimme (nicht nur) von Steeleye Span, die große Dame der englischen Ballade und die auch stimmlich ehemals bessere Hälfte von Richard Thompson. Alle drei sind ähnlichen Jahrgangs, und es ist nicht so, als kenne man sich nicht untereinander – gute Voraussetzungen für ein spannendes und originelles Buch. Und was macht David Burke aus der Sachlage? Gefühlsmäßig leider etwas zu wenig! Für drei Superstars der Szene gibt es 141 Seiten, einige beliebige Fotos, 14 Kapitel, jeweils wechselnd von einer Lady zur anderen, chronologisch von der Jugend bis etwa heute (aber nur etwa). Dazwischen verläuft sich Burke in Nebensächlichkeiten, die wie Füllmaterial wirken. Offenbar schienen ihm diese 141 Seiten selbst etwas mager, also hängte Burke noch 14 Seiten kommentiertes „Essential Listening“ plus 32 Seiten Diskografie mit Liedtiteln an. Die vier Seiten Index allerdings könnten tatsächlich mal nützlich sein, wenn jemand aus, welchen Gründen auch immer, aus dem Buch referenzieren möchte. Einerseits muss der Freund oder die Freundin englischer Folkmusik dieses Buch nicht unbedingt haben. Die Fakten sind nicht gerade neu, aber vielleicht ist der Rezensent auch zu belesen, was die englische Folkszene betrifft. Andererseits ist es so unwahrscheinlich nicht, dass jemand ein Fan von allen dreien, also von Prior, Tabor und Thompson ist. Dann wäre der Erwerb dieses Buches alleine seiner komprimierten Künstlerkombination wegen sicherlich kein Fehler.
Mike Kamp
 MITTELALTER-ROCK: 20 der schönsten Lieder der Spielleute für Klavier, Gitarre und Gesang.
MITTELALTER-ROCK
20 der schönsten Lieder der Spielleute für Klavier, Gitarre und Gesang.
www.bosworth.com
(o.O. : Bosworth Ed., 2015. – 96 S. : : nur Noten u. Texte. – (BOE ; 7765))
ISBN 978-3-86543-873-7 , 24,95 EUR


Die Namen von Bands wie In Extremo, Subway to Sally, Schandmaul oder Saltatio Mortis sind längst nicht mehr nur Insidern und Kennern der Mittelalterszene bekannt. Auf großen Bühnen im In- wie im Ausland spielen sie ihre spezielle Variante des „Zeitreise“-Rocks. Nun also eine erste Sammlung von Spielmannsliedern in einer Ausgabe für Tastenleute und Gitarristen. Neben dem Klaviersatz finden sich Wort, Melodie und Akkorddiagramme. Die Lieder tragen eindeutige Titel wie „Rapunzel“, „Spielmannsfluch“, „Die Rabenballade“, „Gaudete“ oder „Von den Elben“. „Wild und frei“ wollen sie sein, die Spielleute, und wer es ihnen gleichtun will, dem sei dies Werk eindeutig ans Herz gelegt.
Rolf Beydemüller

 HADI ALIZADEH: Lehrbuch für Rahmentrommel „Daf“ Bd. 1.
HADI ALIZADEH
Lehrbuch für Rahmentrommel „Daf“ Bd. 1.
www.hadi-alizadeh.com
(Nürnberg : Eigenverl., o. J. – 77 S. : übern. Noten u. Abb. + CD)
ISBN 978-3-00-033068-1 , 30,00 EUR


Das Buch bildet den Einstieg in ein mehrbändiges Werk zur Rahmentrommel Daf. Weitere Bände sind bisher nicht veröffentlicht. Die Notenschrift wird von Anfang an erläutert und um spezielle Notationszeichen für die Trommel ergänzt. Beschreibungen und Fotos führen in Grundhaltung und Schlagtechniken ein. Dabei werden auch Techniken erläutert, die in den Übungen in Band eins nicht vorkommen. Die elf Übungsstücke sind in großer Schrift notiert und auf der dazugehörigen CD jeweils in langsamem und schnellem Tempo zu hören. Der Autor bietet dabei keine kurzen Übungsabschnitte an, sondern stellt längere Übungseinheiten vor. Die Stücke sind meist über mehrere Seiten notiert und werden von kurzen Erläuterungen begleitet. Für Anfänger, die nicht jede Schlagweise auf der Aufnahme erkennen, werden gerade die langen Stücke eine Herausforderung sein.
Nils Schröder
 HADI ALIZADEH: Odd Rhythms : Theorie & Übungen für ungerade Rhythmen.
HADI ALIZADEH
Odd Rhythms : Theorie & Übungen für ungerade Rhythmen.
www.hadi-alizadeh.com
(Nürnberg : Eigenverl., 2012. – 74 S. : übern. Noten u. Abb.)
ISBN 978-3-00-038129-4 , 20,00 EUR


Das Lehrbuch zeigt Möglichkeiten auf, sich ungerade Rhythmen zu erschließen. Die Herangehensweise ist dabei vorwiegend musiktheoretisch-mathematisch. Der Autor verwendet meist Noten mit Zusatzzeichen für Handtrommeln. Das Buch enthält bewusst keine Erläuterungen zur Herkunft oder kulturellen Einbindung der verschiedenen Rhythmen. Mögliche Zusammenhänge mit Sprechrhythmen und Versmaßen werden angesprochen. Systematisch werden die Möglichkeiten dargestellt, durch Kombinationen von Zweier- und Dreiergruppen ungerade Rhythmen mit verschiedenen Betonungen zu bilden und zu verstehen. Die Varianten sind in großer Notenschrift begleitet, von Zahlenangaben notiert und können zugleich als kleine Übungen gesehen werden. Kurze Tipps zum Spielen und Üben sowie kleine Übungsstücke schließen das Lehrbuch ab. Die Konzentration auf die mathematische Konstruktion ist Stärke und Schwäche zugleich: Wer sich Musik so erschließt, findet ein klares System. Andere Möglichkeiten zur Erklärung und zum Verständnis werden aber kaum genutzt.
Nils Schröder

 JOONAS WIDENIUS: 6 Solo Pieces For Flamenco Guitar : with Tablature.
JOONAS WIDENIUS
6 Solo Pieces For Flamenco Guitar : with Tablature.
www.joonaswidenius.org
(Helsinki : Global Music Centre, 2015. – 57 S. : nur Noten u. TAB)
ISMN 979-0-55001-360-5 , 25,00 EUR


Joonas Widenius, finnischer Gitarrist mit musikalischem Schwerpunkt Flamenco, veröffentlicht sechs Kompositionen aus den Jahren 2006 bis 2013 für (Flamenco-)Gitarre. Ein erstes, nicht nur akustisches Bild, sollte man sich über die Website des Künstlers verschaffen. Dort wird auch gleich klar, dass sich gitarristische Anfänger an anderer Stelle umtun sollten. Feine Spielstücke auf gehobenem spielerischem Niveau.
Rolf Beydemüller
 JÜRGEN SCHMICH: Plattensüchtig : Expeditionen in eine andere Welt ; 7 Schallplattensammler im Interview.
JÜRGEN SCHMICH
Plattensüchtig : Expeditionen in eine andere Welt ; 7 Schallplattensammler im Interview.
www.plattensuechtig.de
(3. Aufl. – Frankfurt : Eigenverl., 2014. – 165 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-3-00-036732-8 , 22,00 EUR


Nach einer Einführung über die Leidenschaft des Schallplattensammelns und der Leiden, die diese schafft, folgen Interviews mit sieben Personen, die in der Sammlerszene nicht ganz unbekannt sind: Andreas Schmauder (europäischer Jazz der Schellackzeit), Peter Bastille (Picture Discs), H.-G. Hastig (Rock ’n’ Roll), Edmund Thilo (Beatles), Felix Aeppli (Rolling Stones), H.-J. Finger (Schlager) und Chris Wallner (Soul, Funk, House, Techno). Das jeweils 15- bis 20-seitige Interview ist individuell gehalten, lediglich am Ende gibt es bei jedem Interviewten die gleichen dreizehn Fragen unter dem Motto rar, wertvoll, überflüssig.
Doris Joosten

Deutschland
 ACHIM AMME: Ich habe dich so lieb
ACHIM AMME
Ich habe dich so lieb
www.achim-amme.de
(Bluebird Café Berlin Records)
16 Tracks, 47:22, Texte


Angenehm altersweise kommt Jürgen Ebeling alias Achim Amme in seinen Liedern daher. Ist ja auch kein Wunder, ist der Autor, Sänger und Schauspieler doch schon seit mehreren Jahrzehnten aktiv. Freude am Leben, vorsichtig optimistisch, keine überbordend hochfahrenden Pläne mehr, dazu passen die vier melancholischen Texte eines Joachim Ringelnatz gut, die er ebenfalls vertont. Mit ruhiger Stimme zur Gitarre, von Musikern dezent begleitet, werden seine alten, ausgeblichenen Jeans ebenso besungen wie eine neue Liebe, der Nachwuchs und ein kräftiges Besäufnis. Manche Texte hat er schon vor Jahrzehnten in Büchern veröffentlicht, sie geben zugleich einen kleinen Einblick in sein Gesamtwerk. Politische Themen, die früher für ihn recht bedeutend waren, finden sich auf diesem Album nicht. Die persönlichen Lebenserfahrungen, die freundliche Rückschau auf das Leben stehen im Vordergrund. Eine schöne Produktion, kluge Texte, freundliche Melodien, gute Songs für einen netten Abend in der dunklen Jahreszeit.
Rainer Katlewski
 ASP: Verfallen, Folge 1: Astoria
ASP
Verfallen, Folge 1: Astoria
www.aspswelten.de
(Trisol/Soulfood)
13 Tracks, 73:16 plus Bonus-CD: 4 Tracks, 48:48 , mit dt. Texten


Zuerst fällt die opulente Ausstattung des Albums ins Auge: als Buch gestaltet im Querformat, mit gediegenem Artwork (Grafik: Joachim Luetke, der auch schon für Marylin Manson arbeitete). Beim Durchblättern sieht man auf 33 Seiten die Kurzgeschichte „Das Fleisch der Vielen“ des Fantasy-Autors Kay Meyer (Sturmkönige-Trilogie, Die Seiten der Welt). Dazu Bilder des alten Nobelhotels Astoria am Leipziger Hauptbahnhof, seit zwei Jahrzehnten leer stehend. Erst dann erfasst man den Zusammenhang und versteht die Texte der Frankfurter Metal-Rock-Band ASP. Die akustische Schauergeschichte wird allerdings nicht rockig durchgehämmert, sondern glänzt durch sehr abwechslungsreiche, melodiöse Arrangements und immer gut verständliche Texte. Mal klingt diese Gothic Novel nach Chanson, mal nach Akustikfolk oder Tango, dann wieder preschen die E-Gitarren los. Die Texte der Horrorstory sind komplex, manchmal kryptisch. Auf jeden Fall spannende, unkonventionelle Musik auf dem neunten ASP-Album, auch für Folker-Leser. Die Bonus-CD bietet zwei Lesungen von Kay Meyer und zwei weitere Songs. Selten wurde eine Hotelruine fesselnder vorgestellt.
Piet Pollack

 FRANK BAIER: Gesänge des Ruhrgebiets 1870-1980
FRANK BAIER
Gesänge des Ruhrgebiets 1870-1980
www.frank-baier.de
(Jump Up Records JUP-00034/Plattenbau)
Vinyl, 20 Tracks, 51:44, mit dt. Texten u. ausführlichsten Infos


Einer Rezension im eigentlichen Sinne entziehen sich diese Gesänge des Ruhrgebiets an sich schon durch ihr gesellschaftliches und historisches Gewicht sowie die großen Verdienste ihres Interpreten: politisch wichtig! Inhaltlich dringend nötig! Unbedingt vor der Vergessenheit zu retten! Die Eckdaten: Wie sich dieses Album im Detail in Frank Baiers ungeheuren Ausstoß an Tonträgern und Druckerzeugnissen, seine Leistungen und seine Vita einfügt, dazu sei ein Blick auf seine Webseite empfohlen – aber nicht vor der Vielzahl an Veröffentlichungen und Informationen zurückschrecken! Die versammelten Lieder dokumentieren überwiegend die klassische Ruhrgebietsmaloche, mit einigen Abstechern ins Politische aus linker Arbeitersicht. Dass das Album nur auf Vinyl im selbstgetackerten Cover erscheint, ist eine etwas alterssentimentale Hommage Frank Baiers an Ton Steine Scherbens Warum geht es mir so dreckig? von 1971 in selber Aufmachung. Was heute, wo nur noch ein paar Ewiggestrige Vinylplattenspieler benutzen, grober Unfug ist! Klangfetischismus ist bei Baiers authentischem, aber keinesfalls übermäßig subtilem Vortrag völlig fehl am Platz. Und will das Album etwa keine Hörer? Was soll das?
Christian Beck
 INGO BARZ: Sehn’ mich so nach dir – Nachschlag 1979-1990
INGO BARZ
Sehn’ mich so nach dir – Nachschlag 1979-1990
(Schnitterhof Verlag)
22 Tracks, 64:03


Zwischen Singebewegung und Wolf Biermann gab es in der DDR noch Platz für ein paar andere (kritische) Musiker. Freilich nicht in der Öffentlichkeit, sondern in Nischen, wie im Rahmen der Evangelischen Kirche. Ingo Barz aus Mecklenburg zum Beispiel ist solch ein Liedermacher, ein Achtundsechziger der ostdeutschen Provinz. Das Cover präsentiert einen langhaarigen und bärtigen jungen Mann mit Nickelbrille nach der Mode der Zeit. Als Jugendwart der Kirche durfte er nur auf Kirchenveranstaltungen auftreten, die Stasi überwachte ihn unter dem Stichwort „Prediger“. Doch ein Prediger ist Ingo Barz mitnichten, weder im religiösen noch agitatorischen Sinn. Sein Credo ist die persönliche Freiheit und die Verantwortung für das eigene Denken und Handeln. Damit ignorierte und konterkarierte er die sozialistische Gemeinschaft von Volk und Führung. Er karikierte stattdessen die Spießer im ostdeutschen Land, und bei vielen Liedern trifft die Beschreibung auch auf die westdeutschen Kleinbürger zu. Die alten Songs von 1979 bis 1990 hat er neu eingespielt, man hört ihnen die Entstehungszeit an, dennoch sind viele zeitlos aktuell. Unerhörte, andere Lieder aus dem anderen Deutschland, die denen der westlichen Kollegen in vielem ähneln.
Rainer Katlewski

 COLBINGER: Colbinger
COLBINGER
Colbinger
www.colbinger.com
(DMG Records Germany 54.218165.2/Broken Silence)
10 Tracks, 34:04 , mit Texten


Wenn ein Künstler das Album nach sich selbst benennt, bedeutet das oft eine Standortbestimmung. So auch bei Colbinger, der über eine halbe Stunde ein deutliches Zeichen setzt, wo er gerade steht und fühlt. Da bekommt das ausgelutschte Sprichwort „er macht sein Ding“ neue Authentizität. Der Künstler aus Ostdeutschland macht es dem Hörer alles andere als leicht. Das Album sperrt sich gegen den leichten Konsum und verführt sogar zum Weghören. Warum ist das so? Die Gitarre wird brillant gespielt, die Produktion ist ausgesprochen druckvoll und die Texte sind intelligent. Eigentlich bringt Colbinger alle Zutaten für ein Erfolgsrezept mit sich. Nur, die Bestandteile komponiert der Künstler, wie es sich für ihn stimmig anfühlt, und das entspricht nicht den Hörgewohnheiten. Eine harte Gitarre, die auch bei Nirvana gut geklungen hätte, wird in eine akustische Folkballade gepackt. Ein deutscher Text findet sich in einem traditionell aufgebauten English-Old-School-Rock-Song. Gitarrenwaveklänge mischen sich mit Botschaften, die eher an deutsche Liedermacher erinnern. Die ungewohnte Mixtur macht dieses Album so schwer zugänglich und gleichzeitig auch so interessant. Colbinger gelingt mit seinem Solowerk das Kunststück ein Album zu produzieren, das, hat man sich erst einmal durchgebissen, auch nach vielfachem Hören viel Freude bereitet.
Christian Elstrodt
 BERNADETTE LA HENGST: Save The World With This Melody
BERNADETTE LA HENGST
Save The World With This Melody
www.lahengst.com
(Trikont US-0468/Indigo)
12 Tracks, 47:03 , mit dt./engl./fr. Texten u. dt. Infos


„Füttert uns, oh, füttert uns, und gebt uns eure Reste, solang wir abgefüttert sind, bleiben wir nur Gäste“, beginnt etwa „Wem gehört die Parkbank“, das im Refrain dann fragt: „Und wem gehört die Parkbank? Und wem gehört die Bank? Und wem gehört der Park, in dem ich ein Zuhause fand?“ Und dazu schaukelt geschmeidig eingängiger Elektropop, dass man sich hineinlegen könnte. Nur ein beliebiges Beispiel, es wäre als Beleg für Bernadette La Hengsts inzwischen voll ausgereifte Kreuzung unnachgiebiger politischer Agitation inklusive offener Reflexion des Privaten mit lustvoller Pop- und Tanzmusik auf satter Ironiebasis durch fast jedes andere Stück ersetzbar. Womöglich selbst durch „Es waren zwei Königskinder“, bei dem auch Tochter Ella Mae Hengst mit ihrem süßen Mädchenstimmchen mal wieder mitsingt. Bestimmt auch ein Ausdruck gesellschaftlicher Generaldissidenz und folglich in Ordnung – muss nur noch herausgefunden werden, welcher schlaue Stachel in welchem welken Fleisch gerade noch genau? Doch nur die Ruhe: Diese Frau ist vorn. Da darf man gedanklich und konzeptuell ruhig mal ein bisschen hinterherhinken. Und damit keine Missverständnisse aufkommen: Das ist vollkommen ernst gemeint.
Christian Beck

 OH LONESOME ME: Things That Could Destroy Me (In The End)
OH LONESOME ME
Things That Could Destroy Me (In The End)
www.oh-lonesome-me.de
(Beste Unterhaltung BU068/Broken Silence)
11 Tracks, 46:21


Wer sich in diesem Jahr verlieben möchte, kauft sich das Debütalbum von Oh Lonesome Me. Der Erstling von Carina Schwertner und Anne Stabe wirkt derart charmant, dass es selbst den griesgrämigsten Dachs aus seinem Winterbau lockt. Dabei ist „Erstling“ nur halb richtig, immerhin hat das Duo schon mit einer EP gegen den Winterblues gepunktet. Gegenüber dieser haben die zwei Künstlerinnen noch einmal beachtlich zugelegt und legen nun mit dem Longplayer den ersten Pflichtkauf nach. Musikalisch gibt es Folkpop, wie es in der Variante weibliches Duo schwer angesagt ist. Die Songs sind aber differenzierter, einprägsamer und vor allem witziger als bei der Konkurrenz. Der augenzwinkernde Humor, der sich ja bereits in Band- und Albumtitel niederschlägt, ist eine besondere Stärke der Musikerinnen und sorgt dafür, dass der Hörer nicht nur verträumt die Augen schließt, sondern auch befreit grinsend den Stimmen lauscht. Oh Lonesome Me wechseln zwischen deutscher und englischer Sprache, dadurch erzeugen die beiden die Stimmung eines Zwiegesprächs. Die tiefen Gefühle kommen bei der Band natürlich nicht zu kurz. Der Humor ermöglicht den Künstlerinnen gerade, den Finger in die Wunde zu legen, und so gesellen sich einige Tränen der Bitterkeit gleichberechtigt neben das glückliche Lächeln.
Christian Elstrodt
 JULIA TOASPERN: Penny
JULIA TOASPERN
Penny
(Felicitas Records FR2015.01)
11 Tracks, 44:13 , mit engl. Texten u. Infos


Das Cover der CD verrät uns: Julia Toaspern ist jung und sieht gut aus. Auch wenn das Aussehen nicht wichtig ist, wie das Über-Ich altklug einwirft. Ihre Texte handeln von Liebe und Trennung. Hier wird die Welt nicht neu geordnet, hier geht es um das Naheliegende. Und Toaspern ist jung, wie gesagt. Ihre Musik groovt aufs Heftigste. Sie fließt leicht und locker, mal folkig, mal jazzig, mal mit Anklängen von Latinrhythmen. Toaspern, die offenbar selbst eine feine Gitarristin ist, hat da ein paar wirklich gute Jungs zusammengebracht: Kontrabass, Gitarren, hier und da Flöte, Banjo, Schlagzeug. Schöne Akzente setzt ein Kollege, der gelegentlich die Human Beatbox gibt. Julia singt mit ausdrucksstarker Stimme, wobei sie Brust- und Kopfstimme sehr effektvoll kombiniert. Das ist bei Sängerinnen ja nicht selbstverständlich. Alle ihre Texte sind auf Englisch, warum nicht, wenn man sich das zutraut. Immerhin können dann so schöne Passagen entstehen wie: „…I’ll miss you in May – mayday, mayday …“ (Für die Binnenländler: Mayday = SOS.) Dies ist ein rundum gelungenes Album. Nur eine Anregung fürs nächste: Es gibt auch schöne Themen abseits der holden Zweisamkeit.
Jörg Ermisch

 ANTI VON KLEWITZ ENSEMBLE: „Vom Krausen Leben …“
ANTI VON KLEWITZ ENSEMBLE
„Vom Krausen Leben …“
www.liedervonklewitz.de
(New Morning Records 018)
12 Tracks, 42:88 , mit dt. Texten u. Infos


Gedichte sind Schätze, deren Schönheit neue Kräfte stimulieren. Sie zu vertonen, ist lohnend – aber nicht neu. Die Berliner Sängerin, Vokalistin, Rezitatorin und Violinistin Anti von Klewitz geht einen anderen Weg. Auf ihrem Album „Vom Krausen Leben …“ widmet sie sich deutscher klassischer Lyrik. Dabei bringt sie die Worte der Gedichte nicht in Melodien, sondern spricht sie und illustriert sie mit Musik. Ihr zur Seite steht ein Ensemble aus versierten Jazzmusikern. Mit akustischen Instrumenten wie Violine, Viola, Altsaxofon, Kontrabass bekommt die Musik ein folkloristisches Flair ohne wirklich Folk zu sein. Diese Vertonungen stehen jenseits der Stilgrenzen. Die Stimme von Anti von Klewitz ist sperrig – sie fügt sich nicht den Klängen. Aber gerade so kommen die Texte auch als Gedichte zur Geltung. Ausgewählt hat sie Poesie von Dichtern wie Rilke, Hölderlin, Trakl sowie eigene Texte. Alle handeln über Sehnsucht, Trauer und Zweifel. Es ist viel Melancholie auf diesem Album. Doch zu wissen, dass auch andere gelitten haben, tröstet und spendet Kraft. Das ist das Geheimnis der hier zu hörenden Schönheit.
Udo Hinz



DVD/Filme
 WILLY ASTOR/ MÜNCHENER RUNDFUNKORCHESTER/THE SOUND OF ISLANDS: The Sound of Islands – Symphonic
WILLY ASTOR/ MÜNCHENER RUNDFUNKORCHESTER/THE SOUND OF ISLANDS
The Sound of Islands – Symphonic
www.willyastor.de
(Fame Recordings)


Nach seiner Lehre als Werkzeugmacher schloss er 1985 noch eine als Maschinenbautechniker ab. Seither geht er ganz in Saitenzauber und Wortspiel auf. Dreißig Jahre ist Willy Astor bereits auf den Brettern, die die Welt bedeuten, daheim, macht erfolgreich Rundfunk und Fernsehen und hier und da auch mal einen Werbeclip für ein bayerisches Möbelhaus. Er ist einer der wenigen, die sich nicht in eine Schablone haben zwängen lassen, um eine so genannte Kernkompetenz zu verkaufen. Bei ihm kommt beides vom Herzen, die Gitarre und die Comedy. Heute dankt ihm das sein groß gewordenes Publikum, denn es vergeht kein Abend voller Pointen ohne eines seiner wundervollen Gitarrenstücke und kein Gitarrenabend ohne „Vers-Sagen“ oder „Verb-Brechen“. Die jetzt erschienene DVD ist eine Art Retrospektive seiner Klassiker im klassischen Gewand, ein Galaabend par excellence. Christian Elsässer hat Astors Werke wie „Mexikubanischer Kuckudil-Schmunzler“ oder „Kilimandscharo“ für kleine wie große Besetzung des Münchener Rundfunkorchesters kongenial arrangiert. Neben Astors fabelhaftem Solospiel ist natürlich auch seine Band The Sound of Islands dabei, die nach eigenen Worten an diesem Juniabend im Circus Krone mit dem Rundfunkorchester „Hochzeit“ hielt und beide ihm so einen lang gehegten Traum erfüllten, den nun alle Fans dauerhaft mitträumen können.
Stefan Sell
 BARBARA THALHEIM & BAND: Alt-Tag – Filme zu Liedern
BARBARA THALHEIM & BAND
Alt-Tag – Filme zu Liedern
www.barbara-thalheim.de
(Conträr Musik/Indigo)
13 Tacks, 66:00


Barbara Thalheim, als Liedermacherin eine Ikone der DDR-Singebewegung, stellt sich auf das Altwerden ein. Sie ist jetzt im Rentenalter, und so langsam merkt man die Jahre, und ein gesellschaftlich akutes Thema ist es zudem. Lieder über den „Alt-Tag“ singt sie – als Auseinandersetzung mit dieser Lebensphase. Aber auch nach vielen Jahrzehnten Karriere kann man Neues probieren, und so hat sie statt eines Albums eine DVD produziert, mit Filmen verschiedener Filmemacher zu den Liedern. Es wurden spannende, sehr unterschiedliche Clips, mit sehr eigenen Handschriften. Neben Aufnahmen mit der Band sind Impressionen vom Sommer oder von Berlin zu sehen, ein Trickfilm bebildert die „Frau an der S-Bahn“ und das „Höhlenlied“ begleitet eine Art von DDR-Kindercomic. Dem Filmtitel „Wer möchte nicht im Leben bleiben“ wird ein Defilee von bedeutenden (ost-)deutschen Denkern und Künstlern beigefügt, man darf annehmen, dass Barbara Thalheim diese besonders schätzt. Das Programm ist voller solcher persönlichen Bezüge. Ihr verstorbener Partner Jean Pacalet wird geehrt, Fritz-Jochen Kopka, der langjährige Partner früherer Jahre, ist mit dem „Höhlenlied“ präsent, das er am Anfang ihrer Karriere schrieb, selbst der inzwischen gemiedene Kurt Demmler wird bedacht, und im Bonustrack wird über den künstlerischen Prozess im Studio informiert. So viel Botschaft kommt nicht ganz ohne Klischee aus, aber es ist ein anregendes, anspruchsvolles und sinnliches Programm geworden.
Rainer Katlewski

Europa
 BARRULE: Manannanan’s Cloak  MEC LIR: Not An EP
BARRULE
Manannanan’s Cloak
www.barruletrio.com
(Wardfell Records EOTR04)
10 Tracks, 42:40 , mit engl. Infos u. Texten


MEC LIR
Not An EP
www.meclir.com
(Big Mann Records BMANN001)
7 Tracks, 34:16


Die Folkmusik der kleinen Isle of Man zwischen England und Irland ist lebendig. Stars der lokalen Szene sind die drei Herren von Barrule, die mit ihrem ersten Album auch Deutschland bereisten und nun den Nachfolger vorlegen. Warum ein erfolgreiches Rezept ändern, wenn es eine Verfeinerung auch tut? Und so bleibt es bei der Mischung aus Songs, meist im gälischen Manx, und unglaublich gefühlvollen oder fetzigen Instrumentals. Da bleibt garantiert kein Auge oder Fuß still. Bei diesem ausgeklügelten Sound werden Jamie Smith (Akkordeon), Tomás Callister (Fiddle) und Adam Rhodes (Bouzouki) von einer guten Handvoll Kollegen unterstützt. Live ist das nicht weniger mitreißend. Callister und Rhodes sind auch eine Hälfte von Mec Lir, die sich (fast) ausschließlich auf Instrumentals konzentrieren, nur dass der Sound mit Schlagzeug (Greg Barry) und Keyboard (David Kilgallon) deutlich aufgepeppt wird. Im Prinzip jedoch ist das Debüt eine Bühne für das schier unglaubliche Fiddlespiel des jungen Tomás Callister, auch wenn am Schluss Barry überraschend doch noch einen spröden Song anstimmt. Insgesamt zwei grandiose neue Alben von einer Insel, die nicht nur für die jährlichen Motorradrennen berühmt sein sollte.
Mike Kamp
 FRASER AND IAN BRUCE: The Best of ... Mrs Bruce’s Boys
FRASER AND IAN BRUCE
The Best of ... Mrs Bruce’s Boys
www.ianbruce.org
(Greentrax Recordings CDTRAX385)
16 Tracks, 69:07 , mit engl. Infos


Lange bevor die BBC die erfolgreiche irische Comedyserie Mrs. Brown’s Boys startete, gab es in der ersten Hälfte der Achtziger die erfolgreichen Mrs Bruce’s Boys, die Brüder Fraser und Ian Bruce. Während sich Fraser dann seiner Firma widmete, entwickelte sich Ian Bruce zu einem auch in Deutschland sehr beliebten Künstler. Nach gut dreißig Jahren – Fraser hat die Firma an seine Söhne übergeben – haben sich die Brüder wieder für einige Konzerte und dieses Album zusammengetan. Zu hören sind zehn remasterte Songs aus den drei LPs, fünf Liveaufnahmen von 2015 alter Songs sowie ein funkelnagelneues Lied von Ian Bruce. Das sind meist Klassiker wie „King’s Shilling“, „Farewell To The Gold“ oder „Grey Funnel Line“, das Remastering klingt sauber und das Livepublikum singfreudig. Ian Bruce ist heutzutage gesanglich besser in Schuss als sein Bruder, der eher mit Harmonien als mit Solos überzeugt. Natürlich sind das etwa siebzig Minuten unverhohlene Nostalgie, aber das ist völlig legitim und macht Spaß, solange uns das nicht als die nächste Sensation aus Schottland verkauft wird. Bei dem Realismus der Beteiligten ist das wohl eher unwahrscheinlich.
Mike Kamp

 TONY CHRISTIE & RANAGRI: The Great Irish Songbook
TONY CHRISTIE & RANAGRI
The Great Irish Songbook
www.ranagri.com
(Stockfisch SFR357.4087.2/In-akustik)
12 Tracks, 47:02 , mit engl. Texten u. Infos


Die Idee für ein „Liederbuch“ mit einigen der beliebtesten irischen Folksongs in der englischen Sprache entstand am familiären Küchentisch. Dónal Rigers, Manager, Sänger und Gitarrist der traditionellen Folkband Ranagri stand einst gemeinsam mit dem Sohn des nun 72-jährigen englischen Sängers Tony Christie auf der Bühne. Christie, der in den Siebzigern mehrere Charthits als Popsänger verbuchen konnte, ließ sich nach einigen Whiskeys zu einem Projekt mit Ranagri überreden. Es gelingt ihm, auch dank der gezügelten instrumentalen Begleitung, über weite Strecken einen überzeugend schlichten Ton zu finden, der meilenweit von seiner Popvergangenheit entfernt ist und von sorgsamer musikalischer Sozialisation mit diesem Genre zeugt. Christie heißt eigentlich Fitzgerald und stammt aus einer irischen Familie, die eine Vorliebe für das Folkrepertoire an die Nachkommen weitergereicht hat. Gemeinsam wählten die vier Musiker von Ranagri und Tony Christie die Songs für das Album aus und arrangierten sie zumeist mit traditionellen Instrumenten (Flöte, Harfe, Bodhrán etc.) sowie mithilfe einiger Gäste an Streichinstrumenten, Bass und Keyboard. Unter den Songs sind „Wild Mountain Thyme“, „The Black Velvet Band“ und „The Parting Glass“.
Judith Wiemers
 DIVERSE : 10 Years Eastblok Music
DIVERSE
10 Years Eastblok Music
www.eastblok.de
(Label Eastblok Music)
35 Tracks, CD1: 76:51, CD2: 59:39


Vor zehn Jahren gründeten Armin Siebert und Alexander Kasparov in Deutschlands östlichster Großstadt – Berlin –, das Label Eastblok Music. Die beiden Experten für Musik aus Osteuropa haben für uns zahlreiche Bands entdeckt: Darunter Kistehen aus Budapest, Markscheider Kunst aus Petersburg oder Haydamaky aus der Ukraine. 2005 wurde die erste Kompilation über die Musikszene eines ganzen Landes veröffentlicht: Ukraina – Sounds Of The Orange Revolution. Das Konzept der Kompilationen als akustische Visitenkarten einer Region oder Szene wurde auf Café Sputnik mit russischem Elektropop und Easy-Listening-Musik weiterentwickelt. Aber die Eastblok-Macher schauen nicht auf einzelne Genres, sie suchen ohne Scheuklappen aufregende Musik östlich von Berlin, darunter Folk, Rock, Pop, Elektro, Dub und vieles mehr. Auf einem Doppelalbum kann man sich jetzt einen Überblick verschaffen: Auf CD eins des neuen Eastblok-Samplers gibt es ein Best-of der ersten zehn Jahre, CD zwei bringt neue exklusive Tracks der Künstler, aber auch Nebenprojekte und hörenswerte Remixe. Eine Reise in den Osten und ein Ohrenöffner auch.
Grit Friedrich

 LEVON ESKENIAN & THE GURDJIEFF ENSEMBLE: Komitas
LEVON ESKENIAN & THE GURDJIEFF ENSEMBLE
Komitas
www.gurdjieffensemble.com
(ECM 2451)
18 Tracks, 57:50


Die moderne klassische Musik Armeniens ist untrennbar mit einem Namen verbunden: Komitas. Hierzulande ist seine Musik vielen Hörern seit Jan Garbareks Officium Novum vertraut. Seinen Namen bekam der außergewöhnliche Komponist als Mönch. Geboren wurde er 1869 als Soghomon Gevorki Soghomonian im heute türkischen Kütahya. Er starb mit 71 Jahren in Paris und hinterließ ein reichhaltiges Œuvre. Komitas war nicht nur ein guter Sänger, sondern auch Pädogoge, Poet und Philosoph. Als Musikethnologe sammelte er unzählige Volkslieder und wirkte als Priester und Chorleiter. Ihm gelang der Brückenschlag von den alten Traditionen seines Landes zur Moderne. Was hier zu hören ist, ist ein einzigartiges Experiment der Wandelfähigkeit, bei dem sich das Spiel der Volksmusik in durchkomponierter klassischer Musik wiederfindet, um schließlich zurück in die der Volksmusik so charakteristischen Klänge geführt zu werden, ein alchemistischer Prozess, der eine einzigartige Essenz hervorbringt, die Levon Eskenian und das Gurdjieff Ensemble auf diesem Album einfühlsam und äußert präsent zu vermitteln wissen.
Stefan Sell
 DYLAN FOWLER, IAN MELROSE, SOÏG SIBÉRIL: Celtic Guitar Journeys
DYLAN FOWLER, IAN MELROSE, SOÏG SIBÉRIL
Celtic Guitar Journeys
www.celticguitar.moonfruit.com
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
11 Tracks, 52:20 , mit engl. Infos


All-Star-Bands sind häufig mit Vorsicht zu genießen. Drei erfahrene und als Solisten international anerkannte Musiker machen nicht automatisch ein gutes Trio. Umso schöner, wenn es, wie in der vorliegenden Aufnahme, ganz wunderbar gelingt. Trotz knapp bemessener Probenzeiten fanden hier drei markante Individualisten aufs Leichteste zusammen. Und was es noch wertvoller macht: Sie kreieren einen unverwechselbaren Trioklang. Dylan Fowler aus Wales, der in Berlin lebende Schotte Ian Melrose und der Bretone Soïg Sibéril erkunden im Verbund ihr keltisches Erbe. Neben bretonischen, schottischen und walisischen traditionellen Weisen stehen in erster Linie Fowlers Kompositionen, die den Rahmen fast unmerklich dehnen und erweitern. Seine Reisen rund um den Erdball haben tiefe musikalische Spuren hinterlassen. Im Zentrum stehen die achtzehn Stahlsaiten, aber auch Lapsteel-Gitarre, Percussion und Low Whistles kommen zum Einsatz. Und dass man eigentlich nie recht weiß, wer jetzt gerade was macht, entfaltet eine ganz souveräne gelassene Stimmung. Kein Gipfeltreffen der Superegos, sondern ganz schlicht zauberhafte Musik. Mit „Albatross“, der abschließenden Hommage an Peter Green, endet eine (Celtic) Guitar Journey, die hoffentlich in naher Zukunft fortgesetzt wird.
Rolf Beydemüller

 GARIZIM: See The Birds Are Coming
GARIZIM
See The Birds Are Coming
www.garizim.se
(Gammalthea SEWJN28)
8 Tracks, 41:16


„Progressive Musik aus Skandinavien“ nennen die drei Musiker ihre Mischung aus komponierter und improvisierter Musik, mit Elementen aus Folklore, Klassik- und Jazz. Seit ihrem Debütalbum Fri (das als „Newcomer des Jahres 2012“ bei den schwedischen Folk/World-Music-Awards ausgezeichnet wurde) genießt das Trio nicht nur in Schweden einen Ruf als mitreißende Liveband. Es zeigt sich auf ihrem neuen Werk einmal mehr, dass die Kombination von virtuos gespielter Altdrehleier (Johannes Geworkian Hellman) und Saxofonen (Elias Frigård) eine wunderbar harmonierende Klangeinheit bilden kann, die hier von dem ausdrucksstarken Kontrabassisten Jordi Carrasco Helm mit einem kongenial einfühlsamen Fundament unterlegt wird. Zwei Kompositionen bereichert Natalie Migdal an der Violine. See The Birds Are Coming ist ein Konzeptalbum, eine musikalische Dichtung über den Vogelflug, die mit überraschenden Klangbildern und -texturen von emotionaler Dichte in überraschenden Arrangements aufwartet. Vor dem geistigen Auge des Hörers entstehen Bilder skandinavischer Landschaften, von Meer, Wolken und heimkehrenden Zugvögeln. Von filigran-quirligen, an Vogelrufe erinnernden Klangclustern („Song For Valentin“) bis zum pathetischen Breitwandsound („Home Again“) entfaltet sich aus Eigenkompositionen und verarbeiteter Tradition („Umoja“, „Polska“) eine Musik von magischer Faszination und großer Schönheit, die man am besten unter Kopfhörern genießt.
Ulrich Joosten
 TOMISLAV GOLUBAN & NEBOJSA BUHIN: For A Friend And Brother
TOMISLAV GOLUBAN & NEBOJSA BUHIN
For A Friend And Brother
www.goluban.com
(Spona 189)
12 Tracks, 40:57


Die beiden kroatischen Musiker und Komponisten benötigen nur eine Mundharmonika und eine Gitarre, um Filmmusik zu erschaffen. Ihr Bluesalbum ist rein instrumental aufgenommen und braucht sich nicht hinter vielen anderen ähnlichen Produktionen zu verstecken. Zwei Könner sind hier am Werk und haben mit beachtlichen neunzehn Gastmusikern eine wunderbar abwechslungsreiche, aber nicht überladene Produktion vorgelegt. Auf diese Musik sollten sich viele Hörer einlassen. Ein Lehrstück an akustischer und elektrischer Bluesmusik. Selbst die Bluesballaden überzeugen.
Annie Sziegoleit

 ETHAN JOHNS WITH THE BLACK EYED DOGS: Silver Liner
ETHAN JOHNS WITH THE BLACK EYED DOGS
Silver Liner
www.ethanjohns.com
(Three Crows Records/Caroline)
Promo-CD, 9 Tracks, 44:32


Eine still-dunkle Tönung liegt über diesem Album, es empfängt uns warm und vertraut, klingt nach früher und trägt doch die eigene Handschrift von Ethan Johns. Der hat in der Vergangenheit vor allem als Produzent von sich hören lassen, für Künstler wie Ryan Adams und Paul McCartney. Da tritt Johns in die Spuren seines Vaters Glyn, der unter anderem für The Who und Led Zeppelin an den Reglern saß. Aber der Sohn wagt sich auch als Songschreiber und Musiker an die Öffentlichkeit, stand beispielsweise mit Crosby, Stills & Nash auf der Bühne. Genug des Namenfallenlassens. Obwohl: Zu seiner erstklassigen Band gesellen sich Gillian Welch und Ex-Eagle Bernie Leadon, die gute Figuren im Backgroundgesang geben. Was Johns mit ihnen zusammen macht, wurzelt in den Siebzigern. Neil Young drängt sich beim Hören auf, Tom Petty, jedenfalls Amerikanisches. An keiner Stelle denkt man, es mit einem Engländer zu tun zu haben – Ethan Johns hat offenbar alles verinnerlicht. Ob Countrywalzer, schleppender Rocker, Lässiges mit Mandoline und Fiddle oder eine Pianoballade mit Streichern, wie sie von Randy Newman kommen könnte – Johns enttäuscht mit keinem Stück seines dritten Albums. Möge es viele Freunde finden.
Volker Dick
 KAREN MATHESON: Urram – Respect
KAREN MATHESON
Urram – Respect
www.karenmatheson.com
(Vertical Records VERTCD102/DA Music)
13 Tracks, 55:02 , mit engl. Infos


An und über diese Stimme wurden schon diverse Oden verfasst, selbstverständlich völlig zu Recht. Karen Matheson, im Hauptberuf Sängerin der schottischen Band Capercaillie, hat eine dieser sehr natürlichen Stimmen, die ohne jeglichen Firlefanz faszinieren, die einfach und direkt mit dem Hörer kommunizieren. Und das ist auch gut so, denn Karen Matheson singt auf ihrem vierten Soloalbum ausnahmslos gälische Lieder, in einer Sprache also, die so gut wie allen von uns unverständlich ist. Aber wen stört das, bei diesem Gesang und dieser exquisiten Musik. Mit dem Gatten Donald Shaw im Produzentenstuhl sind erstaunlicherweise nicht etwa Mandoline (Innes White) oder Bouzouki und Fiddle (Matheu Watson) die Hauptinstrumente, sondern neben den kammermusikalischen Tönen von Mr. McFall’s Chamber die afrikanische Kora (Seckou Keita) und die indische Sarod (Soumik Datta). Das klingt, als hätten diese Instrumente ihre echte Heimat auf den Äußeren Hebriden. Ob Waulking Songs oder Lullabies, ob die Themen leicht jazzig umspielt werden, ob Jig oder Strathspey, das Ganze ist eine ungemein organische Einheit. Und über allem Karen Mathesons Stimme – wahrhaft paradiesische Klänge!
Mike Kamp

 OFFICINA ZOÈ: Mamma Sirena
OFFICINA ZOÈ
Mamma Sirena
www.officinazoe.com
(AnimaMundi AM31)
10 Tracks, 72:38 , mit Texten u. ital. Infos


Salento, der Stiefelabsatz Italiens, wird vom Meer umrahmt. Im traditionellen Liedgut der Region wird jedoch fast ausschließlich das Leben auf dem Land besungen. Terra hieß denn auch das Debütalbum der Gruppe. Mamma Sirena, ihr achtes Werk, besingt das Meer, die Seejungfrauen, Seefahrer, Fischer und Fantasten aus einem weiblichen Blickwinkel. Es nimmt Bezug auf die Schlangen- und Vogelgöttinnen, die in der minoischen Mythologie die Erde erschufen. Die zehn Stücke sind mit Ausnahme von „Mare D’Otrantu Mia“ und zwei Eigenkompositionen von Cinzia Marzo allesamt traditionellen Ursprungs. Die Sängerin und Bandleaderin hat die Texte meist überarbeitet und dem Projekt angepasst. Das Beiheft enthält zudem Textfragmente des Romans Canto delle Sirene von Maria Corti, die den mystischen Gesamtausdruck des Albums verstärken. Dazu passen auch die meist langen, epischen Balladen und hypnotischen Pizziche, deren sanfte Rhythmen oft in rasende, schrille Crescendi münden. Neben dem ausdrucksstarken Gesang glänzen die fünf Mitmusiker an unzähligen Saiteninstrumenten, Akkordeon, Violine und Trommeln. Magische Klänge einer der stärksten Formationen der aktuellen Pizzica-Szene.
Martin Steiner
 RIM : Rim
RIM
Rim
www.rimfolk.se
(Eigenverlag)
14 Tracks, 54:43 , mit engl. Info


Im Mai 2015 schlossen die vier schwedisch/norwegischen Musikerinnen und Musiker ihr zweijähriges Studium im Nordic Master Program in Folk Music ab. Auf Grund ihrer unterschiedlichen Herkunft, aus Jämtland (Elin Jonsson, Fiddle), Västerbotten (Sunniva Abelli, Nyckelharpa), Helgeland (Hilde Fjerdingøy, Akkordeon) und Trøndelag (Jo Einar Jansen, Hardangerfiedel) brachten sie eigene musikalische Traditionen mit, über die sie sich während ihrer Ausbildung austauschten und die sie am Ende zusammenführten. Das Ergebnis ist ihr von der finnischen Akkordeonistin Maria Kalaniemi produziertes Debütalbum. Sie präsentierten es im Juli 2015 beim Korrö-Folkmusikfestival im Rahmen eines Konzertes. Es sind zur Hälfte eigene Stücke, die anderen sind traditionell beziehungsweise von zeitgenössischen Komponisten. Die Besonderheit der Stücke ergibt sich aber aus den Arrangements. Das geht von traditionell gespielten sehr harmonischen Stücken wie „Hulderslåtten“ und „Vintern Kommer“ über Stücke mit Texteinsprache wie „Mærraviso“ bis zu Stücken, die mehr rhythmisch als melodiös sind, wie „Mars“ und „Femton Gastar“. Am Schluss steht ein Tangoset, bei dem etwas Ironie durchklingt, die sich bei einem Liveauftritt natürlich eher offenbart.
Bernd Künzer

 JACQUES STOTZEM: To Rory – Acoustic Tribute To Rory Gallagher
JACQUES STOTZEM
To Rory – Acoustic Tribute To Rory Gallagher
www.stotzem.com
(Acoustic Music Records 319.1540.2/ Rough Trade)
9 Tracks, 41:13


Jacques Stotzem erkennt in Rory Gallagher den Status eines Klassikers, sieht Gallagher als Komponisten, der als legendärer Gitarrist großartige Gitarrenstücke geschrieben hat, und interpretiert sie neu. Unvergesslich bleibt ihm der 6. Oktober 1977, der Tag, an dem er Gallagher in Lüttich live erlebte und von dessen Spielenergie und unglaublicher Präsenz gepackt bis heute er sein Spiel wie seine eigenen Kompositionsweise beeinflussen ließ. Insofern ist dieses Album längst überfällig, jedoch in seiner Reife und Ausgewogenheit in perfektem Timing zum zwanzigsten Todestag des irischen Bluesrockgitarristen erschienen. Für viele Jüngere eine wunderbare Gelegenheit, über Stotzem auch das Original zu entdecken. Und weil hier im Gegensatz zu Gallagher die Songs nicht gesungen werden, zeigt sich Stotzems Feinsinn für Melodie, die er in seinen Instrumentalfassungen so trefflich hervorhebt. Überall hörbar ist die Spielfreude und der Geist des großen Meisters, sodass beiden, Gallagher wie Stotzem, genügend Raum bleiben, um sich frei zu entfalten.
Stefan Sell
 WÖR: Back To The 1780’s
WÖR
Back To The 1780’s
www.wearewor.com
(Appel)
13 Tracks, 47:06 , Booklet mit Angaben zur Herkunft der Stücke


Die fünfköpfige belgische Band Wör hat ein originelles Konzeptalbum vorgelegt. Der Titel Back To The 1780’s deutet an, dass sie ausschließlich Material aufgenommen haben, das zwischen 1743 und 1781 in Flandern entstand. Bedient haben sie sich zum Beispiel aus dem Notenbuch des Antwerpener Carillonspielers Joannes de Gruijtters sowie aus fünf weiteren Quellen aus dieser Zeit. Die Band aus Gent hat die Melodien neu arrangiert und mit Geige, Dudelsack, Saxofon, Akkordeon und Gitarre eingespielt. Das Album klingt also nicht nach Alter Musik, sondern nach einer zeitgenössischen belgischen Folkband, nicht zuletzt wegen des Saxofons, das an die Gruppe Fluxus erinnert. Auch die Melodien wirken nicht angestaubt, sondern könnten durchaus in diesem Jahrzehnt entstanden sein. Echte Ohrwürmer sind aber nicht dabei. Und verglichen mit anderen belgischen Bands ist der Sound von Wör ein bisschen brav.
Christian Rath

Kurzrezensionen
 ALMORAIMA: Café Cantante
ALMORAIMA
Café Cantante
suonidalmondo.com
(Anima Mundi AM34)
10 Tracks, 43:18


Almoraima taufte Paco de Lucía eine seiner frühen Platten. Almoraima nennt sich auch der Gitarrist und Komponist der gleichnamigen Flamencoband aus Salento. Auf Café Cantante flicht sie kubanische Anklänge und Rhythmen in ihren oft jazzigen Flamenco. Alessia Tondos Gesang tönt nach Kuba, Almoraimas Gitarre ist stark im Flamenco Nuevo verwurzelt.

 SABA ANGLANA: Ye Katama Hod – The Belly Of The City
SABA ANGLANA
Ye Katama Hod – The Belly Of The City
sabaanglana.com
(Felmay fy 8229)
9 Tracks, 37:04


In Italien, der Heimat ihres Vaters (der als Offizier ihre somalische Mutter kennenlernte), avancierte die 1970 in Mogadischu geborene Sängerin und (TV-)Aktrice inzwischen zu einem Medienstar. Auf ihrem zweiten Album interpretiert sie mit ihrer grandiosen Stimme und einer bestens harmonierenden Backingband (in Amharisch und Somali) ihre anmutigen Songs.


 ARBEITSGRUPPE ZUKUNFT: Viel Schönes dabei
ARBEITSGRUPPE ZUKUNFT
Viel Schönes dabei
arbeitsgruppe-zukunft.de
(Voland & Quist/Broken Silence #14026)
16 Tracks, 73:07


Autor, Kabarettist und Kleinkünstler Marc-Uwe Kling – Känguru-Chroniken – hat natürlich auch einen Liedermacherableger, die Arbeitsgruppe Zukunft. Ihr Behuf ist Rumgehacke zu Rockmusikbegleitung auf allem und jedem, was in der Welt besser laufen könnte, also auf fast allem, gern auch obszön. Eher schlichter Humor ist dafür wie gemacht.

 AVE: Benjamin
AVE
Benjamin
tutlrecords.com
(Tutl Records, HJF 372)
Promo-CD, 12 Tracks, 32:40


Ave sind zwei Brüder von den Färöern, Benjamin war der zwölfte Bruder, aber wo der Zusammenhang ist, wenn überhaupt, ist nicht klar. Gefällige Singer/Songwriter-Musik von den musikalisch gerade wieder ungeheuer aktiven Inseln im Nordatlantik.


 BARTH/ROEMER: Menschen Leben
BARTH/ROEMER
Menschen Leben
gesangundgitarre.de
(Hey! Blau Records)
14 Tracks, 58:42


Kluge eigene Lieder, Persönliches und Zeitbezogenes, jazziger Sound, röhrige Stimme der Texterin, Komponistin und Sängerin Astrid Barth, eingängiges Gitarrenpicking und Arrangements von Philipp Roemer sind eine außergewöhnliche und eindrucksvolle Kombination. Im Studio vor Publikum eingespielt, überzeugt das Kölner Duo.

 GEOFF BERNER: We Are Going To Bremen To Be Musicians
GEOFF BERNER
We Are Going To Bremen To Be Musicians
geoffberner.com
(Oriente RIEN CD 89)
Promo-CD, 11 tracks, 53:56


Berners achtes Album, mit größtenteils selbst komponierten Liedern und eigenen Texten, unterstützt von Wayne Admas (perc), Josh Dolgin (piano), Keith Rose (b) und Michael Winograd (cl), bringt selbst die vier Bremer Stadtmusikanten zum Staunen: ein schlicht brillantes Album des aus Kanada emigrierten jüdischen Wanderers.


 BLACKBIRD AND SPENSER: Home In the Sky
BLACKBIRD AND SPENSER
Home In the Sky
blackbirdandspenser.de
(Skycap Records)
13 Tracks, 50:24


Berlin und Hamburg kommen zusammen, Tasten und Saiten: Miriam Erttmann und Hannes Klock bilden dieses Duo, das zwei gute Stimmen zu bieten hat, instrumentales Können und hübsche Songs in altem Folkspirit. Als schönes Beispiel dafür kann der Titeltrack des Debütalbums dienen. So verträumt und ruhig lässt es sich gut ins neue Jahr gehen.

 SEBASTIAN BLOCK: Der Mond ist Schuld
SEBASTIAN BLOCK
Der Mond ist Schuld
sebastianblock.net
(Januar/Broken Silence 14112)
10 Tracks, 37:11


Bisherige Erfolge, derer er sich brüstet – Album des Monats bei bild.de und prosieben.de – machen völlig unnötige Angst. Ein munteres, sanft rockiges, angenehm modern produziertes Singer/Songwriter-Album hat der gebürtige Brandenburger mit diesem Zweitling eingespielt: melancholisch grundiert, nachdenklich, freundlich – und wirklich geschmackvoll.


 CLAUS BOESSER-FERRARI & ADAX DÖRSAM: Land des Lächelns
CLAUS BOESSER-FERRARI & ADAX DÖRSAM
Land des Lächelns
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
13 Tracks, 44:00


Wenn Arien sich in Musik für ein Instrument verwandeln, werden sie zu „variations brillantes“. Dass die Operette Land des Lächelns von Franz Lehár jetzt im Genremix vertrauter wie ungewohnter Gitarrenklänge zu hören ist, verdanken wir den Spitzengitarristen Boesser-Ferrari und Dörsam, die dieses außergewöhnliche Wagnis mit absoluter Bravour meistern.

 KRISTOFFER BOLANDER: I Forgive Nothing
KRISTOFFER BOLANDER
I Forgive Nothing
tapeterecords.de
(Tapete TR325/tapeterecords.com,)
Promo-CD, 11 Tracks, 41:46


Handelt es sich bei diesem Album um unveröffentlichte Schätze aus der Feder von Neil Young zu seiner besten Zeit? Nein, es handelt sich um das erste Soloalbum des schwedischen Folkrockers Kristoffer Bolander, bei uns bekannt als Kopf der Band Holmes. Sein Album ist so fürchterlich altmodisch und zugleich genial, dass es zum Pflichtkauf für die Woodstock-Gemeinde wird. Das Album kommt auch auf Vinyl auf den Markt, konsequent und lobenswert.


 ZERVAS & PEPPER: Abstract Heart
ZERVAS & PEPPER
Abstract Heart
zervasandpepper.com
(India Media/Rough Trade)
42:35, 11 Tracks


David Crosby mag die Dame und den Herrn aus Wales sehr. Kein Wunder, musizieren die beiden (plus Freunde) doch wie Wiedergänger aus dem Kalifornien der Siebzigerjahre. Die Harmonien, das Feeling, die Hippieattitüde, einfach alles originalgetreu. Und das klingt auch noch nett, nicht nur für alte Säcke.

 ANDREA ZONN: Rise
ANDREA ZONN
Rise
andreazonn.com
(Compass Records 7-4656-2)
Promo-CD, 10 Tracks, 38:42


Die Geigerin Andrea Zonn hat bereits mit James Taylor und Carole King gespielt, was recht genau den Klang ihres dritten Albums unter eigenem Namen beschreibt. Die charmante Sängerin weiß, alle Register zu ziehen, die Produktion des Albums ist sauber und akkurat, und Mitmusiker wie der Dobrospieler Jerry Douglas verleihen dem Album einen feinen, sinnlichen Klang.


 ZUGLUFT: Brotrock
ZUGLUFT
Brotrock
narrenschiff-label.ch
(Narrenschiff NAR2015116)
12 Tracks, 53:42


„Transeuropäische Experimentalvolksmusik“ benennt das Schweizer Trio um Andrea Kirchhofer (v), Jonas Guggenheim (acc) und Bruno Strüby (kl, bass-kl) sein aktuelles Album. Besser kann man die atmosphärischen Klänge, die manchmal nach Balkan und hohem Norden tönen, kaum beschreiben. Ein Hörerlebnis.

 ZWECKINGER: A guada Dog von Treuen Fans Empfohlen
ZWECKINGER
A guada Dog von Treuen Fans Empfohlen
bscmusic.com
zweckinger.de
(BSC Music/Focus)
CD: 20 Tracks, 71:36, DVD: 18 Tracks, 92:09


Münchner Folkrock in dort heimischer Mundart, sofern vom rheinischen Rezensenten verstanden mit Texten aus turbulenten Alltagen, voller Witz und Doppelsinn und von mal treibendem, mal gemütlichem Bandsound vorwärtsgetrieben und umspielt. Live eingespielt in der Kulturetage Riem, CD- und DVD-Inhalt nicht ganz identisch, leider nichts zum Mitlesen dabei. 


 TORLEIV BOLSTAD: Tølleiv
TORLEIV BOLSTAD
Tølleiv
(National Library of Norway)
29 Tracks, 64:21


Torleiv Bolstadt (1915-1979) aus Valdres war einer der bekanntesten Hardangerfiedelspieler seiner Zeit. Er gewann vier Mal beim Landskappleiken. Bolstad hat nur ein kommerzielles Album, Feletona …, veröffentlicht. Umso wichtiger ist die Herausgabe dieser CD mit 29 Stücken, die in den Jahren 1973/74 im Chateau Neuf in Oslo eingespielt wurden.

 BLANDINE BONJOUR/BERND KÖHLER: Paris S’Éveille – Paris Erwacht
BLANDINE BONJOUR/BERND KÖHLER
Paris S’Éveille – Paris Erwacht
ewo2.de
(Jump Up Productions JUP-00033/Plattenbau)
15 Tracks, 53:42


In diesem Jahr kehrt Blandine Bonjour in ihre französische Heimat zurück und beendet damit nach acht Jahren auch die enge Duoarbeit mit Bernd Köhler. Zum Abschied spielten beide mit Adax Dörsam live diese Hommage an die Stadt der Französischen Revolution und der Commune ein – ihr drittes Album: gelassen lebhaft und ausgesprochen stimmungsvoll.


 NICOLAS BOULERICE: Maison De Bois
NICOLAS BOULERICE
Maison De Bois
nicolasboulerice.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 41:44


Der Hauptsänger, Drehleierspieler und Pianist der kanadischen Gruppe Le Vent du Nord legt auf Solopfaden eine völlig andere Musikfarbe vor: zwölf einfühlsame, französischsprachige Lieder aus eigener Feder. Keine Drehleier, aber gewohnt kompetent gespieltes Piano, dazu Drums und Percussion, Kontrabass, und eine (tolle) zweite Gesangsstimme (Mia Lacroix). Modern arrangiertes Chanson Français im Spannungsfeld zwischen Pop und Jazz.

 ALISON BROWN: The Song Of The Banjo
ALISON BROWN
The Song Of The Banjo
alisonbrown.com
(Compass Records 7 4658 2)
12 Tracks, 56:58


Sie ist eine großartige Banjospielerin, sie hat erstklassige Gastmusiker an Bord wie die Indigo Girls, Steve Gadd am Schlagzeug, Ukulelevirtuose Jake Shimabukuro, dazu handelt es sich um ihr erstes Album seit 2009. Und dann das: aalglatt produzierte Songs, sterile Langeweile, plätschernde Virtuosität. Nix für Banjofans, nix für Bluegrasser.


 THE JOHN BYRNE BAND: The Immigrant And The Orphan
THE JOHN BYRNE BAND
The Immigrant And The Orphan
johnbyrneband.com
(Rí-Rá Records/ John Byrne Band JBB082015)
12 Tracks, 52:12


Die Songs des dritten Albums der in Philadelphia ansässigen Band rund um John Byrne erzählen persönliche Episoden, beginnend mit der Krankheit seines Vaters („Sing On Johnny“). Musikalisch ist das Album wie seine Vorgänger in Americana/Folk zu verorten. Aufgewertet wird das Bandinstrumentarium durch Banjo, Trompete, Flügelhorn und ein Streichquartett.

 THE CASEY SISTERS: Sibling Revelry
THE CASEY SISTERS
Sibling Revelry
oldbridgemusic.com
thecaseysisters.com
(Old Bridge Music, OBMCD22)
19 Tracks; 53:57


Harfenistin Máire Ní Cathasaigh und ihre Fiddle-spielenden Schwestern Nollaig und Mairéad sind seit vielen Jahren Ikonen der irischen Musik. Dies ist ihre erste gemeinsame Aufnahme, auf der in beschaulicher, intimer Atmosphäre ein typisches traditionelles Repertoire, ergänzt durch einige Songs, alte Slow Airs und „Listening Pieces“ geboten wird.


 EVA CASSIDY: Nightbird
EVA CASSIDY
Nightbird
Rough Trade
(Blix Street Records)
evacassidy.org , Promo-CD, 33 Tracks, CD 1: 68:29, CD 2: 71:47


Ein knappes Jahr vor ihrem Tod gab die Sängerin in ihrer Heimatstadt Washington, D. C., 1996 ein Konzert, welches nun erstmals in voller Länge vorliegt. 31 Klassiker von der Frau, die tief in Stücke wie „Somewhere Over The Rainbow“, „Time After Time“ oder „Fields Of Gold“ eintauchen und diesen einen hoch emotionalen, eigenen Ausdruck verleihen konnte.

 CELTIC WOMAN: Destiny
CELTIC WOMAN
Destiny
celticwoman.com
(Deutsche Grammophon/Universal)
Promo-CD, 19 Tracks, 1:13:45


Zum zehnjährigen Jubiläum bedient die Frauencombo wie gewohnt die schönsten keltischen Sehnsuchtsträume des vornehmlich deutschen Publikums. Zu den feenhaften Kleidern des Covers mischen sich unglücklich arrangierte irische Folksongs mit Männerchören und akustischem Weichzeichner, und als Beigabe gibt es ein kitschtriefendes „O Tannenbaum“.


 STEVE „BIG MAN“ CLAYTON: Best Of 1999-2007
STEVE „BIG MAN“ CLAYTON
Best Of 1999-2007
steve-bigman-clayton.com
(Stormy Monday Records MO81415)
16 Tracks, 63:11


Aus den Solo- und Bandaufnahmen von vier veröffentlichten Scheiben stellt der 53-jährige Pianist, Sänger und Komponist sein eigenes Best-of-Programm zusammen: Barrelhouse Blues und Boogie Woogie Piano.

 LES COPELAND: To Be In Your Company
LES COPELAND
To Be In Your Company
lescopeland.com
(Earwig Music Company CD4970/CPI Distribution)
Promo-CD, 18 Tracks, 59:27


Gewidmet hat Les Copeland dieses Album seinem langjährigen Mentor und Weggefährten Honeyboy Edwards. In dessen Tradition des singenden Bluesgitarristen ist dann auch ein wunderbar minimalistisches Delta-Blues-Album gelungen. Gesang, Gitarre und ab und an etwas Backgroundgesang zweier Vokalistinnen – mehr braucht es dazu wirklich nicht.


 CORDASICULA: Aria Ca Spira
CORDASICULA
Aria Ca Spira
cordasicula.tumblr.com
(Off Records OFF 1094)
16 Tracks, 59:33


Ein Dorfplatz in Sizilien. Platanen. In ihrem Schatten singt Marilena Fede mit warmer Stimme, in der Hand die Rahmentrommel, daneben sitzt ihr Partner Saro Tribastone. Er begleitet sie mal auf der Tzouras (sechssaitige griechische Laute), mal auf der Mandoline oder der Gitarre. Beim Kauf der CD ist die Sizilienreise leider nicht inbegriffen.

 TOM DAUN: Españoleta
TOM DAUN
Españoleta
tomdaun.de
(Edition Harfenklang)
22 Tracks, 68:36


Spanische und lateinamerikanische Harfenmusik vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart ist das Thema dieser ganz außergewöhnlichen Sammlung von Tänzen und Melodien. Tom Daun präsentiert seine Liebeserklärung an die Musik „der spanischen Welt“ auf drei verschiedenen Harfenmodellen. Eine faszinierende Zeitreise, die Renaissance und Gegenwart spielerisch miteinander verbindet.


 RYAN DAVIDSON: A Wick Burning High
RYAN DAVIDSON
A Wick Burning High
ryandavidsonmusic.com

Promo-CD, 11 Tracks, 47:52


Der Docht, der hoch brennt, entlässt eine Menge Rauch in den Raum. So ungefähr lässt sich die Message, nein, die Wut von Ryan Davidson verstehen, der kein großer Sänger ist, aber ein eindrucksvoller Interpret seiner eigenen Songs, die er mit seiner kleinen schlagzeuglosen Band eingespielt hat. Für einen US-Amerikaner klingt dieses Album erstaunlich stark nach britischem Folk der frühen Sechzigerjahre.

 DIVERSE: Heimatlieder aus Deutschland Berlin/Augsburg Vol. 2
DIVERSE
Heimatlieder aus Deutschland Berlin/Augsburg Vol. 2
(Run United/Galileo MC)
Promo, 16 Tracks, 48:05


Wie bunt, vielfältig, ja, wie bereichernd, befruchtend und belebend die Lieder der Menschen sind, die in den 50er-, 60er-, 70er-Jahren als sogenannte „Gastarbeiter“ angeworben nach Deutschland kamen, das zeigt dieses einmalige von Berlin aus geförderte Projekt, das in den letzten Jahren in zahlreichen Konzerten eine unglaublich positive Resonanz auslöste. Unbedingt hörenswert! Das Fremde ist ganz nah und vertraut.


 DIVERSE: Hidden Treasures – Singer Songwriters From Home
DIVERSE
Hidden Treasures – Singer Songwriters From Home
westcoast.dk/singer-songwriter-from-home
(Hemifran Records)
Promo CD, 18 Tracks, 72:35


Bob Cheevers, Keith Miles, Barry Ollman oder Greg Copeland sind hierzulande keine Namen von Bedeutung, und wohl auch nicht einmal im heimatlichen Kanada. Nur stehen die vier schon seit einigen Dekaden auf der Bühne und haben dabei Musik von einiger Qualität herausgebracht. Einiges davon ist auf diesem Sampler versammelt, mal besinnlich, mal kraftvoll, und immer mit Leidenschaft.

 DIVERSE: Stormy Mondays Records – Artist Collection No. 8
DIVERSE
Stormy Mondays Records – Artist Collection No. 8
stomorec.de

16 Tracks, 69:24


Das Label präsentiert mit dreizehn verschiedenen Blues- und Boogie-Interpreten seine Bandbreite vom akustischen bis zum elektrischen Blues. Mit dabei unter anderem die Hamburger Crazy Hambones, Mick Pini, Nico Brina und Steve „Big Man“ Clayton, dazu Überraschendes wie Klaus Marquardt an der Violine.


 DIVERSE: Zählnomol – Zwiefache aus Südwest
DIVERSE
Zählnomol – Zwiefache aus Südwest
tanz-koegler.com
(Verlag Reinhold Frank)
20 Tracks, 52:08


Traditionelle und neue Zwiefache nicht aus Bayern, sondern aus Baden-Württemberg vom Schwarzwald bis zum Ries, gespielt von der Badischen Bråtwurschtmusig, DanzmäG, Danzvogel, Auf und Ab und der Familienmusik Ehrlich-Knöll auf allerlei Instrumentarium. Mal schräg und schrullig, mal deftig und gemütlich, zum Tanzen und Zuhören gleichermaßen zu empfehlen.

 GÜNTHER M. DOLIVA: Theodor Kramer – CD 1: Leben in Liedern, CD 2: Gach ins Getös der Zeiten
GÜNTHER M. DOLIVA
Theodor Kramer – CD 1: Leben in Liedern, CD 2: Gach ins Getös der Zeiten
doliwa-online.de
(Eigenverlag)
CD 1: 19 Tracks, 54:47, CD 2: 25 Tracks, 73:35


Der jüdisch-österreichische Dichter Theodor Kramer (1897-1958) ist völlig zu Unrecht wenig bekannt, seine lebensnahe Lyrik wird kaum beachtet. Am intensivsten beschäftigten sich mit den Texten immer wieder Liedermacher, die ihn vertonen, wie der Franke Günther M. Doliwa. Ein geballter Doppelpack zum Kennen- und Schätzenlernen.


 DORANTES & RENAUD GARCIA-FONS: Paseo A Dos
DORANTES & RENAUD GARCIA-FONS
Paseo A Dos
dorantes.es
renaudgarciafons.com
(E-Motive Records EMO 151/L’Autre Distribution/Galileo MC)
9 Tracks, 58:04


Übervirtuose Garcia-Fons am Kontrabass und Pianist Dorantes präsentieren eine sehr jazzorientierte Spielart des Flamenco. Obgleich klanglich vom traditionellen Klangkörper weit entfernt, ist es doch erstaunlich, wie nah das Duo dem „Geist“ des Flamenco verbunden bleibt. Packend, kraftvoll und hoch inspirierend.

 DRESEN, PRAHL UND BAND: Leinen Los
DRESEN, PRAHL UND BAND
Leinen Los
buschfunk.com
(Buschfunk 04452)
18 Tracks, 74:14, CD, plus Bonus-DVD


Regisseur Andreas Dresen, Tatort-Kommissar Axel Prahl und ihre Band im Konzert in der Berliner Kulturbrauerei anlässlich des sechzigsten Geburtstags von Gerhard Gundermann. Mit namhaften Gästen wie Wenzel, Judith Holofernes, Gisbert zu Knyphausen, Jürgen Ehle und Tobias Morgenstern, auch mit eigenen Stücken, sowie einem achtzigminütigen Videomitschnitt.


 EMILIE DULIEUX: La Noce Du Papillon
EMILIE DULIEUX
La Noce Du Papillon
fr-fr.facebook.com/emilie.dulieux
(AEPEM, aepem)
13 Tracks, 30:24


Die junge Dudelsackinterpretin Emilie Dulieux spielt auf ihrem ersten Album fast nur traditionelle Stücke aus den zentralfranzösischen Gegenden Auvergne, Berry, Limousin und Nivernais. Oft ist sie solo zu hören, auch ansonsten bleibt die Instrumentierung karg und der Klang spröde.

 ECHO BLOOM: Blue, Songs & Whispers
ECHO BLOOM
Blue, Songs & Whispers
echobloom.com
(Broken Silence)
9 Tracks, 39:56


Blue … ist das folkorientierte Album, in einer Trilogie, deren Material aus Kyle Evans’ Zeit in Berlin stammt. Das Werk besteht überwiegend aus akustischen Balladen mit mehrstimmigem Gesang, gepickten Gitarren, Banjo, Streichern und Klavier in wild romantischen Arrangements. Nur Evans’ Stimme kippt hin und wieder ins Manierierte.


 NIKOLAJ EFENDI: The Red Wine Conspiracy
NIKOLAJ EFENDI
The Red Wine Conspiracy
nikolajefendi.com
(Dramatic Pause)
10 Tracks, 36:38


Nikolaj Efendi singt mit soghafter Stimme und glaubwürdig über brotlose Künstler, Liebe und Partisanen. Der Kärntner Slowene lebt in Wien und beschreibt meist auf Englisch die dunklen Seiten des Lebens. Das hat Charme und Tiefgang, dabei klingt kein Song wie der andere, dank toller Musiker, die Jazz, Punk, Swing und Chanson eindrucksvoll verbinden.

 EIVØR: Slør
EIVØR
Slør
eivor.com
(Tutl Records, SHD 165)
19 Tracks, 39:57


Die „Stimme der Färöer“ nach einem wenig überzeugenden Abstecher ins Englische wieder auf Färöisch. „Schleier“ heißt das Werk, und vieles ist wirklich sanft und rätselhaft. Aber Eivør hat auch mit allerlei Metalbands aus ihrer Heimat gearbeitet, das bringt Härte und Rhythmus ins Klangbild.


 KIM ERICKSON: The Raven’s Wing
KIM ERICKSON
The Raven’s Wing
kimerickson.ca
(Route 61 Music RT 612015002)
Promo-CD, 10 Tracks, 44:14


Die kanadische Mezzosopranistin Kim Erickson ist schon eine Weile mit verschiedenen Ensembles unterwegs – unter anderem auch mit sinfonischen Werken. Das hört man der Orchestrierung ihrer Songs an, die in erster Linie Balladen sind. Das Getragene, Melancholische liegt ihrer Stimme gut, und das Grand Piano, mit dem sie sich begleitet, unterstreicht diese Atmosphäre.

 FEDERAL LIGHTS: Coeur De Lion
FEDERAL LIGHTS
Coeur De Lion
facebook.com/federallights
(Aporia/Broken Silence)
12 Tracks, 42:00


Federal Lights sind eigentlich für Musik bekannt, die an Herzschmerz und Liebeskummer erinnert. Mit dem Album Coeur De Lion werden jetzt alle Realitäten des Alltags angesprochen. Klanglich passiert das mit einer Mischung zwischen Folk und Pop – und mit jeder Menge Gefühl. Vor allem das Motiv der Hoffnung spielt in den Tracks eine große Rolle.


 FRANKIE GAVIN, MALACHY BOURKE & BRIAN BOURKE: The Master’s Return – A Tribute To Paddy Killoran
FRANKIE GAVIN, MALACHY BOURKE & BRIAN BOURKE
The Master’s Return – A Tribute To Paddy Killoran
ergodos.ie
(Ergodos CD ER19)
13 Tracks; 37:32


Der 1904 geborene Fiddler Paddy Killoran bezauberte in den 1920er- und 1930er-Jahren sein Publikum in New York mit seinen eleganten, schnell nach vorne hastenden und ungestüm mitreißenden Tunes. Dieser Stilistik haben sich Malachy Bourke und sein Lehrer Frankie Gavin verschrieben, und es gelingt ihnen in der Tat eine bemerkenswerte Reinkarnation dieser im besten Sinne „vintage“ klingenden Musik. Große Empfehlung für Freunde purer irischer Fiddlemusik und Studenten derselben.

 GENTLEMAN’S DUB CLUB: The Big Smoke
GENTLEMAN’S DUB CLUB
The Big Smoke
gentlemansdubclub.com
(Easy Star Records ES-1051/Groove Attack)
11 Tracks, 44:23


Wie mit fast jeder anderen Veröffentlichung belegen die New Yorker Easy Stars auch mit dem Zweitling des Achters aus Leeds wieder ihre führende Stellung im Reggaelager. Vollkommen seelenruhig grooven die Engländer sich durch ein für Konserve ungewöhnlich abgehangenes Programm schweren Rootsreggaes mit einem satten Dubanteil – Bandnomen est Omen.


 GILMORE & ROBERTS: Conflict Tourism
GILMORE & ROBERTS
Conflict Tourism
gilmoreroberts.co.uk
(GR! Records GRR006)
45:20, 11 Tracks


Es sind eigene Songs unter der Überschrift „Konflike“, die Frau Gilmore und Herr Roberts mit Gitarre, Mandoline und Fiddle präsentieren – und das ist guter Stoff, wie nicht zuletzt eine Nominierung für die BBC Folk Awards beweist. Auf dem vierten Album kommen häufig noch programmierte Drumsounds hinzu, und das streckt die Genregrenzen sehr sympathisch.

 ANTHONY GOMES: Electric Field Holler
ANTHONY GOMES
Electric Field Holler
anthonygomes.com
(Up 2 Zero Entertainment/I-Tunes/Amazon)
12 Tracks, 40:28


Kraftvoller Blues des Sängers, Komponisten und Gitarristen, der auch akustisch mit Resonatorgitarre überzeugt. Als Band sind dabei Theo Harden am Bass, Chad Cromwell am Schlagzeug, David Smith am Keyboard, Scott Bryan und Glen Caruba an der Percussion.


 SIGMUND GROVEN: Collection Vol. 2 Tradition
SIGMUND GROVEN
Collection Vol. 2 Tradition
sigmundgroven.com
(Grappa)
23 Tracks, 78:14


Das spielerische Niveau beim Volksinstrument Mundharmonika ist genauso breit gefächert wie die Stilarten. Das finnische Mundharmonikaquartett Sväng oder hier der Norweger Sigmund Groven führen vor, wie so ein „einfaches“ Instrument klingen kann. Groven hat damit Karriere gemacht: Er hat 25 Alben eingespielt und etwa 350 Stücke komponiert.

 ANNE HAIGIS: 15 Companions
ANNE HAIGIS
15 Companions
anne-haigis.de
(Westpark Music)
15 Tracks, 60:13


Mit ihrem fünfzehnten Album zeigt die deutsche Musikerin Anne Haigis, was sie kann: Jede Menge Gefühl und Rock werden in fünfzehn verschiedenen Songs kombiniert. Dabei singt Haigis nicht nur eigens komponierte Songs, sie covert auch einige Songs, wie zum Beispiel „Mercy“ von Melissa Etheridge. Das Livealbum zeigt die Vielschichtigkeit der Künstlerin.


 HIRUNDO MARIS: Il Viaggio D’Amore
HIRUNDO MARIS
Il Viaggio D’Amore
carpediem-records.de
(Carpe diem Records)
16 Tracks, 69:34


Der Output von Arianna Savall (Sopran, Barock-Triple-Harp) und ihrer Band ist hoch. Gleich nach dem Hildegard-von-Bingen-Album nun das neue Werk. Thematisch geht es um Amors Reise durch Europa, musikalisch ist es ausgesprochen hochwertige Alte Musik von Renaissance über Barock bis heute („Gracias A La Vida" von Violetta Para). Die Liebe als verbindende Kraft.

 GREG HOLDEN: Chase The Sun
GREG HOLDEN
Chase The Sun
gregholdenonline.com
(Warner 9362-49295-0)
11 Tracks, 39:48


Der Wahlamerikaner aus Schottland mischt euphorischen Folkpop à la Mumford & Sons mit dem musikalischen Erbe des US-amerikanischen Folkrevivals der Sechzigerjahre und dessen Inspirationen. Ähnlich wie Woodie Guthrie oder Dylan legt Holden besonderen Wert auf seine Lyrics. Genau sie machen dieses Album stark. Anspieltipp: „Boys In The Street“.


 IRFAN: The Eternal Return
IRFAN
The Eternal Return
facebook.com/irfantheband
(Label Prikosnovenie, PRIK166/Broken Silence)
10 Tracks, 59:07


Denitza Seraphimova hat eine göttliche Stimme, und ihre Musiker weben ein dichtes, berückendes Geflecht um ihren Gesang. Mit fast religiösem Ernst spielen die Bulgaren eine Musik, die den Geist von Dead Can Dance beschwört, aber weitaus komplexere Rhythmen und Melodien bringt. Musik, die atmet und berührt, vielschichtig und virtuos.

 ISAIAH: Isaiah
ISAIAH
Isaiah
(Popup Records, Cargo/ Believe Digital)
Promo 13 Tracks, 51:13


Paul-McCartney-Klänge aus Israel. Märchenhafte Popsongs im Sound der Siebziger, durchwirkt mit globalen Tönen, leichtfüßig tänzelnd, großartig heiter produziert. Eine Kompilation für den deutschsprachigen Markt des aus Tel Aviv kommenden und Bouzouki, Gitarre, Violine wie Harmonium spielenden Singer/Songwriters Tomer Yeshayahu, die es jetzt zu entdecken gilt.


 JEWEL: Picking Up The Pieces
JEWEL
Picking Up The Pieces
jeweljk.com
(Concord Records/ Universal)
Promo-CD,14 Tracks, 62:42


Fünf Jahre nach ihrer letzten regulären Veröffentlichung hat Jewel mit Musikern der Band Neil Youngs ein Album aufgenommen, das zurück zu ihren Countryfolkwurzeln führt. Auf vierzehn überwiegend ruhigen und sparsam instrumentierten Stücken kann sie sich auf die Ausdruckskraft ihrer Stimme verlassen. Allein die aalglatte Produktion trübt das ganze erheblich.

 SVAVAR KNÚTUR: Brot
SVAVAR KNÚTUR
Brot
svavarknutur.com
(Nordic Notes NN069)
10 Tracks, 45:49


Der isländische Singer/Songwriter mit der Kuschelstimme legt ein wunderbares, mit großem Gastmusikereinsatz (unter anderem mit Marketa Irglová aus Once als Gastmusikerin) produziertes und klanglich entsprechend vielfältiges, abwechslungsreiches Album vor. Knutúr weiß darauf mit skurrilen englischsprachigen Songs („Girl From Vancouver“) ebenso zu überzeugen wie mit feinfühligen, isländischen Balladen.


 KODIAK DEATHBEDS: Kodiak Deathbeds
KODIAK DEATHBEDS
Kodiak Deathbeds
facebook.com/kodiakdeathbeds
(Affairs of the Heart Records HUG 027)
Promo-CD, 11 Tracks, 32:45


Amber Webber und Derek Fudesco treten schon seit zehn Jahren immer mal wieder gemeinsam auf, sind aber in verschiedenen Bands fest verankert, sodass keine Zeit war, die gemeinsamen Songs aufzunehmen. Nun hat das endlich geklappt. Auf diesem Debütalbum finden sich zehn Kleinode, die sparsam instrumentiert sind und vor allem Gitarre und Stimme in den Mittelpunkt stellen.

 SEKOU KOUYATE: Sabaru
SEKOU KOUYATE
Sabaru
sekoukouyate.com
(One World Records SKCV123)
12 Tracks, 42:49


Bekannt wurde er vor allem durch seine Zusammenarbeit mit dem Rapper Joe Driscoll. Von seinem exquisiten und variablen Koraspiel profitierten auch andere Künstler (zum Beispiel Ba Cissoko, Blick Bassy). Auf seinem Soloalbum überzeugt er aber auch als Sänger und Komponist, bedient sich stilistisch bei Rock und Reggae, Funk und Musiken seiner guineischen Heimat.


 KROKE: Cabaret Of Death – Music For A Film
KROKE
Cabaret Of Death – Music For A Film
kroke.com.pl
(Oriente RIEN CD 85)
Promo-CD, 14 Tracks, 44:50


Etwas schwer ist der Hörgenuss des neuesten Albums des Trios Kroke (= „Krakau“) mit Tomasz Kukurba (v), Jerzy Bawol (acc) und Tomasz Lato (b), Resultat einer Zusammenarbeit mit Adam Kwiecinski, dessen Filmprojekt sich mit der Unterhaltungskultur in den Konzentrationslagern der Nazis befasst.

 LA GANGA CALÉ: Cosquillas De Azotea
LA GANGA CALÉ
Cosquillas De Azotea
lagangacale.com
(Youkali Music 092/Galileo MC)
10 Tracks, 33:32


Schmelztiegel Madrid. Die junge, vierköpfige Band vermengt in ihren frechen, eingängigen und mitreißenden Songs ihres Debütalbums Pop mit Flamenco und Salsa, zündende Rhythmen mit E-Gitarre und Bläsersätzen. Ein unbeschwert tanzbarer Metropolenpop mit spanisch-südamerikanischem Flair im Stil von Manu Chao. Diese Band möchte man live erleben.


 THE LAKE POETS: The Lake Poets
THE LAKE POETS
The Lake Poets
thelakepoets.com
(Dave Stewart Entertainment/Membran/Sony)
53:43


Unter dem Titel The Lake Poets (Plural) firmiert eigentlich nur der englische Singer/Songwriter Marty Longstaff plus einer variierenden Menge an höchst professionellen Studiohelfern. Wunderbarer Folk-Rock-Pop mit starkem Gesang und eigenwilliger Diktion.

 LA PERDRIX ROUGE: Vendanges Tardives – Musiques Traditionelles Centre France
LA PERDRIX ROUGE
Vendanges Tardives – Musiques Traditionelles Centre France
aepem.com
(AEPEM 15/05)
16 Tracks, 51:54


Von drei Musikern aus dem Umfeld des Vereins Les Brayauds wunderschön auf Drehleier (Guillaume Bouteloup), Grandes Cornemuses (Fabrice Lenormand) und Musette (Philippe Beuger) eingespielte Tanzmusikmelodien aus Zentralfrankreich, traditionell bis zeitgenössisch. Nicht nur Repertoiresammlung, lässt sich angenehm durchhören.


 LE CAIRDE: No Artificial Colours – 15 Years Le Cairde
LE CAIRDE
No Artificial Colours – 15 Years Le Cairde
lecairde.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 56:44


Das fünfte Album in 15 Jahren, das ist für eine kleine südhessische Irish-&-Scottish-Folk-Band kein schlechter Schnitt. Wie gewohnt live beim Konzert eingespielt, aber ohne Ansagen, kommt eine deftig-gemütliche Stimmung rüber. Traditionelle Balladen ernsten Inhalts sind die Stärke dieses Quartetts. Alle Texte findet man auf der Website.

 LIEDERJAN: Vierzig Jahre – Sowieso
LIEDERJAN
Vierzig Jahre – Sowieso
liederjan.com
(Eigenverlag)
15 Tracks, 56:11


Das Trio um Gründungsmitglied Jörg Ermisch feiert sein Jubiläum mit neuen, frischen, kritischen, witzigen Liedern, die sich auch selbst auf die Schippe nehmen. Ein zusammengeschnittenes Interview lässt am Schluss noch mal die zahlreichen Mitsänger der Jahre zu (unsinnigem) Worte kommen.


 BAABA MAAL: The Traveller
BAABA MAAL
The Traveller
baabamaal.tv
(Palm Recordings, Promo-CD)
9 Tracks, 41:12


Das letzte Album Television erschien 2009. Jetzt meldet sich der Star aus dem Senegal eindrucksvoll zurück. Schon der Opener „Fulani Rock“ unterstreicht, dass Baaba Maal die Pause nutzte und zu großer Form aufläuft: Mit subtilen, brillant arrangierten Songs reist er durch unterschiedlichste Stimmungen, mal balladesk, mal rockig, mal experimentell.

 Mariachi Los Camperos: De Nati Cano Tradición, Arte Y Pasión
Mariachi Los Camperos
De Nati Cano Tradición, Arte Y Pasión
es-la.facebook.com/camperosdenaticano
(Smithsonian Folkways Recordings SFW CD 40599/Galileo-MC)
11 Tracks, 39:07


Schluchzende Geigen, zitternde Trompeten, klimpernde Harfen, inbrünstige Männerchöre, viel Dreivierteltakt, ein Jauchzen und Jubeln, das durch die Lieder schallt, sowie jede Menge Herzschmerz. Die Geigen machen einen auf Speedy Gonzales: Rasant, dass einem der Atem stockt. Sogar Einflüsse des Swing sind dabei zu hören. Mariachimusik vom Feinsten.


 Jean-Claude Martineau, Beethova Obas & TiCorn Zanmi: Nou
Jean-Claude Martineau, Beethova Obas & TiCorn Zanmi
Nou
ticornmusic.com
(Ticorn Music/Silenzio)
Promo-CD, 13 Tracks, 54:16


Musik des haitianischen Singer/Songwriters Jean-Claude Martineau. Die meisten Lieder sind von eher sanfter Natur. Es gibt aber auch fröhliche und rhythmische Songs. Das Instrumentarium wird manchmal durch Gastmusiker erweitert. Die Musik kommt ziemlich unaufgeregt daher und könnte einen Schuss mehr Energie vertragen, lebt aber von schönen Melodien.

 MIKE McGUIRE: Southern Attraction
MIKE McGUIRE
Southern Attraction
facebook.com/Mike-McGuire-60033374544/?


Promo-CD, 7 Tracks, 26:26


Aus Louisville, Kentucky, kommt dieses Album angeschlichen, mit balladigem Rythm and Blues, folkigem Songschreibertum und einer Coverversion von „I Still Miss Someone“ von Johnny Cash. Mike McGuire hat den Charme eines J. J. Cale, nur spielt er akustisch – und klingt noch verschlafener.


 IAN MELROSE: Swirling Sands
IAN MELROSE
Swirling Sands
ianmelrose.com
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
12 Tracks, 43:50


Als „Artist in Residence“ wurde Gitarrist Melrose 2011 ins mecklenburgische Ostseebad Kühlungsborn eingeladen. Die Umgebung sowie der Austausch mit bildenden Künstlern inspirierten ihn zu diesem Album, auf dem lokale, dänische und schwedische Weisen im Melrose-Kosmos zu einem Ganzen zusammenfinden. Stimme, Cello, Duduk und Flöten ergänzen das zarte Klangbild.

 MY QUIET COMPANION: My Quiet Companion
MY QUIET COMPANION
My Quiet Companion
myquietcompanion.com
(MQC Records001)
10 Tracks, 40:36


Ein weiteres Beispiel für die These, dass Eigenproduktionen mit Majordeals durchaus mithalten können. Das schwedische Trio My Quiet Companion spielt wunderschönen Folkrock, die Arrangements sind sauber und liebevoll eingespielt. Das Wechselspiel zwischen weiblichem und männlichem Gesang sorgt für einen hohen Wiedererkennungswert.


 MYRDDIN: Rosa De Papel
MYRDDIN
Rosa De Papel
(Zephyrus Records, Galileo MC)
Promo-CD, 12 Tracks, 79:33


Einfach betörend, das spanische Flamencospiel des belgischen Gitarristen Myrddin, der hier temperamentvoll eine gehörige Portion Jazz freisetzt und dabei im Zusammenklang seiner erlesenen Mitmusiker wohltuend entspannt bleibt.

 NACHES TRIO: Klezmer aus Freude
NACHES TRIO
Klezmer aus Freude
naches-trio.com
(Raumer RR 20515)
15 Tracks, 43:59


Die Berliner Jeannine Jura (cl), Jonathan Jura (piano) sowie die aus Prag stammende Tereza Rejšková (v) vertieften ihre bereits bestehenden Klezmererfahrungen auf den Workshops des Yiddish Summer Weimar (Leitung: Alan Bern) und präsentieren, entdeckungsfreudig neue Pfade suchend, ihr erstes Album.


 NA-MARA: Navajos & Pirates
NA-MARA
Navajos & Pirates
na-mara.com
(Eigenverlag)
53:07, 12 Tracks


Drittes, live klingendes Album eines englischen Duos mit Saiteninstrumenten und keltischen Liedern von Großbritannien bis Galicien, nicht zu vergessen eigene Songs mit teils ungewöhnlichen politischen Themen. Wie viele Briten singen denn bitteschön über die Edelweißpiraten? Sehr empfehlenswert!

 OH LAZARUS: Good Times
OH LAZARUS
Good Times
(Off Label Records/Timezone Distribution)
10 Tracks, 36:20


Das Album entstand während einer endlosen Tour durch Italien. Zu Daniele La Barbera am Schlagwerk und Simone Merli an der Gitarre gesellte sich die junge Klarinettistin Cecilia Merli. Es entstand eine windschiefe Art Gothic Americana. Murder Ballads und Worksongs, durchweht vom Geist von Edgar Allan Poe und The Velvet Underground.


 OLE SWING: Sueño Gitano
OLE SWING
Sueño Gitano
oleswing.es
(Youkali Music 098/Galileo MC)
10 Tracks, 48:36


Gypsy Swing im Stile Django Reinhardts aus Spanien. Das Quartett aus Madrid erfindet mit seinen Gitarrensoli und weinender Geige das Genre nicht neu, setzt sich aber positiv von den Hochgeschwindigkeitsvirtuosen in diesem Stil ab. Dabei flirten sie mit dem Flamenco, haben mit Antonio Carmona den Sänger der Crossoverband Ketama als Gast.

 ORANGE BLOSSOM: Under The Shade Of Violets
ORANGE BLOSSOM
Under The Shade Of Violets
fr-fr.facebook.com/orangeblossomofficiel
(Washi Washa WW-14022/Broken Silence)
12 Tracks, 58:49


Mit einem respektablen Aufgebot an Gastmusikern bestreiten Hend Hassan (voc), Pierre-Jean Chabot (v) und Carlos Robles Arenas (perc, electronics) aus Nantes ihr drittes Album. Herausgekommen ist ein feines Werk, das mühelos zwischen Jazz, psychedelisch angehauchtem Rock, Klassik und traditionellen arabischen Spielformen wechselt. Beeindruckend.


 THE PAPER KITES: Twelvefour
THE PAPER KITES
Twelvefour
thepaperkites.com.au
(Nettwerk/Soulfood)
Promo-CD, 10 Tracks, 43:50


Diese australische Band spielt in bester Tradition der Rockpop-Singer/Songwriter des letzten Jahrtausends. Die Songs könnten ebensogut aus der Feder von Jackson Browne oder Paul Brady stammen, allesamt im Hitformat und radiotauglich produziert. Obwohl die Band alles richtig macht, fehlen zum großen Durchbruch noch der individuelle Sound und der Gänsehauthit.

 PATKO: Maroon
PATKO
Maroon
patkomusic.com
(Love & Unity Music/Musicast Distribution)
Promo-CD, 13 Tracks, 49:41


Zweites Album des gebürtigen Surinamesen aus Französisch-Guyana mit einer kraftvoll knackigen Reggaevariante auf solidem Rootsfundament, mit latent omnipräsentem Dub-Hall. Wenn das übliche Sklaverei- und Babylon-System-Pathos – maroon: „Ausgesetzter“ – nicht einfach nur lächerlich ist, kann es durchaus auch einmal nerven. Ja, auch Reggae-Liebhaber.


 MARCO POETA E ROBERTO LICCI: Mia Spitta No Coração
MARCO POETA E ROBERTO LICCI
Mia Spitta No Coração
suonidalmondo.com
(Anima Mundi AM33)
14 Tracks, 44:53


Die musikalische Passion von Marco Poeta, Musiker aus den Marken, gilt dem Fado und der portugiesischen Gitarre im Speziellen. Zusammen mit Roberto Licci, Sänger des Canzoniere Grecanico Salentino, entstand eine ungemein stimmige Mischung aus Gesang (auf Griko und in salentinischem Dialekt) und dem hellen Klang der Guitarra Portuguesa.

 PETER POST: Wachablösung – Bob-Dylan-Songs auf Deutsch  PETER POST: Fragen Op. 1
PETER POST
Wachablösung – Bob-Dylan-Songs auf Deutsch
peter-post.net
(Cactus Rock Records 260288 880813)
Do-CD, 19 Tracks, 84:55


PETER POST
Fragen Op. 1
peter-post.net
3 Tracks
22:44
(Faultierfarm Records)


Wachablösung geht daneben. Die Übersetzungen sind allesamt misslungen, kein einziger Text fließt. Trotzdem können die Stücke mitunter packen – so stark wie sie per se sind! Stimmiger – nämlich in seinem eigenen Ton! – macht es der Leipziger auf Fragen Op. 1. Besonders sympathisch die irre Psycho-„Suite für Bluesgruppe und Wahrsager Op. 1 – Fragen“.


 PHILIPPE PRIEUR: Joueur De Musette
PHILIPPE PRIEUR
Joueur De Musette
(AEPEM, aepem)
18 Tracks, 50:14


Der Dudelsackspieler Philippe Prieur hat fast alle Kompositionen dieses Albums – im zentralfranzösischen Stil – selbst geschrieben. Meist wird er dabei von einer dezenten Band begleitet, zu der auch der Multiinstrumentalist Frédéric Paris gehört. Ein Werk für Dudelsackliebhaber, das aber niemanden erschreckt.

 CLAUDE QUINTARD/MICHEL ESBELIN: La Bourrée À Regis
CLAUDE QUINTARD/MICHEL ESBELIN
La Bourrée À Regis
aepem.com
(AEPEM 15/06)
21 Tracks, 42:47


Von der Bourrée über Walzer bis zur Polka, kompetent gespielt auf der Kombination Knopfakkordeon/Cabrette, erklingt ein Repertoire traditioneller Stücken aus der Auvergne, angereichert mit Kompositionen bekannter Maîtres Sonneurs. In der Beschränkung auf zwei Instrumente klingt die Musik auf Dauer etwas gleichförmig. Immerhin eine Fundgrube schöner Melodien.


 JOEL RAFAEL: Baladista
JOEL RAFAEL
Baladista
joelrafael.com
(Inside Recordings INR04141-8)
Promo-CD, 10 Tracks, 37:46


Der Titel dieses Albums definiert es: Rafael ist ein großer, und leidenschaftlicher, Balladenschreiber. In seiner Band spielt der überaus bekannte Greg Leisz, dessen feiner Klang von vielen Bill-Frisell-Alben bekannt ist, Dobro und die Pedal-Steel-Gitarre, was für den entspannten Gesamtklang dieses Albums sorgt.

 DIANA RASINA: Romanian Tales
DIANA RASINA
Romanian Tales
dianarasina.com
(Label Bayla Records/Galileo)
12 Tracks, 41:07


Die Rumänin Diana Rasina nimmt uns mit zu Vorstadtmusik und Volksliedern, darunter Klassiker wie „Lume, Lume“. Ihre warme Stimme kennt viele Nuancen und das Pathos der A-cappella-Gesänge. Spannend die Instrumentierung des Albums, selten hört man eine bulgarische Kaval, ein ungarisches Zimbalom und einen Kontrabass in einem Trio.


 DAVE RAWLINGS MACHINE: Nashville Obsolete
DAVE RAWLINGS MACHINE
Nashville Obsolete
daverawlingsmachine.com
(Cargo Records)
Promo-CD, 7 Tracks, 44:52


Dave Rawlings und Gillian Welch, die das Kernduo dieser Maschine ausmachen, arbeiten schon seit mehr als zwanzig Jahren zusammen und sind wohl durch ihre Songs im Soundtrack zum Coen-Brüder-Film Oh Brother, Where Art Thou hierzulande bekannt geworden. Wie jeher harmonieren ihre Gesangsstimmen wunderbar, die Songs sind klangvoll arrangiert, doch klingen viele ihrer Songs recht bekannt, obwohl es Originalstücke sind.

 REVEREND FREAKCHILD: Hillbilly Zen-Punk Blues
REVEREND FREAKCHILD
Hillbilly Zen-Punk Blues
treatedandreleasedrecords.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 37:58


Sowohl akustischen als auch elektrischen Blues hat dieser Sänger, Komponist und Gitarrist im Blut. Eines seiner Vorbilder ist Reverend Gary Davis. Zu hören ist Delta- und Countryblues in all seinen Facetten. Unterstützt wird Freakchild von Hugh Pool an der Lapsteel-Gitarre, Chris Parker am Schlagzeug, Tugboat Eustis am Bass und John Ragusa an der Flöte.


 RIDERS CONNECTION: Colour Me
RIDERS CONNECTION
Colour Me
ridersconnectionmusic.com
(Hey!blau Records 4 260314 036560/Alive & Kontor New Media)
10 Tracks, 41:27


Die Berliner debütieren mit einem routinierten Mix aus so einigem zwischen Reggae, Latin und Singer/Songwriter-Kammerpop. Ob das eher für Vielseitigkeit spricht als für einen Mangel an Kontur und Profil, ist noch nicht recht zu erkennen. Die Massen heißer Luft im Booklet und die glatte Produktion lassen aber eine gewisse Skepsis ratsam erscheinen.

 ANNA ROIG I L’OMBRE DE TON CHIEN: Un Pas I Neu I Un Pas
ANNA ROIG I L’OMBRE DE TON CHIEN
Un Pas I Neu I Un Pas
annaroigilombredetonchien.com
(Satélite K 139/Galileo MC)
11 Tracks, 35:36


Allein schon der Klang der katalanischen Sprache der Sängerin Anna Roig verzaubert. Zusammen mit ihren Musikern aus der ostspanischen Region Penedès mischt sie Songs in ihrer selten zu hörenden Heimatsprache mit französischen Liedern. Heraus kommt ein liebevoll instrumentierter und zarter Akustik-Chansonpop – sensibel, poetisch und wunderschön. Eine Entdeckung.


 STEFAN SAFFER: Singers & Players
STEFAN SAFFER
Singers & Players
timezone-records.com
(Timezone TZ468/Timezone Distribution)
10 Tracks, 51:24


Die Stimme wirkt bisweilen etwas aufgesetzt rau, aber egal: Der Leipziger bietet auf seinem sechsten Album bestes Americana-Material, mal tendenziell folkig, dann verstärkt rockig oder doch eher Country-beeinflusst. Unterstützung für seine gute Band gibt’s aus den USA – mit dem Bluegrassfiddler Aaron Jonah Lewis. Authentisch klingende Sache, das.

 KATHY SANBORN: Lights Of Laniakea
KATHY SANBORN
Lights Of Laniakea
kathysanborn.com
(That Other Label PJ 35950/MVD)
12 Tracks, 66:51


Ihr geschmeidiger Jazzgesang ist geblieben, und gelegentlich ertönt auch noch mal Wayne Riccis gewohnt trockener Trompetenton. Darüber hinaus verpacken Frau Sanborn und ihr neuer Arrangeur Ricky Kej die aktuellen Kompositionen in eine unaufdringliche World-Fusion-Watte. Legitim und auch nicht wirklich schlecht, aber letztlich: reine Geschmackssache.


 DIE SCHAUSPIELBRIGADE LEIPZIG: … singt Gundermann
DIE SCHAUSPIELBRIGADE LEIPZIG
… singt Gundermann
buschfunk.com
(Buschfunk 04462)
27 Tracks, 80:14, Doppel-CD


Vierzehn Absolventen und Studenten des Schauspielinstituts Hans Otto aus Leipzig, Stuttgart und Dresden singen und spielen die Songs des Lausitzer Liedpoeten in ungewöhnlichen Arrangements zwischen Klassik und Folk, mit Streichquartett, mehreren Solisten und Chorgesang in einem Konzertmitschnitt aus dem Berliner Babylon.

 SCHELPMEIER: Die Dritte
SCHELPMEIER
Die Dritte
schelpmeier.com
(Fuego 2587-2/Jaro)
14 Tracks, 51:39


Hat sich der Detmolder zwischen Klassiker und Auslaufmodell, zwischen denen er in „Klassiker" sanft spaziert, verirrt? Schelpmeiers Songwriting ist versiert, aber wie seine überwiegend sehr gewöhnliche Themen behandelnden Texte könnte auch seine Musik mehrheitlich durchaus etwas Biss vertragen – im Tausch gegen etwas viel braves Pathos etwa.


 HEJOE SCHENKELBERG: Ambiances
HEJOE SCHENKELBERG
Ambiances
hejosche.de
(Eigenverlag)
17 Tracks, 73:49


Hermann-Josef Schenkelberg hat dieses Album weitgehend allein aufgenommen. Über elektronische Beats macht er dabei mit seinem Akkordeon melodische Einwürfe. Keyboards reichern den Sound an, gelegentlich ist auch eine Opernsängerin zu hören. Das Ganze taugt eher als Hintergrundmusik.

 KEVIN SEKHANI: Day Ain’t Done
KEVIN SEKHANI
Day Ain’t Done
kevinsekhani.com
(Louisiana Red Hot Records)
Promo-CD, 10 Tracks, 43:26


Country, Bluegrass und Cajun vermischt der Musikveteran Kevin Sekhani aus Austin in Texas auf seinem Solodebüt. Mal federleicht und besinnlich, an anderer Stelle auch kraftvoll und humorvoll, spielen sich Sekhani und seine Begleitband durch die zwölf Songs dieses Albums, als gäbe es nichts Einfacheres. Sekhani kennt sein Handwerk und weiß es leidenschaftlich auszuführen.


 RACHEL SERMANNI: Tied To The Moon
RACHEL SERMANNI
Tied To The Moon
rachelsermanni.net
(Middle of Nowhere Recordings/Membran)
39:36, 10 Tracks


Ganz schön Richtung Indie geht der Zweitling der italienisch-stämmigen Highlanderin, obwohl auch die gewohnten akustischen Songs deutlich vertreten sind. Surreale Texte sind nicht gerade der Mitsingkracher, aber das Gesamtpaket aus Gitarre und Fiddle einerseits und kräftigen Drums und verzerrten E-Gitarren andererseits ist durchaus stimmig.

 RHYTHM SHAW: Opening Act
RHYTHM SHAW
Opening Act
facebook.com/rhythm-Shaw-181702165311205
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
11 Tracks, 48:49


Ein unglaubliches Saitentalent aus dem fernen Indien präsentiert Produzent Peter Finger auf dieser Neuveröffentlichung. Der junge Shaw (Sohn des ebenfalls sehr virtuosen Nepal Shaw) besticht durch flüssigstes Fingerstylespiel, rasante und raffinierte melodische Schöpfungen und vertrackte polyfone Techniken. Musikalisch an den großen westlichen Vorbildern orientiert.


 SILVER FIRS: EP 1-3
SILVER FIRS
EP 1-3
facebook.com/silverfirsmusic
(Oh, Sister Records OHS016/Broken Silence)
10 Tracks, 41:01


Afrikanische Rhythmen finden sich mittlerweile regelmäßig in Rock- und Popkompositionen, aber im Indiebereich? Die Schweizer Silver Firs zeigen, wie es geht. Der Grundstil passt zum angesagten Indiepop der Gegenwart und bekommt durch die afrikanischen Anleihen eine eigene Note, die sich höchstens noch mit Goat vergleichen lässt. Diese CD enthält die ersten drei EPs der Band, was den Titel erklärt.

 Jennifer Souza: Impossível Breve
Jennifer Souza
Impossível Breve
jennifersouza.com
(Novo Mundo/Broken Silence)
Promo-CD, 9 Tracks, 34:21


Brasilien hat die Singer/Songwriter-Szene entdeckt. Immer öfter tauchen Alben auf mit dezenten Klängen, verträumter Musik, reduzierter Instrumentierung, introvertiertem Gesang ohne große Betonungen. Das trifft auch auf die Brasilianerin Jennifer Souza zu. Bestimmt wird diese zauberhafte Musik hauptsächlich von E-Gitarre, Drums und Chor.


 JON SPEAR BAND: Old Soul
JON SPEAR BAND
Old Soul
jonspearband.com
(Eigenverlag/CD Baby)
10 Tracks, 46:32


Der Gitarrist, Sänger und Blueslehrer Jon Spear wird von seiner Band und mehreren Gästen unterstützt: John Stubblefield am Schlagzeug, Andy Burdetsky am Bass, Dara James an Gitarre und Mundharmonika, Ron Halloway am Saxofon und Nate Brown an den Congas. Feiner Blues, geschliffen durch jahrelange Spielpraxis.

 SYRINX CALL feat. ISGAARD: Wind In The Woods
SYRINX CALL feat. ISGAARD
Wind In The Woods
syrinxcall.com
osgaard.com
(Art of Music/Flat Earth Music)
12 Tracks, 53:21


Zu hören ist Blockflötenmusik im besten Sinne. Eloy-Flötist Volker Kuinke beschloss, ein Album rund um sein Instrument einzuspielen, ohne Bindung an Genregrenzen. Mit dabei ist Isgaard (Klassik-Pop-Crossover), auf deren letzten zwei Alben er mitspielte. Ebenso Jens Lueck, der Produktion, Keyboard, Drums und viele Melodien beisteuerte. Herausgekommen ist ein stimmiges, im Wesentlichen aus hymnisch-symphonischem Folkrock bestehendes Werk.


 JACK TEMPCHIN: Learning To Dance
JACK TEMPCHIN
Learning To Dance
jacktempchin.com
(Blueelan Records BER 1007)
Promo-CD, 12 Tracks, 39:39


Es ist unwahrscheinlich, dass der grauhaarige Jack Tempchin derzeit tatsächlich damit beschäftigt ist, tanzen zu lernen, ist er doch bereits in der Frühphase der Eagles als deren Koautor in Erscheinung getreten und hat im Musikgeschäft schon einige Runden gedreht. Seine Songs wurden unter anderem von Emmylou Harris, Glen Campbell und George Jones eingespielt, was für die Qualität seines Handwerks spricht.

 TRAILHEAD: Leave Me To Learn – Solo Acoustic
TRAILHEAD
Leave Me To Learn – Solo Acoustic
trailheadmusic.com
(Requa Records)
15 Tracks, 62:11


Ein Jahr nach Veröffentlichung des Folkrockalbums Leave Me To Learn erscheint nun das (beinahe) gleiche Album als Soloeinspielung. Die Wirkung der Songs, die nur mit Klavier oder Gitarre begleitet werden, unterscheidet sich vollkommen von den Versionen auf dem „Band“-Album. Reduziert auf das Wesentliche werden die Songs spröde und intim zugleich.


 WALTER TROUT: Battle Scars
WALTER TROUT
Battle Scars
waltertrout.com
(Provogue Records 477/Mascot Label Group)
Promo-CD, 13 Tracks, 58:07


Im letzten Jahr noch kämpfte er buchstäblich mit dem Tod und viele der in schweren Monaten durchlebten Grenzerfahrungen finden sich in den Texten des neuen Albums wieder. Im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen geht Walter Trout es etwas verhaltener an, seinen Ruf, einer der besten Bluesrockgitarristen zu sein, bestätigt er aber wieder eindrucksvoll.

 CLARENCE „THE BLUES MAN“ TURNER: The Caster Blaster
CLARENCE „THE BLUES MAN“ TURNER
The Caster Blaster
bluesmanturner.com
(Uniqek Sound Records/Blind Raccoon)
Promo-CD, 11 Tracks, 50:21


Wie der Albumtitel bereits andeutet, zeigt Clarence Turner, was man so alles mit den Gitarren der Modelle Stratocaster und Telecaster der Marke Fender anstellen kann – zumindest, wenn es sich um elektrischen, funkorientierten Blues handelt. Dazu noch Trompete, Saxofon und Keyboard – schon kann die unbeschwerte Bluesparty losgehen.


 ULV: Ljus I Mörker/Light In Darkness
ULV
Ljus I Mörker/Light In Darkness
ulvonline.org
(Eigenverlag)
18 Tracks, 61:18


Die drei Musikerinnen aus Stockholm, Kopenhagen und Oslo sind vertraut mit traditioneller und mittelalterlicher Musik (Sequentia Ensemble). Das vorliegende zweite Album enthält weihnachtliche schwedische Choräle und Volksweisen. Sie singen sie zu ihren Instrumenten Kantele, Gusli und mittelalterliche Fiedel. Tournee in Deutschland vom 7. bis 14.1.2016.

 ORION WALSH: Rambling Heart
ORION WALSH
Rambling Heart
orionwalsh.com
(Morning Radar Sounds & The Hunter Records)
Promo-CD, 20 Tracks, 74:39


Rambling Heart ist ein Sampler mit Songs aus vier Alben, die Orion Walsh bereits veröffentlicht hat und die nur wenig Beachtung gefunden haben. Was ganz und gar unverständlich ist. Walsh spielt akustische Gitarre und Mundharmonika und ist ein durchaus einprägsamer Sänger, der sich deutlich in der Protestbewegung der frühen Sechzigerjahre verankert.


 WELLBAPPN: Schneller
WELLBAPPN
Schneller
www.hans-well.de
(Hör/Kunst bei Kunst/Mann)
18 Tracks, 64:53


Politisch scharf, aktuell und pointiert wie eh und je liefert der frühere Biermösl-Blosn-Haupttexter Hans Well mit seinem Nachwuchs Sarah, Tabea und Jonas an diversen Instrumenten eine derart frisch aufgespielte bayerische Volksmusiksatire vor, dass es eine wahre Freude ist. Biermösln Reloaded, nach einer musikalischen Frischzellenkur. (Siehe auch „Ortstermin“ in dieser Ausgabe.)




Nordamerika
 THE FRANKLIN ELECTRIC: This Is How I let You Down
THE FRANKLIN ELECTRIC
This Is How I let You Down
www.thefranklinelectric.com
(I tried/Indica Records)
11 Tracks, 41:33 , mit engl. Infos u. Texten


Die Band The Franklin Electric schafft es dem Genre Folk Music gerecht zu werden. Die kanadische Band kombiniert traditionelle Instrumente mit Rhythmen aus der Popmusik. Dabei wird in jedem Song eine neue Geschichte oder Fantasie erzählt. Mal verzaubern die fünf Musiker mit einer verträumten Ballade, wie sie es mit dem gleichnamigen Song zum Album „How I Let You Down“ tun, mal wird es wie im Track „Old Piano“ jazzig, und dann begegnen uns im Song „Unsatisfied“ eher rockige Sounds. In beinahe jedem Lied sind jedoch die Trompetenklänge hervorstechend und verleihen der Musik damit etwas Romantisch-Nostalgisches. Glücklicherweise gelingt es der Band die vielen verschiedenen Stimmungen perfekt für den Hörer zu gestalten. Was bei vielen Künstlern eher verwirrend ankommt, schaffen The Franklin Electric wunderbar: Sie kombinieren unterschiedliche Genres miteinander, ohne dass der Hörer sich fragt, welche Musik er gerade hört. Die Texte sind zum Teil sehr poetisch. Eine Übersetzung lohnt sich und regt zum Nachdenken an.
Claudia Niedermeier
 RACHELLE GARNIEZ: Who’s Counting
RACHELLE GARNIEZ
Who’s Counting
www.rachellegarniez.com
(Jaro Medien JARO4327-2)
13 Tracks, 34:13 , mit engl. Beiheft


Rachelle Garniez ist eine geborene New Yorkerin, die einige Jahre ihres Lebens in Europa als Straßenmusikerin verbrachte. In ihren eigenen Songs verschmelzt sie, neben dem klassischen Musikkontext, den sie während der Klavierstunden mit ihrer Mutter eingeimpft bekam, Tango, Chanson, Folk und Jazz. Who’s Counting stellt eine Art Weltmusik New York’scher Prägung dar. Das Klavier ist zwar nach wie vor ihr Hauptinstrument, doch für ihre Straßenmusik stieg sie auf das Akkordeon um, das nun nach wie vor zu ihrem Musikset gehört. Garniez’ Stimme tanzt und swingt sich durch ihre Songs, geht mit graziöser Leichtigkeit rauf und runter, als gäbe es nichts Einfacheres. Ein gewisses Jazzgefühl bildet die Grundlage ihrer Songs. Neben ihrer Solokarriere ist Garniez schon seit langer Zeit im New Yorker Off-Theaterwesen unterwegs, unter anderem als musikalische Direktorin für Taylor Mac. Sogar White-Stripes-Gitarrist Jack White hat eine Single mit ihr produziert und auf seinem Third-Man-Label herausgebracht. Es ist diese ausgeprägt graziöse Leichtigkeit, mit der Garniez unterschiedliche Musikstile mit ihrem Können vermischt, die auf Who’s Counting besonders zu Buche schlägt. Neben dem trickreichen Bassisten Tom Lünzel bilden die Musiker von Hazmat Modine ihre Begleitband. Französisch singt die Professorentochter – ihr Vater war Professor für französische Literatur – natürlich auch noch. Aber das nur ganz nebenbei.
Michel Freerix

 JP HOE: Hideaway
JP HOE
Hideaway
www.jphoe.com
(Maple Music Recordings MRCD6577)
10 Tracks, 36:52


Jp Hoe aus Winnipeg wurde in der Vergangenheit schon sechsmal für den Western Canadian Music Award nominiert, hat ihn aber noch nie gewonnen. Mit dem neuen Album Hideaway dürfte ihm eine weitere Nominierung sicher sein. Seit der letzten Veröffentlichung 2012 hat sich im Privaten einiges getan, insbesondere die schwierige Geburt seines Sohnes hat die Wertmaßstäbe geradegerückt, und einige der neuen Stücke gehören zum Intimsten was er bisher geschrieben hat. Der Singer/Songwriter mit prägnantem Bariton verträgt die bisweilen opulente Produktion von Dana Matyas sehr gut. Raumgreifende Streicherarrangements, Bläsersätze, Slidegitarren, Piano, ein kraftvolles Schlagzeug treiben die Stücke ins Hymnische und bilden den Gegenpol zu Hoes ruppig-rauem Gesang. Die Gewichtung stimmt, und etwas Popappeal steht dem Album gut zu Gesicht. Der Klang ist transparent, knackig und gleichzeitig analog warm. Was die Stücke betrifft, versteht der Mann sein Handwerk, aber es fehlt der große Moment, der Refrain, der wirklich hängen bleibt. In seiner Gesamtheit ist das Album aber wunderbar rund und intensiv und lässt sich gut am Stück hören, was bei vielen Produktionen nicht mehr der Normalfall ist.
Dirk Trageser
 CARRIE NEWCOMER: The Slender Thread
CARRIE NEWCOMER
The Slender Thread
www.carrienewcomer.com
(Stockfisch SFR 357.4088.2/In-akustik)
13 Tracks, 49:47 , mit engl. Texten u. Infos


Nein, zaubern können auch sie nicht, die Jungs von Stockfisch. Aber wenn es um eine Singer/Songwriterin mit Gitarre geht, dann wissen sie einfach was sie zu machen haben. Zumal wenn es sich um ein Juwel wie Carrie Newcomer handelt. Sie ist in den USA keine Unbekannte und hat eine warme, tiefe Stimme. Die Melodien ihrer Lieder stehen in einer sehr amerikanischen Tradition. Einfach und schön. Aber während ein Singer/Songwriter wie James Taylor, der nun auch kein Punk ist, doch ein gerüttelt Maß an textlichem Sarkasmus auffahren kann, so beschwört Carrie Newcomer die Liebe zwischen den Menschen, die Harmonie und die Inspiration aus der Natur. Nicht unsympathisch und mit schönen sprachlichen Bildern. Auch dies ist eine sehr amerikanische Tradition. Leider wurde ein wenig zu viel klanglicher Weichspüler über die Lieder gekippt. Die wunderbaren Musiker, die bei der Produktion beteiligt waren versinken so bisweilen im allgemeinen Soundflokati. Was den etwas kräftigeren Stücken wie „If Not Now“ und „The Gathering Of Spirits“ etwas seltsam Gebremstes verleiht. Aber trotz allem: Gute Musik für die nächste längere Autofahrt!
Jörg Ermisch

 BREEZY RODIO: So Close To It
BREEZY RODIO
So Close To It
www.breezyrodio.com
(Windchill Records/CD Baby 1001)
15 Tracks, 66:49


Aus Chicago direkt nach Europa. Der weiße Gitarrist, Komponist und Sänger Breezy Rodio klingt in seinem Spiel und mit seiner warmen Stimme tiefschwarz. Der Blues und Rhythm and Blues seiner Vorbilder B. B. King, Stevie Ray Vaughan und Albert King sind auf dieser Scheibe gemischt mit überzeugenden und swingenden Eigenkompositionen wie „So Close To It“ und „I Win Some More“. Die Band besteht aus „Ariyo“ Sumito Ariyoshi am Klavier, Light Palone am Bass, Lorenzo Francocci am Schlagzeug, Bill Overton am Saxofon und Chris Foreman an der Orgel. Als Gastmusiker sind unter anderen Billy Branch, Art Davis und Lurrie Bell dabei. Auch bei den Balladen überzeugt Rodio durch gefühlvolle Blue Notes.
Annie Sziegoleit
 TWIN BANDIT: For You
TWIN BANDIT
For You
www.twinbandit.com
(Nettwerk/Soulfood)
Promo-CD, 9 Tracks, 31:50


Am Anfang stand gemeinsames Gemüseschnippeln in der kleinen Küche der gemeinnützigen St.-James-Musikakademie in Vancouver, um die bedürftigen Kinder der Nachbarschaft zu bekochen. Bei dieser Gelegenheit entdeckten Hannah Walker und Jamie Elliot beim Singen alter Traditionals, dass ihre Stimmen aus dem Stand perfekt harmonierten. Jetzt, nur knapp zwei Jahre später, wird ihr Debütalbum For You international veröffentlicht. Die Eckpfeiler des Werks bilden Singer/Songwriter, Americana und Country-Einsprengsel mit einer Prise Gram Parsons und Emmylou Harris. Die Produktion von Jon Anderson ist eine Verneigung vor Daniel Lanois und dessen Werk. Gitarre und Gesang bleiben im Vordergrund, dezent verstärken Bass, Schlagzeug, Gospelorgel oder Pedal Steel die Grundstimmung der einzelnen Stücke, bei denen die beiden Stimmen strahlen dürfen. Dunkler, melancholischer und weniger drängend als die seelenverwandten Geschwister von First Aid Kit singen sie, aber genau so traumwandlerisch sicher und ergreifend. „Musik ist ein Werkzeug, um sozialen Wandel zu schaffen. Wir glauben fest an die Kraft dieser Botschaft und wollen unseren Teil leisten“, sagt Hannah Walker. Schön, wenn es sich bewahrheiten sollte.
Dirk Trageser

WIEDERVERÖFFENTLICHT
 FANNIE LOU HAMER: Song My Mother Taught Me
FANNIE LOU HAMER
Song My Mother Taught Me
www.folkways.si.edu
(Smithsonian Folkways Recordings SFW CD40216/)
17 Tracks, 27:55 , mit engl. Begleitheft


Die Sängerin und Aktivistin Fannie Lou Hamer ist eine Legende der US-Amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die in eine Familie von Pachtfarmern hineingeboren wurde. Kirchenmusik war die Musik ihrer Kindheit – und blieb es bis an ihr Lebensende. Bereits 1963 kam Songs My Mother Taught Me ursprünglich auf den Markt, in einer limitierten Auflage, die gerade in Bürgerrechtskreisen weite Verbreitung fand. Diese Aufnahmen sind in der ihr vertrauten Atmosphäre ihres Hauses entstanden, an einem ruhigen Tag, an dem sie sich an die Zeit erinnerte, als sie klein war und immer wieder mit ihrer Mutter zusammen sang. So leitet sie jedes Lied mit ein paar Sätzen ein, bevor sie es mit ihrer rauchigen Stimme, ohne Bandbegleitung, anstimmt. Songs My Mother Taught Me ist ein intimes und bewegendes Dokument aus einer anderen, doch gar nicht so fernen Zeit. Kirchenmusik und Kinderreime stehen auf diesem Album gleichwertig nebeneinander und machen erneut deutlich, welche Kraft sich aus Musik schöpfen lässt und was für eine soziale Bedeutung Lieder haben können.
Michel Freerix
 SARA K.: Horse I Used To Ride – Live In 2001
SARA K.
Horse I Used To Ride – Live In 2001
www.sarak.com
(Stockfisch SFR 357.9003.2, In-akustik)
13 Tracks, 63:07


Die in Santa Fe lebende Songwriterin verschlug es 2001 nach Sülbeck ins Gasthaus Zum Esel. Ein Glücksfall, denn ihr Konzert wurde vom Stockfisch-Labelchef Günter Pauler aufgezeichnet, von Chris Jones an der Dobro ergänzt und war gleichzeitig der Beginn einer kreativen Zusammenarbeit der drei. Ein intimer, magischer Auftritt in höchster Klangqualität.
Dirk Trageser

 ALAN VEGA, ALEX CHILTON, BEN VAUGHN: Cubist Blues
ALAN VEGA, ALEX CHILTON, BEN VAUGHN
Cubist Blues
(Light In The Attic LITA126)
12 Tracks, 60:28


Das Album wurde im Dezember 1994 bei zwei nächtlichen Terminen im Dessau Studio i New York von den alten Indie-Haudegen Alan Vega, Alex Chilton und Ben Vaughn aufgenommen. Die Stücke und der Gesang sind weitestgehend improvisiert und fanden bei ihrer Erstveröffentlichung so gut wie keine Resonanz. Der Klang ist superb, die Stücke sind seltsam, aufregend und ausufernd.
Dirk Trageser



Afrika
 AZIZA BRAHIM: Abbar El Hamada
AZIZA BRAHIM
Abbar El Hamada
azizabrahim.com
(Glitterbeat GBCD 031)
Promo-CD, 10 Tracks, 38:29


Sie kann vielleicht einmal die Lücke schließen, die Mariem Hassan, die legendäre, 2015 verstorbene Interpretin sahrauischer Musik, hinterlassen hat. Aziza Brahim, 1976 in einem algerischen Flüchtlingscamp geboren, hat sich als Sängerin, Schauspielerin und politische Aktivistin längst einen Namen (unter anderem bei WOMAD-Festivals) machen können. Auch mit ihrem vierten Album rückt sie das nach wie vor von der Weltöffentlichkeit wenig beachtete Schicksal ihrer Landsleute in der Westsahara in den Mittelpunkt ihrer durchweg eingängigen Lieder. Und sie thematisiert auch die Zerrissenheit vieler (junger) Menschen in Nordafrika, einerseits der Heimat verbunden sein zu wollen, andererseits aufgrund der Perspektivlosigkeit diese aber verlassen zu müssen. Exemplarisch ist das melancholische „Los Muros“ („Die Mauern“), das die von marokkanischer Seite aus Sand errichteten Grenzwälle attackiert. Waren bislang in ihrer Musik auch Elemente ihrer katalanischen Wahlheimat auszumachen, so dominieren diesmal, wohl auch dank des Produzenten Chris Eckman, die Sounds aus Westafrika. So sind unter anderem senegalesische Percussionisten, erneut der malische Gitarrist Kalilou Sangare sowie als Gast Samba Touré mit von der Partie.
Roland Schmitt
 ROKIA TRAORÉ: Né So
ROKIA TRAORÉ
Né So
rokiatraore.net
(Nonesuch 553578/Warner)
Promo-CD, 11 Tracks, 45:35


Um es vorwegzunehmen, nach dem ersten Hören stellt sich Enttäuschung ein. Vielleicht liegt es auch an den zu hohen Erwartungen, die bisher jeder Veröffentlichung Rokia Traorés vorausgingen. Es hätte mit den mutigen Texten ein starkes Statement in der Flüchtlingsdebatte werden können. Rokia Traoré scheint allerdings nach wie vor auf der Suche zu sein und erkundet die Vielfalt der musikalischen Kulturen. Zu selten findet sie dabei zu Klängen ihrer musikalischen Heimat. Né So wird ins Deutsche mit „Heimat“ übersetzt. Die französische Übersetzung „Chez Moi“ ist wohl treffender. Rokia Traorés Stimme ist die tragende Kraft jedes der elf Stücke. Schönklang und Harmonie beherrschen jedoch so stark die akustische Szenerie, dass den Texten der Stachel, der uns wachrütteln könnte, genommen wird. Es will sich partout keine Gänsehaut einstellen. Wer die vorangegangenen Alben kennt und mag, wird das verstehen. Engagiert ja, aber nicht mehr mit so fester Stimme wie auf dem Album Tchamanché. Vielseitig ja, aber nicht mehr so überraschend frisch, wie auf dem Album Beautiful Africa. Auf Né So nimmt Rokia Traoré den Hörer mit zu sich nach Hause, ohne ihn wirklich zu packen.
Christoph Schumacher

Besondere
DAVIDE SALVADO
Lobos
galileomusic.de
(Fol Música 100FOL1070/Galileo MC)
10 Tracks, 36:58 , mit galicischen Infos u. Texten


Wie schon das Vorgängeralbum des Folkvisionärs, die Kooperation mit seiner Landsfrau Cristina Pato (siehe Folker 5/2015), verdient auch diese dritte Arbeit des Galiciers eine „besondere“ Würdigung. Jeder Ton der adaptierten, von seinen Mitstreitern sorgsam arrangierten, teils mit neuen Texten ausgestatteten Traditionals lässt Salvados große Liebe für die Heimat, das Wissen um deren reichhaltige Kultur, Tradition und Landschaft spüren. Autodidaktisch erwarb er sich seine Fähigkeiten als Sänger und Spieler der Pandeireta und anderer Kleinpercussion. Von früh an graste der Feldforscher Galicien nach dessen alten Rhythmen, Stilen und Tänzen ab, um diese vor dem möglichen Vergessen in die Gegenwart und Zukunft  DAVIDE SALVADO: Lobos hinüberzuretten. Darin wie auch in vielen musikästhetischen Aspekten, etwa seinem nuancierten, zärtlich-liebevollen Gesangsduktus, erinnert er an seinen Musikerfreund Eliseo Parra. Nicht von ungefähr, produzierte der Neofolker doch Árnica Pura, das 2011 veröffentlichte Solodebüt des jungen Kollegen. Zu dem Zeitpunkt hatte der 1981 geborene Salvado durch die Zusammenarbeit mit renommierten Landsleuten wie zum Beispiel dem Gaitero Budiño, genügend Erfahrung gesammelt, um fortan seinen Weg unter eigener Federführung fortzusetzen. Doch stets im Verbund mit vielen musikalischen Seelenverwandten – wie auch auf Lobos („Wölfe“), wo wir etlichen geradezu handverlesenen Spitzenmusikern Galiciens und anderer Ecken Spaniens wiederbegegnen, darunter einigen aus der nicht mehr bestehenden Band Berrogüetto, dem extravaganten Multiinstrumentalisten Xavi Lozano vom katalanischen Percussionkollektiv Coetus. Ein überaus sorgsam und einfallsreich eingesetztes Instrumentarium, von Harfe über Saxofon und E-Gitarre bis Bansuri, lässt es dem Sänger an nichts fehlen. Entsprechend farben- und lebensfroh gestalten sich seine intonierten Liebeserklärungen ans Leben, die Natur, die Bräuche und deren Übermittler, Salvados Vorfahren – und die Wölfe als Metapher des ursprünglichen, ungebändigten Galiciens.
Katrin Wilke
MAKELY KA
Cavalo Motor (CD),
Makely Ka Ao Vivo Em Belo Horizonte (DVD)

makelyka.com.br
(Eigenverlag)
Promo-CD, 15 Tracks, 52:00,
Promo-DVD, 10 Tracks, 37:20 , mit engl. u. brasil. Texten,
mit engl. u. brasil. Infos


Aus dem trockenen brasilianischen Hinterland Sertão kommt kaum mal eine Produktion zu uns, umso überraschender nun das Projekt Cavalo Motor, welches Musik, Technik, Ökologie, Geschichte, Literatur und Radfahren miteinander verbindet. Die Band besteht aus mehreren Sängerinnen und Sängern, akustischen Gitarristen und Percussionistinnen. Die Musik erinnert einerseits an die lyrischen Kompositionen von Milton Nascimento, wobei Hauptsänger Makely Ka stimmlich wesentlich tiefer, ähnlich wie Seu Jorge anzusetzen ist. Andererseits gibt es etliche Baiãos, manchmal mit gleitendem Übergang zum Rap. Insgesamt hat die Musik etwas Hypnotisches, ja, vielleicht sogar Rituelles. Das  MAKELY KA: Cavalo Motor (CD),<br> Makely Ka Ao Vivo Em Belo Horizonte (DVD) Besondere an dem Projekt aber ist das Konzept. Die Texte beziehen sich auf den Roman Grande Sertão von João Guimarães Rosa, welcher als brasilianisches Nationalepos gilt, vergleichbar mit James Joyces Ulysses. Die Gruppe folgte nun den Stationen des Romans um einen Räuber, der es zum Großgrundbesitzer schaffte und das äußerst abenteuerliche Leben im Sertão schildert. Das Ganze geschah 2012 mittels einer 1.680 Kilometer langen Radtour. Dabei legte man eine (dem Album beigelegte) Landkarte zum Verlauf des Romans an, dokumentierte die Reise auf Film und per Foto, sammelte sogar Essen, Gerüche, Klänge, Dialekte, um sie in ein noch größeres offenes Projekt einzubetten. Einen Eindruck vermittelt die oben angegebene Website. Musik ist dabei das bindende Glied. Auf der Konzert-DVD kann man im Hintergrund einige der Filme wahrnehmen. Das ambitionierte Projekt mag sich ohne Sprachkenntnisse zwar nur teilweise erschließen, zeigt aber, dass mehr Kultur im Sertão steckt, als man vermuten könnte. Allein die Fotos räumen mit dem Vorurteil auf, der Sertão sei eine ausgetrocknete Einöde. Die außergewöhnliche Herangehensweise ist mal wieder ein Beweis für die ungeheure kreative Kraft brasilianischer Künstler. Und das macht neugierig.
Hans-Jürgen Lenhart

Bücher
 Hotte Schneider: Die Waldeck : Lieder, Fahrten, Abenteuer ; Geschichte der Burg Waldeck von 1911 bis heute. / von Hotte Schneider ; mit Beitr. von Kai Engelke u.a. ; h
Hotte Schneider
Die Waldeck : Lieder, Fahrten, Abenteuer ; Geschichte der Burg Waldeck von 1911 bis heute. / von Hotte Schneider ; mit Beitr. von Kai Engelke u.a. ; h
spurbuch.de
(– 2., erw. u. überarb. Aufl. – Baunach : Spurbuchverlag, 2015. – 624 S.: mit zah)
ISBN 978-3-88778-449-2 , 38,80 EUR


Viele Menschen verbinden mit dem Mythos Waldeck nur die Festivaljahre zwischen 1964 und 1969. Schneiders Buch räumt mit dieser beschränkten Sichtweise auf. Er und seine Mitautoren erzählen, wie 1911 alles begann und sich bis heute zu einem „Gedächtnisort … für die deutsche Kultur- und Geistesgeschichte“ entwickelt hat. Schon die Erstauflage von 2005 war eine Fundgrube historischer Fakten und kleiner Anekdoten. In der zweiten Auflage wurden Fehler korrigiert. Ein neues Kapitel zeigt darüber hinaus, dass die Waldeck nicht (nur) eine Sache für Nostalgiker ist, sondern bis heute eine Rolle, unter anderem für das (deutschsprachige) Lied spielt. Unter der Überschrift „Fit für die Zukunft“ werden die Aktivitäten seit 2005 bis heute beschrieben. Darunter die 2006 erfolgte Gründung der Peter Rohland Stiftung zur Förderung des Liedes sowie die Liederfeste der Jahre 2004 bis 2014. Sie mögen nicht die Ausstrahlung haben wie ihre Vorgänger der Sechzigerjahre. Aber ihre Programme sind Jahr für Jahr eine Art Bestandsaufnahme der Liedszene. Zumal es dabei nicht nur um Musik geht, sondern in Gesprächen und Arbeitskreisen auch um gesellschaftliche Fragen. Wichtige Bücher sind nicht immer gut. Die Waldeck ist wichtig und sehr gut.
Michael Kleff
 PHILIPPE MARGOTIN/JEAN-MICHEL GUESDON: Bob Dylan : alle Songs ; d. Geschichten hinter d. Tracks / aus d. Franz. v. Marcus Würmli ...
PHILIPPE MARGOTIN/JEAN-MICHEL GUESDON
Bob Dylan : alle Songs ; d. Geschichten hinter d. Tracks / aus d. Franz. v. Marcus Würmli ...
delius-klasing.de
(– Bielefeld : Delius Klasing, 2015. – 703 S. : mit zahlr. Fotos u. Abb.)
ISBN 978-3-667-10286-7 , 59,90 EUR


Wow, was für ein Wälzer! Über zweieinhalb Kilo, 703 Seiten! Alle Songs? Nun ja, 582 Stücke sind die beiden französischen Autoren durchgegangen, von denen sie 497 (warum nicht alle, wird im Vorwort erklärt) im Buch beschreiben, inklusive der Outtakes, jener Stücke, die für eine LP/CD aufgenommen wurden, es aber nicht auf das offizielle Album schafften, und die seit 1991 in den Bootleg Series veröffentlicht wurden. Die letzten Songs stammen vom Album Shadows In The Night von Februar 2015. Mit unglaublicher, nahezu wissenschaftlicher Akribie wurde eine erstaunliche Fülle an Informationen gebündelt, in denen man wunderbar stöbern kann, ein Ritt durch fünfzig Jahre Musikgeschichte. Ein besonderes Lob gilt dabei dem Layout, das so aufgelockert ist, dass es diese Infos erschließt, ohne zu ermüden. Und was man da alles findet! Für jeden Song werden Vorgeschichte und Text erläutert sowie, falls Infos dazu vorlagen, auch Details zur Aufnahme, also wer in welchem Studio was gespielt oder produziert hat. Darüber hinaus finden sich neben zahlreichen Fotos immer wieder kleine Notizzettel, überschrieben zum Beispiel mit „Für Dylanologen“, „Mit Kopfhörern“ oder „Coverversionen“, die mehr oder wenig Interessantes in Kurzform bieten. Zwischendurch finden sich auch noch Kurzporträts wichtiger Begleitfiguren. Die oftmals unerwarteten oder gar unbekannten Infos stammen aus Interviews, die Dylan im Laufe vieler Jahre gegeben hat (für dieses Projekt wurde er allerdings nicht erneut interviewt) sowie von vielen seiner Wegbegleiter, Freunde/Freundinnen und Kollegen. Dieses einzigartige Buch ist nicht nur eine wunderbare Ergänzung zu den Songbüchern, die es schon gibt. Es ist auch ein Dokument, wie anders die Welt vor gar nicht allzu langer Zeit war (nicht nur für Musiker) und was damals alles noch möglich war.
Ingo Nordhofen

 WILLIE NELSON/DAVID RITZ: Mein Leben : e. lange Geschichte / aus d. Amerikan. von Jörn Ingwers.
WILLIE NELSON/DAVID RITZ
Mein Leben : e. lange Geschichte / aus d. Amerikan. von Jörn Ingwers.
heyne.de
(– München : Heyne, 2015. – 446 S.)
ISBN 978-3-453-27006-0 , 22,99 EUR


Einheitssacht.: It’s a long story – my life
Was kann man erwarten, wenn die Country- und Folkikone Willie Nelson auf 82 Lebensjahre zurückblickt und dabei von David Ritz unterstützt wird, der unter anderem an der Autobiografie von B. B. King mitgeschrieben und die Lebensgeschichte von Aretha Franklin verfasst hat? Auf jeden Fall gute Unterhaltung durch einen Singer/Songwriter, Lebenskünstler und einmaligen Typen, der als Musiker, Festivalveranstalter und Schauspieler Anerkennung und Kultstatus erlangt hat. Schon im ersten Kapitel wird deutlich: Hier sind zwei gute Erzähler am Werk. Das Buch gibt Einblicke in ein in jeder Hinsicht reiches, gelebtes Leben einer Persönlichkeit der Zeit- und Musikgeschichte, die im besten Sinne des Wortes eigensinnig ist und sich genau dadurch ihren Traum vom persönlichen Glück erfüllt hat. Im Zentrum von Nelsons Leben stehen „making music with my friends“, „all the girls I loved before“, Familie, Freunde und seine Arbeit, die zugleich Passion ist. Seinem Übersetzer ins Deutsche, Jörn Ingweresen, gelingt es, Nelsons „besonders langes Lied“ (Willie Nelson, S. 11) so bildhaft zu vermitteln und „zu synchronisieren“, dass der Leser die Lebensreise wie in einem Film begleiten kann und das Buch nicht wieder weg legt. Es gibt Antwort auf Fragen nach dem Warum und dem Wie einer persönlichen Entwicklung und Einsichten in eine Zeit, die auch unser Leben als Zeitgenossen geprägt hat. Dankbar, humorvoll, zufrieden und selbstkritisch blickt Nelson auf sein Leben zurück, das immer wieder dann neu anfing, wenn es am Ende zu sein schien, und in dem manches endete, was er im Anfang wähnte. „Meine Aufgabe besteht darin, Geschichten zu erzählen. Das hat mich am Leben gehalten“, sagt Willie Nelson. Dass er seit seinem achtzigsten Geburtstag mehr als dreihundert Konzerte gespielt und drei Alben aufgenommen hat, beweist: Er ist noch da, der gute alter Hillbilly aus Abbott, Texas, der Stehaufmann, den nicht mal 32 Millionen Dollar Steuerschulden umgehauen haben. Er ist „On The Road Again“. Die Umschlaggestalterin wählte als Titelbild ein Porträtfoto, das extrem neugierig auf den Autor und seine Geschichte macht. Der alte Outlaw und Freigeist umarmt darauf seine Gitarre, eine akustische Martin, die ähnliche Altersspuren aufweist wie der Künstler selbst. Da sind Menschen unter die Haut gegangen, da haben sich Erfahrungen eingeschnitten und eingebrannt, da hat es mehrfach gewaltig eingeschlagen und gekracht. Wie ein weiser Indianer steht Nelson da, der in sich und sein Instrument hineinhorcht. „Trigger“ (Gewehrabzug, Auslöser einer Kamera) hat er es nach dem Pferd eines Freundes genannt.
Kay Reinhardt
 ATTILA THE STOCKBROKER: Arguments Yard – 35 Years of Ranting Verse and  Trash Mandola.
ATTILA THE STOCKBROKER
Arguments Yard – 35 Years of Ranting Verse and Trash Mandola.
attilathestockbroker.com
cherryred.co.uk
(– London: Cherry Red Records, 2015. – 299 S.: mit zahlr. Fotos)
ISMN 978-1-909454-30-9 , 14,99 GBP


Er sieht sich garantiert nicht als Folkie, obwohl er mit Mandola und Fiddle (plus Blockflöte oder Krummhorn) unterwegs ist. John Charles Baine aka Attila The Stockbroker war und ist Punk und Poet, aber es gibt – ähnlich wie bei seinem Kumpel Billy Bragg – eine Menge Berührungspunkte mit Folk/Lied/Welt (und Alter Musik, der heimlichen Liebe mit seiner Band Barnstormer), was nicht zuletzt seiner konsequent und offensiv vertretenen linken politischen Einstellung geschuldet ist. Das Buch ist ein Spiegel seines Charakters: Geradeaus und kompromisslos, geschrieben wie gesprochen, voll mit Ansichten, denen man entweder Applaus zollt oder die Widerspruch fordern, die aber immer grundehrlich rüberkommen. Jugend an der englischen Südküste, Studium in Canterbury und nach einem kurzen und weniger als halbherzigen Job als Börsenmakler (engl. stockbroker) ist er Profimusiker, Poet, Journalist, politischer Aktivist, DIY-Organisator von Veranstaltungen zum Beispiel eines jährlichen Bier- und Musikfestivals und von Tourneen befreundeter Künstler geworden sowie hundertfünfzigprozentiger Fan seines Fußballclubs Brighton and Hove Albion. Das Buch ist packend: Attila kämpft gegen Faschisten, Thatcher oder die Golfkriege, er tourt mit Billy Bragg durch die DDR, erlebt ihre letzten Tage und ringt als ein Sozialist, der die deutsche Sprache spricht, mit der Frage: Was war gut, was schlecht, was hätte erhalten bleiben müssen? Episoden, Begegnungen, verrückte Zufälle und jede Menge Bier sorgen für abwechslungsreiches Lesen. Lediglich seine meist links-politischen Lieder- und Gedichttexte kommen auf Papier – ganz anders als auf der Bühne – ziemlich hölzern rüber. Obwohl, wer das Gedicht für seinen sterbenden Stiefvater oder seine von Alzheimer gezeichnete, geliebte Mutter lesen kann, ohne eine Träne zu weinen, der ist schlicht aus Stein. Ein harter Typ, dieser Attila, der zwar seine Frau Robina ausgesprochen liebevoll schildert, aber dennoch seinen Weg kompromisslos geht. Ein richtig tolles Buch eines ganz speziellen Künstlers und Menschen.
Mike Kamp

 GILLIAN FERGUSON: The Story Of Sandy Bells : Edinburgh’s World Famous Folk Bar
GILLIAN FERGUSON
The Story Of Sandy Bells : Edinburgh’s World Famous Folk Bar
troubador.co.uk
(– Leicester: Troubadour Publ., 2014. – 65 S. : mit Fotos)
ISBN 978-178462-100-1 , 11,99 GBP


Es gibt jede Menge gute und schlechte Kneipen, große und kleine, urige und langweilige, aber es gibt nur wenige mit dem Prädikat „legendär“ und nur ein paar Handvoll, in denen Geschichte geschrieben wurde. In Sandy Bell’s wurde zumindest Folkgeschichte geschrieben, und Gillian Ferguson hat die Fakten und die Akteure in diesem Büchlein liebevoll zusammengetragen. Eine klare, sympathische Herzensangelegenheit und die einzigen Kritikpunkte sind die ziemlich minderwertige Papierqualität und dass Sandy Bell’s im Text konsequent ohne Apostroph geschrieben wird, wenn der offizielle Name – auf Schildern zum Beispiel – dieses Zeichen vor dem Genitiv-S trägt. Eigentlich ist Sandy Bell’s – oder früher Forrest Hill Bar – eine relativ kleine, traditionelle schottische Kneipe, in der sich nahe und fernere Nachbarn regelmäßig zum Bier treffen, noch immer ohne Fernseher oder Glücksspielautomat, die sie konsequent in Selbsthilfe zu verhindern wussten. Aber genauso regelmäßig hört man – speziell abends – Livemusik aus dem hinteren Teil der Bar, wo sich seit den späten Sechzigern, frühen Siebzigern Musiker zu Sessions treffen, vom Feierabend-Fiddler bis zu den ganz großen Namen der Folkszene. Die meisten haben hier schon mal ein Pint getrunken und ein paar Tunes gespielt. Aber es ist nicht nur die Musik: Von August 1973 erschien dort alle vierzehn Tage über neun Jahre hinweg das legendäre schottische Folk-Mitteilungsblatt Sandy Bell’s Broadsheet. Diese Tatsache wiederum ist wichtig für die deutsche Folkszene, denn ohne Sandy Bell’s kein Broadsheet, ohne Broadsheet kein Folk-Michel und ohne Folk-Michel kein Folker. Richtig, die Inspiration für die Zeitschrift, die jetzt vor Ihnen liegt, resultiert schlussendlich in einem Besuch des Herausgebers in Sandy Bell’s im Sommer des Jahres 1976. Wenn das keine Folkgeschichte ist!
Mike Kamp
 MARKUS DEHM: Bluestage.
MARKUS DEHM
Bluestage.
frueher-vogel.de
(– Bochum : Verl. Früher Vogel, 2015. – 234 S.)
ISBN 978-3-937463-12-2 , 18,00 EUR


Den vielen Romanen aus dem Musikermilieu hat nun der Autor, Musikjournalist und ehemalige Folker-Redakteur Markus Dehm ein weiteres hinzugefügt. In ihm erzählt er die Geschichte der Lucy Murray, die sich gegen alle Widerstände in der Musikbranche behauptet und letztlich „ihr eigenes Ding“ macht. Journalistisch geschult, nimmt der Autor die Leser an die Hand und führt sie in die Welt der amerikanischen Musikszene ein. Behutsam beschreibt Dehm jedes noch so kleine Detail, schreibfreudig kommentiert er jede Handlung und jeden Gedanken seines Personals ausgiebig durch den Gebrauch vieler Adjektive. Wilden, unbotmäßigen Leserfantasien wird durch die auktoriale Erzählweise allerdings keine Chance gegeben, Sympathie und Empathie für die Hauptfigur bleiben außen vor. Man merkt zwar, dass Dehm sich in der Branche, mit Managern, Musik und Musikern bestens auskennt, der flotte Schreibstil, der Handlungen mehr erklärt als sie nacherlebbar zu machen, scheint einem Roman jedoch nicht angemessen. Der Triumph des Klischees – es wird „hämisch gegrinst“, die Bösen sprechen „salbungsvoll“, Begegnungen sind „skurril“ –, die voraussagbare Handlung um das Gute und das Böse, die distanzierte Haltung des Autors zu seinem Personal, all das arbeitet bestens Leseerwartungen zu, die in der Geschichte (des Musikbusiness) Schicksalsmächte und kein Menschenwerk walten sehen.
Harald Justin

 100 KINDERLIEDER FÜR UKULELE: beliebte Melodien & Hits aus Film und TV.
100 KINDERLIEDER FÜR UKULELE
beliebte Melodien & Hits aus Film und TV.
bosworth.de
(– o. O. : Bosworth Music, 2015. – 176 S. : nur Noten u. Texte. – (BOE ; 7780))
ISBN 978-3-86543-883-6 , 19,95 EUR


Und wieder einmal Noten für Ukulele, wie sollte es anders sein, so „hip“, wie das kleine Instrument derzeit ist. Diesmal sind es Kinderlieder, sowohl traditionelle als auch moderne – wobei die auch schon fast Klassiker sind („Der, die, das“ aus der Sesamsstraße oder das „Tabaluga-Lied“). Erstaunlich ist: Auch „Yellow Submarine“ ist dabei. Alle Songs werden mit Noten, Akkorden und Akkorddiagrammen sowie Text abgedruckt. Eine nette Sammlung, die man sich vielleicht eher wegen der Zusammenstellung als wegen der Verwendung mit Ukulele zulegt.
Doris Joosten



Deutschland
 ÄL JAWALA: Hypnophonic
ÄL JAWALA
Hypnophonic
jawala.de
(Jawa Records, JAWA111/Soulfire/Groove Attac/Kontor New Media)
12 Tracks, 49:01


Mit dem „Geheimnis der bulgarischen Stimmen“ über „Sign-O’-The-Times“- Beats („Wake Up“) eröffnen die Weltmusiknomaden aus dem Breisgau ihr grandioses neues Album. Urbane Balkan Beats und Melodiebögen swingen im Electrosound („Voodoo Rag“). Das harmoniert wunderbar mit der betörenden Stimme von Mamoudou Doumbouya aus Guinea („Djanto“). Und wenn ein australisches Didgeridoo zur Melodie des griechischen Liedes „Ti Se Méllei Esénane“ („What Do You Care?“) tanzt, weiß man, hier ist in allen Facetten eine wunderbare Mixtur geglückt. Im letzten Jahr kamen eine Studentin aus Israel und eine aus Palästina zum Sommersprachkurs in die Partnerstadt Emmendingen. Kurze Zeit später standen beide, Shira Shtumran und Bayan Faroun, mit Äl Jawala im Studio und sangen gemeinsam „Be Anybody“, den alles krönenden Song dieses Albums, bei dem gleich zwölf Vokalisten der Musik ihre Stimme schenken. Äl Jawala betreiben diese musikalischen Begegnungen schon seit sechzehn Jahren mit großem Erfolg. Ihre einst von dort inspirierten Balkan Big Beats sind längst in Rumänien wieder heimisch. Mit den Vibes der beiden Saxofone, die wie ein ganzes Orchester klingen, den ausgefeilten Beats, Percussion und Basslinien gelingt es ihnen, ihre Livepräsenz auf Tonträger zu bannen.
Stefan Sell
 RICHIE ARNDT: Mississippi Songs Along The Road
RICHIE ARNDT
Mississippi Songs Along The Road
riechiearndt.de
(Fuego 2606-2)
3-CD-Hörbuch: 49:11, 58:44, davon 1 Musik-CD, 11 Tracks, 46:41 , mit dt. Infos


Eine Reisedokumentation der besonderen Art hat der Gitarrist, Sänger und Produzent Richie Arndt vorgelegt. Sage und schreibe zwölf Gastmusiker sind auf der Musik-CD dabei, außerdem gibt es zwei Hörbücher mit Interviews unter anderem mit dem legendären B. B. King. Also ein Mammutprojekt, das für den 57-jährigen Arndt eine wirkliche Herzensangelegenheit darstellt. Mitarbeiter bei den Hörbüchern sind die Sprecher Knut Benzner und Ulrike Ferdinand. Die Musiker bei den verschiedenen Stücken sind: Wolfgang Brammertz (org), Björn Diewald (g, keyb), Karl Godejohann und Peter Weissbarth (dr), Stephan Schulze (trb, tba), Dieter Kropp (harm), Matthias Klause-Gauster (p), Kevin Hemkemeier (b) und Jens-Ullrich Handreka (eb). Im Chor singen Tine Vonhoegen, Christiane Eiben und Bianca Diewald-Shomburg. Das schön gestaltete Digipak mit umfangreichen Informationen stammt von Manfred Pollert. Arndt selbst komponierte den Titel „Mississippi Flowride“ und kann damit neben zehn Welthits, darunter Robert Johnsons „Crossroads“ und Marc Cohens „Walking In Memphis“, durchaus bestehen. Zum Schluss ist noch Arndts eigene Version des Elvis-Presley-Hits „Love Me Tender“ zu hören. Insgesamt eine Reise über den Highway 61 bis in das tiefe Mississippidelta der USA. Stimmungsvoll sind Arndts „Field Recordings“, und virtuos arrangiert ist der akustische und elektrische Blues des studierten Musikpädagogen. So schön kann Musikgenuss heute sein.
Annie Sziegoleit

 HELMUT DEBUS: Liekut un anners rum
HELMUT DEBUS
Liekut un anners rum
helmutdebus.de
(Thein, De 9-2015)
10 Tracks, 46:09


Debus rockt! Der „Leederkerel“ aus Brake am Weserstrand schafft es doch immer wieder zu überraschen. Obwohl, nicht wirklich, denn für seine neunzehnte Platte holte er sich, wie schon für sein voriges Album, erneut eine kleine Rockbesetzung ins Friedrich-Theins-Tonstudio. Doch dieses Mal hatten die Mitmusiker noch mehr Einfluss auf die Arrangements und agierten mehr noch als Einheit, als Band, denn als Gastmusiker. Neben Debus mit Gesang und Akustikgitarre hören wir Michael Jungbluth an der E-Gitarre, Iko Andrae am Kontrabass und Andreas Bahlmann an den Drums. Und diese Besetzung ist wirklich eine Wucht. Sie tut den Liedern des plattdeutschen Songpoeten wahrlich gut. Sie verleiht gleich dem Opener („In Amerika“) einen gepflegten Hauch von Americana, textdienlich, aber dennoch emotional unter die Haut gehend. Abgesehen davon, dass Debus für sein neues Album sehr eingängige und abwechslungsreiche Melodien gelungen sind, vermögen seine Mitmusiker die in plattdeutscher Mundart gesungenen Lieder in geschmackvolle Arrangements zu kleiden. Lieder von Fernweh, Leidenschaft und Melancholie („De Nacht is so still“), aber auch kraftvoll-ruppige Songs („Waak up un drööm“, „Blaue Wildledderschoh“) – Debus singt sich die Seele aus dem Leib und ist dabei unglaublich gut bei Stimme. Hier singt einer, der mit sich, seiner Musik und seinen Songs im Reinen ist. In der Tat, Debus rockt – auf einem großartigen Album.
Ulrich Joosten
 DIVERSE: La Fleur Orientale – Compiled By Gülbahar Kültür
DIVERSE
La Fleur Orientale – Compiled By Gülbahar Kültür
gkultur.de
(Lola’s World Records 2015)
16 Tracks, 66:17


Von Montag bis Freitag macht Gülbahar Kültür bei Funkhaus Europa die Sendung Café Mondial – Musik aus aller Welt. Sie schreibt, dichtet und baut Brücken zwischen den Kulturen. Die gelernte Journalistin, Juristin, Übersetzerin und preisgekrönte türkische Künstlerin ist eine der bekanntesten DJanes orientalischer Popmusik. Gülbahar Kültür lebt seit mehr als dreißig Jahren in Deutschland und bringt nun auf ihrem eigenen Label eine weitere wundersam verzaubernde Kompilation auf den Markt. Diese Biografie spiegelt ihr außergewöhnliches Gespür dafür, zusammenzubringen, was zusammengehört. Sie weiß, was multikulturell ist, ist Expertin im Vermitteln. Sie lässt die iranische Trickfilmerin, Illustratorin und Musikerin Marjan Farsad mit ihrem „Morgenstern“ („Setareye Soheil“) aus dem Album Blue Flowers die Blüte der morgenfrischen Fleur Orientale berührend behutsam öffnen. Es folgt eine geniale orientalische Variante des westlichen Evergreens „My Baby Just Cares For Me“ im Gewand des libanesischen Arrangeurs Jean Marie Riachi. Goethe wäre von dieser verzückenden Zusammenstellung begeistert gewesen, wusste er doch: „Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“ Gülbahar Kültür spricht in ihren Gedichten von „herzgesteuert“, und das trifft den Kern ihrer eigenen Arbeit. Absolut hörenswert!
Stefan Sell

 DIVERSE: Stimmen Bayerns – Der Irrsinn
DIVERSE
Stimmen Bayerns – Der Irrsinn
trikont.de
(Trikont US-0465/Indigo)
28 Tracks, 72:06 , mit ausführlichen dt. Infos


Achtung! Der Irrsinnsbegriff dieser Kopplung ist wohl etwas sehr weit gefasst und leichtgewichtig. Man nehme Konstantin Weckers „Absurdistan“: Geld verdienen, die Bild-Zeitung, Hartz IV, DSDS – alles Irrsinn? Oder Blutsauger: Bei zu hohem Stress so daherreden, dass man seine Kinder am liebsten „derklatschen“ würde – Irrsinn? Hans Söllner: Zu Ehren des Gerichts aufstehen sollen. Matthias Kellner: In den Tag leben und die Welt an sich abtropfen lassen. Selbst Karl Valentins und Liesl Karlstadts „Vogelhändler“, der partout einen Vogel bezahlt haben will, der nicht ist – Irrsinn? Irrsinn? Irrsinn? Skurril, vielleicht absurd – aber Irrsinn? Zumal einer, der dem harschen Wort gerecht würde? Wirklicher Irrsinn scheint doch noch etwas anderes zu sein – zerstörerischer, viel weniger begreifbar, tragischer. Gemessen daran sind diese Stimmen überwiegend fidele Unterhaltung und verfehlen das Thema so nahezu komplett. Davon abgesehen vergnüglich, oft angenehm knülle und neben viel Wort teils ausgesprochen mitreißende Musik, alt wie neu – also auch diesmal wieder eine enorme Fundgrube in Sachen Exzentrik! Mit eingebauter Anregung zum weiterbuddeln – wie man das bei Trikont von jeher gewohnt ist.
Christian Beck
 DOTA: Keine Gefahr
DOTA
Keine Gefahr
kleingeldprinzessin.de
(Kleingeldprinzessin Records/Broken Silence 12719)
Promo-CD, 12 Tracks, 49:51


Es ist sicher nur ein kleiner Schritt für die Menschheit – scheint aber ein ziemlich großer für Dota Kehr und ihre Band zu sein! Auch mitten im zweiten Karrierejahrzehnt ist die ehemalige Kleingeldprinzessin noch immer heftig am wachsen – vom „Stillen Wasser“ der frühen Tage zum „Spiegel der Zeit“ quasi, so zwei Titel des Albums. Schon vom Jungmädchen-Kassettenrekordercharme ihrer ersten Veröffentlichungen ging es zunehmend rasanter aufwärts zu geschmeidiger konstruierten Songs und komplexeren, opulenteren Instrumentierungen. Keine Gefahr geht nun noch einen deutlichen Schritt darüber hinaus – zu noch runderen Kompositionen in erheblich modernerer Produktion als bisher jemals der Fall! Das Akustikformat ist sowieso nicht mehr gesetzt. Ab nun jedoch wird sogar deutlich synthetisch instrumentiert, und zwar geschmackvoll, stimmig und ohne dass auch nur irgendetwas nicht passen würde. Nur der Worte scheinen es in Dotas freundlich-charmanten Erzählungen und Betrachtungen mitunter auch heute noch das eine oder andere zu viel für den eigentlichen Melodiefluss zu sein. Aber das ist wohl eines von Dotas zentralen Alleinstellungsmerkmalen – es muss am Ende ja nicht alles geändert werden.
Christian Beck

 GERMAN GEORDIES: Blackhill Stories
GERMAN GEORDIES
Blackhill Stories
wernerschuessler.de
klausbrantzen.de
(Eigenverlag, )
13 Tracks, 48:48


„Geordies“ nennen sich die Einwohner von Northumberland in England, die German Geordies aber stammen aus Rheinhessen. Blackhill ist ein Stadtteil von Consett nahe Newcastle. Der Schauspieler Klaus Brantzen (Gesang, Mandoline, Harfe, Blockflöte, Mandola, Gitarre, Löffel) und der Musiklehrer Werner Schüßler (Gesang, Gitarre, Mandola, Bouzouki, Bass) haben sich indes nicht nur der nordenglischen, sondern auch der irischen, schottischen, bretonischen, sizilianischen und deutschen Volksmusik in Form von sieben Liedern und sechs Instrumentals für ihre Blackhill Stories angenommen. Das Duo hat zudem als Sahnehäubchen Andrew Cadie (Gesang, Northumbrian Pipes, Fiddle, Bass) von den Broom Bezzums mit dabei, der die Scheibe auch produzierte. Dieser Engländer hat sich schon in Geisterbahn deutscher Volkslieder angenommen und stand vielleicht auch Pate für das Doppellied „Cockels and Mussels/Das Ringlein“ („In einem kühlen Grunde“) und für „Barbara Allen“ aus der Feder Theodor Fontanes, drei Balladen voller Tod und Todessehnsucht. Rheinhessener gelten eigentlich als weinselig-fröhliche Leute, doch dieses Album schwimmt in einer nahezu gothic-haften Melancholie, die eine tiefe, sehnsuchtsvolle Liebe zum Leben ausstrahlt.
Michael A. Schmiedel
 HORCH: Die Hallesche Störung
HORCH
Die Hallesche Störung
gruppe-horch.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 41:49 , mit Texten u. Infos


Seit über fünfunddreißig Jahren gibt es die Folkrocker aus Halle (Saale), und damit gehören sie zu den dienstältesten Bands ihres Genres in Deutschland. Das neue Album könnte man als Lobpreisung auf ihre Heimatstadt verstehen, gäbe es da nicht auch zweifelhafte Zeilen wie „doch Halle ist ne arme Stadt, die viel zu wenig Reiche hat“. Obwohl die Lieder wie gewohnt nach Renaissance und Barock klingen, sind es fast ausnahmslos keine Traditionals, sondern eigene Stücke, zumeist des Sängers und Gitarristen Klaus Adolphi oder von Andreas Fabian, der an Querflöte und diversen Krummhörnern zu hören ist. Mitunter erinnert das an Jethro Tull, was nicht verwundert. Horch tourte mehrfach als Vorband von Ian Anderson & Co. durch die Lande. Ein Markenzeichen der Band sind derb-erotische Songs wie „Tittenklapp“ mit historischem Hintergrund: „Vom Roten Turm ums Eck, da ist das Lustversteck.“ Des Weiteren wird vom Kardinal nebst Mätresse berichtet, vom Meisterdieb und Edelräuber Käsebier oder in einem Gassenhauer von der Volkskaffeehalle. Passend dazu sind die Herren Volksmusikanten auf Cover und Booklet in historischen Kostümen im Stile der Zeit zu bewundern.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 NOBODY KNOWS: Drei Minuten Gehör
NOBODY KNOWS
Drei Minuten Gehör
prosodia.de
nobodyknows.de
(Prosodia)
22 Tracks, 69:48 , mit Infos


Das Album Drei Minuten Gehör besteht eigentlich aus zwei Produktionen. Im ersten Teil werden Texte von Tucholsky musikalisch umgesetzt. Im zweiten Teil gibt es Tucholsky als Rezitation ohne Musik. Die CD schließt mit zwei alternativen Versionen, die man gut und gern als Bonustracks bezeichnen kann. Das Werk kommt dadurch auf eine stolze Gesamtspielzeit von fast siebzig Minuten. Die Liedermacher aus Stendal beginnen furios. Die Texte Tucholskys klingen heute eher topaktuell als zeitlos und werden rotzfrech und voller Liebe interpretiert. Das klingt mal ein wenig nach Degenhardt, mal nach Folkrockbands wie Mutabor. Charmante Einfälle wie die passend unpassend beschwingte Militärmusik in „Der Graben“, mit Kanonenfeuer unterlegt, oder das punkig gehaltenen Igel-Lied „Anna-Luise“ sorgen beim Zuhörer für Vergnügen und Neugier. Der zweite Teil wäre in einem Hörbuchmagazin vermutlich sinnvoller rezensiert als im Folker. Natürlich ist Tucholsky gerade mit launigem Dialekt ein Hörerlebnis. Die Aufteilung auf zwei CDs, wenn auch Rohstoffverschwendung, wäre hier aber naheliegend gewesen. So bleibt als Ergebnis ein ungewöhnliches, aufwendiges und kostbares Album, das man in der Regel nur bis zur Mitte hört.
Christian Elstrodt
 PAULSON: Between Worlds
PAULSON
Between Worlds
paulson-songwriter.de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 58:45 , mit Texten


Paulsons Presseinfo erschöpft sich in einem „Ich bin eher ein stiller Songwriter, und das ist mein achtes Album“. Bei solcher Bescheidenheit ist es gut, dass es den Folker gibt. Denn für Scheiben wie Between Worlds wird die Zeitschrift gemacht, um großartige Musik aus dem Weltmusik- und Liedsektor jenseits von Hitformatmarketing ein Forum zu geben. Und großartig ist durchaus eine angemessene Beschreibung für die Songs von Paulson. Mit einer Stimme, die an John Watts in seinen ruhigeren Tagen erinnert, haut der Künstler eine Songperle nach der anderen auf das Album. Bereits der Opener „Dreamwalking“ berührt den Hörer, man möchte den Text verstehen, oder besser gleich mitsingen und nachspielen. „Heart Of Stone“ hat das Zeug zum Klassiker und würde auch Christy Moore gut zu Gesicht stehen, und beim Abschluss „Yeah, Yeah“ ist sogar Lou Reed durchzuhören. Das Gitarrenspiel ist filigran, die Produktion sauber, der englische Gesang für einen deutschen Musiker überragend. Das große Geheimnis von Paulson liegt aber im gelungenen Spannungsaufbau der Kompositionen. Das lang vermisste Ziehen im Magen, das sich nur langsam auflösen möchte, wenn die Harmonien perfekt aufeinandertreffen. Paulson. Kaufen.
Christian Elstrodt

 MARKUS ROHMANN: Himmel auf Erden
MARKUS ROHMANN
Himmel auf Erden
rohmannsongs.de
(Acoustic Music Records 319.1552.2/Rough Trade)
12 Tracks, 53:02 , mit dt. Texten u. Infos


Es gibt zwei Dinge, vor denen sich Bühnenmenschen fürchten: die Pause und langsames Tempo. Es könnte ja sein, dass Zuschauer in einen Spontanschlaf fallen oder sich sonstwie unterfordert fühlen. Diese Sorge hat Markus Rohmann offensichtlich nicht. Auf seinem Album Himmel auf Erden zeigt er sich als Meister des Timings. Der Mann hat die Ruhe weg. Warum auch nicht, Gitarre spielen kann er, das merkt man schnell. Sonst hätte Peter Finger ihn auch nicht auf sein Label geholt. Logisch. Singen kann Rohmanm auch, und wenn Kollege Stoppok gelegentlich durchzuhören ist – da gibt es Schlimmeres. Stefan ist schließlich einer von den Guten. Rohmanns Texte sind stimmig. Da gefällt sich kein Achtzehnjähriger in cowboymäßiger Weltschmerzattitüde, da weiß einer, wovon er singt, mit trockenem Witz und nachvollziehbaren Emotionen. Bei einem Großteil der Stücke hat sich Markus Rohmann Samirah Tariq ins Boot bzw. aufs Pferd geholt. Auch wenn Samirah sehr schön singen kann – eine tiefe Männer- und eine helle Frauenstimme zusammenzubringen ist nicht ganz einfach, und es klappt auch hier nicht immer. Außerdem stimmt das textliche Timing (da isses wieder) nicht immer. Aber das buchen wir mal unter Geschmackssache. Alles in allem ist dies eine sehr gelungenes Werk. Chapeau!
Jörg Ermisch
 KAI STRAUSS: I Go By Feel
KAI STRAUSS
I Go By Feel
electricbluesallstars.com
(Continental Blue Heaven CBHCD 2027/In-akustik)
13 Tracks, 64:41


Was für ein Bluesalbum! Frisch und modern, gleichzeitig erdig und den Traditionen des elektrischen Blues zwischen Chicago und Texas folgend. Schon in der Stammbesetzung sind die Electric Blues Allstars eine Klasse für sich, doch hier erfährt die Band um Kai Strauss durch diverse, „handverlesene“ Gäste noch einmal einen Push nach vorne. Diese fügen sich aufs Stimmigste ins Gefüge ein, und so entstehen spannend sich abwechselnde Gitarrensoli zwischen Mike Wheeler und Kai Strauss („Gotta Wake Up“, „Back And Forth“ sowie der Slowblues „Money Is The Name Of The Game“) oder der mehr Slide- und Twang-orientierten Spielweise von Tony Vega. Lässig und elegant grooven „Ain’t Gonna Ramble No More“ oder „I Take My Time“ mit dem fantastischen Thomas Feldmann an der Harmonika. Zwei Stücke des Albums sind eine Referenz an den unvergessenen Luther Allison, und so übernimmt auf „Luther’s Blues“ und „Soul Fixin’ Man“ der Schlagzeuger der ehemaligen Luther Allison Band hier den Part als Sänger. Was Tommie Harris und Kai Strauss dort abliefern, treibt den Fans des unvergleichlichen Luther Allison die Tränen in die Augen und dem Meister selbst, auf seiner Wolke im Blueshimmel, gewiss ein breites Grinsen ins Gesicht.
Achim Hennes

 WIBBELSTETZ: … ansonsten in Bestform  WIBBELSTETZ: Die Wilden Jahre
WIBBELSTETZ
… ansonsten in Bestform
wibbelstetz.de
(Archipoeta Songs)
6 Tracks, 22:30 , mit Fotos u. dt. Infos


WIBBELSTETZ
Die Wilden Jahre
wibbelstetz.de
(Archipoeta Songs)
18 Tracks, 71:54 , mit Fotos u. dt. Infos


Zu ihrem dreißgjährigen Bandjubiläum bringt die Nordeifeler Combo Wibbelstetz gleich zwei CDs auf den Markt. Die Wilden Jahre waren voller Schaffenskraft. Davon zeugen ihre Evergreens von „Mir senn von högerm Bröddezong“ über „Himbeermarmelad“ und „En der ahle Kaschemm“ bis zu „Hehm john“. Auch wer diese Lieder kennt und schon längst daheim hat, hört bei den neuen Aufnahmen gereiftere Stimmen heraus, nicht mehr ganz so frech und wild wie dereinst, sondern etwas gesetzter, wie man sich „de Eefler Buure“ so vorstellt. … ansonsten in Bestform sind sie aber doch, ärgern sich über das tägliche Pendeln „Möt de Bahn“ oder über „Menge Schwore Hepp“ und scheuen sich nicht, zwei englischsprachige Countrysongs ihrem ansonsten ripuarischen Repertoire hinzuzufügen. „Setz die Segel“ schreit nach Leben, „Du kanns hühle, du kanns flooche“ erkennt aber die Vergänglichkeit desselben. Günter Hochgürtel, Mario Derichs, Linus Krämer, Jürgen Schröder und Werner Dederichs stehen hier für zugleich lebensfrohe und sehr ernste Musik, voller Selbstironie, Heimatliebe und Respekt vor dem Leben. Und dank ihrer weiß man, das Ripuarisch nicht unbedingt Kölsch sein muss.
Michael A. Schmiedel



Europa
 GREN BARTLEY: Magnificent Creatures
GREN BARTLEY
Magnificent Creatures
grenbartley.com
(Fellside Recordings FECD268)
11 Tracks, 43:53 , mit engl. Texten


Das dritte Album des englischen Singer/Songwriters und Gitarristen beginnt dramatisch und mit vollem Einsatz der Instrumente, ähnlich wie die gerade Rechte eines Boxers zur Eröffnung. Man schüttelt sich leicht benommen. Dann kommt ziemlich schnell ein wunderbares, zurückgenommenes Stück wie „Angels Fade“, und schon ist wieder klar, wo Bartleys Stärke liegt. Einschmeichelnde Melodien mit seiner ganz speziellen Stimme vorgetragen, unterstützt vom einfühlsamen Gesang von Julia Disney (Piano, Violine) und Sarah Smout (Cello), plus Lydia Glanville, die die Percussion mit großer Kraft ebenso wie mit zarter Hand spielen kann, und fertig ist Bartelys einzigartige Band. Bei den meisten Stücken sind im Studio noch Jim Sutton (Bass) und Matt Marks (Akkordeon) dabei. Langsam wird klar, wie Bartley und seine drei Damen arbeiten: Er schreibt und singt alle Songs, Glanville erarbeitet eigenständig die Percussion, und Disney und Smout kümmern sich um die Streicherarrangements. All das kommt dann abwechslungsreich zusammen, mal laut und ungestüm, mal vertrackt und manchmal als leiser Ohrwurm. Klingt eigentlich immer wie Bartley & Co., und ein größeres Kompliment kann man einem Künstler nicht machen.
Mike Kamp
 THE BROTHERS NAZAROFF: The Happy Prince
THE BROTHERS NAZAROFF
The Happy Prince
hamburgklezmerband.com
(Smithsonian Folkways SFW CD 40571, Galileo MC)
14 Tracks, 47:09


Nur wenig weiß man über Nathan „Prince“ Nazaroff (die Anführungszeichen gelten als Teil des Namens), der 1914 aus „Mitteleuropa“ in die USA kam und vierzig Jahre später bei Folkways das Album Jewish Freilach Songs herausbrachte. Vor etwa vier Jahren wurde dieses Album von Moses Asch neu als 30-cm-LP aufgelegt (FW 6809). Genug für den Wahlberliner Daniel Kahn (voc, acc), zusammen mit Michael Alpert (g, voc; Brave Old World), Bob Cohen (mand, voc; Di Naye Kapelye) sowie Kahns Painted-Bird-Kollegen Jake Shulman-Ment (viol) und Hampus Melin (dr), das gesamte Album als Brothers Nazaroff neu einzuspielen. So entsprechen gezielt die ersten neun Stücke genau der Reihenfolge des Originalalbums des „Prinzen“, Lieder, die den Zuhörer in die jiddische Welt von einst versetzen, mit Texten auf Jiddisch, Russisch oder auch Englisch. Lieder und Weisen, die auch in der neuen Welt bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts ein integraler Bestandteil osteuropäisch-jüdischen Lebens waren und letztlich einen Teil der Basis für das Klezmer-Revival ab etwa 1970 bildeten. Ein umfangreiches Begleitheft mit aufklärenden Essays und Liedtexten macht das gesamte Album zu einem Muss für Klezmer-Aficionados.
Matti Goldschmidt

 CARA: Yet We Sing
CARA
Yet We Sing
cara-music.com
(Artes CD ARCD 4050)
13 Tracks, 55:37 , mit ausführlichen Infos


Wieviel Power steckt in diesem fünften Streich der erfolgreichen deutschen Irish-Trad-Band um Ausnahmefiddlerin Gudrun Walther und Gitarrist Jürgen Treyz! Nach dem deutlich folkpoporientierten Album Horizon jetzt die Rückbesinnung auf die Kernkompetenz der Band, sound- und arrangiertechnisch exzellente, virtuos dargebotene traditionelle Musik aus Irland und Schottland. Lebendig traditionell heißt auch, sehr geglückte genretreue Neukompositionen, gutes Songwriting sowie Textvertonungen, die auch schwere Lebensthemen emotional und treffsicher aufgreifen. Hendrik Morgenbrodt (der „Neue“) – Shootingstar der hiesigen Uilleann-Pipes-Szene – lässt mit seinem rasanten, höchst beeindruckenden und empathischen Dudelsackspiel aufhorchen. Jürgen Treyz’ Liebe zur Dobro bekommt ihren Raum in einigen fast nach American Newgrass klingenden Tracks. Eine mutige Bearbeitung des legendären „Little Musgrave“ steht neben furiosen Reels wie etwa „Torrid Romance“ von Liz Carroll. Kim Edgars feine Stimme und ihre pointierten, dicht und trotzdem transparent mit der Gitarrenbegleitung und Rolf Wagels Bodhrán verwobenen Pianolinien vollenden diese wirklich wunderschöne Produktion. Oft anhören, es tauchen immer neue Zaubereien auf!
Johannes Schiefner
 CARROUSEL: L’Euphorie
CARROUSEL
L’Euphorie
carrousel-musique.com
(Jazzhaus Records/In-akustik)
13 Tracks, 41:10 , Booklet mit frz. Texten


Carrousel ist ein Folkpopduo aus der frankofonen Schweiz. Sophie Burande und Léonard Gogniat spielen eigene Songs. Folkpop heißt hier eher folkiger Pop als poppiger Folk. Die Songs würden als Straßenmusik sicher großartig funktionieren, zwei Stimmen, akustische Gitarre, dazu Einwürfe von Akkordeon oder Melodica. Bei ihrem dritten Album haben sie sich nun aber erstmals mit einem Produzenten zusammengetan. Und das war eine gute Idee. Jean-Louis Piérot hat den Sound des Albums so geschliffen, dass man sich jeden zweiten Song als Sommerhit vorstellen kann (und auch wünscht). Dem melancholischen Track „Le Virage“ hat er zum Beispiel eine sanft dahingestreichelte Funkgitarre zugemischt. Wunderbar. Burande und Gogniat leben im Schweizer Jura, Burande kommt aber ursprünglich aus der Auvergne. Kennengelernt haben sie sich über ihre gemeinsame Liebe zum Akkordeon. Schnell liebten sie sich dann aber auch gegenseitig. Und hoffentlich werden jetzt ganz viele ihr neues Album lieben.
Christian Rath

 STEVE CRAWFORD & SABRINA PALM: In Balance
STEVE CRAWFORD & SABRINA PALM
In Balance
crawfordpalm.de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 50:37 , mit dt. Infos


Das Debütalbum der in Bonn lebenden Geigerin Sabrina Palm und des schottischen Sängers/Gitarristen Steve Crawford verlässt sich, fernab jeglicher im Studio addierten Produktionseffekte, auf das interpretatorische Können der Instrumentalisten und die musikimmanenten Stärken des Repertoires irischer und schottischer Tanzmusik. Der Fokus der gemeinsamen Arbeit liegt, wie auch der Albumtitel dokumentiert, auf musikalischem Gleichgewicht und Rhythmus – beides grundlegende Eigenschaften der ursprünglich als Tanzbegleitung eingesetzten Folkmusik beider nationalen Traditionen. So interpretieren Palm und Crawford die Reels, Jigs, und den schottischen Strathspey auf im besten Sinn konservative Weise, stellen die Melodie in den Vordergrund und statten sie mit sparsamen Arrangements aus, in denen die Gitarre die Geigenstimme harmonisiert und gleichzeitig Rhythmusinstrument ist. Die Auswahl der Tunes und Lieder ist bestechend. Hier reihen sich beliebte irische Traditionals an Eigenkompositionen von Palm und befreundeten Musikern (etwa von Fiddlemeisterin Liz Carroll oder von Mitgliedern der Band Gráda) und mischen sich mit Fundstücken einer schottischen Liedersammlung aus dem 19. Jahrhundert. Auch Crawfords Song „Hope Remains“ bereichert dieses in allen Belangen gelungene Album.
Judith Wiemers
 DUO BOTTASSO: Crescendo  FILIPPO GAMBETTA: Otto Baffi  OI DIPNOI: Bastrika
DUO BOTTASSO
Crescendo
duobottasso.com
(Eigenverlag/Galileo)
9 Tracks, 48:58


FILIPPO GAMBETTA
Otto Baffi
filippogambetta.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 38:11


OI DIPNOI
Bastrika
narrator.hu
(NarRator Records NRR143)
15 Tracks, 60:43


Wahre Weltreisen auf dem Organetto, dem diatonischen Akkordeon, versprechen drei neue Alben aus Italien. Otto Baffi, der Titel des neuen Werks von Filippo Gambetta, spielt eigentlich auf „Otto Bassi“, die acht Bässe seines Knopfakkordeons an. Die „ff“ der Schutzhülle stehen sowohl für „fortissimo“ als auch für „Bässe“. Lustvoll spielerisch führt die Reise des Genuesen von süditalienischen Tarantellen über die Auvergne bis zu einem brasilianischen Forro. Der Ligurer macht mit dem Organetto Tanzmusik, der er oft jazzige Skalen einwebt.
Der okzitanische Teil des Piemonts beruft sich gerne auf die keltischen Wurzeln seiner Kultur, so auch das Duo Bottasso. Die Brüder Simone Bottasso (Organetto, Flöte, Saxofon) und Nicolò Bottasso (Violine) machen ebenfalls einen Abstecher nach Frankreich und Brasilien. Ihre Musik bewegt sich packend zwischen Folk, ernster Neuer Musik und Jazz. Für besondere Akzente sorgen die Aushängeschilder der sardischen Musikszene, die Sängerin Elena Ledda und der Saitenvirtuose Mauro Palmas.
Dipnoi sind Lungenfische, lebende Fossilien. Die drei Sizilianer blasen frische Luft in die Lunge ihres Organetto und den Dudelsack und bewahren ihre Tradition vor einem Fossilisieren. Der Bass und eine akzentuiert eingesetzte Percussion geben dem in Ungarn aufgenommenen Album einen archaischen und auch experimentellen Touch. Die ungarischen Gäste sorgen mit Laute, Zither, Gesang und Blasinstrumenten für überraschende Akzente.
Martin Steiner

 PIERS FACCINI & VINCENT SEGAL: Songs Of Time Lost
PIERS FACCINI & VINCENT SEGAL
Songs Of Time Lost
piersfaccini.com
(No Format #24/Naïve/Indigo)
Promo-CD, 13 Tracks, 40:42


„Esci Sole“ sangen die neapolitanischen Wäscherinnen einst frühmorgens, wenn die Sonne aufging. Achthundert Jahre alt soll das mystische Lied sein. Ein passender Auftakt für eine Rückblende auf die fünfundzwanzigjährige musikalische Freundschaft des englisch-italienischen Sängers und Gitarristen Piers Faccini mit dem französischen Cellisten Vincent Segal. Wenn Piers Faccini englisch singt, erinnert seine ruhige, warme Stimme an Nick Drake oder den frühen Bert Jansch. Vincent Segal setzt sein Cello nicht selten pizzicato als Leadgitarre oder Bass ein. Über allen Liedern schweben eine sanfte Melancholie und verhaltene Freude. Die Songauswahl reicht von Eigenkompositionen bis zu „Make Me A Pallet On Your Floor“ von Mississippi John Hurt oder „Quicksilver Daydreams Of Maria“ von Townes Van Zandt. Neapolitanisch und Kreolisch gesungene Lieder bereichern den Klangkosmos des Duos. Die Zeit, in der die Stücke entstanden, mag verloren sein, doch deren Interpretation auf dem Album ist zeitlos schön. Die Kollegen von Songlines wählten Songs Of Time Lost zu einer der schönsten CDs des Jahres 2014. Höchste Zeit also für den Folker, das kleine Juwel vor dem Vergessen zu bewahren.
Martin Steiner
 FLOATSTONE: Skipping Over Damaged Area
FLOATSTONE
Skipping Over Damaged Area
floatstone.be
(Eigenverlag FLTSTN 2015-001/Hemifrån)
Promo-CD, 12 Tracks, 47:12


Hinter Floatstone verbirgt sich der Belgier Brick de Bois, über den ansonsten nicht sehr viel herauszufinden ist. Skipping Over Damaged Area ist sein zweites Album, bei dem seine schnittig gespielte akustische Gitarre im Mittelpunkt steht. Unter den zwölf Titeln fallen zwei Coverversionen auf, Songs von Ani Di Franco und Joni Mitchell. Das gibt die Richtung vor, in die sich de Bois bewegt. Folk von der Basis her, mit jazzigem Gefühl. Die Stimme von Brick de Bois ist nicht allzu einprägsam, etwas brüchig obendrein. Durch sein rhythmisches, kräftiges Gitarrenspiel macht er diese Schwäche jedoch wett. Gelegentlich erklingen im Hintergrund auch Schlagzeug und Percussion, die Akzente setzen, doch nie in den Vordergrund gemischt werden. Die Musik von Floatstone ist ohne Affekte und ohne Effekthascherei. Obendrein ist dieses Album aus recycelten Materialien hergestellt. Purer geht es eigentlich kaum.
Michael Freerix

 BEPPE GAMBETTA & TONY McMANUS: Round Trip
BEPPE GAMBETTA & TONY McMANUS
Round Trip
beppegambetta.com
tonymcmanus.com
(Borealis Records)
11 Tracks, 48:32


Die beiden Steelstring-Großmeister treffen nicht zum ersten Mal aufeinander. Als Men of Steel waren sie bereits 2003/2004, ergänzt durch Dan Crary und Don Ross, auf Tour. Flatpicking versus Fingerstyle – so dicht, wie die Gitarrenlinien hier verflochten sind, ist kaum mehr auszumachen, wer das Plektrum führt und wer die fingereigenen Nägel. Glücklicherweise verfügen der Mann aus Genua und der heute in Kanada lebende Schotte neben einem Höchstmaß an Virtuosität über die entsprechende Musikalität, um die „Rundreise“ zu einem vollendeten Genuss werden zu lassen. Und das sicherlich nicht nur für Gitarristen, denn Gambetta entpuppt sich als souveräner Sänger, etwa in „Valzer Per Un Amore“, einem ganz zauberhaften Walzer aus der Feder von Fabrizio De André. McManus wechselt schon mal zur 36-saitigen „Pikasso“-Gitarre, einem voluminös klingenden Instrument der kanadischen Gitarrenbauerin Linda Manzer, das Pat Metheny vor Jahren erstmals einem staunenden Publikum präsentierte. Der Round Trip führt musikalisch durch Italien, Schottland, den Nahen Osten und den Wilden Westen. Wann haben sich Musiker je um Grenzen geschert?
Rolf Beydemüller
 PEPE LUIS CARMONA HABICHUELA: La Vida Llega
PEPE LUIS CARMONA HABICHUELA
La Vida Llega
facebook.com/pepeluis.carmonahabichuela
(Nuevos Medios NM 15928/Galileo MC)
9 Tracks, 30:39 , mit span. Infos u. Texten


Nun, wo das Madrider Pionierlabel des Nuevo Flamenco nach dem Tod seines Chefs die Arbeit wieder aufnimmt, tritt auch ein früher Protagonist dieser musikalischen Modernisierungsbewegung wieder ans Licht. Der Cantaor trägt schon viel Flamencoschwergewicht und -geschichte im Namen. Der Sohn des Gitarristen Luis Habichuela kommt aus dem gleichen in Andalusien verwurzelten Clan wie die Brüder der revolutionären Madrider Flamenco-Fusion-Band Ketama, deren jüngere „Filiale“ La Barbería del Sur war. Nach der Erfahrung mit dieser von ihm mitgegründeten Band begab sich der Gitano auf eigene Wege und legt nun, siebzehn Jahre nach seinem Solodebüt, ein zweites Album vor. Man fühlt sich ein wenig in die Anfangszeiten jener Flamenco-Bilderstürmer versetzt. Der Mann verlässt sich auf sein von der Pike auf gelerntes Handwerk, versucht dabei offenbar nicht, das Rad der Geschichte großartig weiterzudrehen. Was nicht schlimm ist, denn dieser insbesondere ab den Achtzigern durch Jazz, Funk, Latin u. v. a. verjüngte Flamenco klingt für unsere Ohren ungebrochen frisch und zeitgemäß. Und wer von all dem nichts weiß, bekommt mit dem Album und seinen prominenten Mitwirkenden allemal einen guten Einblick in den zeitgenössischen, urbanen Flamenco.
Katrin Wilke

 LUKE JACKSON: This Family Tree
LUKE JACKSON
This Family Tree
lukepauljackson.com
(First Take Records FTCD001)
7 Tracks, 28:48 , mit engl. Texten


Ist das eine kurze CD oder doch eher eine lange EP? Egal, Luke Jackson aus Canterbury, England, ist nicht mehr der Überraschungsteenager vergangener Jahre, das ist der Lauf der Dinge. Die Zeiten ändern sich und mit ihnen sich ihr Sound. Jackson hat jetzt eine feste Miniband, Andy Sharps (Bass, Begleitgesang) und Connor Downs (Percussion, Begleitgesang), und da Jacksons Gitarre nun häufig eine elektrische ist, hat das Album einen bluesigen bis dezent rockigen Klang. Das passt gut zu Jacksons Songs, die nie besonders leichtfüßig und optimistisch daherkommen. Caitlin säuft ihr junges Leben schön, die Brüder Joey und Jack entkommen ihrem kaputten Hintergrund nicht, und der andere Joey ist auch nicht glücklich darüber, dass seine Tochter unabhängig wird. Solche wenig erbaulichen Themen interpretiert Jackson mit seiner kräftigen und modulationsfähigen Stimme so intensiv, dass das Lied und sein Schöpfer immer im Zentrum stehen. Und live bringt er das notfalls auch mutterseelenallein ebenso überzeugend rüber. Älter ist Luke Jackson geworden, aber auch besser, er ist einfach saugut – und er hat noch unendlich viel Potenzial!
Mike Kamp
 KAPELA MALISZÓW: Mazurka niepojete – Inconceivable Mazurkas
KAPELA MALISZÓW
Mazurka niepojete – Inconceivable Mazurkas
kapelamaliszow.com
(Karrot Kommando KK79/Polskie Radio)
16 Tracks, 57:36 , mit poln. u. engl. Infos


Das Debütalbum der Kapela Maliszów ist ein Familienprojekt, und es ist ein Album voller polnischer Tanzmusik. Die von Familienvater Jan Malisz und Sohn Kacper selbst geschriebenen Mazurkas, Polkas, Polonaisen und Furtoks spiegeln alte polnische Folktraditionen, werden jedoch durch die junge Musikgeneration neu und aufregend interpretiert. „Als ich meinen Kindern die Oboreks aus der Region Pogórze beibrachte, waren sie unbeschriebene Blätter. Sie begannen die Musik auf ihre eigene Art zu spielen“, so Malisz. Es entstanden fröhlich-deftige Tänze im Mazurkastil, in sich kreisende Melodien voller Rhythmusverschiebungen, filigrane Geigenweisen mit pulsierender Akkordeonbegleitung und wehmütige Lieder zur Drehleier, die ihrerseits teilweise traditionellem Repertoire entnommen sind oder eigens komponiert wurden. Das virtuose Geigenspiel Kacpers wird bisweilen lautstark von seinen Mitspielern – wie bei einem deftigen Tanzvergnügen – angefeuert, und die klare Bruststimme von Tochter Zuzanna Malisz verleiht den ernsten Balladen besondere Strahlkraft. Die jugendliche Energie, Leidenschaft und ausgelassene Freude am Musizieren, gepaart mit der Potenz der Eigenkompositionen, machen dieses Album so stark.
Judith Wiemers

 ANNE-MARI KIVIMÄKI: Lakkautettu Kylä – A Closed Down Village
ANNE-MARI KIVIMÄKI
Lakkautettu Kylä – A Closed Down Village
annemarikivimaki.fi
(Kihtinäjärvi Records K3JCD007)
12 Tracks, 46:54


Das ist buchstäblich Kino für die Ohren! Dieses komplexe Werk der Finnin ist Teil ihrer Doktorarbeit an der Sibelius-Akademie und behandelt Auflösung und Geschichte des karelischen Dorfes Suistamo während des Zweiten Weltkriegs. Heute gehört es zu Russland. Grundlage für diese vielschichtige Arbeit aus Kompositionen, Traditionals und gesprochenen Originalaufnahmen (auf Finnisch) ist eine Fotoausstellung über dieses Dorf. Als Inspiration dienten die Aufzeichnungen des karelischen Erzählers und Akkordeonisten Ilja Kotikallio (gest. 1961). Die Kompositionen erschaffen durch ihre dramatische Kraft die Bilder neu, sind eine hörbare Entsprechung des Sichtbaren und der Erlebnisse der Bewohner. Dabei kommen finnlandtypische Instrumente wie diverse Arten der archaischen Kantele und das Akkordeon ebenso wie die Stimmen der Musiker zum Einsatz. Beeindruckende künstlerische Umsetzung von Geschichte.
Imke Staats
 ANNBJØRG LIEN: Drifting Like A Bird
ANNBJØRG LIEN
Drifting Like A Bird
annbjorglien.com
(Heilo, HCD 7292)
9 Tracks, 34:54 , mit engl. u. norw. Texten


Bei der norwegischen Meistergeigerin ist es leicht zu vergessen, dass sie auch eine hervorragende Sängerin ist. Auf dem neuen Album zeigt sie, wie wunderbar sie beides verbinden kann. Mit zwei Ausnahmen hat sie alle Lieder selbst geschrieben, einmal benutzt sie eine traditionelle Melodie, einmal griff Kollege Niels Christian Geelmuyden zur Feder. Es geht langsam los, irgendwie traurig, ist schließlich auch ein Walzer, „Sailor’s Waltz“. Es geht um Abschied, klar. Sie singt einige Male auf Englisch (und da klingt sie, auch durch die von Roger Tallroth gelieferte Bouzouki-Begleitung, wie eine norwegische Anne Briggs). Das Englische geht mit dem Walzer los, aber diese Sprache liegt ihr nicht so ganz, ihr Gesang klingt unsicher und sehr zurückhaltend. Es wird gleich ganz anders, wenn sie dann auf Norwegisch loslegen kann. „Verrückte und Normale“ heißt ein Lied, das irgendwie Mut macht im alltäglichen Wahnsinn. „Shetland Bus“ heißt ein anderes, das den norwegischen Seeleuten gewidmet ist, die im Zweiten Weltkrieg norwegische Widerstandsleute und sonstige von den deutschen Besatzern gesuchte Menschen nach Shetland brachten. Der Abzählreim „Elle Melle“ klingt durch einen neuen Rhythmus und im Duett mit Cathy Jordan wie hebridisches Puirt a’bhéil. Ein sehr variiertes Album also, und durch und durch ein Hörgenuss.
Gabriele Haefs

 RUNRIG: The Story
RUNRIG
The Story
runrig.co.uk
(Sony Music)
Promo-CD, 11 Tracks, 48:26


Schwer vorstellbar, aber das ist offiziell das letzte Album der schottischen Folkrocker. Halt, nicht so ganz, denn die Betonung liegt auf Studioalbum, womit uns die Jungs wohl sagen wollen, Runrig hat noch nicht fertig! Der selbst gewählte Abschied auf Raten kommt für die Fans nicht völlig überraschend, schließlich ließen Runrig seit dem letzten Studioalbum neun Jahre ins Land gehen. Da liegen die Gründe quasi auf der Hand. Und wie gestaltet sich der Schlusspunkt einer großartigen, über vierzigjährigen Karriere, erstmals produziert vom jüngsten Gruppenmitglied Brian Hurren? Beim ersten Hören: Da hat sich jemand zu viele Gedanken gemacht, das ist überproduziert. Aber jedes weitere Abspielen der Songs legt eine weitere Schicht frei, man arbeitet sich sozusagen zum Kern der, natürlich überwiegend von den Macdonald-Brüdern geschriebenen, Lieder vor, und dann ist erneut alles da, was Runrig ausmacht, eingängige Songs voller Nostalgie, Drama und Pathos, englisch, gälisch und immer schottisch, mit Chor und Prague Philharmonic Orchestra, technisch topaktuell. Ein Track wie „The Place Where The Rivers Run“ fasst die vierzig Jahre als Rückblick auf den Anfang wunderbar zusammen. Was für eine Reise!
Mike Kamp
 SIROCCO: Amirim
SIROCCO
Amirim
siroccomusic.org
(Sirocco Music)
7 Tracks, 36:14 , mit engl. Texten u. Infos


Wer dieses Album hört und die Texte liest, wird zu allerletzt an Schweden denken. Doch von genau dort stammt dieses Ensemble, das ein beeindruckendes Debüt vorlegt. Wie der Wüstenwind Sirocco, der über das Mittelmeer nach Spanien weht, trägt die Formation seit 2009 traditionelle orientalische Musik in zeitgenössischer Form in die Welt. In ihrem Repertoire genauso wie als Band vereinen die vier Musiker mehrere musikalische Kulturen. Inspiriert durch die Zeit des mittelalterlichen Andalusiens, in der Juden, Araber und Christen friedlich miteinander lebten, interpretiert Sirocco traditionelle arabische und jüdische Lieder in Ladino oder Jiddisch auf höchstem Niveau. Die vier studierten Musiker Sofia Berg-Böhm (klassischer arabischer Gesang), Patrik Bonnet (Flamenco Gitarre), Robin Cochrane (westafrikanische Percussion) und Jonas Bleckman (Cello) verzieren ihre Arrangements allerdings mit zahlreichen weiteren Einflüssen wie skandinavischem Folk, Flamenco oder südamerikanischen Klängen. Auch wenn der hebräische Titel des Albums „Baumwipfel“ oder „Höhen“ bedeutet, ist die schwedische Formation noch längst nicht auf ihrem Gipfel angelangt.
Erik Prochnow

 VILMA TIMONEN QUARTETT: Drops
VILMA TIMONEN QUARTETT
Drops
vilmatimonen.com
(Bafes’s Factory)
9 Tracks, 43:05 , mit engl. Infos


Vilma Timonen dürfte in Deutschland keine Unbekannte mehr sein, da sie bereits 2005 als Solistin und 2013 mit ihrer Band auf Einladung der Deutsch-finnischen Gesellschaft hier getourt ist. Timonen ist Dozentin an der Sibelius-Akademie, unter anderem für Global Music. Ihr Quartett wurde 2009 in Finnland für Forward in der Kategorie „Bestes Ethnoalbum“ ausgezeichnet. Timonen hat die elektrische Kantele als Ensembleinstrument etabliert. Sie offenbart einen erheblich größeren Variantenreichtum als das traditionelle Folkinstrument mit wenigen Saiten. Die Kompositionen und Liedtexte auf diesem inzwischen dritten Album stammen fast alle aus der Feder Timonens und sind von Jazz und Folk geprägt. Der außergewöhnliche Klang wird bestimmt von der makellosen mädchenhaften Stimme der Sängerin und der Kantele. Timonen beschreibt diese Musik als einen niemals endenden Fluss, wo die Geschichten seit dem Beginn der Zeit als Worte und Melodien fließen. Das ist bei den Texten, die man im Internet auf Finnisch und Englisch findet, gut nachvollziehbar. Es geht immer wieder um die ewigen Themen von Sehnsucht und Verlust. Ein Mädchen, das den Wind nach ihrem Liebsten fragt, die Mondgöttin, die flüchtige Geschenke verteilt.
Bernd Künzer
 HERMAN VAN VEEN: Fallen oder Springen
HERMAN VAN VEEN
Fallen oder Springen
hermanvanveen.com
(Universal Music Group 00602547681539)
Promo CD, 14 Tracks, 42:01


Wenn ich nach Hause in das kleine holsteinische Städtchen komme, nehme ich meist den Weg über die Hermannstraße. Als ich hier zum ersten Mal durchfuhr, kam mir ein Lied in den Sinn: „Herman, ruft ein Mann …“, und später: „… alles, was ich hab, ist ein Name nur, den hab ich von einem andern.“ Ein frühes Herman-van-Veen-Lied also. Ein Philosoph erzählt aus der Sicht eines Clowns, mal voller Lebensfreude, mal voller Melancholie. So gesehen ist er sich über die Jahrzehnte treu geblieben. Auf seinem neuen Album Fallen oder Springen geht er allerdings noch ein Stückchen weiter, ein Stückchen tiefer. Hier singt ein Herman, der im Herbst seines Lebens steht – na komm, sagen wir im Spätsommer. Es sind tolle Texte auf dem Album, teils mit dem Hermanschen Schmunzeln, aber auch ohne, denn es sind sehr ernste Themen dabei. Und es gelingen ihm und seinen Mitstreitern wunderbare Melodien. Bei einigen Stücken sagt man: Genau, so muss es klingen! Aber (verflixtes Wort) bei einigen (wenigen) Stücken wirken die Arrangements seltsam unfertig. Als fehlten noch zwei, drei Spuren. Vielleicht komme ich dem Geheimnis noch auf die Spur. Bis dahin verneige ich mich vor einem ganz Großen.
Jörg Ermisch

 VÄRTTINÄ: Viena
VÄRTTINÄ
Viena
varttina.com
(Westpark)
12 Tracks, 47:05 , mit finn. u. engl. Texten


Värttinä ist die bekannteste Folkband Finnlands, Viena ist ihr dreizehntes Album. Von der Urbesetzung aus dem Jahr 1983 ist nur noch Sängerin Mari Kasinen dabei. Derzeit besteht die Band aus sechs Mitgliedern, drei Sängerinnen und drei Instrumentalisten. Viena enthält keine Ohrwürmer, aber gewinnt mit jedem Hören. Das neue Album ist bodenständiger als die meisten Bandveröffentlichungen der letzten zwanzig Jahre. Värttinä machen wieder Folkmusik im engeren Sinn, wobei der technisch starke und ausgefeilt arrangierte Gesang im Vordergrund steht. Verankert ist Värttinä wie immer in der Folkmusik Kareliens, einer grenzüberschreitenden Region in Ostfinnland und Nordwestrussland. Inspiriert hat die Band diesmal eine Reise nach Weißkarelien, das ist der nördliche Teil der russischen Republik Karelien. In dieser teilweise noch vormodernen Gegend trafen sie auch alte Musiker, deren Erbe sie sich nun umso mehr verpflichtet sehen. Zudem pflegen sie bereits ihr eigenes Erbe. Als letztes Stück auf dem aktuellen Album haben sie „Oi Dai“ neu aufgenommen, das Titelstück jener Scheibe, mit der Värttinä 1991 europaweit bekannt wurde. Etwas schwermütiger klingt es heute, aber es geht ja auch um Heimweh.
Christian Rath



Kurzrezensionen
 THE ABERLOURS: Dayoodlo!
THE ABERLOURS
Dayoodlo!
aberlours.de
(Calyra)
13 Tracks, 42:55


Celtic Folk ’n’ Beat von der Gruppe um den Frontmann von Horch, Klaus Adolphi, von dem alle Kompositionen und mehrere Texte stammen. Witzig-lockerer Irish bis British Folk, mitunter rockig, aber auch liedhaft, darunter eine bemerkenswerte Version des norddeutschen Volksliedes „Dat du min Leevsten büst“.

 DERROLL ADAMS: Live in Haarlem 1977
DERROLL ADAMS
Live in Haarlem 1977
derrolladams.org
(Strictly Country SCR-78)
26 Tracks, 76:40


Eine Liveaufnahme von erstaunlich guter Klangqualität wurde da vor 38 Jahren in der Musikkneipe De Teerling erstellt. Banjoman Derroll Adams ist in Spitzenform und spielt alle seine bekannten Songs, „Portland Town“ ganz zum Schluss. Manchmal sind die amüsanten Ansagen länger als die Songs, aber als separate Tracks kann man sie im Zweifel überspringen.


 ANTIQUARIAT: Vida De Carrusel
ANTIQUARIAT
Vida De Carrusel
antiquariat-musik.de
(Acoustic Music Records 319.1549.2/Rough Trade)
13 Tracks, 65:27


Nostalgisch, verspielt, virtuos, charmant, witzig – so präsentiert sich das Quintett Antiquariat. Gypsy Swing, Kurt-Weill-Ballade, eine Prise Edvard Grieg, Brecht-Texte – ein sinnlich-opulenter Reigen, musikalisch wie textlich. Und wenn Sängerin Marion Lenfant-Preus im Opener atemlos gesteht, dass sie viel zu viel redet, möchte man ihr zurufen: weiter so.

 JJ APPLETON & JASON RICCI: Dirty Memory
JJ APPLETON & JASON RICCI
Dirty Memory
jjappleton.com
(Old Boy Networks/CD Baby)
Promo-CD, 11 Tracks, 44:04


Gesucht und gefunden, sagt man da. Der Bluesgitarrist und Sänger JJ Appleton und der Harpspieler Jason Ricci beeindrucken mit kongenialem Zusammenspiel; ein akustischer Bass liefert zusätzliche Tiefe und Fülle. Tolle Slidegitarre, überirdisches Harpspiel („Jason Solo“), hervorragendes Songwriting – ein „Must-have“ des akustischen Blues.


 PAUL ARMFIELD: Found
PAUL ARMFIELD
Found
paularmfield.com
(Popup records/Cargo Records PSA001)
Promo-CD, 15 Tracks, 48:45


Der Singer/Songwriter-Riese von der Isle of Wight besingt auf seinem sechsten Album mit prägnanter Stimme einfühlsam alte Schwarzweiß-Postkarten, die seine Freundin auf Berliner Flohmärkten fand. Dass der amerikanische Big-Band-Swing-Sound aus dem eigenen Wohnzimmer stammt, ist offensichtlich Stand der Technik, erstaunlich nichtsdestotrotz.

 KRISTOFER ASTRÖM: The Story Of A Heart’s Decay
KRISTOFER ASTRÖM
The Story Of A Heart’s Decay
kristoferastrom.com
(Startracks Star 197166-2/Universal)
10 Tracks, 40:27


Der amerikanischste aller Amerikaner kommt natürlich aus Schweden und hat ein weiteres Standardwerk an New Country abgeliefert. Beginnt das Album noch mit einem lebhaften Tom-Petty-Sound, so verlangsamt sich das Tempo zum Ende hin bis zur wundervollen Lo-Fi-Schmerzgrenze eines Louis Tillett.


 BARCELONA GIPSY KLEZMER ORCHESTRA: Balkan Reunion
BARCELONA GIPSY KLEZMER ORCHESTRA
Balkan Reunion
bgko.org
(Satélite K SATK CD 164)
11 Tracks, 48:00


Alle acht weiteren Mitglieder des BKO sind hier nicht aufzuzählen, genauso wenig wie die Gäste, die Robindro Nikolic (cl) um sich versammelte, um im März letzten Jahres dieses zweite Album aufzunehmen. Mit Klezmer wird der multiethnische Balkan zu einer erfrischend musikalischen Melange verbunden.

 BLACK ROOTS: Son Of Man
BLACK ROOTS
Son Of Man
blackrootsreggae.net
(Nubian Records/Soulbeats Records/Broken Silence 16196)
Promo-CD, 11 Tracks, 48:23


Die 1979 in Bristol gegründete Band spielt ihren Roots Reggae auch nach einer ausführlichen Pause um die Jahrtausendwende und die folgende Wiederaufnahme ihrer Karriere noch haargenau, wie er zu Anfang ihrer Karriere Standard war – vollkommen rund und entspannt groovend, kompetent und souverän gesungen und ohne jeglichen unnötigen Schnickschnack.


 GEORGIE BONDS: Hit It Hard
GEORGIE BONDS
Hit It Hard
georgiebonds.com
(Roadhouse Redemption Records/CD Baby)
11 Tracks, 54:40


Der schwarze Bluessänger Georgie Bonds aus Philadelphia hat mit dem Gitarristen und Komponisten Neil Taylor und dem Mundharmonikaspieler Buddy Cleveland die idealen Partner gefunden. Auch einige Gastmusiker sind bei dieser seiner dritten Produktion dabei, die kraftvollen Blues präsentiert.

 FIL CAMPBELL & TOM McFARLAND: Back There
FIL CAMPBELL & TOM McFARLAND
Back There
filcampbell.com
(Glenshee Music GSR005)
11 Tracks, 40:30


Aus Irland kommen die beiden, aber Irish Folk ist das nur bedingt. Campbell (Gitarre/Piano) und McFarland (Percussion), beides erfahrene Künstler, habe eine schöne Singer/Songwriter-CD eingespielt. Eigenes und Songs von Kollegen wie Kieran Goss oder Steve Ashely ergeben mit musikalischer Unterstützung eine eher besinnliche Mischung.


 CAT STATE: Orbiting Happiness
CAT STATE
Orbiting Happiness
catstateband.com
(Eggshell Records/Stereoton)
10 Tracks, 51:42


Das Debütalbum der Band Cat State beginnt mit einer außergewöhnlich starken Stimme, die voller Emotionen ist. Insgesamt zehn Songs lang begeistert die Band aus Bamberg mit gefühlvollen Tracks, die mal vom Schlagzeug, mal vom Xylofon oder auch vom Klavier begleitet werden. Für Fans von Popfolk ein echter Geheimtipp!

 THE CELTIC SOCIAL CLUB: Unplugged New York City
THE CELTIC SOCIAL CLUB
Unplugged New York City
celticsocialclub.com
(Keltia Musique KMCD661)
9 Tracks, 38:04


Egal ob in Rudolstadt oder in New York, live reißt der französische Celtic Social Club mit seiner extrem fetzigen Melange aus Irish Folk, Hip-Hop oder Reggae jedes Publikum mit. Okay, Sänger O’Neill ist Muttersprachler und Uilleann Piper Ronan Le Bars ein absolutes Ass, aber die komplette siebenköpfige Gruppe ist generell eine Ansammlung von Könnern.


 KAROLINA CICHA & SPÒLKA: Jidyszland/Yiddishland
KAROLINA CICHA & SPÒLKA
Jidyszland/Yiddishland
karolinacicha.eu
(Eigenverlag 4752213)
12 Tracks, 40:27


Ursprünglich trat die Polin Karolina Cicha, den Besuchern des TFF 2015 bekannt, als Rocksängerin auf. Neben verschiedenen Projekten widmete sie sich gemeinsam mit Piotr Domagalski (g, b) und Witek Wilk (perc) der jiddischen Kultur mit Liedern, die speziell für das Festival New Jewish Music in Warschau bestimmt waren.

 NELSON DA RABECA, ROLF-ERIK NYSTRØM, CELIO DE CARVALHO, DONA BENEDITA: Bem-Ti-Vi
NELSON DA RABECA, ROLF-ERIK NYSTRØM, CELIO DE CARVALHO, DONA BENEDITA
Bem-Ti-Vi
trap.no/en/project/bem-ti-vi
(Office For Transnational Arts Productions)
Promo-CD, 13 Tracks, 42:00


Die Rabeca ist eine dreisaitige Vorläuferin der Geige. Entsprechend ursprünglich und leicht dissonant klingt das Spiel eines der letzten brasilianischen Instrumentalisten dafür, Nelson da Rabeca. Der norwegische Saxfonist Rolf-Erik Nystrøm hat den Musiker entdeckt und ihn ins Studio geholt, um Nelson für die Nachwelt zu erhalten.


 MARC DAVIS AND THE INKLINGS: Because There’s Nothing Outside
MARC DAVIS AND THE INKLINGS
Because There’s Nothing Outside
markdavisandtheinklings.com
(Inklings Music/Strong Left Hook Music/Hemifrån)
10 Tracks, 52:45


Wieso dieses bereits 2011 entstandene Album erst jetzt erscheint, bleibt wohl ein Rätsel. Überwiegend in Heimarbeit aufgenommene ruhige Stücke, mit Stimme und Akustikgitarre im Vordergrund, dazu sparsame E-Gitarren, Streicher, Bass und zurückhaltendes Schlagzeug. Die Beatles, und hier besonders George Harrison, sind das unüberhörbare Vorbild.

 DINA: Hamavdil
DINA
Hamavdil
facebook.com/Dina-Music-Budapest
(Rózsavölgyi és Társa 085)
14 Tracks, 57:36


Sängerin Dina Pandzarisz belebt das Liedrepertoire der sephardischen Juden, das im mittelalterlichen Spanien entstand und später in die osmanischen Länder überliefert wurde. Die im Zusammenspiel mit den musikalischen Traditionen Griechenlands, Israels und der Türkei entstandenen Lieder interpretiert Dina mit Begleitung von Gitarre, Flöte und Percussion.


 DINOVSKI-SCHUBERTH: Improvokation
DINOVSKI-SCHUBERTH
Improvokation
dinovski-schuberth.com
(Alessa records AlW 4006/LC 08129/Sounddesign Austria)
21 Tracks, 57:38


Sie wollen aufrütteln, wie sie selbst im Beiheft erklären – und das gelingt den beiden jungen österreichischen Akkordeonvirtuosen Atanas Dinovski und Paul Schuberth von der ersten Sekunde an. Auf ihrer musikalischen Improvisationsreise mit traditionellen Liedern von Nord- bis Südosteuropa und eigenen Kompositionen kreieren sie ganz neue Klänge aus alter und neuer Musik, von Folk bis Jazz.

 DIVERSE: A Tribute In Music And Song To John Bellany
DIVERSE
A Tribute In Music And Song To John Bellany
greentrax.com
(Greentrax Recordings CDTRAX386)
18 Tracks, 73:19


Das kann Greentrax bestens: Spannende und passende Kompilationen aus ihrem Katalog (plus ein paar Neuaufnahmen) zusammenzustellen. Hier geht es um die Lieblingslieder und -melodien des verstorbenen Malers John Bellany, darunter viele Klassiker. Und erneut steckt in diesem Projekt eine ganze Menge Ian McCalman.


 DIVERSE: Lisboa – Past & Present, Music By Dona Rosa & Oquestrada
DIVERSE
Lisboa – Past & Present, Music By Dona Rosa & Oquestrada
jaro.de
(Jaro Medien)
10 Tracks, 43:04 , 64-seitiges Fotobuch


Auf nach Lissabon! Die wunderschön subjektiven Fotos des Buches, die Geheimtipps und die CD wecken das Fernweh. Weshalb deren Schwerpunkt die Sängerin Dona Rosa ist und nicht die fröhlich innovativen Oquestrada, ist Geschmackssache. Die Englischübersetzungen der Fotobuchtexte sind etwas kryptisch herausgekommen.

 DIVERSE: Lucha Amada II
DIVERSE
Lucha Amada II
luchaamada.blogsport.de
(Jump Up Records JUP-00038/Indigo)
Do-CD, 38 Tracks, 146:00


Zweiter Benefizsampler des Musikkollektivs aus Berlin und Bonn, das seine Aktivitäten seit 2001 in den Dienst politischer Einmischung von Links stellt. Wortreiche Agitation auf kantigen Ska-, Reggae-, Hip-Hop-, Cumbia- und Mestizofundamenten aus aller Welt – musikalisch solide und mit einem ausführlichen Booklet zur politischen Lage in Europa.


 DOBREK BISTRO feat. DAVID KRAKAUER: Dobrek Bistro Feat. David Krakauer
DOBREK BISTRO feat. DAVID KRAKAUER
Dobrek Bistro Feat. David Krakauer
dobrek-bistro.com
(Dobrecords 006/Harmonia Mundi)
10 Tracks, 61:69


Alle zehn Titel des in Österreich aufgenommenen Albums stammen von Krzysztof Dobrek (acc), dem es gelang, neben den bekannten Bistrokollegen Aliosha Biz (viol), Alexander Lackner (b) und Luis Ribeiro (perc) den Klarinettisten David Krakauer (ex Klezmatics) für sein mittlerweile sechstes Studioprojekt zu gewinnen.

 ELOF & WAMBERG: Byen Sover
ELOF & WAMBERG
Byen Sover
elofwamberg.dk
(GO’ Danish Folk Music)
12 Tracks, 40:28


Tobias Elof ist weltweit der erste Musiker, der seinen Bachelorabschluss mit der Ukulele gemacht hat. Mit ausgefeilter Technik entlockt er diesem kleinen Instrument harfenähnliche meditative Töne. Die Basis gibt Nicolaj Wamberg mit einem meist melodiehaft gespielten Kontrabass, dazu manchmal etwas Violine und Gesang. Ein so noch nicht gehörter Klang.


 KLAUS FALSCHLUNGER: Sitar Diaries
KLAUS FALSCHLUNGER
Sitar Diaries
sitarmusic.at
(Ein-Klang Records EKR 058)
Do-CD, CD 1: 12 Tracks, 53:16; CD 2: 9 Tracks, 42:31


Die Frage nach Authentizität stellt sich nicht. Die zwölf Tagebucheintragungen des österreichischen Sitarmeisters sind mitnichten indische Klassik, sondern vielmehr genreübergreifende, virtuose Kabinettstückchen für ein Soloinstrument. Logisch und konsequent, neun dieser Tagebuchnotizen in den Kontext zeitgenössischer Clubsound-Remixes zu stellen.

 FARAN FLAD: Swing The Candle
FARAN FLAD
Swing The Candle
faranflad.com
(Wild Boar Busic, WBM 21126)
10 Tracks, 47:10


Die belgisch-britische Powerfolkband ist eine echte Entdeckung. Das Septett spielt auf Fiddle, Gitarre, Bouzouki, Bass, Percussion und Whistles eine geschmackvoll arrangierte Mixtur aus meist traditionellen Instrumentals und Songs, von denen jeder einzelne durch Heather Grabhams wunderbaren Mezzosopran wie eine Gemme zum Funkeln gebracht wird. Sehr zu empfehlen.


 ARCHIE FISHER: A Silent Song
ARCHIE FISHER
A Silent Song
greentrax.com
(Greentrax Recordings CDTRAX388)
12 Tracks, 40:55


Manche Dinge scheinen sich nie zu ändern – die samtweiche Stimme des Schotten, seine überzeugenden, zurückgenommenen Interpretationen mit Gitarre und Stimme (nur manchmal plus Cello, Bass, Flöte und Begleitgesang) von Traditionals und Kollegen-Songs und seine eigenen Lieder. Auch mit 76 Jahren noch ein echter Klassiker!

 IAN FISHER: Nero
IAN FISHER
Nero
ianfisheronline.com
(Snowstar Records 15-065/Cargo Records)
10 Tracks, 40:59


Er stammt von einer Farm in Missouri, hat die Welt bereist und lebt jetzt in Berlin – wo sein Debütalbum aufgenommen wurde. Es zeigt einen Songschreiber, der Liebe, Träumen und Erinnerungen Form gibt, inklusive im Countryidiom überzeugender Band. Und selbst wenn oft die Pedal Steel jammert, Fisher kann auch Ohrwürmer wie „Constant Vacation“.


 ADAM FRANKLIN: Outside Man
ADAM FRANKLIN
Outside Man
adamfranklinblues.com
(Blind Lemon Records BLR-CD 1503)
21 Tracks, 65:41


Der akustische Blues der Südstaaten im Stile der 1920er-Jahre in der Tradition von Blind Boy Fuller, Blind Lemon Jefferson oder Memphis Minnie – Adam Franklin singt und spielt Resonatorgitarre und Ukulele mit oder ohne Slide zu meist eigenen Songs. Aufgenommen wurde das Album während eines Livekonzerts im Schwarzen Ross in Bookholzberg.

 DORI FREEMAN: Dori Freeman
DORI FREEMAN
Dori Freeman
dorifreeman.com
(Free Dirt Records DIRT CD 0074)
10 Tracks, 33:29


Bereits Vater und Großvater von Dori Freeman waren Musiker, die Bluegrass und Swing in Virginia spielten. Musik war da, bevor Freeman sprechen lernte. So wundert es nicht, dass dieses Debüt von einer erstaunlichen Reife geprägt ist. Zumal noch Teddy Thompson, der Sohn von Richard Thompson, die zehn Songs produziert hat und gelegentlich mitsingt.


 EAMON FRIEL: In My Time
EAMON FRIEL
In My Time
eamonfriel.com
(Thran Records 1011)
11 Tracks, 40:48


Friel wuchs als Jugendlicher in der nordirischen Stadt Derry auf, die neben Belfast Hauptschauplatz der politischen Konflikte der 1970er-Jahre war. Die Erinnerungen an die Stadt, ihre Menschen und den Kontrast zur unberührten irischen Landschaft liegen seinen Texten zugrunde und zeichnen sein Leben in kleinen, impressionistischen Bildern nach.

 GAMBARI BAND: Kokuma
GAMBARI BAND
Kokuma
gambariband.com
(Membran 233987/Membran)
12 Tracks, 56:24


Neue traditionelle Musik aus Mali, die auch ohne charismatische Sänger und Sängerinnen auskommt, um authentische Griotkultur zu vermitteln. Da hier ein amerikanischer Klangkünstler seine Ohren mit im Spiel hatte, wurden die im Original etwas rauen Klänge der Stimmen und Instrumente im Studio noch etwas in unsere Richtung geradegebogen. Absolut tanzbar!


 CLIVE GREGSON & CHRISTINE COLLISTER: Home And Away
CLIVE GREGSON & CHRISTINE COLLISTER
Home And Away
clivegregson.com
runningmedia.com/christine-collister
(Cherry Red Records CDTRE673)
3-CD-Deluxe-Edition, 47 Tracks, 204:13


Immer noch unvergleichlich und mitreißend, diese beiden Stimmen, einzeln und besonders gemeinsam, das perfekte Duo, Folk/Blues/Rock nur mit Gitarre und Gesang. Home And Away war 1986 ihre erste Veröffentlichung, und die beiden anderen CDs stammen von der letzten gemeinsamen Tour sechs Jahre später – bislang unveröffentlicht.

 GUINGA & MARIA JOÃO: Mar Afora
GUINGA & MARIA JOÃO
Mar Afora
guinga.com
mariajoao.org
(Acoustic Music Records 319.1546.2/Rough Trade)
14 Tracks, 56:00


Der brasilianische akustische Gitarrist Guinga, harmonisch versiert, mit komplexen Melodien und eher sanftem Ausdruck, trifft auf die portugiesische Jazzsängerin Maria João. Ihr Gesang ist expressiv, sie grimassiert im Grund beim Singen und zeigt so aber auch, was in den Kompositionen alles drinsteckt. Das bringt beiden einige Synergieeffekte.


 GORDON GUNN: Wick To Wickham
GORDON GUNN
Wick To Wickham
gordongunn.co.uk
(Greentrax Recordings CDTRAX381)
10 Tracks, 41:59


Gunn ist ein schottischer Fiddler der Extraklasse, bekannt durch seine eigene Band oder die beliebten Abräumer von Session A9. Auf diesem Solo-Instrumentalalbum vereint er Freunde wie Brian McAlpine oder Tim Edey und Tunes (eigene und fremde, kaum trad.) ebenso wie Ausflüge in den Swing. Grandios ist die richtige Bezeichnung für diese Musik.

 BUDDY GUY: Born To Play Guitar
BUDDY GUY
Born To Play Guitar
buddyguy.com
(Old Boy Networks/CD Baby)
Promo-CD, 14 Tracks, 59:18


Born To Play Guitar – wenn das einer von sich sagen kann, dann der neunundsiebzigjährige Buddy Guy. Als einer der Letzten aus der goldenen Ära des elektrischen Chicago Blues gibt es hier natürlich meisterhafte Bluesgitarre und -gesang mit zwei sehr schönen Widmungen an B. B. King und Muddy Waters. High-End-Blues, gleichermaßen perfekt, aber erdig und emotional.


 ILKKA HEINONEN TRIO: Savu
ILKKA HEINONEN TRIO
Savu
ilkkaheinonentrio.com
(Sibelius Academy)
8 Tracks, 49:00


Die hier gespielte dreisaitige Jouhikko ist eine mit dem Bogen gestrichene Lyra, die seit dem Mittelalter in der Folkmusik der baltischen Länder verwendet wird. Der geringe Tonumfang und die mittlere Saite als Bordun führen zu relativ einfachen, sich ständig wiederholenden Melodien, die mit einem kräftigen Kontrabass bzw. mit einer Bassdrum unterlegt werden.

 JUHANA IIVONEN: Native One
JUHANA IIVONEN
Native One
juhanaiivonen.com
(Smiling Lizard Music)
8 Tracks, 28:36


Der sanfte Mann aus Finnland singt englisch mit manchmal leichtem Vibrato in der Stimme und schlägt neben den Saiten der Gitarre auch mal das Tamburin. Mit seinen angenehmen, ruhigen Songs in der Tradition und dem Sound der Endsechziger tourt der Absolvent der Sibelius-Akademie und ehemalige Kammerchorsänger gern, im Februar auch in Deutschland.


 TOM JONES: Long Lost Suitcase
TOM JONES
Long Lost Suitcase
tomjones.com
(Caroline/Virgin)
Promo-CD, 13 Tracks, 42:14


Tom Jones im Folker? Aber ja doch! Ein Album mit amerikanischen Songs, die ihn und seine Karriere geprägt haben. Hier überzeugt er mit Klängen wie altem Rock ’n’ Roll, Rhythm and Blues und Country wie Willie Nelson und Hank Williams oder gar den Milk Carton Kids. Ein alternder Popstar? Mitnichten, diesem grandiosen Künstler gebührt Respekt!

 KACIREK: Songs From Okinawa
KACIREK
Songs From Okinawa
svenkacirek.de
(Pingipung 48/Kompakt Distribution)
12 Tracks, 41:27


Die Basis: traditionelle Gesänge aus Okinawa, vor Ort aufgenommen und zumeist begleitet auf dem Sanshin, einer dreisaitigen „Banjo“-Variante. Der Schlagzeuger Sven Kacirek unterlegt diese „Feldaufnahmen“ im Studio mit stillen, unaufdringlichen Percussionmustern und verleiht so den archaischen Stimmen zeitgenössisches Flair. Wundersame Klänge!


 ELIN KÅVEN: Eamiritni – Rimeborn
ELIN KÅVEN
Eamiritni – Rimeborn
elinkaaven.com
(Nordic Notes NN070)
12 Tracks, 36:47


Dem Album gebührt zweifellos der Preis für das unleserlichste Cover des Jahres. Ansonsten Elin Kåven mit bekannter stimmlicher Qualität, ein Lied heißt „Enya“, und so klingt das Werk auch, Enya auf Samisch eben.

 NILS KERCHER: Suku – Your Life Is Your Poem
NILS KERCHER
Suku – Your Life Is Your Poem
nilskercher.com
(Ancient Pulse Records 17841/Broken Silence)
9 Tracks, 60:53


Die Stimme eines jeden ist einzigartig! Nils Kercher ist auf seinem neuen Album vielstimmig zu hören, so spielt er neben Kora, Violine und Flöte sämtliche Percussioninstrumente. Die Produktion erinnert an Aufnahmen westafrikanischer Musik aus Peter Gabriels Real-World-Studio, nur dass es sich hier um einen deutschen Protagonisten handelt. Chapeau!


 IRMGARD KNEF: Noch immer die Alte
IRMGARD KNEF
Noch immer die Alte
irmgardknef.de
(Con anima)
16 Tracks, 45:44


Hildegard Knef wäre im Dezember 2015 neunzig Jahre alt geworden, und aus diesem Anlass hat Ulrich Michael Heissig alias Irmgard Knef, die Schwester im Geiste, gefeiert. Zwischen resignativem Altersfrust und trotziger Lebensfreude, zwischen Gedicht, Chanson, Hildchenparodie, Blues und Jazz wird das große Ereignis besinnlich, fröhlich und bissig begangen.

 KREIZ BREIZH AKADEMI: 5ed Round
KREIZ BREIZH AKADEMI
5ed Round
drom-kba.eu
(Innacor/L’Autre Distribution)
12 Tracks, 59:12


Die Kreiz Breizh Akademi ist ein Bildungsprogramm für junge Musiker unter Leitung des bekannten bretonischen Sängers Erik Marchand. Im Zentrum steht die Arbeit mit den für bretonische Musik typischen modalen Tonleitern. Auch der fünfte Absolventenjahrgang hat ein anspruchsvolles, teilweise brillantes Album eingespielt.


 JÚLIA KUBINYI: Magam Járom (On My Way)
JÚLIA KUBINYI
Magam Járom (On My Way)
viva-la-musica.hu/hu/nepzene/kubinyi-julia
(Viva la Musica 002)
13 Tracks, 65:24


Seit ihren Kindertagen ist Júlia Kubinyi eng verbunden mit der Volksmusik ihrer ungarischen Heimat und präsentiert auf ihrem ersten Soloalbum nun traditionelle Lieder der Regionen um das Karpatenbecken. Die Lieder – von Laute, Streichinstrumenten, Flöte und Dudelsack begleitet – drehen sich um religiöse Themen, Landschaft und die Liebe zur Familie.

 LETZTE BESTELLUNG: Prost Reinheitsgebot
LETZTE BESTELLUNG
Prost Reinheitsgebot
letztebestellung.de
mundartageh-shop.de
(Mund-Art)
13 Tracks, 51:15


Bayern lieben Bier. Das Regensburger Trio widmet dem bayerischen Reinheitsgebot zum Fünfhundertsten dieses jazzig-rockig-folkige Mundartalbum rund um die lebens- und kulturwichtige Bedeutung des Gerstensaftes, die hier sogar bis zum zehnmal so alten Gilgamesch-Epos zurückverfolgt wird. Alle Texte dieser Gute-Laune-Scheibe sind im Beiheft.


 INGA LILJESTRÖM & MICHAEL LIRA: We Have Tigers
INGA LILJESTRÖM & MICHAEL LIRA
We Have Tigers
ingaliljestromusic.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 79:15


Die Sängerin Inga Liljeström schafft es gemeinsam mit Michael Lira, eine mystische Atmosphäre zu schaffen, sobald die Songs des Albums erklingen. Im Vordergrund steht klar Liljeströms Stimme, die von dunklem Orchestersound und traditionellen Klängen begleitet wird.

 AINO LÖWENMARK: Human
AINO LÖWENMARK
Human
ainoloewenmark.com
(Traumton 4628/Indigo)
10 Tracks, 46:21


Die Fjarill-Sängerin begibt sich mit Human auf ihre ersten Solopfade, unterstützt von ihrem Lebensgefährten Jürgen Spiegel (Tingvall Trio). Sie wildert in der skandinavischen, englischen und deutschen Folklore, fügt ihrem elfengleichen Gesang etwas Popkultur, einige Soundscapes und Jazzharmonien hinzu und zeigt sich somit in einer Vielzahl kreativer Mosaiksteine.


 LOUISA LYNE & DI YIDDISHE KAPELYE: A Farblondzhete Blondinke
LOUISA LYNE & DI YIDDISHE KAPELYE
A Farblondzhete Blondinke
louisalyne.se
(Maestro Music MM CD 004)
13 Tracks, 41:59


Im Jahre 2010 begann die in Malmö beheimatete Luisa Lyne mit der Yiddishe Kapelye, bestehend aus Edin Bahtijaragic (acc), Robin Lyne (g), Irina Binder (v), Martin Eriksson (b), Anders Thorén (p) und Anna Thorstensson (cello), zusammenzuarbeiten, resultierend in einem beachtlich überzeugenden zweiten Album.

 DAVE McGRAW & MANDY FER: Maritime
DAVE McGRAW & MANDY FER
Maritime
daveandmandymusic.com
(Eigenverlag N48.32WI23.06)
12 Tracks, 54:59


Seit 2010 sind McGraw und Fer als Duo unterwegs. Alles dreht sich bei den beiden um ihre akustischen Gitarren und wohl harmonisierenden Stimmen. McGraw ist Wildbiologe. Die Songs der beiden entstehen auf langen wissenschaftlichen Reisen durch Waldgebiete. Auf Maritime kann man praktisch die Lagerfeuer hören, an denen diese zuerst gemeinsam gesungen worden sind.


 JOHANNES MEISSNER: Regenbogenmalmaschine
JOHANNES MEISSNER
Regenbogenmalmaschine
johannesmeissner.de
(Membran 234093/Sony Music)
10 Tracks, 43:50


In den nachdenklichen Liedern des jungen Berliner Pianisten, Songautoren und Sängers sowie seiner Mitstreiter geht es offenbar ausgesprochen gedankenschwer zu, überwiegend gedämpft, und was Darbietung und Klang betrifft, sehr penibel. Einmal ein Auge zuzudrücken, könnte das Gepäck ein bisschen erleichtern – für die Musiker selbst wie für das Publikum.

 CARY MORIN: Tiny Town
CARY MORIN
Tiny Town
carymorin.com
(Eigenverlag)
14 Tracks, 41:55


Manchmal braucht es nicht mehr als eine ausdrucksstarke Stimme, packende Songs und variables Fingerpicking auf der Gitarre, das tief in der Bluestradition wurzelt. Cary Morin ist darin ein Meister, und er gibt seinem Songwriting so die besondere Würze. Dieses dritte Album des Geschichtenerzählers aus Colorado übt so etwas wie stillen Zauber aus.


 NANAYA: Far. Home. East
NANAYA
Far. Home. East
theasoti.com/Nanaya
(Quadratisch Records 008/ Finetunes-Cargo)
10 Tracks, 47:56


Die in Hannover lebende Band rund um Sängerin Thea Soti fusioniert serbische Volksmusik, balkaneske Melodien und Jazzimprovisationen. Das Resultat ist keine Folkimitation, sondern eine sehr persönliche Musik, die sich in einer versatilen europäischen Kultur positioniert und dennoch ihrer musikalischen Traditionen erinnert.

 SIRI NILSEN: Skyggebokser
SIRI NILSEN
Skyggebokser
sirinilsen.no
(Grappa, GRCD 4444)
10 Tracks, 38:14


Siri Nilsen mit neuem Album, rechtzeitig zu einer Serie von Konzerten mit Papa Lillebjørn. Alle Texte selbst geschrieben, es geht um Melancholie, Einsamkeit und den Versuch, alles besser zu machen. Eine Prise Cohen, viel schöner A-cappella-Gesang.


 PARIS COMBO: 5
PARIS COMBO
5
pariscombo.com
(Cristal Records/Harmonia Mundi)
12 Tracks, 42:32


Die Paris Combo existiert seit zwanzig Jahren. Ihr fünftes Album heißt einfach 5 und kommt jetzt auch in Deutschland heraus. Der Stil? Eine Mischung aus Barjazz und Chanson. Im Mittelpunkt steht die Sängerin Belle du Berry. Gelegentlich gelingen der Band große Melodien.

 MATT PATERSHUK: I Was So Fond Of You
MATT PATERSHUK
I Was So Fond Of You
mattpatershuk.com
(Black Hen Music BHCD 0077)
11 Tracks, 48:10


Der Kanadier Patershuk schreibt seine Songs auf der akustischen Gitarre, die er bei Gelegenheit von Fiedel oder Schlagzeug recht karg begleiten lässt. Sein zweites Album hat er seiner Schwester Clare Patershuk gewidmet, die von einem betrunkenen Autofahrer vor drei Jahren überfahren wurde. Seine elf Songs stecken voller Trauer, doch gelingt es ihnen auch, diese zu vertreiben und sich dem Leben zuzuwenden.


 RAMZAILECH: Tsuzamen
RAMZAILECH
Tsuzamen
ramzailech.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 37:01


Gal Klein (voc, cl), Amit Peled (g, voc), Dekel Dvir (dr), Michael Guy (b) und Hod Moshonov (keyb) spielen keinen traditionellen Klezmer, sondern haben sich dem Punk verschrieben, auch wenn die jiddische Sprache in diesem Genre ungewöhnlich erscheint. Da bleibt auch zu Hause kein Bein auf dem anderen stehen!

 ROSALIE UND WANDA: Schlafende Hunde
ROSALIE UND WANDA
Schlafende Hunde
rosalieundwanda.de
(Ahoi Records)
10 Tracks, 31:59


Hinter Rosalie und Wanda verbergen sich die Liedermacherin Rosalie Eberle und ihre Mitmusiker.m Auch ihr zweites Album erschließt sich nur schwer. Die sperrigen, teils surrealistischen Texte zwingen zum Hinhören. Die wundervoll filigrane Begleitung erleichtert den Zugang. Hat man diesen aber gefunden, so entfaltet sich das Kunstwerk dem Hörer in aller Schönheit.


 NINA ROTNER: In This Time
NINA ROTNER
In This Time
ninarotner.com
(Laika-Records 3510330.2/Rough Trade)
10 Tracks, 48:11


Das slowenische Multitalent präsentiert auf seinem Debütalbum die Früchte seines Berliner Jazzstudiums. Die in ihrer Heimat preisgekrönte Sängerin und beliebte Schauspielerin verschmilzt ihre traditionellen Wurzeln mit modernen Jazzelementen. Das berührende Ergebnis ihrer Kompositionen, die auch aktuelle politische Themen wie die Flüchtlingswelle aufgreifen, lässt sich in keine Schublade stecken.

 MARIANA SADOVSKA & CHRISTIAN THOMÉ: Vesna/Spring
MARIANA SADOVSKA & CHRISTIAN THOMÉ
Vesna/Spring
mariana sadovska.com
thomat.de
(flowfisch.records LC 12011/Broken Silence)
7 Tracks, 50:21


Die in Köln lebende Mariana Sadovska kreiert ihren ganz eigenen Stil aus traditionellen Volksliedern, Avantgarde und archaischen Gesängen. In ihrem neuen Projekt mit dem Schlagzeuger Christian Thomé, das von ukrainischen Folksongs inspiriert ist und die eigenen Erfahrungen der Demonstrationen auf dem Maidan verarbeitet, wollen die Künstler die Ursprünge der Musik entdecken, die frei von allen nationalen und sprachlichen Barrieren sind.


 TOM SHAKA: Sweet & Mean
TOM SHAKA
Sweet & Mean
tom-shaka.de
(Blind Lemon Records, BLC-CD1501)
14 Tracks, 72:43


Sweet & Mean ist seit zwanzig Jahren das erste Livealbum des Gitarristen und Bluessängers, aber bereits seine zweite Produktion bei Blind Lemon Records. Der 62-jährige Shaka, der in Lüneburg wohnt, hat in vierzig Jahren Bühnenpräsenz ein Stück Bluesgeschichte in Deutschland mitgeschrieben.

 SCHNÉ ENSEMBLE: Goût De Sel Live
SCHNÉ ENSEMBLE
Goût De Sel Live
schne-ensemble.de
(Cross The Border Productions CD 002 2015)
17 Tracks 74:02


Längst erklingt der Ruf der sechsköpfigen Formation um die Sängerin Henrike Krügener alias Schné und den Geiger Ingo Höricht weit über Bremen hinaus. Jetzt ist ihre kreative Mischung aus Chanson, Songwriting, Jazz und Klezmer erstmals live auf CD zu hören. In dem im Dezember 2014 aufgenommenen Konzert brilliert das Ensemble zudem erneut mit seinen Vertonungen deutschsprachiger Lyrik.


 SIDESTEPPER: Supernatural Love
SIDESTEPPER
Supernatural Love
myspace.com/sidestepper
facebook.com/sidesteppermusic
(Real World/ PIAS/Rough Trade)
Promo-CD, 11 Tracks, 51:00


Sidestepper ist ein Projekt des englischen Musikers Richard Blair. Er hat sich hier mit kolumbianischen Musikern zusammengetan. Die Musik ist eine Art Jamsession zwischen afrikanischen Musikstilen, Cumbia, Calypso und etwas Electronica. Das große Plus der Band sind ihre vereinnahmenden Rhythmen. Andererseits passiert in den Stücken oft zu wenig.

 SILVERHANDS: Three In The Foot
SILVERHANDS
Three In The Foot
silverhandsmusic.com

15 Tracks, 52:02


Nashville liegt weit weg von Seattle, aber auch an der Westküste der USA seufzt die Pedal Steel. Die Band um Songschreiber Mikel McDermott erzählt auf ihrem zweiten Album von Liebe, Laster, Landleben – in großer Langsamkeit, mit Bedacht, vielfältiger Instrumentierung und teils berückender Schönheit, etwa in „Too Late For Leaving“. Hübsch.


 SNOWAPPLE: Illusion
SNOWAPPLE
Illusion
snowapple.nl
(Debt Records/ZIP Records)
11 Tracks, 39:12


Das Amsterdamer Damentrio Snowapple begeistert mit traditionellen Instrumenten wie Banjo, Flöte, leichten Trommeln und Electronica. Die Stimmen der Bandmitglieder sorgen dazu für unbeschwerte Musik, die einen Hauch Nostalgie mit sich bringt. Tolle Songs für Lagerfeuerstimmung!

 SOLO & INDRÉ: Solo & Indré
SOLO & INDRÉ
Solo & Indré
onerootmusic.com/artists-roster/solo-indre
(One Root Music)
8 Tracks, 49:04


Ein kongeniales Duoprojekt zweier Saitenvirtuosen, die sehr unterschiedliche Instrumente miteinander in Einklang bringen! Solo Cissokho, Griot aus dem Senegal, ist ein Meister der Kora, Indre Jurgeleviciute aus Litauen brilliert auf der Kankles, der landestypischen, mit der finnischen Kantele verwandten Kastenzither. Anmutige Lieder mit dezentem Gesang.


 PANTELIS SPYROU: Demon Eaftos
PANTELIS SPYROU
Demon Eaftos
ethnocloud.com/Pantelis_Spyrou
(Zefxis Music 150210)
7 Tracks, 27:19


Der griechische Künstler begegnet auf seinem Debütalbum in sieben Kompositionen dem Dämon Eaftos. Leider findet die Begegnung ausschließlich auf Griechisch statt (sogar das Booklet ist einsprachig). Das Gesamtkunstwerk bleibt einem hierzulande damit wohl verschlossen. Musikalisch bewegt sich Spyrou mit Gesang und Tzouras in traditionellen griechischen Bahnen.

 STELLMÄCKE & TROTZBAND: Vérité Et Poésie
STELLMÄCKE & TROTZBAND
Vérité Et Poésie
stellmaecke.de
(Der Gute Ton)
10 Tracks, 52:35


Feinsinnige Chansons zwischen Trauerland und Lustigland, die zum Nachdenken anregen. In mehreren Liedern witzige Pointen und versteckte Kritik, wie in „Banal“, mitunter auch schwarzer Humor, wie in „Rettungsschirm“. Olaf Stellmäcke wird adäquat begleitet von Klängen zwischen Jazz, Latin und Klezmer.


 STRANDED HORSE: Luxe
STRANDED HORSE
Luxe
facebook.com/Stranded-Horse-108442309217875
(Talitres REF TAL 085)
Promo-CD, 9 Tracks, 44:52


Hinter dem Projektnamen verbergen sich der französische Sänger und Gitarrist Yann Tambour, nebenbei ein exquisiter Koraspieler, sowie weitere Gastmusikerinnen und -musiker (u. a. an Balafon, Cello, Percussion). Auf dem nunmehr dritten Album wirkt erneut Boubacar Cissokho (Kora) mit. Betörender Mix aus Folk und Chanson, melodische, vorwiegend englischsprachige Songs.

 SUISTAMON SÄHKÖ: Suistamo Electricity
SUISTAMON SÄHKÖ
Suistamo Electricity
suistamonsahko.fi
(Kihtinajärvö Records, K3JCD008)
10 Tracks, 52:58


Das Album fängt traurig an, dann kommt Rap, es gibt deutliche russische Einflüsse, die verlorene Landschaft Kareliens und das finnische Nationalepos Kalevala werden besungen, aber der Hörgenuss leidet ein bisschen unter der Leidenschaft der Band für nervigen Discorhythmus.


 SWAYING WIRES: I Left A House Burning
SWAYING WIRES
I Left A House Burning
swayingwires.com
(Battle Worldwide Recordings)
Promo-CD, 10 Tracks, 45:16


Auch das zweite Album des finnischen Quartetts kann der vielfältigen Americanamusik zugeordnet werden. Die leise, anmutige Stimme von Tina Karkinen schwebt über den akustischen Gitarren und der zurückhaltend eingesetzten Rhythmusgruppe aus Bass und Percussion. Sie verstärkt damit den Eindruck von Melancholie und Entschleunigung. Ein Album zum Verlieben.

 RONNIE TAHENY: „Start!“
RONNIE TAHENY
„Start!“
ronnietaheny.myshopify.com
(Arty Records, Arty05)
11 Tracks, 37:53


Die Grande Dame der australischen Singer/Songwriter-Szene liefert nach sechs Jahren endlich ein neues Album ab, mit elf exquisiten, sehr persönlichen Liedern zu gewohnt expressivem Pianospiel. Dazu geschmackvoll arrangiert Gitarren, ein wenig Percussion, mal eine Drehleier, mal ein Akkordeon, Streicher und tolle Backing Vocals (Ben Ford-Davies). Positiv und fröhlich, aber auch nachdenklich, reflexiv, mit eingängigen Melodien, die ins Ohr gehen und ins Herz treffen. Poesie mit Twang.


 GURDAN THOMAS: The Dark Side Of
GURDAN THOMAS
The Dark Side Of
gurdanthomas.com
(Beste! Unterhaltung Bu071)
13 Tracks 44:18


Schwungvoll und toll, einhundert Prozent Spaß mit null Prozent Nöligkeit, eine ungewöhnliche britisch-bayerische Kultursymbiose. Heiter, dramatisch, verspielt ist das, was der schräge Vogel aus Birmingham und vier Musikanten und -innen aus Bayern an Instrumenten wie Okarina, Horn und Helikon da zusammen machen. Das handgemachte Booklet ist etwas unübersichtlich, aber das passt.

 TINARIWEN: Live In Paris
TINARIWEN
Live In Paris
tinariwen.com
(Wedge 99254-5)
12 Tracks, 53:32


Den Abschluss ihrer mehrmonatigen Welttournee krönten die Wüstenrocker aus dem Norden Malis mit einem Auftritt beim Worldstock Festival im Dezember 2014 in. Bei drei Stücken stieg Lalla Badi mit ein, eine 75-jährige Targia, die als Sängerin und Tindé-Trommlerin bei den Tuareg Kultstatus genießt. Die Dynamik der Performance ist absolut umwerfend!


 TRIOZEAN: Koschki
TRIOZEAN
Koschki
triozean.de
(Neuklang NCD4126/Edel:Kultur)
11 Tracks, 45:35


Ein wunderschönes Kleinkunstalbum der altmodischen Sorte präsentiert das russische Ensemble Triozean auf seinem vierten Album. Bereits beim dynamischen Opener liefert sich der Chorgesang in bester Swingtradition mit dem Klavier ein beschwingtes Duell, welches aufhorchen lässt. Übermut und Spielfreude treffen auf die Liebe zu komplexen Arrangements.

 ERIK TRUFFAZ QUARTET: Doni Doni
ERIK TRUFFAZ QUARTET
Doni Doni
eriktruffaz.com
(Parlophone 17460/Warner)
Promo-CD, 10 Tracks, 47:05


Erik Truffaz ist ein Magier auf der Trompete. Mal klingt sie rau und geräuschhaft wie ein afrikanisches Xylofon, dann wieder feinfühlig, beseelt singend. Hauchend oder rufend, Truffaz beherrscht die Sprache seines Instruments, und er hat auch etwas zu sagen. Ein Meisterwerk jenseits aller Genregrenzen, dem viele neugierige Ohren zu wünschen sind.


 THE WAINWRIGHT SISTERS: Songs In The Dark
THE WAINWRIGHT SISTERS
Songs In The Dark
marthawainwright.com
(PIAS Cooperative)
16 Tracks, 49:22


Oh weh, zwei Schlaflieder und dann ein verhalltes „El Condor Pasa“ – kein idealer Start für Martha und Lucy (gleicher Vater, unterschiedliche Mütter), aber auch wenn dann noch mindestens drei weitere Lullabys kommen, gewinnt das Albnum danach deutlich. Songs vom Vater, einer Mutter und viel Trad, insgesamt ein gutes Debüt zweier erfahrener Künstlerinnen.

 WELTKIND: Wo wird einst
WELTKIND
Wo wird einst
friedemannhasse.de
(Heideck Records/ Galileo MC C01955 13)
13 Tracks, 40:06


Debüt einer neuen Gruppe um den gestandenen Violinisten Friedemann Hasse. Fünf junge Leute und eine Reihe hochkarätig musizierender und singender Spezialisten als Gäste tragen anspruchsvolle Texte vor. Hasse hat diese geschrieben oder gefunden, bei Heine, Hölderlin oder Morgenstern u. a. Das sind Chansons im neuen Gewand.


 WENDRSONN: Geile Zeit
WENDRSONN
Geile Zeit
wendrsonn.de
(Brother Records)
13 Tracks, 48:27


„Schwäbisch isch sexy!“, lautet das Motto dieser Band aus Backnang und Sulzbach an der Murr. Hier erklingt Mundart mal fröhlich-frech, mal ernst und nachdenklich, zu Themen mitten aus dem Leben (Texte abgedruckt dabei), verbunden mit Folk, Rock, Country, Blues und Soul. Die wo koi Schwäbisch verschtandet, kennet oifach de Mussig lauscha.

 WILLIAMS WETSOX: Wohi? Wohi?
WILLIAMS WETSOX
Wohi? Wohi?
wetsox.de
bscmusic.com
(Focus)
14 Tracks, 58:55


Da sehnt sich einer nach Wärme und Liebe, hat aber stattdessen voll den Blues, und das auf Bayerisch! Das Huglfinger Trio besingt (Texte zum Mitlesen dabei) die tiefsten Täler des Daseins, nicht ohne einen kräftigen Schuss Selbstironie. Aber die Klage „Hob koan Schmäh von am Wiener“ stimmt definitiv nicht!


 WHISKY TRAIL: Concerto
WHISKY TRAIL
Concerto
whiskytrail.it
matson.it
(Materiali Sonori)
5 Tracks, 32:52


Zu seinem vierzigjährigen Jubiläum bietet das Florentiner Celtic-Folk-Ensemble ein italienisch betiteltes Concerto von „Andante“ bis „Presto“, eine feine Musik, die an sein Meisterwerk Chaosomos erinnert. Harfe, Fiddle, Pipes und Gesang spannen eine musikalische Brücke vom Arno zu Spey und Shannon.

 WILL WILDE: Live in Hamburg
WILL WILDE
Live in Hamburg
willharmonicawilde.com
(IMG-Rock the Earth-Big Lake/Rough Trade)
12 Tracks, 59:36


Mit innovativem und kraftvollem Bluesrock an der Mundharmonika steht der erst 27-jährige Brite an vorderster Front im Downtown Bluesclub. Auch als Sänger hat Wilde bei seinen drei bisherigen Veröffentlichungen überzeugt. Zur Liveband gehören Danny Giles, Gitarre, Victoria Schmidt, Bass, und Alan Taylor, Schlagzeug.


 WIRBELEY: Barrierefreie Volksmusik
WIRBELEY
Barrierefreie Volksmusik
wirbeley.de
(Westpark Music 87303)
12 Tracks, 53:10


Das sechsköpfige Ensemble aus Dresden wirbelt mit Liedern, Chorälen, Tänzen und zahllosen Instrumenten musikalisch durch die Länder – vom kaukasischen Volkstanz und einer Balkanreise bis zum „biodynamischen Rheinländer aus norwegischer Erzeugung für Rastafari-Lautenisten mit Nebeninstrument Banjo“.

 CHRIS YAKOPCIC: The Next Place I Leave
CHRIS YAKOPCIC
The Next Place I Leave
chrisyakopcicmusic.com
(Yako Records Yako701/CD Baby)
Promo-CD, 11 Tracks, 41:03


Eigentlich ein Solomusiker, wird Chris Yakopcic hier von Bass und Schlagzeug begleitet. Dadurch gewinnt seine Musik natürlich an zusätzlicher Dynamik. Oft schiebt zunächst ein hypnotischer Rhythmus an, bevor Chris Yakopcics Gitarrenspiel in einer wilden, silbrigen Slideattacke aufbricht oder mit einem furiosen Fingerpicking endet.


Nordamerika
 DIVERSE: Politically Incorrect
DIVERSE
Politically Incorrect
bear-family.de
(Bear Family Records BCD 17409/Delta Music)
31 Tracks, 81:37 , mit engl. Infos


Politically Incorrect ist eine Zeitreise. Einunddreißig Songs, vor allem aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren, zeigen, wie sich Wertvorstellungen seitdem verändert haben. Ob Pat Boone, Fats Domino, Sammy Davis Jr. oder sogar John Lennon … Da wird sich über Menschen lustig gemacht, die Englisch mit Dialekt sprechen oder übergewichtig sind. Die Vorliebe für junge Mädchen ist ebenso ein Thema wie häusliche Gewalt. So prahlt Ella Mae Moerse sogar damit, von ihrem Freund geschlagen zu werden. Die Andrews Sisters hatten sich bei den Zeilen „Both mother and daughter / Working for the Yankee Dollar“ in „Rum And Coca-Cola“ offensichtlich auch keine weiteren Gedanken gemacht. Bedeuteten sie doch nichts anderes als Werbung für eine Mutter-Tochter-Prostitution. Heute würden derartige Liedinhalte als politisch unkorrekt an den Pranger gestellt. Doch die Bookletautoren Hank Davis und Scott Parker stellen am Ende die berechtigte Frage, ob diese Veränderungen nur Attitüde sind oder ob wir auch eine andere Haltung an den Tag legen. Dass das Booklet mit informativen Texten und seltenen Abbildungen gestaltet worden ist, bedarf bei einer Bear-Family-Produktion eigentlich schon keiner Anmerkung mehr.
Michael Kleff
 KINKY FRIEDMAN: The Loneliest Man I Ever Met
KINKY FRIEDMAN
The Loneliest Man I Ever Met
kinkyfriedman.com
(Avenue A Records KFA0004/Al!ve)
Promo-CD, 12 Tracks, 35:37


Es könnte glatt in Vergessenheit geraten sein, dass dieser Typ natürlich auch Musiker ist. Seit fast vierzig Jahren hat der heute 71-jährige Kinky Friedman kein komplettes Studioalbum mehr vorgelegt und stattdessen eher als politischer Aktivist von sich reden gemacht. Mit dieser kargen Produktion liefert er nun ein sehr persönliches Statement ab, wirkt still und nachdenklich, ohne dabei ins Beschauliche abzugleiten. Und auch der für ihn typische sarkastische Humor scheint immer wieder auf, etwa im Titelstück „I’m The Loneliest Man I Ever Met“. Da zeichnet er das Bild eines abgrundtief einsamen Mannes, der in einer Bar hockt: „And though it was the happy hour / it wasn’t any fun / because the party again / was just a party of one.“ In „Lady Yesterday“ fragt er sich zweifelnd, ob diese Dame wohl den Herbst in einen Frühling verwandeln kann. Der Großteil der Songs stammt aber aus fremder Feder, von großen Songschreibern wie Dylan, Cash, Merle Haggard, Tom Waits und Willie Nelson. Der singt auch gleich sein „Bloody Mary Morning“ im Duett mit dem Freund dicker Zigarren, dessen brüchige Stimme, spartanisch inszeniert, sparsam instrumentiert in den Vordergrund rückt. So schlicht, so gut.
Volker Dick

 TOMMY McCOY: 25 Year Retrospect
TOMMY McCOY
25 Year Retrospect
tommymccoyblues.com
(Earwig CD 4971)
Promo, Do-CD, 14 Tracks, 66:32, 16 Tracks, 66:36


Ein farbenprächtiges Gemälde der vergangenen fünfundzwanzig Jahre im Leben eines Bluesgitarristen zeichnet Tommy McCoy mit diesem Doppelalbum. Das zugrunde liegende Material besteht neben Songs aus sieben bisher veröffentlichten Alben auch aus drei neuen Stücken und zeigt ganz wunderbar die Vielfältigkeit, die diesen Musiker auszeichnet. Neben vielen geradezu Lehrbuch artigen Beispielen diverser stilistischer Formen, wie R&B, Funk, Swamp Blues, Shuffle oder auch Bluesrock, sind es vor allem drei Stücke, die exemplarisch für McCoys Spielweise stehen. Da ist einmal „The King Is Gone“, die Widmung an den verstorbenen B. B. King. Grundlage ist Kings „The Thrill Is Gone“, und Tommy McCoys Phrasierung, Timing, Ausdruck, der Wechsel von Rhythmus- zu Sologitarre sind geradezu perfekt. Der akustische Countryblues „Sugar Cane“ ist ein Beispiel für einfache, reduzierte und effektvolle Spielweise. Pink Floyds „Money“ erhält eine eher jazzige Attitüde, herrlich das Zusammenspiel zwischen Charlie DeChants Saxofon und Tommy McCoys Sologitarre. Bass und Schlagzeug wurden hier übrigens von Tommy Shannon und Chris Layton gespielt, der ehemaligen Rhythmussektion von Stevie Ray Vaughan.
Achim Hennes
 AOIFE O’DONOVAN: In The Magic Hour
AOIFE O’DONOVAN
In The Magic Hour
aoifeodonavan.com
(Yep Roc Records 2428)
Promo-CD, 10 Tracks, 39:47


Aoife O’Donovan ist ein Phänomen. Die Sängerin, die im Bluegrass ebenso beheimatet ist wie in Folk und Singer/Songwriter, stellt auf ihrem zweiten Soloalbum ihre Qualitäten als Songschreiberin eindrucksvoller denn je unter Beweis. Fünf Jahre, nachdem sich die Musiker von Crooked Still entschlossen, getrennte Wege zu gehen, entfaltet O’Donovan ihr Talent als Solointerpretin und lässt sich nun problemlos in eine Kette großer Künstlerinnen reihen, seien es Eva Cassidy, Tori Amos oder Neko Case, mit der sie sich den Produzenten Tucker Martine teilt. Ihre Texte erzählen kleine Episoden verträumter Sommerurlaube in Irland, in denen sich konkrete Erinnerungen an den verstorbenen Großvater mit diffusen Gefühlen mischen. „In meiner Erinnerung hat dort jeden Tag die Sonne geschienen“, so O’Donovan. Das melancholische Bewusstsein, die unschuldigen Kindertage als erwachsener Mensch verloren zu haben, prägt das gesamte Album. Immer wieder tauchen Spuren des Großvaters auf, selbst seine Stimme erklingt auf dem Titel „Donal Óg“ und fügt sich harmonisch in die feingliedrigen Arrangements ein, die von illustren Gastmusikern, etwa Sarah Jarosz oder dem Brooklyn Rider Streichquartett, mitbestritten werden.
Judith Wiemers

 DAVID RAMIREZ: Fables
DAVID RAMIREZ
Fables
davidramirezmusic.com
(Sweetworld)
Promo-CD, 10 Tracks, 37:55


Seine beiden früheren Alben seien etwas unpersönlich gewesen, immer mit einer Idee im Hinterkopf, wie das Endergebnis sein sollte, bekennt David Ramirez. Bei diesem Album wäre er beim Schreiben und Aufnehmen nur seinem Gefühl gefolgt. Der Albumtitel sei inspiriert von der Erkenntnis, dass man einem Menschen, dem man nahe stehe, immer weniger vormachen kann. Je mehr man sich öffnet, umso mehr erkennt der andere die wahre Persönlichkeit, und es ist nicht mehr möglich, sich dem anderen und sich selbst gegenüber zu verstellen. Musikalisch dürfte Ryan Adams ein großer Einfluss gewesen sein. In größtenteils gemächlichem Tempo geht es durch die Stücke, getragen von Davids Akustikgitarre und seinem überzeugenden Bariton. Americana und Singer/Songwriter sind die Leinwand, auf der Produzent und Freund Noah Gunderson mit Siebzigerjahre-E-Gitarren, konturierenden Basslinien, Pedal Steel, Schlagzeug und einigen Synthiesounds Farbe aufgetragen und dem Ganzen einen nicht unangenehmen, zeitgemäßen Anstrich verpasst hat. Die Produktion ist transparent, die Arrangements sparsam bis opulent, und David Ramirez schafft es, beim Thema Beziehung noch einige ungewöhnliche Blickwinkel einzunehmen. Ein rundes Album.
Dirk Trageser
 KRYSTINA STYKOS: Horse Thief
KRYSTINA STYKOS
Horse Thief
kristinastykos.com
(Thunder Ridge Records TRR 016/Hemifrån)
13 Tracks, 54:52 , mit engl. Beiheft


Irgendwo in den Wäldern von Vermont lebt Krystina Stykos. In ihrem Haus hat sie sich vor Jahren ein Tonstudio eingerichtet. Hier spielt sie ihre eigenen Songs ein, die sie zwischen Farmarbeit und Holz hacken schreibt, und produziert die von befreundeten Musikern. Nur selten spielt sie live, Haus und Familie benötigen zu viel Aufmerksamkeit. Nachzulesen ist dies auf ihrer sehr offenherzigen und informativen Webseite. Ihr Songschreibertum steckt tief in der Tradition der nordamerikanischen Folkmusik, die sie von lokalen Geigenspielern erlernte. In ihren Songs behandelt sie vor allem private Themen. Ihre raue, häufig brüchige Stimme passt gut dazu. Gestaltungsreich und passgenau sind die dreizehn Songs auf diesem Album arrangiert, die sie beinahe im Alleingang eingespielt hat. Gelegentlich musiziert ein Freund an Klavier oder Schlagzeug mit, doch Stykos weiß genau, was zu ihr passt und was nicht. Es ist dieses hohe Maß an Intimität, die diese Musik ausstrahlt und die sich direkt in die Ohren des Hörers brennt.
Michael Freerix

 XIXA: Bloodline
XIXA
Bloodline
xixamusic.com
(Glitterhouse GRCD 864/ Indigo)
10 Tracks, 56:08


Dies ist das Debütalbum des Sextetts aus Tucson, Arizona (und der Nachfolger der kürzlich erschienenen EP Shift & Shadow). Die beiden Köpfe Brian Lopez und Gabriel Sullivan entstammen der Indierockszene Tucsons und sind Mitglieder der Livebands von Giant Sand und Calexico. Der Schlagzeuger Winston Watson spielte für Alice Cooper, während Efren Cruz Chavez (Percussion) bis dato nur Latin Music kannte. Zudem hat ein anderer Musiker mit Wüstenaffinität, nämlich Tinariwens Iyad Moussa Ben Abderahmane mitgewirkt. Der von den oben genannten Bands stark mitgeprägte „Wüsten“-Klang, mit flirrenden Twanggitarren, reichlich Delay, verschleppten Beats und Laid-back-Gesang bildet auch hier das Gewand, in das sich Psychedelisches, Stoner Rock, Cumbia, Tex-Mex, Desert Blues, Elektroschnipsel und Folk kleiden. Als Teil der zweiten und dritten Generation lateinamerikanischer Künstler, die sich auf die Suche ihrer (nicht nur) musikalischen Herkunft machen, ist die Bandbreite an Stilen und Rhythmen sehr viel weiter gefächert als bei vergleichbaren Produktionen, wobei eine hauchdünne Schicht Beliebigkeit über allem liegt. Die Produktion ist selbstredend State of the Art.
Dirk Trageser



Onlinerezensionen
DEAD MAN’S HAND
Slí Na Sláinte
dmh-folk.de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 39:42


Deftiger Irish Folk aus jungen Leipziger Männerkehlen mit Gitarren-, Mandolinen-, Akkordeon-, Whistle-, Percussion- und Kontrabassbegleitung im Fahrwasser der Dubliners und der Pogues. Gute Pub-’n’-Party-Mucke!

DJANGO 3000
Live
django3000.de
sonymusic.com
(Sony)
16 Tracks, 68:04


„Gypsy Disco“ aus dem Chiemgau, eine Musik, so ähnlich wie Russendisko, aber eben mehr nach … (das Wort mit „Z…“ ist politisch nicht korrekt, aber ob es nun eher Sinti- oder Romamusik ist, erschließt sich dem Rezensenten nicht). Schnelle, treibende Skarhythmen, „Wuid und laut“, wie auch eines der Stücke heißt, alles auf Boarisch g’sunga (leider ohne Texte im Beiheft), halt eine gute Mucke für wilde und laute Partys.


EVENING HYMNS
Quiet Energies
eveninghymns.com
(Tin Angel/Indigo)
8 Tracks 40:16


Jonas Bonetta, Kopf des sich stets wandelnden Projekts, fing als Indie-Folkrocker an, will sich aber nicht festlegen. Auf Album Nummer vier bietet der Kanadier zwar die für ihn typischen epischen Gewächse, ist aber fern von dem, was man klar als Folk benennen kann, und dichter am Poprock der Endsiebziger, wie The Police oder Queen, inklusive einer guten Portion Pathos.

OMID GOLLMER
Shadowplay
feierabendkollektiv.de/project/omid-gollmer
(Hey!Band LC28535)
11 Tracks, 48:14


Das Feierabendkollektiv bringt mit Omid Gollmers Shadowplay einige sehr schöne Popperlen auf den Markt. Die typische Bandbesetzung wird ergänzt durch Sitar und Cello und erhält dadurch einen gewissen Wiedererkennungswert. Die Songs sind sauber durcharrangiert, die Produktion ist professionell. Shadowplay klingt nach deutlich mehr als einem Feierabendprojekt.


LEE HAZLEWOOD
The Very Special World Of Lee Hazlewood
leehazlewoodmusic.net
(Light In The Attic/Cargo)
12 Tracks, 39:08, Original von 1966


LEE HAZLEWOOD
Its Cause And Cure
leehazlewoodmusic.net
(Light In The Attic/Cargo)
12 Tracks, 36:11, Original von 1967


LEE HAZLEWOOD
Something Special
leehazlewoodmusic.net
(Light In The Attic/Cargo)
12 Tracks, 34:33, Original von 1968


Gleich drei Alben Hazlewoods haben Light In The Attic neu veröffentlicht. Die Aufnahmen beleuchten seine Zeit bei MGM, die glaubten, mit ihm eine Hitmaschine unter Vertag genommen zu haben. Mit üppigem Budget versehen, konnte Hazlewood nach Herzenslust aufnehmen. Nicht charttauglich, dafür unterhaltsam, unvorhersehbar und reich an unentdeckten Perlen.

KAPELLE PETRA
The Underforgotten Table
kapelle-petra.de
(Skycap Records CP090CD/Rough Trade)
Promo-CD, 14 Tracks, 41:41


Die Band aus Hamm besteht aus Ficken Schmidt, Opa, Siepe und Gazelle. Ihre Geschichten, die sie – auf Deutsch – im international satisfaktionsfähigen, modernen Singer/Songwriter-Rock-Gewand darbietet, sind tendenziell gern etwas skurril und so rund, wie man das im neunzehnten Jahr wohl auch erwarten darf. Höchste Zeit für etwas mehr verdienten Erfolg!


HEINZ RUDOLF KUNZE
Deutschland
heinzrudolfkunze.de
(RCA 88875 18386 2/Sony Music)
Promo-CD, 14 Tracks, 58:00


Es ist für den Genuss von Deutschland sicher von Vorteil, ein Faible für Kühle in Denken und Ausdruck zu haben. Wenn nicht gar für Kalkül der Sorte, mit Reizworten wie dem Albumtitel zu provozieren. Heinz Rudolf Kunzes Lieder müffeln nach Schlaumeierei und Pathos wie je – und Rock, wie er es gern hätte, macht er immer noch nicht. Rock ist heißer.

WILLIAM MacLEAN
Pibroch – Scottish Tradition 10
(Greentrax Recordings CDTRAX9010D)
Do-CD, 20 Tracks, 98:05


GEORG MOSS
Pibroch – Scottish Tradition 15
greentrax.com
(Greentrax Recordings CDTRAX9015)
16 Tracks, 73:34


Zwei weitere Veröffentlichungen aus den Archiven der School of Scottish Studies, die Greentrax 1995 bereits auf dem Markt hatte. Diese Aufnahmen sind hauptsächlich für Enthusiasten der Bagpipes interessant. Die wissenschaftlich fundierten, ausführlichen Begleittexte sind verständlicherweise diesmal nur online erhältlich.


SOPHIA MAGALLANES
Old Clichés
brechin-all-records.com
(Brechin All Records CDBAR022)
10 Tracks, 37:54


Eine junge US-Amerikanerin mit mexikanischen Wurzeln macht in Edinburgh ihren Doktor, singt zur Entspannung auch öffentlich – und ihre Lieder und ihre Stimme gefallen dem Chef eines kleinen Labels. Er organisiert einige profilierte musikalische Freunde und nimmt ein Album auf, das voller sehr persönlicher Lieder ist.

SIMON MAYOR
The Mandolin Albums
mandolin.co.uk
(Acoustics CDACS071)
Do-CD, 31 Tracks, 100:14


So kann man natürlich auch ein Jubiläum feiern! Vor fünfundzwanzig Jahren erschien das erste Mayor-Werk, The Mandolin Album, mit dessen Mischung aus Klassik und Folk er seinen Ruf als Virtuose sämtlicher Instrumente der Mandolinenfamilie begründete. Mit dabei sind auch der Nachfolger The Second Mandolin Album und Hilary James, die sogar einmal singt. Immer noch toll.


JOY MILLS BAND
Deep Cut
joymills.com
(Eigenverlag)
EP, 6 Tracks, 25:46


Joy Mills hat in Seattle bereits mehrere Alben veröffentlicht. Die mit 25 Minuten Spielzeit recht überschaubare aktuelle EP Deep Cut bietet gut gemachten Alt.-Country-Pop ohne Höhen und Tiefen. Liebevoll produziert, aber vorhersehbar arrangiert und komponiert, geht es durch die sechs Stücke, ohne dass wirklich Leidenschaft aufkommt.

ROBERT NASH
The Ghost Of Your Old Love
robertnashmusic.com
(Eigenverlag 0080687428939)
10 Tracks, 35:59


Das Debütalbum des Australiers Robert Nash klingt herrlich altmodisch nach Indiebands der Achtziger. Nash ist durchaus eine akustische Variante von The Jesus and Mary Chain. Trotz Bandarrangement und dezentem Orchestereinsatz klingen die Stücke, als wären sie unplugged eingespielt. Die verschlafene Stimme des Sängers hat einen hohen Wiedererkennungswert.


TOM PAXTON
Peace Will Come + New Songs For Old Friends
tompaxton.com
(Morello Records/Cherry Red Records WMRLL 44)
22 Tracks, 77:04


Zwei Paxton-LPs erstmals auf CD, das ist etwas für Fans. Die Produktionen aus den Jahren 1972 und 1973 (einmal Studio, einmal live) stammen aus der Zeit, als Paxton in England lebte, und dementsprechend sind Musiker wie Danny Thompson oder Ralph McTell mit von der Partie. Zeitloses Material, aber der Sound ist definitiv aus den Siebzigern.

SINFONIA DE CARNAVAL
Figuras De Baile
anna-lang-cello-piano.at
(Alessa Records ALW 4008)
12 Tracks, 64:28


Wegen seines zum Teil jazzig-improvisativen Esprits fast etwas fehl am Folker -Platz, auch Album- und Projektname wollen einem nicht so recht einleuchten. Aber einfach zu schön und musikalisch kapriziös, dieses kammermusikalische Spiel, welches sich die zwei Wahlwiener, Cellistin und Pianistin Anna Lang sowie Posaunist und Akkordeonist Alois Eberl, da in Eigenkomponiertem geben.


TANGO-ORKESTERI UNTO
Yön Tummat Siivet/Dark Wings Of The Night
tangoorkesteriunto.com
(ARC Music EUCD 2575)
12 Tracks, 49:56


Das mit „Finnish Tango“ untertitelte dritte Album des 1998 formierten Ensembles offenbart durchaus auch die Liebe zum Tango Argentino sowie heimischen Folk- und Liedtraditionen. Das Grenzüberschreitende wird befördert von Pirjo Aittomäkis angenehm „undramatischem“, luftigem Gesang. Die zweite Frau im Sextett ist Starakkordeonistin Johanna Juhola.

THE MEN THEY COULDN’T HANG
Silver Town
17 Tracks
60:54
(T-Bird Records/Cherry Red Records TBIRD 0031 CD, tmtch.net)


Dieses Album war subjektiv gesehen vielleicht nicht die beste Arbeit der legendären englischen Folkpunker – wenn auch das kommerziell erfolgreichste –, aber schlecht waren TMTCH in ihrer kompletten Karriere nicht. Politische Untertöne, wie gehabt, plus sechs Bonustracks, von denen allerdings nur vier „neu“ für diese CD sind.


TURIN BRAKES
Lost Property
turinbrakes.com
(Cooking Vinyl/Indigo)
Promo-CD, 11 Tracks, 44:25


Das dezent amerikanisch klingende Londoner Quartett bietet erneut meist aufwändig produzierten, besten semiakustischen Breitwandpop. Das kann man sich auch live ein paar Nummern spartanischer vorstellen, denn wie in dem Lied „Martini“ geben die eingängigen, oft fast hymnischen Songs das durchaus her – und so arbeitet die Band auch ab und zu noch.




Lange Onlinerezensionen
 BERND BEGEMANN & DIE BEFREIUNG: Eine kurze Liste mit Forderungen
BERND BEGEMANN & DIE BEFREIUNG
Eine kurze Liste mit Forderungen
bernd-begemann.de
(Popup-records PR3315CD/Cargo Records)
28 Tracks, 79:01 , mit dt. Texten u. Infos


Bei 28 Stücken, mit denen Bernd Begemann diese 79 Minuten bis zum Rand füllt, geht natürlich mehr als eine Schere auf, zwischen ernsthaft und eher blödsinnig, tiefgründiger und banaler, eingängiger und etwas sperriger, gelungen und eher schwächelnd. „Fällt mir schwer zu glauben, dass du schüchtern bist“ spielt subtil und virtuos, weil nicht richtig greifbar, mit dem Knistern zwischen voneinander Angezogenen. „Komm zurück, Olli Schulz“ klingt dagegen echt trostlos – wenn es denn tatsächlich meint, was es sagt: „Hamburg braucht dich / mehr denn je“ – das kann wohl nur ein Witz sein! Aber weiß man’s? „Die Reichen haben gewonnen“ – große Lakonie auf die globale Grundfrage nach Leben und Tod. „Die besoffene Fahrerin“ in ihrem Frankfurter Taxi – hmmm. Begemanns Gespür für lustvolle Melodien und Arrangements ist enorm, seine immer wieder in etwas eigenartig bräsig Ordinäres kippende Intonation dagegen kann nerven – und ob das exzessive Geballer mit Masse nicht eher ein bisschen gesiebt gehört hätte? Wer garantiert, dass dann die richtigen Stücke übrig geblieben wären? Nicht einmal Bernd Begemann – der mit Eine kurze Liste mit Forderungen dagegen offenbar alles richtig gemacht hat, was geht.
Christian Beck
 DIVERSE: Radio Vienna – Sounds From The 21st Century
DIVERSE
Radio Vienna – Sounds From The 21st Century
galileo-mc.de
(Galileo MC/GMC 065)
20 Tracks, 77:04 , mit dt. u. engl. Booklet


Hurra! Nachdem offenkundig nur noch Meisterwerke eingespielt werden, musste man schon um ihre Existenz fürchten. Denn gibt es sie noch, das schlechte, unnötige Album? Doch, denn nun wurde endlich ein Exemplar gefunden. Radio Vienna gibt vor, „Sounds From The 21st Century“ zu präsentieren. Zwanzig Titel, eingespielt von nicht ganz so vielen Musikern, heißt: Einige Musiker und Musikerinnen bekamen mehrmals die Ehre. Warum? So klein ist die Szene Wiens nicht, als dass nicht das Fehlen von unter anderem Ernst Molden, Walter Soyka, Willi Resetarits, Sterzinger, den Strottern, Alma, Martin Spengler oder Großmütterchen Hatz schmerzlich vermisst wird. Und ob Musiker, die in englischer Sprache internationalen Pop spielen und mit Wien nichts gemein haben außer den Standort, die Musik der Donaumetropole vertreten müssen, macht die von keiner Kenntnis getrübte Auswahl noch fragwürdiger. Dass der sachlich fehlerhafte Begleittext, der in veralteten biografischen Angaben mündet, in dem Satz gipfelt, Wien könne das neue Berlin werden, sollte Deutsche und Österreicher erröten lassen. Nein, Berlin ist nicht das Maß aller Dinge, und Wien will nicht noch einmal angeschlossen werden. Besonders nicht durch solche Kompilationen.
Harald Justin

 MARIO DREES: Back roads
MARIO DREES
Back roads
mario-drees.de
(Stereoflex)
8 Tracks, 43:05 , mit engl. Texten


Oft grübeln Musiker vor ihren just aufgenommenen Werken: Welches Stück setze ich nun an den Anfang des Albums? Baue ich die Stimmung langsam auf, oder hau ich gleich einen Kracher rein? Vielleicht das Titelstück? Mario Drees hat auf Back Roads einen originelleren Weg gewählt. Die erste Nummer heißt „The End“. Ob dies nun Zufall oder verkappter Humor ist, sei dahingestellt. Die acht Stücke haben gute Melodien und sind atmosphärisch sehr dicht. Drees’ ausdrucksstarke Stimme wird von seiner gut gespielten Gitarre begleitet, und Mandoline und Mundharmonika setzen schöne Akzente. Sein Begleiter Dirk Flatau versteht es, auf Piano, Akkordeon und Orgel die entsprechenden Stimmungen zu unterstützen, und Sylvia Schäfer sorgt für astreine Backgroundvocals. Mario singt englisch, wobei das Lied auf seine Ruhrgebietsheimat auf Deutsch sicher authentischer gewirkt hätte. Nun heißt das Lied halt „Home“. Da nicht alles auf Anhieb gut verständlich ist, wäre ein Booklet sehr hilfreich. Klar, das kostet Geld, aber die Zweimarkdreißig sind immer gut investiert. Trotzdem lautet das Fazit: Eine sehr einnehmende und gut gemachte Musik.
Jörg Ermisch
 STEVE HOWELL & THE MIGHTY MEN: Friend Like Me
STEVE HOWELL & THE MIGHTY MEN
Friend Like Me
stevehowell.ws
(Out Of The Past Music/Burnside Distribution Corporation)
10 Tracks, 43:47 , mit engl. Infos


Der texanische Sänger und Gitarrist Steve Howell präsentiert seine sechste Silberscheibe im Lauf von zehn Jahren beim gleichen Label. Das beeindruckende Blues-und-Country-Album wurde im Little Rock Studio in Arkansas eingespielt. Zu hören sind nicht nur akustische Stücke unter anderem von Booker T. Washington („Bukka White“) und Charley Patton, sondern auch traditionelles Liedgut wie „Little Sadie“. Neu interpretiert wird Manfred Manns früher Hit „Pretty Flamingo“. Die analoge Aufnahmetechnik sorgt für einen warmen Sound. In der Band des bereits seit Ende der Siebzigerjahre musikalisch aktiven Howell spielen Chris Michaels (elektrische Gitarre), Dave Hoffpaur (Schlagzeug) und Jason Weinheimer (Bass). Die Produktion ist als Blues Roots Music eine schöne Bereicherung im CD-Regal. Das Digipak hat für jedes Stück eine kleine Geschichte parat.
Annie Sziegoleit

 AMELIA WHITE: Home Sweet Hotel
AMELIA WHITE
Home Sweet Hotel
ameliawhite.com
(White Wolf Records)
10 Tracks, 34:36


Der Titel des Albums ist Programm. Musikerin in den besten Jahren verbringt einen Großteil ihrer Zeit in Hotels, auf dem Weg von/nach, auf Raststätten, mit Konzerten in Coffeeshops, Bars, kurzum überall, wo es eine Möglichkeit zum Auftreten gibt. Dazu wollen noch der Hund versorgt und eine Fernbeziehung gewuppt werden. Diese nicht sonderlich originelle Road-Movie-Vorlage mit, sagen wir, Meryl Streep in der Hauptrolle würde recht authentisch das Leben von Musikern spiegeln, die in der „Kreisklasse“ spielen. In den USA, mit ihrem dünnen sozialen Netz, ist der Entschluss, „on the road“ zu sein, eine gewagte Lebensentscheidung, zumal als Frau in einer männerdominierten Umgebung. Amelia White, die seit geraumer Zeit in Nashville lebt, beschreibt sich selbst als Writer/Song Singer, was ihr Output an Stücken betrifft. Diese bewegen sich klassisch zwischen Country, Rock und Americana, im Fahrwasser einer Lucinda Williams. Das Album ist produktionstechnisch und spielerisch, dank hervorragender Begleitmusiker, auf hohem Niveau, offenbart so aber auch seinen Mangel an Originalität. Zu bieder und ohne echten Höhepunkt ziehen die Stücke vorbei, insgesamt jedoch eine respektable Leistung.
Dirk Trageser



Australien/Ozeanien
 BEN FORD-DAVIES: Papillon
BEN FORD-DAVIES
Papillon
benforddavies.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 40:03


Es ist eines jener Alben, die einem den Tag retten können. Man schiebt sie in den Player, lauscht ohne große Erwartungshaltung den ersten Akkorden. Schon nach der ersten Liedzeile ist man fasziniert von Ford-Davies’ wundervollem Bariton, so warm und weich, emotional und eindringlich – und doch so stark und zupackend, wenn der Text es erfordert! Ford-Davies weiß seine Stimme so ungemein nuanciert und emotional einzusetzen, dass man von seinen intelligent erzählten kleinen Geschichten gar nicht genug bekommen kann. Zehn Lieder mit großartigen Melodien, eingängig, aber weit entfernt von jeglichem Kitsch, mit gelungenen Lyrics. Verdientermaßen ist der Song „Storm“ erst kürzlich als dreifacher Gewinner der South Australian Songwriting Awards ausgezeichnet worden, darunter mit dem Jury- und dem Publikumspreis. Zu Ford-Davies’ kraftvollem Spiel auf der Akustikgitarre gesellen sich Keyboards (Ronnie Taheny, die auch Backing Vocals beisteuert), Percussion, Cello und Chapman Stick in geschmackvollen Arrangements zwischen Folk und Rock/Pop. Auf dem Album findet sich kein einziger Song, der gegenüber den anderen abfällt. Kaum zu glauben, dass Ford-Davies bereits kurz davor war, seine Karriere an den Nagel zu hängen. Sein Debüt ist ein Juwel, das er im April und Mai 2016 auf seiner ersten Deutschlandtournee vorstellen wird – unbedingt hingehen!
Ulrich Joosten



MUSIK FÜR KINDER
 JOSÉ-LUIS OROZCO: ¡Come Bien! Eat Right!
JOSÉ-LUIS OROZCO
¡Come Bien! Eat Right!
joseluisorozco.com
(Smithsonian Folkways SFW 45077/Galileo MC)
38 Tracks, 70:44


Also welches Kind – vorausgesetzt, es versteht Englisch oder Spanisch – nach dieser heiter ausgerichteten, klanglich panamerikanischen „Mahlzeit“ immer noch nicht weiß, wie Hygiene, Tischsitten etc. funktionieren, dem ist wohl nicht zu helfen. Der lange in den USA lebende gebürtige Mexikaner ist ein Pionier und Meister intonierter bilingualer Kindererziehung.
Katrin Wilke



Besondere
MASSIMO DONNO
Partenze
massimodonno.it
(Eigenverlag)
12 Tracks, 52:58 , mit Texten


„Ich komme aus einem Land, wo ein Mensch nicht mehr wert ist als ein Niesen“, singt der Liedermacher aus Apulien in „Vento E Polvere“ („Wind und Staub“), dem Auftakt seines neuen Albums. Es ist ein Lied über das Schicksal der Menschen Süditaliens und Afrikas, deren Leben in der Heimat durch Hunger, Krieg und Misswirtschaft bedroht ist. Partenze („Abreisen“) ist ein Album des Abschieds, des äußeren und inneren Aufbruchs in eine ungewisse Zukunft. Massimo Donnos Sprache ist reich an ungewöhnlichen Bildern. Seine Texte sind neorealistische Kurzfilme. In zwei Liedern thematisiert er denn auch den Spielfilm Das große Fressen von Marco Ferreri. Donno ist ein Geschichtenerzähler.  MASSIMO DONNO: Partenze Akteure sind die kleinen Leute und die Schönredner von Wirtschaft und Klerus. Im Titelsong etwa beschreibt er den Großvater, dessen Kino die vorbeifahrenden Züge waren: „Er litt Hunger, während ich unter meiner Diät leide.“ Ganz anders der vom Löwen zum Vögelchen mutierte Emporkömmling am Rande des Abgrunds. Er beklagt sich bei seinem Therapeuten, dass er keine Kunden mehr hat, die er über den Tisch ziehen kann. Und da ist die Musik – Massimo Donno singt alles mit einer unglaublichen Intensität und erinnert an den späten Fabrizio De André. Auf Anime Salve, dessen letztem Album, spielte Riccardo Tesi Organetto, das diatonische Akkordeon. Für Massimo Donno produzierte der Toskaner Partenze und schrieb drei Lieder gemeinsam mit ihm. Tesi bringt die großartige Poesie des Apuliers zur Geltung. Nachdenkliche, karg instrumentierte Passagen wechseln sich mit satten, mehrstimmigen Refrains und den einfühlenden Organettoeinlagen ab. Partenze ist die Summe von Donnos Liedkunst und der Vielseitigkeit von Tesis Banditaliana ˗ Einflüsse aus Nordafrika, des Balkans und Süditaliens inbegriffen. Kaum zu glauben, dass ein solches Meisterwerk, eingespielt mit den Cracks der italienischen Folk- und Weltmusikszene, ausschließlich mit Crowdfunding finanziert wurde.
Martin Steiner
DAGO SCHELIN & BAND
Rosas Heft
dagoschelin.com
(O-tone music/Edel Kultur)
Promo-CD, 11 Tracks, 39:12


Folgt man den Eindrücken Dago Schelins, einem Nachfahren deutscher Auswanderer in Brasilien, wird dort das deutsche Volkslied „Kommt ein Vogel Geflogen“ öfter gesungen als bei uns. Er kann vergleichen, denn nachdem er in Brasilien aufwuchs, lebt er inzwischen in Deutschland. Gehört hat er bei uns derartige Volkslieder nie, aber er fand welche in den Aufzeichnungen seiner deutschstämmigen Urgroßmutter Rosa in Brasilien. Dies verleitete ihn, die Volksweisen  DAGO SCHELIN & BAND: Rosas Heft neu einzuspielen und sie mit angejazztem Bossa-Nova-Swing zu versetzen. Selbst wer keinen Bezug zum Volkslied hat, dem dürften sie in diesen Arrangements annehmbarer klingen, weil sie weniger steif wirken. Schon vor Jahren war Manfred Krug mit dem fast gleichen Konzept bei deutschen Weihnachtsliedern erfolgreich. Die Synkopierung und harmonische Veränderung lässt die Melodien unberührt. Dies macht fast vergessen, dass uns an den Texten deren Überdosis romantischer Verklärung auch unabhängig von der Vereinnahmung durch Deutschtümelei und Altherrengesangsvereine oft auf Abstand gehen lässt. Wenn Schelin zwischendurch mal ins Portugiesische wechselt, fällt zudem auf, mit wie wenig Worten diese Lieder auskommen. Brasilianische Klassiker wirken fast eloquent dagegen. Am besten wirkt die Mixtur, wenn den Stücken mehr Tempo gegeben wird.
Hans-Jürgen Lenhart

NORDIC CHORO
Nordic Choro II
facebook.com/nordicchoro
(Zebo Records ZBR02/Playground Music Oy)
12 Tracks, 38:51


Ein ähnliches Empfinden wie bei Schelin dürften Finnen beim Hören der Gruppe Nordic Choro haben. Die finnisch-brasilianische Gruppe spielt skandinavisches Liedgut in der Besetzung brasilianischer Choro-Gruppen, also mit Bandolim-Mandoline,  NORDIC CHORO: Nordic Choro II Pandeiro, Gitarre und Bass. Das Tempo ist etwas langsamer als im normalen Choro, und wenn die Band ab und an ein Saxofon dazunimmt, klingt es eher nach Bossa Nova. Einmal ist sogar eine Rumba dabei. Das wirkt auch wegen der schönen nordischen Melodien sehr angenehm und erinnert manchmal an den Sound Quadro Nuevos. Ein ungewöhnliches Projekt, aber es kommt bekanntlich öfter vor, dass lateinamerikanische Musik in Skandinavien auf großes Interesse stößt.
Hans-Jürgen Lenhart



Bücher
 JAMES P. Leary: Folksongs of Another America : Field Recordings from the Upper Midwest, 1937-1946.
JAMES P. Leary
Folksongs of Another America : Field Recordings from the Upper Midwest, 1937-1946.
dust-digital.com
(– Atlanta, GA : Dust-to-Digital, 2015. – 456 S. : book with 5 CDs and DVD)
ISBN 978-029930150-7 , 60,00 USD


Als Einwandererland bezieht Amerika seine Stärke aus der ungeheuren ethnischen Vielfalt. Kulturen aus der ganzen Welt sind dort anzutreffen, wie Sidney Robertson, Alan Lomax und Helene Stratman-Thomas feststellten, als sie zwischen 1937 und 1946 Feldforschungen in Michigan, Minnesota und Wisconsin unternahmen. Ihre „recording trips“ förderten Tausende von Aufnahmen zu Tage. Die 187 interessantesten sind jetzt auf fünf CDs und einer DVD erschienen, eingepasst in ein opulentes Buch, in dem der Volkskundler James Leary auf 450 Seiten alles Wissenswerte dazu in mustergültiger Manier ausbreitet. Die erste Feldforscherin war Sidney Robertson. Für eine Frau war es ein mutiges Unterfangen sich in abgelegene Holzfällersiedlungen zu wagen. Robertsons Ausbeute war so reichhaltig, dass der erst dreiundzwanzigjährige Alan Lomax ebenfalls in diese entlegene Ecke aufbrach. Im Sommer 1938 packte er sein Auto mit Aufnahmemaschinen, Abspielnadeln und unbespielten Wachsplatten voll und begab sich auf eine „musikalische Schnellerhebung“ (Lomax). Nach drei Monaten hatte er so viele Aufnahmen im Kasten, dass er mit dem Gefühl „vielleicht Amerikas musikalisch reichhaltigste Region“ (Lomax) erkundet zu haben, die Heimreise antrat. Seine Spur nahm Helene Stratman-Thomas wieder auf, die bis 1946 jährlich in Wisconsin unterwegs war – mit reichem Ertrag. Die Aktivitäten der drei Feldforscher förderten eine einzigartige Klangwelt zutage. Einspielungen von fünfundzwanzig Volksgruppen dokumentierten die Vielstimmigkeit Nordamerikas, was die Produktion zu einem eindrucksvollen Panoptikum seiner unterirdischen Musiktraditionen macht.
Christoph Wagner
 VIC galloway: Songs in the Key of Fife : The Intertwining Stories of the Beta Band, King Greosote, KT Tunstall, James Yorkston and the Fence Collective.
VIC galloway
Songs in the Key of Fife : The Intertwining Stories of the Beta Band, King Greosote, KT Tunstall, James Yorkston and the Fence Collective.
polygonbooks.co.uk
(– Edinburgh : Polygon, 2013. – 371 S. : mit Fotos)
ISBN 978-1-84697-235-5 , 14,99 GBP


Fife, das ist der eher ländliche, halbinselartige Teil Schottlands zwischen Edinburgh im Süden und Dundee im Norden mit der Universitätsstadt St. Andrews am östlichen Küstenende. Diese verträumten Fischerdörfchen sind die Heimat der drei musikalischen Anderson-Brüder, und einer davon, Kenny Anderson, ist der Mitbegründer und eine der treibenden Kräfte des Fence Collective, eine mehr oder weniger zwanglose Vereinigung ziemlich unorthodoxer Musiker sowie in deren weiterem Dunstkreis Künstler wie James Yorkston oder KT Tunstall. Nur kennt Kenny Anderson außerhalb von Fife kaum jemand unter seinem richtigen Namen. Musikalische Bedeutung erlangte er als King Creosote. Pseudonyme scheinen im Collektive Usus zu sein. Da gibt es The Pictish Trail, Pip Dylan, Gummi Bako, Uncle Beesly oder Withered Hand, die allesamt zwar keine klar definierte Folkmusik machen, aber teils durch ihre Vorlieben für Ungewöhnlich-Akustisches gerne diesem Genre zugeordnet werden und sich auch nicht sehr dagegen wehren. Die Geschichte und Bedeutung dieser losen Gruppe (Platten- und Veranstaltungsfirma wäre eine andere Bezeichnung, die aber das Fence Collective auch nicht wirklich trifft, eher ist die „Mitgliedschaft“ eine Frage der künstlerischen Attitüde und der Vorlieben der beiden Organisatoren King Creosote und Pictish Trail) wird chronologisch von Künstler zu Künstler springend geschildert, mindestens acht Biografien sozusagen ineinander verwoben, Yorkston und Tunstall inklusive. Der Autor ist prädestiniert für diesen Job: Vic Galloway hat eine wöchentliche BBC-Musikshow, ist DJ, TV- Mensch und Journalist und darüber hinaus selbst Musiker. Und er kommt aus Fife, er kennt die Protagonisten persönlich, hat mit einigen musiziert, ist teilweise sogar Fan. Damit geht er offen um, ohne in Kritiklosigkeit zu verfallen. Das Buch ist höchst informativ, unterhaltsam und gut zu lesen. Nach der Lektüre ist klar: Es gibt neben der traditionellen schottischen Szene noch so einiges an interessanter Musik zu entdecken!
Mike Kamp

 regula Leupold: Tanzen mit Titlá : Tradition meets Invention ; 18 neue Alpen-Irish bis Klezmer für Jugendliche u. Erwachsene.
regula Leupold
Tanzen mit Titlá : Tradition meets Invention ; 18 neue Alpen-Irish bis Klezmer für Jugendliche u. Erwachsene.
fidula.eu
(– Boppard : Fidula-Verl., 2015. – 135 S. : mit zahlr. Abb., Fotos, Noten + CD)
ISBN 978-3-87226-572-2 (Buch), 978-3-87226-772-6 (CD) , je 16,90 EUR


Der Name ist Programm. Zur Musik der Südtiroler Gruppe Titlá hat Regula Leupold achtzehn Volkstänze für Tanzbegeisterte als Tanzschule veröffentlicht. Verschiedenste Tänze (u. a. Quadrille, Kreistanz, Disco, Branle) in fünf Schwierigkeitsgraden werden aufwendig mit Beschreibung, Musikschema, Noten mit Text und Akkordangaben, Tanzschema bzw. -beschreibung sowie netten Zeichnungen und Fotos im wahrsten Sinne des Wortes „beschrieben“. Dazu gibt es eine CD der Gruppe mit vierundzwanzig Tracks – alle achtzehn Tänze (teilw. mit zwei Tracks) sowie zwei Bonustracks. Ein schönes Paket für Tanzpädagogen oder einfach (Volks-)Tanzinteressierte.
Doris Joosten
 ELINA SEYE: Performing a Tradition in Music and Dance : Embodiment and Interaction in Sabar Dance Events.
ELINA SEYE
Performing a Tradition in Music and Dance : Embodiment and Interaction in Sabar Dance Events.
globalmusic.fi
(– Helsinki : Global Music Centre, 2014. – 159 S. : mit Fotos u. Abb. – (Global M)
ISBN 978-952-9675-13-5 , 22,00 EUR


Ein Buch für echte Spezialisten, eine ethnographische Studie über die Sabar-Tradition im Senegal. Sabar ist ein explosiver Tanz der Ethnie der Wolof, stets von den gleichnamigen Trommeln begleitet. Die Studie befasst sich mit Tanzevents und sozialen Zusammenkünften, bei denen Tanz und Musik die primären Ausdrucksformen darstellen. Da das Buch nur wenige Bilder und keine CD mit Musikbeispielen enthält, ist es eine theoretische Abhandlung, die sich in erster Linie an Ethnologen und absolute Kenner der Musik der Region bzw. dieser senegalesischen Musik- und Tanzform richtet.
Doris Joosten

 ANNETTE HARTMANN [Hrsg.]: Das große Tanz-Lexikon : Tanzkulturen, Epochen, Personen, Werke / hrsg. von Annette Hartmann …
ANNETTE HARTMANN [Hrsg.]
Das große Tanz-Lexikon : Tanzkulturen, Epochen, Personen, Werke / hrsg. von Annette Hartmann …
laaber-verlag.de
(– Laaber : Laaber-Verl., 2016. – XV, 755 S. : mit 145 Abb.)
ISBN 978-3-89007-780-2 , 98,00 EUR


Ein echtes Schwergewicht, dieses Lexikon. Rein alphabetisch aufgebaut, enthält dieser Wälzer in über sechshundert mehr oder weniger umfangreichen Artikeln Informationen zum klassischen Bühnentanz, zu Tanzkulturen der Welt, zum Volks- und Gesellschaftstanz, zu namhaften Choreographen, Komponisten, Bühnenbildnern, Literaten und Interpreten u. v. m. Dadurch geht das Werk über die übliche Bandbreite hinaus. Natürlich überwiegen die Informationen zum klassischen Bühnentanz deutlich, dennoch ist es aller Ehren wert, dass die Herausgeber auch die anderen Tanzthemen oder Tanzkulturen außerhalb der westlichen Welt mit einbezogen haben. Der Folkmusik- oder Volkstanzinteressierte wird sich aber den Wälzer eher nicht zulegen, dafür sind diese Themen zu knapp vorgestellt. Aber in Bibliotheken hat es auf jeden Fall seine Berechtigung und ist ebenso für alle Tanz- und Theaterwissenschaftler ein schönes Nachschlagewerk.
Doris Joosten



Lange Onlinerezensionen
 DIVERSE: George Fest – A Night To Celebrate The Music Of George Harrison
DIVERSE
George Fest – A Night To Celebrate The Music Of George Harrison
georgeharrison.com
(H.o.t. Records/BMG Rights 538185472/Rough Trade)
CD: 27 Tracks, 106:31, mit engl. Infos; DVD: 119:44, 27 Tracks plus kurze Einsti


Große Künstler mit ganzen Herden von Kollegen zu feiern, ist grundsätzlich einleuchtend – aber nicht immer für die Ewigkeit gemacht. George Fest vom September 2014 führt, mit Ausnahme von Brian Wilson und Al Jardine, Nachgeborene aller folgenden Generationen zusammen, um George Harrisons Songs und zwei Cover, die er sich angeeignet hatte, zu interpretieren. Das zeigt, dass George eben beileibe nicht in derselben Liga wie John und Paul komponierte. Aber seine Stimme hatte Charakter, er hatte einen Sinn für angemessene Interpretation und ein Flair, von dem alle hier aufgebotenen Interpreten, auch Norah Jones, nur träumen können! Keine andere Darbietung ist so gottserbärmlich wie Brian Wilsons „My Sweet Lord“, aber fast alle sind schwächer, weil konturloser, flacher, stumpfer als die Originale. Ausnahme vielleicht Ian Astburys „Be Here Now“, das George Harrisons bravem Folkliedchen einen Schuss „Blue Jay Way“ hinzufügt, der ihm guttut. Die Generationen nach Astbury bleiben durchweg blass – Sohn Dhani Harrison inklusive, auch wenn er stimmlich an seinen Vater erinnert. So schlimm wie Conan O’Briens in jeder Hinsicht niveaulose Ansage befürchten lässt, wird es aber nicht ansatzweise.
Christian Beck
 BILL RAMSEY: My Words
BILL RAMSEY
My Words
ramsey.de
(Bear Family Productions Ltd. BCD 17427)
Do-CD, CD 1: 16 Tracks, 57:45, CD 2: 15 Tracks, 49:50 , mit dt. Texten u. Infos


Als mich dieses Werk erreichte, dachte ich erst mal: Ach ja, der alte Bill, hm, Doppel-CD mit Jazztiteln. Jaja, man weiß, das kann er. Nicht nur Krimi-Mimi und dergleichen. Zugegebenermaßen durchaus ganz witzige Schlager damals. Bei der Durchsicht des Booklets sah ich die Namen der Bands, die die Stücke mit ihm eingespielt haben. Oha! Die Big Bands mancher ARD-Anstalt, Toots Thielemanns, Kurt Edelhagen usw. Und die Texte alle von ihm? Das wusste ich nicht. Na ja, das Album heißt ja auch My Words. Die Aufnahmen stammen aus der Zeit von 1968 bis 2016. Mal reinhören. Spätestens nach dem zweiten Stück hatte er mich. Das ist eine tolle Musik. Und die Musiker, die sich in diesen Ensembles tummeln – Wahnsinn! Was die für Soli raushauen! Über allem steht der Swing, wie Ramsey das auf „Getting Back The Swing“ bestens beschreibt. Und Bills alter Schlager „Souvenirs, Souvenirs“ bekommt eine heutige Swingentsprechung in „Flea Market“. Allen, die Sinn für eine Musik haben, die man auf die Zwei und die Vier klatscht und nicht auf die Eins und die Drei, wie man es hierzulande gerne tun, sei dieses Werk wärmstens empfohlen.
Jörg Ermisch

Deutschland
 BECKER: Nackig baden gehen?
BECKER
Nackig baden gehen?
becker-music.com
(Moanin Moa13026-2/Finetunes)
14 Tracks, 53:18 , mit Texten


Wie angenehm. Das ist der erste Impuls beim Hören von Nackig baden gehen?. Die vom Albumtitel geschürte Befürchtung einer drolligen Max-Goldt-Kopie ist unbegründet. Auch kein Hinweis auf Hamburger Alltagsbetroffenheit, keine Spur von schlechtem deutschem Hip-Hop und – hurra! – auch keine Folkpop-Liedermacherei. Stattdessen wundervoll relaxte Reggaeklänge mit zweistimmigem Gesang und entspannten Texten, die wir Peter Fox gewünscht hätten. Becker singt mit seiner ureigenen Klangfarbe, die besagtem Fox ein wenig ähnelt. Und auch hier Skaelemente, die nicht nach Marley klingen müssen, wie angenehm. Becker singt auf Deutsch, wie angenehm. Die Texte sind griffig und unprätentiös. Das macht Becker zur optimalen Sommerpartyempfehlung. Das Album hält den Stil durchgehend. Kritischen Hörern fehlt vielleicht die Abwechslung, dafür ist die Scheibe bei jeder Lautstärke, also auch im Hintergrund gut hörbar. Becker bietet Erleichterung, ein Gefühl das wir heutzutage dringend brauchen. Ein Geschenk für jeden gequälten Musikjournalisten und vermutlich für jeden anderen Menschen ebenfalls. Beckers Skaband war übrigens ebenfalls ein Erlebnis, aber das nur am Rande.
Christian Elstrodt
 DIVERSE: Franken-“Herz“ – Das „Who is who“ der fränkischen Musikszene (2. Teil)
DIVERSE
Franken-“Herz“ – Das „Who is who“ der fränkischen Musikszene (2. Teil)
intraton.de
(Intraton)
CD 1: 18 Tracks, 78:51, CD 2: 20 Tracks, 78:38, CD 3: 17 Tracks, 78:14 , mit dt. Infos


Der Radiomacher Alfred Urban von Radio Afk Max Nürnberg und der Bayreuther Musiker Sandy Wolfrum stellten nach Franken-“Sterne“ zum zweiten Mal eine CD-Box mit Musik aus Franken zusammen. Es ist eine kunterbunte Mischung vieler populärer Musikstile: Rock, Pop, Blues, Soul, Hip-Hop, Jazz und Liedermacherei. Viele Stücke könnten auch sonst woher kommen, vieles klingt amerikanisch oder international, da scheinen die Musiker zwar in Franken zu wohnen, aber fränkische Musik ist das nicht. Und doch ist es gute Musik, die dem stilistisch aufgeschlossenen, an Qualität interessierten Hörer genussreiche Stunden beschert. Ähnliche Kompilationen dieser Musikstile, mit englischen und standarddeutschen Texten oder rein instrumental gespielt, mag man auch in anderen Teilen Deutschlands zusammenstellen können, aber so richtig unverwechselelbar fränkisch wird es freilich bei den Mundarttexten, auch wieder quer durch alle Musikstile. Da kommen die Schönheit regionaler Sprache und zugleich ihre Aktualität so richtig zum Vorschein, wobei die Texte teils ebenso regionale Besonderheiten, teils allgemein Menschliches thematisieren. Diese drei CDs sind somit jedem zu empfehlen, dem gute Musik und/oder Franken am Herzen liegen. Das Beiheft enthält leider keine Texte.
Michael A. Schmiedel

 FRIEDRICH UND WIESENHÜTTER: OSW
FRIEDRICH UND WIESENHÜTTER
OSW
friedrich-wiesenhuetter.de
(Lieschen Müller Entertainment)
13 Tracks, 54:23


Bei Ansicht des Albums stehen zunächst mal alle Zeichen auf Geheimnis. Zwei Namen sind zu sehen: Friedrich und Wiesenhütter. Titel des Albums: OSW. Was ist nun dies? Wenn es Ost, Süd, West heißen soll, wo bleibt der Norden? Oder heißt es „Omas super Waffeleisen“? Ein Bild auf der Innenseite zeigt zwei reifere Männer auf einem Sofa. Doch wer ist wer? Ein Booklet gibt’s nicht. Aber wir Rezensenten haben ja Begleitzettel. Ich weiß, den Inhalt von Waschzetteln soll man immer abstrahieren. Hier steht: Anspruchsvolle Lyrik und virtuose Gitarre aus Köpenick. Oha! Nur keine Halbheiten. Mit gemischten Gefühlen hör ich mal rein. Und – auch wenn der Begriff „anspruchsvoll“ ziemlich nichts sagend ist – die Texte sind super! Gleich der erste trifft mich voll ins Herz: „Das liegt am Alter …“. Mit dem nötigen Augenzwinkern natürlich. Die Stücke sind sparsam arrangiert, aber ausreichend, um einen lockeren Groove zu erzeugen. Und der Kollege Wiesenhütter kann offenbar meisterlich Gitarre spielen. Ich möchte fast sagen „virtuos“. Das zeigt sich auch bei den drei Instrumentalstücken. Ein wirklich hörenswertes Album. Nur wenn diese Berliner uns im Norden was von Juist vorschwärmen – dann haben sie Recht. Ein feines Werk. Nur die Sache mit dem Booklet …
Jörg Ermisch
 KITTY HOFF: Plot Point Sieben
KITTY HOFF
Plot Point Sieben
kittyhoff.de
(Herzog Records/Soulfood/Believe Digital)
Promo-CD, 12 Tracks, 48:09 , Texte


Die Lieder Kitty Hoffs lassen sich nicht so leicht einordnen. So geheimnisvoll oder auch unverständlich der Titel des Albums Plot Point Sieben, so haftet auch den Texten Kryptisches an. Keine Geschichte ist einfach und gradlinig, das Dasein und die Menschen sind uneindeutig und widersprüchlich. Die Zeit fließt und zerrinnt ohne tieferen Sinn dahin, ein Hauch von Beliebigkeit breitet sich aus. So nimmt es nicht Wunder, dass sie selbst es seltsam fände, wenn ihre Musik Mainstream werden würde. Um diesem Blick auf die Konfusionen etwas abzugewinnen, bedarf es der Muße, sich auf die Texte einzulassen. Musikalisch gelingt der Einstieg deutlich einfacher. Hoffs weiche, gar liebliche Stimme wird von ihrer Band mit unterschiedlichen, abwechslungsreichen und gefälligen Sounds begleitet und getragen. Auch hier keine Eindeutigkeiten. Klavier, Bläser oder E-Gitarre, Ausflüge in Soul-, Country- und Swinggefilde, ob Ballade oder tanzbar, sie nehmen leichthin den Hörer mit. Es ist das sechste Album der westfälischen Wahl-Berlinerin, mit dem sie auch diesmal wieder auf eigenen Pfaden durch die Chansonlandschaft wandelt.
Rainer Katlewski

 DAVID STEWART INGLETON: Mary Bell On Cipralex
DAVID STEWART INGLETON
Mary Bell On Cipralex
davidstewartingleton.com
(Timezone/Timezone Distribution)
Promo-CD, 7 Tracks, 24:53


Der Australier David Stewart Ingleton spielt Americana auf Banjo und Gitarre. New South Wales ist seine Heimat, doch schon lange lebt Ingleton in Deutschland. Seine Musik klingt erstaunlich altertümlich, als wären seine Songs in den 1920er-Jahren aufgenommen. Doch nichts da, Ingleton stand für die Aufnahmen auf diesem Album in einem Berliner Tonstudio, und die Songs entstammen seiner Feder. Tatsächlich ist Ingleton schon seit mehr als fünfzehn Jahren in Europa unterwegs, allerdings hauptsächlich in und um München tätig gewesen. Lange Zeit trat er mit dem US-amerikanischen Songschreiber Jason Serious im Duo auf. Ingleton beschreibt sich selbst als tief im Blues und Bluegrass verwurzelt, weshalb er häufig das fünfsaitige Banjo spielt und jahrelang bei einem Banjospieler lernte. Auf Mary Bell On Ciraplex gibt es allerdings mehr folkiges Material. Er begleitet sich auf Mundharmonika und mit der akustischen Gitarre. Seinen Unterhalt bestreitet Ingleton hauptsächlich als Straßenmusiker, nur selten spielt er in Clubs. Seine Songs wird man also eher zufällig an einem anonymen Ort mitten in der Stadt zu hören bekommen. Aber es gibt einen kleinen Tipp: Sein Lieblingsauftrittsort ist die Admiralsbrücke in Berlin!
Michael Freerix
 MARLA: Madawaska Valley
MARLA
Madawaska Valley
marlamusica.com
(Melting Pot Music/Groove Attack)
9 Tracks, 33:19


Ob sie wohl schon in der Schule zu den melancholischen Außenseiterinnen gehörte, die anderen Idealen zustrebten als ihre Altersgleichen? Jedenfalls schrieb der Teenie Marla mit Fünfzehn seine ersten Lieder und entdeckte Songschreiber Robert Francis aus Los Angeles als Vorbild. Mittlerweile hat die nun zwanzigJährige Deutsch-Spanierin aus Heidelberg ihr Debütalbum vorgelegt – eine Sammlung stiller Stücke zur Gitarre, voller Sehnsucht und trauriger Romantik. Das klingt manchmal etwas sehr verträumt und niedlich, wird aber auch wieder konterkariert, etwa im düster anmutenden „Desolación“ oder dem rein lautmalerisch-rätselhaften „Sirenita“. Marla war viel auf Reisen, flicht ihre Eindrücke in die meist englischsprachigen Lieder ein und wirkt nicht wie eine Provinzkünstlerin aus dem Badischen. Entsprechend entstand ihr Album in Kanadas Musikhauptstadt Toronto und wurde aufgenommen von Songschreiber David Celia. Der hervorragende Gitarrist zählt Gordon Lightfoot zu seinen Edelfans und steht Marla mit diversen Instrumenten auf dem Album zur Seite, etwa mit Slidegitarre, Mandoline und Orgel. Über allem aber steht Marlas Stimme, dunkel tönend, leicht brüchig, etwas belegt. Und das alles hat seine Reize.
Volker Dick

 REKK: Sixtytwo
REKK
Sixtytwo
rekkband.bandcamp.com
(Stargazer Records SG03888/Broken Silence)
12 Tracks, 41:32 , mit Texten


Bei hundert Neuerscheinungen enthalten neunzig Künstlerinfos die Formulierung „Folkpop mit Tiefgang“. Folk, zumindest in der Popvariante, ist der Hype, und der Markt wird mit Folkpopkünstlern überschwemmt. Warum sollte man in der Flut der Neuveröffentlichungen also gerade den ersten Longplayer des Dortmunder Quintetts Rekk kaufen? Es sind die Songs, die den Unterschied machen. Auf Sixtytwo plätschern die Stücke nicht nur so daher, sondern bleiben in den Gehörgängen. Spätestens beim zweiten Durchgang summt der Hörer die Lieder unwillkürlich mit, die Künstler haben gewonnen. Die Songs bleiben. Man möchte sie wieder und wieder hören. Vielleicht entscheidet in einer Zeit, in der technisch versierte Instrumentalisten engagierte Veröffentlichungen in unüberschaubarer Zahl auf den Markt werfen, die ursprünglichste aller musikalischen Fragen über den Erfolg einer Band: Erinnert man sich an den Song? Ein klares Ja für den Dortmunder Fünfer. Ob Opener „Turn & Sing“ oder der Americana-lastige Walzer „Colour The Moon“, jeder Song will mitgesungen werden. Die witzige Coverversion von „Wicked Game“ rundet das Album ab.
Christian Elstrodt
 ANNE WYLIE: Songs From The Seas
ANNE WYLIE
Songs From The Seas
annewylie.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 59:25 , mit Texten


Die seit Jahrzehnten in Deutschland lebende Irin arbeitet sich auf ihrem neuen Album weiter heran an die Perfektionierung ihres meist mystisch-sphärisch klingenden keltischen Folkjazz, der aber auch schon einmal fröhlich-verspielte Elemente aufweisen kann. Dazu hat sie sich auf Songs From The Seas wieder eine exzellente Band ins Studio geholt, die der Sängerin mit Bass, Piano, Cello, E-Gitarre, vor allem aber traditionell irischen Instrumenten wie Uilleann Pipes, Low Whistle oder Bouzouki einen Klangteppich webt, auf dem ihre markante und variable Stimme bedenkenlos mäandern kann. Die Lieder behandeln dem Titel entsprechend vor allem Themen rund um Meer und Wasser, sind teils traditioneller Herkunft oder stammen von renommierten Kollegen wie Stan Rogers oder Mickey MacConnell, manche sind aber auch aus der Feder der Künstlerin selbst. Überraschend anders, aber gelungen ist ihre englischsprachige Version des siebenbürgischen Volksliedes „Es saß ein wild klein Vögelein“. Wer wissen will, wie sehr Anne Wylies Musik über die Jahrzehnte gereift ist, vergleiche ihre neue, an Loreena McKennitt angelehnte, aber doch auf starke eigene Weise interpretierte Version von „The Bonny Swans“ mit der von 1994 auf ihrem Album Tír Na NÓg.
Stefan Backes

Europa
 AFRO CELT SOUND SYSTEM: The Source
AFRO CELT SOUND SYSTEM
The Source
afroceltsoundsystem.org.uk
(ECC Records, Promo-Copy)
13 Tracks, 78:13


Sie können’s noch immer! Nach zehn Jahren also endlich wieder ein Studioalbum der vielköpfigen Truppe, die mit Leidenschaft und Kreativität ihrem Bandnamen erneut alle Ehre macht. Die faszinierenden Rhythmuswechsel und die elegante Mixtur unterschiedlichster Instrumente bilden das Fundament der durchweg eingängigen, aber nie ermüdenden oder langweiligen Songs. Für Arrangements und Produktion ist wieder Saitenvirtuose Simon Emmerson verantwortlich. Ihm zur Seite stehen vor allem der guineische Sänger, Kora- und Balafonspieler N’Faly Kouyate und Percussion-Ass Johnny Kalsi (bisweilen mit seiner TDF/The Dhol Foundation), nebst Moussa Sissoko (Djembe, Talking Drum). Für den keltisch-irischen Gegenpol an Uilleann Pipes und Whistles sorgen unter anderem Davy Spillane und Emer Mayock sowie Gälisch-Rapper Griogair und die Sängerin und Flötistin Rioghnach Connolly. Letztere kann sich insbesondere in dem sphärisch-mystischen, dem nigerianischen Dichter Chiua Achebe gewidmeten Song „Beware Soul Brother“ oder aber auch dem Tanzlied „Honey Bee“ (mit Bothy-Band-Zitaten) hervortun. Sehr gelungen auch der von Dhol-Trommeln und irischer Traverse Flute geprägte Parforceritt „The Magnificent Seven“. Phänomenal!
Roland Schmitt
 AMSTERDAM KLEZMER BAND: Oyoyoy
AMSTERDAM KLEZMER BAND
Oyoyoy
amsterdamklezmerband.com
(3S Music Group LC12228/Edel Kultur)
Promo-CD, 13 Tracks, 55:35


Pünktlich zum zwanzigjährigen Bestehen bringt die Amsterdam Klezmer Band ihr vierzehntes Album heraus. Der beeindruckende Backkatalog der Band spricht nicht nur Bände über die Chemie zwischen den Musikern, sondern bezeugt ebenso ein waches, jung gebliebenes Ensemble mit einer ungebrochenen Spielfreude und währenden Neugierde am Material. Wie gewohnt spielen die Holländer modern interpretierten Klezmer, den sie mit Anleihen aus Funk, Reggea, Jazz und Rap anreichern. Besonders der Titeltrack „Oyoyoy“ ist eine discotaugliche Tanznummer mit sprühender Energie, erzeugt durch die unermüdlichen, immerzu vorwärtsstrebenden Offbeats, und auch beim rotzigen „Ringdingdang“ dürfte kein Bein am Boden bleiben. Für das vorliegende Album kehrt das Musikerkollektiv nach absolvierten Projekten mit Balkan Beats DJs zu den schon in ihren frühen Jahren gepflegten akustischen Produktionen zurück, was einmal mehr die virtuosen Fähigkeiten der Musiker dokumentiert, den spezifischen Klang der Instrumente einfängt und dennoch nichts an Diskotauglichkeit einbüßt. Empfehlenswert auch die schwofige Gesangseinlage von Alec Kopyt auf „The Hipster’s Life“.
Judith Wiemers

 BARLUATH: At Dawn Of Day
BARLUATH
At Dawn Of Day
barluath.com
(Eigenverlag BARL001)
11 Tracks, 47:25 , mit engl. Infos


Wir kennen das schottische Luxusproblem: Das instrumentell-technische Niveau des Nachwuchses ist durch spezielle Folkstudiengänge zum Beispiel in Glasgow oder Newcastle immens hoch. Auch die sechs von Barluath haben zuerst im Center for Excellence in Plockton und später am Royal Conservatoire in Glasgow sehr gut aufgepasst. Pipes (zweimal!), Fiddle, Gitarre, Piano, Whistle etc. werden perfekt bedient, die Auswahl der traditionellen und zeitgenössischen Songs und Melodien passt, und die Arrangements sind clever. Die Gefahr besteht, dass bei all dem Können das Gefühl und der Spielwitz auf der Strecke bleiben. Barluath umschiffen diese Klippe bei ihrem zweiten Album erfolgreich. Zum einen haben sie mit Ainsley Hamill eine Sängerin der Extraklasse, deren Altstimme vielleicht nicht jedermanns Sache ist, die jedoch die Bandbreite von gälischen Waulking Songs bis zu Donavans „Catch The Wind“ mit viel Ausdruck und Charakter interpretieren kann. Und zum anderen hat sich Barluath mit Anna Massie eine augenzwinkernde Produzentin an Land gezogen, die von Klängen kalter Perfektion immer schon meilenweit entfernt war. Barluath hat Massies Art verinnerlicht und gilt daher zu Recht als eine der großen jungen Bands in einer an Nachwuchs reichen Folkszene.
Mike Kamp
 XABIER DÍAZ E ADUFEIRAS DE SALITRE: The Tambourine Man
XABIER DÍAZ E ADUFEIRAS DE SALITRE
The Tambourine Man
xabierdiaz.com
(Músicas de Salitre)
12 Tracks, 52:12 , mit galic. u. span. Infos u. galic. Texten


Wer eine Schwäche für iberischen, gar speziell galicischen Folk hat, der wird sich womöglich im Handumdrehen verlieben in dieses Album des Pandeireta und andere Instrumente spielenden, singenden sowie komponierenden Folkloristen aus La Coruña. Die dritte Veröffentlichung unter eigenem Namen (neben etlichen anderer Projekte) realisierte der Enddreißiger mit der betörend zärtlichen Stimme zusammen mit elf traditionell verankerten singenden Adufe-Spielerinnen sowie zwei weiteren Instrumentalisten (an Drehleier, Geige und Akkordeon). Zu den darüber hinaus noch geladenen, durchweg illustren Gästen gehören unter anderem Aleix Tobias, Mastermind der katalanischen Percussiongruppe Coetus, der baskische Trikitixa-Spieler Kepa Junkera sowie der galicische Gaitero Xosé Manuel Budiño. Das Dutzend adaptierter Traditionals diverser Regionen Galiciens ist musikalisch überaus überzeugend und ein Freude machender Beweis, wie sich Traditionsnähe mit moderner, luftdurchlässiger Anmutung klanglich aufs Beste vereinen lässt (Anspieltipp: „Cantiga da Montaña“). Díaz gehört mit seinen vielfältigen Arbeitserfahrungen mit unterschiedlichen Musik- wie auch Tanzensembles zu den kreativsten Protagonisten der galicischen Neofolkszene.
Katrin Wilke

 DIVERSE: The Journey Continues … Fellside At 40
DIVERSE
The Journey Continues … Fellside At 40
fellside.com
(Fellside Recordings FECD272)
3 CDs, 57 Tracks, 233:00 , mit engl. Infos


So was Ähnliches gab’s schon mal, und das hieß angesichts des Dreißigjährigen Landmarks. Nun feiert eines der größten der kleinen britischen Folklabels sein neuerliches Jubiläum, wieder mit Stil und finanziellem Vorteil für die Hörerschaft. Paul und Linda Adams’ bisheriges Lebenswerk umfasst eine solch diverse und attraktive Anzahl von Künstlern aus dem englischen Süden bis zum schottischen Norden (mit Ausflügen in diverse anglophile Gefilde), dass der Platz hier nicht ansatzweise ausreicht, um einen Überblick zu geben. Versuchen wir es mit einem klitzekleinen Ausschnitt: Frankie Armstrong, Sara Grey, Pete Morton, Martin Carthy & Dave Swarbrick, Peter Bellamy, John Kirkpatrick, Greg Russell & Ciaran Algar, Jez Lowe … Die prallen, fast vier Stunden Musik zum Sonderpreis sehen die Labelmacher aus dem malerischen Lake District explizit als Ergänzung zur ersten Jubiläumstrilogie, Überschneidungen ausgeschlossen, exklusive Neueinspielungen allerdings nicht. Man kann es so ausdrücken: Wenn Sie dieses Jahr vorhaben sollten, sich nur eine einzige Folkproduktion aus Großbritannien zuzulegen, dann sollte es definitiv diese sein. Stilistisch breiter geht es einfach nicht.
Mike Kamp
 DJ VADIM: Dubcatcher 2 – Wicked My Yout
DJ VADIM
Dubcatcher 2 – Wicked My Yout
djvadim.com
(Soulbeats Records SBR088/Broken Silence)
Promo-CD, 16 Tracks, 70:31


Dass ein geografisch präzise verortetes Musikidiom von einem Künstler aus einem gänzlich anderen Kulturkreis so verlustfrei getroffen wird wie der jamaikanische Reggae in all seinen Spielarten von DJ Vadim, ist verblüffend. Noch verblüffender scheint es, wenn man bedenkt, dass der in Leningrad geborene und seit dem Alter von sechs Jahren in London aufgewachsene DJ noch nicht einmal auf das Genre fixiert ist, sondern auch in sämtlichen Stilen zwischen Soul und Hip-Hop, Elektro, Jungle und Grime darum herum gleichermaßen zu Hause ist. Es bekommt dem Reggae – homogen synthetisch aus allen möglichen Quellen zusammengesetzt, trifft er den Originalton gleichwohl exakt. Und zwar sowohl den der Rootslegenden wie den der Dancehall-Toaster und den zeitgemäßer Partyska-Modelle dazu. Das ist auch den durch die Bank betörenden Sängern zu verdanken, den durch die Bank halsbrecherisch virtuosen Toastern und Rappern – vom Säulenheiligen Max Romeo über Inja bis Kathrin deBoer, von General Levy über Tippa Irie bis Jman. Aber vor allem ist es das Werk des Russen aus London, seiner Riddims und Grooves – unwiderstehlich, sowohl wenn sie aufputschen, als auch wenn sie das Adrenalin wieder herausschaukeln …
Christian Beck

 THE GLOAMING: 2
THE GLOAMING
2
thegloaming.net
(CDRW212, Real World Records)
12 Tracks; 69:44 , sparsame Infos


Während die erste Produktion des All-Star-Ensembles mich 2013 nicht so richtig gepackt hatte, sprang hier der Funke sofort und massiv über. Bereits die erste Nummer „Pilgrim’s Song“, eine Vertonung eines alten irischen Texts, rhythmisch, akkordisch und melodisch kombiniert mit einem traditionellen Reel, fesselt die Aufmerksamkeit des Zuhörers mühelos! Allein die Kombination von Martin Hayes’ lyrisch-explosiver Fiddle und Caoimhin O’Raghallaighs abweltlich klingender Hardanger d’Amore ist fast überirdisch ergreifend, ergänzt durch das kongeniale Gitarrenspiel von Denis Cahill, Martins langjährigem Duopartner. Bei Vokalist Iarla O’Lionard scheint man für den traditionellen irischen Gesang einen ganz neuen Impetus, fast ein neues Gesicht wahrzunehmen – dies war auch schon bei seiner Mitwirkung im Afro Celt Sound System zu spüren. Thomas Bartlett steuert ein feinfühlig-vielschichtiges Pianoarrangement bei. Virtuosität, Trance, psychedelische Passagen und dynamische Intensivierung zur Steigerung der Dramatik sind die Grundbausteine des Ensembles, welches hier ein wahres Meisterwerk geschaffen hat. Anders als bei vielen Irish-Trad- Produktionen spielt hier nicht die Masse an Tunes eine Rolle, sondern ihr inneres Gefüge, das Herauskitzeln von wichtigen emotionalen Details beim graduellen Aufbau der musikdramatischen Höhepunkte. So viel Schönheit selbst einfacher traditioneller Melodien habe ich selten angetroffen. Und dann noch dieses mysteriöse Cover als I-Tüpfelchen einer grandiosen Gesamtkomposition! Vermutlich mein irisches Album 2016 – meist bleibt es bei einem!
Johannes Schiefner
 LES CERVEAUX LENTS: Heiß und fürchterlich
LES CERVEAUX LENTS
Heiß und fürchterlich
lescerveauxlents.be
(Zephyrus Music ZEP028/Galileo MC)
11 Tracks, 54:12 , mit engl. u. dt. Infos


Die sechs Belgier von Les Cerveaux Lents, zu Deutsch „Die langsamen Gehirne“, gibt es in ihrer heutigen Zusammensetzung zwar schon seit 2002, doch dieser Tage legen die Musiker, die sonst vornehmlich in Cafés, bei Hochzeiten und Trauerfeiern ihre Kunst zum Besten geben, endlich ihr Debütalbum mit eigenen Kompositionen vor. Sie verstehen sich als Klezmertruppe, und das Instrumentarium (Akkordeon, Klarinette, Geige, Kontrabass, Gitarre, Percussion) bezeugt dies. Hörbare Einflüsse beziehen sie jedoch auch von anderen musikalischen Kulturen und vermengen mit sicheren Händen und Ohren jüdische, arabische und sogar äthiopische Sounds. Die arabische Klangwelt wird besonders auf dem Track „Mbala“ evoziert, und der das Album eröffnende „Tanz“ stellt die verschiedenen folkloristischen Traditionen in einer fröhlichen, wahrhaft tanzwütigen Nummer selbstbewusst nebeneinander. Die dabei entstehenden Reibungen eröffnen neue musikalische Räume und betonen nicht etwa die Differenz, sondern das Potenzial für spannendes Zusammenspiel, das Entdecken unbekannten Territoriums und vor allem die ungezwungene Freude an der Musik. Zwischen halsbrecherische Klarinetten- und Geigensoli (Adriaan Verwée und Renauld Gilbert) mischen sich die jazzige Gitarre von Eduardo Vega und die Stimme Michael de Shryvers, der mit einem Kafka-Zitat und einem Ausspruch Sigmund Freuds den konzeptionellen Unterbau des Albums ironisierend rezitiert
Judith Wiemers

 THE PAUL McKENNA BAND: Paths That Wind
THE PAUL McKENNA BAND
Paths That Wind
paulmakennaband.com
(Eigenverlag PBM001CD)
10 Tracks, 36:55


Die Paul McKenna Band aus Glasgow trägt diesen Namen nicht von ungefähr. Der Chef ist die zentrale Figur, er singt (und zwar intensiv), spielt Gitarre und schreibt die meisten Lieder. Der Rest stammt von Jim Read, Alistair Hulett, Peggy Seeger und Mr. Trad, nicht zu vergessen zwei Instrumentalsets von Flötist Seán Gray. Die gemeinschaftlich und abwechslungsreich arrangierten Songs auf dem vierten Album haben einen klaren Nenner: die Gesellschaft so, wie sie ist, aber nicht unbedingt sein muss. Politische Songs wäre eine starke, wenn auch nicht ganz falsche Vereinfachung. Neben den Bandmitgliedern Ewan Baird (Percussion) und Conor Markey (Banjo, Mandoline, Bouzouki) geben Mike Vass, James Lindsay, Rod Paterson und John McCusker Gastspiele, wobei Letzterer zusätzlich als Produzent gewiss einen nicht unbedeutenden Anteil am Gelingen dieses überzeugenden Albums hatte.
Mike Kamp
 DOMINIC MILLER & MANOLITO SIMONET: Hecho En Cuba
DOMINIC MILLER & MANOLITO SIMONET
Hecho En Cuba
dominicmiller.com/manolito-live.de
(Q-Rious Music/Edel)
9 Tracks, 35:09 , mit engl. u. span. Infos


Mitunter klingt ein Album nicht nach dem Ort, wo es – womöglich sogar mit Musikern von dort – entstand. Das ist auf verschiedene Weise bei den beiden Veröffentlichungen der Fall. Der Sting-Gitarrist ging mit Kubas führendem Timba-/Latinpop-Pianisten und Bandleader in dessen Heimstudio in Havanna. Herausgekommen sind, unter Mitwirkung von Simonets Trabuco-Bandmitgliedern, acht solide, smoothe, nicht allzu kreativ „latinisierte“ Miller-Kompositionen zuzüglich einer von Simonet. Die instrumentalen Neuinterpretationen klingen den zum Teil durch Sting bekannten Originalen recht ähnlich. Einziges Vokalstück ist der Opener des mit der emblematischen Kubaflagge auch optisch etwas uninspirierten Albums.
Katrin Wilke

 TOKAME: Eres La Tierra Más Linda
TOKAME
Eres La Tierra Más Linda
tokame.info
(59 music/H’Art)
11 Tracks, 58:30 , mit span. u. engl. Infos


„Berühr mich“ (auch: „Spiel mich“) ist der schon im Bandnamen manifestierte Wunsch der in Europa, vor allem Deutschland und der Schweiz lebenden zehn Musiker. Das Gros sind exzellente kubanische Instrumentalisten und Sänger, angeleitet von einem slowenischstämmigen, offenbar Kuba-affinen Bassisten, der kurioserweise auch mehrheitlich die spanischsprachigen Kompositionen verantwortet. Fast alles ist waschechte Timba, wie der titelgebende Einstiegstrack, der in kubatypischer Manier die – in dem Fall – ferne Heimat mit lobenden Superlativen verhängt.
Katrin Wilke
 LES MUSICIENS DE SAINT-JULIEN & FRANÇOIS LAZAREVITCH: The High Road To Kilkenny
LES MUSICIENS DE SAINT-JULIEN & FRANÇOIS LAZAREVITCH
The High Road To Kilkenny
lesmusiciensdesaintjulien.fr
(Alpha 234/Alpha Classics)
18 Tracks, 69:17 , mehrsprachige ausführliche Infos


Mit überschäumender Spielfreude fasziniert das französische Ensemble um den Flötisten François Lazarevitch. Eine ungewöhnlich starke Darbietung irischer Musik aus dem 17. und 18. Jahrhundert! Werke von O’Carolan, Connellan, Peacock und anderen irischen Komponisten des Barock verbinden sich mit einem offensiven und sehr stilsicheren Herangehend der Solisten. Das Ensemble ist der Spielweise auf barocken Instrumenten (Theorbe, Viola d’Amore und andere) sehr verbunden, wobei klassische Virtuosität auf Augenhöhe neben Stilsicherheit und traditioneller Phrasierung der Solostimmen steht. Findet man O’Carolan sonst auf vielen irischen Produktionen eingepackt in den Charme traditioneller Musik, hört man ihn hier im Ductus des Barock – ein fesselndes, packendes Hörerlebnis. Tenor Robert Getchell rundet das Bild mit seinem wunderbaren Tenor aufs Feinste ab. Eine fantastische Produktion – höchste Empfehlung für Freunde dieses Grenzbereichs zwischen Barock und traditioneller Musik.
Johannes Schiefner

 RACHEL NEWTON: Here’s My Heart Come Take It  BOREAS: Ahoy Hoy
RACHEL NEWTON
Here’s My Heart Come Take It
rachelnewtonmusic.com
(Shadowside Records SHADOW02)
9 Tracks, 34:31, mit engl. u. gäl. Texten


BOREAS
Ahoy Hoy
boreasband.com
(Isle Music Scotland ISLE04CD)
11 Tracks, 46:31 , mit engl. u. gäl. Texten


Newton ist eine der talentiertesten und fleißigsten Musikerinnen Schottlands. Ihr Talent und ihr Selbstbewusstsein werden auf ihrem dritten Soloalbum überdeutlich. Die Harfenistin und Sängerin in Englisch und Gälisch glänzt ebenso als Komponistin ihrer meist dunklen Lieder, ein Gegensatz zu Newtons fröhlichem Wesen. Die Arrangements und der Sound sind dicht, Letzteres sicherlich ein Verdienst ihres Percussionisten und Mitproduzenten Mattie Foulds, der wie Fiddlerin Lauren MacColl Teil des Rachel Newton Trios ist.

Fleißig und offensichtlich gut organisiert ist Newton, weil sie nicht nur eine gefragte Gastmusikerin ist, sondern auch in diversen anderen Bands/Projekten wie The Shee oder im Emily Portman Trio (im Juli in Rudolstadt) mitwirkt. Oder bei Boreas, einem neuen, paritätisch norwegisch-schottisch besetzten Damenquartett. Neben Newton sind Lori Watson (Fiddle), Britt Pernille Froholm (Hardangerfiedel) und Irene Tilling (Akkordeon) an Bord. Diese Gruppe sollte eine fantastische Zukunft haben, denn selten waren die beiden Kulturen gleichberechtigter und dichter zusammen zu hören, ohne die Wurzeln zu verkleistern und neue Einflüsse auszuschließen. Garantiert eines der schönsten Alben des Jahres!
Mike Kamp
 PÄRE: Hausjärvi Beat
PÄRE
Hausjärvi Beat
facebook.com/parepipes
(Zebo Records)
8 Tracks, 55:56


Dudelsäcke (säkkipilli) waren vom Mittelalter bis Anfang des 19. Jahrhunderts in Finnland verbreitet, wo man damals damit zum Tanz aufspielte. In den letzten zweihundert Jahren sind sie aber dort in Vergessenheit geraten. Der finnische Pianist, Gitarrist und Mandolinenspieler Petri Prauda (*1972) studierte an der Sibelius-Akademie ab 1998 den Dudelsack als zweites Instrument. Er spielt als Solist und in diversen Gruppen wie Frigg und Plektronite mit. Da über die Instrumente und das Repertoire der früheren Dudelsackspieler wenig bekannt ist, hat die aus renommierten finnischen Musikern bestehende Gruppe versucht, den Klang des Mittelalters bis ins 19. Jahrhundert nachzuempfinden, eine Tanzmusik mit Polskas, Walzern, Menuetten und Schottischen zu spielen. Die Mischung von Dudelsack, Kantele (Piia Kleemola), Schäferflöten und Maultrommel (Tapani Varis) und Percussion (Oskari Lehtonen) ergibt ein ganz besonderes Klangbild. Weit über das Traditionelle hinaus gehen das zehnminütige „Trepatska“ mit den ständig wiederholten Tonfolgen und einer sehr starken Dynamik sowie das Set „Laulu/Pajatusta/666“. Die gesamte Vielfalt des Albums offenbart sich beim mehrmaligen Hören – nicht nur für Dudelsackspieler.
Bernd Künzer

 REELROAD: Past The Gates
REELROAD
Past The Gates
reelroad.spb.ru
(CPL-Music CPL 009)
12 Tracks, 43:45


Past The Gates fegt mit atemberaubender Geschwindigkeit durch die russische Folklore. Bei Reelroad stimmt nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die musikalische Qualität. Die Arrangements sind ausgesprochen gewitzt und voller Überraschungen, die Lieder klingen wie aus einem Guss. Der Gang zur Tanzfläche liegt hier genauso nah, wie das andächtige Lauschen vor der High-End-Anlage. Reelroad, das ist sozusagen der Sidekick von Otava Yo, die Musiker sind zum Teil identisch, und wenn die musikalische Ausrichtung auch differiert, kann man getrost behaupten, wer Fan der einen Kapelle ist, wird mit Sicherheit auch Fan der anderen. Trotz aller rockiger Wucht ist Past The Gates ein lupenreines Folkalbum, und das macht dieses Werk so angenehm. Die russischen Folkinstrumente von Kaljuka bis Zhaleika ergänzen sich auf natürliche Weise mit Dudelsack oder Gitarre, ohne als exotisches Ambiente missbraucht zu werden. Past The Gates ist wundervoll abwechslungsreich. Bereits der Opener weckt angenehme Erinnerungen an Baba Yaga oder die Farlanders, und Songs wie „Old Man’s Plot“ können es mit jeder Rockhymne aufnehmen. Wenn Reelroad live genauso überzeugen wie auf Platte – nichts wie hin.
Christian Elstrodt
 SOYKA STIRNER: Tanz  SOYKA STIRNER: Tanz Zwei
SOYKA STIRNER
Tanz
soykastirner.com
(Lotus Records/Non Food Factory nff 2352)
17 Tracks, 79:20


SOYKA STIRNER
Tanz Zwei
soykastirner.com
(Lotus Records/Non Food Factory nff 2352)
17 Tracks, 71:42


Der Wiener Autor und Musiker Ernst Molden hat den beiden Musikanten Walther Soyka und Karl Stirner ins Beiheft geschrieben, dass sie Herren aus Wien seien. Das heißt erst einmal nur, dass sie aus der heutigen Szene des Neuen Wienerlieds nicht mehr wegzudenken sind. Stirner, weil er sich mit seiner Zither ebenso wie Sojka mit seinem Knopfakkordeon sowohl bestens in der Tradition der österreichischen Folklore auskennt, sich aber auch avantgardistischen Neuerungen gegenüber nicht verschließt. Letztere haben auf diesen beiden Alben, die im Zeitraum von sieben Jahren nacheinander entstanden, wenig zu suchen. Stattdessen gibt es Traditionelles, etwa den „Pischinger Marsch“, Neueres vom Meister der „imaginären Folklore“ Louis Sclavis oder gleich Eigenkompositionen im Stil einer Polka. Das Duo spielt sich in einen Spielrausch hinein, beschwört Balkaneskes, Walzer und macht Flamencoanleihen. Die traumwandlerische Zusammenarbeit klingt allerdings selten glatt oder bloß gefällig, sondern in dem Sinne nach Wean, wie es Molden meinte: Beim Hören sollte man, wie wahre Herren, trunken vor Glück nicht vom Bankerl fallen. Höchstens ein kleines Stück hinabgleiten ins Glück.
Harald Justin

 FERHAT TUNÇ: Kobani
FERHAT TUNÇ
Kobani
ferhattunc.net
(Kirkelig Kulturverksted FXCD 417/Indigo)
12 Tracks, 65:66 , mit engl. Texten u. Infos


Das dreiundzwanzigste Werk von Ferhat Tun rüttelt musikalisch und vor allem thematisch auf. Der renommierte kurdische Musiker und Menschenrechtler, der viele Jahre in Deutschland gelebt hat, setzt sich erneut über alle Grenzen hinweg und erzählt in seinen zwölf emotionalen Liedern von den Repressionen des türkischen Staatsapparates oder des IS gegenüber den ethnischen Minderheiten der Aleviten, Kurden, Armenier und Jesiden. Schon der Titel Kobani ist herausfordernd, steht die syrische Stadt an der türkischen Grenze doch als Symbol für den Sieg der Kurden über den IS. Ferhat Tunҫ ist in dieser Zeit in der Stadt gewesen. Erneut erhebt der Zweiundfünfzigjährige daher seine Stimme für das Bewahren kulturellen Reichtums und das Überwinden von Grenzen. Das demonstriert er auch musikalisch. In seinen anspruchsvollen Kompositionen verwebt er türkische sowie kurdische Musiktraditionen mit Singer/Songwriter-Einflüssen und Pop-Rock-Elementen. Herausragend ist etwa das Duett mit Mari Boine, einer Vertreterin des in der Vergangenheit in Skandinavien verfolgten Volkes der Sami. Die Welt braucht mehr solcher furchtlosen Künstler des politischen Liedes.
Erik Prochnow



Afrika
 DIVERSE: Every Song Has Its End – Sonic Dispatches From Traditional Mali
DIVERSE
Every Song Has Its End – Sonic Dispatches From Traditional Mali
label.glitterhouse.com.net
(Glitterbeat 029/Glitterbeats records)
Promo-CD, 12 Tracks, 67:05


Wer sich intensiver mit traditioneller Musik Afrikas, speziell Malis, beschäftigen möchte, findet hier einen Einstieg, unter Umständen sogar eine Einstiegsdroge in die bewusstseinserweiternde Wirkung eben dieser Musik. Produzent Paul Chandler versorgt uns auf seiner Dokumentation nur mit homöopathischen Triggern. So ist das größte Manko des Albums auch gleichzeitig eines seiner Stärken – die Vielfalt der Einblicke, die man erhält, ist enorm. Die ausgewählten Stücke lassen erahnen, welcher Schatz noch in Chandlers Archiv schlummert. Zudem gibt es im Internet zu der gesamten Produktion umfangreiches Filmmaterial (unbedingt anschauen!), mit dem sich noch mehr Hintergründiges erschließen lässt. Wenn weitere Veröffentlichungen folgen, ist dem Werk eine ähnlich aufklärende Wirkung wie Gerhard Kubiks Buch Zum Verstehen afrikanischer Musik oder John Miller Chernoffs Buch Rhythmen der Gemeinschaft sicher. Ein Anfang ist gemacht, diese Musiker und ihre Instrumente durch die Aufnahmen auch kommenden Generationen in Erinnerung zu rufen und ihre Musik eben nicht enden zu lassen.
Christoph Schumacher



Nordamerika
 KATE CAMPBELL: The K.O.A. Tapes (Vol. 1)
KATE CAMPBELL
The K.O.A. Tapes (Vol. 1)
katecampbell.com
(Large River Music LR 5415/Hemifrån)
Promo-CD, 20 Tracks, 49:57


Eine Menge Songs, die nicht von ihr stammen, hat Kate Campbell auf diesem Album versammelt, die jedoch Stücke sind, die sie zutiefst faszinieren. Gelernt hat Campbell Musik von ihrer Mutter und Großmutter, die beide sangen und verschiedene Instrumente spielten. Tatsächlich war das Klavier Campbells erstes Instrument, doch unter dem Einfluss Janis Joplins nahm sie schließlich die Gitarre in die Hände und lernte „Me And Bobby McGee“ spielen, um schließlich ihre eigenen Songs zu schreiben. Lange war sie als Livemusikerin unterwegs, bevor 1994 mit Songs From The Levee ihr Debütalbum erschien. The K.O.A.-Tapes ist nun eine Reise zurück zu den Wurzeln, die Campbell inspirierten, selbst Songschreiberin werden zu wollen. Vieles ist ganz allein, mit zwei Mikrofonen und einem I-Phone als Aufnahmegerät in ihrem Wohnzimmer entstanden. Vereinzelt wurden in Studios noch Overdubs dazugelegt, doch der pure, direkte Charakter der Aufnahmen wurde nicht verändert. Intim und beschaulich klingt dieses Album, voller Balladen, wie ein Abend am Lagerfeuer.
Michael Freerix
 GRAHAM NASH: This Path Tonight
GRAHAM NASH
This Path Tonight
grahamnash.com
(Blue Castle Records BCR 1516-8)
10 Tracks, 42:03 , mit engl. Texten


Im Februar wurde Graham Nash vierundsiebzig. Das Älterwerden und die damit verbundenen Lebensentscheidungen und Rückblicke sind Thema des Titelsongs. Die Inspiration dafür bekam Nash im kalifornischen Napa Valley bei einer Ausstellung seiner Fotos. Nach achtunddreißig Jahren Ehe lässt er sich scheiden. Er hat eine andere Frau kennengelernt und musste an sie denken, als er in dem Weingut spazieren ging. „Es ist eine interessante Reise, die ich jetzt in diesem Stadium meines Leben unternehme“, sagt er. „Ich verändere mein Leben komplett. Aber ich weiß, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.“ Doch gleich im zweiten Titel „Myself At Last“ fragt Nash: „Ist meine Zukunft nichts mehr als meine Vergangenheit?“ Solche zum Teil quälenden Gedanken ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Titel des Albums. In „Target“ meint man Erinnerungen an seine Exfreundin Joni Mitchell zu hören. „Back Home“ ist eine Hommage für einen Gleichgesinnten, für Levon Helm. „Ich war einst in einer Band, die aus Freunden bestand“, heißt es in „Golden Days“. Gemeint sind die gemeinsamen Tage mit Crosby, Stills und Young. Thematisch und musikalisch ein ausgesprochen melancholisches Werk, das Graham Nash unter anderem mit Shane Fontayne eingespielt hat.
Michael Kleff

 RADICAL FACE: The Family Tree: The Leaves
RADICAL FACE
The Family Tree: The Leaves
radicalface.com
(Netzwerk Productions)
Promo-CD, 10 Tracks, 50:52


Dies ist der Abschluss der vor acht Jahren begonnenen Trilogie über eine fiktive Familie aus dem 19. Jahrhundert mit übersinnlichen Fähigkeiten. Zarter, verspielter Südstaaten-Gothic von dem in Jacksonville geborenen Mann. Vom minimalistisch produzierten ersten Teil öffnet sich hier der Vorhang zum Vielschichtigen, Opulenten, Cineastischen. Das Album klingt warm, analog, und mit Ausnahme der synkopierten Beats gibt es wenig Referenzen ans Moderne. Es liegt damit aber genau im Trend, und der weiche, oft mehrstimmige Gesang passt ebenfalls in die Zeit. Alle Instrumente bis auf die Streicher, die sein Lebensgefährte Josh Lee einspielte, hat Ben Cooper, so sein bürgerlicher Name, im Alleingang aufgenommen. Dies ist nur eine konsequente Fortsetzung seiner Anfänge mit einem Vierspurrecorder im Schuppen seiner Eltern. Aufgewachsen in prekären Familienverhältnissen, suchte Cooper früh sein Heil in der Musik. Viele seiner Bekannten hätten zur Musik gefunden, weil sie Ausgestoßene waren in einer kleinen Stadt im Süden der USA. Ein Umstand, der auch dazu geführt hätte, immer das Instrument zu erlernen, welches gerade gebraucht wurde. Mit Musik könne man etwas Hässliches und Hartes in etwas Hübsches verwandeln, sagt Cooper. Recht hat er.
Dirk Trageser
 JASON ROSENBLATT: Wiseman’s Rag
JASON ROSENBLATT
Wiseman’s Rag
jasonrosenblatt.com
(Eigenverlag/Hemifrån JR001)
13 Tracks, 52:54


Der Mundharmonikaspieler, Komponist, Produzent, Pianist und Sänger Jason Rosenblatt gehört zu den innovativen Spielern auf der diatonischen Harmonika. Kein Wunder, denn er lernte die Handhabung dieses Instrumentes von keinem Geringeren als dem fantastischen Howard Levy. Beim TFF in Rudolstadt traf ich Levy vor etwa fünfzehn Jahren; er sprach über die neue Generation von Spielern, auf die er große Stücke hält. Einer davon ist Jason Rosenblatt. Bei dessen neuem Album swingen Blues, Bluegrass, Klezmer und Jazz wie bei Levy selbst. Der Musiker tourt seit vielen Jahren mit seiner Band Shtreiml durch die Welt und konnte sich durch Konzerte, Festivalleitungen und Workshops einen guten Namen erarbeiten. Jetzt hat er sich mit Joe Grass (Gitarre), Joel Kerr (Bass) und Evan Tighe (Schlagzeug) zu einem wunderbaren Quartett zusammengefunden und spielt sich in die Herzen der Fans. Ob bei Instrumentalstücken wie „Whazza!“ oder „Wiseman’s Rag“ oder als Sänger auf „Modern Live Blues“, wo er mit seiner fast femininen Stimme Akzente setzt, Rosenblatt vermittelt das besondere Gefühl von Sehnsucht und Aufregung, das den Zuhörer fasziniert. Im schönen Digipak präsentiert Wiseman’s Rag ein gelungenes Konzept.
Annie Sziegoleit

 FRANK SOLIVAN: Family, Friends & Heroes
FRANK SOLIVAN
Family, Friends & Heroes
dirtykitchenband.com
(Compass Records 7 4664 2)
14 Tracks, 61:38 , mit engl. Infos


Das kennen viele: Pläne im Kopf haben, und dann ist es zu spät, sie umzusetzen. So ging es dem US-amerikanischen Mandolinenvirtuosen Frank Solivan. Er wollte ein Album gemeinsam mit seiner Mutter, einer überzeugenden Sängerin, aufnehmen. Doch 2014 starb Lorene Solivan. Aber weil Sohn Frank aus einer musikalischen Großfamilie stammt und es einer seiner weiteren Pläne war, mit dem Clan ein Album zu realisieren, ging er Family, Friends & Heroes an. Was seine Ma hätte singen sollen, übernimmt nun Solivans Cousine, die Songschreiberin Megan McCormick. Außer weiteren Cousinen und Cousins ist auch Vater Solivan mit von der Partie. Das weitere Line-up durchziehen große Namen der US-Bluegrassszene wie Jerry Douglas, Del McCoury und Rob Ickes. Außerdem kommt es zum Gipfeltreffen der Mandocracks mit Sam Bush und Ronnie McCoury, und John Cowan singt John Denvers „Leaving On A Jet Plane“. Wieder steht Frank Solivan für musikalische Vielfalt, bewegt sich zwischen Pop, Jazz und Bluegrass und liefert mit seinem exzellenten Personal erstklassige akustische Musik, wenn auch weniger ambitioniert als auf dem Vorgängeralbum Cold Spell. Trotzdem gewinnt auch das Familienalbum viele Pluspunkte.
Volker Dick



MUSIK FÜR KINDER
 KARIBUNI: Waka Waka – Kinderlieder aus der großen weiten Welt
KARIBUNI
Waka Waka – Kinderlieder aus der großen weiten Welt
karibuni-kinderweltmusik.de
(Karussell/Universal Music 06025 4761308 0)
20 Tracks, 58:40 , mit Texten in verschiedenen Sprachen und dt. Infos


Dass es eine Kinderliederband zu einem Best-of-Album bringt, ist auch eher selten. Waka Waka ist das sechzehnte Album Karibunis. Josephine Kronfli und Pit Budde sind der Kern der Band. Die aus Äthiopien stammende Musikerin und Museumspädagogin und der aus dem Ruhrgebiet stammende Multiinstrumentalist stellten nach der Geburt ihrer Tochter fest, dass es keine für Kinder aufgearbeitete Weltmusik gab. Sie fingen an, äthiopische Musik für Kinder zu machen. Mittlerweile haben sie mit ihren Liedern mehrfach die Welt umrundet. Zur Band ist Fara Diouf gestoßen. Sie singen auf Wolof, Kaw, Lingala, Haussa, Türkisch, Portugiesisch, Amharisch, Englisch, Polnisch und Isländisch, übernehmen traditionelles Liedgut, übersetzen es ins Deutsche und verweben es. Traditionelle Instrumente, die vielen Kindern eher unbekannt sein dürften, werden eingesetzt. So sind neben Gitarre und Schlagzeug auch Tin Whistle, Ud, Didgeridoo und Djembe vertreten. Der pädagogische Ansatz dabei ist klar. Aber hinter allem stehen immer die Spielfreude und die Begeisterung über die bunte Vielfalt der Welt.
Sarah Fuhrmann



Onlinerezensionen
AMY MENDOZA
Suicide On The AM Dial
amymendoza.com
(Cactus Rock Records, Desideratum Publishing)
11 Tracks, 48:36


Die Songschreiberin, Gitarristin, Bassistin und Sängerin Amy Mendoza spielt im Trio mit Damon Barnaby, Gitarre, und E. E. Mendoza, Schlagzeug. Bei einigen Titeln werden die drei von Duncan Stitt am Keyboard und Heather Hardy an der Violine unterstützt.

HERON OBLIVION
Heron Oblivion
subpop.com
(Sub Pop Records SP1149/Cargo Records)
7 Tracks, 44:46


Obwohl fuzzige und zerrende E-Gitarren den Sound des Albums prägen, umweht es doch auch ein Folkgeist der späten 1960er-Jahre, neben allem Psychedelischen. Manche mögen vor allem Jefferson Airplane aufscheinen sehen, aber It’s A Beautiful Day könnten ebenso zu Recht genannt werden. Das Quartett aus San Francisco legt ein bemerkenswertes Debüt vor.


KARL SEGLEM
Worldjazz
karlseglem.no
(NORCD 1562/Galileo)
11 Tracks, 64:00


Als Begleiter der norwegischen Sängerin Elin Furubotn, wie bei Folk Baltica 2011, klingt er natürlich anders, das heißt sein Jazzsaxofon wird durch den Gesang geerdet. Auf diesem Sampler erhält man jedoch einen Einblick in das vielfältige Jazzschaffen des Musikers, das schon recht entfernt von der traditionellen Musik ist.

TOWN OF SAINTS
No Place Like This
townofsaints.com
townofsaints.bandcamp.com
(Promo-CD, Snowstar Records)
11 Tracks, 42:34


Niederländisch-finnische englischsprachige Popmusik mit Anklängen an Bee Gees, Bob Marley, Elvis und andere und dabei alles handgemacht, wie es scheint. Das wäre eine Band für Aspekte. Keine Texte zum Mitlesen dabei.


CHUCHO VALDÉS
Tribute To Irakere – Live In Marciac
valdeschucho.com
(Jazz Village/Harmonia Mundi)
6 Tracks, 69:41


Kubas Pianoübervater feierte den vierzigsten Geburtstag seiner Pionier-Fusionband Irakere 2015 mit einer Tour. Das grandiose Tondokument ist für den Folker im Grunde zu jazzig, aber wegen der spannenden afrokubanischen Zutaten zu würdigen. Bemerkenswert in der fast durchweg jungen Musikercrew des Vierundsiebzigjährigen ist u. a. die Arbeit des auf Yoruba singenden Batá-Spielers Dreiser Durruthy Bombalé.

JASON VIVONE & THE BILLY BATS
The Avenue
billybats.com
(Eigenverlag/CD Baby)
8 Tracks, Promo-CD, 39:54


Etwas Bo-Diddley-Rhythmik, einiges an Rockabilly-Flair, viel Slidegitarre, ab und an rotzig-frecher Backgroundgesang – Jason Vivone zeichnet mit siebenköpfiger Band ein buntes musikalisches Panorama seiner Heimatstadt Kansas City. Das alles kommt recht ungeschliffen, aber musikalisch gekonnt daher. Und auch die Texte sind hörenswert.


 ABAJI: Route & Roots
ABAJI
Route & Roots
abaji.net
(Absilone Records 20256/Galileo MC)
17 Tracks, 55:09


Der Multiinstrumentalist, Sänger und Weltenbummler lädt zu einer bezaubernden Reise durch Armenien und die Türkei ein. Zwei Länder, mit denen der in Frankreich lebende Musiker eng verwurzelt ist. Begleitet wird Abaji vom armenischen Dudukspieler Vardan Grigoryan und dem kurdischen Kabak-Kemane-Virtuosen Mahmut Demir.

 CAROLINE AIKEN: Broken Wings Heal
CAROLINE AIKEN
Broken Wings Heal
carolineaiken.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
Promo-CD, 12 Tracks, 49:53


John Keane, der feine Pedal-Steel-Spieler und Produzent, hat auf Broken Wings Heal seine professionellen Finger an den Reglern, was man jeder Sekunde dieses Albums anhört. Aiken weiß, kompakte, stimmungsreiche Songs zu schreiben, ihre Stimme ist leicht rau, doch weich in ihrem Gesamtbild, und alles zusammen ergibt ein rundes, wohlklingendes Songschreiberalbum.


 CYRILLE AIMÉE: Let’s Get Lost
CYRILLE AIMÉE
Let’s Get Lost
cyrillemusic.com
(Mack Avenue Records MAC 109)
13 Tracks, 42:22


Die preisgekrönte Sängerin unterstreicht erneut, dass sie zu Recht als eine der vielversprechendsten Künstlerinnen der modernen Jazzszene gilt. Von Broadway über Jazzstandards und Chanson bis zu selbst komponierten Folksongs zeigt die in Brooklyn lebende Aimée ihr großes gesangliches Können.

 SARA AJNAK: Ráhatja
SARA AJNAK
Ráhatja
brokensilence.de
(SA001/Broken Silence)
11 Tracks, 40:27


Zweites Album einer samischen Sängerin aus Schweden, die in der selten gewordenen umesamischen Sprachvariante singt. Diese CD ist ein einziger Genuss, klare, melodische Stimme, perfekte Stimmführung beim Joiken, interessante Arrangements und mittendrin Anklänge an Carolyn Hester oder andere Sängerinnen aus der großen Folkzeit.


 ANIADA A NOAR & ALTRIOH: In Compagnia
ANIADA A NOAR & ALTRIOH
In Compagnia
aniada.at
(Eigenverlag/Hoanzl)
14 Tracks, 73:24


In „Dietro Alle Mure Basse“ singt Emma Montanari über ein Mädchen, dessen Ehering viel zu groß ist für seine kleinen Finger. Hingegen ist In Compagnia, die Zusammenarbeit der Trios Aniada a Noar aus der Steiermark und Altrioh aus dem Friaul, eine Liebesheirat. Das hört man. Nachdenkliche Texte verschmelzen sich mit Italianità und alpenländischen Einflüssen.

 JEB BARRY: Milltown
JEB BARRY
Milltown
jebbarry.com

15 Tracks, 47:11


Der Mann aus Massachusetts weiß zu gefallen. Die Arrangements seiner akustisch geprägten Songs sind geschmackvoll, die Instrumente lebendig aufgenommen, die Stimme ist warm und wohltuend. Dennoch fließt sein zweites Soloalbum vor sich hin, es fehlen die melodiösen Pack-Enden. Möglicherweise entwickelt sich das aber erst nach vielfachem Hören. Ausprobieren.


 BASTA FOU: Kerzenblau
BASTA FOU
Kerzenblau
basta-fou.de
(Fuego 2613/JARO)
14 Tracks, 55:10


Zusätzlich zu M. Walking on the Water zog Mike Pelzer das Sextett Basta Fou auf. In lyrischen Texten, ob ihrer Schwerblütigkeit vollkommen stimmig auf Deutsch geschrieben, ringt und tanzt er mit dem Leben – zu meist akustischer Begleitung mit Klavier, Akkordeon und Trompete sowie elektrischer Betonung, wo nötig. Eintönig – aber schlüssig und rund.

 BEATRIX BECKER: Phoenix
BEATRIX BECKER
Phoenix
beatrix-becker.de
(Hey!Acoustics/Galileo MC)
16 Tracks, 66:34


Das dritte Soloalbum der Berliner Pianistin und einstigen Gründerin der Tangojazzband Bassa bringt ihre umfangreiche Sozialisation – Klassik, Klezmer, Tango u. v. a. – zum Klingen. Diese ohnehin gut zu vereinenden Genres ergeben hier einen geglückten, imaginären Soundtrack, kunstvoll-sorgsam gestaltet von Beckers Piano und Bassklarinette sowie drei Celli und einer Geige.


 PAULO BELLINATI & CRISTINA AZUMA: Pingue Pongue
PAULO BELLINATI & CRISTINA AZUMA
Pingue Pongue
cristina.azuma.free.fr
(Acoustic Music Records 319.1551.2/Rough Trade)
12 Tracks, 55:41


Brazilian Guitar in höchster Vollendung. Klassische Nylonstring trifft auf Violão de Seresta (eine brasilianische Stahlsaitengitarre). Bellinati und Azuma gehören zu den großen Könnern und Kennern der klassischen Gitarre. Ein wunderbares Album mit Kompositionen, die ob klassisch oder modern, brasilianisches Lebensgefühl in Reinform vermitteln.

 DAVID BERKELEY: Cardbord Boat
DAVID BERKELEY
Cardbord Boat
davidberkeley.com
(Straw Man Music/Hemifrån)
10 Tracks, 47:51


Berkeley ist Songschreiber und Romanautor, der parallel zu diesem Album seine neue Novelle veröffentlicht. Seine balladesken, sehnsüchtigen Songs loten Gefühle in allen ihren Widrigkeiten aus. In den USA ist er damit recht erfolgreich, hierzulande müssen Songs und Literatur von ihm noch entdeckt werden.


 THE BIRDS OF PASSAGE: Ruska
THE BIRDS OF PASSAGE
Ruska
birdsofpassageband.com
(Ice Will Melt Records IWM002/Broken Silence)
10 Tracks, 41:59


Über zehn Tracks flüstert die finnische Folkpopkapelle wie es José González nicht schöner könnte. Weiblicher und männlicher Schmusegesang werden begleitet von sanften und spärlichen Gitarrenklängen. Die Kompositionen sind leicht konsumierbar, warmherzig und leise, was fehlt, ist aber der Wiedererkennungswert.

 BLACKBEARD’S TEA PARTY: Reprobates
BLACKBEARD’S TEA PARTY
Reprobates
blackbeardsteaparty.com
(Eigenverlag BTP004)
12 Tracks, 59:08


Englischer Folkrock kommt in diversen Spielarten, aber kaum präziser, härter und fantasievoller als auf dem vierten Tonträger dieses Sextetts. Da verbinden sich Tradsongs und Tunes bruchlos mit Eigenem, Fiddle mit Melodeon und Rockelementen von Bass, E-Gitarre und zweimal Percussion auf ausgesprochen kompromisslose Art. Holt die Band rüber, bitte!


 BLIND LEMON PLEDGE: Pledge Drive
BLIND LEMON PLEDGE
Pledge Drive
blues.james-creative.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
12 Tracks, 41:36


Das fünfte Album von James Byfield alias Blind Lemon Pledge. Der Komponist, Sänger, Instrumentalist und Produzent präsentiert rockigen Blues und Americana im Stil Bo Diddleys mit den Gastmusikern Rick LeCompte, Saxofon, und Jenny Reed, Mundharmonika.

 CRISTINA BRAGA & BRANDENBURGER SYMPHONIKER: Whisper
CRISTINA BRAGA & BRANDENBURGER SYMPHONIKER
Whisper
cristinabraga.com
(Enja Records ENJ 96172/ Enja)
9 Tracks, 46:32


Die brasilianische Sängerin und Harfenistin Cristina Braga kommt aus der Klassik und ist stimmlich der Bossa Nova zuzurechnen. Warum also nicht beides zusammenlegen? Bossa Nova in schwelgerischen Orchesterbegleitungen haben Brasilianer schon immer geliebt. Geschmackvoll ist dieses mit großem Aufwand eingespielte Album, neue Impulse bietet es nicht.


 NICO BRINA & FRIENDS: The B’ Day Session
NICO BRINA & FRIENDS
The B’ Day Session
nicobrina.ch
(Stormy Monday Records MO81420)
15 Tracks, 45:38


Der Boogie-Woogie-Pianist, Gitarrist und Sänger lud zu seiner Geburtstagsparty ein. Viele Musikerkollegen kamen, gespielt und live mitgeschnitten wurden Bluesklassiker (von Sam Cookes „Bring It On Home“ bis Arthur „Big Boy“ Crudups „That’s All Right Mama“) sowie Eigenkompositionen.

 CALIM: Alles ist zu wenig
CALIM
Alles ist zu wenig
calim.at
(Rummelplatzmusik 28635)
14Tracks mit Booklet, 41:05


Christoph Reicho ist Calim, österreichischer Liedermacher. Popmusik aus Österreich boomt, und Calim könnte mit dabei sein: die Begleitmusik ohne Ecken und Kanten, Melodien, die schmeicheln, deutschsprachige Texte voller Plattitüden und Unverbindlichkeiten wie „Heute fängt die Zukunft an“, vorgetragen mit einer Allerweltsstimme. Austauschbar.


 JIM CAUSLEY: Forgotten Kingdom
JIM CAUSLEY
Forgotten Kingdom
jimcausley.co.uk
(Hands On Music HMCD41)
15 Tracks, 69:16


Eine gewaltige Liebeserklärung an seine Heimat Devon und dessen Geschichte hat der englische Akkordeonist und Singer/Songwriter Causley da verfasst – und gleich noch eine Reihe prominenter West-County-Folkies wie Show of Hands oder die Lakeman-Brüder Sean und Seth im Studio versammelt. Großartig in Ausführung und Verpackung, was für ein Talent!

 DUNCAN CHISHOLM: Affric  DUNCAN CHISHOLM: Live At Celtic Connections
DUNCAN CHISHOLM
Affric
duncanchisholm.com
(Copperfish Records CPFCD005)
11 Tracks, 42:54


DUNCAN CHISHOLM
Live At Celtic Connections
duncanchisholm.com
(Copperfish Records CPFCD006)
9 Tracks, 44:13


Er ist in Sachen Spiel und Komposition wahrscheinlich der beste Fiddler Schottlands. Chisholm beherrscht alles von intensivem Gefühl bis mitreißendem Tempo. Teil drei seiner Strathglass-Triologie Affric beweist das, aber noch mehr seine Zusammenfassung Live At Celtic Connections, wo er sich mit grandiosen Kollegen sowie Streichern und Bläsern umgibt.


 WIM CLAEYS: Een Schuune Bende
WIM CLAEYS
Een Schuune Bende
wimclaeys.be
(Appel Rekords)
10 Tracks, 30:43


Wim Claeys, der Akkordeonist von Ambrozijn, hat sein zweites Soloalbum als Sänger produziert. Mit stark verbesserter und inzwischen richtig guter Stimme singt er Songs aus seiner Heimatstadt Gent in Belgien. Am eindrucksvollsten sind Claeys Interpretationen des 2014 verstorbenen Liedermachers Walter de Buck.

 CONSTANTINOPLE & ABLAYE CISSOKO: Jardins Migrateurs
CONSTANTINOPLE & ABLAYE CISSOKO
Jardins Migrateurs
ablaye-cissoko.com
(Ma Case 434093/Broken Silence)
10 Tracks, 54:26


Wenn einer eine Reise macht, dann kann er viel erzählen. Alle Musiker dieses Albums schöpfen souverän aus den heimischen „Klanggärten“ und keiner muss seine musikalische Identität und seinen Kulturkreis verleugnen. Weltmusik im besten Sinne. Dank des zweisprachigen Booklets nimmt man entspannt an der poetischen Reise der Protagonisten teil.


 THE DAD HORSE EXPERIENCE: Eating Meatballs On A Blood-Stained Mattress In A Huggy Bear Motel
THE DAD HORSE EXPERIENCE
Eating Meatballs On A Blood-Stained Mattress In A Huggy Bear Motel
dad-horse-experience.com
(Sacred Flu Productions SFP-04/Fuego)
10 Tracks, 55:45


Sein Englisch klingt weiterhin miserabel, aber der Friese Dad Horse Ottn entwickelt das zu seinem Markenzeichen. Dieser Schrat kultiviert den rumpelnden Americana-Sound, kann aber mehr – etwa Atmosphäre erzeugen wie in „Reach Out Your Hand Revisited“. Und manchmal klingt er fast meditativ, man höre „Under Swine And Bears“. Unfassbar authentisch.

 DIRK DARMSTÄDTER: Beautiful Criminals
DIRK DARMSTÄDTER
Beautiful Criminals
dirkdarmstaedter.com
(Beg, Steal and Borrow BSB004CD)
Promo-CD, 13 Tracks, 56:18


Auf mittlerweile dreizehn Solo-Scheiben zaubert Dirk Darmstädter seine Pop-Perlen. Auch auf dem neuesten Silberling hält der ehemalige Labelchef die gewohnte Qualität. Es fehlt jedoch an einer Überraschung. Die Alben Darmstädters sind alle gleich gut, aber eben auch gleich. Wer gutes Songwritermaterial zu schätzen weiß, hat in dem Künstler eine sichere Bank.


 D’ARTAGNAN: Seit an Seit
D’ARTAGNAN
Seit an Seit
dartagnan.de
(Sony)
14 Tracks, 49:24


Musketier-Rock aus Nürnberg über große Taten und schöne Frauen. Sehr kommerziell mit glattgebügelten Arrangements à la Runrigs Hymnen oder Santiano. Mal Bombastrock, mal Standards wie „Twa Corbies“ und „Tourdion“, außerdem melodischer Mainstream mit traditionellen Melodiefragmenten. Nichts wirklich Einprägsames mit sonnigen Texten.

 DIVERSE: Celtic Colours Live – Vol. Three
DIVERSE
Celtic Colours Live – Vol. Three
celtic-colours.com
(Eigenverlag)
14 Tracks, 70:31


Dieses Livealbum der 2015er-Version des möglicherweise besten Folkfestivals der Welt auf Cape Breton Island ist weit mehr als nur ein Souvenir für Besucher. Von den unnachahmlichen String Sisters über die Fingerakrobatik des schottischen Pipers Fred Morrison bis zu J. P. Cormiers Gitarrenjigs ist das akustische und musikalische Spitzenklasse.


 DIVERSE: Hootenanny in Ost-Berlin
DIVERSE
Hootenanny in Ost-Berlin
bear-family.com
(Bear Family Records/In-Akustik BCD 17425)
34 Tracks, 79:27


In den 1960er-Jahren brachte der Kanadier Perry Friedman die durch Pete Seeger in Nordamerika bekannte Hootenanny-Singebewegung in die DDR. Der Sampler stellt in historischen Aufnahmen wichtige Künstler vor wie Manfred Krug, Bettina Wegner, Rainer Schöne, Kurt Demmler, Team 4 und den Hootenanny-Klub, aus dem später der Oktoberklub wurde.

 RICHARD DOBSON & W. C. JAMESON: Plenty Good People
RICHARD DOBSON & W. C. JAMESON
Plenty Good People
richard-j-dobson.ch
wcjameson.com
(Brambus Records 201685-2)
10 Tracks, 28:52


Die beiden Veteranen der Countrymusik warten gemeinsam auf ehrliche Politiker und tolerante Religiöse. Unprätentiös erzählen sie ihre Geschichten und drücken ihren Ärger aus, in zumeist traditionelles Countrygewand gehüllt. Vielfach färbt darüber hinaus ein Akkordeon die überwiegend eigenen Songs, die besonders eins sind: solides Handwerk.


 ESTAMPIE: Amor Lontano
ESTAMPIE
Amor Lontano
estampie.de
(GLM Music/Soulfood)
11 Tracks, 57:39


Das Albuim „Die ferne Liebe“ bietet sehr abwechslungsreiche Crossover-Mittelaltermusik auf höchstem Niveau: Troubadourlieder, sizilianische Stücke und arabische Klänge. Michael Popp, Sigrid Hausen und Ernst Schwindl kreieren seit mehr als fünfundzwanzig Jahren hochwertige Alte Musik. Hier werden sie durch die Sängerin und den Kanunspieler aus ihrem Al Andaluz Project unterstützt.

 FATSO: On Tape
FATSO
On Tape
fatso.com.co
(Jazzhaus Records/In-akustik)
10 Tracks, 46:36


Klar, auch Kolumbianer „dürfen“ ihre eigene starke Musiktradition links liegen lassen und wie Fatso (hauptsächlich) dem Bluesrock des Nachbarn frönen. Dafür prädestiniert ist die Reibeisenstimme vom US-sozialisierten Sänger und Bassisten Daniel Restrepo, Mastermind des begabten Sextetts aus Bogotá.


 FRANUI: Tanz! (Franz)
FRANUI
Tanz! (Franz)
franui.at
(Col Legno WWE 1CD 20432/Harmonia Mundi)
16 Tracks,54:30


Folklore auf höchstem technischen Niveau und an der Klassik geschult? Dafür ist das Label Col Legno die Hausmarke. Die zehnköpfige Musicbanda Franui aus Osttirol ist seit 1993 bekannt für seine Trauermärsche. Viermal so schnell gespielt, verwandeln sie sich in Polkas, die Franui mit Schubert, Brahms und Mahler grundieren. Kein Tanz-, ein Hörgenuss.

 FRIEDA & MATTI: Kleine Dinge
FRIEDA & MATTI
Kleine Dinge
friedaundmatti.de
(Hey!blau Records)
15 Tracks, 52:48


Die kleinen Dinge, die Frieda Grube (Texte und Gesang) aus Berlin und der Hildesheimer Matti Müller (Musik) zur Gitarre besingen, sind zu wunderbar leichten, originellen, klugen und witzigen Liedern mutiert. Eine bunte, seltene Mischung, um mit den alltäglichen Widrigkeiten in Beruf, Beziehung und Einsamkeit humorvoll umzugehen.


 HERMANN FRITZ: Hermann Fritz
HERMANN FRITZ
Hermann Fritz
nonfoodfactory.at
(Non Food Factory nff 2349)
22 Tracks, 76:59


Hermann Fritz ist geigender, sammelnder Musikwissenschaftler, der mit einem Bassisten und zwei weiteren Geigenstimmen Österreichs traditionelle Volksmusik zwischen Polka und Ländler so spielt, dass es eine Freude ist: improvisierend, spontan, ohne Angst vor dem Rohen, weit weg vom Gekochten. Das Beiheft nennt detailgetreu die Quellen. Beispielhaft.

 MAURIZIO GERI SWINGTET: Swing A Sud
MAURIZIO GERI SWINGTET
Swing A Sud
facebook.com/mauriziogeriswingtet
(Visage Music/Galileo MC)
10 Tracks, 44:17


Zauberhaft leichtfüßiger, „mediterraner“ Gypsy Swing des italienischen Swingtets um den Gitarristen und Sänger Maurizio Geri. Feurig, verspielt, sanft und bisweilen wunderbar sentimental. Klarinette, Akkordeon, Rhythmusgitarre und Kontrabass komplettieren das stramm swingende Quintett. Gelegentliche Gesangseinlagen von Freunden runden dieses feine Album ab.


 GOOD NIGHT FOLKS: Dockside Bar
GOOD NIGHT FOLKS
Dockside Bar
foxmusic.de
goodnightfolks.de
(Fox Music Records)
12 Tracks, 47:23


Das Münsterländer Irish-Folk-Quartett bietet auf seinem vierten Album seit 2006 wieder altbekannte Balladen und Tunes, allerdings bei allem Wiedererkennungswert doch neu und interessant arrangiert. So kommt auch ein Evergreen wie „The Foggy Dew“ frisch und unverbraucht daher. Texte und Gitarrengriffe im Beiheft.

 CHRISTIAN HAASE: Träum doch mal von Blumen
CHRISTIAN HAASE
Träum doch mal von Blumen
haase-band.de
(Eigenverlag HTMV 180005CD)
11 Tracks, 40:09


Haase wurde als Gundermann-Interpret bekannt und überzeugt nun seit Jahren mit eigenen, poetischen Songs. Auf dem neuen Album geht es um verbrauchte Träume, verlassene Dörfer, verarmte Menschen und aufziehende Stürme. Begleitet wird er von einer vierköpfigen Band mit dezentem akustischen Rock bis hin zu Reggae, Folk und Jazz.


 HAERTEL WASCHER: Tanz’
HAERTEL WASCHER
Tanz’
nonfoodfactory.at/Lotus Records
(Non Food Factory nff 2335)
13 Tracks, 79:20


Musik aus der Steiermark und dem Traunviertel, aus einem alten Österreich, das Jodler, Steirische und Schleunige ebenso gut kennt wie den Erzherzog Johann. Haertel und Wascher spielen die alte, unheimliche Musik des vorigen Jahrhunderts mit Drehleier und Geige, vermutlich nah dran am Geruch von Bäumen und Most. Urig.

 HERZGESPANN: Wann geh’n wir nach Haus
HERZGESPANN
Wann geh’n wir nach Haus
herzgespann-musik.de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 43:12


Akustischer traditioneller Deutschfolk mit den alten Songs des Folkrevivals, laid back eingespielt im Katharco-Tonstudio. Das Quintett benannte sich nach einem beruhigenden krampflösenden Kraut, was als Tee getrunken wird und dem Stil der Musik gut entspricht. Allerdings werden der expressive Gesang und die verschiedenen Melodieveränderungen der Sängerin nicht jedermanns Sache sein.


 TIM HOULIHAN: Another Orion
TIM HOULIHAN
Another Orion
reverbnation.com/timhoulihan
(Peatcart Music/Hemifrån)
Promo-CD, 10 Tracks, 36:13


Houlihan erzählt in seinen Songs Geschichten vom Alltag, von Liebe, harter Arbeit und davon, sich draußen in der Natur aufzuhalten. Mal folkig-verträumt, mal eher rockig, klingen die Songs des bärtigen US-Amerikaners handwerklich gut gemacht und durchproduziert.

 STANLEY JACOBS & THE TEN SLEEPLESS KNIGHTS: Quelbe!
STANLEY JACOBS & THE TEN SLEEPLESS KNIGHTS
Quelbe!
(Smithsonian Folkways Recordings SFW CD 40568/Galileo MC)
17 Tracks, 67:24


Die Band kommt von den amerikanischen Jungferninseln und ihre Quelbe-Musik klingt nicht unähnlich dem Calypso, ist aber instrumentaler geprägt. Vor allem die Querflöte, dann aber auch Triangel, Ratsche und ein kleines Banjo prägen den Sound. Man singt dazu, und die Texte schildern historische Ereignisse der Inseln.


 KONONO N°1 & BATIDA: Konono N°1 meets Batida
KONONO N°1 & BATIDA
Konono N°1 meets Batida
(Crammed Discs)
Promo-CD, 8 Tracks, 61:05


Da gibt’s kein Halten mehr, von Anfang an. Album Nummer sechs in der Reihe „Congotronics“ verbindet auf kongeniale Weise die Afro-Elektro-Sounds der aus Kinshasa stammenden Likembe-Band mit ihren elektrisch verstärkten Daumenklavieren nebst intensivem Schlagwerkteppich und den Dancefloorideen des angolanisch-portugiesischen DJs Coquenão (aka Batida).

 ANTONIO KOUDELE: Harp Guitar Goes Brazil
ANTONIO KOUDELE
Harp Guitar Goes Brazil
antoniokoudele.com
(A. C. S. Records)
10 Tracks, 37:08


Bossa Novas und Sambas auf einem eher schwerfälligen Instrument wie der Harpguitar, einem Hybriden aus Gitarre und Harfe? Der gebürtige Wiener Koudele zeigt, dass es geht. Sechs zusätzliche Basssaiten verleihen dem Instrument eine enorme Tiefe. Musikalisch bewegt sich das Ganze in klassisch-brasilianischem Fahrwasser à la Jobim.


 FELA RANSOME KUTI AND HIS KOOLA LOBITOS: Fela Ransome Kuti And His Koola Lobitos
FELA RANSOME KUTI AND HIS KOOLA LOBITOS
Fela Ransome Kuti And His Koola Lobitos
knittingfactoryrecords.com/artists/fela
(Knitting Factory Records 1134-2/Galileo MC)
3 CDs, 39 Tracks, 158:23


Stolz präsentiert die Knitting Factory hier die Musik Fela Kutis aus den 1960er-Jahren. Akribisch haben sie noch Hintergründiges notiert und einigen Lo-Fi-Bändern ein Stück Ewigkeit verliehen. Für alle Freunde des Afro-Highlife, -Jazz, -Soul oder -Blues eine wohltönende Reise in die Vergangenheit Westafrikas auch dank moderner Klangveredlung.

 LANDMUSSIG: Haam zu dir
LANDMUSSIG
Haam zu dir
landmusigg.de
(Eigenverlag)
16 Tracks, 65:11


Aus Weldenberg bei Bayreuth stammt diesesoriginelle Septett, das fränkische Mundartmusik mit instrumentellem Klezmer verbindet. Da jault die Klarinette, da stampft aber auch mal ein Reggae zu einem frechen Mundartlied daher, worauf es auf Standarddeutsch besinnlich wird. Sehr nahe geht „Resi“ über eine alte Frau, die verwirrt nach ihrem „Moo“ und ihren „Kinnern“ fragt. Texte im Beiheft.


 KARLIJN LANGENDIJK & TIM URBANUS: Leap Of Faith
KARLIJN LANGENDIJK & TIM URBANUS
Leap Of Faith
karlijnandtim.com
(Acoustic Music Records 319.1547.2/Rough Trade)
10 Tracks, 43:28


Ein ganz, feines, betörendes Gespinst aus Gitarrenklängen weht da aus den Lautsprechern und nimmt mit den allerersten Tönen gefangen. Eine schöne Überraschung aus den Niederlanden. Ein junges Duo an den Stahlsaiten fügt dieser klassischen Besetzung musikalisch erstaunlich frische, genrefreie Ideen hinzu. Unbedingte Empfehlung!

 VOLKER LEISS & FRIENDS FEAT. GUIDO KRÖGER: Trust
VOLKER LEISS & FRIENDS FEAT. GUIDO KRÖGER
Trust
volker-leiss.de
(Petone/Northfolk Records)
15 Tracks, 66:06


Ein Altfolkie mit Düwelskermes-Vergangenheit, Volker Leiss (Kompositionen, gelegentlich Blockflöte und Eufonium) legt gemeinsam mit zwei Spillwark-Musikern und einer großen Riege Gastmusiker (inklusive Symphonieorchester) eine lupenreine, professionell produzierte Popmusikproduktion vor. Wer sich darauf einlässt, erlebt ein stimmiges Album mit großartigem Sänger.


 LES YEUX D’LA TÊTE: Liberté Chérie
LES YEUX D’LA TÊTE
Liberté Chérie
lesyeuxdlatete.fr
(Fais & Ris/Broken Silence)
16 Tracks, 55:55


Die sechsköpfige Band aus dem Pariser Bezirk Montmarte legt mit Liberté Chérie ihr drittes Album vor. Es enthält die bandtypische Mischung aus meist gut gelauntem Chanson, Mestizorock und Manouche Swing.

 ELEANOR MCEVOY: Naked Music
ELEANOR MCEVOY
Naked Music
eleanormcevoy.com
(Mosco Moscd4014)
14 Tracks, 41:23


Seit ihrem mehrfach ausgezeichneten Debüt im Jahr 1993 stellt die Dubliner Singer/Songwriterin ihr nunmehr zwölftes Studioalbum vor und beweist trotz hörbarer Routine wieder ihr feines Gespür für unprätentiöse, aber eindringliche Texte. Über schlichte Blueslinien und geradlinige Folkarrangements auf der Gitarre spannt sie einfühlsam gesungene Anekdoten, paraphrasiert Eindrücke und persönliche Krisen.


 LUKAS MEISTER: Gold – Zeit – Raketen
LUKAS MEISTER
Gold – Zeit – Raketen
lukasmeister.de
(Rummelplatzmusik)
12 Tracks, 45:29


„Gitarrenpop gegen Resignation“ hat der Freiburger Wahlberliner die Lieder seines zweiten Albums, eines Crowdfundingprojekts überschrieben. Er präsentiert unprätentiöse, gerade Songs über Stimmungen und Beziehungen, über das Sich-treiben-Lassen und Gefühle. Seine warme Stimme wird von geschmeidiger Gitarrenmusik unterstützt.

 GUDRUN MITTERMEIER: Mitternach
GUDRUN MITTERMEIER
Mitternach
gudrun-mittermeier.de
(Yo Man! Media RAR44051/Motor Entertainment/Edel)
Promo-CD, 12 Tracks, 46:18


Anders als die extrem mädchenhaft kindliche Anmutung ihres Gesangs vermuten lässt, ist die Bayerin bereits eine Weile im Geschäft. Als Somersault hat sie ein Jahrzehnt lang opulente Popträumereien auf Englisch veröffentlicht. Mitternach ist die Fortsetzung des stimmigen Entwurfs mit bayerischen Texten – ein deutlicher Zugewinn an Kraft und Gewicht.


 SIGRID MOLDESTAD: Så Ta Mitt Hjerte
SIGRID MOLDESTAD
Så Ta Mitt Hjerte
sigridmoldestad.no
(Grappa/Heilo)
CD 1: Dei Beste Songane, 16 Tracks, 58:03, CD 2: Bonusplate, 6 Tracks, 23:07


Die Komponistin, Sängerin und Hardangerfiedlerin hat für diese reichhaltige Sammlung aus ihren vier Alben Lieder ausgewählt, über die sie besonders glücklich ist und die ihr am meisten bedeuten. Nicht nur Norwegenfans werden viele von ihnen kennen und lieben. Die Bonus-CD geht etwas mehr an die Wurzeln. Im Booklet sind alle Texte und Infos auf Norwegisch.

 BRENDAN MONAGHAN: Today Is A Good Day
BRENDAN MONAGHAN
Today Is A Good Day
brendanmonaghan.com
(Brambus Records 201686-2)
14 Tracks, 53:42


Der nordirische Singer/Songwriter Brendan Monaghan sieht sich der langen irischen Sängertradition verpflichtet und schreibt in deren Sinne Songs über die großen Themen des Lebens. Es geht um Liebe, Verlust, die Suche nach Sinnhaltigkeit und immer wieder um die Heimat und ihre konfliktreiche Geschichte.


 PATRICK O. J. MOORE BAND: The Girl And The Sea
PATRICK O. J. MOORE BAND
The Girl And The Sea
patrick-o-j-moore.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 38:05


Der in Frankfurt/Main lebende englische Singer/Songwriter singt seiner Lieder mit recht tiefer, leicht angehauchter Stimme und rhythmischem Gitarrenspiel. Ein Bassist und ein Percussionist machen die Band vollständig. Leider gibt es kein Beiheft und auch auf der Website sucht man vergeblich nach den Texten.

 MOHAMMAD REZA MORTAZAVI: Transformation
MOHAMMAD REZA MORTAZAVI
Transformation
moremo.de
(Flowfish Music 17773/Broken Silence)
4 Tracks, 38:28


Mortazavi ist ein moderner Schamane. Ihm gelingt mit seinem Spiel auf diversen Rahmentrommeln ein Spagat zwischen unglaublicher Fingerfertigkeit und andererseits einer Tiefe, die uns in eine andere Dimension befördern kann. Gleichermaßen als Test für die Impulsfestigkeit der heimischen Musikanlage wie zur dynamischen Meditation geeignet.


 PETE MORTON WITH FULL HOUSE: Game Of Life
PETE MORTON WITH FULL HOUSE
Game Of Life
petemorton.com
(Fellside Recordings FECD271)
15 Tracks, 73:44


Ein Album für Menschen, die den englischen Singer/Songwriter mit der kräftigen und emotionalen Stimme endlich mal kennenlernen wollen. 15 Songs aus 11 CDs, die nicht mehr verkauft werden, von „Another Train“ bis „7 Billion Eccentrics“, neu eingespielt und interpretiert mit dem Quartett Full House. Ein toller Querschnitt durch ein engagiertes Repertoire.

 THE DAVE MUSKETT ACOUSTIC BLUES BAND: Recorded Live At The Slippery Noodle Inn
THE DAVE MUSKETT ACOUSTIC BLUES BAND
Recorded Live At The Slippery Noodle Inn
muskettmusic.com
(Muskett Music Media/CD Baby)
13 Tracks, 48:02


Dave Muskett ist ein Sänger und Gitarrist, der den Stil des Piedmont Blues perfekt beherrscht und lebendig in Szene setzt. Auf der Gitarre spielt der Daumen eine Basslinie, drei Finger die Melodie auf den Diskantsaiten. Begleitet von Kontrabass, Mundharmonika und Snaredrum entsteht ein sehr schönes, authentisches und mitreißendes Liveerlebnis.


 NA LENGO: Ingoma
NA LENGO
Ingoma
nalengo.com
(Ozella Music)
12 Tracks, 41:48


Aus der Partyhochburg Ibiza kommen uns angenehm andere Klänge dieses afromediterranen Projekts zu Ohren. Ein deutscher, in Barcelona mit Jazz und Flamenco aufgewachsener Gitarrist und ein Singer/Songwriter aus Kenia köchelten samt spanischem Bassisten und Percussionisten sowie deutschem Produzenten diese recht paritätisch nach beiden Kontinenten klingende, gelungene Melange.

 OHRANGE: Wie ein Mobile
OHRANGE
Wie ein Mobile
ohrangemusik.de
ohrange.bandcamp.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 49:02


Leise, feinfühlige, teils standarddeutsche, teils bayerische Lieder des Regensburger Duos Manuel Meier und Sebastian Schierfinger, die sich selbst auf Gitarre, Piano, Percussion begleiten, mit ein paar Gästen. Lebensgefühl wollen sie vermitteln, keine Unterhaltung. Das mag hinkommen, wenn man sich auf ihre Poesie einlässt, die man aber leider nicht mitlesen kann.


 DAVID OLNEY: Holyday In Holland
DAVID OLNEY
Holyday In Holland
davidolney.com
(Stricly Country Records/Bertus Groothandel SM 407)
Promo-CD, 14 Tracks, 78:42, plus DVD, 14 Tracks plus Interview


Zwar ist Olney als Solist hier kein großer Name, doch als Songschreiber für andere wie Linda Ronstadt, Johnny Cash, Steve Earle und Emmylou Harris hat er sich in den Niederlanden einen Status erarbeitet. Immer wieder ist er dort auf Tour. Holyday In Holland dokumentiert Olney als etwas verwitterten Songschreiber alter Schule.

 KOFFI OLOMIDE: 13ième Apôtre
KOFFI OLOMIDE
13ième Apôtre
kofficentral.fr
(Kofficentral)
4 CDs, 39 Tracks, 272:02


Jetzt hebt er wohl komplett ab, der kongolesische Superstar, der sein Luxusleben gerne zur Schau stellt. Sein gleich vier CDs umfassendes zwanzigstes Studioalbum hat er großspurig und für viele auch respektlos mit dem imaginären dreizehnten Apostel verknüpft. Der etwas angestaubte Soukous geht natürlich prima in die Beine, Koffis sonore Baritonstimme betört noch immer.


 ORATNITZA: Folktron
ORATNITZA
Folktron
oratnitzaband.wordpress.com
(Fusion Embassy MK57084/Broken Silence)
10 Tracks, 40:28


Die bulgarischen Musiker von Oratnitza bringen mit Folktron ihr zweites Album heraus und kombinieren in wildwüchsigen Arrangements osteuropäischen Folk, Hip-Hop und Dubstep. Die schweren Didgeridoo-Akzente übernehmen die Funktion von Drumcomputern und kontrastieren die leichtfüßigen Melodien der Kaval, einer bulgarischen Hirtenflöte. Gesungen und gerappt auf bulgarisch. Super!

 GIOVANNI PALOMBO: Retablo
GIOVANNI PALOMBO
Retablo
giovannipalombo.com
(Acoustic Music Records 319.1553.2/Rough Trade)
9 Tracks, 43:13


Gemeinsam mit gestandenen Saitenkollegen legt der italienische Fingerstylegitarrist Palombo ein bemerkenswert vielgestaltiges Werk vor. Peter Finger zeichnet nicht nur als Produzent verantwortlich, sondern legt auch gleich Hand an. Fein u. a. ein live mitgeschnittenes Impro-Duo vom Festad’Africa Festival mit dem Udspieler Khyam Allami.


 GRANT-LEE PHILLIPS: The Narrows
GRANT-LEE PHILLIPS
The Narrows
grantleephillips.com
(YEP Roc Records YEP 2468/H’Art)
Promo-CD, 13 Tracks, 54:20


In den Neunzigern hatte Phillips mit seiner Band Grant Lee Buffalo konstanten Erfolg in Europa. Seit 2000 ist er ohne Anhang unterwegs. Sparsamer und urwüchsiger sind seine Songs nun. Pedal Steel und Fiddle prägen teilweise deren Sound stark, und wenn diese nicht erklingen steht die Dobro im Vordergrund. Nicht immer wird auf Schlagzeug verzichtet, weshalb Phillips ein wenig wie ein akustischer Bruce Springsteen klingt.

 TELMO PIRES: Ser Fado
TELMO PIRES
Ser Fado
traumton.de
(Traumton Records 4630)
12 Tracks, 39:11


Eine Stimme voller Seele, portugiesische Gitarre, Gitarre, Bass ? mehr braucht intensiver Fado nicht. Ser Fado („Fado sein“) ist das bislang intensivste und ruhigste Album des Portugiesen. Im folkigen „Ao Passar Por Braga Abaixo? wird die Musik richtig fröhlich opulent. Der Albumtitel ist gut gewählt. Kein Zweifel: Telmo Pires ist Fado.


 POEMS FOR LAILA: Tik Tak
POEMS FOR LAILA
Tik Tak
poems-for-laila.de
(Baboushka Records/brokensilence)
11 Tracks, 45:15


Nach einem längeren Soloausflug versucht Zirkusbaron Nikolai Tomas erneut unter dem Namen Poems for Laila an frühere Erfolge anzuknüpfen. Dieses Mal mit Joanna Gemma Auguri als weibliches Pendant. Das Rezept ist das alte, aber auch im Jahr 2016 ungeheuer wirksam. Zwischen Kirmesmusik und Musketier wirkt jede Zeile wie der Duft nach Freiheit und der Ruf nach Abenteuer.

 POPFORSCHER: 2
POPFORSCHER
2
popforscher.de
(Edition Kulturnetz Mannheim Rhein-Neckar KN 210514)
CD: 14 Tracks, 49:57, Vinyl: 12 Tracks, 42:35


Michael Herzer und Peter Baltruschat sind wie ihr Textautor Steffen Herbold um die fünfzig oder darüber. Musikalisch tief im Idiom verwurzelt, das auf dem Blues fußte, aber nicht altmodisch darin gefangen. 2 betrachtet die Welt mit der für die Popforscher-Generation typischen Haltung zwischen Ablehnung und Lust, Gleichmut und Ironie. Durchweg angenehm.


 THE REAL GROUP: Three Decades Of Vocal Music
THE REAL GROUP
Three Decades Of Vocal Music
(Grappa/Galileo GRCD4497)
21 Tracks 77:13


In den drei Jahrzehnten ihres Bestehens, mit über zwanzig Alben und weltweit etwa zweitausend Auftritten, hat sich dieses 1984 gegründete A-cappella-Quintett ein vielfältiges Repertoire erarbeitet. Das geht von Jazzklassikern wie dem „Count Basie Medley“ über das samische „Mu Ruokto“ bis zum schwedischen „Sommarpsalm“. Fast alles wird auf Englisch gesungen.

 REINHARD REPKES CLUB DER TOTEN DICHTER MIT PETER LOHMEYER: Charles Bukowski – Gedichte neu vertont
REINHARD REPKES CLUB DER TOTEN DICHTER MIT PETER LOHMEYER
Charles Bukowski – Gedichte neu vertont
club-der-toten-dichter.de
(ZuG-Records/Edel:Kultur 0210897CTT)
Promo-CD, 14 Tracks, 48:46


Diese Vorträge deutscher Übersetzungen Charles Bukowskis gehen daneben. Auf Standardsongstrukturen gepfropft, die oft nicht passen, klingen sie teils stur wie vom Ansageautomaten. Peter Lohmeyers zu helle, weiche und sanfte Stimme überzeugt nur, wenn er spricht. Sonst wird zu weichgespültem Folkrockschmalz alles zu einer Idylle, die wehtut.


 THE RIFF RIDERS: Hit The Road
THE RIFF RIDERS
Hit The Road
theriffriders.com
(Power Waggin’ Records/CD Baby)
12 Tracks, 62:32


Bluesrock der intelligenten Art – hart, melodisch, musikalisch, überaus virtuos. Getragen von der ausdrucksstarken und wandelbaren Stimme der Sängerin Amy Shallenberger und gespielt auf Vintage-Equipment liegt hier ein Stück Rockmusik mit Wurzeln im Blues vor, welches Liebhaber sowohl des einen als auch des anderen Genres begeistern wird.

 CALUM ROSS: Mu Dheireadh Thall – At Long Last
CALUM ROSS
Mu Dheireadh Thall – At Long Last
gaelicmusic.com
(Macmeanmna SKYECD46)
15 Tracks, 47:44


Wer jemals das Dorf Uig auf der Isle of Skye besucht hat, wird in das stimmungsvolle Cover ebenso versinken können wie Liebhaber der gälischen Sprache in den spärlich begleiteten, immer noch höchst ausdrucksstarken Gesang eines wahren alten Meisters. Die Erfahrung eines langen Lebens ist in jeder Note hörbar.


 MATZE ROSSI: Ich fange Feuer
MATZE ROSSI
Ich fange Feuer
matzerossi.de
(End Hits Records EH017/Cargo Records)
12 Tracks, 45:38


Fünftes Soloalbum des Expunks, bürgerlich Matthias Nürnberger. Die Reste an Krach und Kratzen in der Stimme scheinen eher Pose, wirklich bei sich ist der Schweinfurter offenbar tatsächlich in seinen Liedern zur Klampfe. Die sehen die Fährnisse des Lebens betont affirmativ, das vermag – „Es heilt auch immer irgendwann“ – wohl nicht jeder zu teilen.

 JIMMY RUGGIERE: Nicer Guy
JIMMY RUGGIERE
Nicer Guy
nicerguymusic.com
(Blue Streak Records NG 1001/Hemifrån)
Promo-CD, 10 Tracks, 38:35


Als netter Kerl hat sich Jimmy Ruggiere bisher als Geiger und Mundharmonikaspieler auf zahlreichen Einspielungen anderer Künstler bewiesen. Nun tut er gleiches auf seinem Debütalbum, das nirgendwo aus der Reihe schlägt.


 EVA SALINA: Lemma Lemma – Eva Salina sings Šaban Bajramovic
EVA SALINA
Lemma Lemma – Eva Salina sings Šaban Bajramovic
evasalina.com
(Voginton Records)
10 Tracks, 48:26


Die New Yorkerin Eva Salina interpretiert die Lieder des in den 1960er- und 1970er-Jahren legendär gewordenen serbischen Sängers Šaban Bajramovic und überschreitet wie ihr Vorbild selbstbewusst die Genregrenzen von traditioneller balkanesischer Folklore. So mischt sie den Romanigesängen deutlicher als so manches Hybridprojekt Diskobeats unter und deutet die polemischen Texte charmant aus.

 MIL SANTOS: El Día
MIL SANTOS
El Día
milsantos.com
(Flowfish Records/Broken Silence)
11 Tracks, 46:02


Kolumbianer und Langzeit-Wahlberliner Mil Santos geht nach diversen Mestizo-Ausflügen auf dem dritten Album wiederum zurück zu den Wurzeln. Seine Fans wird die sympathische Salsa-Cumbia-Mixtur erfreuen. Das Charisma ähnlicher kolumbianischer Projekte hat sie nicht.


 SARAH AND JULIAN: Birthmarks
SARAH AND JULIAN
Birthmarks
love-your-artist.com/sarahandjulian
(Pias PIASD5009CD)
11 Tracks, 40:39


Das derzeit allenthalben gehypte deutsch-amerikanische Geschwisterpaar (tolle Stimmen mit hohem Wiedererkennungswert) legt ein gefälliges, zwischen Indiefolk und Popmusik angesiedeltes Album mit sehr gelungenen selbst geschriebenen Songs vor, wobei die mit luftigen, teils sparsam auf Gitarre und Piano aufbauenden Arrangements eingespielten Lieder eher beeindrucken als die mit voller Studiobesetzung.

 SILVIO SCHNEIDER: Crossroads
SILVIO SCHNEIDER
Crossroads
silvio-schneider.de
(Acoustic Music Records 319.1545.2/Rough Trade)
11 Tracks, 55:23


Ein Best-of Silvio Schneider zum fünfundzwanzigjährigen Bühnenjubiläum als weltweit tourender Akustikgitarrist. Ob im Ensemble oder solistisch, ob groovig-tanzbar oder lyrisch-introvertiert, er trifft auf elegante und eloquente Weise immer den richtigen Ton. Ein feines Destillat aus dem Lebenswerk eines besonderen Gitarristen.


 ELEANOR SHANLEY: Forever Young
ELEANOR SHANLEY
Forever Young
eleanorshanley.com
(ESM001, ES Music)
12 Tracks; 43:56


Auf Eleanor Shanley wurde man vor dreißig Jahren als Sängerin der irischen Topband De Danann aufmerksam. Ihre vorliegende Soloproduktion kann den Rezensenten überhaupt nicht überzeugen. Gesangsstimmen sind ja ohnehin etwas sehr subjektives, aber die Arrangements sind überdies flach, kitschig-süßlich, und die Coverversionen werden den Originalen nicht im Entferntesten gerecht.

 SONGBIRDS COLLECTIVE: Four Voices Four Worlds
SONGBIRDS COLLECTIVE
Four Voices Four Worlds
jaro.de/de/kuenstler/songbirds-collective
(Jaro Medien 4334-2)
12 Tracks, 50:24


Klangliche Vielfalt zwischen Folk, Pop, Klassik und Jazz. Die vier Singer/Songwriterinnen – die in Polen geborene und in Berlin lebende Ashia Bison Rouge, die Amerikanerin Rachelle Garniez, die Kanadierin Kyrie Kristmanson sowie die Britin Daisy Chapman – präsentieren Liveaufnahmen und neue Studiotracks ihres intensiven Konzertprojekts.


 STELLA’S MORGENSTERN: Bo Elay – Beautiful Songs
STELLA’S MORGENSTERN
Bo Elay – Beautiful Songs
stellasmorgenstern.de
(Pike’s Nine Records, LC-33245)
12 Tracks, 54:23


Als Rundfunksprecherin weiß Stella Jürgensen, wie sie ihre Stimme einsetzen kann. Auf dem neuen, zweiten Album Bo Elay nutzt sie ihr Talent auf künstlerischer Weise. Die meistern Lieder sind Kompositionen des israelischen Künstlers Prof*merose. Die schwermütig-orientalischen Lieder sind in anglosächsischer Folktradition dargeboten, gemischt mit Blues oder Chanson.

 STHREIML: Eastern Hora
STHREIML
Eastern Hora
shtreiml.com
(Eigenverlag, Hemifran)
Promo-CD, 11 Tracks, 45:03


Die kanadisch-amerikanischer Band mischt Klezmer mit türkisch-orientalischer Weltmusik. Anleihen in der Rockmusik werden gemacht, wenn die E-Gitarre zum Einsatz kommt. Beim Blues bedienen sie sich auch, wenn die Mundharmonika gespielt wird. Ergebnis ist eine temporeiche und fröhliche Neuerscheinung.


 ROBERT „ROBI“ SVÄRD: Pa’ki Pa’ka
ROBERT „ROBI“ SVÄRD
Pa’ki Pa’ka
asphalt-tango.de/records/robert_svaerd/robert_svaerd
(Asphalt Tango Records/Indigo)
9 Tracks, 45:02


Die Globalisierung treibt schon mitunter erstaunliche Blüten. Ein schwedischer Gitarrist studiert in Australien und zieht schließlich nach Sevilla, um sich ganz seiner großen Liebe, dem Flamenco zu widmen. Dort ist er mittlerweile ein gefragter Mann. Und das wundert nicht, wenn man dieses großartige Debüt hört. Kompliment.

 TONFISCH: Zwischen Luv und Lee
TONFISCH
Zwischen Luv und Lee
dertonfisch.de
(Eigenverlag, Fuego, 2604-2)
12 Tracks, 61:14


Das zweite Album des Trios Tonfisch gehört zum gleichnamigen Kindermusiktheaterprogramm „Luv und Lee“. Mit Balkan Swing und im Liedermacherstil geht es um eine Reise auf dem Meer, eine Insel, die Begegnung mit einem sprechenden Papageien, die Erlebnisse eines Maulwurfs der dank Möhren endlich besser sehen konnte, um Schiffsbau und um Segen und Fluch der Zivilisation.


 VEILAMO: Koskenkylä
VEILAMO
Koskenkylä
vellamomusic.com
(Soiva Records SOICD05)
10 Tracks, 37:42


Finnische Band, Sängerin mit Lerchenstimme, finnisch inspirierte Stücken, wobei etliche auch sehr starke Anleihen bei den Pogues aufweisen. Die Texte, die Melodien, die Arrangements, alles hübsch und nett zu hören. Live sicher ein Erlebnis.

 VESEVO: Vesevo
VESEVO
Vesevo
agualocarecords.com
(Agualoca Records/Indigo)
9 Tracks; 43:04


„Vesevo“ wurde der Vesuv in früheren Zeiten genannt, ein passender Name für ein neapolitanisches Trio, das die glühende Verehrung für ihre Musiktradition mit aktuellen Einflüssen verbindet. Mit akustischen und elektrischen Instrumenten, Trommeln und hervorragendem Gesang gelingt ihnen ein magisches Debüt. Kräftig dosierte Glut des Südens.


 MANISH VYAS: Atma Bhakti – Healing Sounds Of Prayer
MANISH VYAS
Atma Bhakti – Healing Sounds Of Prayer
manishvyas.com
(New Earth Records/Promo-CD)
3 Tracks, 66:47


Auch wenn man die lang angelegten Stücke dieses Albums dem Umstand geschuldet betrachten mag, dass indische Ragas deutlich Zeit zur Entwicklung ihrer ganz eigenen Architektur benötigen, wird hier doch schnell klar, dass es sich eher um einen Soundtrack zur meditativen Versenkung handelt. Arg süßlich.

 WAIT FOR JUNE: Coming Unstuck
WAIT FOR JUNE
Coming Unstuck
singalongsongs.de
waitforjune.de
(LC01775)
6 Tracks, 24:06


Jedes Jahr eine neue EP scheint das Motto der symphatischen Folkrocker zu sein. Die Songs des neuen Silberlings schließen sich nahtlos an die des Vorgängers an und hätten auch gut auf eine gemeinsames Album gepasst. Wer von der Kantereititis befallen ist, kann mit Wait for June keinen Fehler machen.


 WALKIN’ CANE MARK: Tryin’ To Make You Understand
WALKIN’ CANE MARK
Tryin’ To Make You Understand
walkincanemark.com
(Enable Records 1001/CD Baby)
12 Tracks, 47:19


In der Tradition des Bluesgiganten Howlin’ Wolf singt Walkin’ Cane Mark mit lauter, heiserer Stimme und spielt eine „dreckige“ Mundharmonika. Sehr gut passt dazu die Produktion in Lo-Fi-Qualität, bei der bewusst auf schönen, glatten und akzentuierten Klang verzichtet wurde. Wer sich drauf einlässt, kommt dem Blues wieder einmal ein Stück näher.

 WEST OF EDEN: Look To The West
WEST OF EDEN
Look To The West
westofeden.com
(West of Music)
13 Tracks, 54:54


Sechs Stammmusiker und elf Gäste machen auch das zehnte Album der Göteborger Irish-Folk-Band zu einem volltönenden Musikgenuss, wenn auch Jenny Schaubs Stimme manchmal arg hoch klingt. Die Songs erzählen von Fern- und Heimweh, Heimatliebe und Heimatfrust, vom Auswandern und von der Seefahrt. Alle Texte im Beiheft und auf der Website.


 WREN: Stitch An Ocean
WREN
Stitch An Ocean
wrenmusic.net
(Eigenverlag)
Promo-CD, 11 Tracks, 40:20


Laura Adrienne Brady ist US-Amerikanerin, hat aber längere Phasen ihres Lebens in Galicien verbracht. 2012 veröffentlichte sie unter ihrem Künstlernamen Wren ihr erstes Studioalbum mit Eigenkompositionen. Ein buntes Flechtwerk an Eigenkompositionen, aufwendig mit Dulcimer, Mandoline, Geige und indianischen Flöten arrangiert.

 TOMMY Z: Blizzard Of Blues
TOMMY Z
Blizzard Of Blues
thommyzband.com
(South Blossom Records/CD Baby)
9 Tracks, 59:37


Der amerikanische Komponist, Sänger und Gitarrist Tommy Z präsentiert elektrischen Blues, den er mit seiner Band im Studio einspielte. Der Titel rührt daher, dass währenddessen draußen ein Schneesturm tobte. Als Musiker mit dabei sind Damon Jackson, Schlagzeug, die Bassisten Stanley Swampski, Jerry Livingston und Walter Riggo sowie Kevin Urso, Orgel, und Jeremy Keyes, Mundharmonika.


 ULRICH ZEHFUSS: Dünnes Eis
ULRICH ZEHFUSS
Dünnes Eis
zehfuss.de
(Sevenarts)
11 Tracks, 43:22


Poetische Texte voll melancholischer Süße über Trennungen und Einsamkeit, Erinnerungen und Träume kennzeichnen die meisten Lieder des ersten Soloalbums dieses SAGO-Schülers. Es überwiegt eine sparsame musikalische Begleitung zur Gitarre, doch vereinzelt ist auch Rockiges zu hören, und es ist ja kaum zu glauben, auch der Stadt Ludwigshafen kann man Romantisches abgewinnen.




Deutschland
 ANNEN MAY KANTEREIT: Alles nix Konkretes
ANNEN MAY KANTEREIT
Alles nix Konkretes
annenmaykantereit.com
(Vertigo/Universal)
12 Tracks, 40:29 , mit dt. Texten u. Infos


Annen May Kantereit sind schon seit einer Weile keine Unbekannten mehr. Aber das heißt natürlich nix. Heino ist ja auch kein Unbekannter. Nee, aber die Jungs sind richtig gut. Findet auch mein Sohn. Und der weiß da was von. Ohne große Faxen: Gitarre, Bass, Schlagzeug und gelegentlich Klavier – fertig. Der Name der Band setzt sich aus den Nachnamen von dreien der Musiker zusammen. Christopher Annen (E-Gitarre), Henning May (Piano, Gesang) und Severin Kantereit (Trommeln). Warum der Bassmann Malte Huck nicht im Bandnamen auftaucht? Keine Ahnung. Vielleicht kam er später dazu oder mit vier Nachnamen wäre es zu unübersichtlich. Man denke nur an Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich. Alle Lieder bis auf eins handeln vom Auf und Ab der Beziehungen, von Sprachlosigkeit, Kommunikationsproblemen, irgendwo zwischen Kneipe und WG und nicht ohne Humor. May singt die Texte wunderbar lakonisch mit seiner angeraspelten Stimme. Klasse Gruppe, tolles Album. Die letzten Worte der Scheibe sind: „Das Krokodil raucht zu viel! Ach ja?“. Unbedingt hören!
Jörg Ermisch
 BONITA & THE BLUES SHACKS: Bonita & The Blues Shacks
BONITA & THE BLUES SHACKS
Bonita & The Blues Shacks
bluesshacks.de
(Crosscut Records, CCD 11110)
15 Tracks, 49:19 , mit engl. Infos


Seit mehr als zwanzig Jahren bereichern B. B. and The Blues Shacks die internationale Szene mit ihrem ganz eigenen Sound aus Jump Blues und R&B der Vierziger und Fünfziger, gepaart mit viel Soul. Nun haben sich die fünf Musiker mit einer jungen südafrikanischen Sängerin zusammengetan. Mit ihrer besonderen Ausstrahlung und Stimme komplettiert Bonita Niessen das Quintett auf eindrucksvolle Weise. Hinzu kommt, dass die Brüder Michael (Gesang und Mundharmonika) und Andreas Arlt (Gitarre) auch mit den Eigenkompositionen „Don’t Call Me Baby“ und „Bad News“ ein gutes Händchen beweisen. Fabian Fritz spielt auf dem Piano wunderschöne Melodien, und Henning Hauerken zupft den Bass dazu. Für den richtigen Swing ist Andre Werkmeister am Schlagzeug zuständig. Auch dank des schön gestalteten Digipacks ist dies insgesamt eine klasse Produktion aus deutschem Hause – mit Anwartschaft auf die persönliche Platte des Monats.
Annie Sziegoleit

 CAROLIN NO: Ehrlich gesagt
CAROLIN NO
Ehrlich gesagt
carolin.no
(Fuego)
11 Tracks,41:20 , mit dt. Texten u. Infos


Carolin No – ist das gar eine Enkelin von Dr. No aus dem Bond-Film? Oder eine Künstlerin, die etwas negativ drauf ist? Carolin? No! Alles Quatsch! Carolin No ist ein Duo. Logisch. Dem Infomaterial ist zu entnehmen, sogar ein „Ausnahmeduo“. Und die Musik ist „berührend und beglückend“. Mann, Leute, haut doch sprachlich nicht so auf den Putz. Das Versprechen kann doch keiner halten. Auf geht’s mit dem Ehepaar Carolin und Andreas Obieglo. Sie singt und spielt Gitarre, Ukulele und Xaphoon, und er spielt den Rest, Tasten, Gitarre, Banjo und Bass. Und das machen sie beide gut. Obgleich ich bei Carolins Stimme immer denken muss: Vicky, bist du’s, alte Schlagergriechin? Aber die kann ja auch singen. Carolins Texte haben hier und da originelle Ansätze, sind aber oft recht speziell. Am besten finde ich ein Liebeslied auf Bayerisch, vom gebürtigen Bayern Andi gesungen. Einfach und anrührend (!). Zum Schluss noch ein vertonter Fallersleben-Text: „Abend wird es wieder. / Über Wald und Feld säuselt Frieden nieder.“
Jörg Ermisch
 DIVERSE: Auf’s Maul geschaut – Regionalsprachen und Dialekte im deutschen Folk
DIVERSE
Auf’s Maul geschaut – Regionalsprachen und Dialekte im deutschen Folk
profolk.de
bcb-records.de
(Profolk, BCB-Records)
16 Tracks, 64:43 , mit dt. Infos u. Fotos


Neulich in Bielefeld auf dem Leinewebermarkt fragte der Rezensent eine Reibekuchenverkäuferin, wie denn Reibekuchen auf Bielefelder Platt heißen. Sie wusste es nicht. Dialekte und Regionalsprachen in Deutschland sind im Aussterben begriffen. Profolk e. V. macht mit dem vorliegenden Sampler darauf aufmerksam, wie schön doch die sprachliche Vielfalt ist, vor allem, wenn sie in Liedern zu Gehör gebracht wird. So singen hier Hüsch! auf Hennebergisch, Spuimanovas und Stefan Straubinger auf Bairisch, Herzgespann, Em Huisken, Kai Kankowsi und Spillwark auf Plattdütsch, Why didn’t they ask Evans? auf Hochwald-Moselfränkisch und Martin Schütt auf Niederalemannisch. Und es wird noch exotischer für standarddeutsche Ohren. Kalüün tragen ein Lied auf Föhr-Friesisch, Holger Saarmann & Vivian Zeller eines auf Pennsylvania Dutch und Ziganimo eines auf Jiddisch vor. Insgesamt sind es zwölf verschiedene Solisten, Duos und Bands mit traditionellen und neuen Liedern, mit diversen Musikstilen, wobei nord- und süddeutsche Musiker gegenüber den Kollegen aus den Regionen dazwischen leider etwas in der Überzahl sind. Das schreit nach einer Fortsetzung. Übrigens gibt es in Bielefeld-Schildesche eine Wirtschaft, die Kartoffel-Püfferken auf der Speisekarte hat.
Michael A. Schmiedel

 DIVERSE: Refugees Welcome – Gegen jeden Rassismus
DIVERSE
Refugees Welcome – Gegen jeden Rassismus
springstoff.de
(Springstoff CD-NOBO-0076)
22 Tracks, 79:43 , mit ausführlichen dt. Infos zum Thema


„Fuck you Frontex“, so Dirk von Lowtzow, „Fuck you Frontex / Fuck you Frontex“. Geht’s noch kindischer? Also auch dümmer? Frontex ist eine Agentur der EU, also der Mitgliedsstaaten, also Deutschlands. Frei gewählte Vertreter, überall. Also fuck wen, wenn überhaupt? Davon abgesehen ist dieses Benefiz linker Indies von A Tribe called Knarf bis Gustav aber natürlich lobenswert von A bis Z. Und überwiegend auch luzider als der erwähnte Eröffnungstrack. Man nehme etwa die Antilopen Gang, die mit „Beate Zschäpe hört U2“ einen deutlich brauchbareren Hinweis zur Sache gibt. Wir gut, die böse – wer es sich so einfach macht oder gar glaubt, es sei mit pubertären Posen getan, ist auf dem falschen Dampfer. Die Antilopen Gang halb inklusive, die sich noch vor ihrem U2-Verweis – der natürlich auch auf von Lowtzows Tocotronic erweiterbar ist – auch nicht entblödet, noch einmal Eva Herman mit Hitler in einen Topf zu werfen. Die Gräben laufen durch alle Lager. „The Kids are not alright“, wie Diedrich Diederichsen sagte – nie gewesen. Sämtliche Refugees-Welcome-Erlöse gehen an antirassistische Initiativen – viel Erfolg beim Entwirren des Tohuwabohu; und ein fettes „Gefällt uns“ für das Engagement!
Christian Beck
 IHRE KINDER: Werdohl
IHRE KINDER
Werdohl
ihrekinder.com
(Sireena Records)
9 Tracks, 39:09, Vinyl


Sie gehörten in den Siebzigern neben Novalis und Hölderlin zu den frühen Größen deutschsprachiger Rockmusik. Die 1969 gegründete Nürnberger Band blieb aber immer irgendwie ein Geheimtipp, obwohl ihre Platten secondhand ausgesprochen hochpreisig sind. Ihr Markenzeichen war die Mischung aus Rockmusik, sozialkritischen, lyrischen Texten und Romantik. Nun wurde – nach 45 Jahren – Werdohl wieder aufgelegt, als limitierte Auflage auf gelbem, 180 Gramm schwerem Vinyl, erstmals im Klappcover. Ihr viertes Album wurde nach einer sauerländischen Kleinstadt benannt, einer von vielen Tourstationen. Die Texte wirken nach diesen langen Jahren kein bisschen angestaubt – Lieder über eine Prostituierte, einen dumpfen Verführer oder die düstere Beschreibung einer Industriestadt. In „Babylon“ heißt es: „Vor mir sehe ich viele Führer, / die zum Würfelspielen geh’n, / und sie verspiel’n unsern Frieden, / doch die braven Menschenkinder / nehmen das in Kauf.“ In „Kennst du den Mann“ steht: „Er läuft dem einen vor sich nach und hinter ihm im Tritt kann man Millionen seh’n. / Er macht sich auf dem Holzweg dick.“ Musikalisch sind es nicht mehr, wie in den Vorgängeralben Leere Hände und 2375004 (Jeanscover) die großen Melodien, sondern eher die ausgefeilten, gereiften Arrangements, die diesen Deutschrockklassiker ausmachen. Neben Rock gibt es Jazz, Blues, Akustikgitarren, Klavier und Orgel. Und man muss die Wirkung dieser Musik auf Rio Reiser betrachten, der mit Ton, Steine, Scherben dort anknüpfte, wo Ihre Kinder aufhörten.
Piet Pollack

 REINHARD MEY: Mr. Lee
REINHARD MEY
Mr. Lee
reinhard-mey.de
(Universal 4769396 9)
15 Tracks, 71:58 , mit dt. Texten u. Infos


Reinhard Meys dreiundsiebzig Jahre zeigen Spuren. Der Liedermacher ist sanfter geworden – speziell im Vergleich zur Jahrtausendwende, als er im Streit um dies und das auch schon mal über die Stränge hieb. Zarter. Auch schon etwas kraftloser? Vor allem ist ihm wohl der tragische Tod seines Sohnes Maximilian vor einigen Jahren in die Knochen gefahren – „So lange schon“ oder „Mr. Lee“, mitsamt Tochter Victoria-Luises Booklet-Illustration, lassen da keine Zweifel. Eigentlich nur einmal, mit „Herr Fellmann, Bonsai und ich“, schwingt Mr. Lee sich zu einer gewissen Heiterkeit, Beschwingtheit auf – griffige Komposition inklusive. Der überwiegende Rest ist Andacht und Sentimentalität. Eine Andacht wie vom Kalenderblatt, dazu kompositorisch überwiegend schwächelnd und kunsthandwerklich perfekt bis zur Sterilität. Eine Sentimentalität, die offenbar wenig mehr im Sinn hat, als sich reiner Nostalgie hinzugeben. Und ein – wenn auch sicherlich bewusst – durchgehend unzeitgemäß wohlprononcierter Vortrag. Mr. Lee schaut stur gefühlig zurück – mit eigentlich nur einem einzigen Blick nach vorn: Man möge dem Künstler ins Altenheim zurückhelfen, sollte das einmal nötig sein. Rührend – aber doch eigentlich zu früh!
Christian Beck
 THE RED HOT SERENADERS: Down The Big Road
THE RED HOT SERENADERS
Down The Big Road
redhotserenaders.de
(Eigenverlag)
20 Tracks, 67:45


Der akustische Blues der 1930er- bis 1950er-Jahre, gesungen von Tanja Wirz und Rainer Wöffler und gespielt auf Gitarre, Ukulele, Banjo und Mandoline. Hinzu kommt die gelegentliche Begleitung von Klaus „Mojo“ Kilian an der Bluesharp und Dirk Vollbrecht am Kontrabass. Ein ganz wunderbares Album ist entstanden, auf dem die Musiker gekonnt zwischen Blues, Ragtime und Boogie-Woogie changieren und auch Elemente von Soul und Jazz einflechten. Vor ebendiesen Spuren des Jazz warnt augenzwinkernd ein kleiner Hinweis auf dem Booklet, vor möglichen allergischen Reaktionen, die sich jedoch allenfalls in guter Laune und beschwingtem Mitwippen äußern können. Musikalisch ist hier alles absolut virtuos und gekonnt umgesetzt, dabei jedoch unverkrampft, frisch und verspielt dargeboten. Dem aufmerksamen Zuhörer offenbart sich jederzeit die tiefe Kenntnis und Liebe der Red Hot Serenaders zu ihrer Musik, die sich auch in der geschmackvoll gestalteten Hülle der CD widerspiegeln. Neben kurzen Infos zu den einzelnen Songs sind auch die alten Originalinstrumente aufgelistet, mit deren Hilfe dieses schöne Album entstanden ist.
Achim Hennes

 NADINE MARIA SCHMIDT & FRÜHMORGENS AM MEER: Ich bin der Regen
NADINE MARIA SCHMIDT & FRÜHMORGENS AM MEER
Ich bin der Regen
nadinemariaschmidt.de
(BSC 307.0180.2/Roughtrade)
16 Tracks, 56:38 , mit Texten u. Infos


Das Vertonen von Literatur ist nicht ohne Risiken. Zwar freut man sich, wenn Achim Reichel den „Erlkönig“ rezitiert oder Rilke in die Charts aufsteigt, aber betrachtet man aus musikalischer Sicht die Versuche, Gedichte, also Worte, die zum Lesen und Vorlesen geschaffen wurden, in Noten auszudrücken, so bleibt es oft doch Hausmannskost. Der Musiker bleibt in der Regel seinem musikalischen Repertoire treu und bastelt das Gedicht irgendwie darüber. Ich bin der Regen ist vollständig anders. Genial anders. Die Künstlerin hat sich in die Lyrik hineinversetzt, um die Musik zu ergründen, die in den Worten liegt. Die ureigene Sprachmelodie, die in jedem Gedicht steckt, unverkennbar, unverwechselbar. Die Künstlerin destilliert die Töne aus den Texten und schafft aus diesen Songs ein eigenes Kunstwerk. So klingt jedes Werk völlig unterschiedlich und doch, bei aller Verehrung für die großen Meister, wie eine Eigenkomposition, stimmig und geschlossen. Da wird von Eichendorff zum Popstar, und Hedwig Lachmann klingt wie eine Komposition von Lou Reed. Dieses Album veredelt die alten Meister und macht hungrig auf die Worte. Ich bin der Regen erreicht, wo der Deutschunterricht versagt.
Chris Elstrodt



Europa
 ARVVAS: Remembrance
ARVVAS
Remembrance
facebook.com/arvvasmusic
(Nordic Notes NN075)
13 Tracks, 52:27 , mit samisch/engl. Texten


Arvvas ist eine samisch-norwegische Kooperation, die sich sehr international gibt. Die Sängerin Sara Marielle Gaup stammt aus einer joikenden Familie und hat sozusagen von Geburt an samischen Gesang in sich aufgesogen. Mit der Gruppe Adjágas hat sie sich mindestens einmal um die Welt gejoikt. Auch als sie zwischendurch für die berühmte Joikerin Inga Juuso einspringen musste, mit der auch der Kontrabassist und Liedermacher Steinar Raknes zusammenarbeitete. Inga Juuso, der das Album gewidmet ist, starb 2014, und so wirkt es nur natürlich, dass Sara Marielle Gaup und Steinar Raknes sich nun musikalisch zusammentun. Ihr Werk heißt Remembrance, auf Samisch „Muiomátki“, das ist zugleich der Titel des ersten Liedes. Das Album ist zweisprachig, samisch und englisch. Sara Marielle Gaup singt und joikt, logisch, auf Samisch, Steinar Raknes begleitet sie, zumeist in zweiter Stimme, auf Englisch. Er hat von Stimme und Gesangsstil her Ähnlichkeit mit Richard Bargel, und das ist natürlich ein hohes Lob. Dazu eben Joik vom Feinsten. Ein überraschendes Album, das bei jedem Hören neuen Charme entfaltet.
Gabriele Haefs
 DALLAHAN: Matter Of Time
DALLAHAN
Matter Of Time
dallahanmusic.com
(Eigenverlag DLHN003)
11 Tracks, 50:31 , mit engl. Texten


Manche Alben mag man, andere wiederum nicht. Und dann gibt es die, bei denen man sich am Kopf kratzt. Das zweite Werk des Quartetts aus Schottland ist so eines. Die Fakten sind verführerisch einfach: Musik auf Akkordeon, Fiddle, Gitarre, Banjo und Mandoline sowie Gesang plus einige interessante Gäste. Was die vier Herren damit – höchst kompetent, das sei vorweggeschickt – machen, ist jedoch ein wenig verwirrend. Vor zwei bis drei Jahren segelten Dallahan unter der Flagge „Irish Folk aus Schottland“, und das, ebenso wie das heimische Element, ist auch noch ein wenig zu hören. Doch dann kommen weitere Strömungen hinzu, als da wären Ungarn/Rumänien (die Wurzeln eines Gruppenmitglieds liegen dort), flämische Melodien, ein wenig Americana, Jazz/Swing, Klassik und, und, und. Das geht live erwiesenermaßen tierisch ab, auf Tonträger im stillen Kämmerlein fehlt ein wenig der rote Faden, an dem man sich entlang hangeln könnte. Es steht allerdings auch nirgendwo geschrieben, dass gute Musik einem geraden Pfad zu folgen hat, und das Reinheitsgebot gilt ausschließlich für deutsches Bier. Das letzte Stück sagt es daher: „There Ain’t No Easy Way“.
Mike Kamp

 DIVERSE: It Was Mighty! – The Early Days Of Irish Music In London  DIVERSE: It Was Great Altogether! – The Continuing Tradition Of Irish Music In London
DIVERSE
It Was Mighty! – The Early Days Of Irish Music In London
topicrecords.co.uk
(Topic Records TSCD679T)
3 CDs, 107 Tracks, 215:34 , mit umfangreichem Beiheft


DIVERSE
It Was Great Altogether! – The Continuing Tradition Of Irish Music In London
topicrecords.co.uk
(Topic records TSCD680T)
3 CDs, 89 Tracks, 222:27 , mit umfangreichem Beiheft


Die populäre Serie The Voice Of The People geht in eine weitere Verlängerung, und das ist diesmal vor allem für Freunde der traditionellen irischen Musik eine sehr gute Nachricht. Für die Menschen von der Grünen Insel war England schon immer das naheliegende Ziel, wenn zu Hause Arbeit und Einkommen fehlten, und selbstverständlich hat London, als der zentrale Ort, die größte Anziehungskraft. Kein Wunder also, dass es dort seit den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts eine ausgesprochen lebhafte irische Musikszene gibt. Vornehmlich in speziellen Kneipen und unter dem Radar der Allgemeinheit, von Iren für Iren. Topic Records hat diese Szene bereits damals ausführlich dokumentiert, und nun war es das eingespielte Team Tony Engle und Reg Hall, das wieder ganze Arbeit geleistet hat. Hall sortiert in erster Linie nach den Protagonisten und nicht unbedingt nach Aufnahmedatum. Daher finden wir auf der ersten CD Musik von den 50ern bis zu den 80ern, auf der zweiten CD etwas überlappend Tunes von den 60ern bis 2014. Und das ist auch der einzige klitzekleine Kritikpunkt dieser Fundgrube an Tunes: Das Singen fällt völlig flach. Bei den Sessions im Pub ging es wahrscheinlich schon allein aus Gründen der Lautstärke eher um Instrumentals.
Mike Kamp
 GARMARNA: 6
GARMARNA
6
garmarna2015.com
(Westpark)
10 Tracks, 40:25 , schwed. Texte, engl. Info


Zwischen 1993 und 2001 veröffentlichten sie fünf Alben und machten unzählige Tourneen. Danach gab es eine lange Pause, wobei der Kontakt der Musiker untereinander jedoch nicht abriss. Musik haben sie zwar weiterhin gemacht, aber in anderen Projekten, Emma Härdelin etwa mit Triakel. Und sie sammelten Material, so viel, dass es nun – fünfzehn Jahre nach Hildegard von Bingen – für die sechste Veröffentlichung reichte. Die akustischen Instrumente der früheren Alben wie Drehleier und Laute sind verschwunden. Auch Geige und Gitarre sind heute als solche kaum erkennbar, das heißt die Bezeichnung Electrofolkband ist durchaus zutreffend. Geblieben und sogar verstärkt ist der elektronisch erzeugte harte, durchgängige Rhythmus. Die Gesangstimmen sind meist verfremdet. Abgesehen davon sind es sehr gute Melodien, verbunden mit sehr guten Texten. Die Themen sind meist düster oder traurig. Es geht um Rache eines Sohnes an seinem Vater („Ingen“), um eine verlorene Liebe („Timmarna“), um den Vogel der nordischen Mythologie, der mit seinen Schwingen den Lauf der Welt bestimmt („Väktaren“), um Weitblick und Gefahr („Öppet Havet“). Ein Album für die alte Fangemeinde, aber auch für Rap- und Mittelalterfreunde. Die Musik ist immer noch innovativ.
Bernd Künzer

 MARTYN JOSEPH: Sanctuary
MARTYN JOSEPH
Sanctuary
martynjoseph.com
(Beste! Unterhaltung BU073)
11 Tracks, 45:02 , mit engl. Texten


Der Mann aus Wales kann das, er übt ja auch schon seit zwanzig Alben. Joseph kann Hymnen wie „I Searched For You“, die vom Folkclub bis zum Stadion funktionieren. Er kann Politik wie „Luxury Of Despair“, wo er sich des Themas Palästina annimmt, ein Song geprägt von persönlichen Erfahrungen. Joseph kann auch Heimatliebe wie „Land Of Evermore“, ein Dokument der Verbundenheit zu den walisischen Bergen und Tälern – minus Sentimentalität, minus falsches Pathos. Er kann ebenfalls zutiefst Privates wie „Her Name Is Rose“, eine Würdigung, ja, eine schmalzlose Liebeserklärung an seine Mutter, geschrieben in tiefer Dankbarkeit. Joseph kann allerdings auch Songs wie „Girl Soldier“, wo man das Bild der Befreiung und der Hoffnung durch (weibliche) Soldaten nachvollziehen kann, sich aber dennoch fragt, ob das Thema wirklich konsequent zu Ende gedacht wurde. All diese Songs packt er in ein Gewand aus Bass, Schlagzeug, Keyboard, Gitarren, Ukulele und Xylofon. Am intensivsten klingt Martyn Joseph jedoch, wenn er einfach zur Gitarre singt, und das erklärt auch nachvollziehbar, warum er als Livekünstler so gefragt ist. Weil er das kann – und wie!
Mike Kamp
 MARI KALKUN & RUNORUN: Tii Ilo
MARI KALKUN & RUNORUN
Tii Ilo
marikalkun.com
(Nordic Notes NN072)
11 Tracks, 51:36 , mit Texten, engl. Übers. u. Infos


Die Liebhaber russischer und skandinavischer Folklore sind oft identisch. Diese Schnittmenge kann sich guten Gewissens estnischer Musik zuwenden, wie zum Beispiel Mari Kalkun. Geografisch nahe liegend, bietet die Künstlerin das Beste aus beiden Welten. Sie hat mit dem Studium auf der Musikakademie in Tallinn und der finnischen Sibelius-Akademie auch die gewohnten (und überragenden) Musikreferenzen. Die Kompositionen klingen mal nach Mari Boine, mal nach den Farlanders und doch immer eigenständig und homogen. Das tragende Instrument ist die Kantele, estnisch Kannel, die für Nichtskandinavisten wie eine Mischung aus Zither und Harfe klingt. Der ausgesprochen sanfte, glockenreine Klang der Instrumente ergänzt die warme Stimme der Künstlerin. Die Band Runorun aus Finnland begleitet Kalkun behutsam mit Kantele, weiblichem Gesang, Schlagzeug und Kontrabass. Die Musik klingt vertraut, aber in dieser Qualität selten gehört. Der Weg zur High-End-Anlage und zum Meditationskissen ist also vorgezeichnet. Nicht umsonst ist das Album bereits in Estland als „Ethno Album of the Year“ ausgezeichnet. Dank der umtriebigen Nürnberger Nordic Notes findet Tii Ilo nun auch den Weg zu uns.
Chris Elstrodt

 SAMPO LASSILA NARINKKA: In Strange Lands/Vierailla Mailla
SAMPO LASSILA NARINKKA
In Strange Lands/Vierailla Mailla
narinkka.com
(Narinkaattori Records)
9 Tracks, 48:19 , instrumental u. finn. u. engl. Texte


Knirschen und Knacken, so fängt es an. Wie das Geräusch der Schritte auf fremdem Grund oder auf dem Weg dahin. Die Geschichte der Finnen ist eine der Migration, der Aus- und Einwanderung. Sampo Lassila und sein Orchester liefern mit ihrem zweiten Album ein weiteres Beispiel dafür, dass dieses Thema reiche Inspiration für anspruchsvolle Musik bietet. „Suomiklezmer“, finnischen Klezmer also, nennt das Trio das, was es macht. Getragen von traditionellem finnischem Folkloresound aus Akkordeon, Violine sowie den Saiten von Doppelbass, Gamba und Zither sowie ergänzt durch den Einsatz von Stimmfetzen, Geräuschen von Gummistiefeln, Büchern, Milchkartons und anderem, entstehen musikalische Bilder von Geschichten aus Einwanderungsgebieten Finnlands und aller Welt, in die das Volk es einst verschlagen hat. Da ist die Witwe eines Mafiosos in „Contabile“, die die Einsamkeit im vertrauten Norden dem Schutz der Familia Mafiosa vorzieht; oder die Enttäuschung, die ein Paar 1906 erlebte, als es nach Argentinien ausgewandert war, um dort ein finnisches Utopia zu leben – allerdings unter härtesten Bedingungen. Aber sie erleben den Tango Argentino – und wir hören ihre zaghaften Versuche, ihn zu tanzen.
Imke Staats
 MAARJA NUUT: Une Meeles
MAARJA NUUT
Une Meeles
maarjanuut.com
(Eigenverlag/Indigo)
12 Tracks, 39:08 , mit Texten u. engl. Übers.


Loops sind eine feine Sache. Mit einer Loop-Maschine kann ein Künstler auf der Bühne ein ganzes Orchester ersetzen, in dem er jede Spur separat einspielt und dann alle übereinanderlegt. Damit kann man live auch heute noch mühelos das Publikum beeindrucken. Auf Tonträger ist das etwas kniffliger, denn dem Hörer ist es eigentlich gleichgültig, ob die Töne mittels Loops oder durch direktes Einspielen erzeugt werden. Alben von Loop-Machine-Künstlern sind deshalb oft Beiwerke, um auf den Liveauftritt vorzubereiten. Das ist bei Maarja Nuut nicht anders, auch hier fehlt dem Album die Bühnenpräsenz der Künstlerin. Die Veröffentlichung ist trotzdem schlicht genial. Minimalistische Soundscapes schieben sich sperrig übereinander, dass Brian Eno seine Freude daran hätte. Der Gesang der Künstlerin, der einem samischen Zelt entsprungen sein könnte, transformiert die Folklore in ein avantgardistisches Kunstfeld, befremdet und verstört. Durch die Loops wird der Gesang hypnotisch, das Geigenspiel magisch. Man möchte sich in Trance tanzen und auf der Schamanentrommel schlagen. Dabei ist das Album so komplex, dass es auch der Feder von Steve Reich oder John Cage entsprungen sein könnte. Weltmusik für Fortgeschrittene.
Chris Elstrodt

 POLLYANNA: The Mainland
POLLYANNA
The Mainland
pollyanna.org
(Solaris Empire/Broken Silence)
12 Songs, 42:01 , mit engl. Beiheft


Aus Frankreich kommen diese Songs herübergeweht und klingen doch nicht nach Chanson oder Musette, sondern durch die starke Präsenz von Streichinstrumenten in den Arrangements mehr wie folkloristische Kammermusik. Doch romantisch kann man dieses Album keineswegs nennen, sind doch betonfeste Kaianlagen und eine Ölraffinerie auf dem Cover abgebildet. Isabelle Casier, die sich hinter dem Pseudonym Pollyanna verbirgt, ist offensichtlich eine Person voller persönlicher Widersprüche, die sie durch ihr großes musikalisches Können in Songs von großer Aussagekraft umzuwandeln vermag. Die Multiinstrumentalistin Casier, die bereits seit den Neunzigern auf der Bühne steht, hat alle zwölf Songs ihres Albums geschrieben und produziert. Die akustische Gitarre steht immer im Mittelpunkt, gesungen wird auf Englisch, doch bleibt ihre Musik bei aller Weltzugewandtheit immer intim und eigensinnig. Balladen wechseln mit Up-Tempo-Songs ab, eine Viola wird zusammen mit dem Banjo angestimmt, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. The Mainland ist ein Album voller Songs, die Nebenwege des Folk erkunden. Und neue finden oder erfinden.
Michael Freerix
 LENA WILLEMARK: Blåferdi
LENA WILLEMARK
Blåferdi
facebook.com/lenawillemark
(Brus & Knaster)
9 Tracks, 48:04 , norw. Texte u. Info, mit engl. Übers., 4 Texte in Älvdalisch


Lena Willemark hat hier im Auftrag des schwedischen Rundfunks ein Werk für das Euroradio Folk Festival 2014 in Rättvik komponiert. Als eine der Hauptfiguren der schwedischen Folk- und Jazzszene, als Komponistin, Sängerin und Geigerin, war sie prädestiniert dafür. Sie hat sich exzellente Musiker und Musikerinnen aus Schweden dazugeholt, wie Emma Reid (Violine), Mia Marin (5-saitige Violine), Mikael Marin (5-saitige Viola), Livet Nord (5-saitige Violine), Leo Sander (Cello) und Tina Quartey (Percussion). Die einzelnen Stücke haben unterschiedliche Themen, aber eine musikalische Verbindung. Willemark steht mit ihrer Stimme im Mittelpunkt, singt aber keine Balladen, sondern lässt den Instrumenten in unterschiedlichen Kombinationen mehr Platz als sich selbst. Mal klingt es folknah, wie bei dem berührenden „Balistienna“, manchmal jazzig, wie bei „Ra weg“. Willemark ist in der Älvdal-Region aufgewachsen. Zur Erinnerung singt sie einige Lieder auf Älvdalisch, was heute nur noch von etwa dreitausend Menschen gesprochen wird. Die Stücke enthalten klanglich vieles von traditioneller schwedischer Musik, es ist jedoch keine traditionelle Folkmusik. Es gibt eine Notenaufzeichnung, die einigen Platz für Improvisation lässt. Ein kompositorischer Raum, der größer ist als Folkmusik.
Bernd Künzer

 YO YO MUNDI: Evidenti Tracce Di Felicità
YO YO MUNDI
Evidenti Tracce Di Felicità
yoyomundi.com
(Felmay fy8235/Pool Music & Media)
12 Tracks, 45:16 , mit ital. Texten


„Wenn in jeder Träne ein Gedicht versteckt ist, birgt jedes Lächeln eine Revolution“, rezitiert Séverine Maestri zum Auftakt des Titelstücks des neuen Albums der Turiner Band. Paolo Enrico Archetti Maestri, Mastermind, Sänger, Multiinstrumentalist und Komponist des Sextetts, begibt sich „in Zeiten der Krisen“ auf die Suche nach dem, in seinen Worten, „nonkonformistischsten aller Gefühle“ – dem Glück. Fragil sind sie, die „offensichtlichen Spuren des Glücks“, die er findet. Und doch, Evidenti Tracce Di Felicità ist ein Liebeslied an das Leben, die Schönheit, Vergänglichkeit und die Menschen dahinter. Yo Yo Mundi gelten im Piemont als Folkrockband. Mit der Geigerin Chiara Giacobbe kommt das folkige Element stärker als auf dem Vorgängeralbum zum Tragen. Das Werk ist aber vor allem ein Liedermacheralbum. Archetti Maestri ist ein Geschichtenerzähler, einer, der jedes Wort, jede Aussage beschnuppern will („Annusiamo Le Parole?). Seine Stimme und sein Ausdruck erinnern an Francesco Guccini. Besonders schön sind die Balladen, allen voran der Titelsong mit der Slidegitarre von Paolo Bonfanti und das melancholische „Di Rose, Di Fiume, Di Confine“. Musikpoesie fern jeden Zeitgeistes.
Martin Steiner



Afrika
 BORRINA MAPAKA: The Forest Man
BORRINA MAPAKA
The Forest Man
borrinamapaka.com
(Oza OZASE14/Galileo MC)
13 Tracks, 46:03


Nach einer ersten Karriere als Tänzer und Choreograf hat sich der gebürtige Kongolese Borrina Mapaka, 42, auch als Musiker und Sänger in der internationalen afrikanischen Musik einen guten Namen gemacht. 1997 von Brazzaville nach Paris gezogen, überführt er seine musikalischen Wurzeln mit einem tradi-modernen Hybrid tendenziell recht forsch in die Zukunft. Auf The Forest Man verzichtet er dagegen weitgehend auf jegliche Annäherungen an die internationalen Mainstream-Hörgewohnheiten, namentlich das urbi wie orbi dominierende, immer gleiche angloamerikanische Funky-Groove-Fundament. Aus gutem Grund: Das Album ist als Appell konzipiert, die Rodung der Regenwälder im Kongobecken und anderswo zu stoppen. Da darf es in der Tat auch nach Regenwaldgesängen klingen – Pygmäengesängen, wie jedenfalls das Booklet vermeldet. Und das tut es, wenn auch sicherlich immer noch behutsam für den westlichen Markt geglättet, betörend mehrstimmig gesungen, mitreißend polyrhythmisch und, durch den nahezu vollständigen Verzicht auf fette Bässe und Druck aus dem Schlagzeug, so federleicht und transparent wie die Kalimba, die das Klangbild immer wieder dominiert. Klarer, stetig tröpfelnder Regen. Erfrischend!
Christian Beck
 OGOYA NENGO AND THE DODO WOMEN’S GROUP: On Mande
OGOYA NENGO AND THE DODO WOMEN’S GROUP
On Mande
morrmusic.com
(TAL 01/Morr Music)
13 Tracks, 39:44


Als eine Folge der schon früh einsetzenden Globalisierung können wir heute immer wieder unterschiedlichste Musiker aus den entlegensten Winkeln dieser Erde zu uns ins Wohnzimmer holen. Warum wir das auch wirklich machen sollten, erschließt sich gut am Beispiel dieses Albums. Durch die hervorragenden Aufnahmen zweier deutscher Musiker im Dezember letzten Jahres im Westen Kenias erfahren wir hier mehr über das Leben in einem Dorf. Die Lieder, in der Muttersprache der Sängerin, mit zum größten Teil banalen Texten, dringen, begleitet von archaischen Instrumenten, schnörkellos und auf das Wesentliche reduziert an unser Ohr. In der Einfachheit schwingen Respekt und Demut mit. Nichts klingt virtuos in dem Sinn, wie wir diesen Begriff verwenden. Trotzdem versteht man sehr gut, warum Anastasia Oluoch, wie die Sängerin eigentlich heißt, schon früh den Namen „Ogoya Nengo“ bekam, was übersetzt so viel wie, „die teuerste und kostbarste Sängerin der Region“ bedeutet. Die Aufnahmen entstanden in ihrer Lehmhütte in Rang’ala Village, sodass, wenn wir die Augen schließen, wir uns in ihr Wohnzimmer nach Kenia einladen lassen können, ohne eine halbe Weltreise zu unternehmen.
Christoph Schumacher

 CHRISTINE SALEM: Larg Pa Lo Kor
CHRISTINE SALEM
Larg Pa Lo Kor
christinesalem.com
(Blue Fanal, 24706/Brokensilence)
13 Tracks, 51:26 , kreol. Texte


Dieses Album kann eigentlich niemanden kalt lassen. Das liegt einerseits an der außergewöhnlichen, tiefen, souligen und bisweilen hypnotischen Stimme Christine Salems, in der etwas von Nina Simone anklingt. Andererseits zieht den Hörer der eindringliche Rhythmus in den Bann. Hier kommt eine unglaubliche Kraft zum Ausdruck, die das Erbe von Salems kreolischer Herkunft ist. Die vierundvierzigjährige Sängerin stammt von der Insel La Réunion im Indischen Ozean und schickt sich an, der erste internationale weibliche Star ihrer Kultur zu werden. Noch vor fünfunddreißig Jahren wäre die charismatische Musikerin verhaftet worden. Denn sie singt Maloya, den in Afrika verwurzelten Blues, den die ehemaligen kreolischen Sklaven auf den Zuckerplantagen der Insel entwickelten. Salem demonstriert eindrücklich, wie lebendig diese Tradition ist. Die dreizehn meist in kreolischer Sprache interpretierten Stücke hat sie nicht nur selbst geschrieben, sie verwebt die Geschichten über ihre Reisen und Begegnungen auch mit einer Mischung aus ausgefeilten afrikanischen Rhythmen, groovigen Gitarrenklängen und intensivem Harmoniegesang. Eine Stimme, die unbedingt live in Deutschland gehört werden sollte.
Erik Prochnow



Nordamerika
 HACKENSAW BOYS: Charismo
HACKENSAW BOYS
Charismo
hackensawboys.com
(Free Dirt Records DIRT-CD-0078)
11 Tracks, 37:33 , mit engl. Texten


Die Bandfotos lassen raue, üble Burschen erwarten. Doch der Opener „Don’t Bet Against Me“ beginnt mit zierlicher Mandoline. Schnell wird klar, dass es sich hier nicht um einen Haufen von Typen handelt, die mal eben den Dicken markieren wollen. Seit siebzehn Jahren besteht die Band bereits, und zahlreiche Umbesetzungen später glänzt sie mit diesem Album, das Bluegrass mit allerhand anderem mixt und bei aller Tradition voll heutiger Energie steckt. Unter den Tracks sind Stücke, die es verdient hätten, zu neuen Klassikern zu werden, wie das mit Cajungeist getränkte „Flora“ oder das jazzig angehauchte „Happy For Us In The Down“. Alle Songs stammen von den langjährigen Mitgliedern David Sickmen (Gitarre) and Ferd Moyse (Fiddle, Bass). Produziert hat Larry Campbell, Veteran der Musikszene rund um Woodstock und ehemals Mitmusiker bei Leuten wie Bob Dylan und Levon Helm. Was die bärtige Truppe aus Virginia mit ihm zusammen auf die Beine gestellt hat, kann Rockhörern wie Bluegrassern gefallen – zumal niemand auf die genretypische Virtuosität verzichten muss. Exotisch lediglich das „Charismo“ genannte Percussioninstrument, ein Sammelsurium metallischer Gegenstände. Vorm Schrott gerettet, uns zur Freude.
Volker Dick
 SHARI PUORTO: My Obsession
SHARI PUORTO
My Obsession
sharipuorto.com
(Little Lightning Productions/CD Baby)
12 Tracks, 44:36 , mit engl. Infos


Blues und extraordinäre High Heels müssen kein Widerspruch sein. Das zeigt die hübsche Bluesrocksängerin und Komponistin Shari Puorto aus Los Angeles. Sie hat es drauf, ihr Publikum zu fesseln. Ihr Stil lehnt sich an Bonnie Raitt und Janis Joplin an. Sie hat Dynamik in der Stimme und tritt seit den späten Neunzigerjahren in vielen Formationen auf. Eine ganze Armada an Musikern ist auf ihrer vierten Studioplatte vertreten. Als Schlagzeuger und Produzent macht Grammy-Gewinner Tony Braunagel mit. Ihr ganzes Können stellt Puorto mit dem einzigen Cover auf dieser Platte – „When A Man Loves A Woman“ – unter Beweis. Wir warten gespannt auf ihre Auftritte in Europa.
Annie Sziegoleit

 TONY JOE WHITE: Rain Crow
TONY JOE WHITE
Rain Crow
tonyjoewhite.com
(Yep Roc/H’art)
Promo-CD, 9 Tracks, 36:54


Swamp Rock – in diesem Falle eher Swamp Blues. Musik aus Louisiana, aus einer Gegend, in der die Seitenarme des Mississippi eine verwunschen wirkende Sumpflandschaft geformt haben. Vierzig Grad Hitze, die Luftfeuchtigkeit bei neunzig Prozent. Süßer Duft von Magnolie und Bougainvillea, vermischt mit der leichten Fäulnis stehenden Gewässers. Das von den Bäumen hängende spanische Moos klatscht einem ins Gesicht. Einer indianischen Legende nach handelt es sich um das Haar einer Prinzessin, die am Tag ihrer Hochzeit ermordet wurde. Der trauernde Bräutigam schnitt ihr das Haar ab und hängte es in einen Baum, von wo aus es über das Land verteilt wurde. Von hier also stammt die Musik, stammen die Geschichten Tony Joe Whites. Eine eher sprechende als singende Stimme, manche Silben verschluckt und undeutlich. Die Slidegitarre nicht silbern klingend, sondern verzerrt und übersteuert. Bass und Schlagzeug immer irgendwie zu spät und leicht aus dem Takt geraten, auch die gelegentlich eingeworfenen Harptöne wirken verloren. Und alles ist einfach stimmig, wunderbar, erschreckend, fügt sich im rechten Moment zu Klang gewordener Kunst, die gleichzeitig vor Hitze lodert und das Blut in den Adern zum Frieren bringt.
Achim Hennes



Lateinamerika
 HAMILTON DE HOLANDA: Samba De Chico
HAMILTON DE HOLANDA
Samba De Chico
hamiltondeholanda.com
(MPS 0211077MS1/Edel)
15 Tracks, 53:33


Nächstes Jahr können hundert Jahre Samba gefeiert werden. 1917 erschien mit „Pelo Telefone“ der Banda Odeon der erste Samba auf Schallplatte. Im Olympiajahr feiern die Brasilianer dieses Jubiläum schon jetzt. So auch Bandolim-Superstar Hamilton de Holanda. Er widmet sein neues Album den frühen Sambas Chico Buarque de Holandas. Klar, wenn man schon mal den gleichen Namen hat. Hamilton de Holanda schwört hier zwar nicht seiner Neigung zum Jazz ab, aber Melodie und Rhythmus stehen im Mittelpunkt, ja, die Stücke sind auch gut tanzbar. Für Jazzfans legt er zudem manchmal ein atemberaubendes Tempo oder ein Unisonospiel mit dem italienischen Pianisten Stefano Bollani vor. Für Momente der Beruhigung sorgen die gesungen Sambas mit der spanischen Sängerin Silvia Perez Cruz. Und der Komponist Chico Buarque hat auch zwei Gastauftritte als Sänger. Mit diesem Album wird er auch als einer der großen Sambamusiker gewürdigt. Für die Fans der zehnsaitigen brasilianischen Mandoline ist das Spiel de Holandas sowieso unüberbietbar, und unter seinen inzwischen neunundzwanzig Alben ist Samba De Chico garantiert eines seiner besten.
Hans-Jürgen Lenhart
 M.A.K.U. SOUNDSYSTEM: Mezcla
M.A.K.U. SOUNDSYSTEM
Mezcla
makusoundsystem.com
(Glitterbeat/Indigo)
9 Tracks, 43:14 , mit engl. Infos


Kein Soundsystem, also ein DJ-Elektronik-Projekt, ist hier am Werk, sondern die Crew von acht passablen, teils singenden Spielern diverser akustischer und elektrifizierter Instrumente. Das Gros sind Kolumbianer, die 2010 in New York zusammenfanden und seither schon vier Alben veröffentlichten. Der titelgebende Mix des neuen ist musikalisch wie inhaltlich Programm: Afrobeat trifft auf verschiedenste afrokolumbianische Stile sowie auf Jazz, Punk oder Hip-Hop. Uralte und neue Verbindungen beider Amerikas zum Mutterkontinent werden auf gekonnte und zum Tanzen einladende Weise hergestellt. Die gute Laune siedelt jedoch auch stets nah am politischen Bewusstsein, das in den farbenprächtigen, temperamentvollen Songs der US-Immigranten nicht zu überhören ist. Daher wundert es bzw. ist es bedauerlich, dass man der schön gestalteten, mit wenigen Infos versehenen CD nicht noch ein kleines Booklet mit den Liedtexten beigefügt hat. Dort hätte dann zum Beispiel auch stehen können, dass „M.A.K.U.“ auf eine der vielen indigenen Gruppen Kolumbiens und „Soundsystem“ auf die sechzig Jahre alte, heute noch bzw. wieder populäre Tradition ambulanter Diskotheken, sogenannter picós, an Kolumbiens Karibikküste anspielt.
Katrin Wilke

 ALFREDO RODRIGUEZ: Tocororo
ALFREDO RODRIGUEZ
Tocororo
alfredomusic.com
(Mack Avenue MAC 1109/In-akustik)
13 Tracks, 47:35


Mit präpariertem Klavier und ohne Schlagzeug steigt der kubanische Pianist Alfredo Rodriguez ins Album ein, um dann über die kubanische Melodie loszujazzen und danach wieder in eine gewisse klassische Romantik zu verfallen. Eine Vorkost dessen, was das Konzept des Albums ausmacht: Latin Jazz mit stilistischem Crossover und experimentellem Einschlag. Außerdem liebt Rodriguez dynamisch unterschiedliche Breaks. Klassik trifft hier auf Flamenco oder Jazz, beschwörend klingende Chöre auf Klavierimprovisationen. Auch ein Calypso schleicht sich ein, trotz dessen süßlicher Melodik das beste Stück, wegen einer überzeugenden Improvisation darüber. Dann plötzlich eine Verbindung von Gesang und Trompetensolo mit indischem Einschlag. Oder ein Tango Nuevo. Dies alles klingt nach der stilübergreifenden Spielfreude, die man gerade wieder in letzter Zeit von kubanischen Musikern her kennt. Rodriguez variiert seine Kompositionen nicht allein jazzmäßig, sondern stilistisch, atmosphärisch und tempomäßig und geht damit einen eigenen Weg, in dem Jazz nur ein Teil des Ganzen ist. Hier sollen die Grenzen zu anderen Stilen und Einflüssen verschwinden. Anderen würden diese Ansätze für zehn Alben reichen.
Hans-Jürgen Lenhart



International
 SEMER ENSEMBLE: Rescued Treasure
SEMER ENSEMBLE
Rescued Treasure
piranha.de/piranha/semer_ensemble
((Piranha 2959/Indigo)
Promo-CD, 12 Tracks, 60:56


Lieder der Liebe und Eifersucht, über Krieg und die Thorah, Sozialismus und Tanz – es gibt kaum ein Thema, das der aus Wilna stammende Hirsch Lewin (1892–1958) nicht musikalisch in seinem Musiklabel Semer (hebr. für „Lied“) einbaute, das er 1932 in Berlin in die Welt rief. Sechs Jahre produzierte Lewin fieberhaft Aufnahme um Aufnahme, bis die Nazihorden am 9. November 1938 auch seine Wirkstätte stürmten und sämtliche Schallplatten und Matrizen zerstörten. Im Auftrag des Jüdischen Museum Berlin stellte Alan Bern (Brave Old World, Piano, Akkordeon) 2012 ein Ensemble profiliertester Musiker zusammen: Paul Brody (Trompete), Daniel Kahn (Akkordeon), Mark Kovnatskiy (Geige) und Martin Lillich (Basello) sowie die Vokalisten Sasha Lurje, Fabian Schnedler und Lorin Sklamberg – welcher Freund der jüdischen Musik kennt nicht diese Namen? Über drei Jahre entwickelte das Semer Ensemble sein Programm auf europaweiten Tourneen, bis sie sich im November 2015 im Studio des Gorki-Theaters in Berlin trafen, um vor Publikum live ein fantastisches Album einzuspielen – Tanz, Trauer und Freude, auf Deutsch, Jiddisch und Hebräisch. Zu schade, dass einer Promo-CD kein Booklet beigelegt wird, aus dem ggf. weitere Infos und Texte zu den einzelnen Liedern ersichtlich gewesen wären.
Matti Goldschmidt



WIEDERVERÖFFENTLICHT
 PANNACH & KUNERT: Fluche Seele Fluche
PANNACH & KUNERT
Fluche Seele Fluche
buschfunk.com
(Marktkram BF 07542/Buschfunk)
15 Tracks, 42:54


Wiederveröffentlichung des Albums von 1981, remastert und mit drei Bonustiteln. Liedermacher und Texter Gerulf Pannach und Musiker Christian Kunert von der Leipziger Kultband Renft wurden 1977 in den Westen abgeschoben. Hier entstanden die kraftvollen eigenen Songs sowie Bearbeitungen von den Rolling Stones oder dem katalanischen Sänger Raimon.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer



Bücher
 DIETER RINGLI / JOHANNES RÜHL: Die Neue Volksmusik : siebzehn Porträts u. eine Spurensuche.
DIETER RINGLI / JOHANNES RÜHL
Die Neue Volksmusik : siebzehn Porträts u. eine Spurensuche.
chronos-verlag.ch
(– Zürich : Chronos-Verl., 2015. – 359 S. + CD)
ISBN 978-3-0340-1310-9 , 34,00 EUR


Der Ländler, die Schweizer Volksmusik, stammt ursprünglich aus Österreich und Bayern. Die einen lieben ihn, die anderen verstehen ihn als Ausdruck der Ewiggestrigen und der Parteigänger, bei denen das Schweizerkreuz auf dem Parteilogo prangt. Was aber ist die Neue Volksmusik? Dieter Ringli und Johannes Rühl, beide Dozenten an der Hochschule Luzern, befassen sich seit Jahren mit dem Thema. Nicht Eingeweihte hören vor der Lektüre am besten die beiliegende CD (19 Tracks, 69:18). Die Bandbreite der neunzehn Stücke erstaunt. Sie reicht von der Jodlerin Nadja Räss, deren Ausdruck stark von der Tradition geprägt ist, über das von der Klassik beeinflusste Geigenduo Andreas Gabriel & Fabian Müller bis hin zum experimentellen Alphorn-Gesangsduo Stimmhorn. Alle Musiker schöpfen aus der Tradition der Schweizer Volksmusik. Die meisten der auf der CD präsentierten Künstler wurden für das Buch über ihre Beziehung zur Neuen Volksmusik befragt. Die so entstandenen, siebzehn mehrstündigen Interviews sind ungekürzt im Buch enthalten. Die Art und Weise, wie die Befragten die Schweizer Volksmusik schätzen gelernt haben, ist höchst unterschiedlich. In einem Belang sind sich alle einig: Das Label „Neue Volksmusik“ will niemandem richtig gefallen. Die profunden Erläuterungen der Autoren, wie und weshalb die Abgrenzung zwischen Volksmusik und Neuer Volksmusik entstanden ist, klären über die Hintergründe der Abspaltung auf. Wer die CD hört und schon mal Schweizer Ländler gehört hat, spürt sofort, wo der Unterschied liegt. Hier die starre, rückwärtsgewandte Volksmusik, dort die Neue Volksmusik, deren Interpreten bewusst Grenzen ausloten und mit ihrer Musik zu neuen Ufern aufbrechen. Anekdoten, wie etwa die Jodlerin Christine Lauterburg aus dem Jodelverband ausgeschlossen wurde, weil sie sich zur Geige statt zur vorgeschriebenen Handorgel begleitete, sagen alles. Erstaunlich ist höchstens, dass die Frau, die in den Neunzigern mit Technojodel und Fantasietrachten von sich reden machte, versuchte, sich das enge Korsett des Jodelverbandes anzuziehen.
Martin Steiner
 ALLAN F. MOORE [Hrsg.]: Legacies of Ewan MacColl : The Last Interview  / ed. by Allan F. Moore and Giovanni Vacca.
ALLAN F. MOORE [Hrsg.]
Legacies of Ewan MacColl : The Last Interview / ed. by Allan F. Moore and Giovanni Vacca.
ashgate.com
routledge.com
(– Farnham : Ashgate Publ., 2014. – XVI, 267 S. : : mit Fotos u. Notenbeisp. – (A)
ISBN 978-1-4094-2430-7 , 19,99 GBP


Es steht völlig außer Frage: Ewan MacColl war eine enorm einflussreiche Größe, was das Folkrevival im England der 50er- und 60er-, vielleicht auch noch der 70er-Jahre betrifft. In Fachkreisen besteht diesbezüglich Einigkeit. Darüber hinaus hat er etliche unvergessene Songs geschrieben, die zum Teil von weniger informierten Hörern problemlos als Teil der Tradition angesehen werden – „Manchester Rambler“, „Sixty Foot Trailer“, „Dirty Old Town“ oder der Pophit „The First Time Ever I Saw Your Face“. Unterschiedlich allerdings fällt das Urteil aus, wenn es um die Person MacColl und seine kontroversen Einstellungen geht. Zu extrem und dogmatisch waren von ihm geführte Institutionen wie der Singers Club („Du darfst nur Musik aus dem Land spielen, aus dem du kommst.“) oder die Critics Group, wo dann von Gegnern auch schon mal das Wort Gehirnwäsche fiel. In den Jahren 1987 und 1988, also ein gutes Jahr vor seinem Tod, gewährte MacColl dem damals noch ziemlich jungen italienischen Volkskundestudenten Vacca mehrere ausführliche Interviews, eine ausgesprochene Seltenheit. Nun sind diese Interviews mehr oder wenige unediert, aber kommentiert erschienen, zusammen mit einigen interessanten Aufsätzen zum Thema, davon besonders informativ „MacColl and the English Folk Revival“ von Dave Laing. Die Interviews zeigen einen MacColl, der enorm wissensreich informieren und argumentieren konnte (auch wenn er nachgewiesenermaßen ab und zu zur Übertreibung neigte) und der teilweise sicherlich ein wenig altersmilde geworden war, aber immer noch durch seine teilweise unnachgiebigen Standpunkte polarisieren konnte. MacColl erhält die Möglichkeit zu langen Monologen, besonders faktenreich über Schottlands Geschichte und Kultur. Zwischendurch gibt es auch ein paar kurzweiligere Themen wie die Frage, warum er sich den Finger ins Ohr steckt, wenn er singt (tut er gar nicht, er deckt das Ohr nur ab), oder die, warum er sich in Ewan MacColl umbenannt hat (sein Geburtsname war James Henry Miller). Für Freunde des zweiten englischen Folkrevivals.
Mike Kamp

 CHRISTOPH A. G. KLEIN: Erfolgreich im Musikbusiness für Dummies / Fachkorrektur von Armin Nöth.
CHRISTOPH A. G. KLEIN
Erfolgreich im Musikbusiness für Dummies / Fachkorrektur von Armin Nöth.
wiley-vch.de
(– Weinheim : Wiley, 2016. – 360 S. : mit zahlr. Ill.)
ISBN 978-3-527-71163-5 , 19,99 EUR


Ein Buch für diejenigen, die von ihrer Musik überzeugt sind und nicht nur einfach irgendwo auftreten wollen, sondern damit erfolgreich werden wollen. Nach Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses und der Einführung mag man sich fragen: Das ist so ein weites Feld, und das wird auf „nur“ 360 Seiten behandelt? Immerhin geht es um zahlreiche Themen: Überblick Musikbusiness, Steuer und Recht, GEMA, KSK, GVL und Versicherungen, Kreativität, Musikprofilerstellung, Marketing, Medien, Konzert & Technik, Demotapes erstellen, Plattenvertrag, Vertrieb, Merchandising, Sponsoring und Endorsement … – und das für diejenigen, die von all den Dingen keine beziehungsweise wenig Ahnung haben. Aber der Autor, dessen berufliche Biografie vom Veranstaltungskaufmann über den Master of Business Administration bis hin zur Dozententätigkeit an der Akademie Deutsche Pop reicht, zeigt, wie es geht. Er erläutert jedes Thema sehr praxisorientiert durch einen Überblick und Stichwortlisten oder mittels einer Zusammenfassung und verweist weiter auf nützliche Websites oder auf den Anhang (Musterverträge). Durch diese Vermittlungsart kann man tatsächlich viele Themen informativ und doch knapp vermitteln. Sehr hilfreich für den interessierten Leser ist, dass es in diesem Buch nicht ausschließlich um die künstlerische Gestaltung eines Erfolges geht (Teil II), sondern sogar überwiegend um all die Dinge, über die sich ein Musiker auch Gedanken machen sollte, wenn er erfolgreich werden will und gar von seiner Musik Leben will: Recht, Verwaltung, Versicherung, Marketing (Teil I, II und IV). Wer dieses Buch durcharbeitet, hat quasi seinen Businessplan als Musiker stehen und weiß, worauf es ankommt, wie er weiterkommt. Schade nur, dass der Autor trotz allem auch kein Patentrezept für Erfolg zu bieten hat und nur Möglichkeiten aufzeigen kann, was getan werden kann, wenn …!
Doris Joosten
 ERIK KRIEK: In the Pines : 5 Murder Ballads / bearb. u. ill. von Erik Kriek. Übers. aus d. Engl.: Benjamin Mildner.
ERIK KRIEK
In the Pines : 5 Murder Ballads / bearb. u. ill. von Erik Kriek. Übers. aus d. Engl.: Benjamin Mildner.
avant-verlag.de
(– o. O. : Avant-Verl., 2016. – 127 S. : übern. Ill. + CD)
ISBN 978-3-945034-37-8 , 24,95 EUR


Murder Ballads sind Moritatengeschichten aus der Pionierzeit des amerikanischen Westens, die sich besonders in Liedform über die Welt und die Jahrhunderte verbreiteten. Ob „Pretty Polly“ oder „Caleb Meyer“ – viele gelten heute als Traditionals, da sie bereits unzählige Male interpretiert wurden. Der Niederländer Erik Kriek hat fünf davon ausgewählt, um sie in Comic-Kurzgeschichten, sogenannte Graphic Short Novels umzusetzen. Er bedient sich dabei klassischer Filmschnitte und der beliebten Retro-Pulp-Ästhetik. Alle Panels sind in schwarzem Pinselduktus auf je einem pastellfarbenen Untergrund angelegt, zusammen mit dem Weiß der Seiten erzielt er damit drastische Licht-Schatten-Effekte. Krähen und dunkle Wälder gelingen ihm besonders gut. Dem Plot gibt er oft einen eigenen Dreh und lässt ihn anders und gern noch verwirrender ausgehen als im Song. „Alle Comiczeichner machen auch Musik“, meint Kriek. Musik dient Zeichnern jedenfalls gern als Inspirationsquelle, sowohl der Klang als auch die Texte. Vor zwanzig Jahren nahmen Nick Cave und Kylie Minogue ihre Hitversion von „Where The Wild Roses Grow“ auf, Erik Kriek tut dies mit seinen Freunden von der Band Bluegrass Boogiemen, die seit 1990 traditionellen Bluegrass spielen, und legt das Ergebnis dieser und der anderen In-the-Pines-Balladen dem Buch bei.
Imke Staats

Besondere
THE HOODIE CROWS
On The Wing
hoodiecrows.com
(Eigenverlag)
10+2 Tracks, 50:03 , mit engl. Texten, dt. Infos u. Fotos


Für Folkmusiker reicht es eigentlich, alte, bekannte Texte und Melodien zu Gehör zu bringen, sie müssen nicht unbedingt immer neue und eigene schreiben, singen und spielen. Und so darf es auch gar kein Manko sein, wenn ein Album mit solch altbekanntem Material einem Folkmusikjournalisten vorliegt, erst recht nicht, wenn dieses so dargebracht ist wie im vorliegenden Fall. Schon der Opener, ein Set aus dem Lied „Hot Asphalt“ und „Cooley’s Reel“, beide schon so oft gehört, reißt den Rezensenten in seinen Bann. Ein hartes Banjo, eine angehauchte Flöte, eine markante Stimme, ein treibendes Gitarrenriff, immer wieder die Flöte in kurzen Stößen dazwischen. Dann eine zweite, etwas weichere Stimme im Hintergrund und sodann plötzlich der  THE HOODIE CROWS: On The Wing Reel, vor allem mit wilden Flöten und Banjo als Melodie- und Gitarren als Akkordinstrumenten, anschließend nahtlos wieder in das Lied übergehend. Besagte weichere, zugleich tiefere und etwas hauchende Stimme singt anschließend das zweite Lied „The Road To Nowhere“, diesmal kein Traditional, sondern, wie auch noch andere, vom Eigentümer der Stimme geschrieben. Ja, da haben sich zwei gefunden, Sebastian Barwinek und Johannes Single, ein Hesse und ein Schwabe. Ersterer bekannt durch Bands wie Green Highland, Heiter bis Folkig und Fánái, Zweiterer durch The McMontos. Beide also trotz jungen Alters alte Hasen der deutschen Irish-&-Scottish-Folk-Szene, die sich mit ihren unterschiedlichen Stimmen und ihrem virtuosen, mal rockig treibenden, mal zart-filigranen Spiel auf diversen Saiteninstrumenten vorzüglich ergänzen und unterstützen. Und doch sind diese Scheibe und der volle Bandsound nicht ihr Werk alleine. Als Gastmusiker und -musikerinnen sind Michi Bohi und Christina Hummel mit zusätzlichen Stimmen, Steffen Gabriel auf besagten Flöten, die er selbst baut, und Jürgen Zimmer mit Klavier, Keyboard, Percussion und Bass dabei, und alle zusammen schufen dieses besondere Album, das in seinen komplexen Arrangements, seinen vielen Zwischentönen und Mehrstimmig- und -schichtigkeiten dem Rezensenten durch die Gänsehaut tief in die Eingeweide geht.
Michael A. Schmiedel
DEREK GRIPPER
Libraries On Fire
Promo-CD
9 Tracks
45:14
(New Cape Records, derekgripper.com)


„Wenn in Afrika ein alter Mann stirbt, dann brennt eine Bibliothek.“ Dieser Satz des malischen Schriftstellers Amadou Hampâté Bâ stand Pate für den Titel dieses in jeder Hinsicht einzigartigen Albums. Derek Gripper, Musiker aus Südafrika, ist seit 2009 damit beschäftigt, das Spiel der einundzwanzigsaitigen westafrikanischen Harfe auf sein Instrument zu übertragen, die sechssaitige klassische Gitarre. Undenkbar? Fassungslos lauscht man diesem unter einfachsten Bedingungen an einem Nachmittag eingespielten Werk. Da ersteht die Musik eines Toumani Diabaté oder Ballaké Sissoko in ihrer ganzen Farbigkeit und Pracht auf. Und beim Prozess der Kondensierung auf wenige Saiten scheint wie durch ein Wunder nichts verloren  DEREK GRIPPER: Libraries On Fire gegangen zu sein. Die Musik der Mandé wird, wie in vielen Kulturen weltweit, mündlich weitergegeben. Erst durch Aufnahmen ist so etwas wie eine „digitale Partitur“ entstanden. Gripper liest diese Scores aus und schafft derart mitreißende, lebendige Interpretationen der Werke malischer Koramusik, dass man mitunter vergisst, dass es sich um eine schlichte Nylonsaitengitarre handelt. Sein Ziel ist es, diese Musik dem westlichen Hörer und auch Musiker zugänglich zu machen. Neben den Transkriptionen einzelner Stücke bietet Gripper auch Unterricht via Skype an, denn, so viel ist schnell klar, einfach so nachspielen lässt sich das nicht. Grippers unglaublich dynamische Spieltechnik und die bestechende Leichtigkeit im Umgang mit den polyrhythmisch äußerst vertrackten musikalischen Originalen ist betörend. Dies ist bereits sein zweites Album mit malischer Koramusik nach One Night On Earth: Music From The Strings Of Mali von 2012. Gripper ist ein rastlos Forschender und Reisender in Sachen Gitarre, immer im Begriff, seinem Instrument Musik zu erschließen, die weit über den klassischen Horizont hinausgeht. Das Album schließt mit „Alfa Yaya/Anna Magdalena“, einer Widmung an die zweite Gattin des großen Johann Sebastain Bach. Musiker wie Derek Gripper sind ein Glücksfall in einer an Talenten reichen Welt.
Rolf Beydemüller

LAS HERMANAS CARONNI
Navega Mundos
lashermanascaronni.com
(Les Grands Fleuves/Broken Silence)
12 Tracks, 42:44


Musiker aus multinationalen Familien, die zudem in verschiedenen Ländern lebten, präsentieren sich auffallend oft als musikalisch unkonventionell. So auch die Musikerinnen der beiden folgenden Alben, die zudem noch das in der Weltmusik seltene Cello verbindet. Las Hermanas Caronni sind in Argentinien verwurzelte Zwillinge, die aber in Frankreich eine klassische Ausbildung erfuhren. Gianna Caronni  LAS HERMANAS CARONNI: Navega Mundos spielt Klarinette, ihre Schwester Laura Cello und Violine, beide singen zudem. Ihrer Lebensgeschichte entsprechend bewegt sich ihre Musik zwischen besinnlicher Klassik, argentinischer Folklore und Anklängen an das französische Chanson. In „La Melodie Des Choses“ erweisen sie sich als Meisterinnen der Stille. Musik, die in langsamen Schritten an einem Strand entlangzuschreiten scheint, Rauschen und Möwengeschrei inbegriffen. Die schnelleren Nummern entstammen der argentinischen Musik des Chamamé. Sie singen nicht nur auf Englisch, Spanisch und Französisch, da klingt mal Klezmer an oder gar ein Stück der Doors. Insgesamt sorgt gerade die Reduktion des Instrumentariums für eine intensive, ergreifende Atmosphäre.
Hans-Jürgen Lenhart
LEYLA McCALLA
A Day For The Hunter, A Day For The Prey
leylamccalla.com
(Jazz Village SP JV 9570116/PIAS, Rough Trade)
12 Tracks, 39:03


Genauso ungewöhnlich wirkt die ebenfalls Cello spielende Sängerin Leyla McCalla. Ihre Familie stammt aus Haiti, geboren wurde sie in New York, einen Teil der Jugend verbrachte sie in Ghana. Auch hier prägte der Lebenslauf die Musik. Da mischen sich haitianische Melodien mit Cajun, Gypsy Swing und Protestsong. Es  LEYLA McCALLA: A Day For The Hunter, A Day For The Prey entsteht ein eigenwilliger Kosmos, der irgendwo zwischen New Orleans und Haiti liegt, französische, kreolische und amerikanische Traditionen aufgreifend. Die von ihr gespielten Instrumente Cello, Tenorbanjo und Gitarre sorgen dafür, dass ihre Musik unverbraucht klingt. Der oft sehnsüchtige Gesang, der in der Intonation manchmal gar an Amy Winehouse erinnert, prägt den Charakter der Songs. Gerade ihr „Salangadou“, mit gezupftem Cello, hat eine fast sakrale Atmosphäre. Diese Art Folk braucht keine eindeutigen Wurzeln oder elektronischen Gimmicks, um innovativ zu wirken.
Hans-Jürgen Lenhart

Onlinerezensionen
JOHANNA ALBA
Silent Confirmation
johannaalba.com
(Beeline Records)
5 Tracks, 17:29


Die Mannheimerin startet ihr erstes Minialbum in Eigenproduktion. Das klingt für einen Erstling erstaunlich professionell. Jeder Song ist radiotauglich und von einer klassischen Bandbesetzung begleitet. Die Stimme erinnert ein wenig an die Rainbirds, die einzelnen Titel sind schwungvoll und gut durchdacht.

ASP
Verfallen, Folge 2: Fassaden
aspswelten.de
(Trisol Music/Soulfood)
Promo-CD, 14 Tracks, 78:42


Schnell wurde nachgelegt mit der Gothic Novel um Paul und die Spukgestalt Astoria (Folge 1 siehe Folker 1/2016). Hinter eine ganze Reihe von Fassaden wird geblickt, nicht nur die des ehemaligen Leipziger Nobelhotels. Eingängige Songs, etwas verschroben, mal folkig, mal bombastisch – sie bringen die Düsternis gut rüber. Alles, was zum ersten Teil geschrieben wurde, trifft wieder zu. Selten wurde eine Hotelruine fesselnder beschrieben.


DEL BARBER & THE NO REGRETZKYS
The Puck Drops Here
delbarber.com
(True North Records TND616)
14 Tracks, 32:17


Hier mal etwas ganz Spezielles für Hockeyfans. Del Barber & The No Regretzkys covern auf diesem Album Hockeythemen und Fanhymnen im Americana-Gewand. Es liegt in der Natur der Sache, dass man die Stücke praktisch sofort mitsingen kann, aber die Band spielt die Lieder ohne ironischen Unterton, und deswegen ist es witzig ohne Schenkelklopfen.

DEBBIE BOND
Enjoy The Ride – Shoals Session
debbiebond.com
(Blues Root Productions BRP1601/CD Baby)
Promo-CD, 11 Tracks, 45:26


Musik aus dem Nordwesten Alabamas, das ist auch im Falle der Gitarristin und Sängerin Debbie Bond eine Melange aus Blues und Soul. Legendäre Aufnahmen sind in dem als „The Shoals“ benannten Landstrich und gleichnamigen Studio entstanden, und in dieser Tradition steht auch Enjoy The Ride, mit sattem Groove, singenden Basslinien und einer Extraportion Swing.


CARLINI, DODO LEO & MARTIN
A Night At The Club
martin.dodoleo.carlini.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 49:28


Drei Singer/Songwriter haben sich, ihre virtuos gespielten Instrumente und ihre Songs zusammengetan, je vier von jedem Bandmitglied. Stilistisch unterschiedlich angesiedelt zwischen Akustikrock, Popmusik und American Roots Music, unterstützen sich drei äußerst angenehme Stimmen gegenseitig. Meist übernimmt eine den Solopart, während die Kollegen ausgefeilte Backings beisteuern. Großartig.

THE CEILI FAMILY
Ministry Of Silly Folk
ceilifamily.de
(Eigenverlag)
9 Tracks, 23:47


Westfalen singt nicht? Von wegen! Wenn auch nicht auf Platt, so doch auf Englisch singen und rocken die Hagener ordentlich ab und nennen ihren Stil „Irish Entertainment Folk ’n’ Roll“. Das ist was für Fans der Pogues und all ihrer Epigonen und dabei melodiöser als viele von ihnen. Leider kein Booklet.


DELLÉ
Neo
dellee.de
(Virgin Records)
Promo-CD, 11 Tracks, 40:46


Wie Seeed, seine musikalische Heimat, hat Dellé, einer der Frontmänner des Berliner Elfers, auch sein zweites Soloalbum Neo angelegt, auf dem er erzählt, was ihn die letzten Jahre beschäftigt hat. Reggaefundament, Dancehall-Variante, jedem verschnarchten Retrogetue abhold, also voll synthetisch modern. Nur nicht ganz so hitverdächtig wie Seeed.

ESQUELA
Canis Majoris
esquelatheband.com
(Livestock Music)
Promo-CD, 10 Tracks, 37:24


Das Quintett Esquela um Bassist und Songschreiber John „Chico“ Finn spielt auf seinem dritten Album elektrisch verstärkten Bluesrock wie auch countrylastige, akustische und teilweise aufgedreht humorvolle Songs.


GET THE CAT
Four
getthecat.de
(Dog and Bone Records)
12 Tracks, 47:44


Der deutsche Bassist Till Brandt schrieb alle Stücke für die vierte Scheibe des Quartetts aus NRW. Die Mischung aus Blues und Soul kommt der jungen Sängerin Melanie Bartsch sehr gelegen. Einen swingenden und groovenden Klangteppich legen Gitarrist Uli Brodersen und Schlagzeuger Bernd Oppel dazu.

GUY KING
Truth
guyking.net
(Delmarc Records, 843/Blind Raccoon)
15 Tracks, 70:59


Chicago Blues mit Elementen aus Soul und Jazz vereint der israelische Gitarrist, Sänger und Komponist Guy King. Viele Jahre spielte er in Memphis und Chicago; der mehrfache Grammy-Preisträger Buddy Guy lobte ihn in sehr. Bläser und Hammondorgel bereichern den Sound seiner Band. Eigenkompositionen fügen sich nahtlos neben Klassiker, unter anderem von Ray Charles und Percy Mayfield, ein.


GABY KOOF
An ming Fründe – Kölsche Chansons
gabykoof.de
(Tag 7, Tag-7-039-2, Rough Trade)
12 Tracks, 43:47


Mit hervorragenden Musikern erstklassig eingespielte Lieder von Leo Leandros über Georges Moustaki bis zu den Bläck Fööss, in Kölner Mundart gesungen von der Diseuse Gaby Koof. Eher Schlager und Karnevalslied denn Chanson. Jo, wem et jefällt …

THE O’REILLYS AND THE PADDYHATS
Seven Hearts – One Soul
paddyhats.com/de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 33:32


Irish Folkrock aus Schwelm in Westfalen. Guter, voller Bandsound, treibende, groovige Rhythmen. Sämtliche Lieder sind selbst verfasst und ihre Texte im aufwendig gestalteten Beiheft mitzulesen.


SCHRENG SCHRENG & LA LA
Echtholzstandby
schrengschrengundlala.wordpress.com
(Promo-CD, Rookie Records)
12 Tracks, 29:12


Feiner Liedermacherrock mit Themen aus dem Alltag, seien es die finanzielle Abhängigkeit von den Eltern, die vermasselte Musikerkarriere oder, wie im Titellied, die Suche nach einer Theke.

JON SPEAR BAND
Live Music Is Better – Live At The Southern
jonspearband.com
(Eigenverlag/CD Baby)
12 Tracks, 68:31


Nach Old Soul legen die vier Musiker der Jon Spear Band nun – zum Sextett erweitert – eine bluesige Rockscheibe mit Bläserunterstützung vor. Die Scheibe wurde am 27. November 2015 in der Southern Café & Music Hall in Charlottesville, Virginia, am Vorabend eines Konzerts live aufgenommen.


HARRISON STAFFORD & THE PROFESSOR CREW
One Dance
harrisonstafford.com
(Soulbeats Records/Broken Silence)
Promo-CD, 12 Tracks, 51:14


Was der kalifornische Groundation-Kopf und Torah-Gelernte mit dem Rootsreggae-Sendungsbewusstsein für ein Freak ist, kann man leicht seinem exzentrischen Gesang entnehmen – und der enormen Sogkraft, die auch sein zweites Professor-Album wieder entwickelt. Musik im Dienst von Freiheit und Gerechtigkeit – und fast schon verbiestert ernst gemeint.

SVENSON
Akkordeon Rocker
herrsvenson.de
(timezone)
14 Tracks, 47:30


Das Osnabrücker Quintett liefert einen schnellen, auch mal schrägen, mal deutschen, mal englischen Rock mit einem Akkordeon dabei, wenn auch nicht im Zentrum. Favoriten des Rezensenten: „Losziehn“ und „Back In Black“, beide mitreißend, letzteres in Southern-Rock-Manier. Deutsche Texte im Beiheft, englische nicht.


TEDDY THOMPSON & KELLY JONES
Little Windows
teddythompson.net
kellyjones.com
(Cooking Vinyl/Indigo)
Promo-CD, 10 Tracks, 25:47


Die Everly Brothers und Buddy Holly stehen als Parameter, an denen sich die beiden Singer/Songwriter bei ihrem Duodebüt orientieren. Das klappt auch klangmäßig sehr gut, ist von den Songs her allerdings nicht übermäßig aufregend, wobei nur eines der Liedchen auf 3:07 Spielzeit kommt, der Rest orientiert sich auch längenmäßig an den 1950er-Jahren.




Lange Onlinerezensionen
 EDDIE NÜNNING & FRIENDS: Songs For Quiet Nights
EDDIE NÜNNING & FRIENDS
Songs For Quiet Nights
eddienuenning.de
(Soundresort)
13 Tracks, 44:16 , mit engl. Texten u. Infos


Eddie Nünning und Freunde. Gut. Beim ersten Stück singt eine Frau. Aha, ist Eddie eine Frau? Singen kann sie. Beim zweiten Stück singt eine andere Frau. Häh? Dann war die erste gar nicht Eddie? Nein, Eddie ist einer der Gitarristen. Das sieht ja fast aus, als hätte ein Musikschullehrer zu seinen Schülerinnen gesagt: „Nun kommt mal, Elke und Sabine, ihr könnt so schön singen, das muss auf CD!“ Wie ich dem Beipackzettel entnehme, heißt zwar niemand Elke oder Sabine, aber mit meiner Grundvermutung hatte ich Recht. Ups! Kommen wir noch mal neu rein. Alle Mitwirkenden verstehen ihr Fach. Wenn Eddie der Hauptgitarrist ist, ist er sogar ein guter. Auch wenn die Stücke ein wenig zusammengewürfelt erscheinen, speziell die Instrumentalstücke sind von hoher musikalischer Qualität. Aber warum heißt das Album nur so? Ehrlicher wäre doch vielleicht gewesen: „Die Musikschule Lippstadt präsentiert ihre Besten mit Gästen.“ Die sauberste Sache wäre natürlich die Gründung einer richtigen Band. Aber das macht halt viel, viel Arbeit.
Jörg Ermisch



Kurzrezensionen
 STEINAR AADNEKVAM: Freedoms Trio
STEINAR AADNEKVAM
Freedoms Trio
steinarguitar.com
(Losen Records LOS 149-2/Eigenvertrieb)
Promo-CD, 10 Tracks, 53:02


Der norwegische Akustikgitarrist und sein Trio bestechen mit einer Mischung aus afrobrasilianischer Rhythmik, Funk, Fusion Jazz und einem Schuss Flamenco. Beeindruckend sind dabei vor allem das Unisonospiel von Gitarrist und Sänger sowie die unerwarteten Rhythmus- und Tempowechsel. Aadnekvam steht zudem über stilistischen Begrifflichkeiten.

 ACHILLES WHEEL: Devil In The Yard
ACHILLES WHEEL
Devil In The Yard
achilleswheel.com
(Achilles Wheel Records 106)
Promo-CD, 12 Songs, 65:21


Honky-Tonk, Rhythm and Blues und eine gute Prise Dylan verschmelzen Achilles Wheel auf ihrem Album zu einer flüssigen, unterhaltsamen Mischung voller Originalsongs.


 HELMUT ACHTNER: Erntedank
HELMUT ACHTNER
Erntedank
helmut-achtner.jimdo.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 48:13


Dieses Album des niederbayrischen Liedermachers begeistert in dreierlei Hinsicht. Erstens durch den durchgehend niederbairischen Dialekt, zweitens durch die hintersinnig-ironischen Texte und drittens durch die an Countrymusik orientierten Melodien. Alle Texte sind mitlesbar, aber nicht übersetzt.

 AFENGINN: Opus
AFENGINN
Opus
afenginn.com
(Westpark Music)
Do-CD, 18 Tracks 83:18


Kim Nyberg, der Hauptkomponist der dänischen Gruppe, hatte hier einmal Zeit, etwas Größeres als die üblichen Vier-Minuten-Stücke zu konzipieren. Ein Werk in vier Sätzen, jeder mit einem klanglich anderen Thema. Die beiden ersten enthalten viele Anlehnungen an die Klassik und sind mehr im üblichen Stil von Afenginn, der dritte ist orientalisch und der vierte mittelalterlich angehaucht. Man sollte sich Zeit nehmen.


 AFRO-HAITIAN EXPERIMENTAL ORCHESTRA: AHEO
AFRO-HAITIAN EXPERIMENTAL ORCHESTRA
AHEO
facebook.com/afrohaitianexperimentalorchestra
(Glitterbeat 035/Broken Silence)
Promo-CD, 8 Tracks, 42:14


Hier spielen Musiker aus Haiti und Westafrika zusammen (u. a. Tony Allen). Mehr als achttausend Kilometer liegen zwischen ihren Heimatländern, aber ihre Musikkulturen haben gemeinsame Wurzeln. Entstanden ist nicht der kleinste gemeinsame Nenner, sondern das größte gemeinsame Vielfache. Die Spiel- und Experimentierfreude der Musiker genießen nun auch die Hörer.

 TIMO ALAKOTILA: Timo Alakotila & Piano
TIMO ALAKOTILA
Timo Alakotila & Piano
timoalakotila.net
(Åkerö Records)
14 Tracks 57:44


Nachdem er jahrzehntelang andere finnische Musiker, wie etwa Maria Kalaniemi, begleitet und für sie komponiert und arrangiert hat, ist dieses Soloalbum die Erfüllung eines eigenen Wunsches. Beeinflusst von Folk, Jazz und Klassik, hat er leichte, schwebende Melodien komponiert, die von ihm auch so vorgetragen werden und die seine Musik so hörenswert machen.


 APPLEWOOD ROAD: Applewood Road
APPLEWOOD ROAD
Applewood Road
applewoodroadmusic.com
(Gearbox Records GB1531)
13 Tracks, 35:47


Drei Singer/Songwriterinnen um ein Mikro im analogen US-Studio, der Retrotrend ist ungebrochen. Emily Barker (GB, Banjo + Gitarre) sowie Amber Rubarth und Amy Speace (beide USA, Gitarre) passen in ihrem Americana-Stil und eigenen Songs stimmlich perfekt zusammen. Das kommt auf Vinyl wahrscheinlich noch authentischer rüber.

 A PRESENÇA DAS FORMIGAS: Pé De Vento
A PRESENÇA DAS FORMIGAS
Pé De Vento
apresencadasformigas.com
(CPL-Music CPL010/Broken Silence)
12 Tracks, 42:59


José Afonso vermachte mit seinem Freiheits- und Liebeslied dem Sextett aus Porto den Bandnamen und die Liebe zu Land und Leuten. Das Album ist eine akustische Reise durch Portugal. Die Musik pendelt zwischen Folk, Fado, Artrock und Jazz, tief eingebettet in die Kultur des Landes. Herausragend Sara Vidal, ehemalige Sängerin von Luar Na Lubre.


 ANDREAS ARNOLD: Ojos Cerrados
ANDREAS ARNOLD
Ojos Cerrados
andreasarnold.info
(Bayla Records/Galileo MC)
9 Tracks, 46:37


Der junge deutsche Gitarrist studierte erst Jazz, den er zugunsten des Flamenco hinter sich ließ wie vor Langem auch Deutschland. Doch nicht in der Wahlheimat New York, sondern in Spanien entstand das den frischen Wind des Flamencojazz und Nuevo Flamenco atmende Album, bei dem u. a. Paco de Lucías einstiger E-Bassist Carles Benavent, Arnolds großes Idol, mitwirkte.

 GARY & VERA ASPEY: One More Bite Of The Cherry
GARY & VERA ASPEY
One More Bite Of The Cherry
garyandveraaspey.com
(GVA Records CVACD01)
12 Tracks, 38:13


Das Ehepaar aus der Grafschaft Lancashire ist auch im zweiundvierzigsten Profijahr noch aktiv. Das aktuelle Album widmet sich mit meist selbst geschriebenen Songs und viel Lokalkolorit, den typischen Harmonien und gefälliger Instrumentierung (sechs Kollegen helfen aus) augenzwinkernden oder auch sozialen Themen. Alte Meister eben!


 BAD TEMPER JOE: Double Trouble
BAD TEMPER JOE
Double Trouble
badtemperjoe.com
(Timezone TZ1100)
Promo-CD, 10 Tracks, 35:33


Die magischen Klänge einer Lap-Steel-Gitarre, eine raue, fast brüchige Stimme, ein tiefgründiger Text erzeugen eine verloren-verwunschene Stimmung („If Tears Where Diamonds“). Neben den neun Eigenkompositionen erhält auch Willie Dixons „Spoonful“ eine neue, charakteristische Handschrift, hier unterstützt von Marcel Rahe an der Harmonika.

 GUY BATTERY: Guy Battery
GUY BATTERY
Guy Battery
guybattery.co.za
(Eigenverlag)
11 Tracks, 49:26


Ein musikalisch sehr erfrischendes und abwechslungsreiches Album hat der südafrikanische Steelstringgitarrist in einem abgeschiedenen Farmhaus in Zululand aufgenommen. Mit von der Partie sind neben illustren Gästen wie z. B. Gitarrist Will Ackerman (Windham Hill) vor allem Musikerkollegen der südafrikanischen Szene. Weltmusik vom Allerfeinsten!


 SAM BEAM & JESCA HOOP: Love Letter For Fire
SAM BEAM & JESCA HOOP
Love Letter For Fire
jescahoop.com
ironandwine.com
(Sup Pop Rec. SP1165/Cargo Records)
Promo-CD, 13 Tracks, 38:58


Sam Beam hat als Iron and Wine schon eine Menge Alben veröffentlicht und einiges an Erfolg einheimsen können. Ähnliches lässt sich über Frau Hoop sagen, die in ihren Anfangstagen tatkräftige Unterstützung von Tom Waits erhielt. Beider Stimmen und Songwriting ähneln sich, ein „perfektes Paar“. Tucker Martine hat mit seiner üblichen Akkuratesse produziert. Was will man mehr?

 DANIEL CASARES: Picassares
DANIEL CASARES
Picassares
danielcasares.com
(Green Cow Music/Karonte/Galileo MC)
10 Tracks, 51:37


Ein Picassos imposantem Gemälde „Guernica“ gewidmetes Liveprogramm warf das sechste Album des andalusischen Flamencogitarristen ab. Trotz teils flamencoferner Mitwirkender, wie Dulce Pontes aus Portugal, bleibt der Mitdreißiger traditionsnah. Sein solides Spiel lässt etwas mehr vom Wagemut und der Originalität des wie er aus Málaga stammenden Malers vermissen.


 THE CHAPIN SISTERS: Today’s Not Yesterday
THE CHAPIN SISTERS
Today’s Not Yesterday
thechapinsisters.com
(Eigenverlag LBR 06)
Promo-CD, 12 Tracks, 48:48


Seit ihrer Kindheit musizieren die beiden Schwestern aus dem Chapin-Clan zusammen und haben dabei gelernt, geradezu traumhafte Duoharmonien zu singen. Doch lässt sich schwer fassen, was die beiden auf diesem Album zusammenfügen. Traditioneller Folk ist die Basis, Jazz schleicht sich manchmal ein, und auch ein gewisser Popappeal geht den beiden nicht ab. Doch immer wieder taucht die Pedal-Steel-Gitarre auf, die klarmacht, dass sie im Country ihre Wurzeln sehen.

 KAROLINA CICHA & SHAFQAT ALI KHAN: Poland-Pakistan – Music Without Borders
KAROLINA CICHA & SHAFQAT ALI KHAN
Poland-Pakistan – Music Without Borders
karolinacicha.eu
shafqatalikhan.com
(Universal Music Polska, 4752662/Universal Music Polska)
9 Tracks, 59:31


Hier werden wirklich Grenzen überwunden, sprachlich und musikalisch. Die polnische Liedermacherin Karolina Cicha sowie der preisgekrönte klassische pakistanische Sänger Shafqat Ali Khan begeben sich auf eine hörenswerte Reise mit selbst komponierten und traditionellen Stücken. Auf Purabh, Hindhi, Urdu, Jiddisch, Polnisch und Ukrainisch demonstrieren sie mit großem Können, wie nah sich die Musiken Osteuropas und des südlichen Asiens sind.


 COBBLESTONES.: Live On Tour Vol. II
COBBLESTONES.
Live On Tour Vol. II
prosodia.de
cobblestones.de
(Prosodia)
20 Tracks, 65:25


Die Berliner Irish-Party-Folkrocker versuchen sich mit noch einem Livealbum, was gut kommt, denn die Bühne ist ihr Metier, nicht das Studio. Und irgendwie, obwohl ein Evergreen den andern jagt, unterbrochen von lustig-albernen Anmoderationen, und obwohl sie jetzt ein Schlagzeug dabei haben – diese Mucke geht gut ab und macht Spaß, ja, es ist wohl ihr beste Veröffentlichung bisher.

 GUSTAVO PAZOS CONDE: Estación Edén – Guitar Works from Uruguay II
GUSTAVO PAZOS CONDE
Estación Edén – Guitar Works from Uruguay II
gustavopazos.com
(Saphrane Records)
13 Tracks, 49:23


Musikalische Traditionen der Gauchos lässt Gitarrist und Komponist Conde auf seinem zweiten Album mit Gitarrenmusik aus Uruguay in improvisatorisch anmutenden Fantasien auferstehen. Fein ausgearbeitete Miniaturen aus einem entlegenen Teil der Welt, der der hörenden Entdeckung harrt.


 CUPPATEA: Grenzenlos
CUPPATEA
Grenzenlos
cuppatea.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 51:00


Das Duo Cuppatea aus Münster besticht nicht durch mitreißende Performance, aber mit gesellschaftskritischen Texten auf Deutsch und Englisch, in guter alter Protestliedermachermanier zur Gitarre vorgetragen. Den Botschaften der Lieder mag man auf jeden Fall zustimmen, ob es um Flüchtlingselend geht, um National- und Kapitalismus oder um Umweltverschmutzung.

 DIVERSE: Beyond Addis Vol. 2
DIVERSE
Beyond Addis Vol. 2
trikont.de
(Trikont 124712/Indigo)
14 Tracks, 55:23


Die zweite Auflage der Kompilation „Modern Ethiopian Dance Grooves inspired by Swinging Addis“. Dieser Sampler enthält allerdings weder Musik afrikanischer Musiker noch original afrikanische Musik. Trotzdem sehr empfehlenswert für alle Liebhaber des Ethio Jazz, einer Musik, die in den 70er-Jahren entstand und bis heute viele Musiker beeinflusst.


 DIVERSE: The Rough Guide To A World Of Psychedelia
DIVERSE
The Rough Guide To A World Of Psychedelia
worldmusic.net
(World Music Network RGNET910CD/Harmonia Mundi)
CD: 17 Tracks, 77:24


Randvoll mit Tracks aus den 1960/70ern, ist dieses Album nicht nur eine musikalische Welt-, sondern auch eine veritable Zeitreise. Siebenundsiebzig Minuten voll verzerrter Gitarren, Hall und Echo, rückwärts laufender Bandgeräte und quietschender Elektronik machen klar, dass Syd Barrett und Sergeant Pepper ihr Unwesen nicht nur in Europa und Nordamerika getrieben haben.

 DZOUGA!: Enfachinaires
DZOUGA!
Enfachinaires
(AEPEM 16-01)
15 Tracks, 48:18


Laurence Dupré und Olivier Wely bilden zusammen das Duo Dzouga! (mit Ausrufezeichen). Sie spielen beide Geige und interpretieren traditionelle Musik aus der Auvergne und dem Limousin. Auch ein paar Eigenkompositionen sind dabei. Das ohne Begleitmusiker aufgenommene Album klingt spartanisch, die Arrangements sind aber moderner, als der erste Eindruck vermuten lässt.


 THE ELEPHANT SESSIONS: The Elusive Highland Beauty
THE ELEPHANT SESSIONS
The Elusive Highland Beauty
elephantsesssions.com
(The Elephant Sessions Records CDTES001)
9 Tracks, 42:02


Interessant, so geht’s natürlich auch: Mandolinist und Fiddler spielen nicht nur die Melodieinstrumente, sie schreiben auch alle Folktunes. Dazu kommen Bass, Schlagzeug und Gitarre (teils heavy wie Metal) plus Synthie und Piano, und fertig ist die aktuell angesagteste Folkband aus den Highlands. Gesungen wird hier allerdings trotz zweimal Vox leider nicht.

 ELIJAH: Eat Ripe Fruit
ELIJAH
Eat Ripe Fruit
elijah.ch
(One Camp OC-003/Soulfire Artists/Groove Attack)
13 Tracks, 49:46, plus Downloadcode für Special Edition inkl. Dub-Ripe-Fruit-Dub


Erstaunlich kraftvollen Rootsreggae, mal elektrisch schwer, mal eher akustisch leicht, hat der Neunundzwanzigjährige mit Raging Fyah aus Jamaica für seinen Zweitling eingespielt. Und zusätzlich zu seiner Stimmigkeit hat Eat Ripe Fruit noch eine Art Alleinstellungsmerkmal im abgefahrenen Schwyzerdütsch des Italo-Schweiz-Norwegers – Exotik einmal andersherum.


 EMERSOUND: Música Própria
EMERSOUND
Música Própria
emersound.net
(Flowfish Records FF0080/Broken Silence)
14 Tracks, 48:49


Der Brasilianer Emersound gehört zu den Sängern, die auf eine sehr zeitgemäße Mischung aus Hip-Hop, Reggae, Rock und afrobrasilianischen Rhythmen setzen. Vom Samba her kommen allerdings seine melodischen Stärken. Mal arrangiert er mit programmierten Rhythmen, mal mit Band, Chor, Bläsern. Seine vier deutschen Titel sind musikalisch gar seine besten.

 ERLEDANZ: Sinnreich
ERLEDANZ
Sinnreich
deutschfolk.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 43:17


Henrike und Klaus Eckhard zelebrieren auf Cister, Mandola, Streichpsalter, Flöten und Glockenspiel sowie Akkordeon und Kontrabass zu schönen Arrangements deutsche Volkslieder, die man nicht schon x-mal in ähnlicher Form gehört hat. Verfeinert werden die Lieder durch angehängte traditionelle Instrumentalstücke aus Schweden, Galizien, Finnland und der Bretagne. Leider überzeugt der Gesang nicht immer.


 FEI SCHO: Aussegrasn
FEI SCHO
Aussegrasn
fei-scho.de
(Galileo MC GMC067)
15 Tracks, 65:14


Die Bayern wechseln auf ihrem vierten Album munter zwischen ambitioniertem, griffigem Lied, Polkas und dergleichen sowie relativ freien Meditationen. Über reichlich Lokalkolorit verfügt das Quartett schon qua alpenländischer Instrumente – Akkordeon, Bläser – und Dialekt, gekontert mit der Elektrischen und dem Jazzbass aber auch über Weltläufigkeit.

 THE FELICE BROTHERS: Life In The Dark
THE FELICE BROTHERS
Life In The Dark
thefelicebrothers.com
(Yep Roc/H’Art, YEP-2476)
Promo-CD, 9 Tracks, 40:08


The Felice Brothers aus Upstate New York mit neun Stücken in traditionellem Singer/Songwriter-Gewand. Begleitet von Gitarre, Akkordeon, Fiddle und Kontrabass, wirft Ian Felice in den Texten einen zynischen und gleichzeitig liebevollen Blick auf ein kompliziertes und geteiltes Amerika, in der Tradition von John Prine, Shane MacGowan und Michael Hurley.


 FLOCKEN: Altona
FLOCKEN
Altona
flocken.in
(Kakafon CD 024/Naxos)
10 Tracks, 46:31


Nach vier Jahren stellt das schwedische Quartett mit Fredrik Brändström (Akkordeon), Ida Gillner (Sopransaxofon), Donovan von Martens (Bass) und Anna Lund (Schlagzeug) als Resultat intensiver Touren sein Debütalbum vor. Schwedischer Folk, Balkan und Klezmer mit Jazzeinlagen bilden eine absolut hörenswerte Mixtur.

 GIULIANO GABRIELE: Madre – The Hypnotic Dance’s Time
GIULIANO GABRIELE
Madre – The Hypnotic Dance’s Time
giulianogabriele.it
(Company ICWM1501)
11 Tracks, 42:12


Auf Madre, seinem zweiten Album, integriert der Organettospieler und Sänger aus dem Lazio die Rhythmen Süditaliens in seinen hochenergetischen Mix aus neotraditionellem, pulsierendem Folk und Indierock. Mit Viola, elektrischer Gitarre, Tamorratrommeln, Schlagzeug, Bass und dem dringlichen Gesang Gabrieles entsteht eine fesselnde Musik zum Abtanzen.


 HALDEN-MUSIC: Ain’t No Trouble To Me
HALDEN-MUSIC
Ain’t No Trouble To Me
halden-music.de
(Eigenproduktion)
17 Tracks, 58:26


Fünf reifere Jungs aus dem Ruhrgebiet packen im Schatten der Halde ihre Bluegrassinstrumente aus und spielen Traditionals wie „Angela The Baker“, Evergreens wie „Over The Rainbow“ und Selbstkomponiertes wie den „Halden Waltz“. Das klingt eher bieder, und das Englisch des Sängers kommt ohne „th“ aus. Live mag es aber trotzdem Spaß machen.

 BUCKY HALKER: Anywhere But Utah – Songs Of Joe Hill
BUCKY HALKER
Anywhere But Utah – Songs Of Joe Hill
buckyhalker.com
(Revolting Records)
21 Tracks, 73:12


Americana-Revue mit fünf gesprochenen Zeitzeugenaufnahmen und sechzehn Liedern (viele bislang nie aufgenommen) beleuchten das Leben und die Musik des Gewerkschaftsaktivisten, Sängers und Liedermachers Joe Hill. Aufgenommen mit einer Riege erstklassiger Studiomusiker, ist das Album musikalisch zwischen Vaudeville Music Hall, Kirchenhymne, Folk und Country angesiedelt und mit erhellenden Linernotes ausgestattet. Exzellent!


 ALDOUS HARDING: Aldous Harding
ALDOUS HARDING
Aldous Harding
facebook.com/AldousHarding
(Littleton Records/Woo Me, Indigo)
9 Tracks, 46:57


Die Zweite der Neuseeländerin ist tief, melancholisch und schön, im Vergleich zur ersten aber weniger „Gothic Folk“ und in den Texten, die Gedanken um Liebe, Einsamkeit und Tod umsetzen, zugänglicher. Wunderschöne Traurigkeit wird nuanciert mit etwas Verspieltheit. Der Ausdruck liegt zwischen Emmylou Harris und Jonna Newsom. Einmal singt die Säge dazu.

 THE HARPOONIST & THE AXE MURDERER: A Real Fine Mess
THE HARPOONIST & THE AXE MURDERER
A Real Fine Mess
harpoonistaxemurderer.com
(Tonic Records/Rough Trade Ham004)
14 Tracks, 48:24


Der Sänger und Mundharmonikaspieler Shawn Hall und der Produzent, Gitarrist, Bassist und Schlagzeuger Matthew Rogers bilden dieses Duo mit dem besonderen Namen, das 2008 sein Debütalbum vorlegte. Unterstützt von acht Gastmusikern, zünden sie hier ein Feuerwerk nach dem anderen. Folk, Blues und Jazz bringen die Multiinstrumentalisten und Songschreiber auf den Punkt.


 HISZTORY: Der kleinen Leute Lied
HISZTORY
Der kleinen Leute Lied
hisztory.blogsport.de
(Tonfall)
16 Tracks, 73:06


Der junge Leipziger Straßenmusiker Hisztory – mit bürgerlichem Namen David Meißner – gilt noch als Geheimtipp. In seinen ungewöhnlichen Liedern erzählt er mit einprägsamer Stimme kleine Geschichten aus dem Alltag, über Punks, Trinkkumpane und Kieztypen, Hooliganliebe und Proletarierfrühstück und bringt eine ganz spezielle Version von „Trotz alledem“.

 HORNSMAN COYOTE & SOULCRAFT: Safe Planet
HORNSMAN COYOTE & SOULCRAFT
Safe Planet
facebook.com/hornsmancoyote
(Ammonite Records CD043/PDV Records PDV013/Galileo Music)
10 Tracks, 47:06


Es ist kein Zufall, dass der vierzigjährige serbische Posaunist Nemanja „Hornsman Coyote“ Kojic inzwischen Max Romeo oder Lee „Scratch“ Perry zur Seite steht – er singt und spielt auf seinem sechsten Hornsman-Coyote-Album einen derart hypnotischen, schnörkellosen Rootsreggae, dass auch die jamaikanischen Gründerväter ihn nicht wuchtiger hinbekommen.


 HUSSY HICKS: Lucky Joe’s Wine And Other Tales From Dog River
HUSSY HICKS
Lucky Joe’s Wine And Other Tales From Dog River
hussyhicks.com
(Funk Fauna HH07)
7 Tracks, 27:18


Das Duoprojekt der beiden australischen Musikerinnen Julz Parker und Leesa Gentz zeichnet sich aus durch bemerkenswerte Gesangsstimmen, prägnante Songs und die stringente Produktion von Rick Hirsch. Das alles ließe sich unter das Etikett „sphärische Countrymusik“ fassen, exzellent gespielt, seien es Balladen oder Bluegrassiges.

 THOMAS HINE: Some Notion Or Novelty
THOMAS HINE
Some Notion Or Novelty
facebook.com/thomashinepage
(Eigenverlag THM 1602)
13 Tracks, 56:19


Intelligente, poetische Texte, herzergreifende Melodien, gesungen von einer höchst angenehmen Stimme. Viele Instrumente wurden von Singer/Songwriter Thomas Hine selbst eingespielt, neben Gitarren erklingen Piano, Bass, Schlagzeug, Harmonium, Cello, Mandoline, Whistles, Geige, Keyboard. Hinzu kommen exquisite Gastmusiker (Gesang, Slidegitarre, Trompete). Eine echte Entdeckung.


 DAVE INSLEY: Just The Way I Am
DAVE INSLEY
Just The Way I Am
daveinsley.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 12 Tracks, 44:21


Der humorvolle Songschreiber Dave Insley präsentiert sich ganz so, wie er ist. Country, Folk und Tex-Mex vermischt der Musiker aus Arizona zu einem professionell arrangierten Album voller Mid-Tempo-Songs, die auch für die eine oder andere sentimentale Ballade Platz lassen.

 SOFIA JANNOK: Orda –This Is My Land
SOFIA JANNOK
Orda –This Is My Land
sofiajannok.com
(Gamlestans Grammofonbolgag)
15 Tracks, 50:50


Die schwedisch-samische Sängerin und Liedschreiberin bekam schon 2003 einen Sami Grand Prix. Sie singt meist auf Samisch, auch um für die samische Minderheit einzutreten. In ihren Kompositionen und Arrangements setzt sie Electronic- und Indiepop-Elemente ein, die sie mit Folkklängen und Joikgesang verbindet. Texte in englischer Übersetzung liegen bei.


 JUMPER & PREUSS: Vom unbekanntesten Liedermacher der Welt
JUMPER & PREUSS
Vom unbekanntesten Liedermacher der Welt
jumperundpreuss.de
(Rockemüller Records)
12 Tracks, 43:14


Nach über zwei Jahrzehnten greift Gert „Preuß“ Nitschke mit dem Straubinger Multiinstrumentalisten Roland „Jumper“ Fleischhacker noch einmal den Rockemüller-Liedermacherfaden auf, den er nach der Wende auf dem Weg nach Niederbayern in Weißwasser hat fallen lassen. Manchmal etwas holprig, aber ausgesprochen lebendig – und ungeheuer charmant!

 MOR KARBASI: Ojos De Novia
MOR KARBASI
Ojos De Novia
morkarbasi.com
(Mintaka Music, ALAMA 005/Mintaka Music)
13 Tracks, 46:06


Beeindruckendes viertes Album der israelischen Liedermacherin. Auf Ojos De Novia („Die Augen der Braut“) vereint Karbasi ihre jüdischen, marokkanischen und persischen Wurzeln in dreizehn neuen Liedern. Im Mittelpunkt der hervorragend arrangierten und eingespielten Stücke steht die ausdrucksstarke Stimme der in London lebenden Sängerin, die vor allem in Ladino, der Sprache ihrer sephardischen Familientradition singt.


 JOHANNES KIRCHBERG: Wie früher. Nur besser.
JOHANNES KIRCHBERG
Wie früher. Nur besser.
johannes-kirchberg.de
(Dermenschistgut Musik/Broken Silence)
13 Tracks, 50:06


Flotte Lieder für Menschen, die schon ein paar Gebrauchsspuren und die Eindeutigkeiten im Leben hinter sich haben und mit Widersprüchen ihr Leben gestalten. Der gebürtige Vogtländer findet dafür eingängige Melodien und singt mit Augenzwinkern. Für die originellen Texte zeichnet Tom Reichel verantwortlich.

 LA FRONTERA: Mistral
LA FRONTERA
Mistral
lafrontera.it
(Felmay fy8223)
10 Tracks, 46:59


Das französisch-italienische Ensemble hat sich dem Flamenco Nuevo verschrieben. In „Mistral“, dem französisch gesungenen Titelstück, weht Musetteluft in den jazzig klassischen Klangkosmos des Quartetts. Mit Akkordeon, Violine, Flamencogitarre und Percussion schaffen sie in den meist instrumentalen Stücken ihr ganz eigenes Andalusien.


 GURVAN LIARD: Dounia
GURVAN LIARD
Dounia
gurvanliard.com
(Coop Breizh CD GL01/DB12)
12 Tracks, 52:53


Definitiv kein Bal-Folk-Repertoire, sondern neue Kompositionen für elektroakustische Drehleier, verfeinert mit Computersoundeffekten. Sehr geschmackvolle Arrangements mit Guimbarde, Akkordeon, Gitarre, Saz, Kontrabass, Percussion und Gesang. Die Melodien sind von musikalischen Einflüssen aus Afrika, der Türkei und Bulgarien geprägt. Absolute Empfehlung für Fans moderner Drehleiermusik.

 CLAUDIA MALUENDA & CANCIÓN LADORÉ: Sentimiento – Protesta Y Amor/Latinoamérica, Mon Amour … Vol. III
CLAUDIA MALUENDA & CANCIÓN LADORÉ
Sentimiento – Protesta Y Amor/Latinoamérica, Mon Amour … Vol. III
claudiamaluenda.de
ladore.de
(Ladoré Arts/Eigenvertrieb)
Promo-CD, 10 Tracks, 36:21


Die in Berlin lebende chilenische Sängerin und Tänzerin singt Lieder aus der Zeit, in der sie vor dem Pinochet-Regime aus Chile flüchtete. Dabei will sie die Stücke mit chansonähnlichen Arrangements und deutscher Übersetzung im Booklet einem heutigen Publikum zugänglich machen. Lieder gegen das Vergessen mit einer Methode, die gelingen kann.


 JUNIUS MEYVANT: Floating Harmonies
JUNIUS MEYVANT
Floating Harmonies
juniusmeyvant.com
(Record Records RECD049/Cargo Records)
Promo-CD, 12 Tracks, 53:04


Die Welle der Indiefolkbands reißt nicht ab. Das ist nichts Schlechtes, denn im Spannungsfeld zwischen verschrobenen Songschreibern und Folktüfteleien sind noch manche Perlen zu entdecken. Junius Meyvant zum Beispiel, die es immerhin bereits aufs Roskilde-Festival schafften. Musikalisch für Freunde von Mumford & Sons eine sichere Bank.

 DARIO MUCI: Barbería E Canti Del Salento, Vol. II
DARIO MUCI
Barbería E Canti Del Salento, Vol. II
dariomuci.net
(Anima Mundi)
CD: 10 Tracks, 36:52, DVD: 25:09


Der Friseursalon Süditaliens war bis in die Fünfziger auch ein Kulturort. Nach getaner Arbeit gaben die Barbiere der Kundschaft ihre Mandolinenkünste zum Besten, Mendelssohn für die Bürger, Volksmusik für das Volk. Der Salentiner Sänger Dario Muci reiste zu Antonio Calsolaro, Sohn eines Barbiers, und spielte mit ihm ein wunderschönes Album ein. Lustvolle Feldforschung.


 MUERDO: Viento Sur
MUERDO
Viento Sur
muerdoautor.com
(Kasba Music/Galileo MC)
13 Tracks, 51:55


Der junge Singer/Songwriter aus dem südspanischen Murcia erweist sich auch auf seinem dritten Album als weitläufiger, vor allem gen Lateinamerika orientierter Liedpoet. Der Straßenmusikeresprit ist weiterhin spürbar bei dem Barden mit der charismatischen, gefühlsintensiven Stimme, den die einstige Mestizo-Frontfrau Amparo Sánchez in seinem Tun ermutigte und unterstützte.

 DAVID MUNYON: Clark
DAVID MUNYON
Clark
davidmunyon.de
(Mobile Home Records MHR009)
10 Tracks, 54:22


Die Stimme des Raubeins fasziniert auch noch auf seinem einundzwanzigsten Album. Der ehemalige Glitterhouse-Star finanzierte sein neues Album via Crowdfunding, ein Hinweis auf die immer noch vorhandene Beliebtheit des Künstlers in Europa. Auf Clark wirkt Munyon, nur begleitet von seiner Gitarre, noch spröder, noch intimer. Er singt auf seiner Veranda, und wir Nachbarn halten beim Rasenmähen inne und lauschen.


 THE MYSTIX: Live – Rhythm And Roots
THE MYSTIX
Live – Rhythm And Roots
themystix.com
(Eigenverlag/CD Baby)
15 Tracks, 75:25


Americana, Blues und Country sind hier die Zutaten, und die sechs Musiker beeindrucken mit einer abwechslungsreichen, nach vorne treibenden Mixtur dieser Stile. Das tolle Zusammenspiel von Kontrabass, Fiddle und Harmonika, dazu Jo Lilys Reibeisenstimme und die lebhaft eingefangene Liveatmosphäre rechtfertigen den Begriff der „Roots Supergroup“.

 NAHKO AND MEDICINE: FOR THE PEOPLE Hoka
NAHKO AND MEDICINE
FOR THE PEOPLE Hoka
nahko.com
(Side One Dummy Records)
Promo-CD, 19 Tracks, 78:46


Hoka ist der Sioux-Aufruf, um eine Sache zu beginnen, und für Nahko, den Singer/Songwriter aus Oregon die Aufforderung, seinen Texten Taten folge zu lassen. Drei Jahre nach dem letzten Album Dark As Night ist das Bestreben, die Menschheit zu heilen, stark in den Vordergrund gerückt. Mit Band und Alternative Folk im Rücken ist er im August auf Europatour.


 RAUNO NIEMINEN/TIMO VÄÄNÄNEN: Ontrei
RAUNO NIEMINEN/TIMO VÄÄNÄNEN
Ontrei
raunonieminen.com
timo.maanite.fi
ontrei.maanite.fi
(Nordic Notes, NN073)
12 Tracks, 50:26


Reines Instrumentalalbum, der Titel erinnert an einen bedeutenden Kalevala-Sänger aus dem 19. Jahrhundert. Wir hören allerlei Kanteleversionen, mit langsamen und schnellen Melodien, manchmal wie Blues, manchmal wie Walzer, absolut hinreißend.

 ORCHESTRA BAILAM: Taverne, Café Amán E Tekés
ORCHESTRA BAILAM
Taverne, Café Amán E Tekés
felmay.it
orchestrabailam.net
(Felmay Records)
11 Tracks, 44:48


Das Orchestra Bailam ist in Piemont zu Hause, ihre Musik aber viel weiter südöstlich, nämlich im östlichen Mittelmeerraum. Auf diesem Album spielen sie Unterhaltungsmusik arabischer, griechischer, türkischer und anderer „nahöstlicher“ Provenienz, wie sie im 8./9. Jahrhundert in Tavernen und Kaffeehäusern gespielt wurde. Eine feine, rhythmische und melodiöse Musik.


 BILL PRICE: Can’t Stop Looking At The Sky
BILL PRICE
Can’t Stop Looking At The Sky
billprice.info
(Eigenverlag)
Promo-Doppel-CD, 33 Tracks, 143 Min.


Bill Price ist ein klassischer Songschreiber im Stile eines Bruce Cockburn, der seine Songs aufwendig arrangiert hat. Erst spät in seinem Leben entschied sich Price 2001, sein erstes Album zu veröffentlichen. Das spiegelt sich in seinen reifen Songs wider, die ansonsten von Bob Dylan und dessen Quellen inspiriert sind.

 REBECCA PRONSKY: Known Objects
REBECCA PRONSKY
Known Objects
rebeccapronsky.com
(Acme Hall Studios AHR 010)
Promo-CD, 10 Tracks, 39:18


Erst im Alter von sechzehn Jahren hat Rebecca Pronsky begonnen, die Gitarre zu spielen, dies allerdings unter der Anleitung von Lucy Wainwright Roche. Schnell ist sie darüber zu einer Songschreiberin „in her own right“ geworden. Ihr fünftes Album ist voller Kleinode, akustische Gitarre oder Mandoline dominieren das Klangbild, und ihre Stimme ist kraftvoll und eigensinnig.


 HUGO RACE FATALISTS: 24 Hours To Nowhere
HUGO RACE FATALISTS
24 Hours To Nowhere
hugoracemusic.com
(Glitterhouse GRCD 878, Indigo)
10 Tracks, 40:43


Hugo Race, Gründungsmitglied der Bad Seeds, ist bekannt für seine Soundgemälde aus Folk, Blues, Electro und Rock. Die Stücke sind dunkel und melancholisch, die Produktion warm und analog. Es dauerte ein Jahr, das Album zu schreiben, aber nur eine Woche, es zusammen mit Sabri Court (aka Fatalist) aufzunehmen. Und das persönlichste Album ist es auch noch geworden.

 PUHTI: Komia
PUHTI
Komia
puhti.eu
(Nordic Notes NNO 76)
12 Tracks, 40:20


Zwei Finninnen mit Gesang vom Feinsten. Es geht langsam los, manchmal sehr melancholisch, auch ein bisschen russisch oder noch weiter östlich klingt es bisweilen. Dann gibt es wieder schnelle, dramatische Lieder – und im Hintergrund ein wunderbares Akkordeon. Macht Lust auf viel mehr von den beiden Damen – und vor allem darauf, sie live zu erleben.


 RYDVALL MJELVA: Vårdroppar
RYDVALL MJELVA
Vårdroppar
rydvallmjelva.com
(Heilo/Grappa)
15 Tracks, 46:19


Der Schwede Erik Rydvall (Nyckelharpa, beim Trio Nordic) und der Norweger Olav L. Mjelva (Hardingfele, bei Nordic Fiddlers Bloc) spielen auch auf ihrem zweiten Album selbst arrangierte traditionelle Musik aus beiden Ländern und ein paar eigene Stücke. Ein reiner Klang, dramatisiert durch die Aufnahme in einer Kirche. Erklärende Texte auch auf Englisch.

 THOMAS SCHLEIKEN: Echoes
THOMAS SCHLEIKEN
Echoes
schleiken.de
(Blind Lemon Records BLR-CD 1601)
15 Tracks, 59:38


Akustische Gitarre, meisterhaft im Piedmont-Stil gespielt, begleitet von Violine (Regina Mudrich) und Harmonika (Thomas Freund) – ein feines, ruhiges Album ist Thomas Schleiken hier gelungen. Tief verwurzelt im akustischen Blues, einige Randgebiete streifend und mit einem fast zärtlichen Timbre in der rauen Stimme, lädt die Musik zum „Gedankenwandern“ ein.


 MARKUS SCHLESINGER: Use Your Wings
MARKUS SCHLESINGER
Use Your Wings
fingerpicking.at
(Vienna2day)
10 Tracks, 32:49


Unaufgeregtes Fingerstylealbum des Wiener Musikers, der maßgeblich an der Organisation und Entwicklung der österreichischen Akustikgitarrenmusikszene beteiligt ist. Kleine, feine Instrumentalstücke ohne virtuosen Schnickschnack – das mit dem Singen („Let My People Go“) bedarf allerdings eindeutig noch der Übung.

 DARIOUSH SHIRVANI: From Light To Love
DARIOUSH SHIRVANI
From Light To Love
shirvani.de
(Mithras Music 010215)
14 Tracks, 62:47


Der gebürtige Iraner ist ein Multitalent, Komponist, Musiker, Maler, Schauspieler und Regisseur (Schattenmenschen, 2014). Auf seinem aktuellen Album finden wir Solo- und Ensemblestücke für Violine und die persische Santur. Während die Ensemblestücke zumeist Filmmusikcharakter ausstrahlen, sind die Solostücke eher klassisch-streng angelegt.


 SLIM CHANCE: On The Move
SLIM CHANCE
On The Move
slim-chance.co.uk
(Fishpool Records FSHACD002)
11 Tracks, 38:19


Wie schön, dass es Ronnie Lanes alte Band immer noch gibt. Und sie singen auch noch einige von Lanes Songs. Englische Americana und Cajun in alter Zirkuszeltatmosphäre, alles völlig entspannt, eine Ansammlung von Veteranen, die niemandem nichts mehr beweisen müssen und gerade deshalb so souverän agieren. Klingt wie beste Spaßmusik.

 PEDRO SOLER & GASPAR CLAUS: Al Viento
PEDRO SOLER & GASPAR CLAUS
Al Viento
infine-music.com/artist/23/pedro-soler-gaspar-claus
(Infiné/Rough Trade)
8 Tracks, 57:58


Fünf Jahre nach dem ersten Vater-Sohn-Coup legen der Flamencogitarrist und der Cellist eine ähnlich beeindruckende, diesmal in Island entstandene Duoaufnahme vor. Die spannungsreiche Intimität von Solers unbeirrt orthodoxem Spiel und den teils verstörenden Celloklängen wird nur einmal, im längsten Track, „gestört“ von Sänger Matt Elliot und Serge Teyssot-Gay, einst Gitarrist bei Noir Désir.


 SPICEWOOD SEVEN: Still Mad
SPICEWOOD SEVEN
Still Mad
phoebeclaire.net
(Phoebe Claire Publishing PCP 101215)
12 Tracks, 40:25


Gelegentlich trommeln die beiden Songschreiber Tommy Spurlock und Luke Powers ein paar Kumpels zusammen und nehmen in Nashville auf, Stücke zwischen Country und Rock, in denen überall bitterer Humor lauert, was Songtitel wie „Everything Is Great“ schon andeuten. Wer James McMurtry oder Steve Earle mag, wird auch diese Band gern hören.

 SVÄNG: Sväng Plays Sibelius
SVÄNG
Sväng Plays Sibelius
svang.fi
(Jumi 1009)
10 Tracks, 46:25


Das finnische Mundharmonikaquartett widmet sich – nach Chopin – nun einem anderen klassischen Komponisten, dem Finnen Jean Sibelius. Dieser hat sich immer der finnischen Volksmusik verpflichtet gefühlt. Sväng zeigen hier sehr schmissig, wie folkig und wie wenig angestaubt diese Klassik klingt.


 JASMIN TABATABAI: Was sagt man zu den Menschen wenn man traurig ist?
JASMIN TABATABAI
Was sagt man zu den Menschen wenn man traurig ist?
jasmin-tabatabai.com
(Jadavi Records/Galileo Music)
14 Tracks, 69:30


Sehr unterschiedliche Lieder von Brecht, Tucholsky, Kreisler und Reinhard Mey, von den Puhdys und Michel Sardou sowie mehrere eigene Songs und ein persisches Volkslied bilden eine abwechslungsreiche Mixtur, die jazzig arrangiert von der vielseitigen, iranischstämmigen Schauspielerin, Autorin und Sängerin eindrucksvoll und auf ganz eigene Art dargebracht werden.

 VAHAGNI: Imagined Frequencies
VAHAGNI
Imagined Frequencies
vahagni.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 42:34


Armenische Flamencomusik? Zumindest so etwas Ähnliches. Flamencogitarrist Vahagni legt ein erstaunliches Debüt-Crossover-Werk mit zahlreichen Vertretern der armenischen Folk-/Jazzszene vor (u. a. Arto Tunçboyaciyan und Tigran Hamasyan). Das Album strotzt vor Ideen und Überraschungen und lebt von seinem eigentümlichen, länderübergreifenden Spagat.


 ANTOINE VILLOUTREIX: Paris Berlin
ANTOINE VILLOUTREIX
Paris Berlin
villoutreix.com
(Sungroove/Soulfood)
12 Tracks, 40:02


Der Pariser Antoine Villoutreix wohnt seit einigen Jahren in Berlin. Er ist Chansonnier und Liedermacher, er singt auf Französisch und Deutsch. Seine Lieder über die Stadt und die Liebe sind mal melancholisch, mal beswingt, meist beides.

 JENNY WEISGERBER: Ashes To Stardust
JENNY WEISGERBER
Ashes To Stardust
jennyweisgerber.com
(Record Jet/Soulfood)
14 Tracks, 62:53


Ihr Debüt verglich die Presse mit so ziemlich jeder Sängerin, die eine Gitarre halten konnte. Dabei lohnt es sich, die zerbrechliche und gleichzeitig kraftvolle Stimme der Künstlerin selbst kennenzulernen. Eine Chance bietet ihr zweites Album Ashes To Stardust, welches mit wunderschöner Gitarren- und Klavierbegleitung und außergewöhnlichem Songmaterial zu begeistern weiß.


 WEST MY FRIEND: Quiet Hum
WEST MY FRIEND
Quiet Hum
westmyfriend.com
(Grammar Fight Records)
13 Tracks, 47:45


„I don’t want to write a song today“, singt die klare Stimme Eden Olivers zu Beginn dieser Sammlung in sich stimmiger Songs, die alle so intelligent wie angenehm erdacht und arrangiert sind. Das kanadische Quartett changiert zwischen den Sounds des Old-Time und dynamischen Popklängen, produziert durch Mandoline, Akkordeon, Gitarre und Bass – und viel Stimme.

 WILD PONIES: Radiant
WILD PONIES
Radiant
wildponies.net
(No Evil Records/Proper Music)
Promo-CD, 11 Tracks, 40:19


Wild Ponies sind keine Band im traditionellen Sinne, sondern bestehen in erster Linie aus dem Ehepaar Trisha und Doug Williams, die tief im Country & Western verwurzelt sind. Mit zwei Mitstreitern an Bass und Schlagzeug bietet dieses Album elf Stücke aus eigener Feder, von zwei Performern, die schon ihr halbes Leben auf der Bühne stehen und mit jeder Note zu überzeugen wissen.


 KIP WINTER & DAVE WILSON: Ashes & Dust
KIP WINTER & DAVE WILSON
Ashes & Dust
winterwilson.com
(Eigenverlag WWCD008)
13 Tracks, 48:11


Manchmal passen nicht nur Namen, sondern auch Stimmen wunderbar zusammen, wie bei Frau Winter (Schottland) und Herrn Wilson (England). Mit zahlreichen Instrumenten und teils subtil-politischen Eigenkompositionen weben sie auf ihrem siebten Album einen bodenständigen Teppich mit dezenten Americana-Tupfern. Zweimal im Jahr auch bei uns unterwegs.

 SANDY WOLFRUM: Fairness
SANDY WOLFRUM
Fairness
sandywolfrum.de
(Intraton)
16 Tracks, 71:38


„Der erste Eindruck hat es schwer.“ Der Bayreuther Liedermacher hat schon eine ganz eigene bis eigenartige Art des Singens, „Mit einem kleinen Fehler dann und wann“, mal das Versmaß missachtend, mal den Ton knapp verfehlend. Indes, das ist Programm und unterstreicht die Botschaft seiner Lieder: Menschen sind in ihrer Unvollkommenheit sympathisch und Würdeträger.


 SCOTT WOOD BAND: Upsurge
SCOTT WOOD BAND
Upsurge
scottwoodband.com
(Oak Ridge Records ORR01CD)
11 Tracks, 48:17


Wood ist ein enorm talentierter junger schottischer Piper, der mit Begleitung von Bass, Schlagzeug, Gitarren und der Fiddlerin Mhairi Mackinnon einen optimalen Sound zaubert. Mal geradeaus rockend, mal rhythmisch vertrackt, mal verträumt dahinplätschernd, meist selbst geschrieben. Nur das mit den fünfmal Vocals verwirrt. Die singen nicht, die summen nur laut!

 EMA YAZURLO & QUILOMBO SONORO: Ema Yazurlo & Quilombo Sonoro
EMA YAZURLO & QUILOMBO SONORO
Ema Yazurlo & Quilombo Sonoro
emayazurlo.bandcamp.com
(Agualoca Records/Indigo)
Promo-CD, 11 Tracks, 53:39


Der Sänger und Charangospieler aus Argentinien spielt fröhliche Melodien zum Mitsingen, oft versetzt mit Akkordeon, Snaredrum und Charango. Stilistisch ist das eine Art lateinamerikanischer Folkpop mit Anleihen von Flamencopop bis Cumbia, von Reggae bis Mestizo, wobei er zum Glück nicht völlig auf knalligen Partysound setzt.


 ZWOASTOA: Woidrand
ZWOASTOA
Woidrand
zwoastoa.de
(Focus 307.0189.2/BSC Music/Rough Trade)
9 Tracks, 37:43


Viertes Album des Sextetts aus München. Die Pole heimatliche Folklore und Mainstream der klassischen Rock- und Weltmusik werden vorwiegend im gemütlichen Reggaerhythmus ausgependelt – gleichermaßen leicht und locker in Ton wie in Laune. Geweckt wird zwischendurch, wie gehabt, mit einer Art Technotrance, etwas Turboska und einem Schuss Balkan.




Bücher
 WOLFGANG LEYN:: Volkes Lied und Vater Staat : Die DDR-Folkszene 1976-1990 / mit Beitr. von Ralf Gehler u. Reinhard Ständer.
WOLFGANG LEYN:
Volkes Lied und Vater Staat : Die DDR-Folkszene 1976-1990 / mit Beitr. von Ralf Gehler u. Reinhard Ständer.
linksverlag.de
(– Berlin : Links, 2016. – 362 S. : mit zahlr. Abb. + CD)
ISBN 978-3-86153-874-5 , 30,00 EUR


378 Seiten – so viel Papierkontingent hatten publizierwillige Folkies in der DDR in vierzig Jahren nicht. Wenn ein gebürtiger Leipziger, studierter Journalist und Mitbegründer der legendären „Folkländer“, der die Szene seit Mitte der 1970er Jahre begleitet, beobachtet und analysiert, darf man gespannt sein. Ein anspruchsvolles Projekt, eine Generation nach dem Ende der DDR über diese sehr heterogene Bewegung zu schreiben, über die ein Standardwerk bisher fehlt. Verdienstvoll, zusammenzufassen, was noch da ist. Interessant, Fakten und Zusammenhänge zu erfahren, die bisher nur Insider kannten – und dies in einem unterhaltsamen Stil, bei dem man sich lediglich an Wiederholungen wesentlicher Details in den Kapiteln stören könnte, die das Ziel haben mögen, Zusammenhänge noch deutlicher zu machen. Bei der Themenfülle und dem Wunsch, verschiedene Protagonisten und ihre Sichtweisen, Gedanken und Gefühle über Folkslieder und Folkstanz in der DDR zu Wort kommen zu lassen, lag es nahe, Co-Autoren und Interviews einzubeziehen, was die Hälfte des Buches ausmacht.  Ralf Gehler konzentriert sich in seinen Beiträgen auf die Dudelsackbauer und -spieler. Reinhard „Pfeffi“ Ständer hat sich redlich um 74 „Gruppenporträts“ bemüht. Außerdem hat er neun Interviews, zwischen 1996 und 2015 mit Volkhard Brock, Klaus „Eumel“ Jorke, Matthias Kießling, Stephan Krawczyk, Rainer Luber, Manfred Wagenbreth, Andy Wieczorek, Jürgen B. Wolff und Jens-Paul Wollenberg – also mit Leitfiguren und Machern aus der 1. Generation der Szene geführt. Sie lesen sich lebendig und geben einen Eindruck von der großen Kreativität, ansteckenden Musizierfreude, Authentizität und Passion dieser Menschen. Anstelle des „Lexikons“ (DDR-Folkszene von A bis Z) hätten weitere Interviews der Publikation sicher gut getan. Der Hinweis, dass insgesamt dreißig zur Auswahl standen, macht Hoffnung darauf, dass die restlichen einundzwanzig später veröffentlicht werden. Zwölf Seiten Anmerkungen werfen die Frage auf, ob hier ursprünglich eine Dissertation geplant war. Zusammen mit Diskographie, Bibliographie, Bildnachweis, Personen- und Bandregister machen sie Volkes Lied und Vater Staat zu einem Nachschlagewerk, mit dem sich arbeiten und auf das sich aufbauen lässt. In der Vorstellung der drei Autoren bekennt sich Autor Wolfgang Leyn zu seiner Stasi-Vergangenheit, wobei wohl jeder, der ihn kennengelernt hat, meint: „Der war einer von den Guten!“ Seine fleißige Arbeit rundet Leyn mit einer hörenswerten und für die Szene repräsentativen Begleit-CD mit zwanzig Aufnahmen bekannter Folkloristen aus den Jahren zwischen 1979 und 1999 ab.
Kay Reinhardt
 ECKHARD BÖHRINGER:: Tuba Pastoritia – Das Hirtenhorn und seine Verwendung in der Musik. / Hrsg: Schwäbisches Kulturarchiv des Schwäbischen Albvereins.
ECKHARD BÖHRINGER:
Tuba Pastoritia – Das Hirtenhorn und seine Verwendung in der Musik. / Hrsg: Schwäbisches Kulturarchiv des Schwäbischen Albvereins.
schwaben-kultur.de
(– Balingen: Verl. d. Schwäb. Kulturarchivs, 2015. – 363 S. : mit zahlr. Fotos u.)
ISBN 978-3-92080177-3 , 23,00 EUR


Das Hirtenhorn? Wir kennen ja viele exotische Instrumente, aber das Hirtenhorn? Wahrscheinlich ging es Eckhard Böhringer lange Zeit ähnlich, aber 2006 machte er die praktische Bekanntschaft mit diesem Instrument, baute sofort ein Exemplar nach und erhielt die Anregung, sich im Rahmen seiner Doktorarbeit wissenschaftlich mit dem Hirtenhorn auseinanderzusetzen. Das Resultat liegt nun in einem Buch mit zwei Bänden vor. Etwas näher fühlen wir uns dem Hirtenhorn, wenn wir erfahren, dass es aus der gleichen Instrumentenfamilie wie das Alphorn stammt, aber dieses uralte (über 1000 Jahre) Instrument ist kleiner und kürzer als das Alphorn. Seine ursprünglichen Funktionen sind ähnlich. Es wurde von Hirten benutzt für Signale, Warnungen und Kommunikation über größere, häufig unwirtliche Strecken hinweg. Aber zum einen ist der Beruf des Hirten hierzulande extrem selten geworden, und auch die Kommunikation bedarf im Zeitalter des Handys keiner Hörner mehr. Also ist der praktische Gebrauch des Hirtenhorns nicht mehr gegeben, und die existierenden, spielbaren Exemplare werden eher im Rahmen der Weihnachts- oder Pastoralmusik sowie der Alten Musik eingesetzt. Während sich Band 1 sorgfältig mit der Geschichte und Anwendung des Hirtenhorns auseinandersetzt und die Ergebnisse ausgiebig mit Fotos und Abbildungen belegt, ist Band 2 eher der Praxisteil, mit den Noten von sechs Werken auf 109 Seiten, wo das Hirtenhorn selbstverständlich im Mittelpunkt steht. Man kann Eckhard Böhringer zu diesem Buch nur beglückwünschen. Er hat damit die theoretische Möglichkeit dafür geschaffen, dass ein altehrwürdiges Instrument, dessen funktionale Grundlage nicht mehr existiert, trotzdem als Ausdruck menschlichen Musizierens weiterleben kann. Es liegt an den Musikern, dieser Theorie die Praxis folgen zu lassen.
Mike Kamp

 SILKE KRUSE-WEBER [Hrsg]:: Gesund und motiviert musizieren – Ein Leben lang : Musikergesundheit zwischen Traum u. Wirklichkeit / hrsg. v. Silke Kruse-Weber…
SILKE KRUSE-WEBER [Hrsg]:
Gesund und motiviert musizieren – Ein Leben lang : Musikergesundheit zwischen Traum u. Wirklichkeit / hrsg. v. Silke Kruse-Weber…
schott-music.com
(– Mainz : Schott, 2015. – 297 S. : mit Abb. – (üben & musizieren - texte zur ins)
ISBN 978-3-7957-0867-2 , 22,95 EUR


Ein Leben lang musizieren konnte zum Beispiel der Gitarrist und Sänger Leo Kottke nicht, weil er sich durch sein hartes Spiel das Nervenkostüm seines rechten Daumens ruiniert hatte. Neil Young hatte es im Rücken und musste auf seine Lieblingsgitarre verzichten. Ähnlich ergeht es vielen Musikern, und davon handelt das Buch. Es ist das Ergebnis eines Round-Table-Gespräches, das 2013 in Graz zwischen Fachleuten aus dem Milieu der akademischen Musik stattgefunden hat. Dem entsprechend geht es in den Texten, die Ergebnisse bzw. Zusammenfassungen der diskutierten Themen sind, vor allem um das Triumvirat Lehrer-Schüler-Publikum, das heißt, es dreht sich vor allem um Musik wie Klassik oder Jazz, wo Hochleistung von den Interpreten verlangt wird.
Warum genau Musiker krank werden, kann das Buch auch nicht klären. Vielmehr spürt es der Vielfältigkeit nach, die auf einen Musiker wirkt – um dies mit zahllosen Beispielen zu untermauern. Das Buch ist nicht wie ein Ratgeber geschrieben, sondern tatsächlich recht akademisch. Es braucht etwas Geduld, die Text zu lesen und herauszufiltern, was für das eigene Musikerdasein von Nutzen sein kann oder sein könnte. Und was für Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um herauszufinden, was einem fehlt, wie damit umzugehen ist. Kottke jedenfalls hat ein paar Jahre lang gar nicht auftreten können, musste seinen musikalischen Ansatz vollkommen neu finden – und ist auch heute noch als konzertierender Musiker unterwegs. Und Neil Young freundete sich mit einer anderen Gitarre bestens an.
Michael Freerix
 CHRISTOPH FELDER:: American Jukebox : A Photographic Journey / Forewords by David Amran …
CHRISTOPH FELDER:
American Jukebox : A Photographic Journey / Forewords by David Amran …
iupress.indiana.edu
(– Bloomington, IN (u. a.) : Indiana Univ. Press, 2014. – XIII, 256 S. : überw. s)
ISBN 978-0-253-1402-3 , 50,00 USD


Es gibt immer wieder Fotobände mit Prominenten, die sich hauptsächlich deshalb verkaufen lassen, weil eben Promis abgebildet sind, egal ob die Aufnahmen ausdrucks- und somit auch eindrucksvoll sind. Hier sind es über 240 Schwarzweißfotos amerikanischer Musiker, hauptsächlich aus dem Bereich Jazz/Blues, aber auch Singer/Songwriter aus Rock und Folk sind vertreten. Die meisten Bilder sind gestellt, doch es gibt auch einige Liveaufnahmen. Ein gutes Foto offenbart sich sofort, es springt einen scheinbar an, es berührt, es lässt den Blick verweilen. Das ist bei dieser Auswahl aus siebenunddreißig Jahren (1976-2013) nicht immer der Fall, und daher hinterlässt sie gemischte Gefühle. Zu oft sehen die Fotografierten aus wie hingestellt, wie auf schlechten Promofotos, wobei fairerweise gesagt sein muss, dass sich dies eher auf die frühen Bilder bezieht. Ein Beispiel ist das Titelfoto: Pete Seeger, am Ufer des Hudson River auf ein paar illustre Felsbrocken gestellt, in typischer Pose Banjo spielend. Sein Lächeln wirkt etwas gequält, als wolle er möglichst schnell aus dieser Fotosession raus. Der chronologische Aufbau lässt die Entwicklung des Fotografen verfolgen, eine stetig wachsende Reduktion durch das Weglassen alles Nebensächlichen, bis hin zum reinen Kopfporträt vor neutralem Hintergrund. Dabei einen Teil der Persönlichkeit des Abgelichteten sichtbar zu machen, ist die schwierigste Aufgabe für einen Porträtfotografen, und Felver präsentiert hier einige sehr gelungene Beispiele. Genannt seien beispielhaft Kinky Friedmans listig-belustigter Blick oder der total entspannte Townes van Zandt mit seiner Gibson im Arm. Daneben stören wenig ansprechende Fotos den Gesamteindruck. Das gilt übrigens auch für die Livefotos. Geradezu genial z. B. Eartha Kitt in lasziver Pose mit ihren typischen weit aufgerissenen Augen. Völlig uninteressant dagegen eine Aufnahme von Wynton Marsalis mit Band. Wie gesagt, gemischte Gefühle …
Ingo Nordhofen

 DAVIDE PRUDHOMME:: Rembetiko / aus d. Franz. von Ulrich Prüfrock. – 2. Aufl.
DAVIDE PRUDHOMME:
Rembetiko / aus d. Franz. von Ulrich Prüfrock. – 2. Aufl.
reprodukt.com
(– Berlin : Reprodukt-Verl., 2016. – 102 S. : überw. Ill. )
ISBN 978-3-95640-099-5 , 24,00 EUR


Griechenland 1936, wir tauchen ein in das Leben von Stavros. Er gehört zu den Außenseitern, die sich im Getto von Piräus, dem Exilgebiet in Kleinasien, durchs Leben schlagen. Wie seine Freunde ohne feste Arbeit, scheinbar ziellos treibt er sich herum, raucht Haschisch, trinkt, lebt nur für den Moment, aber mit Stil, Selbstbewusstsein und viel Wut und vor allem Musik. Man nennt diese Streuner Mankes, sie halten ihre Bouzoukis fester als ihre Liebschaften – oder das Leben. Ihre Lebenshaltung drücken sie aus, wenn sie in endlosen Nächten in den Tavernen spielen und tanzen, stets bedroht vom Erlass des Generals Ioannis Metaxas, der diese Kunst verbieten will. „Die die rauen Lieder der Parias aus dem Schatten der Gesellschaft haben gestört“, schreibt der Zeichner und Autor im Vorwort. Ihr Stolz lässt sie das Angebot des Agenten einer US-Plattenfirma zunächst ausschlagen … Prudhomme versteht es hervorragend, Charaktergesichter und Menschen in Bewegung darzustellen, auch Stimmungen mittels dramatischem Licht- und Schattenspiel und der Farbgebung aus Erdtönen und sattem Blut- oder Weinrot. Am Schluss stellt Prudhomme Bezüge zur realen Vergangenheit und echten Protagonisten klar. Zudem verweist der Verlag auf passende Tonträger, Literatur, Filme und Internetseiten zum Thema.
Imke Staats



Besondere
BOXGALOPP
Baddsch! Bäng! Bumm!
antistadl.de/boxgalopp
(Tradx Records/Antistadl)
16 Tracks, 42:25 , mit dt. Infos


LAMBERTZ – SAAM – RICHTER
Bier gewinnt!
antistadl.de/lambertz-saam-richter
(Tradx Records/Antistadl)
15 Tracks, 43:57 , mit fränk. Texten und dt. Infos


Die nachhaltige Kontaminierung süddeutscher Volksmusik mit Musikantenstadl und Schlimmerem ist in den letzten sieben Jahrzehnten hinlänglich konstatiert worden – zuletzt auch im „Sexy-Kerwa“-Artikel in Folker 04.16, der aber vor allem berechtigte Entwarnung gab. Auf welchem Niveau die Szene inzwischen auch in die globalisierte Öffentlichkeit der lokalen Bühnen aus drängt, mag man aktuell anhand der vorliegenden Veröffentlichungen einiger auch in „Sexy Kerwa“ bereits besonders erwähnter Protagonisten nachvollziehen.
Eine Klasse für sich sind Boxgalopp aus Bamberg, die als Hausband ihres Labels Antistadl zu vollkommener Meisterschaft und Souveränität gereift sind – wie Baddsch! Bäng! Bumm!,  BOXGALOPP: Baddsch! Bäng! Bumm!  LAMBERTZ – SAAM – RICHTER: Bier gewinnt! veröffentlicht bereits im Dezember 2014 – mit makelloser Kohärenz zeigt. Restlos flüssig und federleicht tänzelt das Quartett mit dem Kerninstrumentarium Klarinette, Geige, Dudelsack, Akkordeon und Kontrabass und gelegentlichen Zusatzakzenten durch sein Repertoire – eine Mischung überlieferter fränkischer und bayrischer Volkstänze und Lieder, mit eigenen Anknüpfungen an die Tradition aus der Feder ihres Akkordeonisten David Saams. Ohne auch nur eine Spur überkommener Tümelei holen Boxgalopp ihre lokalen Traditionen in die Gegenwart – jeglicher Gedanke an unvereinbare Lager, Volksmusik hie, internationale Charts da, verpufft ansatzlos.
Eine Art Quadratur des Kreises, die in einer Hinsicht sogar noch getoppt wird von dem Bravourstück, das Saam jetzt mit seiner Veröffentlichung mit Christoph Lambertz und Andreas Richter gelungen ist. Bier gewinnt! – musikalisch Baddsch! Bäng! Bumm! nicht ganz, aber fast ebenbürtig – fügt dem Boxgalopp-Volltreffer auf gleichem Terrain noch eine Heldentat hinzu, von der man hierzulande noch kaum je gehört hat: ein komplettes Album über das bayrische Grundnahrungsmittel, praktisch ohne jede Witzischkeit mit dem Holzhammer! So natürlich, wie Bier trinken im Süden – und Norden, Osten und Westen – tatsächlich ist. Und ebenso berauschend. Und ohne Kater.
Christian Beck
DIVERSE
Refugees For Refugees – Amerli
muziekpublique.be
(muziekpublique, 07/Discovery Records)
14 Tracks, 61:21 , mit engl., franz. und flämischen Infos und Texten


Ein Musikprojekt, dass Hoffnung verbreitet auf allen Ebenen. In Zeiten, in denen sich in Europa die einstige Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen zunehmend in Feindseligkeit verkehrt, setzt die gemeinnützige Brüsseler Kulturinitiative Muziekpublique ein Zeichen. Und was für ein hochklassiges! Auf dem Album Amerli versammelt die Stiftung, die Konzertveranstalter, Label und Workshopanbieter in einem ist, achtzehn in Belgien im Exil lebende hochtalentierte Musiker aus Afghanistan, Irak, Pakistan, Syrien und Tibet. Die exzellent ausgebildeten und virtuosen Vertreter ihrer heimatlichen musikalischen Kulturen wollen mit ihrem Benefizprojekt den Flüchtlingen in Belgien helfen, ein neues Leben aufzubauen. Dazu schlagen die Musiker Brücken zwischen  DIVERSE: Refugees For Refugees – Amerli ihren eigenen Traditionen, verbinden klassische mit modernen Elementen, in eigenen Kompositionen und traditionellen Liedern. So bringen sie ihre eigenen Erfahrungen als Emigranten zum Ausdruck, wie der pakistanische Sarod-Könner Asad Qizibash in „Carava“ oder der irakische IS-Flüchtling und Ud-Spezialist Hussein Rassim in „Jiran“. Sie feiern den Neubeginn, wie der syrische Gitarrist Bassel Khalil in „Spring“, erinnern an das in Schutt und Asche liegende große musikalische Erbe Aleppos, oder sie verehren die Natur, etwa in Form des Mount Everest im tibetischen Volkslied „Chomolungma“. Wie ein roter Faden durchzieht das gesamte Album jedoch die Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben und gemeinsames Wachsen der unterschiedlichen Kulturen. Stellvertretend dafür steht die Titelkomposition Amerli. Hussein Rassim erinnert hier an den erfolgreichen Kampf der irakischen Stadt, der vor allem von 10 bis 15-jährigen Jungen geführt wurde, gegen den IS. Was es jedoch heißt, kulturelle Vielfalt in Kreativität und Harmonie zu verbinden, demonstriert das letzte Lied des Albums „All Sentinent Beings“ des tibetischen Sängers und Multiinstrumentalisten Norbu Tsering. Dem Zauber seiner Komposition über ein berühmtes buddhistisches Gebet, in dem er alle Sprachen der an dem Projekt beteiligten Künstler vereint, kann sich kaum jemand entziehen.
Erik Prochnow

Fermin Muguruza
NOLA? – Irun Meets New Orleans
muguruzafm.eus
(Talka Records Talka33-34 CD/DVD ZC 561)
10 Tracks, CD 44:00, DVD 67:07 , mit Texten bzw. Untertiteln in Baskisch, Katalanisch, Spanisch (nur UT), Französisch und Englisch


Beim baskischen Ska-Punker Fermin Muguruza wird straighter, gitarrenlastiger Punk in swingenden, bläserlastigen New Orleans Jazz verwandelt. Muguruza ist der Inbegriff des linksorientierten Globalisierungsgegners, musikalisch dagegen sehr global. In New Orleans/ Louisianna (NOLA) spielte er mit der historischen Preservation Hall Jazz Band seine Stücke neu ein. Gleichzeitig drehte er dazu einen Dokumentarfilm, der die Musikproduktion in die Situation der Stadt nach dem Hurrikan Katrina einbindet. Dazu lässt er vor allem die Musiker sprechen. Die Aufnahmen entstanden in der Preservation Hall in French Quartier, dem einzigen Ort, wo in den Fünfzigern Schwarze und Weiße ungehindert miteinander  Fermin Muguruza: NOLA? – Irun Meets New Orleans jammen konnten. Der recht eintönige Punk Muguruzas bekommt bei der Begegnung einen gehörigen Kick, die NOLA-Musiker dagegen beweisen, dass sie wirklich alles spielen können. Die größere Leistung Muguruzas ist aber der Film. Klar wird bei den Musiker-Interviews: Nach Katrina kam als nächste Katastrophe die Vertreibung der sozial Schwachen, die oft von den Versicherungen im Stich gelassen wurden. Damit einher ging eine Gefährdung der typischen Kultur von New Orleans. Die Musiker kehrten aber als Erste zurück und erhielten so den Charakter der Stadt. Mit ihnen wurden der Mardi Gras und die Second Line-Streetparades reanimiert, bei denen die Bevölkerung den Kapellen tanzend hinterherzieht. Doch inzwischen wird genau das von der neuen Schicht zugezogener Wohlhabender als bloße Lärmbelästigung empfunden. Der Posaunist Mark Bingham nennt auch die zunehmende Aggressivität der Polizei und erwähnt, dass dies mit der lukrativen Privatisierung amerikanischer Gefängnisse zu tun hat. Trotzdem lieben die Musiker ihre Stadt über alles. CD und DVD stecken in einem kunstvoll gestalteten Buch mit Songtexten, Fotos, Partituren und Illustrationen zu den Songs – fast zu edel für einen Punk. Wer New Orleans heute verstehen will, sollte diesen Film gesehen haben.
Hans-Jürgen Lenhart
JOAN BAEZ
75th Birthday Celebration
joanbaez.com
(DoCD & DVD, Razor & Tie JB00001, JB00002, JB00003, In-Akustik)
11 Tracks, 48:20/10 Tracks, 51:36/DVD 103:23


Zu ihrem 75. Geburtstags hat Joan Baez, Grande Dame und Ikone des American Folksongs, sich und ihren Fans ein Jubiläumskonzert der besonderen Art gegönnt. Dazu lud Frau Baez im Januar dieses Jahres eine Riege hochkarätiger Musikerinnen und Musiker in das einmalige Ambiente des altehrwürdigen New Yorker Beacon Theaters ein. Nicht, dass sie es nötig hätte. Die Handvoll Songs, die sie solo singt, zeigen (vor allem auf der Konzert-DVD), dass sie es mit ihrer warmherzigen, in Würde gereiften Stimme und umwerfender Bühnenpräsenz mühelos auch alleine schafft, ein Auditorium zu bezaubern. Sie erreicht die schwindelerregenden Höhen noch, wenn’s sein muss, auch wenn sie inzwischen eher in einer Mezzosopranlage und gefühlt einen Ganzton tiefer singt. Das Besondere des Konzertes sind jedoch nicht die Solostücke, sondern die  JOAN BAEZ: 75th Birthday Celebration traumhaft schönen Gesangsduette und -terzette mit Weggefährten, die ihre lange Karriere Revue passieren lassen. Und wenn eine Joan Baez zur Unterstützung für ihr Geburtstagskonzert ruft – wer könnte da widerstehen? Außer ihrem früheren musikalischen und Lebenspartner Bob Dylan ist eine ganze Starriege dem Aufruf gefolgt. Nachdem Frau Baez mit „God is God“, einem „neueren“ Song von Steve Earle, und dem Phil-Ochs-Klassiker „There But For Fortune“ den Abend solo eröffnet hat, tritt als erster ihrer Gäste Fingerpickinglegende David Bromberg auf die Bühne. Er unterstützt Baez an der zweiten Gitarre bei einer wunderbaren Version des Elizabeth-Cotton-Songs „Freight Train“. Im Verlauf des Abends spannen Joan Baez und ihre Gäste einen Bogen über ihre fünfzigjährige Karriere. David Crosby, Mary Chapin Carpenter, Emmylou Harris, Jackson Browne, Judy Collins, die Indigo Girls, Damien Rice, Richard Thompson und der chilenische Multiinstrumentalist Nano Stern, Mavis Staples und Paul Simon (der seinen Gesangseinsatz zu „The Boxer“ fast versemmelt) geben sich die Ehre. Das emotionsgeladene und vom Publikum mit langen stehenden Beifallsbekundungen gefeierte Konzert endet mit einem ihrer größten Erfolge, „The Night They Drove Old Dixie Down“. Passender als mit der Zugabe „Forever Young“ könnte das denkwürdige Konzert nicht ausklingen. Joan Baez ist eine zeitlose Künstlerin, die sich und ihren Fans ein zeitlos schönes Folkalbum zum Geburtstag geschenkt hat.
Ulrich Joosten

Deutschland
 IONTACH: A New Journey
IONTACH
A New Journey
iontach.de
(Eigenverlag)
15 Tracks, 57:16 , mit dt. und engl. Infos/engl. und gäl. Texten


Iontach neu und doch in gewohnter Weise. Neu ist die Besetzung des berühmten Wremer Irish-Folk-Trios. Siobhán Kennedy aus Irland (Gesang, Flute, Whistle, Concertina, Fiddle) und Jens Kommnick aus Deutschland (Gesang, Piano, Bouzouki, Gitarre, Cello) repräsentieren zu zweit die bekannte Stammbesetzung, doch statt Angelika Berns ist als Dritter im Bunde nun Nick Wiseman-Ellis aus England (Gesang, Akkordeon, Fiddle) mit dabei. Durch ihn erklingt des Öfteren das Akkordeon. In gewohnter Weise spielen sie die irische Musik ganz fein und filigran, mit mehr zarten als rauen Tönen, einladend zum Träumen, aber auch zum Tanzen. Die Mehrstimmigkeit im Gesang ist auch geblieben, denn auch Nick kann singen. Sehr ergreifend ist zum Beispiel das von Eric Bogle stammende Antikriegslied „All The Fine Young Men“. Und passend zur Qualität der Musik ist auch das Beiheft anmutig und ansprechend gestaltet, in warmen Braun- und Ockertönen gehalten, also wie ein Whiskey am Kaminfeuer, und voller Informationen über die einzelnen Stücke sowie den Liedtexten zum Mitsingen. Dass sich der Albumtitel auf die neue Besetzung bezieht, mag man mutmaßen, jedenfalls wünscht der Rezensent ihnen eine gute Reise und dass sie seine Wege auch live einmal wieder kreuzen mögen!
Michael A. Schmiedel
 HÜSCH!: Jetzt, heut und hier
HÜSCH!
Jetzt, heut und hier
songs-of-heimat.de
(CPL-Musik CPL011/Broken Silence)
16 Tracks, 65:39 , mit dt. u. engl. Infos


Ein Hoch der Waldzither! Mit welch erfrischender Frechheit sie nicht nur des alten Meister Bachs Menuett „aufzithern“ – das hat schon was Geniales. Nach ihrem vielbeachteten 2014er Debüt legt die thüringische Band recht schnell ihr zweites Album vor. Ums vorwegzunehmen: Die hochgesteckten Erwartungen versteht das Quartett auf ganzer Linie zu erfüllen. Sie bleiben ihrem Konzept treu und haben sechzehn sattsam bekannte Volkslieder (darunter „Schneegebirge“, „Leineweber“, oder „Die Gedanken sind frei“) ausgewählt, aufgemöbelt und mit außergewöhnlich schönen und überraschenden Arrangements konsequent gegen den Strich der Hörgewohnheit gebürstet. Sei es durch Hanne Flocks ausdrucksstarke und ungewöhnlich phrasierende Gesangsstimme oder durch originelle Grooves und unerwartete Tempowechsel und Melodieänderungen („Kein Feuer, keine Kohle“). Mit drei Waldzithern, Piano, Flöte, Cajon, Banjo, diatonischem Akkordeon, Flöte, Mundharmonika, Violine, Gitarre, Maultrommel und bis zu vierstimmigem Satzgesang schaffen sie einen modernen, erstklassig produzierten Folksound. Mühelos und völlig unverkrampft spielen sie mit Folkmusikelementen verschiedenster Herkunft und verschmelzen sie zu einer unverwechselbaren Hüsch!-Handschrift. Und dieses Mal nicht, wie das Debüt, viel zu kurz, sondern über eine Stunde lang. Ganz großes musikalisches Heimatkino!
Ulrich Joosten

 LUCIE M. UND DAS TRIBUNAL DES ESCARGOTS: Kreuzweise
LUCIE M. UND DAS TRIBUNAL DES ESCARGOTS
Kreuzweise
luciemackert.de
(Way Out RecordsWO16222)
11 Tracks, 48:35 , Texte


Lucie Mackert hat eine Meise, mit der sie Mist gebaut hat, und sie ist zudem die wildeste Wutz der Vertikale. Und schon ist man mittendrin im geheimnisvollen, skurrilen, spielerischen und amüsanten Text- und Liederzirkus der jungen Sängerin, Sprecherin und Schauspielerin aus Kirchheimbolanden. Doch nicht nur ihre originellen Texte über Alltägliches und Spinnereien lassen aufhorchen, auch ihre abwechslungsreichen Melodien und die Arrangements von Gitarrist Thomas Maos können sich hören lassen. Mit Gitarre und Banjo weiß sie zudem hervorragend umzugehen, und so begleitet sie gekonnt ihren ansprechenden Gesang. Ihre Lieder sind angesiedelt irgendwo zwischen Chanson und Rock, Folk und Pop, und wechseln auch mal innerhalb des Liedes den Stil. Das Ganze hat eine unaufdringliche Leichtigkeit, eine intelligente Sprachspielerei, mit kleinen ironischen Widerhaken und einer flotten, rhythmischen, ja tanzbaren, musikalisch einfallsreichen Umsetzung. Ein beachtliches Debüt, das Lucie Mackert mit ihren drei Musikern vorlegt, frisch, vielfältig und in jeder Richtung anregend. „Und mein Vogel freut sich, scheinbar hab ich es voll drauf!“ So ist es!
Rainer Katlewski
 NOBODY KNOWS: Urbane Camouflage
NOBODY KNOWS
Urbane Camouflage
nobodyknows.de
(Prosodia 4280000827401)
12 Tracks, 44:27 , mit Texten


Selten sind sie geworden, die Folkmusiker der alten Schule, die mit traditioneller Musik und bissigen Texten der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten. Sucht man die Erben von Liederjan und Folkländer, so sucht man am besten in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen und findet dort vielleicht Bands wie Nobody Knows. Die fünf Jungs aus Stendal bleiben auf ihrem mittlerweile dreizehnten Album ihrer kritischen Linie treu. Das ironische „Cola“ klingt wie eine Fingerübung von Reinhard Mey. „Fleisch“ hingegen hat die Aggressivität und Rauheit eines Pogues-Songs, was beim Thema Fleischkonsum kaum passender sein könnte. Der wunderbare Türstehertanz bewegt sich zwischen Tango und Pogo, zwischen Ska und Wolf Biermann. Bläsersätze lassen das Balkanherz schneller schlagen, der Cha-Cha-Cha verführt in vermeintliche Harmlosigkeit. Die Songs sind trotz des erhobenen Zeigefingers absolut partytauglich, und so bleibt dem Hörer manches Mal das Lachen im Halse stecken, während die Beine sich im immer schnelleren Rhythmus bewegen. Die Songs machen auch nach wiederholtem Hören Spaß, also auch dann, wenn die „Message“ angekommen ist. Urbane Camouflage wird dadurch zu einem zeitlosen Album, so aktuell die Texte auch sein mögen.
Christian Elstrodt

 RINGLSTETTER: PNYA
RINGLSTETTER
PNYA
hannesringelstetter.de
(Millaphon Records/Broken Silence)
Promo-CD, 11 Tracks, 41:54


„Wo die Frauen ganz ohne Islam auf die Felder noch Kopftücher trag’n, wo kaum einer en Urlaub bucht, da muast Di hin verschlag’n, […] das is die Gegn’d, wo die Leit in erster Linie kei Geld, sondern Grund versteuern: Niederbayern.“ Hannes Ringelstetter und neun befreundete Musiker spannen auf ihrer neuen CD einen Bogen nicht über die ganze Welt, aber doch außer von Paris über New York nach Alteiselfing (Niederbayern, nahe Wasserburg im Inn) auch nach Wien und Budapest und auf die Kanaren und zurück nach Oberammergau, ins heimische Wirtshaus und an den Baggersee. Großartiger rockig-bluesig-schrammelig-folkiger Bandsound (Gitarre, Klavier, Schlagwerk, Bass, Keyboard, Akkordeon, Gebläse [z.B. eine Tuba], Slide Guitar), sympathisch-ironisch-kritische, welt- und heimatliebende Texte in niederbairischer Mundart – Volxmusik ganz ohne Tümelei. Leider liegt dem Rezensenten nur eine Promo-CD mit ausgedruckten Infos vor, so dass er nicht weiß, ob ein Beiheft mit Texten vorhanden ist. Laut dieser Info gibt es die Aufnahme auch als Vinyl-LP und laut Homepage auch ein Buch dazu. Jedenfalls ist sie sehr hörenswert für Menschen auf der Suche nach einem unverkitschten Heimatgefühl oder einfach nach guter Musik!
Michael A. Schmiedel
 FERENC SNÉTBERGER: In Concert
FERENC SNÉTBERGER
In Concert
snetberger.de
(ECM Records)
9 Tracks, 60:17


Eine gute Stunde akustische Gitarrenmusik. Ein breiter, ruhiger Fluss, Komposition und Improvisation in kaum unterscheidbarer, dicht verwobener Bewegung. Der Ungar Ferenc Snétberger spielte im Dezember 2013 live im Großen Saal der Franz Liszt Akademie in Budapest. Nicht einmal Titel verstellen dem Hörer den offenen Raum der Imagination. Budapest Part 1 – 8 sind die einzelnen Stücke benannt, abgesehen von der zarten Zugabe des Arlen-Klassikers „Over The Rainbow“. Reine Musik. Hier Elemente der brasilianischen Musik eines Egberto Gismonti, dort der argentinische Tango eines Astor Piazzolla. Oder auch Johann Sebastian Bach, nicht als Zitat, aber als geistige Verwandtschaft erkennbar. Und natürlich Snétberger selbst, in einem Roma-Haushalt aufgewachsen, Vater und Brüder spielten Gitarre, der Jazz von Coltrane bis Django Reinhardt gehörte zum Alltag. Oft meint man hier und da etwas Vertrautes wiederzuerkennen, und gleich löst es sich vor dem hörenden Ohr wieder auf. Snétbergers klassischer Gitarrenton hat eine leuchtend klare Qualität. Die stilistische Entgrenzung der Musik kann beim Hören eine regelrechte Befreiung bewirken. Gerne überlässt man sich den zeitlos schönen „Erzählungen“ dieses großen Virtuosen.
Rolf Beydemüller

 GURDAN THOMAS: It’s Not The End Of The World
GURDAN THOMAS
It’s Not The End Of The World
gurdanthomas.com
(Beste Unterhaltung BU074/Broken Silence)
18 Tracks, 63:30 , mit Texten


Der Engländer und Wahlbayer Gurdan Thomas erzeugt mit seinem siebten Album einmal mehr gute Laune. Da trägt natürlich die Musik einen Teil bei, die mit einer Mischung aus Blasmusik, Skiffle und Singer/Songwriter ein leises Schmunzeln auf die Gesichter der Hörer zaubert. Der wahre Wert des Albums liegt aber in den Texten. Skurril, teilweise rabenschwarz und voller absonderlicher Romantik, zaubert Gurdan Thomas so manche Liebeserklärung an diese verrückte Welt. Da folgt der wundervolle Songtitel „My Head Is Stuck In The Honeypot“ einer Pseudomoritat in „I Want To Drill Her“ und einer Widmung an Terry Pratchett. Mit Ukulele, Tuba und Akkordeon werden die Songs kongenial begleitet. Es macht einfach Spaß, den Gedanken von Gurdan Thomas zu folgen und ihn trotzdem, oder gerade deshalb, als Künstler ernst zu nehmen. Gurdan Thomas bietet keine billigen, leicht verdienten Pointen, sondern eine Art von rustikalem, gefühlvollem Humor, der das Herz erreicht und wärmt. Seine Botschaft lautet: „Ich liebe diesen Planeten, und der Rest des Universums kann mir gestohlen bleiben“, und Douglas Adams würde nicken und antworten: „Danke für den Fisch“.
Christian Elstrodt
 FUNNY VAN DANNEN: Come On – Live im Lido
FUNNY VAN DANNEN
Come On – Live im Lido
funny-van-dannen.de
(JKP/Warner Music)
Promo-CD, 20 Tracks


Die wenigsten Erfolgsformeln sind für die Ewigkeit. Zuletzt ist selbst Bob Dylans Hit-Modell ständiger Drehungen um möglichst viele Grad in zwei hanebüchenen Cover-Alben implodiert. Und bei Funny van Dannen ist auch nicht mehr alles Gold, was seinen Fans in den Redaktionen, auf Elternabenden und Biomärkten zufolge alles glänzt – falls das je zutraf. Er kann sehr komisch, keine Frage. „Frozen Yogurt ist kein Name für ein Kind“ ist wirklich zum Piepen – gerade für Kreuzberger. Er kann aber auch ziemlich langweilig, spießig und platt. „Latente Homosexualität“ als Geheimnis des Fußballs – wie lustig ist dieser Stammtischwitz hundertfünfzig Jahre nach der Pubertät noch und nachdem er schon eine Milliarde Mal gerissen wurde? Ein „Ermittler Hitler“ als die Synthese der „beiden mythischen Figuren“, die Deutschland hat – des Führers und des Kommissars – oha. Eine „Stammzellenforscherin“, die während der Absenz ihres Freundes schwanger wird – puh. Und da haben wir von der ermüdend immer gleichen Komposition noch gar nicht gesprochen. Wer's mag, dem sei's gegönnt – aber ist das auf Dauer wirklich mehr als Gottlieb Wendehals für Alternative? Das ständige Gekreische des Publikums sagt deutlich „Nein“!
Christian Beck

 SOHEYL: Die Angst
SOHEYL
Die Angst
soheyl.bandcamp.com
(pretty noise records)
6 Tracks, 28:51


Leipzig scheint die neue Hochburg der Singer/Songwriter zu sein. Neben Jakob Hummel und anderen startet von hier auch der deutsch-persische, bereits preisgekrönte Theaterautor Soheil Boroumand durch. Von seinem letzten Iranbesuch brachte er so viele deutschsprachige Lieder mit, dass das nächste Album schon mit den Hufen scharrt. Soeben hatte er die Gelegenheit, auf dem Tolstoi-Gut Yasnaya Polyana in Russland das Theaterstück „Mann im Fahrstuhl“ zu spielen. Besser lässt sich eine grenzüberschreitend gelebte Verknüpfung kaum skizzieren. In diesem Tableau findet Soheil Boroumand seine klugen wie kritischen Liedtexte, verpackt sie in experimentellen Acoustic-Folk zwischen Pop und Indie. Seine EP Die Angst trifft das Thema, das in Deutschland laut aktuellen Umfragen eines der meistdiskutierten Themen ist. Zu Recht. Es heißt, Angst sei ein schlechter Ratgeber. Sind nicht die „Angst vor den Anderen“, die „Furcht vor sich selber“, der Nährboden für Terror und Gewalt? So heißt es in dem Titelsong spitzzüngig: „Halt die Klappe, sagt die Angst, in dem Spiegel an der Wand ein blinder Mann“. Soheyls EP ist eine Punktlandung. Unbedingt hörenswert!
Stefan Sell



Europa
 BREABACH: Astar
BREABACH
Astar
breabach.com
(Breabach Records BRE004CD)
12 Tracks, 58:30 , mit engl. Infos


Was macht eine der momentan profiliertesten Folkgruppen Schottlands, wenn sie verstärkt außerhalb des Landes unterwegs ist? Nun, im Falle von Breabach ist die Antwort einfach: Sie halten sorgsam die Ohren auf, hören bei den Folkmusiken diverser Länder ganz genau zu, verarbeiten all das zuhause mit ihrer eigenen Tradition und dokumentieren das Resultat auf ihrer bislang abgeklärtesten CD, Astar. Natürlich sind das zutiefst schottische und gälische Klänge, aber niemand muss ein musikalischer Fährtensucher sein, um die Einflüsse aus Norwegen, Quebec oder Cape Breton herauszuhören, ganz besonders jedoch aus Australien und Neuseeland. Hier macht sich die Kooperation zwischen Breabach und Aborigines- und Maori-Künstlern im Rahmen des „Boomerang-Projects“ akustisch bemerkbar, zumal dortige Musiker auf der CD vertreten sind. Das gleiche gilt für Le Vent Du Nord aus Quebec oder Olav Luksengard Mjelva aus Norwegen. Dazwischen jedoch powern Breabach so herrlich schottisch los, dass es eine Freude ist. Mit Fiddle, Double Bass, Pipes, Flutes, Whistle, Bouzouki oder Gitarre beweist das Quintett instrumentelle Meisterschaft, ohne jedoch die Kraft von fünf Stimmen zu vernachlässigen. Großartig!
Mike Kamp
 FABRIZIO CONSOLI: 10
FABRIZIO CONSOLI
10
fabrizioconsoli.it
(Chaos Records/Edel)
Promo CD, 13 Tracks, 43:16


Einst wagte sich Fabrizio De André mit „Il Testamento di Tito“ an die zehn Gebote. Anders als dieser befasst sich Fabrizio Consoli aus einem laizistischen Blickwinkel mit dem Thema. Den Auftakt macht der Gitarrist und Cantautore, dessen Stimme etwas an Paolo Conte erinnert, mit „Credo“, einem angejazzten, mit opulenten Bläsersätzen angereicherten Ohrwurm. Es ist Consolis Glaubensbekenntnis an die Wunder der Natur und das Schöne in unserem Leben. Die meisten Gebote geben zu nachdenklichen Texten Anlass. „La Fidanzata“ (die Verlobte) ist ein Sinnbild für Italien unter dem Lügengebäude von Berlusconi, der die schöne Schlafende nicht zum Leben erwecken will. Die Begleitung mit Mariachitrompeten passt. Lateinamerikanische Rhythmen sind neben Italianità und Balkan Brass sehr präsent. Zu Ehren des Comandante Che Guevara wartet Consoli in „Revolución“ mit einer glühenden Rumba auf. Für „Maria“ das vernachlässigte Mädchen, dem die Ehre und Liebe gebühren würde, die es den Eltern entgegenbringen muss, wählt er einen Tango. Mit meist langen, aufwändig arrangierten Stücken gelingt Fabrizio Consoli ein Konzeptalbum, das auch ein Publikum begeistert, das kein Wort Italienisch versteht.
Martin Steiner

 DIVERSE: Pandemonium Gitano
DIVERSE
Pandemonium Gitano
rockgitano.com
(Jasha!Records/Broken Silence)
16 Tracks, 52:58 , mit Infos


Wohin reist man, wenn man authentischen Balkansound genießen möchte? Richtig, in die Schweiz. Dort nämlich erlangt DJ Gitano mit seinen World Music Partys Kultstatus. Sein erster partytauglicher Sampler bringt die Gypsyparty nun auch zu uns nach Hause. Natürlich sind die großen Namen wie Gogol Bordello oder Russkaja mit an Bord, aber auch hierzulande Unbekanntes wie die Kumpania Algazarra finden sich. Das Wesentliche bei einem Sampler ist aber nicht das Namedropping. Denn seit durch Spotify und Youtube jeder Bankberater sich als DJ versucht, sind der Spannungsaufbau und der harmonische Ablauf der ausgewählten Tracks entscheidender Unterschied zwischen Kunst und Dorfdisko. Gitano beherrscht sein Handwerk. Ein Nachbessern im Live-Set ist kaum nötig, der Hörer kann sich ganz dem Fahrwasser des Künstlers anvertrauen. So gibt es zu keinem Zeitpunkt einen Impuls, die Tanzfläche zu verlassen, man kann Pandemonium in einem Guss durchtanzen. Gitano beherrscht das Spiel zwischen Neugier und Triebbefriedigung, die den Hörer auf den nächsten Track vorbereiten. Als Appetizer für Gypsy-Neulinge eignet sich diese CD nur bedingt, das Konzept der CD zielt klar auf die Tanzfläche und nicht auf den neugierigen Hörer ab.
Christian Elstrodt
 FRU SKAGERRAK: Fru Skagerrak
FRU SKAGERRAK
Fru Skagerrak
fruskagerrak.com
(GO‘ Danish Folk Music)
12 Tracks 48:47 , mit dän. u. engl. Infos


Das zum Teil crowdfinanzierte Debutalbum ist ein Leckerbissen für die Liebhaber des skandinavischen Fiddlespiels. Die drei jungen Geigerinnen kommen aus drei Ländern, wo sie durch andere Formationen bekannt sind, wie The Duhks, LYY, Maja & David und Gudbrandsdølenes Spelmannslag. Anna Lindblad stammt aus Schweden, Elise Wessel Hildrum aus Norwegen und Maja Kjær Jacobsen aus Dänemark. In den Stücken finden sich daher auch Stil- und Klangelemente ihrer Heimatländer wieder. Auch dieses Projekt zeigt, dass es bei der Produktion von Musik kaum noch zeitlich-geographische Grenzen gibt. Allerdings muss man sich schon mal persönlich treffen, kennenlernen und sich verstehen, so wie die drei beim Tønder Festival 2011. Es sind überwiegend vom Trio neu bearbeitete traditionelle Melodien, aber auch eigene instrumentale Kompositionen von Maja und Anna. Dazu kommen zwei Lieder. Besonders eindrucksvoll ist „Den største sorg“ mit berührender Stimme und Minimalbegleitung in Form gezupfter Geigen. Bei dem norwegischen Set kommt dann auch die Blockflöte von Elise zum Einsatz, zunächst solo bei der „Sælebakkvisa“ und dann unisono mit den Geigen bei „PFD (Post Festival Depression)“. Produziert wurde das Album von Petter Berndalen.
Bernd Künzer

 DUŠAN HOLÝ & MUSICA FOLKLORICA: Nejen zahrádečky
DUŠAN HOLÝ & MUSICA FOLKLORICA
Nejen zahrádečky
musicafolklorica.cz
(Indies Scope Records)
10 Tracks, 43:12 , mit tschechischen Infos und Texten, plus Übersetzungen aus dem Slowakischen


Das tschechische Musikerkollektiv Musica Folklorica wurde 2001 von drei befreundeten Folk-Musikern ins Leben gerufen (Petr Pavlinec an der Zimbel, Martin Slovák am Kontrabass, Miroslav Kolacia an Violine und Prim, einem der Mandoline ähnlichen doppelsaitigen Zupfinstrument). Seitdem ist die Gruppe um weitere drei Musiker ergänzt worden ((Lubomír Graffe, Geige; Jaroslav Panák, Geige; Tomás Janoška, Bratsche) und kann auf eine rege Konzert-Historie und nunmehr zehn CD-Einspielungen zurückblicken. Die neue Veröffentlichung Nejen zahrádečky widmet sich der Volksmusik der tschechisch-slovakischen Grenzregion Horňácko (im südöstlichen Mähren) und seiner reichen Liedtradition im Speziellen. Als Interpret konnte Dušan Holý gewonnen werden, ein Folksänger, Musikethnologie-Professor und Volksliedsammler aus Mähren, der bereits als Kind als Folktänzer, Sänger und Violinist in der Region auftrat. Holýs Stimme führt durch die zehn Lieder, die jeweils in zwei bis fünf Teile gegliedert sind. Mal wird der Gesang von süßlich-schwermütigen Geigenarrangements begleitet, dann wieder wetteifert er mit den typisch verschachtelten, von Taktverschiebungen und alternierenden Tempi gekennzeichneten Tanzrhythmen der Kapelle.
Judith Wiemers
 VARDAN HOVANISSIAN & EMRE GÜLTEKIN: Adana
VARDAN HOVANISSIAN & EMRE GÜLTEKIN
Adana
muziekpbublique.be/news/bands/vardan-hovanissian-emre-gultekin
(muziekpublique, 06/Disvovery Records)
14 Tracks, 59:13 , mit engl., franz. und flämischen Infos


Hier sind zwei wahre Meister am Werk. Für deutsche Ohren bislang fast unbemerkt, haben die armenische Duduk-Koryphäe Vardan Hovanissian und der in Belgien lebende türkischstämmige Saz-Virtuose Emre Gültekin ein Weltklassealbum mit Tiefgang vorgelegt. Anlässlich des hundertjährigen Gedenkens an den Genozid an den Armeniern in der Türkei, geht es den beiden Freunden in ihrem ersten Duoprojekt vor allem um Versöhnung zweier Kulturen mit gemeinsamen Wurzeln. Ihr exzellentes harmonisches Spiel verbindet die melancholischen Klänge des armenischen Nationalinstruments mit der großen Kunst der türkischen Laute. Dabei interpretieren die beiden Musiker traditionelle Folksongs und eigene Kompositionen über das alltägliche Leben, die Liebe, die Hoffnung, Stützen der Gesellschaft wie die Minenarbeiter und auch den ermordeten Journalisten Hrant Dink, der die armenische Tragödie in der Türkei 2007 ins öffentliche Bewusstsein brachte. Im Zentrum des Albums steht jedoch das Titelstück Adana. Es erinnert an die türkische Stadt, in der einst die verschiedenen Kulturen friedlich miteinander lebten und die 1909 das schlimmste Massaker an den Armeniern erlebte.
Erik Prochnow

 LILY KIARA: Fishing In The Field
LILY KIARA
Fishing In The Field
lilykiara.nl
(Zip-Records ZIP 117/Rough Trade)
13 Tracks, 49:31


Zwar begann die Niederländerin Lily Kiara bereits als Teenager, Gitarre zu spielen und Songs zu schreiben, doch dann nahm ihre Karriere als Tänzerin und Choreografin Fahrt auf, und ihr eigenes musikalisches Schaffen geriet erst einmal in den Hintergrund. Nur gelegentlich veröffentlichte sie ihre Songs, trat sie damit auf. Mittlerweile ist sie als Choreografin soweit etabliert, dass sie sich zwischendurch Freiräume schaffen kann, um wieder mehr Musik zu machen und damit auf Tour zu gehen. Fishing In the Field ist ein karges Album, auf dem es ganz allein ihre eigenen Songs zu hören gibt. Stimme und Gitarre sind hier die Regel, gelegentlich gesellt sich ein Bass dazu oder eine Trompete oder sehr zurückhaltende Percussion, sonst nichts. Kiara erzählt Geschichten, oft spielen sie irgendwo in der Welt, was wohl die Folge ihres Vagabundenlebens ist. Die Figuren, über die sie singt, sind häufig Drifter, Heimatlose aus schwierigen Verhältnissen, für die das Leben viele Widrigkeiten hat. Und wichtig, sie erzählt Geschichten aus der Perspektive einer Frau. „There are days that come, there are songs that stay“, singt sie melancholisch und kling dabei ein wenig wie Susanne Vega, „only cheaper“, wie man das humorig sagen könnte.
Michael Freerix
 JERIMIAH MARQUES: Down By The River
JERIMIAH MARQUES
Down By The River
jerimiahmarques.com
(TreeHouse44 TH44CD0401/Proper Music)
17 Tracks, 73:12 , mit ausführlichen engl. Infos


Wieviel Vorsicht bei der Beurteilung eines Buchs nach seinem Einband angebracht ist, daran erinnert Down By The River. Jerimiah Marques’ optische Erscheinung – voller weißer Bart, satte Dreadlocks – macht ihn zu hundert Prozent zum eindeutigen Rasta. Aber der dazugehörige Reggae ist dann doch nur ein relativ kurzer Blick über Marques’ musikalischen Tellerrand – wenn auch ein wirklich meisterhafter. Gefüllt ist der Teller seines Solodebüts vor allem mit Blues – überwiegend Chicago, etwas New Orleans. Gebürtiger Guyaner, fand Marques seine musikalische Prägung im London des britischen Bluesbooms der Sechziger. Und exakt so, eingespielt unter anderem mit den deutschen Könnern Christian Rannenberg und Kai Strauss, klingen auch seine amtlichen Interpretationen der Klassiker – „Vicksburg Blues“ etwa gar nahezu wörtlich wie die Savoy-Brown-Version von '69. Womöglich sogar etwas sehr amtlich, sprich: redundant? Die ketzerische Frage verblasst aber schnell und nachhaltig wieder über die drei, vier Reggae-, Ska- und Chant-Ausflüge gegen Ende des stimmigen Albums, namentlich Burning Spears Titelstück in zwei Versionen. Die gehen nicht seelenvoller, nicht entspannter. Und nicht besser.
Christian Beck

 MP3: Guldvingen
MP3
Guldvingen
mattiasperez.com
(Acoustic World Productions)
12 Tracks, 43:38 , mit schwed. u. engl. Infos


Das erste Album des Mattias Pérez Trios mit traditioneller schwedischer Musik erschien 2007, das zweite, Dansa! Dansa!, 2012. Beide waren ein großer Erfolg bei Zuhörern und Tänzern, wie sich bei ihren Tourneen besonders in Schweden zeigte. Auch Guldvingen ist stilistisch ähnlich. Der homogene Klang des Trios ergibt sich aus dem langjährigen perfekten Zusammenspiel dieser drei Virtuosen. Zwölfsaitige Gitarre, Cittern und Mandoline von Mattias sind, besonders beim Picking, in der Lautstärke den beiden Streichern, Mia Marin (fünfsaitige Violine) und Nina Pérez (Violine, Viola), angepasst, also etwas angehoben. Die Melodiebögen folgen den Geigen, öfter auch unisono. Die Spielweise von Mattias hat sehr zur Etablierung der Gitarre in der traditionellen schwedischen Musik beigetragen. Neben den eigenen Kompositionen gibt es auch drei übernommene: das Set „Evig rus/Imeland“ aus Norwegen, „Lomjansguten“, das ein Immigrant aus Finnland Mitte des 19. Jahrhunderts im Värmland komponierte, und eine Slängpolska. Ein Genuss, dieses reine Instrumentalalbum. Dazu sagt Mia: „Gesang mit Texten ist nicht erforderlich, wenn man seine Musik auch nur mit Instrumenten ausdrücken kann. Er lenkt nur ab.”
Bernd Künzer
 THE NORDIC FIDDLERS BLOC: Deliverance
THE NORDIC FIDDLERS BLOC
Deliverance
thenordicfiddlersbloc.com
(Eigenverlag NFBCD001)
10 Tracks, 43:05 , mit engl. Infos


Wenn es dieses Trio nicht gäbe, müsste man es erfinden. Obwohl, dazu braucht es erst einmal drei absolute Meister auf der Fiddle, und die gibt es auch nicht eben im Übermaß. Hilfreich ist, dass Kevin Henderson (Shetlandinseln), Olav Luksengard Mjelva (Norwegen) und Anders Hall (Schweden) eine gemeinsame musikalische Sprache sprechen und nicht nur die Fiddle spielen, sondern ebenso die Viola sowie die Hardanger- und die Oktavfiddle. Hilfreich ist auch, dass alle drei extrem begehrte und beschäftigte Musiker sind, die daher mit allen Variationswassern gewaschen sind. Und schließlich ist es hilfreich, einen kompositorisch so kreativen Musiker wie Mjelva an Bord zu haben, von dem die Hälfte der Melodien stammt. Aber egal, ob es sich um Reels, Polskas oder einen Walzer handelt, die drei Herren gehen auf ihrer zweiten CD jedes Mal in die Vollen, entweder was die Kraft dreier Bögen („The Hen Hunt“) oder die Tiefe der Emotionen („Deliverance“) angeht. Mögen die zahlreichen tollen Projekte (alleine Kevin Henderson könnte 5x hintereinander in Rudolstadt spielen, ohne sich zu wiederholen!) dem Nordic Fiddlers Bloc trotzdem immer genug Zeit füreinander lassen. Es ist einfach Musik für die Seele.
Mike Kamp

 ANA POPOVIC: Trilogy
ANA POPOVIC
Trilogy
anapopovic.com
(Artist Exclusive Records/in-akustik)
3 CDs, 23 Tracks, 93:46 , mit Texten und Infos


Das Mammutprojekt der vierzigjährigen Komponistin, Gitarristin und Sängerin aus Belgrad besticht nicht nur durch ein ästhetisches Äußeres, sondern auch – und das ist viel wichtiger – durch Qualität. Mit ihrer neuesten Produktion in einem Digipack – Volume 1: Morning, Volume 2: Mid-Day und Volume 3: Midnight – gelingt der Musikerin der Aufstieg in die Oberliga. Die Rezensentin begegnete der jetzt in Memphis im US-Bundesstatt Tennessee lebenden Ana Popovic vor knapp zwanzig Jahren bei einem Konzert in München und war sofort von ihr begeistert. Jetzt legt die Serbin ein Meisterstück vor. Auf ihrem zehnten Album Trilogy beackert sie gleich drei musikalische Felder – den Blues, den Funk und den Jazz. Fast alle Stücke wurden von ihr selbst geschrieben und getextet, einer der Songs trägt den Titel „Johnnie Ray“ und ist eine Hommage an einen Vorläufer des Rock ‘n‘ Roll, der in den 1950er Jahren durch seine emotionalen Bühnenshows Aufsehen erregte. Auch Popovic versteht es, den Zuhörer mit ihrem Gesang zu fesseln. Mit dabei ist eine Armada an Musikerkollegen, unter ihnen Ivan Neville (Keyboard), Joe Bonamassa (Gitarre), Raymond Weber und Peewee Jackson (beide Schlagzeug), Robert Randolph (Gitarre und Lap Steel) sowie Rapper Al Kapone (Gesang). Die CD 1, produziert von Grammy-Gewinner Warren Riker und ihr selbst, präsentiert einen schönen Querschnitt ihres Blueskönnens. Auf CD 2 – produziert von Tom Hambridge, ebenfalls Grammy-Gewinner – entfaltet sie ihr musikalisches Gefühl, die dritte Scheibe schließlich ist dem Thema Jazz gewidmet. Insgesamt eine großartige Trilogie.
Annie Sziegoleit
 THE SAVAGE FIVE: Sleepwalking
THE SAVAGE FIVE
Sleepwalking
thesavagefive.com
(Herbie Martin Music 1456-018/Edel Kultur)
Promo-CD, 11 Tracks, 42:42


The Savage Five setzen sich zusammen aus der nordirischen Sängerin und Liedermacherin Suzanne Savage und vier niederländischen Streichern (Geige, Bratsche, Cello, Kontrabass). Das musikalische Produkt ihres gemeinsamen Bandprojektes sucht seinesgleichen. Der virtuose Jazzgesang, der seine klassische Ausbildung weder verleugnen will noch kann, fügt sich in die satten Streicherklänge ein, die mal in vollmundigen, melodiösen Arrangements daherkommen, mal percussiv agieren. Das Klangspektrum aller vier akustisch aufgenommenen Streichinstrumente (das klassische Streichquartett ist um den Kontrabass ergänzt) erlaubt eine Fülle an Texturen und Klangfarben, die sich mit der eigenwilligen Stimme von Savage reiben oder aber völlig ineinander aufgehen. Die Songs – allesamt Savages – sind spielerisch und leichtfüßig wie auf dem zurückhaltend arrangierten „Oops“ oder aber energiegeladen und dringlich, so etwa der Track „This Is Love“, für den die Streicher in einem verworrenen, flirrenden Klangsturm die Komplexität der Thematik ausdrucksvoll vertonen. An anderer Stelle spiegeln die Streicher lautmalerisch die düstere Atmosphäre irischer Landschaft („Stormy“) oder aber fangen in schönster Streichermanier zu singen an („Violin Song“). Wunderbar!
Judith Wiemers

 PAULINE SCANLON: Gossamer
PAULINE SCANLON
Gossamer
paulinescanlon.net
(Eigenverlag und Vertrieb)
11 Tracks, 47:35 , mit engl. Infos


Pauline Scanlon gilt seit zehn Jahren als eine der führenden Sängerinnen Irlands. Ihre eigenwillige Stimmfärbung, der ein Journalist der Irish Times jüngst Teetassen-Zerbrechlichkeit und stählerne Kraft attestierte, hat sich als prädestiniert erwiesen für die feingliedrigen Melodien des traditionellen irischen Liedguts. In den letzten Jahren konnte sie insbesondere mit ihrem Gesangduo Lumiere (gemeinsam mit Éilís Kennedy) das Wohlwollen von Publikum und Presse gewinnen. Für ihr neues Soloalbum Gossamer arbeitete Scanlon erneut mit ihrem langjährigen Kollegen John Reynolds zusammen, der bereits ihr Debütalbum produzierte. Scanlons Entscheidung, das Album ohne die Bindung an eine Plattenfirma aufzunehmen und somit die volle Kontrolle über die Produktion zu behalten, schlägt sich in einer bunt gemischten Songauswahl nieder, die traditionelle Dauerbrenner (etwa „False False“) ebenso beinhaltet wie Leonard Cohens „Joan of Arc“ und ein grungiges Duett mit Damien Dempsey. Trotz ihrer Experimentierfreude bleibt Scanlon doch dort am stärksten, wo sich die mitunter übermäßig Bass lastigen Arrangements zurücknehmen und ihrer Stimme den Spielraum geben, der sie so attraktiv macht (Empfehlung: „The Old Churchyard“). Scanlons einfühlsame Interpretationen traditioneller Lieder sind einzigartig und bisweilen anrührend. Der zugefügte Bombast – etwa schwere E-Gitarren, Hall-Effekte, dumpfe Bässe und der inflationär eingesetzte Harmoniegesang in Terzen – lässt Scanlons subtile Stimmschönheit verschwimmen. Das hat sie nicht nötig.
Judith Wiemers
 ALLAN TAYLOR & GÖTTINGEN SYMPHONIE ORCHESTER: There Was A Time
ALLAN TAYLOR & GÖTTINGEN SYMPHONIE ORCHESTER
There Was A Time
allantaylor.com
(Stockfisch Records SFR 357.9015.2/in-akustik)
12 Tracks, 57:06 , mit engl. Infos und Texten


Die Geschichte: Allan Taylor spielte 2013 auf Einladung des italienischen Folkest-Festivals einige seiner Stücke live mit einem Sinfonieorchester. Labelchef Pauler hörte den (technisch nicht brauchbaren) Mitschnitt, war begeistert und stieß das aktuelle Projekt an. Taylor und Pauler eint ein bedingungsloses Qualitätsverständnis – der Standard musste vom Feinsten sein. Ein Orchester mit dem leidenschaftlichen Dirigenten Christoph-Mathias Mueller, mit Valter Sivilotti der Mann, der die ursprünglichen, einfühlsamen Arrangements geschrieben hatte, plus ein aufwändiges CD-Hardcover-Buch. Orchester und Gesang wurden separat aufgenommen, in makelloser Stockfisch-Qualität im SACD-Sound. Die ausgesuchten Stücke sind, bis auf Ausnahmen wie „Win Or Loose“ oder „Chimes Of Midnight“, meist weniger bekannt und älteren Datums, denn nicht alle seine Songs eignen sich für Orchesterbegleitung.
Und? Es kann kein abschließendes Urteil geben. Die Songs sind mit Orchester nicht schlechter oder besser, sie sind schlicht ganz andere Songs. Der Sänger seiner Songs zur Gitarre ist nun eingebettet in den weichen und mächtigen Klang von über fünfzig Instrumenten. Das ist von höchster Qualität – und schlicht Geschmackssache.
Mike Kamp

 ROBERTO TOMBESI: In 'sta Via
ROBERTO TOMBESI
In 'sta Via
felmay.it
(Calicanto CAL017/Felmay)
15 Tracks, 67:01 , mit Texten, ital. und engl. Infos


Den Rücken immer dem Betrachter zugewandt, den Blick nach vorn gerichtet, schreitet der Mann mit Hut und dem Organetto auf dem Rücken voran. Der Weg führt von den Dolomiten des Veneto in die Lagunenstadt. Der im liebevoll gestalteten Beiheft Abgelichtete heißt Roberto Tombesi, seines Zeichens Gründungsmitglied der venezianischen Gruppe Calicanto. In 'sta Via (Auf diesem Weg) ist sein erstes Soloalbum und die Frucht von über dreißig Jahren Feldforschung. Das Organetto, das diatonische Akkordeon, steht im Zentrum der CD. Mit ihm spielt Tombesi zum Tanz auf, einmal im Duo mit Claudia Ferronato, der Sängerin von Calicanto, einmal im Septett mit den restlichen Mitgliedern der Gruppe. So beschwingt die Monferrine, Manfrine, Mazzurche, Scotis, Quadriglie und Tarantelle tönen, so ruhig schlägt das Herz der Melodien, denen ein guter Schuss Melancholie innewohnt. In 'sta Via ist wie eine Reise in eine vergangene Zeit. Man spürt den Traditionals die Reifung über Generationen an. Die "Quadriglia di Italo" pfiff einst Roberto Tombesis Vater. Doch der Weg geht weiter. Alessandro Tombesi, Robertos Sohn, spielt auf dem Album Oboe und Tiroler Harfe und saß bei den Aufnahmen am Mischpult.
Martin Steiner
 TUULETAR: Tules Maas Vedes Taivaal/On Fire and Earth, In Water and Sky
TUULETAR
Tules Maas Vedes Taivaal/On Fire and Earth, In Water and Sky
tuuletar.com
(Bafe’s Factory MBAO 13)
8 Tracks, 34:43 , mit engl. Infos


Tuuletar sind vier stimmkräftige Finninnen, die eine unglaubliche Vielfalt von Stilen beherrschen, der Untertitel sagt es ja. Es fängt an wie die eine bekannte Melodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“, dann wird es rhythmisch, danach discomäßig, chansonhaft, gefolgt von einem Lied, das beim alten Grand Prix d’Eurovision de la Chanson Chancen gehabt hätte, worauf sie auf die finnische Tradition überwechseln. Und wenn man bei allem nun doch sehr dezente Instrumentierung im Hintergrund zu hören glaubt, dann macht das kleine Beiheft sehr klar: Jeder Klang auf dieser CD wurde mit der menschlichen Stimme hervorgerufen. Das Booklet verrät sonst leider wenig, es gibt kurze Inhaltsangaben der Texte, die Tuuletaar-Mitglieder sind für viele Arrangements zuständig, manches ist traditionell, und gerade über die traditionellen Lieder wüssten wir doch gerne mehr. Aber jedenfalls ein absoluter Hörgenuss, alles klingt so frisch und ungekünstelt – nicht so konstruiert wie bei vielen reinen Vokalgruppen – und doch durch und durch virtuos.
Gabriele Haefs

Nordamerika
 PETER KARP: The Arson’s Match – live in NYC
PETER KARP
The Arson’s Match – live in NYC
peterkarp.com
(KarpFoley Music)
10 Tracks, 55:26 , mit Infos


Das Beste aus seinen zwei Alben (Roadshow von 2007 und The Turning Point von 2004) spielt der Songschreiber, Gitarrist und Pianist Peter Karp live ein. Als Gast dabei ist der legändere Ex-Rolling-Stones-Gitarrist „Little“ Mick Taylor. Auch sonst ist Peter Karp in bester musikalischer Gesellschaft. Zusammen mit der kanadischen Bluesgitarristin und Sängerin Sue Foley tourt er öfter und mit viel Erfolg ebenfalls durch Europa. Der Künstler, der auch komponiert, ist in Blues und Americana tief verwurzelt. Die Platte bietet einen kleinen Querschnitt seiner Arbeit. Lieder wie „Your Prettyness“ oder „Treat Me Right“ machen die Qualität seines ausdruckstarken Spiels besonders deutlich. Beim titelgebenden „The Arson’s Match“ ist das Slidespiel Peter Karps auf der Resonatorgitarre ein purer Genuss. Der Musiker versteht es aber auch, seine Bandmitglieder einzeln wirken zu lassen und lässt Freiräume zu. Seine „Roadshow Band“ besteht aus Paul „Hernandez“ Unsworth (Schlagzeug), Dennis Grünling (Mundharmonika), Daniel Pagdon (Bass), Dave Keyes (Piano) und Jim Ehinger (Keyboard). Produziert wurde die CD von Dae Bennet und Peter Karp selbst, der seit gut zwanzig Jahren auf den Bluesbrettern der Welt unterwegs ist. The Arson‘s Match ist eine grandiose Liveaufnahme und mein Halbjahresfavorit in Sachen Liveblues.
Annie Sziegoleit
 MY GIRL THE RIVER: This Ain´t No Fairytale
MY GIRL THE RIVER
This Ain´t No Fairytale
mygirltheriver.com
facebook.com/mygirltheriver
(Supertinyrecords STR0006)
12 Tracks, 46:35 , mit engl. Texten und Infos


Sich erinnern, Vergangenes kritisch reflektieren, in Nostalgie schwelgen, Wehmut Raum geben, Verluste bemerken, Märchen und Fabeln zur Hilfe nehmen, um Gegenwärtiges auszudrücken – darum kreist Kris Wilkinson Hughes in ihren Liedern. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem englischen Bassisten Joe Hughes, betreibt die Sängerin und Songschreiberin das Projekt My Girl The River, das auf dem vorliegenden Debüt erweitert wird um etliche Könner aus dem Americanagenre. Entsprechend vielfältig gestalten sich die Arrangements und Sounds der CD; die Bandbreite der verwendeten Instrumente reicht von Mandocello und Harfe über E-Gitarre und Dulcimer bis hin zur singenden Säge. Stilistisch agiert die Band zwischen Folk, Country und Bluesigem, inhaltlich schöpft Kris Wilkinson Hughes aus den Traditionen ihrer Heimat Louisiana – den Herkunftsort Covington würdigt sie sogar mit einem eigenen Song. Da scheint Heimweh durch und die Sehnsucht nach der guten, alten Zeit. Leider geraten die Stücke an diesen Stellen leicht süßlich, dem Kitsch nicht fern, trotz aller aufscheinenden Melancholie beschaulich bis belanglos. Ihre Stimme allerdings bleibt immer prägnant und kraftvoll. Schöne Musik, manchmal zu schön.
Volker Dick

Afrika
 NOURA MINT SEYMALI: Arbina
NOURA MINT SEYMALI
Arbina
nouramintseymali.com
(Glitterbeat GB CD 038)
Promo-CD, 10 Tracks, 41:09


Bereits mit ihrem 2014 erschienenen Debütalbum Tzenni (Folker 4/2014) konnte die mauretanische Sängerin und Griotte Begeisterungsstürme entfachen. Erst recht zieht sie live mit ihrer Band das Publikum in ihren Bann – so wohl auch mit ihrem Auftritt im vergangenen Jahr beim 25. TFF in Rudolstadt. Für das neue Album ist sie mit ihren Begleitmusikern, Ehemann Jeiche Ould Chigaly, E-Gitarrist und auch Virtuose auf der (elektrifizierten) Laute Tidinit, dem Bassisten Ousmané Touré sowie Drummer Matthew Tinari ins ferne New York gereist. Im Studio G wurden die Tracks unter der Regie von Tinari und Tony Maimone (Toningenieur u. a. für The Mekons, Pere Ubu) aufgenommen. Das musikalische Konzept hat sich nicht wesentlich verändert, eine sehr dynamische, bisweilen psychedelisch anmutende Mixtur aus Blues- und Desert-Rock sowie traditioneller mauretanischer Musikstile. Neuerdings wird dieses Genre als „Azawan“ bezeichnet. Neben Nouras eindringlicher Stimme setzt vor allem ihr Spiel auf der Ardine, der neunsaitigen Stegharfe, besondere Akzente. Die Texte haben oft eine spirituell-religiöse Ausrichtung, geben auch Verhaltensratschläge. Das Titelstück z. B. verbindet Gottvertrauen mit der Krebsvorsorge für Frauen!
Roland Schmitt



Lateinamerika
 Emicida: About Kids, Hips, Nightmares And Homework …  ANA TIJOUX: Vengo
Emicida
About Kids, Hips, Nightmares And Homework …
emicida.com
(Sterns Brasil STCD2016)
13 Tracks, 52:46 , engl. Texte


ANA TIJOUX
Vengo
anitatijoux.cl
(flowfish/Broken Silence)
17 Tracks, 53:06 , mit spanischen Infos


Beim brasilianischen Rapper Emicida merkt man, der Hip-Hop in Lateinamerika ist differenzierter. Der Gestus des dortigen Rap tendiert eben nicht wie so oft zum Vorhersehbaren. Bereits im Opener meint man, sich eher in ein Album von Sérgio Mendes & Brazil ‘66 verirrt zu haben. Der Satzgesang klingt verdächtig danach. Insgesamt findet keine scharfe Trennung zwischen Gesang, Rap und Spoken Word statt, auch sanftere Töne oder ein Reggae sind möglich. Die Produktion glänzt mit Einfallsreichtum, vor allem ungewöhnliche Sounds als Samples. Stars der Sechziger dürften in unserer Hip-Hop-Szene zumeist als alte Säcke und naive One-World-Idealisten gelten. Hier taucht dagegen Altstar Caetano Veloso als Gastsänger auf. Und der Samba-Funk-Titel „Salve Black ‚Estilo Livre‘“ könnte auch die Rap-Fassung einer Jorge-Ben-Nummer sein. Aber es ist auch ein Album, das sich auf die Wurzeln der brasilianischen Kultur in Afrika besinnt. Etliche Aufnahmen entstanden auf den Kap Verden und in Angola bzw. es spielen dortige Musiker mit. Besonders eindrucksvoll ist der Hidden Track, ein Lob der brasilianischen Arbeiter. Völlig expressiv als Gedicht vorgetragen von Marcelino Freire.
Hans-Jürgen Lenhart



Lateinamerika
 Emicida: About Kids, Hips, Nightmares And Homework …  ANA TIJOUX: Vengo
Emicida
About Kids, Hips, Nightmares And Homework …
emicida.com
(Sterns Brasil STCD2016)
13 Tracks, 52:46 , engl. Texte


ANA TIJOUX
Vengo
anitatijoux.cl
(flowfish/Broken Silence)
17 Tracks, 53:06 , mit spanischen Infos


Dank dem kleinen, feinen Berliner Label gelangt dieses ursprünglich schon 2014 erschienene, hervorragende Album einer der charismatischsten Latin-Rapperinnen auf den hiesigen Markt. Die in Lille geborene, auch singende Enddreißigerin kam in Frankreich auf den Hip-Hop-Geschmack, ging jedoch schon als Teenager zurück ins Land ihrer chilenischen Exilanteneltern, wo sie ihre ganz eigene, pan(latein)amerikanische, u.a. andinisch geprägte Ausdrucksform entwickelte. „Ich komme“ (Vengo) langsam, aber gewaltig ... – so könnte man bei dieser zierlichen, poetisch versierten und auch klanglich einfallsreichen Reimerin sagen, die gemeinsam mit unzähligen Mitwirkenden (Instrumentalisten, Sängern u.a. MCs) ihr viertes, stilistisch vielfältiges Album verfertigt hat. Sanft und dabei nicht minder kraftvoll und energisch sind ihre Raps wie Gesänge, in denen Anita – wie sie sich auch, v.a. anfangs nannte – sich poetisch diverser lebensphilosophischer, sozialer und politischer Themen annimmt. Zumindest diesbezüglich trifft die Charakterisierung der New York Times als „Südamerikas Antwort auf Lauryn Hill“ durchaus zu. Den exzellenten Soul-Gesangsqualitäten der US-Amerikanerin etwa kann die Franko-Chilenin allerdings nicht das Wasser reichen. Muss sie aber auch gar nicht.
Katrin Wilke



Kurzrezensionen
 ANTOLOGIE MORAVSKÉ LIDOVÉ HUDBY: Traditional Folk Music in Moravia, Vol. 7
ANTOLOGIE MORAVSKÉ LIDOVÉ HUDBY
Traditional Folk Music in Moravia, Vol. 7
indies.eu
(Indies Scope Records MAM 561-2)
30 Tracks, 77:30


Die siebte Ausgabe der Anthologie tschechischer Folksongs aus der Region Mähren konzentriert, sich nach dem Fokus auf Liebes-und Hochzeitslieder der letzten Edition, nun auf ein ernstes Kapitel tschechischer Geschichte: Militär und Krieg. Die Kompilation sammelt Rekrutierungslieder, etwa den traditionelle Tanz Verbunk aus Südostmähren, der sich etwa ab Ende des 18. Jahrhunderts zunächst als Tanz, dann als Liedform entwickelte.

 LA BANDA MORISCA: Algarabya
LA BANDA MORISCA
Algarabya
labandamorisca.org
(Fol Música-Altafonte/Galileo MC)
11 Tracks, 48:11


Das in Jerez beheimatete „maurische“ Quintett kultiviert auf nunmehr zwei Alben wahrhaft andalusische Musik, in der sich sehr frisch- und wohlklingend Al-Andalusí-, Flamenco, andalusische u.a. mediterrane Traditionen vereinen. Bisweilen fühlt man sich aufs Angenehmste an die Band Radio Tarifa erinnert, deren einer Gründervater, Vincent Molino, als Gast dabei ist.


 BARK & BLIK: Vildskud
BARK & BLIK
Vildskud
barkogblik.dk
(GO‘ Danish Folk Music)
11 Tracks, 46:03


Die vier dänischen Musiker(innen) sind Absolventen des Konservatoriums in Odense und spielen neben anderen Projekten seit 2014 zusammen. In ihrem Debutalbum haben Folkmusik und Jazzelemente die gleiche Wertigkeit, was auch der außergewöhnlichen Besetzung mit Saxophon und (Bass-)Klarinette zu Gitarre und Geige zuzuschreiben ist. Ein Lied ist dabei.

 LUKA BLOOM: Frugalisto
LUKA BLOOM
Frugalisto
lukabloom.com
(V2 Records/H’Art)
12 Tracks, 46:38


Luka Bloom ist der jüngere Bruder von Christy Moore und stand bereits als Teenager Ende der 1960er Jahre als dessen Support Act auf der Bühne. Seit 1978 veröffentlicht er regelmäßig Soloalben und tourt in Irland und Europa. Frugalisto vereint seine folkigen Gitarrenarrangements mit gewohnt starkem Songwriting, das sich ganz konkret mit Umweltverschmutzung, irischer Politik und Materialismus auseinandersetzt.


 BLUES PILLS: Lady In Gold
BLUES PILLS
Lady In Gold
bluespills.com
(Nuclear Blast/Warner)
Promo-CD, 10 Tracks, 40:08


Die schwedische Band um die Sängerin Elin Larsson verabreicht Bluespillen in wohldosierter Form, gerne auch kräftig rockend, immer aber vorzüglich gesungen und adäquat musikalisch begleitet. Sehr schön vor allem die Stücke mit Hammond-Orgel-Begleitung, da brauchen die Blues Pills keine Vergleiche mit den Bluesrockbands der 1970er Jahre zu scheuen.

 THE ROBERT BOBBY DUO: Folk Art
THE ROBERT BOBBY DUO
Folk Art
robertbobby.com
(I Like Mike Records ILR 011)
11 Tracks, 35:17


Mr. und Mrs. Bobby bilden dieses Duo, Gitarre und Bass, mit dem Gesang von Robert Bobby. Der kündigt sich auf dem Cover mit „Like John Prine, only cheaper“ schön selbstironisch an, und Ironie und Humor spielen in seinen Folksongs eine große Rolle. Die Songs einfach und geradlinig, mit wenig Produktionsaufwand im Studio eingespielt, das ist urgemütlich.


 JEAN-FRANÇOIS BRANCHAUD & STÉPHANIE LÉPINE: Habillés En Propre
JEAN-FRANÇOIS BRANCHAUD & STÉPHANIE LÉPINE
Habillés En Propre
lepineetbranchaud.wordpress.com
(Eigenverlag JFBSL011)
10 Tracks, 53:52


Er (Gitarre, Fußpercussion) hat mit Le Vent du Nord oder La Bottine Souriante musiziert, und sie (Fiddle) studierte unter Kevin Burke und Lisa Ornstein. Beider Stimmen komplementieren sich bestens. Die Musik mit klaren Quellen aus Quebec lebt stark vom Gegensatz der rhythmischen, vorwärtstreibenden Instrumentals und der oft eher sanfteren Chansons.

 THE BREATH: Carry Your Kin
THE BREATH
Carry Your Kin
realworldrecords.com/thebreath
(Real World Records CDRWP213/Rough Trade)
Promo-CD, 9 Tracks, 48:48


Der englische Komponist/Gitarrist Stuart McCallum (ex-Cinematic Orchestra) und die nordirische Sängerin/Flötistin Ríoghnach Connolly sind gemeinsam The Breath. Ein ungewöhnliches Projekt, das dichte Loop-Soundscapes à la Radiohead mit den schnörkellosen, oft berührenden Songinterpretationen der Folksängerin paart. Anspieltipp: der Titeltrack Carry Your Kin.


 CLARENCE BUCARO: Pendulum
CLARENCE BUCARO
Pendulum
clarencebucaro.com
(Twenty Twenty Records 2020-09)
10 Tracks, 29:57


Nach seiner ersten Novelle, die gerade veröffentlicht wurde, schiebt Clarence Bucaro Album Nummer Neun gleich hinterher. Stark von Literatur geprägt, sind die Themen seiner Balladen. Songs mit leichtem Folk-Country-Flair, angenehm gesungen, abgerundet am Ende durch ein Duett mit Allison Moorer.

 EVA DEIVERT: Låtar från bakgårn
EVA DEIVERT
Låtar från bakgårn
deivert.com/eva
(Gammalthea)
14 Tracks, 53:41


Seit ihrer Jugend in den 60er Jahren spielt Eva Violine in schwedischer und irischer Musiktradition. Ihre eigenen Kompositionen sind von großer Schönheit, und es wurde Zeit sie festzuhalten. Sie schickte acht Musikern aus ihrem Bekanntenkreis das Material. Für die Liveaufnahme traf man sich für ein Wochenende bei ihr zuhause – ungewöhnlich, aber erfolgreich.


 MICHAEL DIETRICH: Across Open Seas
MICHAEL DIETRICH
Across Open Seas
michaeldietrich.org
(Eigenverlag)
10 Tracks, 50:09


Karlsruhe liegt am Rhein, aber die Lieder dieses Karlsruhers handeln vom Meer, gesungen in folk-rockiger Singer/Songwriter-Manier auf Englisch. Dietrichs begleitet sich selber mit Gitarre, Bass und Keyboards, und vier Mitmusiker steuern Violine, Flute, Cello und eine weibliche Stimme bei. Ein Beiheft gibt es leider nicht, aber ein phantastisches Cover.

 Diverse: 12 Voices Of Haiti
Diverse
12 Voices Of Haiti
ticorn.com/12voicesofhaiti.html
(TiCorn Music CD 32897)
Promo-CD, 12 Tracks, 48:20


Zwölf in Europa lebende, aber in Haiti verwurzelte Musiker stellen sich hier vor. Es ist eine zumeist sehr afrikanisch wirkende, aber vergleichsweise sanftere, balladeske Musik mit Bezügen zu R’n’B, Chanson und manchmal von Chören untermalt. Dazu die haitianischen Rhythmen und Einflüsse französischer und kreolischer Kultur.


 DIVERSE: Indies Scope 2015 – Czech Independent Music Label
DIVERSE
Indies Scope 2015 – Czech Independent Music Label
indies.eu
(Indies Scope Records MAM 567-2)
21 Tracks, 74:46


Die Kompilation des tschechischen Labels Indies Scope fasst auf einundzwanzig Tracks seine Neuerscheinungen des letzten Jahres zusammen, darunter die Folk-Rocker Cankišou, das Cello- und Gesangduo Tara Funki sowie das gemeinsame Bandprojekt dreier namhafter Folksänger, Jitka Šuranská & Irén Lovász & Michal Elia Kamal.

 DIVERSE: The Rough Guide To Gospel Blues – Reborn and Remastered
DIVERSE
The Rough Guide To Gospel Blues – Reborn and Remastered
(World Music Network RGNET 1349CD)
25 Tracks, 75:48


Der Sampler bietet Mississippi-Delta-Blues von 1926 bis 1940. Mit dabei sind unter anderen Bessie Smith, Memphis Minnie, Skip James, Blind Boy Fuller und Reverend Gary Davis. Als „Mütter und Väter“ waren sie Vorbilder für Bluesmusiker wie Muddy Waters, B.B. King und John Lee Hooker. Bis heute sind Rockgrößen wie Eric Clapton von ihnen beeinflusst.


 DUIVELSPACK: Weibsbilder
DUIVELSPACK
Weibsbilder
duivelspack.de
(Fuego)
16 Tracks, 56:49


Die sehr umtriebige Gruppe (zwölf CDs seit 2000) folgt der Logik. Nach „Kindsköpfe“ (2012) und „Mann sein“ (2014) nun ein Album über Frauen. Thematisiert werden unter dem Oberbegriff „FunFolk“ Geburten, Migräne, Konflikte und Handtaschen. Typische Songs heißen „Bio Trio“, „Du hörst ja gar nicht zu“ oder „Schönheit, die von innen kommt“. Musik über das Mysterium Frau!

 EARLY AUTUMN BREAK: Farewell To The Juvenile Heart Vol. 2
EARLY AUTUMN BREAK
Farewell To The Juvenile Heart Vol. 2
facebook.com/earlyautumnbreak
earlyautumnbreak.bandcamp.com
(One Sunny Day Recordings)
8 Tracks, 33:57


Aus Düsseldorf kommt die Folk/Folkrockband um die Sängerin Susan Bauszat und den Gitarristen und Sänger Chris Bauer. Frisch, abwechslungsreich und mit interessanter Instrumentierung von Cello, Kontrabass, Mandoline und Percussion werden tolle Spannungsbögen geschlagen und Klanglandschaften gezeichnet.


 ENSEMBLE FISFÜZ: Bonsai – 20 Years Of Oriental Jazz
ENSEMBLE FISFÜZ
Bonsai – 20 Years Of Oriental Jazz
fisfuez.de
(Pianissimo Music PM 0935)
11 Tracks, 50:36


Seit 20 Jahren bricht das Ensemble Fisfüz (Annette Male, Klarinetten; Gürkan Balkan, Ud, Cümbüs, Gitarre; Murat Coskun, Percussion) eine Lanze für die musikalische Völkerverständigung und kombiniert orientalische Skalen, balinesisches Instrumentarium und jazzige Grooves. Zum Jubiläum veröffentlicht die Band einige neuinterpretierte Arrangements ihres Backkatalogs, darunter traditionelle Tänze und zahlreiche Eigenkompositionen.

 SAMMY EUBANKS: Sugar Me
SAMMY EUBANKS
Sugar Me
sammyeubankslive.com
(Underworld Records/Burnside Distribution)
Promo-CD, 10 Tracks, 34:17


Blues, Country, Southern Rock und Rock ’n’ Roll – „It’s All Blues To Me“, sagt Sammy Eubanks. Das gleichnamige Stück der CD subsumiert diese Stile dann auch ebenso gekonnt wie variantenreich. Und eine dermaßen nach vorne marschierende Version des Willie-Dixon-Klassikers „I Just Wanna Make Love To You“ bekommt man selten zu hören. Ohren auf…!


 FAITH I BRANKO: Gipsy Lover
FAITH I BRANKO
Gipsy Lover
faithibranko.com
(Riverboat Record TUGCD1092/Harmonica Mundi)
Promo-CD, 12 Tracks, 48:33


Gypsy Lover ist die akustische Liebes-und Leidensgeschichte einer englischen Zirkusperformerin/-akkordeonistin und eines serbischen Geigenvirtuosen. Gemeinsam mit einer siebenköpfigen Band vertonen sie die intimen und dramatischen Momente ihrer Beziehung und bedienen sich Gesangstexten auf Englisch und Romani, elegischer Geigenmelodien sowie furioser Balkansounds und Swinganleihen. Super!

 DAVID FRANCEY: Empty Train
DAVID FRANCEY
Empty Train
davidfrancey.com
(Laker Music LAKR 1011/Alive)
12 Tracks, 32:22


Der schottischstämmige Kanadier bleibt sich auch auf seiner zehnten CD treu. Ausgesprochen kompaktes und entspanntes Akustiktrio als Begleitung, raue Stimme, Songs, die selten länger als drei Minuten dauern, sofort auf den Punkt kommen und in denen es um Alltägliches, Arbeiter, das Sexgeschäft oder den Vater im Krankenhaus geht. Einfach nur gut, der Mann!


 THE FRIEL SISTERS: The Friel Sisters
THE FRIEL SISTERS
The Friel Sisters
frielmusic.com
(Friel Music FRL001)
15 Tracks, 58:46


Die drei bildhübschen Damen wurden in Glasgow geboren, in ihren Venen jedoch fließt Donegal-Blut. Hauptsächlich Flöte, Tin Whistle, Uilleann Pipes und Fiddle sorgen für zehn meisterlich gespielte Jigs, Reels und Marches, während die fünf Songs zu dritt unisono vorgetragen werden. Grandiose und populäre Musik voller jugendlicher Dynamik.

 CAMPBELL GRAY: Pulse
CAMPBELL GRAY
Pulse
mairicampbell.co.uk
(Eigenverlag)
Promo-CD, 9 Tracks, 41:49


Die musikalische Abenteuerin aus Schottland kombiniert Stimme und Fiddle mit den Programmierkünsten (plus Gitarre/Percussion) von David Gray. Pulse als Show ist audio-visuell, als CD sind es von Mairi geschriebene Songs mit Wurzeln in der Tradition, die von Gray (und Campbell) grandios verfremdet und elektronisiert werden. Wie Eurythmics go Folk!


 GYPSY SOUL: True
GYPSY SOUL
True
gypsysoul.com
(Off The Beaten Track Recordings GS 8000)
11 Tracks, 48:49


Die angenehm rauchige Stimme von Cilette Swann prägt die Songs auf True. Ihr Duo Gypsy Soul mit dem Songschreiber Roman Morykit lässt sich von reichlich versierten Musikern unterstützen, alles ist bis auf die letzte Ecke ausproduziert, und achtzehn Jahre im Geschäft, das ergibt einen klangschönen, professionellen Sound ohne Ecken und Kanten.

 GYUTO MONKS OF TIBET feat. KIM CUNIO & HEATHER LEE: Beyond Karma
GYUTO MONKS OF TIBET feat. KIM CUNIO & HEATHER LEE
Beyond Karma
gyuto.co
kimcunio.com
(New Earth Records NE 3151/Silenzio Germany)
11 Tracks, 55:16


Tibet trifft Australien. Wir hören Texte aus Islam, Juden- und Christentum zu Klängen aus hinduistisch-buddhistischen Musiktraditionen. Oder umgekehrt. Der Komponist Kim Cunio und die Sopranistin Heather Lee bauen zusammen mit den tibetischen Mönchen eine feine musikalische Brücke zwischen den Religionen. In Zeiten wie diesen wichtiger denn je.


 HARTMANN & BRUNN: Nineteen Strings
HARTMANN & BRUNN
Nineteen Strings
(Laika Records/ Rough Trade)
10 Tracks, 65:45


Hans Hartmann wäre, so wie man ihn auf dem Cover zu sehen bekommt, eine gute Neubesetzung für die Figur des Zauberers Gandalf. So zaubert er auf seinem Chapmanstick gemeinsam mit Andreas Brunn, der die siebensaitige Gitarre spielt, unglaubliche Töne, und die beiden wiegen sich entspannt zwischen Jazz und Weltmusik.

 CLAIRE HASTINGS: Between River and Railway  THE TOP FLOOR TAIVERS: The Top Floor Taivers
CLAIRE HASTINGS
Between River and Railway
clairehastings.com
(Luckenbooth Records LUCKEN001CD)
10 Tracks, 37:39


THE TOP FLOOR TAIVERS
The Top Floor Taivers
topfloortaivers.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 4 Tracks, 14:58


Zweimal Hastings. Zum einen mit drei anderen Damen vom Royal Conservatoire aus England, Irland und Schottland; schwungvolle Trads auf Harfe, Fiddle, Piano und Flöte. Zum anderen und besonderen ein ausgesprochen reifes und überzeugendes Solodebüt mit vielen eigenen, ernsthaften Songs. Hastings wird die Karine-Polwart-Liga garantiert schnell erreichen!


 HELSINKI SOUND PAINTING ENSEMBLE: Hse
HELSINKI SOUND PAINTING ENSEMBLE
Hse
helsinkisoundpaintingensemble.com
(Eigenverlag)
11 Tracks. 40:06


Zu dieser CD sollten wirklich nur mutige Hörer greifen. Wer John Zorn für Mainstream hält, ist hier richtig. Die Improvisationskunst der Finnen folgt der Soundpainting-Zeichensprache von Walter Thompson und stellt damit den Ausdruck stärker in den Vordergrund als die Form. Durch die Verbindung mit skandinavischer Folklore klingen die Experimente für uns noch fremder.

 DER HERR POLARIS & DAS ALBERT MATONG ATELIER FÜR MUSIK: Mehr Innen als Außen
DER HERR POLARIS & DAS ALBERT MATONG ATELIER FÜR MUSIK
Mehr Innen als Außen
derherrpolaris.de
(Grand Hotel van Cleef / Indigo)
10 Tracks, 31:46


Bruno Tenschert alias Herr Polaris aus Augsburg bringt ruhige, besinnliche Lieder zu Gehör, mit nachdenklichen und etwas geheimnisvollen Texten. Lieder, die man öfter hören muss, um die Stimmung aufzunehmen. „Ach Leichtigkeit, du liegst in Scherben…“, so könnte auch das Credo dieser Produktion lauten.


 HOLSTUONARMUSIGBIGBANDCLUB: Crazy Live
HOLSTUONARMUSIGBIGBANDCLUB
Crazy Live
hmbc.at
(Greenbee Records 0702/Rough Trade)
16 Tracks, 62:08


Eine Liveeinspielung, die keinerlei Grenzen kennt. Die mit Bläsern bestens ausgestattete Truppe dreht Titel von Adriano Celentano mitsamt österreichischer Volksmusik und James-Brown-Funkanleihen durch den Wolf. Bei „Una festa sui prati“ kommt sogar noch ein Bolero hinzu. Militärmusik folgt. Für Freunde der speziellen Blasmusik.

 SIMON HUDSON BAND: Earthman
SIMON HUDSON BAND
Earthman
simonhudson.com.au
(Songs&Whispers S&W48/Broken Silence)
11 Tracks, 39:23


Der Australier Simon Hudson veröffentlicht nach einer EP nun sein erstes Debutalbum. Die helle Stimme des Folkrockers klingt harmlos und steht im Widerspruch zu den funky Rhythmen, die auch den Temptations gut stehen würden. Die Songs sind durchweg solide, aber ohne Wiedererkennungswert. Für Fans von Americana lohnt sich das Reinhören aber allemal.


 CIRO HURTADO: Selva
CIRO HURTADO
Selva
cirohurtado.com
(Inti Productions)
13 Tracks, 59:37


Auch wenn hier und da eine Panflöte zu hören ist, hat diese CD des peruanischen Gitarristen Ciro Hurtado nur bedingt mit klassischer Andenfolklore zu tun. Klanglich in ein sehr modernes Gewand gehüllt, präsentiert sich Hurtado als interessanter Gesandter einer musikalischen Tradition, die uns Europäern seltsam fremd und reizvoll erscheint.

 GREGORY ALAN ISAKOV: ... with The Colorado Symphony
GREGORY ALAN ISAKOV
... with The Colorado Symphony
gregoryalanisakov.com
(Suitcase Town Music SCT004CD/Alive, Promo-CD)
11 Tracks, 45:12


Der südafrikanische Songwriter legt Lieder von seinen drei CDs vor, neu eingespielt mit seiner Band und einem Symphonieorchester. Lyrische Gemmen, Songs, die oft sparsam beginnen, etwa von Gitarre und Banjo etwa untermalt, und dann mit langsam einsetzendem Orchester ihre volle musikalische Schönheit zu einem Breitwandsound in Technicolor entfalten.


 JAYWALKERS: Weave
JAYWALKERS
Weave
jaywalkers.co.uk
(RootBeatRecords RBRCD24)
11 Tracks, 42:16


Das Trio aus Lancashire (Zwei Damen, ein Herr; Fiddle, Gitarre, Mandoline, Stehbass, Gesang) erreichte vor Jahren das Finale der BBC Young Folk Awards – und man hört es ihrem speziell durch Jay Bradberrys Gesang und Fiddle geprägten eigenständigen Mix aus Bluegrass, Country und Swing an. Zahlreiche englische Festivalbuchungen beweisen die Live-Popularität.

 ANDRE KÄPPER: Coming out
ANDRE KÄPPER
Coming out
andre-käpper.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 41:25


Andre Käpper aus der Westeifel nutzt die Einsamkeit seines Hauses wohl zum Gitarre- und Oceandrumspielen, begleitet von Sonja Käppler auf Flute, Kalimba und Concertina und Piet Hodiamont auf dem Saxophon. Heraus kommt eine rein instrumentale, filigrane, rhythmische, jazzige Musik, der man gerne lauscht. Olaf-Sickman-Fans zu empfehlen!


 MO KENNEY: In My Dreams
MO KENNEY
In My Dreams
mokenney.com
(Pheromone Recordings PHER CD 1032)
10 Tracks, 31:07


Vergleiche hinken immer, Lorde oder Lana Del Rey werden gerne zitiert, aber die Fünfundzwanzigjährige aus Nova Scotia ist ihre eigene Frau. Für den Zweitling ging sie bei Joel Plaskett ins Studio, was in einem deutlich rockigerem Sound als bei ihrem Erstling 2012 resultiert. Die Texte sind gnadenlos persönlich und die Songs bleiben hängen, besonders „Telephones“.

 USTAD RAHIM KHUSHNAWAZ: Afghan Rubab With Songbirds
USTAD RAHIM KHUSHNAWAZ
Afghan Rubab With Songbirds
felmay.it
(Felmay fy 8238/Pool Music & Media)
12 Tracks, 64:58


Eine „homesession“ aus dem Afghanistan des Jahres 1994. Der Hausherr spielt die Schalenhalslaute Rubab (der Urahn der indischen Sarod). Neben obligater Tablabegleitung hört man u.a. Kindergeplapper und den intensiven Gesang zweier Kanarienvögel. Ein Tondokument, das wohl nur melophobe Fanatiker kalt lässt. Und die gibt’s ja nicht nur in Afghanistan.


 ANNE-MARI KIVIMÄKI: Lakkautettu Kylä
ANNE-MARI KIVIMÄKI
Lakkautettu Kylä
annemarikivimaki.fi
(Nordic Notes NN079)
12 Tracks, 46:30


Die Absolventin der Sibelius-Akademie in Helsinki widmet ihre musikalische Suite den karelischen Dörfern, die nach 1945 an die UdSSR fielen. Lieder und Instrumentalstücke, die sich dem Schicksal der Vertriebenen widmen, werden gemischt mit Originalinterviews. Absolut beeindruckend, fordert auf, sich genauer mit dem Thema zu befassen.

 MAX KRETZENBACHER: Totentanz
MAX KRETZENBACHER
Totentanz
kretzenbacher.de
(Dr. Music Records 4260245677610/Soulfood)
Promo-CD, 10 Tracks, 48:03


Debütalbum des jungen Hamburger Profimuckers – also Profis – für Stars wie Ken Hensley und Ina Müller. Der Liedermacher-Rock ist vollorchestriert rund, die Themen sind kratzbürstig, wie der Albumtitel verspricht. Kretzenbachers ebenfalls kratzbürstige Stimme ist sicher nicht jedermanns Fall – aber das wird ihn kaum anfechten, und das ist auch gut so.


 LAZY AFTERNOON: Whatever!
LAZY AFTERNOON
Whatever!
lazyafternoonmusic.com
(Artache)
Promo-CD, 13 Tracks, 48:34


Lazy Afternoon sind ein schwedisches Septett um den professionellen Songschreiber und Bouzoukispieler Bo Ahlbertz, der findet, dass die Songschreiberei häufig interessanter ist als der fertig produzierte Titel. Bei Whatever! ist das sicher nicht der Fall. Akkordeon, Gitarre und Schlagzeug – Lazy Afternoon klingen wie eine Tex-Mex-Kapelle mit Countryflair aus Louisiana.

 IDA MARIA: Scandalize My Name
IDA MARIA
Scandalize My Name
idamariamusic.com
(Kirkelig Kulturverksted FXCD 421)
12 Tracks, 46:53


Die populäre norwegische Rockmusikerin und Grünen-Politikerin wandelt auf ungewohnten Pfaden. Ida Maria kehrt mit diesem Album voller American Spirituals zu den Wurzeln der Rockmusik zurück. In den Archiven entdeckte sie seltene Aufnahmen farbiger Amerikaner aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Zwölf dieser Spirituals präsentiert sie hier in ausdrucksstarken und ungewöhnlich arrangierten Versionen.


 GAVIN MARWICK: The Long Road and The Far Horizons
GAVIN MARWICK
The Long Road and The Far Horizons
gavinmarwick.co.uk
(Eigenverlag JYM004)
Do-CD, 27 Tracks, 129:58


Was für ein kreativer Komponist ist dieser schottische Fiddler, was für eine Tunes-Sammlung mit schottischem, skandinavischem, bretonischem oder galizischem Hintergrund, was für eine illustre Gruppe von musikalischen Freunden, allen voran Jonny Hardie. Und das soll Teil 1 einer langen Serie sein – eine Fundgrube für alle Melodien suchenden Musiker!

 MIGHTY SAM McCLAIN: Time And Change – Last Recordings
MIGHTY SAM McCLAIN
Time And Change – Last Recordings
mightysam.com
(FXCD 424, Kirkelig Kulturverksted)
11 Tracks, 49:42


Der für den Grammy nominierte Bluessänger, Songwriter und Gitarrist aus Louisiana verstarb 2015 mit zweiundsiebzig Jahren. Hier wird er in seiner ganzen Bandbreite präsentiert. Ein Memorial-Album eines außergewöhnlichen Musikers.


 TONY McLOUGHLIN & MARLON KLEIN: Where Is Jack
TONY McLOUGHLIN & MARLON KLEIN
Where Is Jack
tonymcloughlin.com
marlonklein.com
(Fuego 2634)
11 Tracks, 46:29


Die beiden Virtuosen Tony McLoughlin (Gesang und Gitarre) und Marlon Klein (Schlagzeug, Percussion und Keyboard) präsentieren mit sparsamer Bandbesetzung Blues-Eigenkompositionen mit Jazzelementen.

 JOHAN MEIJER: Europeana – Hautnah
JOHAN MEIJER
Europeana – Hautnah
nederossi.com
(Nederossi NOP 160401)
17 Tracks, 68:15


Neuestes Album aus der Europeana-Reihe mit sehr persönlichen eigenen Liedern sowie Bearbeitungen von Jaques Brel, Richard Thompson, Gundermann und russischen sowie ukrainischen Songs friedlich nebeneinander. Aber auch Ironisches wie „Südseeinsel“. Begleitet wird er von holländischen und russischen Musikern zwischen Liedrock, Folk, Klassik und Blues.


 MELINGO: Anda
MELINGO
Anda
danielmelingo.com
(World Village/Pias)
10 Tracks, 38:27


Der Tangobarde und Ex-Rocker aus Buenos Aires brilliert erneut mit einer nächtlich-morbiden, eleganten Liedersammlung, die diesmal bis auf zwei eigene nur Fremdkompositionen enthält. Neben gut abgehangenen Tangoliedern, u.a. „Sol Tropical“von seinem Gönner und Freund Luis Alposta, eine Art Tango-Rumba von 1935, die an Melingos Soulmate Capossela denken lässt.

 Clara Moreno: Samba Esquema Novo „De Novo“
Clara Moreno
Samba Esquema Novo „De Novo“
claramoreno.org
(Far Out Recordings FARO192CD)
12 Tracks, 41:21


Sängerin Clara Moreno verjazzt hier Jorge Bens legendäres Album Samba Esquema Novo von 1963, auf dem sich „Mas Que Nada“ in seiner Urfassung befindet. Morenos Phrasierung ist sehr verspielt, und es klingt mehr nach Jazz denn nach Samba. Einige Dub-Echos sind eingebaut, und die Tempi wechseln öfter. Ein nicht uninteressantes Experiment.


 RENÉ MORENO: Cinco
RENÉ MORENO
Cinco
renemoreno.de
(Rockwerk Records/DRMV)
12 Tracks, 32:51


Mit Track 10 bringt es der Frankfurter auf den Punkt: „Leichte Popmusik“. Im positiven Sinne! Die deutschen oder spanischen Texte haben überschaubares Gewicht, sind aber – na ja: „Revolución“ – grundsätzlich verträglich. Und der gekonnte Mix aus Latin, Afro und Middle of the Road verleiht Cinco mehr Stil, als der Mainstream gewöhnlich zusammen hat.

 MOXIE: Planted
MOXIE
Planted
moxiemuso.com
(Lyte Records LR027)
8 Tracks, 52:29


Schon was älter, sollte aber unbedingt im Folker erwähnt werden. Die fünf Herren aus Irland klingen, als hätte man die schottischen Dancefloor-Folkloristen Peatbog Fairies kurz über die Irische See geschifft. E- und A-Gitarren, Banjos, Akkordeons, Drums, Bass und E-Piano, jede Menge junge Energie, ohne Gesang, meist extrem tanzbar, ohne zu überdrehen.


 FINDLAY NAPIER: VIP: Very Interesting Persons
FINDLAY NAPIER
VIP: Very Interesting Persons
findlaynapier.com
(Cherrygrove Records CHERRY002)
10 Tracks, 33:09


Spannendes Konzept: Der Schotte Napier schreibt gemeinsam mit Boo Hewerdine Songs über “interessante” Menschen aus aller Welt und spielt sie mit diversen Kollegen (plus Hewerdine als Produzent) ein. Die musikalische Umsetzung kommt aber ein wenig steif rüber, so als wären Konstrukteure und keine Musiker am Werk, was bei den Beteiligten doch verwundert.

 ELIAS NARDI GROUP: Flowers Of Fragility
ELIAS NARDI GROUP
Flowers Of Fragility
eliasnardi.it
(Visage Music/Galileo MC)
9 Tracks, 46:21


Im Gedenken an die hundert Jahre seit dem Beginn des Ersten Weltkrieges komponierte das Quintett eine Suite aus neun Instrumentalstücken. Inspirationsquelle des Werks war ein Bild des belgischen Malers Pol Bonduelle. Ernste, stimmige Musik mit Ud, Querflöte, Viola d'Amore und Bass.


 NAQSH DUO: Narrante
NAQSH DUO
Narrante
golfamkhayam.com
(ECM Records 2475)
9 Tracks, 56:16


Die Gitarristin Golfam Khayam und die Klarinettistin Mona Matbou Riahi aus Teheran haben ein liebevolles Gewebe aus einem einzigen unsichtbaren Faden geknüpft. Zwischen Heute und Gestern bezaubern sie mit „Ornamentik, Tonarten, Mikrotönen, merkwürdigen Klängen, ungeraden Rhythmen und kreisenden Improvisationen“. Berührend.

 NUNUK: Tearin‘ Down Walls
NUNUK
Tearin‘ Down Walls
nunuk-nunuk.com
(Hey!Blau Records HBL 16015)
9 Tracks, 38:00


Zwischen Dota und Suzanne Vega bewegt sich der Spannungsbogen der Kölner Band um Sängerin Jenny Thieles. Die leicht angesoulten Popsongs in Englisch und Deutsch passen in jedes Radioprogramm. Manchmal weht der charmante Hauch einer Liedermacherin durch die Kompositionen, allein es fehlt noch der Song mit Hitpotenzial.


 OKRA PLAYGROUND: Turmio
OKRA PLAYGROUND
Turmio
okraplayground.fi
(Nordic Notes)
10 Tracks, 45:16


Das junge Sextett zeichnet sich durch hypnotischen Beat, Mystik und mehrstimmigen Gesang aus. Zu Kantele, gestrichener Lyra und Akkordeon werden allerlei elektronische Effekte eingesetzt. Es bleibt aber auch Raum für einige lyrische Stücke. Das alles ist so überzeugend, dass die Gruppe zum Showcase der WOMEX 16 im Oktober eingeladen wurde. Musik, die in Ohr und Herz geht.

 OYSTERBAND: This House Will Stand: The Best Of Oysterband 1998 – 2015
OYSTERBAND
This House Will Stand: The Best Of Oysterband 1998 – 2015
oysterband.co.uk
(Westpark Music 87318/Indigo)
Do-CD, 29 Tracks, 108:03


Für Fans der englischen Folkrocker natürlich ein absolutes Muss, denn die zweite CD beinhaltet unveröffentlichte Live-Mitschnitte, Demos, alternative Versionen und nicht zuletzt den sehr schönen und brandneuen Titelsong. Die Best-of-Bandauswahl der CDs seit 1998 zeigt einfach nur, was für eine geniale Band die Oysters waren und immer noch sind.


 PARIDE PEDDIO & JONATHAN DELLA MARIANNA: Brinca
PARIDE PEDDIO & JONATHAN DELLA MARIANNA
Brinca
felmay.it
(Picchiadas PC01-16/Felmay)
10 Tracks, 60:04


Die zwei jungen Sarden (diatonisches Akkordeon, Launeddas, Maultrommel und Sulittus ? ein Holz-Rohrflötchen) leben die sardische Tradition. Mit Davide Pudda an der Chitarra Sarda und Gastsängerinnen und -sängern, unter ihnen Elena Ledda, ist ihnen eine abwechslungsreiche CD mit rauen Kanten gelungen.

 PASCAL PINON: Sundur
PASCAL PINON
Sundur
pascalpinon.com
(Morr Music morr 147/Indigo)
Promo-CD, 11 Tracks, 41:01


Die zwei isländischen Schwestern präsentieren mit ihrer dritten Veröffentlichung ein sehr sperriges Album. Eine selbst für skandinavische Verhältnisse seltsam differenzierte Gesangstechnik trifft auf ein sprödes Klavier und hinterlässt den Eindruck von etwas bewusst inszeniert Unvollkommenem. So stellen sich Resignation und Verlustgefühle beim Hören ein.


 Christina Pluhar: Orfeo Chamán
Christina Pluhar
Orfeo Chamán
arpeggiata.com
(Erato 0190295969691/Rough Trade)
Promo-CD, 18 Tracks, 69:18 + DVD, span. und dt. UT, 131:00


Die österreichische Harfenistin Christina Pluhar schuf für die Oper von Bogotá ein Projekt mit Gesang, Tanz und Schauspiel zur Orpheus-Sage. Sie verwebt dabei Klassik, Nueva Cancion-artiges und südamerikanische Folklore, griechisches Epos und lateinamerikanische Mythologie. Auf DVD (lag nicht vor) gewiss interessanter als auf CD.

 PULSAR TRIO: Cäthes Traum
PULSAR TRIO
Cäthes Traum
pulsartrio.de
(t3records)
11 Tracks, 50:53


Eine äußerst ungewöhnliche Besetzung, die unwillkürlich aufhorchen lässt: Piano, Sitar und Drums. Dazu eine hochenergetische Fusion aus Jazz, indischer Musik und durchaus rockigen Elementen, die auch live ein wachsendes Publikum begeistert. Die Creole-Preisträger 2014 legen mit Cäthes Traum ein facettenreiches zweites Album nach.


 PUSHKIN KLEZMER BAND: Klezmer über alles!
PUSHKIN KLEZMER BAND
Klezmer über alles!
pushkinklezmerband.com
(Oriente Musik DANZ 107/Fenn Music Service)
11 Tracks, 39:58


Bereits seit 2010 existiert dieses Sextett, das in Kiew als das jüdisches „Hochzeitspartyorchester“ gilt. Auf ihrem nun ersten Album – im Original mit deutschem Titel – präsentiert sie traditionelle jiddische Weisen mit modernem „Hype“, beweisend, dass diese Musik lange noch nicht reif fürs Museum ist.

 COLE QUEST AND THE CITY PICKERS: Cole Quest And The City Pickers
COLE QUEST AND THE CITY PICKERS
Cole Quest And The City Pickers
colequest.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 38:27


Aus einem Bluegrass-Jam entstanden, hat sich um Cole Quest Rotante diese Band aus dem Staat New York gebildet, die neben einer Reihe von Bluegrass-Klassikern auch eigene Songs sowie solche von Woody und Arlo Guthrie präsentiert, John Lennon nicht zu vergessen. Rauer als vieles aus Nashville, aber durchaus der Virtuosität und dem Erbe verpflichtet.


 WOLFGANG RIECK: Der singende Mann
WOLFGANG RIECK
Der singende Mann
wolfgang-rieck.de
(Bluebird Café Berlin Records CD 09-0042)
14 Tracks, 51:02


Angeregt durch Figuren des Bildhauers Ernst Barlach, singt der Ex-Liederjan eigene, zum Teil plattdeutsche Lieder, aber auch von Dichtern wie Joachim Ringelnatz oder Theodor Kramer, von Seemannsromantik bis hin zum bewegenden Titel „Vergessene Helden“. Hochkarätig arrangiert mit achtzehn (!) namhaften Gastmusikern, darunter je ein Bläser- und Streichquartett.

 THE SACHAL ENSEMBLE: Song of Lahore
THE SACHAL ENSEMBLE
Song of Lahore
facebook.com/SachalMusicLahore
(Wrasse Records WRASS342/Harmonia Mundi)
13 Tracks, 54:10


Dies ist kein Soundtrack, sondern ein Begleitalbum zu ihrem Oscar gekrönten Dokumentarfilm. Das im Westen zum Kultstatus aufgestiegene pakistanische Sachal Ensemble präsentiert hier in ihrer Musiktradition arrangierte Coverversionen unter anderem von George Harrison, Bob Dylan oder Michael Jackson. Dazu setzen die Musiker auf die Zusammenarbeit mit westlichen Stars wie Wynton Marsalis, Susan Tedeschi oder Madeleine Peyroux.


 LUTZ SCHLOSSER & ACOUSTIQUE EXPRESS: Amplitude
LUTZ SCHLOSSER & ACOUSTIQUE EXPRESS
Amplitude
lutzschlosser.de
(Kick The Flame Music/Broken Silence)
12 Tracks, 45:08


Auf eine bezaubernde Weise old fashioned klingt der Gypsy-Swing des Berliner Gitarristen Lutz Schlosser. So nah am Geist und Klang eines Django Reinhardt habe ich lange niemanden musizieren gehört. Aber auch Tango, Blues oder Musette gehören zum Repertoire dieses ganz wunderbar und egofrei agierenden Ensembles. Unbedingte Hörempfehlung!

 SCHNEIDER UND DAS MUFFORCHESTER: Am Puls der Zeit und trotzdem tot
SCHNEIDER UND DAS MUFFORCHESTER
Am Puls der Zeit und trotzdem tot
mufforchester.de
(13oder14 Records)
11 Tracks, 33:11


Da haben zwei sich ein verrücktes Projekt gegönnt. Verstörende, zwar nicht korrekte, aber witzige Texte vom Schriftsteller Volker Doberstein, vertont vom Komponisten und Sänger Stephan Marc Schneider aus Karlsruhe. Mit seiner Band spielt er den „jazzig-trashigen Chanson-Pop“, mit Anflügen ans russische Gaunerchanson, für Menschen, die Schmissig-Skurriles zu schätzen wissen.


 SCHIKKER WI LOT: Ganovim Lider
SCHIKKER WI LOT
Ganovim Lider
schikker-wi-lot.de
(Oriente Musik DANZ 109)
12 Tracks, 44:30


Dieses live in Weimar aufgenommene Album ist eine Hommage an die 1928 erschienene Sammlung des Volkskundlers Schmuel Lehman (1886-1941), der diese Lieder unter Kriminellen und Gefangenen zusammentrug, hier vorgetragen von der erst kürzlich verstorbenen Franka Lampe (acc, voc) und Fabian Schnedler (voc).

 Sociedade Recreativa: Sociedade Recreativa
Sociedade Recreativa
Sociedade Recreativa
sociedaderecreativa.com
(Jarring Effects FX130/Broken Silence)
10 Tracks, 36:00


Hurra, ein neues Genre! Jetzt ist Electro-Forró an der Reihe. Immerhin muss man Produzent Maga Bo, der sich hier mit der franko-brasilianischen Gruppe Forró de Rebeca zusammengetan hat, bescheinigen, dass er ein respektvolles Beispiel für die Modernisierung traditioneller Musik abgeliefert hat. Rhythmisch perfekt auf den Punkt gebracht.


 SPECIAL CONSENSUS: Long I Ride
SPECIAL CONSENSUS
Long I Ride
specialc.com
(Compass Records 4668)
10 Tracks, 35:17


Immer wieder schart Banjospieler Greg Cahill in seiner Band junge, virtuose Bluegrassmusiker um sich – so auch beim aktuellen Line Up. Seit 40 Jahren nehmen Special C nun Alben auf und halten das Niveau. Zum runden Geburtstag unterstützen Künstler wie die Mädels von Della Mae und Rob Ickes das Quartett und würzen die abwechslungsreiche Songauswahl.

 SPUI'MANOVAS: Tanzboden Grooves 2016
SPUI'MANOVAS
Tanzboden Grooves 2016
straubinger.cc
(Galileo GMV067)
13 Tracks, 48:10


In guten Momenten groovt der Volkstanzhybrid der Familie Straubinger packend weltoffen und global, speziell im Reggae Riddim – in anderen dagegen scheinen die Geschmacksgrenzen zu allen Arten von Latin-Rock, Schlager, Rock 'n' Roll und dergleichen mitunter ein bisschen sehr durchlässig. Das kann man aber natürlich auch exakt andersherum sehen!


 STARLESS: Starless
STARLESS
Starless
starless.co.uk
(Marina Records MA79)
11 Tracks, 43:53


Seltsam und faszinierend zugleich. Musikalischer Hauptakteur ist das Philharmonische Orchester Prag, komponiert hat die Musik Paul McGeechan von der Gruppe Love & Money, und den Gesang besorgen diverse Künstler, u.a. Folkgrößen wie Karen Matheson, Julie Fowlis, Kathleen MacInnes, Mary Ann Kennedy oder Kaela Rowan. Ausgesprochen breite Soundlandschaften.

 THE STEADYTONES: Ride On
THE STEADYTONES
Ride On
steadytones.com
(Gude Zaid Musikproduktion/Galileo)
15 Tracks, 56:45


Die Bayern, die bereits Dawn „No No No“ Penn begleiteten, haben sich der Phase in den Sechzigern verschrieben, in der aus Ska Rocksteady wurde und aus Rocksteady Reggae. Sie tun dies ausgesprochen kompetent, einfühlsam und vor allem flüssig. So quecksilbrig flüssig, wie es dieser Gute-Laune-Musik bedarf – und so anregend. Stillhalten ist da schwer!


 DIE STROTTERN UND JAZZWERKSTATT WIEN: Wo Fangst An
DIE STROTTERN UND JAZZWERKSTATT WIEN
Wo Fangst An
diestrottern.at
jazzwerkstatt.com
(Cracked Anegg Records – JazzWerkstatt Records Crack0053 – JWR 04/15/Fenn Music S)
14 Tracks, 58:56


Das Wiener Duo Die Strottern und die Jazz Werkstatt Wien sind bestens miteinander eingespielt. Die Erstgenannten sind RUTH-Preisträger und in Österreich, gar in Deutschland bekannt. Und die JazzWerkstatt Wien ist ihren studentischen Wurzeln entwachsen, kann wilden Jazz und mehr. Live hat’s Biss. Perfekte Arrangements und Schönklang. Fast zu schön.

 BIRGIT SÜSS: Birgit Süss
BIRGIT SÜSS
Birgit Süss
birgitsuess.de
(Marell Music Group)
10 Tracks, 47:31


Facettenreiches Debütalbum der Kabarettistin und Schauspielerin aus Würzburg. Die ausgebildete Jazzsängerin hat Stimme und Kraft. Grips und Haltung. Themen von Wohlstand/Armut bis Haue für Rechte und ähnliche Deppen. Ein musikalisches Spektrum von ambitioniertem Lied bis heftigem George-Thorogood-Boogie. Und Musiker, die alles gekonnt umsetzen.


 SUISTAMON SÄHKÖ: Suistamo Electricity
SUISTAMON SÄHKÖ
Suistamo Electricity
suistamonsahko.fi
(Nordic Notes NN080)
10 Tracks, 53:34


Der Folk-Elektro-Hybrid ist die mittlerweile vierte CD aus der Doktorarbeit von Anne-Mari Kivimäki an der Sibelius-Akademie. Mit Akkordeon, finnischem Rap und elektronischen Drums beginnt der Ausflug in den Dancefloor, von Beginn an energiegeladen und mit hohem Tempo. Samples von Selenikoi versöhnen den Puristen, Hörerfahrungen mit experimenteller Musik sind aber hilfreich.

 SYSTEMA SOLAR: Rumbo A Tierra
SYSTEMA SOLAR
Rumbo A Tierra
systemasolar.com
(flowfish/Broken Silence)
11 Tracks, 43:43


Das 2006 formierte audivisuelle Soundtüftlerkollektiv mit besonders starken Wurzeln im kolumbianischen Karibraum führt auf seinem dritten Album erneut vor, wie gut Traditionelles wie Bullerengue und Cumbia mit diversen Elektrosounds sowie Hip-Hop u.v.a.m. ins musikalische Gespräch kommen und eine wirkungsvolle, durchweg partytaugliche Melange ergeben.


 JEAN-LUC THOMAS & RAVICHANDRA KULUR: Magic Flutes
JEAN-LUC THOMAS & RAVICHANDRA KULUR
Magic Flutes
jeanlucthomas.com
fluteravi.com
(Hirustica HIR-560078/autre distribution)
7 Tracks, 48:10


Der Bretone Thomas und der Inder Kulur liefern sich sieben rasante Duette für Traversflöte und Bansuri. Und obwohl sich beide Musiker in ihren jazzigen Improvisationen hörbar aus Elementen ihrer angestammten Musiktraditionen bedienen, klingt alles wie aus einem Guss. Auch dank der profunden Begleitung von Camilo Menjura (g) und Jérôme Kerihuel (perc).

 RICHARD PAUL THOMAS: Salado
RICHARD PAUL THOMAS
Salado
richardpaulthomas.com
(Rpt Productions 700261439921)
10 Tracks, 37:19


Das kleine Städtchen Salado in Texas ist das Zuhause des Musikers und Songschreibers Richard Paul Thomas. Hier hat er, mit dem versierten und fleißigen Produzenten Chris Gage an seiner Seite, zehn Songs eingespielt, die warm und kenntnisreich von den Aufs und Abs des Lebens erzählen.


 TONE FISH.: The Traveller
TONE FISH.
The Traveller
tone-fish.com
(Prosodia)
10 Tracks, 54:21


Die zweite Neuerscheinung der „Rat City Folkies“ aus Hameln ist mehr für die speziellen Fans gedacht und weniger für die Irish-Folk-Fans. Sie enthält eigene Songs (Texte im Beiheft), folk-rockig dargeboten und live eingespielt, und traditionelle irische Volkslieder sind auch dabei. Ein solides Werk!

 DJELIMADY TOUNKARA: Djely Blues
DJELIMADY TOUNKARA
Djely Blues
label-bleu.com
(Label Bleu LBLC 2603/Broken Silence)
11 Tracks, 48:35


Mit fast siebzig Jahren spielt einer der besten Gitarristen Malis sein erstes reines Instrumentalalbum ein. Begleitet von drei jungen Musikern an Bass, Rhythmusgitarre und Percussion klingt der afrikanische Blues gleichermaßen frisch und hypnotisch. Tounkaras Gitarrenkunst ist in viele Projekte eingeflossen, hier nun endlich sein ganz persönliches Werk.


 TREESHA: Listen
TREESHA
Listen
treesha-music.com
(Skycap CAP092/Rough Trade)
Promo-CD, 15 Tracks, 55:21


Die Kenianerin Patricia Wambui Mwaura, Sängerin bei Gentleman, verfügt auf ihrem Debüt, neben furchtbaren Abstechern in zeitgenössischen Chartspop, über eine Vielzahl hypnotisch-packender, moderner Reggaenummern. Und dann ersäuft das ganze Album im quäkenden Autotuning ihrer Stimme. Immer wieder mal ein großes Rätsel, diese fremde und seltsame Welt.

 THE UKRAINIANS: Evolutsiya! – 40 Best And Rarest 1991-2016
THE UKRAINIANS
Evolutsiya! – 40 Best And Rarest 1991-2016
the-ukranians.com
(Zirka Records/Eastblok Music EBM 027/Indigo)
Do-CD, 40 Tracks, 146:51


Vor 25 Jahren spielte die englische Band The Wedding Present für die legendären John-Peel-BBC-Sessions ukrainische Folksongs ein – ein solcher Erfolg, dass sich die Ukrainians gründeten. Meist mit atemberaubender Geschwindigkeit gespielt, eine Mischung aus Punk und osteuropäischem Folk, plus witziger Cover von z.B. Kraftwerk oder The Smiths.


 UKULELE DUB SOCIETY: Ukulism
UKULELE DUB SOCIETY
Ukulism
pit-baumgartner.de
(Phazz-a-delic New Format/Alive)
15 Tracks, 41:40


Ukulelen-Dub das klingt verheißungsvoll, eine tolle Idee. Das Cover ist exzellent und vielversprechend, die Ouvertüre macht neugierig auf mehr und ist ein gelungener Auftakt. Was folgt, ist großartig produziert, musikalisch allerdings eher beliebig. Der Rezensent denkt an Herrn Keuners „Musik von der Stange“, aber sehr relaxt und augenzwinkernd.

 UUSIKUU: Suomi Neito
UUSIKUU
Suomi Neito
uusikuu.com
(Nordic Notes NNO 78)
14 Tracks, 46:24


Eine ganze CD mit finnischem Tango. Langsamer Tango, schnellerer, romantisch, zum Heulen traurig, dann wieder regt einer fast zum Lächeln an – sehr finnisch eben, es könnte glatt die Filmmusik aus einem Kaurismäki-Film sein. So wunderschön und rätselhaft eben.


 RENATO VECCHIO: Medwind
RENATO VECCHIO
Medwind
facebook.com/renato.vecchio.5
(Effeme Records)
10 Tracks, 53:13


Der Süditaliener Renato Vecchio verwendet die breite Palette faszinierender Blasinstrumente der ganzen Welt, manchmal so breit, als wolle er den „Fluch der Karibik“ neu vertonen, so sehr klingt die Produktion an einigen Stellen nach Hollywood („Ghatam“). Insgesamt aber äußerst empfehlenswert, weil er die Vielseitigkeit, die er hier präsentiert, wirklich beherrscht.

 CHASE WALKER BAND: Not Quite Legal
CHASE WALKER BAND
Not Quite Legal
chasewalkerband.com
(Revved Up Records/CD Baby/in-akustik)
13 Tracks, 49:27


Drei noch sehr junge Musiker aus Kalifornien erobern die Nachwuchsblueswelt. Der Gitarrist und Sänger Chase Walker, der Bassist Randon Davitt und der Schlagzeuger Matt Fyke präsentieren amerikanischen Blues-Rock und Soulmusik mit viel Herzblut.


 NOAH WALL: Down Home Blues
NOAH WALL
Down Home Blues
noahwall.com
(Chesky Records JD380/in-akustik)
16 Tracks, 55:10


Sie bildet den Mittelpunkt dieses Quintetts aus jungen US-Bluegrassmusikern, die Sängerin und Schauspielerin Noah Wall. Üblicherweise ist sie Teil der Bluegrassband The Barefoot Movement. Ihr erstes Soloalbum widmet sie aber den Klassikern des Blues, gekleidet in akustisches Gewand, aufgenommen mit Kunstkopfmikrofon. Die Wurzeln mal anders.

 ROBERT REX WALLER JR: Fancy Free
ROBERT REX WALLER JR
Fancy Free
robertrexwallerjr.com
(Western Seeds WSR-11CD/Warner)
46:55


Der kalifornische Songwriter mit der der mächtigen Stimme, in der ungewöhnlichen Rolle als Nur-Interpret, legt ein brillantes Americana-Album mit Coverversionen so unterschiedlicher Künstler wie Utah Phillips, Neil Young, Ray Davies, Willie Nelson, Albert Hammond und Bob Dylan vor, die er mit einer hervorragenden Backingband in Arrangements zwischen schlichtem Folk über Country bis Rock kleidet und sie sich zu eigen macht. Hervorragend!


 RUPERT WATES: Colorado Mornings
RUPERT WATES
Colorado Mornings
rupertwatesmusic.com
(Bite Music Records BR 12112)
12 Tracks, 42:49


Auf dem Cover präsentiert sich der Brite Rupert Wates sehr amerikanisch, wohl weil er seit ungefähr zwanzig Jahren als Songschreiber in den USA tätig ist, zwischendrin aber immer mal wieder ein Album unter eigenem Namen veröffentlicht. Seine Musik ist vielfältig, mal keltisch, mal barock-, mal jazzhaft, und immer wieder schimmern seine britischen Wurzeln durch.

 SVEN ZETTERBERG: Something For Everybody
SVEN ZETTERBERG
Something For Everybody
svenzetterberg.com
(Gamlestans Grammofonbolag GG07/Broken Silence)
13 Tracks, 51:18


Dreizehn neu aufgelegte Titel des schwedischen Gitarristen, Harpspielers und Sängers, der sich seit 1972 als skandinavischer Vertreter des Old-School-Blues auch international einen hervorragenden Namen erspielt hat. Eine eindrucksvolle Bestätigung stellt diese CD dar, und alleine schon der Soulklassiker „Pick Up The Pieces“ beweist die Extraklasse.


 ZUR WACHAUERIN: Ka Gmahde Wiesn
ZUR WACHAUERIN
Ka Gmahde Wiesn
zurwachauerin.at
(Non Food Factory NFF_2359)
11 Tracks, 37:31


Zwei Gitarristen, ein Vokalist, österreichische Mundart. Die Melodien schmiegen sich sofort ein, in die Texte muss man sich als Nichtösterreicher reinhören, aber es lohnt. Dann wird man mit der einen oder anderen Pointe aus dem Land- und Wirtshausleben belohnt. Der Dialekt versöhnt dann sogar mit dem schrägen Wirtshaushumor von Mitzi und Sepp.




Onlinerezensionen
ANDRÉ KÄPPER
Mensch sein
andre-käpper.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 42:21


Anders als auf Coming Out beschränkt sich André Käpper hier nicht aufs Instrumentalspiel, sondern singt mit Nicole Gafron und Sonja Käpper Lieder mit Texten, die wohl irgendwie zum Leben motivieren sollen. Aber nach dem x-ten „Jetzt geht’s los“ oder „Heut ist mein Tag“ lauscht der Rezensent lieber auf die Begleitinstrumente und versucht den Gesang auszublenden.

TONE FISH
The Celtic Experience
prosodia.de
tone-fish.com
(Prosodia)
7 Tracks, 30:05


Irish Folk aus der Stadt des Rattenfängers, deshalb auch „Rat City Folk“ genannt, wobei dieses Album die irischere von zwei Neuerscheinungen sein soll. Sie enthält traditionelle Songs, dargebracht von zwei Frauen und zwei Männern mit Gesang, Gitarren, Schlagzeug, Whistles und anderem, live eingespielt.


Bücher
 KAI ENGELKE: Musik liegt in der Gruft : Kriminalgeschichten.
KAI ENGELKE
Musik liegt in der Gruft : Kriminalgeschichten.
leda-verlag.de
(Leer : Leda-Verl., 2016. – 232 S.)
ISBN 978-3-86412-090-9 , 9,99 EUR


Die Mörder sind immer und überall … Und wenn der Musiker, Journalist, Autor und Folker-Mitarbeiter Kai Engelke in seinem Surwolder Wintergarten den Füller eintaucht, dann ist die Tinte aus Blut – und Musik liegt in der Gruft. Da geschieht auf einem Festival ein Doppelmord in des Wortes besonderer Bedeutung, ein wodkaseliger Sänger genießt einen ganz speziellen Aufstieg, und der Frontmann einer rechten Rockcombo erlebt einen bemerkenswerten Abflug. In der Kürze liegt die Würze, weiß der Volksmund, und Engelke beherrscht die Kunst der kurzen Form perfekt. Ihn interessiert an Kriminalgeschichten nicht die Frage, wer’s getan hat oder wie der Täter geschnappt wird, sondern der Weg hin zur Tat und die Psyche des Täters. Engelkes Krimis sind Täterkrimis in einer zupackenden, flotten Sprache, und seine Geschichten enden meist gleich nach der Tat. Es sind satirische, skurrile und durchaus auch bösartige Geschichten, in denen aus scheinbar banalen alltäglichen Situationen das Grauen entsteht, und nicht selten wird der Leser auf die Seite des Täters gezogen und kann sich eines schadenfrohen Grinsens nicht erwehren. Zweiundvierzig Kurzgeschichten enthält seine rabenschwarze Anthologie, davon dreizehn sogenannte Rätselkrimis mit den beiden Antipoden, dem leicht begriffsstutzigen Kriminalhauptkommissar Johann de Vries vom ZKD Leer/Emden und dem gewieften Lokalreporter Titus Wolters, der als Journalist für die Ostfriesen-Zeitung tätig ist. Man darf bei deren Mordermittlungen mitraten, und immer wieder überrascht die zwar offensichtliche, aber dennoch versteckte Lösung. Ja, klar, wenn man’s weiß … Man kann das Buch in einem Rutsch lesen, es empfiehlt sich jedoch, das Gift eher in kleinen Dosen zu einem guten Glas Rotwein zu genießen, den man nach Möglichkeit selbst entkorkt und kredenzt hat. Oder man besucht eine musikalische Lesung, die der Autor zusammen mit dem Fingerstylegitarristen Helm van Hahm durchaus auch schon mal in einem Bestattungsinstitut veranstaltet.
Ulrich Joosten
 FIONA RITCHIE & DOUG ORR: Wayfairing Strangers – The Musical Voyage from Scotland and Ulster to Appalachia / with the assistance of Darcy Orr ; Foreword by Dolly Parton.
FIONA RITCHIE & DOUG ORR
Wayfairing Strangers – The Musical Voyage from Scotland and Ulster to Appalachia / with the assistance of Darcy Orr ; Foreword by Dolly Parton.
turpin-distribution.com
uncpress.unc.edu
(Chapel Hill : Univ. of North Carolina Press, 2014. – 361 S. : mit zahlr. Fotos u)
ISBN 978-1-4696-1822-7 , 30,00 GBP


Die Geschichte ist nicht neu. Wie denn auch, sie hat sich tatsächlich zugetragen und wurde unzählige Male erzählt und niedergeschrieben. Ab 1600 siedelten zehntausende Schotten mit Regierungsunterstützung in den nordirischen Counties Down und Antrim. Diese „Ulster-Scots“ zogen ab 1717 weiter nach Nordamerika und zwar meist nur bedingt freiwillig. Sie waren den Regierenden nicht mehr willkommen, wurden religiös unter Druck gesetzt und mit extrem hohen Steuern belastet. Die Auswanderer landeten zumeist in Pennsylvania und zogen schnell weiter in die nahegelegene Bergkette, die sich fast über den kompletten Ostteil der USA erstreckt, die Appalachen. Natürlich brachten sie auch ihre traditionelle schottisch-irische Musik mit, die einerseits bewahrt und gepflegt wurde, sich andererseits aber auch weiterentwickelte und als Basis etwa von Bluegrass oder Old-Time gilt. Wie gesagt, alles bereits genauestens erforscht und beschrieben, aber wohl kaum zuvor so einfühlsam, kompetent, nachvollziehbar und unterhaltsam wie in diesem dicken Buch der Schottin Fiona Ritchie und des Amerikaners Doug Orr. Zentral ist der chronologische Text, der mit der genauen sozialen und musikalischen Entwicklung in Schottland beginnt und in der wilden und oft isolierten Bergwelt der Appalachen noch lange nicht endet. Angereichert wird diese Geschichte mit unzähligen, manchmal den Lesefluss etwas hemmenden, aber thematisch immer passenden Erklärungen („Sidebars“) und Interviews mit Folkpersönlichkeiten von beiden Seiten des Atlantiks („Voices of Tradition“). Und als wenn das nicht bereits genug detaillierte Information wäre, punktet das Werk weiter mit unzähligen, auch großformatigen Fotos und Illustrationen sowie Bio- und Diskografie, Index etc., etc. Und quasi als Sahnehäubchen gibt es eine gezielte, zeitlich optimale CD (79:46) mit 20 Tracks. Okay, das Hardcoverbuch im A4-Format ist nicht gerade preiswert, aber für Keltomanen und/oder akustische Americana-Liebhaber jeden einzelnen Penny wert. Schlicht ein Referenzwerk!
Mike Kamp

 100 KINDERLIEDER FÜR GITARRE: Beliebte Melodien & Hits aus Film und TV.
100 KINDERLIEDER FÜR GITARRE
Beliebte Melodien & Hits aus Film und TV.
bosworth.de
(o. O. : Bosworth Music, 2016. – 176 S. : nur Noten u. Texte. – (BOE ; 7828))
ISBN 978-3-86543-938-3 , 14,95 EUR


Nach den Kinderliedern für Ukulele (siehe Folker 2/2016) nun das gleiche Liedmaterial in gleicher Anordnung und Aufmachung für Gitarre. Die Kinderlieder, traditionelle und moderne, die fast schon Klassiker sind (und immer noch inklusive „Yellow Submarine“!), von A bis Z sortiert, mit Noten, Akkorden und Akkorddiagrammen und Texten. Auch hier gilt: Eine nette Sammlung für alle, die schon mit den kleineren Kindern singen und musizieren wollen.
Doris Joosten
 HERMANN HÄRTEL: Lustige Streiche : Tanzmusik für Streicherensemble 2 ; für 2 Violinen, Viola (Violine), Violoncello, Kontrabass (Violoncello).
HERMANN HÄRTEL
Lustige Streiche : Tanzmusik für Streicherensemble 2 ; für 2 Violinen, Viola (Violine), Violoncello, Kontrabass (Violoncello).
tradmotion.at
(o. O. : Tradmotion, 2016. – 12 S. / 4/4/4/4/4/4)
ISBN 978-3-9501291-9-9 , 22,00 EUR


Vom Titel her könnte man es auch für Kinder-Notenliteratur halten, aber es ist schlicht und ergreifend eine Partitur für fünf Eigenkompositionen Härtels: „Mariehre Walzer“, „Vielfalt“ (schnelle Polka), „Nur a bisserl“ (Masur; Polka-Mazurka), „Die Lebzelt“ (Steierer) und „Theresien“ (Franzé) – unschwer zu erkennen, dass es eine Notenausgabe aus Österreich ist. Der Titel ist eine Anleihe am Gaukler Dyl Ulenspegel, dessen Narreteien Vorbild für Härtels „lustvolle Musikvermittlung“ sein sollen. Die Stücke sind für zwei Melodiestimmen, zwei Begleitstimmen und eine Tenorstimme, gesetzt für Besetzungen vom Streichduo bis zum Streichquintett.
Doris Joosten

DVD/Filme
 JOHNNY CASH: I Am Johnny Cash
JOHNNY CASH
I Am Johnny Cash
edel.com
(Network Films Seven/Black Hill Pictures/Edel)
DVD, 83:00


Eindrucksvoll werden in einer Mischung aus Musik und mit Archivmaterial und Fotos filmisch inszenierten Interviews mit ihm selbst, Familienmitgliedern sowie Weggefährten Höhen und Tiefen im Leben Johnny Cashs nachgezeichnet. Zu Wort kommen dabei unter anderem Sheryl Crow, Rodney Crowell, Clive Davis, Merle Haggard, Kris Kristofferson, John Mellencamp, Kid Rock, Willie Nelson sowie die Kinder Carlene Carter, John Carter Cash, Rosanne Cash und Rick Rubin, der Produzent der American-Recordings-Reihe. Vor allem Rosanne und Rubin geben in ihren einfühlsamen Stellungnahmen einen tiefen Einblick in die Persönlichkeit eines Mannes, der sich als Patriot verstand, aber auch als Populist mit liberalen Ansichten und sozialem Bewusstsein. Cash besaß grundlegende Werte, unabhängig von einem politischen Kontext. Gegen den Willen des Fernsehsenders ABC lud er den „Kommunisten“ Pete Seeger in seine Show ein, und als er im Weißen Haus für Präsident Nixon ein Lied singen sollte, das sich über Arme lustig machte, lehnte er ab. Er trage schwarz, um seine Solidarität mit den Unterdrückten und Benachteiligten auch optisch zum Ausdruck zu bringen, singt Cash in seinem Song „Man In Black“. I Am Johnny Cash zeigt, dass dies keine Attitüde war, sondern Haltung.
Michael Kleff



Deutschland
 ANNWN: Enaid
ANNWN
Enaid
annwn-music.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 66:22 , dt. u. engl. Infos, Texte in div. Sprachen


Dieses erst dritte eigene Album der achtköpfigen Band aus Altendiez an der Lahn seit 2007 ist eine Reise durch Europas Musikkulturen, vom maurisch beeinflussten sephardischen Spanien zum keltischen Irland und zur Bretagne, weiter nach Schweden, um nur einige Stationen zu nennen. Dabei führt Sabine Hornungs Gesang in diversen Sprachen die vielen Instrumente wie Harfe, Flöten, Schlagwerke, Nyckelharpa, Drehleier, Uilleann Pipes und viele andere an und gibt der Vielfalt eine gemeinsame Seele. Enaid ist denn auch das kymrische Wort für „Seele“, und Annwn der kymrische Name für das Land der Toten. Sie nennen ihre Musik „Mystic Folk“, legen Wert auf Bezüge zu Religionen und Mythen, doch auch ohne diese spirituellen Dimensionen ist dieses zusammen mit weiteren acht Gästen – darunter Johannes Schiefner an den Pipes – eingespielte Werk ein Hörgenuss. Es ist eine sehr feine, gerade in den leisen Partien sehr eindringliche Musik, mit einem komplexen Ensemblespiel und zuletzt mehrstimmigem Chorgesang. Wer also europäische Musiktraditionen, Mittelaltermusik oder eben auch mystisch-spirituelle Höhen und Tiefen liebt, der findet in dieser Scheibe eine wunderbare Symbiose, in die er oder sie sich fallen lassen kann.
Michael A. Schmiedel
 ROLF BEYDEMÜLLER: On A Tree Top
ROLF BEYDEMÜLLER
On A Tree Top
beydemueller.de
(Newhearland, nhl 003)
17 Tracks, 71:51


Diese Scheibe muss man lieben, allein wegen des erfreulich anziehenden Openers „Brothers“. So entspannt kam schon lange keiner mehr daher. Es ist eine Rarität, wenn ein exzellenter Gitarrist darauf verzichtet zu zeigen, was er an Technik zu bieten hat. Rolf Beydemüller gleitet in die tiefen Schichten seiner Verbundenheit mit dem, was sein Herz berührt. On A Tree Top ist Programmmusik vom Feinsten. Beydemüller widmet dieses Album dem Siebengebirge, dem „achten Weltwunder“, wie Humboldt schwärmte. Man glaubt sie zu hören, die vielen kleinen Wasserläufe, die ins Tal hinab zum Rhein züngeln. Er ist ein Weltreisender, der seine Heimat kennt. Getragen von seelenverwandten musikalischen Wegbegleitern pendelt er in jazzigem Flow und südamerikanischem Flair mit bezaubernder Gelassenheit zwischen klassischer Gitarre, feenhaft wundervollem New Age und Weltmusik. „Landscape Five“ mit hinreißend treibender Bassrhythmik wird zum Klangteppich, auf dem Beydemüller fliegend seine hörschöne Gewandtheit auf der Sologitarre entfaltet, gefolgt von einem begehrlichen Tremolo südlicher Sonne in „The Secret Garden“. Er landet formvollendet in der dritten Variation seiner Komposition „Home“. Traumhaft und absolut hörenswert.
Stefan Sell

 KAI DEUTSCH: Fern.Weh.Mut
KAI DEUTSCH
Fern.Weh.Mut
stadtstreicher-records.de
(Stadtstreicher Records CD 003)
11 Tracks, 36:47 , mit Texten, Akkorden u. Infos


Gäbe es einen Sonderpreis für liebevolle Alben, Kai Deutsch wäre Preisträger. So herrlich altmodisch, enthusiastisch, verschroben und unperfekt müssen Liederjan geklungen haben, als sie sich das erste Mal im Proberaum getroffen haben. Ein Freundeskreis aus dem bündischen Umfeld spielt deutsche Texte in bester Liedermachertradition ein. Es gibt keine Künstlerwebsite, dafür stehen die Akkorde im Booklet. Viele liebevolle Begleittexte unterstreichen das Herzensfeuer eines Amateurs. Jemand, der die Musik noch aus Leidenschaft spielt und nicht, um Massen von schlecht bezahlten Promotern zu beeindrucken. „Ich hab Liebe verschluckt“ lautet der Gruß, der einem direkt aus dem Booklet entgegenstrahlt, und dieses Strahlen durchzieht das Album. Jedes einzelne Stück, jedes einzelne Instrument überschwemmt den Hörer mit Liebe. Dieses Werk wird keinen Schallplattenpreis gewinnen und kein Majorlabel wird an die Tür klopfen, es gibt nicht einmal eine Tour. Aber können wir diese wunderschönen Songs und die Menschen, die dieses Feuer erzeugen, nicht wenigstens einmal irgendwo live sehen? Im Wohnzimmer oder in Rudolstadt? Bitte! Die Welt braucht Musiker wie Kai Deutsch.
Chris Elstrodt
 FRAUNHOFER SAITENMUSIK: Aufwind
FRAUNHOFER SAITENMUSIK
Aufwind
fraunhofersaitenmusik.de
(Trikont US-0483/Indigo)
14 Tracks, 47:24


Der ein oder andere wird nicht mehr mit einem neuen Album der bayerischen Musikinstitution gerechnet haben, nachdem die Gruppe im Jahr 2013 nach über drei Jahrzehnten des Bestehens den plötzlichen Tod ihrer Hackbrettspielerin Heidi Zink hinnehmen musste. Mit der Blockflötistin und Cellistin Michaela Schmidt als neuem Gruppenmitglied nahmen Richard Kurländer (Harfe, Salzburger Hackbrett, Streichpsalter, ungarische Hirtenzither), Michael Klein (Gitarre) und Gerhard Zink (Kontrabass) nach drei Jahren ihr elftes Album auf. Es ist ein heiter-melancholisches Album geworden mit typischer Fraunhofermusik. Volksmusik in schwierigen Zeiten lautete der Titel ihrer ersten Langspielplatte, mit der die Gruppe authentische alpenländische Volksmusik neu definierte. Die Band verschmilzt Musiken aus ganz Europa zu einer einzigartigen Klangfarbe, so auch auf dem neuen Album. Da erklingt ein schwedisches Liebeslied neben einer Polka aus dem Tessin, eine höfische französische Branle neben einem Instrumentalstück der Gruppe Liederjan und eine Mozart-Komposition trifft auf eine dänische Fynsk Polka. Man lauscht der Musik und fühlt den Wind unter den Flügeln. Gut, dass es euch gibt, Fraunhofer Saitenmusik.
Ulrich Joosten

 KLAUS HOFFMANN: Leise Zeichen
KLAUS HOFFMANN
Leise Zeichen
klaus-hoffmann.com
(Stille-Music 039-2/Indigo)
16 Tracks, 52:15 , mit Texten


Vor über vierzig Jahren erschien seine erste LP, seit diesem Jahr kann er Rente beziehen, und so beginnt das neue Album von Klaus Hoffmann mit einem flotten Rückblick in die Siebzigerjahre – „So lang her“. Das sind die Jahre, die ihn geprägt haben, und von diesen Prägungen und Erinnerungen zehrt er noch heute. Ohne dass es eine nostalgische Produktion wäre, fließen viele dieser Empfindungen, Erinnerungen, Haltungen und Erfahrungen in seine Lieder und Geschichten ein. Wenn er „Die Geschichte meiner Lieder“ besingt, werden die Kleinigkeiten aus seinem Leben erahn- und erkennbar, die seine Lieder oft initiierten. Liebesverhältnisse werden besungen, Fantasien beschrieben, und seine Heimatstadt Berlin macht ihn verrückt, sie ist „die Mutter seiner Lieder“. Auch die Hoffnung auf eine bessere, solidarische Welt ist bei ihm nicht erloschen, und den syrischen Flüchtlingen gilt seine Sympathie. Es ist eine thematisch und auch musikalisch vielseitige Produktion geworden, beim Berlin-Lied „Du machst mich immer noch verrückt“ trägt Till Brönner das Seine zum Klang bei. Ein sehr schönes Album, mit dem er nächstes Jahr wieder auf große Tournee gehen wird.
Rainer Katlewski
 GEORGE LEITENBERGER: Autovía
GEORGE LEITENBERGER
Autovía
georgeleitenberger.com
(Nuit Blanche Recordings MRM 1601/Phonector)
11 Tracks, 67:45 , mit dt./engl./fr. Texten, dt. Begleittext u. engl. Infos


15 Minuten und 46 Sekunden „Von wegen“ mit ihrer exzessiven Sprengung des üblichen Formats – die seelenruhige Drift einer Kinogängerin durch ihre Erinnerungen nach einem Film Claude Sautets mit Yves Montand, Michel Piccoli und Serge Reggiani – sind nur die Klimax zum krönenden Abschluss eines auch darüber hinaus außergewöhnlich poetisch flanierenden Singer/Songwriter-Albums. Aber eine, die ihresgleichen sucht. Meisterhaft hat der Wahlschweizer George Leitenberger die Autovía-Fahrt seines fünften Albums zwischen zwei Gegenpole gespannt. Zwei Gegenpole – frei und mit Muse reisen, konkret wie in Gedanken; Theorie und Praxis der sogenannten freien Welt –, die auf den ersten Blick kaum zusammenzugehören scheinen, es auf den zweiten aber tun wie Yin und Yang, Mann und Frau, Gut und Böse. Wer sich beobachtet fühlt, hat seine Freiheit schon halb verloren, wie Edward Snowden im Booklet sinngemäß zitiert wird. Nicht so offenbar George Leitenberger, der, getragen von seiner Band, mit einer ebenso stabilen wie betörenden Leichtigkeit zwischen Bodenhaftung und träumerischer Luftgeisterei schwebt. Ein packendes Plädoyer für die Freiheit in jeder Beziehung – gut, dass wir mal wieder darüber geredet haben.
Christian Beck

 JOSEPH MYERS: Against The Sea
JOSEPH MYERS
Against The Sea
josephmyers.de
(Timezone TZ1170)
11 Tracks, 38:22 , mit Texten u. Infos


Folkpop ist schwer angesagt. Künstler wie The Tallest Man On Earth stehen mit zumeist akustischer Gitarre auf der Bühne, begleitet von sparsam eingesetzter Begleitung oder auch ganz alleine. Das Reeperbahnfestival ist voll von Folkpopkünstlern, und jedes große Open Air hat gleich mehrere dieser Acts im Line-up. Wie kann Joseph Myers sich gegenüber dieser überwältigenden Konkurrenz absetzen? Auch er bedient sich der Elemente, die schon Neil Young zum Erfolg geführt haben. Sanfte Gitarrenklänge, ein behutsames Klavierarrangement, und wenn es romantisch wird, auch mal ein Dreivierteltakt. Es sind Songs. Wunderschöne, traditionelle Songs, die Joseph Myers uns präsentiert, mit Strophe und Refrain und sehr persönlichen Texten, die zum Mitsingen einladen. Sein Verhältnis zu den Großeltern wird in elf Liedern zu einer einzigen Liebeserklärung. Myers berührt das Herz, und letztlich kommt es genau darauf an. Die Tränen laufen, weil die Songs so unfassbar nahegehen. Man möchte den geliebten Partner vor die Boxen zerren und die Gefühle mit ihm teilen oder die Gitarre herausholen und in eigenen Erinnerungen versinken. Joseph Myers bewegt und macht glücklich.
Chris Elstrodt
 RINGSGWANDL: Woanders
RINGSGWANDL
Woanders
ringsgwandl.com
(Capriola/Blanko Musik/Sony Music Entertainment 88985355802)
11 Tracks, 41:10 , mit dt. Texten u. Infos


Der Einstieg ist Programm: „Sitz de her, sei mein Freind und trink mit mir aus oan Kruag, und erzähl’ und erzähl’, wo du scho warst auf der Welt.“ Intimer ist kaum vorstellbar – ihr enorm einfühlsames, vor Spielfreude sprühendes federleichtes Musizieren, das schon Untersendling und Mehr Glanz! auszeichnete, bringen Ringsgwandl und Band mit Woanders noch einmal auf einen zusätzlichen Höhepunkt. Weitgehend reduziert auf rein akustische Instrumente – mit ein paar elektrischen Gitarren – kommen sowohl Ringsgwandls sagenhaft zarte und anrührende Texte als auch die offensichtliche tiefe Hingabe aller Beteiligten an ihre Musik, kaleidoskopisch changierende Americana mit einem kräftigen Schuss Afrika, noch einmal einen Zacken schärfer zur Geltung als im normalen elektrischen Gewand. Die Liebe, große Lust auf die Welt und was man – „Host deine Fiaß scho moi in Ganges neighängt“ – in ihr alles so finden kann, wenn man will. Bekloppte bayrisch-chauvinistische Befindlichkeiten. Und keinerlei Scheuklappen vor nichts: „Sie müsste längst woanders sein, doch ihr fällt nichts Gutes ein. / So wie es ist, ist es furchtbar, doch anders darf’s nicht sein“. Schluck; es wird einem kalt – und warm.
Christian Beck

 STOPPOK: Operation 17
STOPPOK
Operation 17
stoppok.de
(Grundsound GS0036/Indigo)
11 Tracks, 43:55 , mit dt. Texten u. Infos


Kein brüllendes „Wenn du weggehst“ mehr auf Album Nummer 17, kein „Schwafel nicht“ mitten vore Omme, nicht einmal mehr ein kleines „Ich arbeitete“ mit seinen schnippisch-freundlichen Watschen. Stefan Stoppok, die Pottschnauze unter den Liedermachern, ist – „Man weiß es nicht“, „Das Leben verläuft“, „Planlos durch das All“ – bei einer geradezu entrückten Akzeptanz jeglicher Realität angekommen. Überwindet, indem er auch noch den letzten Widerstand aufgibt – „Friss den Fisch“. Notfalls höchstens flüchtet – aus Orten und Situationen wie in „Rausch ab“ und „Weg hier raus“; oder gleich in „Märchen“ und „2 wunderschöne Augen“. Deutlich tritt beim gerade sechzig Gewordenen zunehmend ein anderer Ton zutage als in jüngeren Tagen. Leiser? Gelassener? Kraftloser? Resignierter? Jedenfalls mit weniger Druck auf dem Topf als früher mitunter, sowohl thematisch als auch musikalisch oder zumindest, was Produktion und Darbietung betrifft. Karrieren verlaufen in Phasen, Lebensbögen und -bilder runden sich, zum Abschluss der Operation steht Stoppok in Danny Dziuks „Regen“ – und fühlt sich dort offensichtlich gar nicht unwohl. Nicht mehr weit hin, und er wird sich in reiner Weisheit auflösen. Und Wohlgefallen …
Christian Beck
 MATYAS WOLTER & SANJIB PAL: Five Ragas & Four Talas
MATYAS WOLTER & SANJIB PAL
Five Ragas & Four Talas
matyasitar.de
sanjib-tabla.com
(T3records T3 1032-2 /Galileo MC)
7 Tracks, 74:21 , mit engl. Infos


Alben mit Indischer Klassik sind rar geworden. Die jungen indischen Musiker bevorzugen Crossoverprojekte oder Filmmusiken, und die alten haben sich aus Altersgründen zurückgezogen oder diesen Planeten bereits verlassen. Also halten in Indien ausgebildete „Westler“ wie der Potsdamer Sitarvirtuose Matyas Wolter die Tradition hoch. Korrekterweise muss man allerdings hinzufügen, dass auch Wolters primäre Musikaktivität nicht der indischen Klassik gilt, sondern dem zu Recht hochgelobten Pulsar Trio. Dennoch, seine Leidenschaft für die Musik des Subkontinents mündet immer wieder in viel beachtete Konzerte und Tonträger. So enthält auch sein zweites Album fünf virtuos dargebotene Ragas, die ihn als Sitarspieler auf Augenhöhe mit den Großen des Genres präsentieren. Im Gegensatz zu den „alten Meistern“ wie Ravi Shankar oder Vilayat Khan strukturiert Wolter die Ragas allerdings recht kompakt, was zu Gesamtspielzeiten führt, in denen die erstgenannten allenfalls die „Alap“ genannte Einführung in einen Raga eingespielt hätten. Doch bevor jetzt jemand „Häppchenklassik, indisch“ ruft: Das Album Wolters und seines Duopartners Sanjib Pal (Tabla, Pakhawaj) ist ein tadelloses Stück indischer Tradition.
Walter Bast

Europa
 ALLAN YN Y FAN: NEWID
ALLAN YN Y FAN
NEWID
ayyf.co.uk
(Steam Pie Records SPCD10185)
12 Tracks, 45:22 , mit engl. Infos u. walis. Texten


Wir wissen es wahrscheinlich nicht, aber der Titel des Albums ist das walisische Wort für „Wechsel“, während es im Englischen für „neue Identität“ stehen könnte, und das Schönste ist, der Titel passt. Ein neuer Fiddler (Alan Cooper) und eine neue Leadsängerin (Catrin O’Neill) machen die sechste Veröffentlichung des Septetts zu einer besonderen. O’Neill hat eine Stimme mit sinnlicher Ausstrahlung und singt trotz irischen Namens natürlich in Walisisch. „Y Gaseg Felen“ ist ein besonders hübsches Beispiel. Vielleicht hätte die Gruppe die anderen vier Stimmen dennoch ein wenig häufiger einsetzen können, weil sie alle gut singen können. Aber eines bleibt: Instrumentell sind Allan Yn Y Fan blendend aufgelegt. Nicht im Sinne von Solisten, die das Scheinwerferlicht suchen, sondern als Teamplayer, die einen kraftvoll-mitreißenden Gesamtklang mit Gitarre, Bass, Bouzouki, Flöten, Whistles, Fiddle, Akkordeon und Bodhrán erzeugen. Kate Strudwick ist als Gegenpol mit „Tune For Lilian“ erneut ein wunderbar elegisches Instrumental gelungen. Wohl das bislang beste Werk der Damen und Herren aus Wales. Und es ist hübsch zu lesen, dass eine Band von der Insel dem „Folker magazine“ dankt. Da danken wir doch glatt zurück.
Mike Kamp
 MARCELA ARROYO & ANDREAS ENGLER & DANIEL SCHLÄPPI (PUERTA SUR): Tres Mil Uno
MARCELA ARROYO & ANDREAS ENGLER & DANIEL SCHLÄPPI (PUERTA SUR)
Tres Mil Uno
marcela-arroyo.ch
andreasengler.ch
danielschlaeppi.ch
(CATWALK CW 160016-2)
15 Tracks, 54:46 , mit engl. Infos


Wie schon mit seinem Debüt 2009 weiß dieses Schweizer Tango-Jazz-Kammermusik-Trio auch mit diesem Nachfolgealbum zu überzeugen. Erneut nehmen sich die Wahlzüricher Sängerin, der Geiger und der Kontrabassist – beide aus Bern – kunstvoll mehr oder weniger bekannter, nicht nur dem Tangorepertoire zugehöriger Stücke auf eigene, teils unerhörte Weise an. Arroyos anmutiger, sich in diverse Liedkulturen, vor allem aber den Soundtrack ihrer Heimatstadt Buenos Aires wunderbar einfühlender Gesang führt intime, feinnervig gesponnene Zweier- bzw. Dreiergespräche mit ihren beiden virtuosen Mitstreitern. Ganz nach dem Weniger-ist-mehr-Prinzip setzen sie ihr Spiel geschickt und gut dosiert ein, sorgen vielfach für reizvolle, überraschende Akzente. Ein kleines Überraschungsmoment liefert auch das einzige nicht spanische Lied des Albums, die zunächst von Jasmin Tabatabai realisierte Interpretation von Tucholskys „Sie, zu ihm“. Daneben stößt man auf so emblematische Kompositionen wie den Candombe des populären Afrouruguayers Rubén Rada, „Tengo Un Candombe Para Gardel“ oder den vielfach intonierten, hier in neuem Licht erstrahlenden peruanischen Walzer „Fina Estampa“ aus der Feder von Chabuca Granda.
Katrin Wilke

 BAZAR BLÅ: Twenty
BAZAR BLÅ
Twenty
bazarbla.com
(Bazaarpool/Eigenvertrieb)
12 Tracks, 66:50 , dt. Info


Seit zwanzig Jahren spielen sie nun als Trio zusammen und legen jetzt nach einer schöpferischen Pause zu ihrem Jubiläum ihr sechstes Album mit einem neuen Repertoire vor. Johan Hedin spielt Sopran- und Oktav-Nyckelharpa, Björn Meyer eine sechssaitige akustische Bassgitarre sowie eine Bassmandola, womit er den Bass um viele musikalische Möglichkeiten erweitert, und der Percussionist Fredrik Gille webt seine weltweit aufgespürten Traditionen und Spieltechniken in den rhythmischen Klangteppich der Gruppe. Heraus kommt avantgardistische Weltmusik, obwohl in jedem Stück die schwedischen Traditionen nicht nur spürbar, sondern auch hörbar sind. Das mag an dem schwedischen Nationalinstrument Nyckelharpa liegen, an den Molltönen, oder auch an der ruhigen zurückhaltenden Spielweise. Ein derartiges Klangerlebnis kann man nur produzieren, wenn man viele Jahre zusammenspielt. Hedin ist übrigens Teil des Duos Hazelius Hedin (Mandola/Gitarre, Gesang, Nyckelharpa), das mit seiner etwas gefälligeren Musik weitaus öfter auf den Bühnen erscheint als Bazar Blå. Seit Beginn hat die Gruppe viele skandinavische Musiker beeinflusst, und es ist schon etwas seltsam, dass hierzulande nur Skandinavienkenner etwas über sie wissen.
Bernd Künzer
 DAMIAN CLARKE: Something To Say
DAMIAN CLARKE
Something To Say
damianclarke.co.uk
(Vox Pop Records VOX030)
14 Tracks, 62:59 , mit engl. Texten


Manche Alben rezensieren sich sozusagen von selbst, andere wiederum sind harte Arbeit. Das liegt am Einerseits und Andererseits, was sich auch beim fünften Hören nicht in Luft auflöst. Klar sind die Fakten: Der Engländer Damian Clarke gründete 1986 die Folkrockband Pressgang, mit der er jahrzehntelang erfolgreich tourte, auch hierzulande. Nun hat er sein drittes Solowerk veröffentlicht, auf der er Hackbrett, Drehleier, keltische Harfe, Gitarre und Keyboards spielt – und singt. Einerseits ist das Hackbrett sein Hauptinstrument, das ihm am Herzen liegt und das er verbreiten möchte. Also wird es fast durchgängig gespielt und sorgt für einen sehr hochtönigen, flirrenden Sound, der Begleitinstrumente und den meist halligen Gesang oft verdrängt, zumindest so, wie der Tonträger aufgenommen und abgemischt ist. Andererseits explodiert Damian förmlich vor Kreativität, schreibt eindringliche autobiografische Lieder und malt überdies auch noch begleitende Bilder. Da fließt so viel wunderbare künstlerische Energie, dass jede Liveshow ein Erlebnis wird. Ein einfühlsamer Produzent mit gutem Ohr für natürliche Klänge hätte aus der CD ein Juwel gemacht. So ist es eher ein Rohdiamant.
Mike Kamp

 KIM EDGAR: Stories Untold
KIM EDGAR
Stories Untold
kimedgar.com
(Quietly Fantastic Music QFM004)
12 Tracks, 41:09 , mit engl. Texten


In deutschen Landen ist sie bekannt als Piano spielendes und singendes Mitglied der erfolgreichen Irish-Folker Cara, aber zu Hause in Schottland hat sich Kim Edgar schon seit Jahren als eigenständige Singer/Songwriterin profiliert. Bei der deutschen Verbindung verwundert daher auch nicht, dass Edgar das Album zu Teilen im Artes-Tonstudio sowie in Schottland bei dem beliebten Produzenten Mattie Foulds aufgenommen hat. Edgar ist keine Songwriterin, die sich gerne in der Mitte der Straße bewegt, und das bezieht sich auf ihre musikalische Ausdrucksweise ebenso wie auf die Themen ihrer Songs. Bei „Significant Other Deceased“ zum Beispiel braucht sie textlich nur drei knappe Vierzeiler, um die Geschichte und Gefühle einer Soldatenwitwe auf den Punkt zu bringen, die dann passend mit Streichern arrangiert wird. „The Whole Rainbow“ greift die aktuelle Lesbian-Gay-Bisexual-Transgender-Thematik auf und adressiert ein Neugeborenes mit den Wünschen, dass es frei entscheiden möge, welchem Geschlecht es angehören möchte, schließlich besteht der Regenbogen auch aus mehr als zwei Farben. Keine einfachen Themen und keine eingängigen Liedchen, aber bei Edgar gilt das alte Mantra definitiv: Das Album wächst mit jedem Hören.
Mike Kamp
 GOITSE: Inspired By Chance
GOITSE
Inspired By Chance
goitse.ie
(Goitse CDs/GSECD4)
10 Tracks, 41:46


Die junge irische Band Goitse präsentiert ihre immerhin vierte Produktion. Mit viel musikalischem Grundverständnis und einem feinen, eher zurückhaltenden Rhythmus liefern sie auch hier wieder eine weitgehend makellose Aufnahme. Sängerin Áine McGeeney bedient einen mädchenhaft sanften Sopran und besticht mit reifem Fiddlespiel, die übrigen Kollegen zeigen auch allesamt sehr konzertante Beiträge auf Akkordeon, Piano, Guitar, Banjo und Percussion. Ein abwechslungsreiches modernes Album mit interessanten Stücken und einigen speziellen Klangkombinationen, etwa, wenn das Banjo die Rhythmusbegleitung übernimmt. Bisweilen fehlt ein bisschen der „Abgeh“-Faktor, an manchen Stellen würde etwas mehr lebendige Rasanz guttun, was aber eher Herzsache sein mag als echte musikalische Kritik. Im Orbit kreisen noch zahllose weitere junge irische Bands von gleichem Format. Sich inhaltlich-musikalisch abzuheben, ist wohl in der Tat auch sehr schwierig. Nein, Goitse machen das gut (Anspieltipps: „Chance“ – wunderbar fetzige Slides – und der träumerische Song „The Hills Of Sweet Lislea“). Hinhören empfohlen.
Johannes Schiefner

 KAYHAN KALHOR/AYNUR/SALMAN GAMBAROV/CEMÎL QOÇGIRÎ: Hawniyaz
KAYHAN KALHOR/AYNUR/SALMAN GAMBAROV/CEMÎL QOÇGIRÎ
Hawniyaz
kayhankalhor.net
aynurdogan.net
salmangambarov.jazz.az
facebook.com/cemilqocgirimusic
(Harmonia Mundi Music HMC 905277)
5 Tracks, 57:31


Der Titel dieses Albums bedeutet so viel wie „zusammen“ oder „die Menschen sind aufeinander angewiesen“. Hawinyaz ist ein kurdisches Wort, das nicht treffender das Zusammenspiel dieser vier hochklassigen Musiker aus vier unterschiedlichen Kulturen bezeichnen könnte. Was 2012 mit einer zufälligen Begegnung beim Morgenland-Festival in Osnabrück sowie einer ersten daran anschließenden improvisierten Session begann, hat sich zu einem außergewöhnlichen Projekt entwickelt. Der iranische Virtuose auf der Stachelgeige Kamancheh Kayhan Kalhor, die renommierteste kurdische Sängerin Aynur, der vielseitige aserbaidschanische Jazzpianist Salman Gambarov und der in Duisburg geboren kurdische Spezialist auf der Langhalslaute Tenbur Cemîl Qoçgirî haben eine eigene musikalische Welt voller Intensität, Zartheit und Harmonie kreiert. Vom ersten Ton an zieht sie den Hörer in den Bann. In den traditionellen Liedern, deren Themen Liebe, Vertreibung, Krieg und Nomadentum aktueller denn je sind, vereinen die vier Musiker kurdische und persische Traditionen mit den Elementen des Jazz. Sie leben Musik, die in die Tiefe strebt und demonstriert, wie belebend es für die Menschheit ist, wenn unterschiedliche Kulturen sich verbinden.
Erik Prochnow
 ANGELO KELLY: 10 Years
ANGELO KELLY
10 Years
angelokelly.com
(Flowfish Music FF0097/Broken Silence)
3 CDs, CD 1: 20 Tracks, 73:00, CD 2: 12 Tracks, 38:00, CD 3: 14 Tracks, 51:00) , mit engl. Infos


Angelo Kelly, ehemaliger Kinderstar der vor allem im Deutschland der 1990er extrem erfolgreichen irischstämmigen Familienfolkband Kelly Family, veröffentlicht seine musikalischen Memoiren. Auf drei CDs, die Liveaufnahmen (darunter zahlreiche bisher unveröffentlichte Songs) mit einigen im Studio entstandenen Einspielungen paart, spielt und singt er solo oder in großer Besetzung im Kreis seiner Familie (Frau und seine bis dato vier geh- und singfähigen Kinder) Klassiker der Rockgeschichte und irischer Folklore sowie eigene Kompositionen. Letztere sind vor allem intime Oden an seine Familie, Freunde und seinen Glauben, die Kelly mal in getragenen Balladen, mal in rockigen Hymnen interpretiert. Am stimmigsten sind jedoch die solistisch gesungenen Cover von Folksongs, etwa „Scarborough Fair“, das besonders durch die Beigabe von irischer Flöte, Uilleann Pipes und Fiddle gewinnt. Man darf nur hoffen, dass Kelly in seiner Karriereplanung seine noch unmündigen Kinder mit Umsicht der medialen Öffentlichkeit aussetzt und dass die Vermarktung seiner Familie inklusive Inszenierung in volkstümlicher Kleidung nicht nur dem Profit dient. Aus eigener, sicher oft leidvoller Erfahrung sollte er wissen, dass Kinderruhm seine Schattenseiten hat.
Judith Wiemers

 KENT NIELSEN: Shotgun Seat DJ
KENT NIELSEN
Shotgun Seat DJ
facebook.com/kentnielsenofficial
(Viking Wreckchords VW 130/Finetunes)
15 Tracks, 48:56 , mit Texten u. Infos


Hin und wieder müssen alte Männer einfach zeigen, wo der Hammer hängt, der Jugend beibringen, wie Musik funktioniert, was einen guten Song ausmacht und wie eine Produktion so klingt, dass man sie immer und immer wieder hören möchte. Kent Nielsen ist gar nicht so alt, hat aber schon so ziemlich alles erlebt, was man in Sachen Musik erleben kann. Manche kennen ihn vielleicht von One Bar Town, andere als Labelchef oder als streitbaren Verfechter von handgemachter Musik. Und jetzt, nach all diesen Jahren, das erste Soloalbum, das erste Werk unter eigenem Namen. Selbst produziert und per Crowdfunding finanziert. Mit einem Schwerpunkt auf eigenen Songs, begleitet von alten Weggefährten, bewegt sich der Sänger zwischen den Hot Rods und Calexico. Musik muss rau klingen und von Herzen kommen, selbst wenn man sich an Glen Campbells Songs vergreift. Die Kraft der Lieder ist enorm, und die traditionelle Bandbesetzung hat immer noch ihren Platz. Man möchte die Stücke laut hören, und obwohl Kent Nielsen formal Folk oder zumindest Americana spielt, laden die Songs zum Headbangen ein. Folk muss nicht nett sein, und die musikalische Welt besteht auch heute nicht nur aus traurigen Liebesballaden. Kent Nielsen sei Dank.
Chris Elstrodt
 ORPHANED LAND & AMASEFFER: Kna’an
ORPHANED LAND & AMASEFFER
Kna’an
orphaned-land.com
amaseffer.com
(Century Media Records 88985348542)
13 Tracks, 38:59 , mit Fotos


Mitunter erreicht Ungewöhnliches die Redaktion des Folker. Metal aus Israel in einer Fachzeitschrift für Weltmusik? Nun, Fakt ist, dass sich Kobi Farhi (voc) von der Heavy-Metal- Band Orphaned Land (gegründet 1991) sowie Erez Yohanan (perc) von Amaseffer (2004), ein hebräisches Wortspiel auf das „Volk des Buches“, des Projekts Kna’an („Kanaan“) annahmen. Dabei handelt es sich um eine im September 2014 im Landestheater Memmingen uraufgeführte Heavy-Metal-Oper des Kirchenmusikers und Musikwissenschaftlers Werner Grimmel (geb. 1952), die die Wanderung des biblischen Abrahams durch die Wüste beschreibt. Die dreizehn Titel dieses Albums, allesamt komponiert von den beiden bereits Genannten und Chen Balbus (g), ergeben gewissermaßen ein Konzeptalbum zum Theaterstück, musikalisch weiter unterstützt von Idam Amsalem (g), Uri Zelha (b) sowie Matan Shmuely (perc). Überraschenderweise klingt Heavy Metal wie etwa in „The Burning Garden“ eher selten an, vielmehr machen weich-melodiöse Stücke wie „A Tree Without No Fruit“ dieses nun vertonte Projekt zu einem abwechslungsreichen Hörerlebnis. Dem sonst bildreichen Begleitheft fehlen leider nicht nur ein kurzer Abriss zu den einzelnen Bühnenbildern, sondern auch die hebräischen und englischen Texte.
Matti Goldschmidt

 MUCHACHITO: El Jiro
MUCHACHITO
El Jiro
muchachitobomboinfierno.com
(El Orfanato Electrico OE04CD/Galileo MC)
11 Tracks, 39:36 , mit span. Texten u. Infos


Aus der sich teilweise doch geradezu formelhaft wiederholenden Barceloner Mestizoszene hebt sich der kleine quirlige Katalane bis heute mit sympathischer Unverwechselbarkeit ab. Nicht, dass der einundvierzigjährige Gitarrist mit der Reibeisenstimme von Album zu Album das Rad neu erfinden würde. Seine von Rumba Catalana, Funk, Rock und Swing gespeisten Hochgeschwindigkeitssongs haben von jeher eine so eigene Energie, dass sie nicht unbedingt großartige Mutationen brauchen. Und doch macht das vierte Album einen hörbaren Schwenk hin zu mehr Elektronik und ein wenig weg von der zuvor strikter kultivierten Rumba Catalana. Diese Wendung (span. giro) steckt im Albumtitel wie auch der Vorname des Musikers Jairo Perera. Bevor der einstige Straßenmusiker 2005 mit seiner Band Muchachito Bombo Infierno startete, machte er schon mit Trimelón de Naranjus von sich reden. Die urig-fröhliche „street credibility“ hat der deutlich gereifte Muchachito sich und seiner Musik allemal bis heute hör- und gerade auch in seinen lebhaften Konzerten sichtbar bewahrt. Auf einer Tour namens „La Maqueta“ („Das Demo“) testete er übrigens die neuen Songs, bevor sie zwischen Madrid und Jerez im Studio aufgenommen wurden.
Katrin Wilke
 SARAH-JANE SUMMERS & JUHANI SILVOLA: Widdershins
SARAH-JANE SUMMERS & JUHANI SILVOLA
Widdershins
sarahjanejuhani.com
(Nordic Notes NN083)
11 Tracks, 36:37 , mit engl Infos


Das Schöne an einem Zweitling ist, dass er den Hörern die Möglichkeit bietet, Entwicklungen nachzuvollziehen. Widderschins zeigt das überdeutlich. Das schottisch-finnische Ehepaar aus Oslo lotete bei seiner Albumpremiere vor drei Jahren ganz offensichtlich vorsichtig seine Möglichkeiten mit Gitarre und Fiddle aus. Gekonnt zwar und mit ein paar stimmungsvollen Melodien, aber alles im Bereich das Konventionellen. Widdershins dagegen ist selbstbewusst und zum Bersten voll mit kreativen Ideen für beide Instrumente, die gleichberechtigt agieren. Nehmen wir hier nur mal das Titelstück, eine Komposition von Sarah-Jane Summers: Eine nette Melodie mit ein paar perlenden Noten, und es dauert eine knappe Minute, bis die Fiddle das erste Mal dezent grollt und die Gitarre sie spielerisch herausfordert. Und die Fiddle antwortet, zuerst furios, nimmt sich zurück, um dann nur noch intensiver zuzuschlagen, Jimi Hendrix auf der Fiddle – und im Schlussteil spaziert die Melodie schon fast arrogant von dannen. Ähnliche Geschichten erzählt jeder Track dieses großartigen Albums, und auf die Handvoll Konzerte in Deutschland Anfang Dezember kann man sich jetzt schon freuen. Intensive Erlebnisse werden das.
Mike Kamp

 WE BANJO 3: String Theory
WE BANJO 3
String Theory
webanjo3.com
(Eigenverlag WB3CD004/)
12 Tracks, 44:28 , mit engl. Infos


Diese Stimme! Diese Banjos! Die vielfach ausgezeichnete irische Band We Banjo 3 präsentiert auf ihrem nunmehr vierten Album den bis ins letzte Detail perfektionierten Stilmix zwischen irischer Folklore und amerikanischem Bluegrass und setzt dem Ganzen als Kronleuchter noch die Stimmschönheit des Leadsängers David Howley auf. Die im Namen verankerte Besonderheit der Gruppe ist die Banjo-Dreierspitze, die durch weiteres Saiteninstrumentarium (Mandoline, Geige, Bratsche, Kontrabass, Gitarre) ergänzt wird und die sich von anderen zeitgenössischen Irish Folk Bands abhebt. Die Arrangements von amerikanischen Old-Time-Tunes und neu komponierten, in der Tradition irischer Folklore stehenden Stücken (etwa Ryan Molloys „Crann Na Beatha“) sind gepfeffert mit virtuosen Banjopickings, lässig hingeworfenen Blueskalen, Choppingeffekten und haarsträubend rasanten Duetten – oder besser gesagt Duellen? – zwischen Banjo, Geige und Gitarre („Kentucky Grind“). Die technische Finesse dieser Band kommt besonders in den schnellen Jigs und Reels zur Geltung, und instrumenteller Exzess macht die eingeschobenen, seelenvoll interpretierten Songs (etwa „This Is Home“ oder „Little Liza Jane“) besonders wirkungsvoll. Wundervoll.
Judith Wiemers



Nordamerika
 JENNY BERKEL: Pale Moon Kid
JENNY BERKEL
Pale Moon Kid
jennyberkel.com
(Pop-Up Records/Cargo Records)
11 Tracks, 36:28


Nach einer EP im vorigen Jahr nun das Debütalbum von Jenny Berkel aus Kanada. Als Tourmitglied in der Band von Daniel Romano hat sie bereits einiges von der Welt gesehen. Wohl deshalb hat es einige Zeit gedauert, bis sie ihre eigenen Songs hat einspielen können. Produziert hat Romano, was sich deutlich in der Musik niederschlägt, doch steht bei Berkel nicht Countryflavour im Vordergrund, sondern eine scheu wirkende, verhaltene Intimität. Häufig sind nur ihre leicht rauchige Stimme und die akustische Gitarre zu hören, wobei sie leicht an eine Art weiblichen Leonard Cohen erinnert. Berkel hingegen bestreitet seinen Einfluss. Stattdessen bezeichnet sie Rainer Maria Rilke als wichtigen Einfluss und ihren Lieblingsdichter. Tatsächlich legt Berkel sehr viel Wert auf die Texte ihrer Songs. An deren Umsetzung in Musik feilt sie lange. Herausgekommen ist mit Pale Moon Kid ein verhaltenes Album. Gelegentlich wird sie von einer Band begleitet, was der Musik manchmal eine oberflächliche Glätte verleiht. Am stärksten wirkt Berkel in ihren stillen Momenten, wenn sie allein zur Gitarre singt, da ist sie ganz bei sich, und die zauberhafte Atmosphäre ihrer Songs kommt voll zum Tragen.
Michael Freerix
 KIMBERLY HAYNES: Awaken Me
KIMBERLY HAYNES
Awaken Me
musicmedicinewoman.com
(Wise Old Owl Records KHM - 9113/The Creative Service Company)
11 Tracks, 64:13


Musik als Heilung und für einen inneren Frieden in einer von Stress geplagten Welt. Das ist der Anspruch der amerikanischen Singer/Songwriterin Kimberly Haynes. Ausgebildet in Jazzgesang, Improvisation und Komposition, leitet die Musikerin heute eine eigene Praxis, in der sie nicht nur Gesangsunterricht und Workshops gibt, sondern die Stimme auch als Instrument der Heilung einsetzt. Nebenbei hat sie nun ihr Debütalbum aufgenommen. Mit glasklarer, kräftiger und berührender Stimme präsentiert sie elf eigene Songs über die Höhen und Tiefen ihres Lebens, die zugleich Wegweiser für andere sein sollen. Haynes bezeichnet ihre musikalisch und textlich ausdrucksstarken Kompositionen als Gebete. Von Folk und Pop über Jazz bis zur Weltmusik demonstriert sie ihre Kreativität in unterschiedlichsten Stilen. Unterstützt wird sie dabei vom Multiinstrumentalisten David Vito Gregoli und renommierten Musikern wie Peter Kater, Tina Malia, Ken Stacey, Christo Pellani oder Jesus Florido.
Erik Prochnow

 ITASCA: Open To Chance
ITASCA
Open To Chance
itascalosangeles.com
(Paradise Of Bachelors Records/Cargo Records)
11 Tracks, 41:29


Hinter Itasca verbirgt sich die junge US-amerikanische Songschreiberin Kayla Cohen, die 2012 mit Grace Riders On The Road ihr Debütalbum veröffentlichte – auf dem, gerade in der Off-Szene, wieder sehr trendigen Medium Kassette. Damit hat sie sich von vornherein dem Underground zugeordnet. Sie entwickelt ihr Ding für sich, zieht es für sich durch. Geld und Erfolg stehen ganz hinten an. Kayla Cohen steckt tief in einer folkloristischen Tradition, davon zeugt das Fingerpicking auf ihrer akustischen Gitarre. Geradezu scheu singt die junge Frau dazu. Ihre Musik wirkt überaus privat, mehr für sich selbst und ein paar Freunde gemacht. Balladen sind Cohens Metier, gelegentlich tauchen im Arrangement eine Pedal-Steel-Gitarre oder eine elektrische Gitarre auf, durch deren Präsenz ihre nicht besonders eindrucksvolle Stimme etwas in den Hintergrund gedrängt wird. Open To Chance hat seine schönsten Momente, wenn Cohen ganz allein zu ihrer Gitarre singt und ihr Folkbewusstsein seine volle atmosphärische Kraft entfalten kann. Wenn schließlich noch Geige und Flöte in ihren Songs anklingen, wirkt sie ganz in ihrem Element. Da scheint dann der Geist von John Fahey vorbeizuschweben und zu sagen: „Take it away, Kayla!“
Michael Freerix
 MICHAEL HEARNE: Red River Dreams  SHAKE RUSSELL: Little Bright Band Of Light  MICHAEL HEARNE & SHAKE RUSSELL: Only As Strong As Your Dreams
MICHAEL HEARNE
Red River Dreams
michaelhearne.com
(Howlin’ Dog Records HDR-127)
12 Tracks, 40:28


SHAKE RUSSELL
Little Bright Band Of Light
shakerussell.com
(Howlin’ Dog Records HDR-126)
13 Tracks, 48:20


MICHAEL HEARNE & SHAKE RUSSELL
Only As Strong As Your Dreams
(Howlin’ Dog Records HDR-125)
11 Tracks, 42:12


Michael Hearne und Shake Russell scheinen so was wie beste Freunde und Kollegen zu sein. Songs schreiben sie gemeinsam, ihre jeweiligen Soloalben entstehen in enger Zusammenarbeit, und darüber hinaus treten sie auch noch als Duo auf. Sie sind sozusagen aus einem Holz geschnitzt. Schwer zu sagen, wo die Grenzen liegen, wo Mr. Hearne aufhört und Mr. Russel anfängt und umgekehrt. Sogar gesanglich unterscheiden sie sich kaum, harmonisieren auf allen Songs beinahe traumhaft. Songs und Arrangements aller drei Alben bewegen sich im Feld des traditionellen Country & Western, beim einen ist mal mehr die Mandoline zu hören, der andere legt wohl mehr Wert auf perfekt ausproduziertem Harmoniegesang. „One Song leads to another“ heißt es in einem Song, und es gibt wohl kaum trefflichere Beispiele als diese drei Alben. Hearne und Russell beflügeln sich gegenseitig und folgen musikalischen Visionen, die dicht beieinander liegen und eng begrenzt sind. Das Leben auf dem Land in harmonischen Familienzusammenhängen bildet die Grundstimmung. Es gibt Enttäuschungen und mancherlei Mühsal, doch diese lassen sich überwinden, und neuer Mut schöpft sich aus der Natur und den Grundfesten der doch stabilen sozialen Beziehungen, die in diesen Songs besungen werden. Unharmonisches wird ausgeblendet. Hearne und Russell machen Musik aus dem US-amerikanischen Herzland, wohl für Menschen, die dort leben oder ähnliche Lebensentwürfe verfolgen. Ihre Alben haben sie über Fundraising finanziert, was vermuten lässt, dass sie in ihrer Heimatstadt Alamosa in Colorado über eine stabile Fan- und Freundesbasis verfügen.
Michael Freerix

 DANIEL LANOIS: Goodbye To Language
DANIEL LANOIS
Goodbye To Language
daniellanois.com
(Anti/Indigo)
Promo-CD, 12 Tracks, 36:48


Ein neues Werk des Kanadiers Daniel Lanois ist immer eine Sensation, denn es versprüht Freiheit. Der geniale Gitarrist und Produzent, der einst das Klangprofil von U2 schuf, verlieh vielen großen Namen sein Klanggewand, darunter Bob Dylan, Brian Eno, Neil Young und Peter Gabriel. Stets weilt er dabei still und weise, einem Magier gleich, im Hintergrund und bleibt, so scheint’s, trotz seiner Popularität nur Insiderkreisen vorbehalten. Seit acht Jahren gilt seine Hingabe der Pedal Steel Guitar, die er liebevoll „die Kirche in meinem Koffer“ nennt. Mit ihr kreiert er ambitionierte Meditationsmusik wie meditative Ambientmusik im Breitwandformat. Lanois transformiert expressiv, doch ohne Worte die Musik der französischen Impressionisten ins 21. Jahrhundert. Er ist einer der bedeutendsten Gitarristen der Gegenwart, der ohne wimmelnd flinken Fingerhagel das Substanzielle des Klangs erfahrbar macht, ein Surfen auf Clusterwellen bewirkt, die den Hörer in ferne Sphären beamen. Lanois ist es gelungen, sein unlöschbares Wasserzeichen zu schaffen, eine unverkennbare Klangdichte, die viel Luft lässt für all unsere unaussprechlichen Gefühle. Warum sollte er sie missen, die Sprache? Goodbye To Language. Grandios.
Stefan Sell
 MANDOLIN ORANGE: Blindfaller
MANDOLIN ORANGE
Blindfaller
mandolinorange.com
(Yep Roc Records CD-YEP-2487/H’art)
Promo-CD, 10 Tracks, 39:29


Ruhe und Zurückhaltung zeichnen dieses Album aus, der fein dosierte zweistimmige Gesang, der sanfte Einsatz etwa von Mandoline und Pedal Steel. Die beiden Multiinstrumentalisten Emily Frantz und Andrew Marlin erweitern ihr Duoprojekt hin zu einer kompletten Band, in der offenbar jeder auf den anderen achtet und Feingefühl als oberstes Gebot gilt. Es hat nur eine Woche gedauert, das Album einzuspielen, was auf große Übereinstimmung deutet in dem, was schließlich als Ergebnis dasteht. Bluegrass, Country, Folk, um diese Pole kreisen die Songs, die voller Melancholie stecken, vom Vergehen der Zeit handeln und der daraus erwachsenden schmerzlichen Erkenntnisse. Die Vergangenheit lässt sich nicht ein zweites Mal leben. „When did all the good times turn to hard lines on my face / And lead me so far from my place right by your side?“, fragt sich Andrew Marlin auf „My Blinded Heart“. Zwischen die Balladen und sanften Shuffles passt auch ein vergleichsweise kerniger Rocker über das Leben auf Tour wie „Hard Travelin’“ – das Duo aus North Carolina integriert es organisch in seinen Klangkosmos, in dem auch E-Gitarren selbstverständlichen Platz finden. Eine reife Arbeit junger Menschen.
Volker Dick

 BRETT NEWSKI: Land Air Sea Garage
BRETT NEWSKI
Land Air Sea Garage
brettnewski.com
(Make My Day Records, MMD 101)
11 Tracks, 37:00 , mit engl. Texten


Erfrischend, selbstironisch, unbekümmert und zupackend ist das neue Album von dem Mann aus Milwaukee. Indiepopfolk mit luftigen Arrangements, eingängig, aber nicht banal, bunt, aber nicht kitschig. Brett Newski nimmt die Sache ernst, aber der Humor bleibt dabei nicht auf der Strecke, wie das in Prag gedrehte Video zu „Garage“, mit wunderbarem Tom-Petty-Double beweist. „Nomad/Songman/Person“ fasst der Untertitel auf der Website sein Selbstverständnis als Person zusammen. Mit wenig technischem Aufwand kann man praktisch überall professionell klingende Aufnahmen machen und somit zu der Tradition des reisenden Musikers zurückkehren, der den Rhythmus von Studio, Album, Tour, der mit Beginn der Plattenaufnahmen vor einem guten halben Jahrhundert begann, schon wieder anachronistisch wirken lässt. Etwas anderes als die Hoffnung, ein Popstar zu werden, scheint eine nicht kleine Gruppe von Musikern wie Newski zu motivieren, eigene Pfade durchs Unterholz zu schlagen. Die Verschmelzung von Leben und Arbeit. Ob Straßenmusik oder große Bühne, egal. Musik als Schlüssel, um tiefer in andere Kulturen einzutauchen. Wo man singt, da lass dich nieder… – ein alter Sinnspruch feiert sein Comeback.
Dirk Trageser



Afrika
 INNA MODJA: Motel Bamako
INNA MODJA
Motel Bamako
innamodja.com
(Warner/NuzzCom Music)
Promo-CD, 12 Tracks, 42:47


Ein Foto auf ihrer Website zeigt Inna Modja vor einer Wand voller Schubladen. Bewusst oder nicht, die Verbindung zur Vielfältigkeit ihrer Musik drängt sich geradezu auf. Kein Titel auf Motel Bamako klingt wie der andere. Ja, noch extremer formuliert, jedes Stück lässt sich einem anderen Genre zuordnen. Dieses Album ist somit eine absolut ungewöhnliche Produktion. Einerseits mag dies an den unterschiedlichsten Gästen liegen, die hier zu Wort kommen, andererseits gelingt die Integration verschiedener Stile auf einem Album selten so gut wie hier. Ein buntes, in vielen musikalischen Farben schillerndes Afrika wird hier präsentiert. Viele Einflüsse aus der modernen Welt sind hörbar. Obwohl mittlerweile in Paris lebend und zum Teil in England aufnehmend, hat Inna Modja ihre Musik afrikanisiert. Sie singt global orientiert auf Englisch und Französisch, aber auch authentisch in Bambara. Das Album ist ein Spiegel der Zeit, sowohl in den Texten als auch in der Musik. Gleichzeitig bekommt man einen Vorgeschmack, was noch aus Mali zu erwarten ist. Die ihr vom Verlag zugewiesene Schublade mit der Aufschrift „Global Pop“ könnte Inna Modja schon bald zu eng werden.
Christoph Schumacher



Lateinamerika
 MARIANO MAROVATTO: Selvagem
MARIANO MAROVATTO
Selvagem
marovatto.org
(Embolacha)
8 Tracks, 14:45 , mit Infos u. Texten


Ein fortschreitendes Stakkato auf der Gitarre, darüber eine weiche Stimme, die über einen Jungen singt, der davon träumt, cangaceiro („Räuber“) zu werden. Sein Vorbild, Lampião, wurde zum Mythos marodierender Banditen, die den Sertão unsicher machten. Das endlose Hinterland im Nordosten Brasiliens gilt seit Urzeiten als „Selvagem“ ? Portugiesisch für „wild, barbarisch und unzivilisiert“. Die acht Miniaturen, die der brasilianische Dichter und Sänger Mariano Marovatto zusammengetragen hat und die gemeinsam mit dem Gitarristen Pedro Sá eingespielt wurden, verströmen die Stille und den schweren Atem des Hinterlandes mit seinen ausgetrockneten Böden und misstrauischen Viehhirten. Karg, minimalistisch und urtümlich stark sind die Lieder arrangiert. Sie stammen von fast vergessenen Autoren aus der Provinz Brasiliens und Portugals. Der Sertão erwacht in den Tracks sechs und sieben mit der Stimme der japanischen Vokalistin Ami Yamasaki zum Leben ? das Rebhuhn ruft, und die Geräusche des Urwalds kommen näher. Knappe fünfzehn Minuten reichen aus, dem stummen Hinterland zu einer Stimme weitab klischierter Forroromantik zu verhelfen.
Martin Steiner



Besondere
PETER KERLIN
Some Shining Light
peterkerlin.de
(S.T.I.R Music 516)
12 Tracks, 56:46 , mit Texten u. Infos


Nach sieben Jahren gibt es ein neues Album des Goslarer Singer/Songwriters, sein fünftes als Solist beziehungsweise mit Jens Kommnick, wie es auf dem Cover heißt. Es sind Lieder vom Suchen und Finden, von der Reise, auf der der Weg das Ziel ist, von Ländern und Landschaften wie dem irischen County Donegal und seiner Natur. Peter Kerlin versteht es meisterhaft, Emotionen und Schicksale in Poesie und Melodie zu fassen, ohne in Kitsch oder übermäßiges Sentiment abzugleiten. Seine Songs beschreiben nicht nur, wie das Eröffnungs- und Titelstück, romantische Erinnerungen. Es sind auch politische Statements darunter. Der Text des Liedes „Talk To Me“ etwa ist von beklemmender Aktualität: „My Name is Muhammad, I was  PETER KERLIN: Some Shining Light born far away. / I still love this place here, and I hope I may stay. / I don’t ask for open arms, just for a friendly hand / to help me feel less foreign in this land.“ Der Song „Close To The Heart“ erinnert daran, dass wahre Freundschaften nicht in sozialen Medien stattfinden, sondern rar sind und gepflegt werden sollten. Ein musikalischer Herzensfreund des Liedermachers ist der Celtic-Fingerstyle-Gitarrist Jens Kommnick, mit dem Kerlin seit vielen Jahren zusammenarbeitet und sich blind versteht. Es ist ein Genuss, die beiden Musiker auf der Bühne zu erleben und zu hören, wie sich die virtuose, filigrane Saitenarbeit der Oktavmandoline (beziehungsweise irischen Bouzouki) mit der Gitarre mischt und Kerlins samtene Baritonstimme einbettet. Auf dem Album nun kann Kommnick dank Overdubtechnik seine Fähigkeiten als Multiinstrumentalist einbringen. So schleicht sich hier und da eine geschmackvolle Tin- oder Low-Whistle-Begleitung ins Arrangement, umschmeichelt ein Cello die Saiteninstrumente, veredeln Uilleann Pipes, Bass, keltische Harfe und Klavier den Gesang. Da soll noch jemand behaupten, dass es in Deutschland keine Musikerpersönlichkeit vom Format eines Andy Irvine oder Christy Moore gebe. Peter Kerlin steht nicht nur in der Tradition dieser Musiker – er steht mit ihnen auf Augenhöhe.
Ulrich Joosten
YORKSTON/THORNE/KHAN
Everything Sacred
Pyorkstonthornekhan.com
(Domino Recordings WIGCD367)
Promo-CD, 8 Tracks, 51:00


Fusionen können eine feine Sache sein, Folk mit Rock zum Beispiel oder Jazz mit Klassik. Aber gleich drei Genres mischen, dabei kann doch nur ein undefinierbarer Musikbrei entstehen, oder? Vielleicht, aber nicht, wenn drei Könner unterwegs sind, die ihr Ego irgendwo unterwegs abgelegt haben. James Yorkston, schottischer Singer/Songwriter/Gitarrist aus der Indiefolk-Ecke, Jon Thorne, Kontrabassspieler der Gruppe Lamb, und Sarangivirtuose Suhail Yusuf Khan treffen mit ihrem semiimprovisierten Debüt grandios ins Schwarze. Indischer Folkjazz sozusagen, aber die Zutaten sind immer hörbar, vermischen sich weniger als dass sie sich ergänzen, komplementieren und verstärken. Die Sarangi ist ein  YORKSTON/THORNE/KHAN: Everything Sacred Streichinstrument der klassischen indischen Musik mit dreiundvierzig Saiten und wie geschaffen dafür, die Solofunktion zu übernehmen. Subhail Yusuf ist der Enkel von Ustad Sabri Khan, den Kenner als den größten Sarangispieler aller Zeiten bezeichnen. Über sein Können hinaus bringt Subhail musikalische Abenteuerlust und Offenheit für alle möglichen Einflüsse mit. Letzteres gilt auch für James Yorkston und Jon Thorne, wobei man das von einem Jazzer, der von Danny Thompson inspiriert wurde und wird, durchaus erwarten darf. Yorkston jedoch gilt eher als Prototyp des eher introvertierten Liederschreibers, ausgestattet allerdings mit einem ausgesprochen trockenen Humor und einer Nyckelharpa bei zwei Tracks. Singen und komponieren können sie alle drei, Letzteres einzeln oder gemeinsam. Und diese drei eigentlich unterschiedlichen Typen begeben sich auf eine faszinierende musikalische Reise zwischen meditativen Melodien und Liedern sowie ekstatischen, kaskadenhaften Klängen. Sozusagen als Krönchen des Ganzen fungiert bei drei Liedern die irische Sängerin/Pianistin Lisa O’Neill. Live ist das genauso spannend, wenn nicht noch prickelnder. Die Begegnung Yorkston/Khan war purer Zufall (Thorne wurde später eingeladen) und ist der Beweis dafür, dass sich geniale Musik nicht planen lässt.
Mike Kamp

BEOGA
Before We Change Our Mind
beogamusic.com
(Beogamusic 06/Eigenvertrieb)
11 Tracks , mit engl. Infos


Die fünf Jahre seit der Veröffentlichung ihres letzten Studioalbums How To Tune A Fish haben sich in Beogas Klangsprache bemerkbar gemacht. Längst sind sie in ihrer nunmehr zwölfjährigen Geschichte als „recording band“ abgerückt von dem klassischen Jigs-and-Reels-Modell und haben kontinuierlich einen Sound angestrebt, der die kleinschrittigen Formen der irischen Folkmusik in größer angelegte Arrangements fügt und sich gegen die mitunter einengende Zuschreibung zum Irish Trad querstellt. Niemals gelang ihnen dieses Unterfangen so elegant und in sich abgerundet wie auf diesem, ihrem fünften Album Before We Change Our Mind. Beoga verorten ihre Tunes in einem Genrehybrid, das sich allenfalls als  BEOGA: Before We Change Our Mind „contemporary“ bezeichnen ließe, sich aber in letzter Instanz bewusst der Zuordnung entzieht. So streifen die instrumentellen Arrangements nicht wie vormals vereinzelt und gimmickhaft Jazz und Pop, sondern sind von vornherein modern und eklektisch angelegt, bewusst gefällig und tanzbar. Als besonders stimmig in dieser Hinsicht sind die Tracks „Eochaid“ und „Aurora“ zu nennen, in denen Tunes mit zwischengeschalteten Soundscapes verbunden und eingeleitet werden. Aus dem harmonischen und melodischen Material entwickelt die Band musikalische Bewusstseinsströme mit flirrenden Akkordeons, vollbauchiger Percussion durch Eamon Murray am Bodhrán und vor allem Liam Bradleys groovenden Klavierarrangements, die sich besser denn je in den Gesamtklang einfügen. Wie üblich zeichnen Damian McKee (Akkordeon) und Sean Óg Graham (Akkordeon, Gitarre) für die Komposition der Airs, Jigs und Reels verantwortlich. Ihr untrügliches Gespür für knackige Tanznummern und empfindsame Melodien erhebt die Band endgültig zu ihrem primären Charakteristikum. Neben der stringenten zeitgenössischen Interpretation, die dem Album eine klare konzeptuelle Linie verleiht und den Reel „On The Run“ sogar programmatisch werden lässt, wirken die eingestreuten traditionellen Songs trotz Niamh Dunnes (Gesang, Geige) einnehmender Darbietung fast deplatziert.
Judith Wiemers
PEPPE BARRA
...E Cammina Cammina
peppebarra.altervista.org
(Marocco Music ASIN: B01G6QIEAE/iCompany/I World)
13 Tracks, 42:00


Er ist eine musikalische Urgewalt! Der neapolitanische Sänger Peppe Barra ist in seiner Ausdruckskraft kaum zu überbieten. Man hört ihn förmlich mit den Augen rollen, er krächzt und kichert, mit einem Wort, er ist die Inkarnation der emotionalen neapolitanischen Musik, bei der man auch immer die Verbindung zur italienischen Oper spürt. In vielen Liedern lotet er die Spannweite der Dynamik absolut aus. Wenn Barra loslegt, flüstert er, dann schreit er plötzlich schrill, hebt unwillkürlich das Tempo an, sodass man erschrickt. Er erzählt, singt aber auch herzergreifende Balladen, bei denen man sich den Mondschein über der Bucht von Neapel vorstellen könnte. Dann wieder klingt es zum Mitklatschen wie im  PEPPE BARRA: ...E Cammina Cammina Zirkus, und so einiges in seiner Musik erinnert an die berühmte Humoreske „Titine“ von Charles Chaplin aus dem Film Moderne Zeiten. Barra singt auf Neapolitanisch, ein Dialekt, der sich merklich vom Italienischen unterscheidet. Dies sollte aber niemand hindern, ihn zu genießen. Selbst wenn er ein Gedicht rezitiert, ist dies ein Erlebnis. Er steht schon fünfzig Jahre auf der Bühne und weiß inzwischen die neapolitanische Musik in andere Stile einzubinden, vom Blues bis zur Sufimusik. Die Überschreitung stilistischer Grenzen ist eines seiner Markenzeichen, wodurch er eine Art Musik des Mittelmeerraums generiert. Auf seinen bisherigen Alben hat er eine unglaubliche Verbindung zwischen der neapolitanischen Musik und der des Orients, des Balkans, aber auch der Tarantella und der Barockmusik geschaffen. Schwelgerische Ohrwürmer wie das unschlagbare „Matina“ aus seinem gleichnamigen Album sollte man ebenso unbedingt gehört haben. Als Film- und Theaterschauspieler ist er zudem eine Ikone der neapolitanischen Komödie. Seine umwerfende Wirkung kann man auf seinem neuen Livealbum … E Cammina Cammina wie auch auf dem früheren In Concerto gut nachvollziehen. Wer wirklich auf Entdeckungen in italienischer Musik aus ist, dem dürfte hier vor Staunen der Mund offenstehen.
Hans-Jürgen Lenhart

Kurzrezensionen
 A GLEZELE VAYN: Federveys
A GLEZELE VAYN
Federveys
glezele.de
(Flowfish Music/FF 0089)
18 Tracks, 66:44


Achim Rinderle (cl), Szilvia Csaranko (acc), Jacobus Thiele (g, piano) und gleich drei Bassisten glänzen auf einem Terrain mit riesiger Bandbreite. Griechisch, bulgarisch, armenisch, moldawisch, ein Jodler aus der Steiermark, ein Ländler aus Niederbayern, Jüdisches aus Galizien – durchgehend etwas zum Mitträumen.

 PETE ALDERTON: Something Smoot
PETE ALDERTON
Something Smoot
pete-anthony-alderton.com
(Ozella Music/Galileo MC, sw 151 CD)
45:12


Ruhig und nachdenklich zeigt sich Pete Alderton, Bluesmann aus Paderborn mit britisch-amerikanischen Wurzeln, auf seiner vierten Veröffentlichung. Bei den Eigenkompositionen ist die Instrumentierung durch die Band mit Akustikgitarre, Piano, Mandoline, Schlagzeug, Mundharmonika sparsam eingesetzt.


 AMALA: Resonance
AMALA
Resonance
amala.ie
(Eigenproduktion/AMCD 001)
13 Tracks, 55:24


Die belgisch-deutsche Harfenistin Rheidun Schlesinger und Paul MGrae, einer der bekannteren Gitarristen der irischen Sliabh-Luachra-Szene, geben sich ein Stelldichein. Trotz einer erklecklichen Anzahl schnellerer Jigs und Reels herrscht eine sehr entspannte Grundstimmung vor. Das irische Harfenrepertoire wird mit Tunes aus Skandinavien und Zentralfrankreich angereichert.

 AN CRANN ÓG: Fuaim An Chiúnnas
AN CRANN ÓG
Fuaim An Chiúnnas
facebook.com/an.crannog.3

13 Tracks; 46:04


Ein eher musikpädagogisch interessantes Dokument, welches ein Projekt unter der Leitung von Manus Lunny vorstellt, in dem sich begeisterte Jugendliche mit renommierten Profis der Szene zusammentun. Heraus kommt die typische Mischung aus Musikkurswochenende mit sehr guten und engagierten Schülern und einigen virtuosen Anleitern. Erstaunlich hohes musikalisches Niveau.


 THIMIOS ATZAKAS: Udopia
THIMIOS ATZAKAS
Udopia
facebook.com/atzakas.thimios
(Carpe Diem Records CD 16309)
8 Tracks, 71:48


Der griechische Udvirtuose bestreitet mit seinen musikalischen Weggefährten eine Reise ins imaginäre Udopia, in dem ein Fabelwesen namens Oud haust. Musik von hoher Komplexität und Schönheit, die in ihrem freien Gestus auch die Berührung mit modernen Klängen und Abstraktion nicht scheut. Eine fesselnde Verbindung aus Archaik, Tradition und Neuland.

 AVEC: What If We Never Forget
AVEC
What If We Never Forget
facebook.com/officialavec
(Earcandy)
Promo-CD, 12 Tracks, 42:40


Mit einer Stimme, die Steine zum Schmelzen bringen kann, zaubert Avec auf ihrem ersten Longplayer „Dreampop“ erster Güte. Die Songs sind mitreißend und traditionell durchkomponiert. Nur mit akustischer Gitarre und sparsam eingesetzter Begleitung erzeugt die Künstlerin sofort eine angenehme Wohnzimmeratmosphäre. Wer Dota, Daughter oder Boy mag, wird auch Avec lieben.


 MICHEL BALLATI: The Northern Breeze
MICHEL BALLATI
The Northern Breeze
michelbalatti.com
(Felmay CD/Fy8240)
11 Tracks; 48:17


Soloalbum des italienischen Flötisten, der sich der traditionellen irischen Musik verschrieben hat. Bekanntere Jigs und Reels wechseln sich ab mit Eigenkompositionen und zeitgenössischen neuen Stücken. Mit Gitarrist Michael Bryan schuf Ballati eine bemerkenswerte Aufnahme, bei der man viel Herzblut, Feuer und auch große Stilsicherheit hören kann. Schön.

 PAUL BARTSCH & BAND: Freund sein
PAUL BARTSCH & BAND
Freund sein
zirkustiger.de
(Bluebird Café Berlin Records)
14 Tracks, 59:19


Nachdenkliches über das Leben in ansprechenden Liedern, Tiefgang mit Leichtigkeit in der Form, Selbstkritisches und Zeitkritisches, das können nicht viele. Dem Liedermacher aus Halle/Saale ist es auf seinem sechsten Album mit Band mal wieder gelungen. Die Sisyphusarbeit an sich selbst und gegen die Vereinfacher ist zu hören, mit seinem ersten Lied von 1984 als Hidden Track.


 BEAUTIFUL NUBIA AND THE ROOTS RENAISSANCE BAND: Iwa
BEAUTIFUL NUBIA AND THE ROOTS RENAISSANCE BAND
Iwa
beautifulnubia.com
(Eni Obánké EBM 116/EniObanke)
2 CDs, 21 Tracks, 61:40


Olusegun Akinfolu, Mastermind von Beautiful Nubia, spielt mit seiner Roots Renaissance Band Easy-Listening-Gospel mit Gute-Laune-Garantie. Dabei erinnert die Big Band mit Bläsern, Keyboard und Percussion daran, dass auch so manche lateinamerikanischen Rhythmen ihre Wurzeln in Nigeria haben. Leider klingt es mitunter auch wie aus einer früheren Ära.

 ALEX BEHNING: Trickster und Propheten
ALEX BEHNING
Trickster und Propheten
alexbehning.de
(Ufer Records UFR071020161/HOFA)
12 Tracks, 42:20


Der Aszendent Bob Dylan – Rätsel, Irrsinn, Biss –, unter dem Alex Behning sein zweites Album selbst sieht, ist so hoch gegriffen wie falsch. Das Metier des Konstanzers ist die Sentimentalität, amouröse wie nostalgisch allgemeine oder gar sehnsuchtsvoll verträumte – die aber richtig gut! Melancholisch grundiert, stil- und stimmungsvoll, rund.


 BRIAN BERRYMAN & CORNELIUS BODE: Almost Home
BRIAN BERRYMAN & CORNELIUS BODE
Almost Home
brianberryman.com
zorny.de
(Eigenverlag)
5 Tracks, 35:33


Sachen gibt’s … Klassischer Flötist aus Nova Scotia landet beruflich in Deutschland und erfüllt sich nebenbei einen Traum: die irische Flöte. Die aus Irland, Schottland und Cape Breton stammenden Tunes auf dem Album werden nicht klassisch steif gespielt. Berryman ist durch jahrzehntelange Irish Sessions in Hannover mehr als geeicht. Und Bode begleitet auf der Gitarre.

 THE BLACK ELEPHANT BAND: Be The Shiptain Of Your Cap
THE BLACK ELEPHANT BAND
Be The Shiptain Of Your Cap
theblackelephantband.bandcamp.com
(Raptor Records/Vertrieb)
36 Tracks, 71:58


Der schön blödsinnige Albumtitel verspricht ganz gute Unterhaltung, noch lustiger ist aber die Trackliste mit sechsunddreißig Songs in knapp doppelt so vielen Minuten. Vorausgesetzt, man mag es inflationär, zack zack zack, hier rein und da wieder raus, wie Solo-Band Jan Bratenstein offenbar, der Nürnberger Anti-Folker zur Klampfe aus Fürth auf seinem dritten Album.


 ROBERT CARL BLANK: Fairground Distractions
ROBERT CARL BLANK
Fairground Distractions
robertcarlblank.de
(A1 Records 4260026951632/SPV)
12 Tracks, 48:24


„Mystery Tour“ heißt der erste Track des neuen Albums von Robert Carl Blank, und tatsächlich, der Song könnte von den Beatles stammen. Das gesamte Album ist eine Hommage an die Songs der 60er, überall schimmern Lennon/McCartney oder die Kinks durch, der Sound ist genial altmodisch gehalten und beweist einmal mehr die Vielseitigkeit des Ausnahmekünstlers.

 BLAZIN’ FIDDLES: North
BLAZIN’ FIDDLES
North
blazinfiddles.com
(Blazin’ Records BFCD2015)
11 Tracks, 48:29


Album Nummer sieben der schottischen Fiddle-Champions mit zwei frischen (mit BBC-Awards versehenen) Streichern, Kristan Harvey und Rua Macmillan. Das paritätisch besetzte Sextett um Mastermind Bruce MacGregor und Jenna Reid (Fiddle) sowie Anna Massie (Gitarre) und Angus Lyon (Piano) meistert jegliche Tunes von melancholisch bis mitreißend.


 CAMILLE BLOOM: Pieces Of Me
CAMILLE BLOOM
Pieces Of Me
camillebloom.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 41:57


Diese Musikerin aus Seattle ist schon viel herumgekommen. Von reichhaltigen Erfahrungen erzählen ihre recht unterschiedlich arrangierten Songs, als wolle sie vorführen, was sie so alles kann. Sie kann tatsächlich viel, doch fällt der elfte Titel des insgesamt durch und durch Singer/Songwriter-haften Albums, als „Dance Track“ aufgelistet, negativ aus dem reichhaltigen Gesamtbild heraus.

 JOE BONAMASSA: Live At The Greek Theatre
JOE BONAMASSA
Live At The Greek Theatre
jbonamassa.com
(Provogue/Rough Trade)
Promo-Do-CD, 22 Tracks, 60:40 + 65:30


Das Schlusskonzert der „Three-Kings“-Tour ist hier verewigt. Gewidmet war es den drei Bluesgiganten B. B. King, Albert King und Freddie King. Mit üppiger Orchestrierung huldigt Joe Bonamassa den drei Vorbildern und spielt deren „Hits“ mit eleganter und geradezu verschwenderischer musikalischer Fülle. Sehr virtuos, jedoch mit etwas viel Hochglanz.


 BYEBYE: Eine Dir Unbekannte Band
BYEBYE
Eine Dir Unbekannte Band
byebyemusik.de
(Kopf an, Tür auf/Broken Silence)
12 Tracks, 51:39


Das Leipziger Duo hat vermutlich bereits in jedem Keller dieser Republik gespielt. Die Wohnzimmerkonzerte haben ihre neuen Helden. Die selbst komponierten Songs sind sympathisch und leichtgängig. Musikalisch ausgereift erzeugt das Album das intime Gefühl, Freunden beim Musizieren zuzuhören. Mitsingen erlaubt und erwünscht.

 MAXENCE CAMELIN & CONVIDATS: Quand La Craba Crabidara
MAXENCE CAMELIN & CONVIDATS
Quand La Craba Crabidara
maxencecamelin.com
(AEPEM)
23 Tracks, 71:53


Der Franzose präsentiert den Dudelsack des Schwarzen Gebirges, des südlichsten Ausläufers des Zentralmassivs. Je nach Region wird er Craba oder Bodega genannt. Die Einspielung ist ziemlich traditionell. Camelin wird von Gastmusikern und -musikerinnen mit Gesang und Mundharmonika unterstützt. Das Booklet beschreibt die Musik sehr ausführlich.


 CLANN MHIC RUAIRÍ: Súile
CLANN MHIC RUAIRÍ
Súile
clannmhicruairi.com
(Eigenverlag CMR001)
11 Tracks, 53 min


Ganz in irischem Gälisch singt diese Familienband aus Donegal – eine der Regionen, wo diese Sprache noch relativ viel gesprochen wird. Im Zentrum der Songs stehen die kontrastierenden und vom Produzenten beinahe unberührt gelassenen Stimmen der Familienmitglieder, die sich in den durchsichtigen Harmonien entfalten und den alten Melodien Wirkungsraum zugestehen. Wunderschön!

 THE COAL PORTERS: No. 6
THE COAL PORTERS
No. 6
sidgriffin.com
(Prima Records SID027/Rough Trade)
10 Tracks, 38:36


Das erste Stück widmen die Porters den Ramones – mit einer Bluegrasshymne! Die Band um Ex-Long-Ryder Sid Griffin und Neil Robert Herd zeigt sich auf ihrem sechsten Album vielfältig, nutzt Elemente aus Gospel, Folk und Country für ihre ureigenen Songs, und in „The Blind Bartender“ gibt es sogar ein texmexiges Trompetensolo. Es bleibt gut verschroben.


 FLAVIA COELHO: Sonho Real
FLAVIA COELHO
Sonho Real
flaviacoelhomusic.com
(Le Label/Pias)
Promo-CD, 14 Tracks, 49:56


Die quirlige Brasilianerin versucht diesmal Eingängigkeit und Einfachheit miteinander zu verbinden. Sie ist wie immer reggaelastig, es sind aber auch Afrobeat-, Forro- oder Ska-Nummern zu hören. Außerdem singt sie äußerst rhythmisch. Man hat das Gefühl, jede Silbe ist ein Beat. Von der Power ihrer Konzerte ist sie hier jedoch weit entfernt.

 CONNLA: River Waiting
CONNLA
River Waiting
connlamusic.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 51:00


Das Debütalbum dieser jungen nordirischen Band ist ein eindrucksvolles Zeugnis der ambitionierten jungen Folkzzene Irlands. Von zwölf Tracks sind acht von den Bandmitgliedern selbst geschrieben, die Arrangements für Geige, Harfe, Flöte, Dudelsack und Gitarre wechseln zwischen traditionellen Jigs und Reels und funkig synkopierten Passagen. Weitere Popimpulse gibt es durch Bassbegleitung und farbenreiche Bodhránbeats.


 DAHLHOFF – DIE BAND: Goswins Geist – Traditionelle Tanzmusik aus dem Westfalen des 18. Jahrhunderts
DAHLHOFF – DIE BAND
Goswins Geist – Traditionelle Tanzmusik aus dem Westfalen des 18. Jahrhunderts
dahlhoff-die-band.de
(Eigenverlag)
16 Tracks, 74:57


Virtuos auf Geige, Bratsche, Cello, Hackbrett und Gitarre größtenteils live eingespielte Menuette, Polonaisen, Quadrillen aus den handschriftlichen Notenbüchern der westfälischen Musikerfamilie Dahlhoff. „Melodien, in die man sich auch heute noch leicht verlieben kann“, heißt es auf der Bandwebsite. Ein wunderbares Album nicht nur für Tänzer, auch für Ohrsesselhörer.

 DANÇAS OCULTAS & ORQUESTRA FILARMONIA DAS BEIRAS: Amplitude
DANÇAS OCULTAS & ORQUESTRA FILARMONIA DAS BEIRAS
Amplitude
dancasocultas.com
orquestradasbeiras.com
(Galileo GMC 068)
12 Tracks; 56:25


Die vier Portugiesen mit ihren diatonischen Akkordeons sorgen seit 1989 für ein ureigenes, stimmiges Klangbild. Bei der im Mai 2015 entstandenen Liveaufnahme wurden sie vom Orquestra Filarmonia das Beiras begleitet, das die Kanten der Musik etwas entschärft. Den wunderbaren Höhepunkt des Albums bildet der Gastauftritt der Fadosängerin Carminho.


 DANCEPERADOS OF IRELAND: Life, Love And Lore Of The Irish Travellers
DANCEPERADOS OF IRELAND
Life, Love And Lore Of The Irish Travellers
danceperadosofireland.ie
(Magnetic Music MMR CD0002)
16 Tracks, 55 min


Das Livealbum zur gleichnamigen Show widmet sich der Musik der irischen Traveller, eines reisenden Volkes mit eigenen musikalischen Traditionen und Brauchtümern. Die Auswahl setzt sich aus traditionellen Tunes und Songs sowie neueren Stücken zusammen, etwa Barry Kerrs Hommage an Sängerin Margaret Barry, „Woman Of No Place“.

 DIVERSE: Cuban Rare Groove – Music Rough Guides
DIVERSE
Cuban Rare Groove – Music Rough Guides
worldmusic.net
(World Music Network RGNET1348CD/Harmonia Mundi)
17 Tracks, 67:07


Kubas Revolution konnte „westlichen“ Einflüssen wie Funk, Jazz oder Disko auf der Insel offenbar nichts anhaben, wie einige der hier gekonnt versammelten Aufnahmen aus den Sechzigern und Siebzigern belegen. Daneben gibt es ähnlich retroschick Klingendes aus der Neuzeit, mehrheitlich von Diaspora-, teils auch von Nicht-Kubanern mit Begeisterung für die Materie.


 DIVERSE: Le Cuidiú Dé – Amhráin Nuachumtha As Gaeltacht Thir Chonaill
DIVERSE
Le Cuidiú Dé – Amhráin Nuachumtha As Gaeltacht Thir Chonaill
(LCD 2011)
14 Tracks, 61:18


Benefizproduktion aus Donegal unter der Leitung von Manus Lunny (Capercaillie). Irischer Gesang mit poppigem Backing. Herausgekommen ist ein technisch gut produziertes Album mit schönen Stimmen – unter anderem Mairéad Ní Mhaonaigh, Maighread & Tríona Ní Dhomnhnaill, Máire Brennan, Aoife Ní Fhéarraigh –, leider in Stückauswahl und Arrangements gefährlich nah am Kitsch gebaut.

 DIVERS: Obacht! Musik aus Bayern 4 – New Pauer Generation
DIVERS
Obacht! Musik aus Bayern 4 – New Pauer Generation
galileomusic.de
(BayLa BAY013/Galileo MC)
19 Tracks, 73:51


Obacht vor dem marktschreierischen Untertitel New Pauer Generation – Turbodruck à la Labrassbanda ist hier nicht das Anliegen, sondern ein Querschnitt über vier Jahrzehnte deutlich geistvollerer und subtilerer Ehrenrettung bayerischer Kultur und Lebensart. Und politischerer! Vertiefung bei den Alben und Konzerten der beteiligten Künstler empfohlen.


 DIVERSE: Tango Pasión
DIVERSE
Tango Pasión
edition46.bandcamp.com/album/tango-pasi-n-2
(Edition46/Cargo Records)
14 Tracks, 59:58


Der Soundtrack zu Kordula Hildebrandts gleichnamigem Dokumentarfilm von 2015 über die Berliner Tangoszene besteht aus Einspielungen diverser deutscher Tangoensembles bzw. mit dieser Musik experimentierender Bands. Nun erscheint dieses aufschlussreiche, die Vielfalt der hiesigen Szene illustrierende Tondokument auf Wunsch der Aficionados zum Nachhören und -tanzen.

 DIVERSE: The Rough Guide To Blues Women
DIVERSE
The Rough Guide To Blues Women
worldmusic.net
(Worlds Music Network RGNET1352CD/Harmonia Mundi)
25 Tracks, 75:19


Von den klassischen Bluesfrauen der Zwanzigerjahre wie Bessie Smith und Ma Rainey bis zu den Countryblues-Pionieren Memphis Minnie, Geeshie Wiley und Irene Scruggs sind hier die wichtigsten Damen der Blueswelt versammelt. Auch Mamie Smith, Kate McTell und Bertha Lee, die als Ehefrauen ihrer Bluesmänner in den Dreißigerjahren mitsangen, kommen nicht zu kurz.


 DIVERSE: The Rough Guide to Ethiopian Jazz
DIVERSE
The Rough Guide to Ethiopian Jazz
worldmusic.net
(World Music Network RGNET1350CD/Harmonia Mundi)
9 Tracks, 54:42


Eine weitere gelungene Kompilation, die sich den populären Musikstilen Äthiopiens widmet. Nach Funk, Soul und Swing steht diesmal der sogenannte Ethio Jazz im Fokus, der sich bei traditioneller Volksmusik und amerikanischem Jazz, aber auch dem Afrobeat bedient und bediente. Mit dabei natürlich Altstar Mulatu Astatke neben Newcomern wie zum Beispiel Samuel Yirga.

 RAINER DOERING: Früh im Hotel
RAINER DOERING
Früh im Hotel
facebook.com/Raid323
(Dr. Music Records/Soulfood)
11 Tracks, 35:46


Der Schauspieler und Synchronsprecher aus Berlin hat sich mit eigenen Liedern nun auch der Liedermacherei zur Gitarre zugewandt. Mit kräftiger, rauer Stimme werden Damen aus der Ferne angeschmachtet, Zeitkritisches und die Ungewissheiten moderner Zeiten und Menschen besungen und eine Gebrauchsanleitung für Gedichte gegeben. Ein gelungenes Spätdebüt.


 DOOLIN’: Doolin’
DOOLIN’
Doolin’
doolin.fr
(Compass Records 7 4670-2)
13 Tracks, 49:10


Überragendes Irish-Music-Album einer sechsköpfigen Band aus Toulouse, die beweist, dass auch Franzosen absolut authentisch und mit höchster Virtuosität keltische Musik spielen können. Produziert von Meistergitarrist John Doyle in Nashville, enthält das Album Americana-Einflüsse und verleugnet auch seine französischsprachige Herkunft nicht (etwa mittels einer wundervollen Version von Jacques Brels „Amsterdam“).

 DUO RIVAUD LACOUCHIE: Ordich!
DUO RIVAUD LACOUCHIE
Ordich!
fr-fr.facebook.com/duorivaudlacouchie
(AEPEM)
17 Tracks, 49:26


Die Geigerin Alexandra Lacouchie und die Akkordeonistin Anne Rivaud spielen als Duo traditionelle Musik aus der französischen Region Limousin und der historischen Region La Marche, die heute zum Limousin gehört.


 FAUN: Midgard
FAUN
Midgard
faun.de
(Universal Music)
Promo-CD, 11 Tracks, 50:42


Die Pagan-Folker besingen mit eigenen Liedern die Mythologie der Germanen und Wikinger. Musikalisch ist das Ganze ausgesprochen abwechslungsreich, stimmig und hochwertig, mal beschwingt und tänzerisch, mal düster und kraftvoll. Titelnamen wie „Odin“, „Sonnenreigen“, „Alba II“ oder der Standard „Rabenballade“ lassen die textliche Ausrichtung erkennen.

 RAINHARD FENDRICH: Schwarzoderweiss
RAINHARD FENDRICH
Schwarzoderweiss
fendrich.at
(BMG 1259)
14 Tracks, 50:19


Der Österreicher meldet sich mit dem siebzehnten Studioalbum zurück. Die Presse ist verwundert, weil er sich stark politisiert habe. Dabei plädiert er nur für die Gleichheit aller Menschen, polemisiert gegen Internetwahn und gegen Krieg. Fendrich meint, er sei nur ehrlich. In Österreich reiht er sich damit in die Riege der Protestsänger und Gutmenschen ein.


 FEUERSCHWANZ: Sex is Muss
FEUERSCHWANZ
Sex is Muss
feuerschwanz.de
(Sony Music)
12 Tracks, 45:42


Mit dem Wortspiel des Albumtitels setzen die Nürnberger wieder ein Zeichen ihres süffisanten und skurrilen Humors. Die Comedy-Folk-Metaller ziehen über alles her, wenn sie von Kriegern des Mets, Hexenjagd, Taugenixen und Ringelpietz singen. Sogar der Zupfgeigenhansel-Klassiker „Es wollt ein Bauer früh aufstehn“ taucht aus der Mottenkiste auf.

 THE FLYIN’ A’S: You Drive Me Crazy
THE FLYIN’ A’S
You Drive Me Crazy
theflyinas.com
(Flyin’ A Records FA 00161)
11 Tracks, 37:52


Hilary Claire Adamson und ihr Gatte Stuart machen schon seit Jahrzehnten gemeinsam Musik, was man der sauberen und durchdachten Produktion von You Drive Me Crazy sofort anhört. Viele ihrer Songs schreiben die beiden gemeinsam, ihre Stimmen harmonisieren glanzvoll miteinander, alles ist ganz entspannt und im Fluss. Ganz im Gegensatz zum Albumtitel.


 FREDMAN: Herz im Hois
FREDMAN
Herz im Hois
schriftkunst.de/fredmann
(Eigenverlag)
12 Tracks, 57:39


Man könnte vom Regensburger Reinhard Mey reden oder gar die frankofonen Chansonniers zum Vergleich herbeiziehen. Lieder voller Geschichten aus dem Alltag, voller Skurrilitäten, Widersinnigkeiten und doch voller Sinn und Liebe, gesungen auf Oberpfälzisch und Standarddeutsch, rein solo, trotz verschiedener Begleitinstrumente. Sehr empfehlenswert!

 BRANKO GALOIC & SKAKAVAC ORKESTAR: Angel Song
BRANKO GALOIC & SKAKAVAC ORKESTAR
Angel Song
branko-galoic.com
(Silvox Records)
13 Tracks, 49:17


Gitarrist und Sänger Branko Galoic verließ Kroatien mit sechsundzwanzig, weil es menschlich und kulturell austrocknete. Erst im westeuropäischen Exil näherte er sich der Sevdahmusik und dem Balkan Brass seiner Heimatregion an. Auf seinem dritten Album mischen sich die Genres gleichgewichtig mit zartem akustischen Folk, einem gelegentlichen Reggaeelement, Rock und mehr.


 GARDEN OF DELIGHT – G. O. D.: Highway To Dublin
GARDEN OF DELIGHT – G. O. D.
Highway To Dublin
god-band.de
(DMG Records Germany)
13 Tracks, 68:41


Fans der neunköpfigen Band aus Lautertal bekommen auch mit Album Nummer 18, was sie gewohnt sind: Harten, markigen Celtic Folk Rock mit einem kräftigen Schuss Countryrock und einer Prise Gothic. Man müsste die Texte mitlesen können, die so todernst vorgetragen werden. Oder geht es nur um Rhythmen und Melodien?

 GAZA YOUTH CHOIR: Salute To Gaza
GAZA YOUTH CHOIR
Salute To Gaza
kkv.no
(Kirkelig Kulturverksted FXCD 426)
10 Tracks, 36:47


Ein ergreifendes Projekt des norwegischen Plattenproduzenten Erik Hillestad. Ein Jahr musste er warten, bis Israel ihm erlaubte, mit dem Gaza Youth Choir und palästinensischen Musikstudenten eine Hommage an die Gazaregion aufzunehmen. In den Aufnahmen traditioneller und neuer palästinensischer Lieder sprüht eine nicht zu erwartende Lebenslust der jungen Menschen.


 THE GOODBYE GIRLS: Snowy Side Of The Mountain
THE GOODBYE GIRLS
Snowy Side Of The Mountain
thegoodbyegirlsmusic.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 45:42


Vier Frauen aus den USA, Kanada und Schweden spielen virtuos eine Mischung aus Bluegrass, Old-Time und Folk. Auf seinem Debüt präsentiert das Quartett eigene Stücke, vor allem aber neu interpretierte Traditionals. So erfährt ein Klassiker wie „Little Maggie“ eine frische Herangehensweise. Schwedische Fiddlekunst trifft nordamerikanische Wurzeln.

 JENNY GUSTAFSSON & HANS KENNEMARK: Månsing
JENNY GUSTAFSSON & HANS KENNEMARK
Månsing
facebook.com/månsing-1150479344983283

23 Tracks, 62:35


Månsing ist die kraftvolle Geheimsprache der knallar, der fahrenden Händler in Schweden und Norwegen. Und diese Bedeutung ist wohl auch für das lebendige und energiegeladene Geigenspiel der beiden „Reichsspielleute“ zutreffend. Es sind überwiegend Polskas aus Västergötland, die um 1900 notiert wurden. Beschreibungen zu den einzelnen Stücken befinden sich im Booklet.


 RAY HEARNE: Umpteen
RAY HEARNE
Umpteen
rayhearne.co.uk
(Mo Masters NMCD46)
14 Tracks, 60:59


Dieses Album müsste eigentlich eine „Besondere“ sein! Der Mann aus Sheffield schreibt superbe Songs – politische Anklage, amüsante Beobachtungen, persönliche Gedanken, alles mit einem charmanten Folkie-Touch. Die Arrangements sind so fehlerlos wie passend, und Kollegen wie Jude Abbott oder Belinda O’Hooley unterstützen dieses bescheidene Meisterwerk.

 SANDRA HOLLSTEIN: Different Stories
SANDRA HOLLSTEIN
Different Stories
sandrahollstein.de
(Tasal Records TR001/Galileo MC)
13 Tracks, 50:17


Starkes Debüt der multiinstrumentalen Liedermacherin Sandra Hollstein. Die dreizehn vielschichtigen und intensiven Kompositionen bewegen sich unter anderem zwischen jazzigen, swingenden, von Klezmer beeinflussten und lyrischen Klängen. In den ausschließlich englischen Texten malt sie Geschichten voller ausdrucksstarker Bilder. Es wäre spannend, Hollstein auf Deutsch zu hören.


 THE HONEY DEWDROPS: Tangled Country
THE HONEY DEWDROPS
Tangled Country
thehoneydewdrops.com
(Random Records Random 060)
10 Tracks, 46:37


Perfekter Harmoniegesang verwöhnt die Ohren genauso wie die packenden Songs und die transparente Produktion. Das aus Virginia stammende und jetzt in Baltimore lebende Duo Laura Wortman und Kagey Parrish überzeugt auf seinem vierten Album mit eigenen Stücken und dem Können an diversen Bluegrassinstrumenten, unterstützt von Gastmusikern.

 KINIHASN: Oans
KINIHASN
Oans
kinihasn.de
(Alpin Records/Sony Music 0889853226023)
10 Tracks, 33:27


Können die Originale vom Balkan dies überleben? Hier tobt der Balkan-Stadl! Vor zwei Jahren mit der Meghan-Trainor-Parodie „Schau doch ned so beys“ auf Youtube gestartet, könnten Kathi Weber und Sarah Leonhard, wenn sie nicht aufpassen, schon bald als bloße Witzfiguren enden. Blasmusik zwischen Schrittgeschwindigkeit und Hundertachtzig zur ganz leichten Muse.


 CHRISTIAN KJELLVANDER: A Village: Natural Light
CHRISTIAN KJELLVANDER
A Village: Natural Light
christiankjellvander.com
(Tapete TR344)
Promo-CD, 9 Tracks, 45:25


Der amerikanischste aller Schweden bringt mit A Village: Natural Light ein neues Meisterwerk der dunklen Seite von Americana an den Start. In der Zeit, in der dieses Album entstand, hatte der Künstler einen Nebenjob auf dem Friedhof. Liebe und Tod sind deshalb die bestimmenden Themen des Albums, von der tiefen Stimme Kjellvanders perfekt umgesetzt.

 THE KUTIMANGOES: Made In Africa
THE KUTIMANGOES
Made In Africa
kutimangoes.com
(Tramp Records TRCD 9059, Promo-CD)
10 Tracks, 46:26


Der Bandname ist Programm. Die Köpfe des dänischen Jazzquintetts, Michael Blicher (Saxofon) und Gustav Rasmussen (Posaune), verbeugen sich mit ihren Kompositionen vor Fela Kuti und Charles Mingus. Geboten wird ein recht eingängiger, tanzbarer Afrobeat. Als Gast übernimmt – mit hohem Spaßfaktor – Patrick Kabré aus Burkina Faso die Lead Vocals.


 LA BRICOLE: Ne Vous Faites Pas Marins
LA BRICOLE
Ne Vous Faites Pas Marins
la-bricole.net
(AEPEM)
14 Tracks, 50:33


Das Trio kommt aus der nordfranzösischen Hafenstadt Boulogne-sur-Mer und hat traditionelle Lieder der dortigen Fischer, Matrosen und Hafenarbeiter eingespielt. Begleitet wird der Gesang mit Mandoline, Bouzouki und Akkordeon.

 LA MACHINE: Super Gain
LA MACHINE
Super Gain
lamachine.info
(AEPEM)
12 Tracks, 50:27


La Machine ist ein Quartett aus Zentralfrankreich um den Geiger Julien Barbances und den Drehleierspieler Gregory Jolivet. Markenzeichen sind groovende Bourrées und sonstige Bal-Folk-Musik. Ihr viertes Album Super Gain ist nicht ihr stärkstes.


 SANTIAGO LARA: Flamenco Tribute To Pat Metheny
SANTIAGO LARA
Flamenco Tribute To Pat Metheny
santiagolara.com
(Warner Music/Universal)
8 Tracks, 42:36


Santiago Lara, Flamencogitarrist aus Jerez, erweist einer lebenden Legende die Ehre. Er interpretiert mit seinem Ensemble acht Kompositionen des amerikanischen Jazzgitarristen Pat Metheny. Wie es ihm gelungen ist, die musikalische Sprache des Mannes aus Missouri in Flamenco zu übersetzen, ist wirklich kongenial zu nennen. Eine große Hörfreude ist es allemal.

 LATIN QUARTER: The Imagination Of Thieves
LATIN QUARTER
The Imagination Of Thieves
latinquartermusic.com
(Westpark 87324)
13 Tracks, 42:56


Zwar sind von der Originalbesetzung der Achtzigerjahre nur noch Mastermind, Komponist und Sänger Steve Skaith (Gesang, Akustikgitarre) und Keyboarder Steve Jeffries dabei, doch die aktuelle Besetzung mit Martin Ditcham (Drums, Percussion) und dem südafrikanischen Bassisten Yo Yo Buys liefert ein musikalisch formidables Acoustic-Pop- und -Rockalbum mit starken politischen Botschaften („I Am Refugee“) ab.


 LES MARIES: Goldene Flaute
LES MARIES
Goldene Flaute
lesmaries.de
(Membran Media)
14 Tracks, 46:24


Les Maries sind ein Duo aus Hamburg. Die Sängerin Marie-Louise Timmich und der Gitarrist Klaus Sieg haben ihr zweites Album mit überwiegend deutschsprachigen melancholischen Chansons eingespielt. Der Gesang wirkt leicht schräg, was Absicht sein muss, da Timmich Gesangslehrerin ist. Die Gitarre schwelgt dazu im Twang.

 AGUSTÍN LIRA UND ALMA: Songs Of Struggle And Hope
AGUSTÍN LIRA UND ALMA
Songs Of Struggle And Hope
folkways.si.edu
(Smithsonian Folkways Recordings SFW CD 40567)
16 Tracks, 60:56


Lira spielt eigene Protestsongs aus den Sechzigern, die sich mit der Situation der mexikanischen Einwanderer in den USA beschäftigen. Sie handeln von der Ausbeutung der Farmarbeiter und der Entfremdung als Immigranten. Vom melodischen Potenzial sind durchaus Songperlen dabei, und sie erinnern daran, was die Chicanos von Trump heute zu erwarten haben.


 MIA ROSE LYNNE: Follow Me Moon
MIA ROSE LYNNE
Follow Me Moon
miaroselynne.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 36:48


Singer/Songwriter-Balladen mit ambitionierten Texten zum Thema Liebe. Schon als Kind hat Mia Rose Lynne in der Western-Swing-Band der Eltern Bühnenluft gerochen. Das zweite Album stellt Stimme und akustische Gitarre in den Vordergrund, geschmackssicher eingerahmt von Cello, federndem Schlagzeug oder Banjo. Die locker flockige Produktion tut ein Übriges.

 SORREN MacLEAN: Winter Stay Autumn
SORREN MacLEAN
Winter Stay Autumn
sorrenmaclean.com
(Middle of Nowhere Recordings MONR23)
9 Tracks, 41:50


Der schottische Singer/Songwriter spielt in der Band von Indiestar Roddy Woomble, mit dem er die Songs für sein Debüt geschrieben hat. Unaufdringliche Lieder mit stimmiger Begleitung (großartige Fiddle von Hannah Fisher), zweimal spielt King Creosote das Akkordeon. Die sympathische Stimme trägt die Lieder überzeugend, das Finale ist furios.


 MAIREARAD & ANNA: Best Day
MAIREARAD & ANNA
Best Day
mairearadandanna.com
(Shouty Records SHOUTYCD03)
11 Tracks, 39:39


Diese beiden schottischen Damen muss man mal erlebt haben! Green und Massie arbeiten getrennt in diversen Formationen, aber gemeinsam meistern sie Akkordeon, Highland Pipes, Keyboards, Gitarre, Fiddle, Mandoline und Banjo und brauchen daher keine Gäste. Viele Tunes stammen von Mairearad, und leider singen sie nur zweimal, denn das können sie auch gut.

 MARINAH & CHICUELO: Sintonías
MARINAH & CHICUELO
Sintonías
marinah.es
chicuelo.com
(Taller de Músics/Montuno TMDM066 MON022/Galileo MC)
8 Tracks, 47:41


Die titelgebenden Wellenlängen stimmen beim renommierten Barceloner Flamencogitarristen und der Ex-Ojos-de-Brujo-Sängerin. Ihr zweiter Versuch unter eigenem Namen scheint gelungener als der poppigere zuvor, begibt sich fast schon wieder gen Ojos und deren gelungenem Hin und Her, der Ida y Vuelta zwischen Flamenco und diversen Latin-Spielarten.


 KEEGAN McINROE: Uncouth Pilgrims
KEEGAN McINROE
Uncouth Pilgrims
keeganmcinroe.com
(Eigenverlag)
14 Tracks, 63:11


Uncouth Pilgrims ist das fünfte Album des Texaners Keegan McInroe. Sein Folk- und Bluesgetränktes Songschreibertum traut sich gelegentlich, mit Hilfe der elektrischen Gitarre und voller Band überzeugend in soulhafte Gefilde vorzudringen. McInroe macht Musik auf sehr hohem Niveau, musikalisch wie technisch.

 JAIME MICHAELS: Once Upon A Different Time
JAIME MICHAELS
Once Upon A Different Time
jaimemichaels.com
(APPALOOSA AP194/2)
11 Tracks, 44:11


Was für ein passender Albumtitel. Das zehnte Album des Songwriters aus New Mexico ist eine Rückblende ? zeitlos, aktuell. Im Song „Warming“ spannt er den Bogen von seiner Zeit als verlachter Hippie und Weltverbesserer über die Erderwärmung bis zu den vermeintlichen Lösungsansätzen der Kriegstreiber. Ein kleines Meisterwerk. Nachhilfeunterricht für Trump.


 MODDI: Unsongs
MODDI
Unsongs
moddi.no
(Propeller Recordings PRR221)
Promo-CD, 12 Songs, 48:53


Der norwegische Liedermacher interpretiert Songs, die in irgendeinem Land der Welt auf dem Index standen. Diese Sammlung verbotener Musik ist zugleich ein Mahnmal für Freiheit und eine politische Botschaft und Retrospektive. Von Kate Bush über Pussy Riot bis Victor Jara reicht der bunte Strauß der betroffenen Künstler.

 VAN MORRISON: Keep Me Singing
VAN MORRISON
Keep Me Singing
vanmorrison.com
(Exile Productions/Caroline Records International 105)
Promo-CD, 13 Tracks, 56:33


Halb entspannt knackig, halb seicht, zahm und weichgespült – dafür, dass der legendäre Gesang des größten Stinkstiefels der Popmusik groß über seinen Standard hinaus glänzen könnte, ist das überwiegend selbstverfasste Material insgesamt zu medioker. Zum Piepen ist aber der Einstieg in „Out In The Cold Again“: „I was Mister Nice Guy too long …“


 YVONNE MWALE: Msimbi Wakuda
YVONNE MWALE
Msimbi Wakuda
yvonnemwale.com
(o-tone music, Promo-CD)
12 Tracks, 53:52


Mittlerweile das dritte Album der aus dem Osten Sambias stammenden Sängerin mit der großartigen und ausdrucksstarken Stimme. Sie bleibt ihrem Stil treu, Souljazz, den sie und ihre Band mit tollem Groove und Leidenschaft präsentieren. Die traditionelle Musik ihrer Heimat fließt behutsam mit ein. Die Texte sollen aufmuntern, auch beim Thema Migration.

 GERARDO NÚÑEZ & ULF WAKENIUS: Logos
GERARDO NÚÑEZ & ULF WAKENIUS
Logos
gerardonunez.com
ulfwakenius.net
(ACT Music 9822-2)
9 Tracks, 49:00


Nach Jazzpaña Live aus dem letzten Jahr hier nun ein erneutes Gipfeltreffen der beiden Weltklassegitarristen. Den Hörer erwarten rasante Single-Note-„Duelle“ in bester Friday-Night-in-San-Francisco-Manier, sehr feine Kompositionen und eine Interaktion, der man mit dem Adjektiv „traumwandlerisch“ nur ansatzweise gerecht wird. Eine Flamencojazz-Fusion der Extraklasse!


 OONAGH: Märchen enden gut
OONAGH
Märchen enden gut
oonagh.tv
(Electrola, Universal Music Group)
13 Tracks + 5 Bonustitel, 64:33


Die Berliner Schauspielerin und Sängerin Senta-Sofia Deliponti erhielt 2015 den Echo als beste Künstlerin und Newcomerin des Jahres für ihr Oonagh-Projekt. Es ist kompakter und gestylter Mittelalterfolkpop, bei dem es um Legenden, Elben und Märchen geht. Der Popanteil ist leider so hoch, dass vieles sehr glatt gebügelt und mainstreamig wirkt.

 ORKESTA MENDOZA: ¡Vamos A Guarachar!
ORKESTA MENDOZA
¡Vamos A Guarachar!
orkestamendoza.com
(Glitterbeat G8CD 039/ Indigo)
12 Tracks, 43:28


Die US-Mexikaner lassen den Sound alter Mambos und Cumbias mit einem Schuss Country und den Klängen der Rockinstrumentals der Sechziger wiederaufleben. Da erklingen Stimmen wie aus dem Jenseits, und Geisterreiter reiten von einer Box in die andere. Durch die Arrangements mit Lo-Fi-Electronic und einen Schuss Punk wirkt alles alt und neu zugleich.


 OT AZOJ: Dža Dža Dzum
OT AZOJ
Dža Dža Dzum
otazoj.nl
(AAC 99501/Galileo)
12 Tracks, 54:17


Experimente mit alten Wurzeln aus dem in Südosteuropa gelegenen, aber fiktiven Land Molwanien – irgendwie klingt alles familiär, aber dennoch unbekannt. Ulas Aksunger (perc), Joris van Beek (viol), Radek Fedyk (tr), Karin Kranenborg (sax) und Wilco Oomkes (acc) mit einem schwunghaften neunten Album.

 RANT: Reverie
RANT
Reverie
rantfiddles.com
(Eigenverlag MBR6CD)
13 Tracks, 43:11


Schottlands Kammerfolk-Quartett nennen sich die vier profilierten Fiddlerinnen, die Reid-Schwestern Bethany und Jenna sowie Sarah-Jane Summers und Lauren MacColl nicht zu Unrecht. Aber sie können nicht nur konzertant gesetzt, ab und zu geht das Tempo auch mal energisch nach oben. Julie Fowlis und Ewan McLennan tragen jeweils einen Song bei.


 RÉALTA: Clear Skies
RÉALTA
Clear Skies
realtamusic.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 45:00


Die fünfköpfige nordirische Band hat ein Händchen für eine bestechend ungewöhnliche Tune-Auswahl (etwa ein Set aus Asturien oder ein irischer Song aus dem 18. Jahrhundert) und nuancierte Arrangements, die mal die doppelt besetzten Uilleann Pipes („Úr-Chnoc Chéin Mhic Cáinte“), mal die Flöte singen lässt, um dann wieder in vollmundige, dicht besetzte Reels auszubrechen. Ein aufregendes Album.

 JOHN RENBOURN & WIZZ JONES: Joint Control
JOHN RENBOURN & WIZZ JONES
Joint Control
john-renbourn.com
wizzjones.com
(Riverboat Records/World Music Network)
13 Tracks, 53:42


Joint Control ist ein ganz besonderes Dokument. Das einer musikalischen Freundschaft über fünfzig lange Jahre und zudem die letzten Aufnahmen von Folkgitarrenlegende John Renbourn, die teilweise nur wenige Tage vor seinem plötzlichen Tod im März 2015 während einer gemeinsamen Tour mit Wizz Jones entstanden sind. Ein Must-have für alle Akustikgitarrenliebhaber.


 THE RIFTERS: Architecture Of A Fire
THE RIFTERS
Architecture Of A Fire
rifters.net
(Howlin’ Dog Records HDR-124)
12 Tracks, 48:05


Aus dem kleinen Städtchen Alamosa in Colorado kommt das Trio Rifters. Akustische Gitarren und Chorgesang prägen den Gruppensound, die Songs sind ausgewogen und harmonisch arrangiert. Die drei Herren sind keine Jungspunde mehr, und so strahlt dieses Album eine ausgereifte und klangschön folkloristische Atmosphäre aus. Musiker, die ihr Handwerk verstehen.

 ANDREAS ROHDE: Resonance, Analog Pearls Vol. 2
ANDREAS ROHDE
Resonance, Analog Pearls Vol. 2
stockfisch-records.de
(Stockfisch Records SFR 357.4802/In-akustik)
SACD, 10 Tracks, 39:14


Stockfisch hebt Schätze aus den analogen Beständen. Die Aufnahmen zu dieser CD entstanden 1983. Gitarrist und Sänger Andreas Rohde, unüberhörbar ein großer Leo-Kottke-Verehrer, erweist sich als wunderbarer Singer/Songwriter. Die „überholte“ analoge Aufnahmetechnik überrascht mit feinster Zeichnung und einer Präsenz, die den meisten digitalen Produkten abgeht.


 SABRINA ROMERO: Syriana
SABRINA ROMERO
Syriana
sabrina-romero.com
(Antequera Records CDO21F/Galileo MC)
12 Tracks, 51:00


Inspiriert durch die Geburt ihres Kindes Syriana, nahm die in Frankreich geborene, aber durch den Flamenco sozialisierte Sängerin, Tänzerin und Percussionistin ein Album auf, das weniger durch urige Kehllaute des Flamenco geprägt ist als vielmehr durch leisen, ornamental ausschmückenden Gesang und gediegenes Gitarrenspiel überzeugt. Wundervoll.

 RURA: Despite The Dark
RURA
Despite The Dark
rura.co.uk
(Eigenverlag RURACD001)
9 Tracks, 54:34


Zweitling einer der extrem gut ausgebildeten Power-Folk-Bands aus Schottland, bereits 2015 mit dem „Best-Live-Act“-Preis ausgezeichnet. Und das passt schon, denn mit instrumentellen Feuerwerken durch Pipes, Gitarre, Bodhrán, Flöte, Fiddle und vor allem der charismatischen Stimme von Adam Holmes liefern die fünf Herren auch mit diesem Album ein stimmiges Paket.


 SCHANDMAUL: Leuchtfeuer
SCHANDMAUL
Leuchtfeuer
schandmaul.de
(Vertigo/Universal)
Promo-CD, 13 Tracks, 46:08


Das neunte Studioalbum der Münchener ist wie immer Folkrock vom Feinsten. Markante geschichtliche Gestalten wie die Jungfrau von Orleans, der Räuber Kneissl oder Jack O’ Lantern werden neben Liebesgeschichten und Instrumentals vorgestellt. Sehr schön ist „Zu zweit allein“, welches Sänger Thomas Lindner mit der Finnin Tarja Turunen singt.

 SCHWARZKAFFEE: Hands Up!
SCHWARZKAFFEE
Hands Up!
schwarzkaffee.de
(Transport Music TM 16002Z/Kick the Flame/Broken Silence)
9 Tracks, 42:53


Die neun Leipziger eifern auf ihrem dritten Album dem funkigen Jazz und jazzigen Funk der Achtziger nach. Altmodisch versiert, aber auch so verkopft unterkühlt wie Generationen Deutscher zuvor – also gerade nicht funky. Peinlich ist die altbackene Ironie von „I Like Your Ass“, dafür ist „Dangerous“ eins a erfrischender Balkan Brass. Da könnte es lang gehen …


 PETE SEEGER: In England
PETE SEEGER
In England
peteseegermusic.com
(Fellside Recordings FECD273)
25 Tracks, Do-CD, 73:44, 20 Tracks, 73:00


Klangtechnisch gut aufbereitete Liveaufnahmen aus den Jahren 1959 und 1964, die den amerikanischen Folksänger auf dem Höhepunkt seines musikalischen Könnens und als Entertainer präsentieren. Für Fans interessant, weil viele von Seeger seltener aufgenommene Songs zu hören sind.

 SUE SERGEL: Beneath The Willow Tree
SUE SERGEL
Beneath The Willow Tree
suesergel.net
(Black Molly Productions)
12 Tracks, 47:58


Die aus Liverpool stammende Sue Sergel lebt schon lange in Schweden und hat sich in der dortigen Bluesszene einen Namen gemacht. Begleitet von den fantastischen Jimmy Olsson am Bass und Erik Ivarsson an der Gitarre, bewegt sich das Album zwischen Americana, Singer/Songwriter und Folk. Nur der Gesang ist vielleicht etwas inbrünstig geraten.


 SHOOGLENIFTY: The Untied Knot
SHOOGLENIFTY
The Untied Knot
shooglenifty.com
(Shoogle Records SHOOGLE 15015)
11 Tracks, 57:07


Über fünfundzwanzig Jahre im Geschäft, Studioalbum Nummer sieben – und die Zutaten des Septetts bleiben im Prinzip gleich. Schottische Wurzeln werden zu sehr tanzbaren Melodien gemischt, Acid Croft nennt sich das, der für Nichttänzer manchmal etwas mäandert. Neu und ausgesprochen bereichernd ist der perkussive gälische Gesang von Kaela Rowan bei den meisten Tracks.

 SKERRYVORE: Decade
SKERRYVORE
Decade
skerryvore.com
(Tyree Records TYREE07CD)
12 Tracks, 59:13


Nach zehn Jahren und sechs Tonträgern war dieses Album der schottischen Westküsten-Folkrocker wohl fällig. Liveaufnahmen, beginnend 2007 aus dem Classic Grand in Glasgow, über Tønder 2012 und einige Studio-Liveaufnahmen bis hin zu den Celtic Connections 2015 im Fruitmarket. Doch, das geht sehr gut ab. Interessantes Runrig-Cover von „Rocket To The Moon“.


 SLOW CLUB: One Day All Of This Won’t Matter Any More
SLOW CLUB
One Day All Of This Won’t Matter Any More
slowclubband.com
(Moshi Moshi Records/red essential)
Promo-CD, 12 Tracks, 58:27


Gothic Folk, das ist das, wo man ein bisschen mehr Hall auf die Instrumente packt. Aber auch ohne würden Slow Club, bestehend aus Charles Watson und Rebecca Taylor, immer noch veritablen, semielektrischen, meist zweistimmigen Americana-Folkpop machen. Fein arrangiert, mit Anleihen bei Neil Young oder Fleetwood Mac, aber nicht auf deren Augenhöhe.

 SNOW OWL : The Blue Road
SNOW OWL
The Blue Road
the-snow-owl.com
(Inner Circle Music INCM060)
Promo-CD, 7 Tracks, 41:12


Hinter diesem Projekt steht der preisgekrönte kolumbianische E-Kontrabassgitarrist Juan Garcia-Herreros. Mit seinem virtuosen Latin-Jazz-Ensemble Snow Owl präsentiert er Weltmusik auf höchstem Niveau. Gesang und Balafon aus Burkina Faso vereinen sich mit den bulgarischen Instrumenten Tupan und Kaval, den Rhythmen der Anden sowie der klassischen Tradition der Wiener Philharmoniker.


 IDRISSA SOUMAORO: Ampsa
IDRISSA SOUMAORO
Ampsa
(Mississippi MRP 092/Singasongfighter)
Vinyl, 6 Tracks, 36:35


Nicht nur für Sammler oder Fans der 1970er-Musik aus Mali. Hier handelt es sich um die Neuauflage einer in kleiner Stückzahl erschienenen LP, die mit hauptsächlich technischer Hilfe der DDR im Jahre 1978 für eine Blindenorganisation in Bamako aufgenommen wurde. Zu hören ist hier übrigens auch das bekannteste blinde Musikerpaar Malis, Amadou & Mariam.

 SPACEWALK: Bamako Beat Talk
SPACEWALK
Bamako Beat Talk
spacewalk1.bandcamp.com
(RoadMusic)
13 Tracks, 59:22


Der rote Faden des weltmusikalischen Projektes ist der Fluss Niger bzw. die Straße von Bamako nach Timbuktu. Alle Stücke sind auch „on the road“ aufgenommen worden. Gesungen wird in Bambara, Susu, Französisch und Englisch. Die beteiligten Musiker kommen aus Westafrika, Europa und Asien. Eine moderne Dokumentation des zeitlosen Afrobeats.


 KRISTI STASSINOPOULOU & STATHIS KALYVIOTIS: Nyn
KRISTI STASSINOPOULOU & STATHIS KALYVIOTIS
Nyn
krististassinopoulou.com
(Riverboat Records TUGCD 1093/Harmonia Mundi)
13 Tracks, 45:36


Mit Nyn („Jetzt“) fordern die beiden griechischen Musiker ihre Landsleute auf, sich nicht in nostalgischen Erinnerungen und Zukunftsängsten zu verlieren, sondern neu zu beginnen. Ihre Worte der Hoffnung präsentieren sie in zum Teil meditativen Klängen, die von griechischem Folk und byzantinischen Gesängen bis hin zu psychedelischem Rock und Punk reichen.

 STOUT: Mighty Folk
STOUT
Mighty Folk
stout-music.de
(Likedeler Musikproduktion)
12 Tracks, 52:00


Das westfälische Duo Mario Kuzyna und Simon Scherer bietet mit sechs Gästen, darunter Kuzynas drei Crosswind-Kollegen sowie Gudrun Walther, eine feine, rhythmische, melodiöse, abwechslungsreiche Irish-Folk-&-Trad-Musik. Scherers Banjo gibt dem Ganzen einen Touch von Bluegrass. Wirklich eine schöne Scheibe.


 SUMMER CROWD STEREO: Parallels And Meridians
SUMMER CROWD STEREO
Parallels And Meridians
summercrowdstereo.de
(Couchncandle cnc004)
12 Tracks, 39:18


Wer Lust auf eine Entdeckungsreise hat, kann es mal bei Summer Crowd Stereo versuchen. Die schlichten Folksongs sind selbst produziert und versprühen diesen unwiderstehlichen Charme, der Erstlingswerke auszeichnet. Die Gitarre leicht verstimmt und viele Jahre mit dem Einspielen der Songs beschäftigt, hinterlässt der Künstler ein sympathisches Gesamtwerk.

 TIN PAN ALLEY: Blue(s) Hour
TIN PAN ALLEY
Blue(s) Hour
tin-pan-alley.com
(Stormy Monday Records, Mo81430)
11 Tracks, 58:42


Sie kommen aus Kaiserslautern und spielen seit zwanzig Jahren kraftvollen Bluesrock: Albert Koch (voc), Werner Steiner (g, voc), Knut Maurer (keys, voc), Franz Schreiber (b) und Helmut Koch (dr). Bei der vierten Veröffentlichung der Band stehen erstmals Eigenkompositionen im Mittelpunkt. Präsentiert werden auch akustische Stücke wie „Crossroads“.


 TÖRF: Dichten
TÖRF
Dichten
torf.nl
(Eigenverlag, TSP007)
12 Tracks, 44:09


Ein neues Törf-Album ist immer ein Ereignis. Diesmal hat die Gruppe Verse des Dichters Simon van Wattum vertont und mit Akkordeon, Tin Whistle, Geige, Gitarre, Drehleier, Dudelsack, Duduk, Bass u. v. m. eingespielt. Von Henk Scholten gefühlvoll gesungene Groninger Dialektpoesie, dazu Instrumentalstücke im Breitwand-Folksound. Ein Hochgenuss!

 JONAH TOLCHIN: Thousand Mile Night
JONAH TOLCHIN
Thousand Mile Night
jonahtolchin.com
(Yep Roc, YEP-2431/H’art)
Promo-CD, 10 Tracks, 35:11


Ganz als Traditionalist zeigt sich der erst vierundzwanzigjährige Jonah Tolchin. Ob Blues, Americana, Folk oder Country, je nach Genre gibt es ein dreckiges Bluessolo, gezupfte Akustikgitarren, soulige Orgeln oder eine Countryfiddle. Bedingt originell, aber souverän, lässig und äußerst geschmackssicher dargebracht und deswegen auf jeden Fall hörenswert.


 ROMAN WREDEN: Let Go & Drift
ROMAN WREDEN
Let Go & Drift
romanwreden.de
(TimeZone1212)
14 Tracks, 59:25


An diese Stimme muss man sich gewöhnen. Der getragene und gedehnte Gesang führt zu einem unerwarteten Hörerlebnis. Die sinfonischen Folkpopsongs bekommen dadurch eine psychedelische Note. Sie ähneln ein wenig Büchern, die Bilderkraft ist wichtiger als die Handlung oder, musikalisch gesprochen, der musikalische Bogen ist wichtiger als der einzelne Hit.




Bücher
 WOLF BIERMANN:: Warte nicht auf bessre Zeiten – Die Autobiographie.  WOLF BIERMANN:: Im Bernstein der Balladen : Lieder und Gedichte.
WOLF BIERMANN:
Warte nicht auf bessre Zeiten – Die Autobiographie.
propylaen.de
(Berlin : Ullstein, 2016. – 543 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-3-549-07473-2 , 28,00 EUR


WOLF BIERMANN:
Im Bernstein der Balladen : Lieder und Gedichte.
propylaen.de
(Berlin : Ullstein, 2016. – 233 S.)
ISBN 978-3-549-07479-4 , 24,00 EUR


Um es gleich vorneweg festzuhalten: Ja, der Autor ist eitel, geht mit eigenen Irrtümern und Fehlern nachsichtiger um als mit denen seiner Widersacher, er polarisiert und er ist provokativ, vorlaut, polemisch, zuweilen grob und meistens geradeheraus. Doch zum Wichtigen. Wolf Biermann wurde 1936 im Hamburg geboren. Seine Eltern waren beide Kommunisten, sein jüdischer Vater wurde 1943 in Auschwitz ermordet. Mit diesen familiären Prägungen legte Mutter Emma ihren einzigen Sohn auf sein Lebensthema fest und begleitete ihn sein bewegtes Leben lang liebevoll. Sie rettete ihn in der Hamburger Bombennacht 1943 und schickte ihren lernfaulen Politbengel 1953 nach Gadebusch in die DDR. Damit wurde die Weiche gestellt für die ganz außergewöhnliche Karriere eines gläubigen und dann widerspenstigen Liedermachers. Er schildert seinen Weg, der über die Uni zum Berliner Ensemble und über eine Liebe zu eigenen Liedern führte. Und mit den eigenen Liedern und Gedichten begann die Gängelei des Apparats. Diese Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten, unter denen alle Kulturschaffenden litten, deren harte Folgen und Verbote sie fürchteten und denen sie auszuweichen versuchten. Doch da begann er sich von anderen gemaßregelten Künstlern zu unterscheiden. Er versuchte nicht mehr, zu diplomatisch zu agieren, zu besänftigen, zu tricksen, nein, er widerstand und blieb frech bei seiner Meinung und seinen Liedern. Manfred Krug schrieb in seinem Buch Abgehauen: „Er war die Vorhut. Wenn er Richtung Front losging und es blieb ruhig, konnte man bequem hinterherrobben.“ Biermanns Ausbürgerung 1976 war deshalb für viele Künstler in der DDR ein Schock und letzter Anlass, dem Land ebenfalls den Rücken zu kehren. Sehr lebendig, engagiert und detailreich erzählt der Autobiograf diese Entwicklungen, schildert seine Veränderungen, Kompromisse, Fehler, Ängste, Feigheiten und seinen Mut, Zorn und Trotz, seine Frauen und Kinder, seine Freunde, Feinde und Kollegen. Da er nach eigener Aussage nur die literarische Kurzstrecke beherrscht, ist ein Großteil der Recherchearbeit in den Stasiakten und seinen Tagebüchern und die Auswahl und Zusammenstellung der Geschichten von seiner Frau Pamela geleistet worden. Sicher ein hartes Stück Arbeit, es galt, ein prall gelebtes Leben zu erzählen. Das Personenverzeichnis ermöglicht auch die gezielte Suche nach Informationen. Das mangels Relevanz aussterbende Genre Renegatenliteratur der kommunistischen Bewegung ist um ein wichtiges Werk erweitert worden. Annähernd zeitgleich zum achtzigsten Geburtstag Biermanns und seiner Autobiografie ist zudem ein Sammelband seiner Gedichte und Lieder aus über 55 Jahren erschienen. Hier kann man die Steine des Anstoßes nachlesen, seine Entwicklung verfolgen zu immer direkterer Kritik in der DDR bis zu persönlichen, milderen Gedichten seiner späten Jahre. Eine liebevoll gemachte Edition.
Rainer Katlewski
 MICHAEL DÜBLIN:: Der kalte Saphir
MICHAEL DÜBLIN:
Der kalte Saphir
skv.de
(Basel : Petri, 2016. – 336 S.)
ISBN 978-3-03784-098-6 , 24,90 EUR


Der egoistische und egozentrische Sänger einer aufstrebenden deutschsprachigen Band wird Anfang der Achtzigerjahre im Studio erschossen aufgefunden, und die Täterschaft bleibt ungeklärt. So was könnte – natürlich nur rein theoretisch, versteht sich – auch in der Folk-/Weltmusikszene passieren. Über dreißig Jahre später macht sich eine gefragte Journalistin auf den Weg nach Griechenland, um durch ein Interview mit dem eremitenhaften Tontechniker eben jener Band möglichst das Mordgeheimnis zu lüften. Die Dame hat für den Rolling Stone geschrieben, ist nun für das Magazin Schall tätig, und das ist dann schon ziemlich realitätsnah. Um es vorwegzunehmen, ohne zu viel zu verraten: Sie identifiziert den Mörder, und Autor Düblin lässt dennoch einen Nachfolgeroman im Bereich des Möglichen, man weiß ja nie. Die Story ist clever, falsche, aber dennoch plausible Spuren gibt es viele, und die Charaktere der Beteiligten sind glaubhaft geschildert, wenn auch teils ein wenig klischeehaft. Dazu passen die ab und an etwas zu üppigen Portionen Amateurpsychologie. Verwirrend wirken manchmal die unregelmäßigen und sprunghaften Wechsel der Erzählperspektiven zwischen Tontechniker, Journalistin oder anderen Personen. Und absolut unglaubwürdig erscheint, dass der Tontechniker die ganze komplexe Story im Laufe von etwa zwölf bis sechzehn Stunden in Blöcken erzählt, wobei seine Schilderungen voll von geschliffener eigener und fremder wörtlicher Rede sind – nicht eben sehr realistisch. Trotz der Kritikpunkte und vielleicht ein wenig überraschend: Als Krimi aus dem Musikgeschäft der Achtzigerjahre ist Düblins Buch trotzdem zu empfehlen, denn der Autor besitzt entsprechende Fachkenntnisse und genügend Hintergrundwissen. Und das Wichtigste: Die Spannung des „Wer war’s?“ wird bis ganz zum Ende intelligent aufrechterhalten. Ein Teil zwei? Warum nicht.
Mike Kamp

 MARTIN WIMMER: Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes
MARTIN WIMMER
Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes
weissbooks.com
(Frankfurt : Weissbooks, 2016. – 281 S.)
ISBN 978-3-86337-108-1 , 22,00 EUR


Martin Wimmer hat eine illustre Biografie vorzuweisen. Er ist genauso Büroleiter für einen Oberbürgermeister wie auch Kabarettist, DJ und Autor. Doch ist er wohl vor allem ein leidenschaftlicher Musikfan. Jedenfalls liest sich Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes wie das Werk eines Musikbegeisterten. Darin verwebt der Autor in etwas plauderhaftem Ton Persönlich-Biografisches mit Angelesenem, Aufgeschnapptem, Mitgehörtem, bei dem Musikthemen in der Regel im Mittelpunkt stehen. Doch ist das Buch keineswegs ein Sachbuch. Vielmehr ist Wimmer ein Humorist, der Themen oder Themenblöcke mit Hilfe seiner leichtfüßigen Schreibe umkreist. Die vielen kurzen Texte, aus denen das Buch zusammengesetzt ist, wirken wie ein Sammelsurium, das persönliche Interessen und Beobachtungen miteinander verknüpft. Sie könnten gut fürs Feuilleton einer überregionalen Zeitung geschrieben sein, doch changieren sie in ihrer literarischen Gekonntheit pausenlos zwischen Feuilleton-Journalismus und soziopolitischem Essay. Häufig werden reine Sachinformationen aneinandergereiht und bringen Themen nur auf sehr flüchtige Weise miteinander in Kontakt, ohne das ein Gesamtbild entsteht. Es würde sicher großen Spaß machen, Wimmer im Radio zuhören zu dürfen, wie er Songs spielt und zwischendurch nonchalant kurze Anekdoten erzählt, wie er es in Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes macht. Als Buch wirkt das Ganze dagegen eher dünn.
Michael Freerix
 Der Dudelsack: von dudelnden Böcken, kleinen Hummeln und anderen Pfeifen / Hrsg.: Verein Steirisches Volksliedwerk
Der Dudelsack
von dudelnden Böcken, kleinen Hummeln und anderen Pfeifen / Hrsg.: Verein Steirisches Volksliedwerk
steirisches-volksliedwerk.at
(Graz : Verein Stei­risches Volks­lied­werk, 2016. – 58 S. : mit zahlr. Abb. – (D), 4,00 EUR


Der Dudelsack ist das Thema des aktuellen Vierzeilers des Steirischen Volksliedwerkes in der österreichischen Steiermark. Ein aktuelles Thema, denn kaum ein anderes Volksmusikinstrument der Vergangenheit hat es geschafft, in der der heutigen Musikkultur derart präsent zu sein. Die Steiermark hat mit dem Dudelsackspieler und Musiklehrer Sepp Pichler einen der wichtigsten Protagonisten der Szene, auch in Deutschland durch Workshops und Konzerte bekannt. Seinem Auftaktartikel folgen interessante Aufsätze zur Geschichte und Gegenwart des Instruments. Michael Peter Vereno schreibt über die Namen von Sackpfeifen, Albin Paulus berichtet über den Dudelsack im Zwiegespräch mit der Wiener Klassik, und Gerhard Nierhaus betrachtet das Instrument als Bestandteil zeitgenössischer Kompositionen. Monika Primas, die Geschäftsführerin des Steirischen Volksliedwerks, interviewt die Dudelsackspielerin Anna Hrozny-Kügerl und Florian Wimmer den Dudelsackbauer Thomas Rezanka. Ein Artikel über den Dudelsack in der Slowakei von Bernard Garaj und ein Lebensbild des Grazers Arnold Lobisser von Daniel Fuchsberger beenden den Reigen interessanter kleiner Aufsätze. Der Vierzeiler gibt einen guten Einblick in die volksmusikalische Welt Österreichs, die sich sehr bewusst mit Traditionen auseinandersetzt und sie im Jetzt und Heute positioniert – als lebendige Volkskultur. Sehr lesenswert.
Ralf Gehler

Besondere
KOFELGSCHROA
Baaz
kofelgschroa.by
(Trikont US-0480/Indigo)
14 Tracks, 59:15 , mit rudimentärsten dt. Infos


„Mei Freindin / is aus Venedig. Mir seng uns / recht wenig“. Eine dröhnende Helikontuba, die sich am liebsten auf einen, zwei, drei Töne wie Mantras zurückzieht; zwei Hörner, Akkordeon, Gitarre. Melodisch unscheinbar fließende Strophen. Und in den Refrains geht es dann ab, entsteigen Kofelgschroa der Klaustrophobie der Alpentäler auf die Gipfel. In die Höhe, Weite und Freiheit sich öffnender Melodien und einer etwas spinnerten Weltsicht, die einen ganz zauberhaften Blick hat für Dinge, die gern untergehen: „Irgendwann ist’s dir egal / verstaubt steht im Regal / mein hochverdienter / Langlaufpokal.“ Eine Art coole Americana, zunehmend durchsetzt aber mit heimisch bayerischer Musik und einer Offenheit für  KOFELGSCHROA: Baaz die Elektrohypnose der nächsten Generation – zusammen mit Ahnen wie Sparifankal oder F.S.K. und Zeitgenossen wie G. Rag y Los Hermanos Patchekos verkörpern sie mittlerweile einen regelrechten Trend. Kofelgschroa aber sind noch einmal anders. Noch hypnotischer. Noch schräger. Was offenbar zusammengehört: Immer wieder dreht das Quartett vom Fuße des Kofel das entscheidende Stückchen weiter ab als die anderen – musikalisch wie textlich wie von ihrem Duktus her. Man fragt sich manchmal regelrecht, ob das mitunter absichtlich so gaga klingt – oder ob sie einfach nicht ganz dicht sind. Aber werden sie wohl sein, dicht – so besonders nah, wie sie am wirklichen Leben sind und davon künden. Selbstverständlich im Dialekt und vollkommen lässig – zwinkernd, unverkrampft, null große Klappe. Und mit großem Reichtum an schmückendem Beiwerk nebenher – zusätzlichen Instrumenten, allen Arten von Ländlern und dergleichen natürlich; Blumfeld-Momenten oder direkt bei den 17 Hippies entlehnten Arrangements; Grooves, die sich fast schon zu Ambient Techno und Trance verselbständigen, wie analog auch immer gespielt. Womöglich alle einmal Kandidaten für den Weg, den es einzuschlagen galt. Jedoch: „Ich, ich war verliebt in dich / Aber heute bin ich froh / dass es nicht du geworden bist.“ Wir auch!
Christian Beck
FAUSTUS
Death And Other Animals
faustusband.co.uk
(Westpark Music, Westpark 87323/Indigo)
11 Tracks, 55:33 , mit engl. Infos u. Texten


Faustus sind drei Herren in der Mitte des Lebens, aber bereits Veteranen der englischen Folkszene. Bellowhead, Waterson:Carthy, Seth Lakeman oder Belshazzar’s Feast sind nur ein Ausschnitt aus dem Schaffen von Benji Kirkpatrick (Bouzouki, Gitarre, Mandoline), Saul Rose (Melodeon) und Paul Sartin (Oboe, Violine, Englischhorn). Neu ist auch die Gruppe Faustus nicht, es gibt sie schon seit deutlich über zehn Jahren. Obwohl bereits die Vorgänger-CD Broken Down Gentlemen mit Lob und Preisen überschüttet wurde, liegt die Vermutung nahe, dass Kirkpatrick und Sartin erst jetzt mit dem Ende von Bellowhead in Sachen Faustus so richtig Volldampf geben. Das Trio genoss ein Jahr lang den Status der „Artists in  FAUSTUS: Death And Other Animals Residence“ im Folkzentrum Halsway Manor, einem ehemaligen herrschaftlichen Haus in der Grafschaft Somerset. Dort finden regelmäßig Workshops und Konzerte statt, aber das Haus besitzt auch ein umfangreiches Archiv, eine Bibliothek und ein schnuckeliges, aber gut eingerichtetes Studio. Zu beidem hatten Faustus so gut wie unbeschränkten Zugang. Das hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Kind in der Schokoladenfabrik. Und so förderten die drei Herren auch ein paar Perlen an die Öffentlichkeit, die genau das verdient haben. Doch nicht alle Lieder der drei grandiosen Sänger sind Neuentdeckungen, selbst populärere Songs wie „While Gamekeepers Lie Sleeping“ oder „One More Day“ (einfach nur genial) klingen in der Faustus-Bearbeitung lediglich entfernt bekannt. Neben dem unbestreitbar hohen Können der Musiker fasziniert deren dezent ungewöhnliche, irgendwie sehr augenzwinkernd britische Art der Arrangements mit herrlich vertrackten Rhythmen. Ganz ohne Frage haben sich Faustus einen ganz eigenen, unverwechselbaren Klang erarbeitet, und das ist der Traum einer jeden Gruppe. Mit einer deutschen Plattenfirma im Rücken ist zu vermuten, dass Faustus in absehbarer Zeit eine Konzertinvasion der BRD planen. Das wäre dann zur Abwechslung mal eine willkommene Nachricht aus England.
Mike Kamp

SIMONE MONGELLI
Bodyterranean
simonemongelli.eu
(Autodial CA292/Cultural Action EMSE)
11 Tracks, 49:14


Die traditionelle Musik des Mittelmeerraumes hat auf diesem Album ein neues Kleid bekommen. Jung und frisch kommt sie daher, und doch ist das Gewand aus feinen alten Fasern gewoben. Der Ethnologe und Musiker Simone Mongelli hat italienische und griechische Musik nicht nur studiert, sondern auch eine sehr persönliche Form der Interpretation gefunden. Er gibt sich ihr mit dem ganzen Körper hin. Dies ist nun nicht bildlich gemeint, sondern höchst real. „Body Music“ ist das Zauberwort. Ein junges Genre, das als solches bisher einer breiteren Öffentlichkeit nicht vertraut ist. Als bekannteste sind hier die amerikanische Tradition des Hambone sowie die brasilianische Gruppe Barbatuques zu nennen.  SIMONE MONGELLI: Bodyterranean Fasziniert vom reichhaltigen Erbe der Klänge und vor allem der Rhythmen Griechenlands, suchte der graduierte Percussionist Mongelli für seine Interpretation Musiker – oder besser gesagt Body-Musiker – aus vielen verschiedenen Ländern der Welt. Neben Bryan Dyer und Antwan Davis aus den USA hören wir hier auch den Österreicher Max Pollak, den Mongelli als einen seiner Lehrer nennt. Sowohl die Kunst der südindischen Rhythmussprache Konakol als auch Beatboxklänge sind zu hören. Daneben wird geklatscht, auf alle erdenklichen Körperteile geschlagen, gestampft und gesteppt, teilweise auf Holzkisten, die eigens für die Aufführungen und Aufnahmen gebaut wurden. Allem voran aber sind die wunderschönen A-cappella-Gesänge zu nennen, die durch die archaische Begleitung vom ganzen Körper gehört und empfunden werden. Hier hat Simone Mongelli zwei hervorragende Gesangsensembles gefunden, die mit dieser Musik stilsicher so sehr aus dem Vollen schöpfen, dass man vergisst, dass es sich um eine Musik ohne Instrumente handelt. Im Begleitheft erfahren wir neben den Liedtexten und Überlieferungen auch noch etwas zur Entstehungsgeschichte des Albums. Mithilfe einer Crowdfundingkampagne realisierte Mongelli sein Herzensprojekt innerhalb eines Jahres, eines sehr erlebnisreichen Jahres.
Christoph Schumacher



Deutschland
 MARYAM AKHONDY’S PAAZ: Live At WDR
MARYAM AKHONDY’S PAAZ
Live At WDR
maryamakhondy.com
(Laika-Records, 3510338.2/Rough Trade)
12 Tracks, 61:11 , dt. Infos


Ein hochklassiges Konzert, das lange nachhallen wird. Vor mehr als dreißig Jahren flüchtete die iranische Sängerin Maryam Akhondy nach Deutschland, weil ihre Auftritte nach der islamischen Revolution verboten wurden. Seitdem fördert sie von Köln aus mit musikalischen Projekten wie dem von ihr gegründeten Ensemble Barbad und der Frauenvokalgruppe Banu den Austausch zwischen den persischen und europäischen Kulturen. Am 18. September 2015 widmete sie deshalb den Flüchtlingen im kleinen Sendesaal des WDR einen intensiven Abend musikalischer Vielfalt. Mit der von ihr 2013 initiierten Gruppe Paaz – auf Deutsch „Persischer Jazz“ – begeisterte sie das Publikum mit einem Repertoire aus neu arrangierten persischen Volksliedern und Eigenkompositionen. Begleitet von Klavier, Klarinette, Kontrabass, Tobak und Daf, verschmilzt die klassisch ausgebildete Sängerin die Tradition ihres Heimatlandes mit Stilen wie Jazz, Klezmer oder Chanson. Ihre studierten Bandmusiker, die selbst iranische, israelische und weißrussische Wurzeln haben, zeichnen sich dabei immer wieder durch exzellente Improvisationen und gefühlvolles Rhythmusspiel aus. Das Konzert ist ein leidenschaftliches Plädoyer für das Verständnis aller Menschen untereinander.
Erik Prochnow
 BASTA: Freizeichen
BASTA
Freizeichen
basta-online.de
(TRC The Record Company)
15 Tracks, 47:42 , Fotos, dt. Infos u. Texte


Dass wir in Zeiten leben, in denen es ein Abenteuer ist, zwei Stunden offline zu sein, in denen es nur ein kleiner Schritt vom Putzfrau haben zum Putzfrau sein ist, in denen es an Liebesliedern für Männer fehlt, daran lassen uns die fünf Kölner Jungs Hannes Herrmann, Werner Adelmann, William Wahl, Arndt Schmöle und René Overmann teilhaben sowie und an vielen anderen kleinen, feinen Beobachtungen. Sie singen a cappella, nicht auf Kölsch, sondern standarddeutsch, erinnern an die Prinzen und die Wise Guys, aber auch an Max Raabe. Und obwohl sie in einem Lied ihren blanken Hass auf Gute-Laune-Musik eingestehen, produzieren sie genau eine solche. Die Texte mit teils Loriot’schem Humor, die Melodien, die Höhen und Tiefen der Stimmen, die Rhythmik und Harmonik, alles ist getragen von einem sanguinischen Lebensgefühl. Etwas besinnlicher ist „Frau Marstetter“ über eine Supermarktkassiererin, die alle verzaubert, wenn sie tanzt, Wortwitz hat das Teekesselchenlied „Nachkommen“, und über allem schwebt das Orchester, das keines ist, sondern – a cappella eben – aus Stimmen besteht. Es ist übrigens schon ihr achtes Album seit 2000. Zugreifen und anhören.
Michael A. Schmiedel

 DIVERSE: Stimmen Bayerns – Himmel & Hölle
DIVERSE
Stimmen Bayerns – Himmel & Hölle
trikont.de
(Trikont US-0482/Indigo)
16 Tracks, 66:15 , mit ausführlichen dt. Infos


Während die Gesellschaft im Globalisierungsstresstest nahezu durchgängig strikt zurück ins Konservative zieht, und das oft auch an ihren Rändern, ist und bleibt ernsthafte Religiosität an diesen Rändern, an denen auch Trikont siedelt, offenbar indiskutabel. Gott sei Dank. Es geht nun einmal nicht anders, wenn man auch noch etwas anderes im Sinn hat als Selbsttäuschung, aus welchem Grund und zu welchem Behufe auch immer. So reden und singen sie auf dieser Ausgabe der Stimmen Bayerns, einer der bisher mutigsten und stärksten, mit sprudelndem Witz über die Teufel, Mehrzahl, und wo sie überall lauern – die Karl Valentins, Maria Pescheks, Ringsgwandls und Konsorten. Künden noch einmal von den Szenerien über den Wolken, die ihnen mit dem Gesangbuch einst eingebläut wurden. Die Nöte der Menschen sind ihnen sehr spürbare Anliegen – aber die volkstümlichen Pflichtenhefte, Heilsversprechen und Strafkataloge können sie natürlich nicht wirklich ernst nehmen. Logischerweise, und so soll das auch sein. Sehr schön – speziell im gelegentlichen Dialekt. Empörte Kommentare bitte gern an den Autor dieser Zeilen – oder seinetwegen auch gleich als wütenden Strafantrag zu Händen des Allmächtigen.
Christian Beck
 TOM KIRK: Schwarze Krähen, blaue Stunden
TOM KIRK
Schwarze Krähen, blaue Stunden
tom-kirk.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 40:04


In bester Tradition der alten Liedermacher präsentiert Tom Kirk sein selbst produziertes Album. Er braucht sich hinter seinen Vorbildern wie Degenhardt nicht zu verstecken. Seine Gesangstechnik und seine Klangfarbe sind geradezu für das deutsche Liedgut geschaffen. Mit persönlichen Liebesbotschaften, kleinen Alltagsgeschichten und natürlich der einen oder anderen politischen Botschaft spielt sich Tom Kirk in die Herzen der Folkpuristen. Von seiner akustischen Gitarre begleitet und behutsam unterstützt von einigen wenigen Gastmusikern, wärmt der Künstler die Herzen. Man bekommt sofort wieder Lust, selber zur Gitarre zu greifen und am nächsten Lagerfeuer oder, bedingt durch die Jahreszeiten besser vor dem Kamin, seine alten Texthefte durchzusehen und sich an Pfadfinderzeiten zu erinnern. Schwarze Krähen, blaue Stunden ist so wundervoll, authentisch und warm, so fürchterlich altmodisch und mit einfachsten Mitteln produziert, dass man sich kaum traut, dieses Album zu mögen. Zu sehr glaubt man, Hannes Wader und Mitstreiter neu zu entdecken. Menschen wie Tom Kirk werden vermutlich nie einen Plattenvertrag erhalten. Mit dieser Scheibe ist kein Geld zu verdienen. Aber der Künstler verdient sich unsere Liebe.
Christian Elstrodt 

 ROBERT SAURWEIN: The Homegrown Projekt
ROBERT SAURWEIN
The Homegrown Projekt
robertsaurwein.com
(Eigenverlag)
9 Tracks, 33:24


Ein Album eines unbekannten Künstlers, ohne Label, ohne Infos und natürlich ohne jegliches Marketing. Sie enthält selbst komponiertes und selbst produziertes Songmaterial, vom Künstler eingesungen, nur von seiner Gitarre begleitet. Das riecht nach Proberaum und garantierter Erfolglosigkeit. Dann erklingen die ersten Töne, und man spürt, wie die Tränen ins Gesicht schießen, weil die pure Schönheit der einzelnen Kompositionen dem Hörer schier den Atem verschlägt. Hier singt sich jemand zart und zerbrechlich und gleichzeitig energetisch und voller Zorn die Seele aus dem Leib. Mit leisen Tönen klingt Robert Saurwein lauter, als es jeder Punkband möglich wäre. Neun Lieder, mehr benötigt Robert Saurwein nicht, um das Herz bis ins Mark zu erschüttern. Jeder Song ist einfach gestrickt und folgt vertrauten Strukturen. Doch Saurwein bringt die Stimmung jedes Songs dermaßen auf den Punkt, dass trotz oder gerade wegen der Schlichtheit perfekte Songs entstehen. Jeder einzelne Track des Albums wird zum Lieblingssong, den man wieder und wieder hören möchte. Bei den üblichen Onlineverdächtigen gibt es das Album zu hören, aber macht einen Künstler und den Rezensenten glücklich und kauft das Album.
Christian Elstrodt
 MARCO TSCHIRPKE: Aliens – 30 komische Lieder ohne Refrain
MARCO TSCHIRPKE
Aliens – 30 komische Lieder ohne Refrain
lapsuslieder.de
marco-tschirpke.de
(Reception/Broken Silence)
Promo-CD, 30 Tracks, 31:57


Kurz, knapp und außerirdisch, aber auch ländlich und heutig und hiesig kommt der ehemalige Jungpionier aus Rathenow daher. Er trägt witzige Kleinigkeiten, Absurdes, Wahres, allzu Wahres, auch Kalauer und Tiefsinniges zu sparsamer, aber eindringlicher und raffinierter musikalischer Begleitung vor. Gerade weil die Lieder so unauffällig, beiläufig und unaufdringlich sind, wirken sie so überraschend und charmant. Denn beschreiben kann man die Lieder kaum. Es ist natürlich ziemlicher Blödsinn, vor dem Pferdestall Pfeife zu rauchen, damit dort nicht nur die Pferdeäpfel qualmen. Dass zwei Ziegen zusammenkommen, um eine Ziegelei zu gründen, ist ebenfalls Kalauerquatsch. Dann aber ein kurzer Hieb gegen Harald Genzmer (siehe Wikipedia). Kurz, das ist der entscheidende Kunstgriff, den er beherrscht. Im Minutenrhythmus wechseln die Songs und die Pointen. Kaum ist man im Lied drin, ist man schon wieder raus. Dazu der ständige Wechsel der Instrumente und musikalischen Richtung. Darum kann man das Album auch öfter hören, es gibt immer noch etwas zu entdecken. Dann werden einem auch die Aliens vertraut.
Rainer Katlewski

 ULI TSITSOS: Vampire Empire/Live At Sofar Sounds
ULI TSITSOS
Vampire Empire/Live At Sofar Sounds
ulitsitsos.bandpage.com
(Gänseblümchen Tonträger)
21 Tracks, 60:52


Der Nürnberger Uli Tsitsos punktet gleich mit zwei Neuveröffentlichungen, dem Studioalbum Vampire Empire und dem Livemitschnitt Live At Sofar Sounds. Zeitgemäß gibt es beides bei Bandcamp zum Herunterladen oder materialschonend gemeinsam auf einem Album, die Livesession dient hier als Bonustitel. Wieso genau Vampire Empire in einem Folkmagazin Platz findet, ist schwer zu beschreiben. Die Musik von Uli Tsitsos ist zweifellos modern, bedient sich neben obligatorischer Gitarre und Percussion auch der Elektronik, hin und wieder scheinen Hip-Hop-Versatzstücke durch. Das Album beinhaltet so viele unterschiedliche Musikfarben, dass es kaum möglich ist Vampire Empire einem Genre zuzuordnen. Das Songmaterial ist durchweg überdurchschnittlich, die verkauzten Kompositionen bewegen sich zwischen Low-Budget-Produktion und Geniestreich. Letztendlich geht es um einen guten Song, und genau deshalb ist Vampire Empire im Folker goldrichtig. Uli Tsitsos zeigt, wie die Zukunft eines Singer/Songwriters aussehen kann. Der Künstler, der nebenbei den Indie-Geheimtipp Elephant Circus gründete, zeigt keinerlei Berührungsängste gegenüber neuen Techniken, und so klingen die Kompositionen zum einen verschroben und altvertraut, aber zugleich befremdend und futuristisch.
Christian Elstrodt
 KONSTANTIN WECKER: Ohne warum – live
KONSTANTIN WECKER
Ohne warum – live
wecker.de
(Sturm & Klang S & K 025/Alive)
20 Tracks, 66:11 , mit dt. Infos


Sagen wir es einmal so: Auch bei diesem Kraftprotz von Liedermacher, diesem Ausbund an politischer Korrektheit, diesem seltenen Erfolgsmodell eines Bühnen- wie Lebenskünstlers auf höchster Drehzahl, diesem putzmunteren kommenden Siebziger-Jubilar, ist noch Luft nach oben. Man kann nämlich alles ein bisschen übertreiben und manches auch ein bisschen sehr – nicht nur das Koksen. Ohne warum – live, die Karrierebilanz auf deutschen Bühnen vom vergangenen Jahr, übertreibt zum Beispiel die Selbstverliebtheit, etwa in die Pose des total verinnerlichten Denkers und entrückten Interpreten schon auf dem Cover, und in den Moderationen gerne erneut. Das Album übertreibt das Namensgeklingel – unter Meister Eckhart, Angelus Silesius, Novalis, Hugo von Hofmannsthal, Georg Heym macht er’s nicht mehr, der Konstantin Wecker. Ohne warum – live übertreibt das Gutmenschentum – von solcher Maßlosigkeit kommt wohl der Schmähbegriff. Es übertreibt das Pathos, und vermutlich übertreibt es noch einiges mehr, aber was soll’s – sein Publikum wird auch den Weckerbericht 2015 wieder lieben. Und das sei dem Künstler auch gegönnt – es ist ja schließlich auch nicht alles schlecht an ihm und seinen Liedern. Kleiner Scherz.
Christian Beck

 WENZEL: Wenn wir warten
WENZEL
Wenn wir warten
wenzel-im-netz.de
(Matrosenblau/Indigo)
Promo-CD, 13 Tracks, 46:51


Vor dreißig Jahren erschien seine erste, inzwischen legendäre Amiga-Platte Stirb mit mir ein Stück, und es gibt durchaus Parallelen zwischen dieser und dem neuesten Album Wenzels. Auf beiden sind mehrheitlich Liebeslieder zu hören, und die Instrumentierung wirkt ähnlich. Dabei ist eine sanfte Melancholie spürbar, die an Abendstimmung beim Wein am Meer erinnert, unterstützt durch ruhige Latin- und Reggaeklänge seiner Band. Mehrfach blickt Wenzel auf die Jahre zurück, die so schnell vergehen, etwa in „Auf der Kindheit bunten Karussellen“ oder in „Verbrannt nach Strich und Faden“: „… und konnte es nicht lassen, doch zu hoffen, obwohl zu ändern diese Welt mir nicht gelang.“ Herausragend sein Song „Wenn nur diese Fratzen nicht wären“, eine Abrechnung mit abendländischen Heilsverkündern und ihren Mitläufern: „Im Selbsthass hasst man die Fremden, unterdrückt, weil man selbst unterdrückt.“ Auch der Hochmut der Reichen gegenüber den Schwachen wird thematisiert. Sein Fazit in „Nicht viel“ bringt es auf den Punkt: „Auf dass ich nicht zerbreche an dieser Welt.“ Das neue Album reiht sich würdig ein in Wenzels bisheriges Gesamtwerk von nunmehr vierzig Alben, immer in höchster künstlerischer Qualität. Respekt.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer



Europa
 BARCELONA GIPSY BALKAN ORCHESTRA: Del Ebro Al Danubio
BARCELONA GIPSY BALKAN ORCHESTRA
Del Ebro Al Danubio
bgko.org
(Satélite K SATKCD194/Diggers Music/Galileo MC)
Promo-CD, 12 Tracks, 57:08 , span. u. engl. Infos u. Texte in div. Sprachen


Wie fast jede Metropole hat auch das klangreiche Barcelona eine solche Combo. 2012 taten sich dort vier exzellente Instrumentalisten aus Italien, Frankreich, Serbien und Griechenland mit einer gesanglich wie sprachlich begabten Katalanin zusammen. Die klingt, als käme sie vom Balkan, dem deutlich hörbaren Fokus des Ensembles, das das „Klezmer“ im Namen mittlerweile durch „Balkan“ ersetzte. Das Gros der Stücke sind Traditionals, bei denen man sich musikalisch feinnervig und virtuos an die jeweilige Herkunftsregion herantastet. Dabei wäre diesem multinationalen Verbund, der gerade das Stilübergreifende als Prinzip und Motor seines Tuns deklariert, mehr Mut zur Melange zuzutrauen. Das Rüstzeug, die von ihnen angesteuerten Traditionen vor ihrem eigenen Hintergrund neu und originell zusammenzubringen, haben die jungen Musiker und ihre vielen Gäste allemal. Auch ist weniger stark als auf den zwei vorigen Alben etwas von ihrer unter vielem anderen an Gipsy-Kultur reichen Wahlheimat zu spüren. Allein der wunderschöne katalanische Folksong „El Testament D’Amèlia“ bekam unter anderem durch Jazz eine eigene Anmutung. Ansonsten reist das gelungene Album wohl eher auf der titelgebenden Donau (Danubio) als dem Ebro, dem zweitlängsten Fluss der Iberischen Halbinsel.
Katrin Wilke
 KARIM BAGGILI: Apollo You Sixteen
KARIM BAGGILI
Apollo You Sixteen
karimbaggili.be
(Take The Bus)
12 Tracks, 50:43


Dem belgischen Gitarristen Karim Baggili ist ein echtes Ausnahmewerk gelungen, und das nicht zum ersten Mal. Auch Lea & Kash (siehe Folker 4/2010) war in seiner konsequenten Individualität mehr als bemerkenswert. Immer wenn man glaubt, verstanden zu haben, aus welchen Zutaten diese eigenwillige Mixtur eigentlich besteht, schlägt Baggili Haken, vom Flamenco zum Artrock, von arabischen Themen über Balkanbeat zu westlich anmutender Klassik. Vivian Ladrière, Schlagzeuger und Percussionist, sorgt für gewaltigen Schub nach vorne, während Baggili an Flamencogitarre und Ud für virtuose Glanzlichter sorgt. Baggili, jordanisch-jugoslawischer Abstammung, widmet sich in seinen aktuellen Projekten vermehrt seiner musikalischen „Herkunft“. Die äußerst fantasievolle Reise durch den Baggili-Kosmos ist, neben aller Kopffreude am Virtuosentum, aufgrund seiner starken Groovelastigkeit sogar tanzbar.
Rolf Beydemüller

 CRISTINA BRANCO: Menina
CRISTINA BRANCO
Menina
cristinabranco.com
(Universal/Edel)
Promo-CD, 12 Tracks, 38:03


Portugals junge Fadosängerinnen durchbrechen immer wieder stilistische Schranken. Menina ist, mit einer Ausnahme, kein Fadoalbum. Cristina Branco schafft es vielmehr, mit ihrer Stimme Fremdkompositionen von Indierockern und Rappern zu ihren eigenen Liedern zu machen, bei denen man eine Nähe zum Fado heraushört. Das Album ist eine Entdeckungsreise zu Künstlern, die vom Rest Europas kaum wahrgenommen werden. Die Sängerin spürt, welches Liedmaterial zu ihr passt, sei es der Ohrwurm „Luto Mudo“ des angolanischen Rappers Kalaf Angelo oder die melancholisch trägen Balladen des von den Kapverden stammenden Musikers Luis Gomes und seines Trios Cachupa Psicadélica. Sein „Deus À“ ist eines der Glanzlichter des Albums. „Ai, Esta Pena De Mim“ von Amália Rodrigues, der einzige Fado des Albums, beginnt gar nicht genregemäß. Da ist nur der Jazzbass, gefolgt von der Stimme, bis nach einiger Zeit die portugiesische Gitarre und das Klavier einsetzen. Die schlanke Besetzung und die unvergleichliche Stimme Brancos machen aus den zwölf Stücken fein gewobene Kunstlieder. Ästhetik pur würde wunderbar in Portos avantgardistischen Konzertsaal von Rem Koolhaas passen.
Martin Steiner
 JOSIENNE CLARKE & BEN WALKER: Overnight
JOSIENNE CLARKE & BEN WALKER
Overnight
josienneandben.com
(Rough Trade RTRADECD798)
12 Tracks, 41:41 , mit engl. Texten


Novembermusik ist das, was uns das englische Duo Clarke & Walker präsentiert. Eigentlich ähnlich wie auf den vorangegangenen Alben, nur dass sie nach dem Wechsel zu einer größeren Plattenfirma mehr gestalterische Möglichkeiten haben, mehr Begleitmusiker, mehr Studiozeit. Novembermusik, trüb, verhangen, regnerisch, aber auch besinnlich, melancholisch und mit einer gewissen Prise Heimeligkeit. Dazu passen zwei Stärken, die die beiden Künstler konsequent weiterentwickelt haben: Josienne Clarkes ganz besondere, kontrollierte Stimme, die alle vorgenannten Attribute in sich vereint und manchmal gar klassisch klar klingt wie bei „Sleep“; dazu die filigranen Arrangements, die Ben Walkers Markenzeichen sind. Streicher, Bassklarinette, Cello oder Gitarre, der Sound ist ungewöhnlich – bis auf „The Waning Crescent“, das ist Popmusik und fällt ein wenig aus dem sonst so angenehm verhangenen Rahmen.
Mike Kamp

 VALENTIN CLASTRIER/STEVEN KAMPERMAN: Fabuloseries
VALENTIN CLASTRIER/STEVEN KAMPERMAN
Fabuloseries
valentinclastrier.com
stevenkamperman.nl
(Homerecords)
14 Tracks, 46:51


Valentin Clastrier gilt als der Erfinder der modernen Drehleier. In seinen Händen wird die von ihm zusammen mit dem österreichischen Instrumentenbauer Wolfgang Weichselbaumer entwickelte spezielle Altdrehleier zu einer phänomenalen Klangmaschine, die offenbar die visionäre Musikalität Clastriers noch einmal besonders befeuert hat. Dass Drehleier extrem gut mit Klarinette zusammengeht, zeigte schon die Kollaboration mit dem deutschen Jazzklarinettisten Michael Riessler. Nun hat sich Clastrier den niederländischen Jazz- und Crossoverklarinettisten und Saxofonisten Steven Kamperman an Bord geholt, der sich nicht nur in der niederländisch-türkischen Formation Baraná internationale Beachtung erspielt hat. Das Interessante an ihrem Duoprojekt ist das Verschmelzen der Klänge ihrer Instrumente zu einer akustischen Einheit, in der nicht ohne Weiteres hörbar ist, welcher Bestandteil von welchem Instrument stammt. Und genau das macht die Faszination dieser umwerfenden Kompositionen aus. Tief dröhnende, hypnotische Bordunsaiten, mitreißende Rhythmen zu immer wieder überraschenden, teils improvisierten Klängen, die musikalische Grenzen nicht nur ausloten, sondern mit unbändiger Spielfreude konsequent ausweiten. Spektakulär.
Ulrich Joosten
 CURLY STRINGS: Üle Ilma
CURLY STRINGS
Üle Ilma
curlystrings.ee
(Eigenverlag)
12 Tracks, 47:04 , mit estn. Texten


Flottes Westerngefiedel zum Auftakt des Albums könnte einen falschen Weg weisen, aber schnell zeigt sich, dass es sich hier um eine untypische Bluegrassproduktion handelt. Da wird nicht einfach ein amerikanisches Vorbild imitiert, da fließen ganz andere Dinge mit ein. Offenbar schöpft das junge Quartett aus dem musikalischen Erbe seiner Heimat Estland. Deutlich ist zu erkennen, dass die Band um die Wurzeln der Musik ihres Landes weiß, sie mit dem US-Vorbild mischt und dabei etwas Ureigenes schafft. Umgekehrt erhalten Traditionals ein nordamerikanisches Kleid, das ihnen gut steht. So lässt sich offenbar erklären, warum Curly Strings in ihrer Heimat zu Shootingstars wurden – bei den Estonian Music Awards 2015 räumten sie gleich mehrere Auszeichnungen ab. Ihre ansteckende Musikalität begeistert zusätzlich über Grenzen hinweg. Beim jährlichen europäischen Bluegrassfestival im niederländischen Voorthuizen etwa erhielten die Esten 2016 den European Bluegrass Award. Die Texte dürfte kaum jemand verstanden haben, und auch dem Album liegt nur ein Booklet mit estnischen Lyrics bei. Aber das passt, bei Curly Strings paart sich Selbstbewusstsein mit Virtuosität.
Volker Dick

 DIVERSE: Greentrax 30th Anniversary – The Special Projects
DIVERSE
Greentrax 30th Anniversary – The Special Projects
greentrax.com
(Greentrax Recordings CDTRAXS8616)
Do-CD, 30 Tracks, 118:35 , mit engl. Infos


Dreißig Jahre sind Greentrax und seine Sublabels nun alt und immer noch führend in Schottland. Chef Ian Green feiert diese Tatsache mit einem Doppelalbum, das sich der besonderen Projekte der Firma in den letzten dreißig Jahren widmet. Und welch grandiose Projekte waren dabei. Far, Far From Ypres, die Zusammenstellung von Liedern und Gedichten des Ersten Weltkriegs, ist erst ein paar Jahre alt. Älter sind The King Has Landed mit Songs des Jakobiteraufstands, Davey Steele – The Show mit Liedern des unvergessenen Songwriters und Spiritus Rector der ebenfalls unvergessenen Scottish Folk Festivals in Deutschland und ganz besonders die beiden begeisternden Scots-Women-Projekte – alles war auch live zu erleben und wurde oft auch so eingespielt. Nur ein Auszug, aber diese wenigen Meilensteine lassen erahnen, welchen riesigen Beitrag Greentrax Recordings zu dem aktuell so gesunden Zustand der schottischen Szene geleistet hat. Dafür erhielt Green diverse Auszeichnungen, und jede einzelne war verdient. Dieses Doppelalbum beweist das.
Mike Kamp
 JAERV: Under Den Linden
JAERV
Under Den Linden
jaerv.com
(Eigenverlag)
9 Tracks, 44:02


Nach Inrikes 2009 und Vol. 2 2014 legt das schwedische Quintett nun sein drittes Album vor. Der Klang wird bestimmt von Fiddle (Markus Gustafsson), Nyckelharpa und Bass (Anders Bergsten), Flöte und Saxofon (Joel Hagen), Gitarre (Harald Nilsson), Harmonium und Percussion (Tobias Hedlund) und immer mehr durch Gesang, sogar mit einem Schulchor. Auf dem Album klingt das bei zwei Stücken an, „Glasgow“ und „Homage Till Laggarfar“. Letzteres ist ein Lied ohne Text, das nur geträllert wird (schwed. trallar) – eine Form, die sich in Schweden einiger Beliebtheit erfreut. Bei den gemeinsamen Projekten mit Schulchören stellt Jaerv Noten und Arrangements auch der Öffentlichkeit zur Verfügung (siehe Website und Youtube). Die schwedische instrumentale Musik ist die Basis der Gruppe, sie hat aber Elemente aus Jazz und Volksliedgesang übernommen. Stilistisch ergibt sich daraus eine ziemliche Bandbreite. Von den volksliedhaft gesungenen „Svarta Nattens Älv“, der „Silibrand“-Ballade und „Spelman Spelar“ bis zur archaischen „Polonäs“ (aus Småland) und einem „Menuett“ von Andreas Höök (1685). Jaerv sind bereits mehrmals durch die USA getourt und haben bei der BBC und traten beim Folkfestival Celtic Connections in Glasgow auf.
Bernd Künzer

 RUTH KEGGIN: Turrys
RUTH KEGGIN
Turrys
ruthkeggin.com
(Purt Sheearan Records PRSCD002)
10 Tracks, 39:47 , mit manx/engl. Texten u. engl. Infos


Auf einem kleinen Eiland wie der Isle of Man zur Spitze der Folkmusiker zu gehören, mag so schwer nicht sein, aber Ruth Keggin braucht auch international keinen Vergleich zu scheuen. Das liegt in erster Linie an ihrem Gesang. Ihre klare, kräftige, aber sympathisch unaufdringliche Stimme trägt glaubhaft jedwede Liedemotionen. Es gibt keinen Zweifel, diese junge Dame weiß, was sie kann und will, schließlich hat sie ihren Zweitling im renommierten schottischen Watercolour Studio unter Nick Turner selber produziert. Keggin will „Manx Music“ mit größtmöglichem Abwechslungsfaktor, und genau das hören wir. Songs in der Sprache der Isle of Man mit musikalischen Ausflügen in die Bretagne oder die USA, jazzigen Passagen und natürlich viel Einfluss der großen Nachbarn Irland und Schottland. Und Keggin hat eine großartige Band, die dieses Album live im Studio eingespielt hat: David Pearce (Gitarre), Eoghan Ó Ceannabháin (Flöte, Konzertina) und ganz besonders Vanessa Hutchinson, deren wunderbarer Kontrabass für Wärme und Rhythmus sorgt. Doch, diese Musik begeistert. Und das Schönste ist: 2017 wäre Keggin nicht abgeneigt, eine Deutschlandtour einzuplanen. Wir können es kaum erwarten.
Mike Kamp
 CIARÁN, ANNA, GEARÓID & MAIRÉAD MOONEY: Na Mooneys
CIARÁN, ANNA, GEARÓID & MAIRÉAD MOONEY
Na Mooneys
namooneys.bandcamp.com
(Eigenproduktion/Moon2)
15 Tracks, 50:21 , mit Basis-Infos


Na Mooneys ist eine „Family Band“ aus dem nordirischen Donegal. Altan-Gründerin und „Powerhouse“-Fiddlerin Mairéad Ní Mhaonaigh, ihre Geschwister Anna (Whistle, Gesang), Gearóid (Gitarre) und dessen Sohn Ciarán (Fiddle, Octave Fiddle) gründeten das Projekt anlässlich der letzten Frankie Kennedy Winter School. Neben Mairéad sind auch die anderen Bandmitglieder bekannt für ihr Wirken in der Donegal-Tradition, sei es über öffentliche Konzerte, Workshops oder filmische Aufarbeitungen. Die vorliegende Aufnahme repräsentiert das typische Donegal-Repertoire, in diesem Falle überliefert in erster Linie vom Vater der Familie, Francis Mooney, der ebenfalls Fiddler war. Es finden sich neben Donegal-Varianten von Mainstreamtunes auch viele ungewöhnliche und rare Perlen. Mit von der Partie sind außerdem Mairéad’s Tochter Nia Byrne (Fiddle – was sonst?), Konzertinavirtuosin Caitlín Nic Gabhann sowie Produzent Manus Lunny, der Bouzouki und Synthesizerarrangements beisteuert und das Album mit einem höchst unprätentiösen Sound versehen hat – es klingt tatsächlich so wie eine informelle Session in der Küche bei Mooneys. Musikalisch und spieltechnisch auf höchstem Niveau, zaubert dieses Album dem Hörer ein Lächeln ins Gesicht.
Johannes Schiefner

 PIPPO POLLINA: Il Sole Che Verrà
PIPPO POLLINA
Il Sole Che Verrà
pippopollina.com/de
(Jazzhaus Records JHR134)
13 Tracks, 49:37 , mit ital./dt. Texten


Eines sei vorausgeschickt: Pippo Pollina schreibt ausnehmend schöne, poetische Lieder – schon lange. In „Io Non Ho Paura“ beschreibt er denn auch, dass er keine Angst kennt, auf dem schmalen Grat der Reime zu taumeln und schöne Melodien zu komponieren. Was macht nun das neue Album des Sizilianers aus? Es ist ein hoffnungsvolles, persönliches Album geworden – weitgehend ohne politische Untertöne. „Das Thema Hoffnung bewohnt schon seit je meine Liedersammlung“, schreibt der Cantautore in der Einleitung zum liebevoll gestalteten Beiheft mit Übersetzungen aller Lieder ins Deutsche. Die Hoffnung war auch der Motor für Pollinas Vorbilder. Neben den großen Italienern waren das immer auch die Sänger und Poeten Lateinamerikas. In „Divertimento Latino“, zählt er im Rhythmus der Chacarera seine dortigen Vorbilder auf. Wenn er sich vorstellt, wie er mit León Gieco in einem Café in Buenos Aires einen Espresso schlürft, möchte man am liebsten dabei sein. Und dass Pollina den argentinischen Progrocker Luis Alberto Spinetta erwähnt, überrascht. Rockige Töne fehlen auf Il Sole Che Verrà. Vorherrschend sind recht aufwändig produzierte Balladen, die eine starke Italianità verströmen.
Martin Steiner
 RAMSCH & ROSEN: Bergen
RAMSCH & ROSEN
Bergen
ramschundrosen.at
(Lotus Records LR 16045 CD/Lotus Records)
16 Tracks, 40:02


Die Sängerin und Streichinstrumentvirtuosin Julia Lacherstorfer, durch ihre Arbeit mit Alma, dem wohl besten Experimentalfolklorequintett Österreichs, bekannt, bildet zusammen mit dem Multiinstrumentalisten Simon Zöchbauer ein Duo, in dem beide ihrer Neigung zu traditioneller Volksmusik ihres Landes nachgehen können. Gemeint ist die nicht durch Heimatpflegevereine geglättete Volksmusik, gemeint ist feinsinnig differenziertes Spiel auf der Geige, mit Zither und Trompete. Dissonant anmutende Reibungen können ausgehalten werden, sie verleihen dieser wunderbaren Einspielung ihren Reiz und verweisen auf jene Volksmusik, die noch nicht „-tümlich“, sondern originell war. Neben den österreichischen Volksmusikrosen gibt es auch noch mancherlei Ramsch, von Bartok bis Polka und schwedischer Folklore. Und über allem schwebt der Geist einer märchenhaften Poesie. Da reicht es dann, wenn Julia Lacherstorfer in einer Eigenkomposition zur Zitherbegleitung Zöchbauers „Manchmoi is wenig net vü, oba besser ois nix“ ins Mikro haucht, um danach textlos jubilierend in ein 1899 veröffentlichtes Loblied auf ein Lärchenbrett einzustimmen, um dieser so grazilen Musik zu verfallen. Grandios.
Harald Justin

 GEIR SUNDSTØL: Langen Ro
GEIR SUNDSTØL
Langen Ro
geirsundstoel.com
(Hubro/Broken Silence)
8 Tracks, 35:17


Folklore der ausgefallenen Art präsentiert der musikalisch äußerst umtriebige Akustikgitarrist Geir Sundstøl auf seinem zweiten Soloalbum (auf rund 260 Alben ist er als Sideman zu hören). Pedal Steel, eine National Duolian (eine Resonatorgitarre) und eine Shankar Guitar (ein sitarähnliches Saiteninstrument, das man sich unbedingt einmal auf seiner Website anschauen sollte) gehören zu den Hauptinstrumenten des traumhaft agierenden Norwegers. Grundsätzlich ist der Sound der Pedal Steel natürlich im Countrygenre verortet, so entstehen in „Røk“ zum Beispiel fast automatisch Bilder endloser amerikanischer Weiten. Das norwegische Traditional „Gråtarslaget“ klingt bei Sundstøl allerdings eher wie eine nordindische Volksweise. Auch Giorgio Moroders „Tony’s Theme” ist kaum wiederzuerkennen. Aus diesen weltmusikalischen Irritationen bezieht Langen Ro seinen besonderen Reiz. Die farbenprächtige Odyssee wurde in der Osloer St.-James-Kirche aufgenommen, begleitet von einer kleinen, feinen, unaufdringlich agierenden Schar an Gastmusikern.
Rolf Beydemüller
 TSCHEBBERWOOKY: Still Wooky
TSCHEBBERWOOKY
Still Wooky
tschebberwooky.com
(Wooky Music WM-005/Hoanzl)
14 Tracks, 54:03 , mit engl. Texten u. Infos


Den ersten Punkt gibt es – neben dem Länderpunkt für die Steiermark – schon einmal dafür, dass der Kopf und Frontmann des Achters aus Kapfenberg nicht auch nur ansatzweise Patois von sonstwo auf der Welt singt. Der Reggae und der Ska, die Tschebberwooky seit nunmehr zwanzig Jahren spielen, sind dezidiert mitteleuropäisch insofern, als sie offenbar von keinerlei existenzieller Dringlichkeit aufgeladen sind, wie die Originale in Jamaika oder später auch in England es waren und womöglich auch heute noch sind. Die Österreicher, die hier musizieren, tun dies wohl vor allem anderen aus Freude an der Musik, und da sie auch gar nichts anderes vorzuspiegeln oder auch nur darzustellen versuchen, ist es ihnen offenbar gelungen, ihr fünftes Album die Selbstverständlichkeit atmen zu lassen, die schließlich auch überzeugend wirkt. Vollkommen tiefenentspannt und ohne jegliches musikalische Blendwerk wird leicht afrikanisch angehaucht eröffnet, walzen schwere Reggae Riddims durch Still Wooky, erhöhen eine Skanummer und ein weiter Afrikaanflug Tempo und Druck, und nehmen leicht tänzelnde, eher akustische Stücke sie wieder zurück. Ein leichtes Album, das gerade auch mit seiner Unaufgeregtheit überzeugt.
Christian Beck

Nordamerika
 THE EAST POINTERS: Secret Victory  VISHTÈN: Terre Rouge
THE EAST POINTERS
Secret Victory
eastpointers.ca
(Eigenverlag EPCD15)
10 Tracks, 43:15


VISHTÈN
Terre Rouge
vishtenmusic.com
(Eigenverlag PTVish05)
12 Tracks, 49:17 , mit franz. Texten u. engl./franz. Infos




 JASON ELMORE & HOODOO WITCH: Champagne Velvet
JASON ELMORE & HOODOO WITCH
Champagne Velvet
jasonelmore.net
(Underworld Records UND0028/Burnside Distribution)
Promo-CD, 14 Tracks, 49:24


„No digital tricks or nonsense“, verspricht das Booklet des Albums. Und tatsächlich, das texanische Trio um den Gitarristen und Sänger Jason Elmore spielt pur und unverfälscht. Schwerstarbeit für Elmore also, spielt er doch mit der Gitarre quasi simultan sowohl Rhythmus- als auch Melodie- und Sololinien. Das Ergebnis jedenfalls ist mehr als nur hörenswert. Nach einem treibenden Boogie zu Beginn („House Rockin Boogie #7“) gibt es viel soulgetränkten Blues, bei dem man nicht einmal die Hörnersektion vermisst (fantastisch: „Midnight In Memphis“ und „Right As Rain“), eine wunderbare Ballade („Shine Your Light“), etwas Southern Rock („Lament For Evelyn McHale“), einen knackigen Texas Shuffle („Double My Money“) und mit dem Titelstück auch ein „laid back“ gespieltes, instrumentales Jazzintermezzo. Natürlich darf auch ein akustisches Stück nicht fehlen, und mit „Green To Gone“ und „Wish“ zeigt Jason Elmore seine Fähigkeiten an der Slidegitarre. Wie heißt es doch weiter im Booklet? „All sounds on this album were made by real people with guitars, bass, drums and voices“ – ein schönes Beispiel für handgemachte, gute, beseelte Musik.
Achim Hennes

 Flaco Jiménez: Fiesta – Live In Bremen
Flaco Jiménez
Fiesta – Live In Bremen
facebook.com/Flaco-Jimenez-187073768014785
(MIG 01772/Indigo)
21 Tracks, 94:00


Yabbadabbaduh! Heiß geht’s her beim König der Quetschorgel, Flaco Jiménez. Der Texaner gilt als der bekannteste Akkordeonspieler des Tex-Mex, und er mischte einst die mexikanischen Polkas, Rancheras und Boleros mit Country-, Rock- und sogar Jazzeinflüssen auf. Jetzt ist ein fünfzehn Jahre alter Konzertmitschnitt aus Bremen aufgetaucht, der Jiménez auf dem Höhepunkt seiner Karriere zeigt. Den meisten dürfte er als Sideman von Ry Cooder bekannt sein, doch seine fünf Grammys hat er beileibe nicht dafür bekommen. Cooder ermutigte ihn jedoch, seine Musik anderen Stilen gegenüber zu öffnen, was er dann mit den Texas Tornados auch tat. Der damals 62-jährige Jiménez wirkt auf dem Album im Vergleich zu den Aufnahmen mit Ry Cooder wesentlich vielfältiger. Neben schmachtenden Melodien, mitreißenden Polkas zum Mitschunkeln und virtuosem Akkordeonspiel gibt es rockige Covers von den Beatles, Surf-Music-Einflüsse, aber auch Tex-Mex-Klassiker wie das unverwüstliche „Wooly Bully“ von Sam The Sham & The Pharaos. Schmetternde Timbales und ein schmeichelndes Saxofon treiben die Musik an. Da kann man verschmerzen, dass der Sänger manchmal im Ton zu tief liegt.
Hans-Jürgen Lenhart
 LESLEY KERNOCHAN: A Calm Sun
LESLEY KERNOCHAN
A Calm Sun
lesleykernochan.com
(Make My Day Records MMD107/Indigo)
14 Tracks, 48:08 , mit engl. Texten


Die Sängerin und Songschreiberin Lesley Kernochan stammt aus Los Angeles. Vielleicht strahlt die kalifornische Gelassenheit in ihre Musik aus. Jedenfalls geht sie mit dem Genre Country ähnlich entspannt um wie Kollegin Norah Jones mit dem Jazz. Manches könnte sich in den Countrycharts finden, manches in Pophitlisten. Nein, sie ist keine raue Outlawstimme wie Lucinda Williams. Sie erinnert in ihrer Art zu singen eher an Joni Mitchell, lässt ihr Organ sehr hoch steigen, um es dann schnell und sicher wieder auf den Boden zurückzuholen. Als Begleiter steht ihr eine Riege erstklassiger Musiker zur Seite; so ist Dean Parks an Gitarren und weiteren Saiteninstrumenten zu hören. Natürlich taucht wimmernde Pedal Steel auf, aber ebenso gehören Banjo, Ukulele, Kontrabass und Mandoline zum Klangspektrum des Albums. Vor allem in den Balladen wird ihr Mut zur Langsamkeit deutlich, die Band beherrscht die Kunst des Weglassens. In ihren Texten wirkt Lesley Kernochan auf gewisse Weise wie das naive Mädchen, das nicht aufhört, von Liebe, Familie und Frieden zu träumen. Das immerhin tut sie auf poetische Weise. Gute Songs, tolle Musiker, tolle Stimme. Den Rest entscheidet dann wohl der Markt.
Volker Dick

Lateinamerika
 Miramar: Dedication To Sylvia Rexach
Miramar
Dedication To Sylvia Rexach
miramar-music.com
(Barbès records BR0044)
10 Tracks, 35:47


Der aus Kuba kommende Bolero ist der Inbegriff romantischer Gesangsweise. In den Dreißigerjahren gelangte er auch nach Puerto Rico. Eine der beliebtesten dortigen Bolerokomponistinnen war Sylvia Rexach, die außerhalb Puerto Ricos kaum bekannt ist, jedoch als Musikerin in der männerdominierten Welt der Latin Music unbedingt Beachtung verdient. Sie lebte von 1922 bis 1961, brachte sich Klavier und Gitarre spielen selbst bei und gründete die erste puerto-ricanische Frauenband, Las Damiselas. Sie arbeitete zudem als Kulturjournalistin und gründete SPACEM, die puerto-ricanische GEMA. Außerdem war sie eine Frau, der man gewiss Respekt zollte, weil sie wie ihre Kollegen kräftig rauchte, trank und endlose Partys feierte. Die Gruppe Miramar würdigt sie nun mit einem Album. Es sind Boleros im herrlich altmodischen Retrosound, mit verträumter Orgel, klackenden Bongos und inbrünstig-betörendem Gesang des Sängers Rei Álvarez und der Sängerin Laura Ann Singh sowie den Arrangements der Pianistin Marlysse Simmons Argandona. Neben der Orgel kommen noch Klavier, E-Piano, Flamencogitarre und auch Streicher zum Einsatz. Herrlich schmachtende Musik, die unbedingt in einen Pedro-Almodóvar-Film passen würde.
Hans-Jürgen Lenhart



Asien
 WU WEI & WANG LI: Overtones – Les Saisons Harmoniques
WU WEI & WANG LI
Overtones – Les Saisons Harmoniques
wuweimusic.com
fr-fr.facebook.com/wanglimusic
(Harmonia Mundi HMC 902229)
13 Tracks, 75:41


Die beiden Chinesen präsentieren uns auf ihrem ersten gemeinsamen Album dreizehn Kompositionen für Mundorgel und Maultrommel, wobei der in Berlin lebende Wu Wei auf der Mundorgel, der in Paris ansässige Wang Li auf der Maultrommel zu hören ist. Beide Musiker haben zahlreiche Solo-, Duo- oder Projektkonzerte quer über den Globus gegeben, sind auf etlichen Klassik-, Jazz- und Weltmusikfestivals aufgetreten und wurden mehrfach für ihre Kunst ausgezeichnet. Während den meisten von uns die Maultrommel bekannt sein dürfte, bedarf die Mundorgel Sheng wohl einer kurzen Erläuterung. Wu Wei spielt die größte Version dieses Instruments, bei dem siebenunddreißig unterschiedlich lange Bambuspfeifen in eine metallene Windkammer münden, die wiederum mit einem Mundstück versehen ist. „Aktiviert“ wird jede der Pfeifen durch Auf- und Zuhalten eines Bohrlochs knapp oberhalb der Windkammer. Die Kompositionen, von denen vier einen recht freejazzigen Jahreszeitenzyklus bilden, sind zumeist stille, kontemplative Werke. Sie geben dem Zuhörer ausreichend Gelegenheit, sich mit den ungewöhnlichen Klängen vertraut zu machen, den Obertönen nachzuspüren und so ein wenig die musikalische Seele baumeln zu lassen. Ein feines Werk.
Walter Bast



International
 DIVERSE: Laut yodeln – fern, nah, weit
DIVERSE
Laut yodeln – fern, nah, weit
trikont.de
(Trikont US-0481/Indigo)
15 Tracks, 59:56 , mit ausführlichen dt./engl. Infos


Wo sie einem Teil der Alpenregion mit ihren Stimmen Bayerns seit 2011 so gezielt aufs Maul schauen, ist den Kopplungsexperten von Trikont offenbar auch das Jodeln ins Blickfeld geraten. Sie konstatierten, dass natürlich auch dieses Genre – wie nahezu alle Sanges- und Kulturtechniken – Annäherungen, wenn nicht Entsprechungen in aller Welt hat, stellten ein Programm aktiver Jodlerinnen und Jodler zusammen, welches das Genre in seiner Internationalität halbwegs abzubilden vermag und luden zu zwei Konzerten im Juni 2016 nach München ein. Diese wurden mitgeschnitten und verschaffen mit dem vorliegenden Album nun einen abwechslungsreichen Einblick ins Metier. Es jodeln, längst abgekoppelt logischerweise von archaischen Kommunikationsaspekten der Technik und überwiegend auf den musikalischen Gehalt fokussiert, gleichsam um die Wette: eine Handvoll überwiegend schweizerischer und deutscher Formationen, die US-Schweizerin Erika Stucky, eine Österreicherin sowie das internationale Ensemble Baka Beyond aus London. Das musikalische Spektrum reicht von Pygmäengesängen über Countrystandards und Aris aus dem Bayerischen Wald bis zu stilistisch weitgehend freien Interpretationen. Wieder was gelernt …
Christian Beck
 HOMEBOUND: Adroneline  CHEYENNE BROWN & TORY DUGAN: Road Soda
HOMEBOUND
Adroneline
homebound.info
(Bird Creek Records BCR004)
13 Tracks, 55:09


CHEYENNE BROWN & TORY DUGAN
Road Soda
cheyenneharp.com
torydugan.com
(Bird Creek Records BCR003)





 LES HAULZ ET LES BAS: Ars Supernova
LES HAULZ ET LES BAS
Ars Supernova
les-haulz-et-les-bas.com
(Alahani Records)
17 Tracks, 62:02


Alta Capella meets Funk, Jazz, Salsa und Balkan Grooves. Das internationale Ensemble Les Haulz et Les Bas gewann den Publikumspreis des Musikfestivals Erzgebirge, eine Albumproduktion mit Deutschlandradio Kultur. Diese liegt nun vor und bietet ausgesprochen entspannte, nicht überarrangierte Alte Musik mit vielen Facetten. Jazzige Einlagen werden konsequent in Renaissancemusik eingebettet. In relaxter Herangehensweise wird musikalisch ausgesprochen souverän die Vielfalt der historischen Instrumente vorgestellt. Mittelalterliche Schalmeien treffen auf Tuba und Saxofon. Serpent wird mit Zink, Dudelsack und Zugtrompete kombiniert. Im Beipackzettel heißt es treffend: „Man tritt den Beweis an, dass das Saxofon das ideale Instrument für die ars nova des 14. Jahrhunderts ist und dass die mittelalterliche Schalmei exakt der Klang ist, auf den der Jazz schon immer gewartet hat.“ Ein wunderbares, unbedingt empfehlenswertes Instrumentalalbum mit Medieval Jazz – eine Erfahrung von Zeitlosigkeit.
Piet Pollack
 VOXTRA: The Encounter Of Vocal Heritage
VOXTRA
The Encounter Of Vocal Heritage
voxtra.bandcamp.com
(Muziekpublique)
23 Tracks, 65:24 , mit engl., franz. u. fläm. Texten u. Infos


Dieses Album kann niemanden unberührt lassen. Gesangstraditionen aus fünf Nationen treffen sich zu einem gemeinsamen Projekt, das unter die Haut geht. Die Brüsseler Non-Profit-Organisation Muziekpublique stellt wieder einmal unter Beweis, welch feines Gespür sie für exzellente Weltmusikalben besitzt. Auf ihrer neuesten Veröffentlichung begegnen die von der UNESCO geschützten Vokalkünste des polyfonen Gesangs Albaniens und des Sardischen Cantu a Tenore der Blues- und Beko-Tradition des südlichen Madagaskars, dem finnischen Joik- und Runengesang sowie dem belgischen Erbe des Récit Chanté Walloniens. Obwohl die einzelnen Vokalkünste in ihrer Besonderheit herausstechen, verbinden sie die traditionellen Volkslieder ihrer Kulturen zu einem neuen, einzigartigen Klang, der jegliche Grenzen vergessen lässt. Sparsam begleitet durch Glockenspiel, Percussion oder fünfsaitige Zither demonstrieren die Finnin Anu Junnonen, Talike Gelle aus Madagaskar, der Belgier Raphael De Cock, das albanische Gjini Ensemble und die sardischen Tenore de Monte Arvu die außergewöhnlichen Möglichkeiten und Harmonien der menschlichen Stimme auf höchstem Niveau. Dieses Album ist eine berührende Reise zu den gemeinsamen Wurzeln der Musik.
Erik Prochnow

WIEDERVERÖFFENTLICHT
 TERRY ALLEN: Lubbock (On Everything)  TERRY ALLEN: Juarez
TERRY ALLEN
Lubbock (On Everything)
terryallenartmusic.com
(Paradise of Bachelors PoB-27/Cargo Records)
CD 1: 10 Tracks, 38:25; CD 2: 11 Tracks, 44:30


TERRY ALLEN
Juarez
terryallenartmusic.com
(Paradise of Bachelors PoB-26/Cargo Records)
15 Tracks, 51:33




 CHRIS JONES: Roadhouses & Automobiles
CHRIS JONES
Roadhouses & Automobiles
stockfisch-records.de
(Stockfisch-Records/In-akustik)
11 Tracks, 52:09 , mit engl. Infos u. Texten


Im Alter von nur sechsundvierzig Jahren starb der Sänger, Gitarrist und Komponist Chris Jones 2005 viel zu früh an Krebs. Mit Günter Pauler, dem Stockfisch-Labelchef, verband ihn eine 23-jährige Freundschaft. Bei Stockfisch erschien 2003 Chris Jones’ letzte Albumveröffentlichung, die ein musikalischer Meilenstein wurde. Jetzt liegt diese Aufnahme als Doppel-LP aus 180 Gramm Vinyl vor. Sie wird mit 45 rpm gespielt und überzeugt schon beim ersten Lied durch fantastische Klangvielfalt. Chris Jones war ein fleißiger Musiker, ein großartiger Songwriter und ein Liebhaber akustischer Gitarren. Er spielte mit vielen Größen der Szene (unter anderem Allan Taylor, Sara K., David Munyon, dem in diesem Jahr verstorbenen Werner Lämmerhirt, Steve Baker, Reinhard Mey). Verwurzelt im Blues und Folkblues, erwarb sich der Amerikaner nicht nur in seiner Wahlheimat Deutschland den Respekt der Musikbranche. Seine musikalischen Gäste auf der hervorragenden „Special High Dynamic Vinyl Edition“ sind unter anderem Grischka Zepf (Bass), Siard de Jong (Mandoline), Martin Huch und Nils Tuxen (Pedal-Steel-Gitarren), Wolfgang Beisert (Mandoline), Beo Brockhausen (Saxofon und Mundharmonika), Hans-Jörg Maucksch (Fretless Bass) und Christian Archontidis (Schlagzeug).
Annie Sziegoleit

 SAM MANGWANA: Galo Negro
SAM MANGWANA
Galo Negro
(Grounded Music GRO17, 11)
6 Tracks, 70:22


Kein wirklich neues Werk des kongolesischen Altstars, sondern die remasterte Fassung seines bereits 1998 erschienenen, bis heute faszinierenden stark afrokubanisch orientierten Albums. Tolle Stimme, harmonische Band mit hohem Groove-Faktor, einschmeichelnde Melodien und berührende Texte. Mit Bonustracks aus den Jahren 2001 und 2005.
Roland Schmitt



Kurzrezensionen
 ADRIA: Ogni Goccia
ADRIA
Ogni Goccia
adriatik.it
(Manigold Productions)
11 Tracks, 47:02


Ist das nun Jazz, apulische oder albanische Volksmusik? Spielt keine Rolle. Was die drei Männer aus Lecce mit Akkordeon, Saxofon und Percussion zusammen mit der Sängerin Rachele Andrioli spielen, tönt vom ersten bis zum letzten Ton spannend und macht Spaß. Und die apulische Küste ist von der albanischen nur gut hundert Kilometer entfernt.

 TIM ANDERS: Thoughts, Words & Moments
TIM ANDERS
Thoughts, Words & Moments
tim-anders.com
(Entire Music 4050215206809/Soulfood)
Promo-CD, 10 Tracks, 45:22


Als talentierter junger Künstler auf seiner Debütsingle mit einem Thema wie „Homeless For A While“ zu spielen, scheint etwas ungeschickt – aber der gebürtige Braunschweiger fängt ja erst an, und das tut er mit klassischem Singer/Songwriter-Rock in sanften Arrangements bereits rund und versiert. Reifen dauert seine Zeit – vorausgesetzt, es passiert.


 ÇIGDEM ASLAN: A Thousand Cranes
ÇIGDEM ASLAN
A Thousand Cranes
cigdemaslan.com
(Asphalt Tango Records)
13 Tracks, 51:39


Die Federn der „Tausend Kraniche“, mit denen uns Çigdem Aslan in die Welt des Rembetiko führt, berühren die Seele der Hörer tief. Es geht um das den Erdball umfassende Thema der Migration. Das hier so selbstverständliche Zusammenspiel ihrer kurdischen, türkischen wie griechischen Mitmusiker lässt uns unsere Nähe zueinander spüren.

 ASP: Geisterfahrer – Fremder, Zyklus, Teil 1.1
ASP
Geisterfahrer – Fremder, Zyklus, Teil 1.1
aspswelten.de
(Gothic Novel Records/Soulfood)
8 Tracks,48:56


Nach dem Verfallen-Konzeptprojekt nahm sich Asp Spreng noch einmal die EP von 2012 vor und ergänzte sie um die zwei neuen Songs „Strom“ und „Abertausend Fragen“. Eingefügt wurde auch das Schlagzeug in die an sich schon kraftvollen Songs. Comiczeichner Timo Würz gestaltete ein ausgiebiges Artwork. Es gibt auch eine limitierte Edition mit Bonus-CD (7 Tracks) und Graphic Novel.


 ASP: Live – auf rauen Pfaden
ASP
Live – auf rauen Pfaden
aspswelten.de
(Soulfood)
4 CDs, 72:06/74:35/73:06/68:40


Auf vier CDs betreiben ASP aus Frankfurt eine Werkschau der ersten fünfzehn Jahre Bandgeschichte. Die beiden Silberlinge Rar & Pur stellen das Semiakustik-Set vor, ergänzt durch Best Of Rock. Mit über vierzig Songs entsteht so ein sehr ausgiebiges Konzerterlebnis, mitgeschnitten bei Konzerten im Oktober 2016 in zehn deutschen Städten.

 AURELIO: Darandi
AURELIO
Darandi
aureliomusic.net
(Stonetree Records/Real World Records CDRWP216)
Promo-CD, 12 Tracks, 53:43


Einer der wichtigsten Interpreten der Musik des Garifuna-Volkes aus Belize mit einer Werkschau. Die fröhliche, schnelle Musik geht direkt in die Beine und ist dennoch voller politischer Statements. Twanggitarre, Snare Drum, Maracas und hoher, jubilierender Gesang sind typisch, die Läufe der Rhythmusgitarre erinnern an den kongolesischen Soukous.


 Azymuth: Fêniz
Azymuth
Fêniz
azimuth.net
(Far Out Recordings FARO194CD)
11 Tracks, 53:58


Die Samba-Jazz-Legende Azymuth präsentiert sich mit neuem Keyboarder, aber gleichem Sound wie bisher. Brasilianisch eingefärbter Kuscheljazz mit Ausflügen in Funk, Samba und Disco, in dem zwar nichts Aufregendes passiert, bei dem man aber gepflegt entspannen kann. Hier gibt es Synthie- und E-Piano-Klänge noch wie in den Siebzigern.

 BABY KREUZBERG: Twang Twang
BABY KREUZBERG
Twang Twang
babykreuzberg.de
(Timezone TZ1236/Timezone Distribution)
Promo-CD, 13 Tracks, 46:52


Marcese Trabus heißt der Berliner Sänger und Gitarrist, der hier in Triobesetzung die Erfahrungen seines Tourlebens vertont. Das alles bewusst in Lo-Fi-Qualität und im Stil der Fünfziger- bis Siebzigerjahre gehalten, gesungen durch ein Vintagemikrofon und gespielt mit viel „Vibe“. Gute, erdige, authentische Musik findet nicht nur auf der Bühne statt.


 DANIEL BACHMANN: Daniel Bachmann
DANIEL BACHMANN
Daniel Bachmann
danielbachmann.com
(Three Lobed Recordings)
7 Tracks, 40:36


Ein wenig kryptisch gibt sich der Akustikgitarrist aus Virginia. Die erste Hälfte des immerhin fünf Minuten langen Openers nimmt ein bisweilen etwas enervierender Drone ein. Raga-artig entwickeln sich die Werke für Steelstring, auch wenn sie dem Blues formal näherstehen als der indischen Musik. Zeit lässt Bachmann sich und macht vieles so ganz anders, als man es erwartet.

 BAHAMA SOUL CLUB/VARIOUS: Havana ’58
BAHAMA SOUL CLUB/VARIOUS
Havana ’58
facebook.com/bahamasoulclub
(Buyú Records BU014CD/Alive)
13 Tracks, 52:34


Fernwehig-exotisierend wie der Projektname muten auch seine jazzig-funkigen Soundkreationen oft an. Mehr Klang als Sinn hat auch der Albumtitel. Die eingeladenen, in und außerhalb Kubas lebenden Sängerinnen fungieren mit ihren teils starken Stimmen zumeist nur als unscharfe Textur auf dem zwischen Dance, Jazz oder Bossa Nova bestellten Feld. Weniger cool und eher unjazzig war zudem Fidels 1958 …


 TUULIKKI BARTOSIK: Storied Sounds
TUULIKKI BARTOSIK
Storied Sounds
tuulikkibartosik.com
(Root Beat Recods, RBRCD31)
13 Tracks, 55:26


Die estnische Akkordeonistin Tuulikki Bartosik unternimmt eine Reise quer durch Europa, nimmt überall einheimische musikalische Einflüsse auf und gibt dafür estnische zurück. Reich variiertes Instrumentalalbum, ein Hörgenuss.

 BAVASCHÔRO: Bavaschôro
BAVASCHÔRO
Bavaschôro
bavaschoro.de
(Himpsl Records HPS1601/Galileo MC)
12 Tracks, 52:45


Die Versorgung Münchens mit brasilianischem Choro betreiben die Brasilianer, Bayern und Deutschportugiesen von Bavaschôro derart kultiviert, dass der Verdacht entsteht, ein bisschen mehr Temperatur könne nicht schaden, wie etwa beim betörend warmen Gastauftritt, mit dem Sängerin Dandara Modesto als Chor auch die gastgebenden Herren munter macht.


 BENNI BENSON: Alles ist ehrlich
BENNI BENSON
Alles ist ehrlich
benni-benson.com
(Analogsoul Ana CD 038/Broken Silence)
12 Tracks, 53:26


In Zeiten von Tim Bendzko kann man quasi jeden deutschsprachigen Interpreten als Singer/Songwriter bezeichnen. Benni Benson spricht mit seinen Texten und poppigen Arrangements ebenfalls eher ein jugendliches Publikum an. Das muss nichts Schlechtes sein, wie der Augsburger beweist. Die Kompositionen sind durchweg gut hörbar und hochwertig produziert.

 GISELA BERNDT & BAND: Zwischen den Tage
GISELA BERNDT & BAND
Zwischen den Tage
giselaberndt.de
(Dog & Bone Record)
12 Tracks, 43:53


Jazzige Töne schlägt die Kölnerin auf ihrem Debütalbum an. Es sind sehr poetische Texte, die Lebenserfahrungen deuten, wenn jugendliche Euphorie hinter einem liegt. Die Träume sind weg, Melancholie kommt auf, das verwilderte Herz wird zur Ordnung gerufen. Kluge, reife Texte, zu denen der Jazz wunderbar passt.


 THE BOOKSHOP BAND: We Are The Foxes  THE BOOKSHOP BAND: Bring Me A Pyramid
THE BOOKSHOP BAND
We Are The Foxes
thebookshopband.co.uk
(Eigenverlag CDTBB010)
13 Tracks, 46:51


THE BOOKSHOP BAND
Bring Me A Pyramid
thebookshopband.co.uk
(Eigenverlag CDTBB012)
10 Track, 35:35




 Renato Borghetti: Quarteto Gaita Na Fábrica
Renato Borghetti
Quarteto Gaita Na Fábrica
renatoborghetti.com.br
(Saphrane S62618/Galileo MC)
12 Tracks, 50:04


Aus dem Süden Brasiliens kommt der Akkordeonspieler Renato Borghetti, ein flinker Finger mit durchaus gediegener Besetzung wie Querflöte, Saxofon, Klavier, akustische Gitarre. Er zeigt auf dem meist als quirlig empfundenen Instrument, dass er besinnlich spielen kann, aber auch Dissonantes. Insgesamt eine fröhliche und vibrierende Musik.


 ZSÓFIA BOROS: Local Objects
ZSÓFIA BOROS
Local Objects
zsofia-boros.com
(ECM New Series)
11 Tracks, 41:25


Obschon klassische Gitarristin, öffnet die Ungarin Zsófia Boros auf ihrem zweiten Album für ECM das Fenster zur Weltmusik sperrangelweit. Musik von Cardoso, Garoto oder Al Di Meola. Besonderes Ohrenmerk schenke man ihrer wundervollen Interpretation von Domeniconis „Koyunbaba“- Suite oder ihrer tranceartigen Version von Egberto Gismontis „Celebração De Núpcias“.

 NICO BRINA: 25 Hours/8 Days A Week
NICO BRINA
25 Hours/8 Days A Week
brina.ch
(Stormy Monday Records MO81436)
16 Tracks, 46:19


Ein beschwingt gespieltes Boogie-Woogie-Piano ist stets ein Garant für gute Laune, und ein besonderer Könner seines Fachs ist da Nico Brina. Daneben sorgen aber auch die Einflüsse aus Blues und Rock ’n’ Roll für weitere Abwechslung, und auch eine schöne Ballade wird geboten. Ebenfalls überzeugt der Gesang, besonders im Duett mit Corinne Wenger.


 BRIAN CULLMAN: The Opposite Of Time
BRIAN CULLMAN
The Opposite Of Time
briancullman.com
(Sunnyside Records)
12 Tracks, 45:00


Country Blues, Folk, Schlager, seicht wie der Müggelsee. Hochambitioniert und angestrengt klingt das Album und soll doch lässig sein. Dabei hat der Mann aus New York jahrzehntelange Erfahrung als Musiker, Produzent, Journalist und Kritiker. Aber die prallvolle Biografie mit vielen illustren Namen will einfach nicht zum mageren Ergebnis passen.

 MARY JO CURRY: Mary Jo Curry
MARY JO CURRY
Mary Jo Curry
maryjocurry.com
(Guitar Angels Records/Amazon)
9 Tracks, 35:17


Die US-amerikanische Sängerin ist im Rock-Blues-Genre zu Hause. Begleitet wird sie vom Gitarristen Michael Rapier, der auch ihr Ehemann ist, sowie von Darryl Wright (Bass), Andrew Blaze Thomas (Schlagzeug), James Armstrong (Gitarre), Brett Donovan (Klavier und Orgel), Larry Niehaus (Trompete) und gelegentlich auch von Dick Garretson (Saxofon).


 DAGADANA: Meridian 68
DAGADANA
Meridian 68
new.dagadana.pl
(606589 Records DK)
11 Tracks, 52:44


Die Alchemisten von Dagadana gewinnen aus Elementen ukrainischer wie polnischer Folkmusik Essenzen für Jazz, Elektro und Weltmusik. Das ist Gold für die Ohren, das bis in das liebevoll gemachte Booklet glänzt. Wie viel mehr die Herzen der Menschen das Verbindende als das Trennende anspricht, zeigt sich in ihrer elegisch zauberhaften Fassung des Liebeslieds „Kangding Qinegge“.

 UTA DESCH: Kleine Wunder
UTA DESCH
Kleine Wunder
uta-desch.de
(Dreamland)
15 Tracks, 56:55


Die Ukulele ist das Instrument der Krombacher Sängerin, mit der sie ihre flotten, poppigen Songs präsentiert. Sie besingt in ihrem Debüt mit eigenen Liedern eindrucksvoll das direkt gelebte Leben, die reale, auch widersprüchliche Liebe, die analoge, nicht die virtuelle Verbindung der Menschen. Kinder, die draußen spielen und nicht drinnen daddeln.


 DIRTY OLD TOWN: Beauty And Truth
DIRTY OLD TOWN
Beauty And Truth
dirtyoldtownmusic.com
(Dan Can Music/Rought Trade)
8 Tracks, 32:02


Dirty Old Town – wer denkt da nicht sofort an den Song von Eawn MacColl in der Version der Pogues? Doch Morten Christensen, der sich hinter diesem Pseudonym verbirgt, singt keine rauen Trinklieder, sondern besinnliche, stille Folksongs, die häufig mit einem scheuen Schlagzeug im Hintergrund oder einer Orgel im Arrangement aufwarten.

 DIVERSE: Hommage À Marcel Dadi
DIVERSE
Hommage À Marcel Dadi
acoustic-music.de
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
12 Tracks, 44:15


Diese gelungene Hommage verdankt ihre Intensität der tiefen Verbeugung großer Namen der Gitarrenszene vor dem famosen französischen Fingerstylisten tunesischer Herkunft. Allen voran Peter Finger, der auch hier wieder zeigt, dass ihm als Labelchef, Produzent und Gitarrist in Personalunion das Instrument Gitarre und deren Spieler wirklich ans Herz gewachsen sind.


 DIVERSE: In The Wild Country
DIVERSE
In The Wild Country
musicmakesme.scot
(Walking Theatre Company)
10 Tracks, 33:07


Acht professionelle Musiker und Musikerinnen, die in der abgelegenen schottischen Region Argyll leben, wurden zu einer Aufnahmesession geladen, und das ist das vorzeigbare Resultat. Einzeln und gemeinsam, Folk und Pop, englisch und gälisch, und für Letzteres sorgt die wunderbare Joy Dunlop, die als einzige Beteiligte der Folker-Leserschaft bekannt sein dürfte.

 DJAMBOLULÙ SWING TRIO: Djambolulù Swing Trio
DJAMBOLULÙ SWING TRIO
Djambolulù Swing Trio
mauriziogeri.com/djambolulu-swing-trio
(Eigenverlag/Galileo MC)
12 Tracks, 48:41


Maurizio Geri, der Gitarrist von Riccardo Tesis Banditaliana, brilliert in vielen Stilen. Zusammen mit dem Gitarristen Jacopo Martini und dem Bassisten Nicola Vernuccio zelebriert er in elf Eigenkompositionen und einer Komposition von Django Reinhardt den Gypsy Swing, mit Ausflügen in andere Jazzsphären. Als wär’s alles so locker und einfach.


 DONAUWELLENREITER: Euphoria
DONAUWELLENREITER
Euphoria
donauwellenreiter.com
(Laloko Music Wien/Hoanzl)
10 Tracks, 43:35


Die Donauwellenreiter surfen mit ihrem dritten Album auf der obersten Gischt einer imaginären Folklore. Die Stimme Maria Craffonaras harmoniert in ihrem textlosen Gesang mit Celloklängen, dem rasanten Rhythmusspiel des Trommlers zwischen Jazz und Rock und dem Pianospiel. Nicht Rock, nicht Folk, nicht Jazz. Sondern Musik einer neuen Welle.

 CARLOS DORADO: Aqua Blue
CARLOS DORADO
Aqua Blue
guitarfestival.ch/dorado.htm
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
10 Tracks, 34:03


Ein eher sanften Tönen gewidmetes Album hat der gebürtige Argentinier Carlos Dorado für AMR eingespielt. Klassischer Gitarrenton und hohe Spielkultur machen das Album zu einem Leckerbissen für den Hörer, der Zeit mitbringt und sich Dorados wunderbarer Erzählkunst anvertraut. Sohn Lucas am Vibrafon, obwohl nur auf zwei Stücken zu hören, ist mehr als nur ein Gast.


 DREIVIERTELBLUT: Finsterlieder
DREIVIERTELBLUT
Finsterlieder
dreiviertelblut.de
(Millaphon Records 4260256750326/Broken Silence)
Promo-CD, 13 Tracks, 58:00


Als Dreiviertelblut frönen Bananafishbone Sebastian Horn und Soundtrackspezialist Gerd Baumann einem bayerischen Mundartlied heutigen Zuschnitts – also vorwiegend auf Americanabasis, inklusive Latinoeinflüssen und dergleichen. Thematisch bevorzugen sie das Morbide; der Duktus ist Lakonie. Und zwar konsequent verhangene – wie der Titel schon sagt.

 REBEKAH EDEN: Rowing In Eden
REBEKAH EDEN
Rowing In Eden
rebekaheden.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 62:13


Ein musikalisches Fantasiereich wollte sie kreieren. Das ist dem US-Multitalent mit ihren durch Tolkien inspirierten Kompositionen und vertonten Gedichten von Autoren wie Emily Dickinson perfekt gelungen. Doch manchmal wirken die Lieder der klassisch ausgebildeten Sopranistin, die mehrere Instrumente beherrscht, überladen und zu sehr an Loreena McKennitt angelehnt.


 EIVØR: At The Heart Of A Selkie
EIVØR
At The Heart Of A Selkie
eivor.com
(Tutl/Cargo Records, SHD175)
11 Tracks, 55:44


Die Sage von dem Wesen, das im Meer ein Seehund ist, an Land aber ein Mensch, hier in Gestalt einer schönen Frau, die sich mit einem Menschenmann einlässt, doch das Heimweh nach dem Meer trägt am Ende den Sieg davon. Kompositionen von Eivør, vorgetragen mit Big Band als große Oper. Einfach hinreißend.

 EVELYN KRYGER: Billy Wolke
EVELYN KRYGER
Billy Wolke
evelynkryger.de
(Hey! BlauRecords)
4 Tracks, 37:11


Evelyn Kryger betreiben Fusion in allen Varianten. Das gelingt ihnen überall exzellent, wo sie sich hin trauen, nur da, wo sie das Terrain Techno/Disco betreten wollen, wird es plötzlich banal. Wunderbare Musiker haben sich hier getroffen, die gut miteinander können, und wenn sie das auch weiter tun, tatsächlich die Tanzmusik neu erfinden könnten.


 FATBOY: Songs Our Mothers Taught Us
FATBOY
Songs Our Mothers Taught Us
fatboy.se
(Bear Family Records BCD17501)
15 Tracks, 48:49


Ein dank geslappt gespieltem Kontrabass ungemein mitreißendes, groovendes Album, welches stilistisch zwischen Rock ’n’ Roll, Rockabilly und Country angesiedelt ist. Vier Alben haben die Schweden bislang veröffentlicht, und diese hier ist eine Best-of-Zusammenstellung der bisherigen Stücke – einmal schaut auch Bela B von den Ärzten als Gast vorbei.

 FAUX PAS: Silueta Porteña  VÍCTOR HUGO VILLENA TRÍO & KAY SLEKING: Tango
FAUX PAS
Silueta Porteña
fauxpas-tango.de
(Edition 46 ED46.46015/Cargo Records)
13 Tracks, 46:31


VÍCTOR HUGO VILLENA TRÍO & KAY SLEKING
Tango
victorvillena.fr
kaysleking.com
(Ruta Records sil359/Galileo MC)
15 Tracks, 60:15





 FEDERSPIEL: Smaragd
FEDERSPIEL
Smaragd
feder-spiel.net
(Col Legno 20435/Harmonia Mundi)
13 Tracks, 49:05


Sieben junge Holz- und Blechbläser bilden seit 2004 Federspiel. Munter verweben sich die einzelnen Stimmen ihrer Instrumente zu einer Musik, die bei einem österreichischen „Apfelbauern Dudler“ und einem „Innviertler“ musikalische Tradition mit einem modernistischen Spielansatz zwischen Weltmusik, Klassik und Jazz verbinden. Pustefixe mit Spielwitz.

 FIDDLER’S GREEN: Devil’s Dozen
FIDDLER’S GREEN
Devil’s Dozen
fiddlers.de/de
(Promo-CD, Deaf Shepherd Records)
13 Tracks, 46:13


Und wieder eine neue Scheibe der fränkischen Irish-Speed-Punk-Folk-Rocker. Bei aller Aggressivität, die diesem Stil innewohnt, klingen die Songs des Albums zusätzlich fröhlich und gut gelaunt. Neben eigenen Songs sind auch Lieder wie „Boat On The River“ oder „Bella Ciao Ciao Ciao“ dabei. Eine gute Partymucke ist es allemal.


 IAN FISHER: Koffer
IAN FISHER
Koffer
ianfisheronline.com
(Popup-Records/Souldfood)
11 Tracks, 40:45


Interessantes Singer/Songwriter-Album in Americana-Arrangements zwischen sparsam (nur mit Gitarre, Banjo und Stimme) bis opulent (Piano, Orgel, Gitarren, Horns, Pedal Steel). Songs mit sehr viel Seele und Leidenschaft gesungen. Nur sollte man einen Amerikaner nicht Deutsch singen lassen. Gelungen.

 MICHAEL FIX: Bending Air
MICHAEL FIX
Bending Air
michaelfix.com
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
10 Tracks, 40:24


Gewohnt locker vom Hocker präsentiert sich der Steelstringmann aus Brisbane auf seinem vierzehnten Album unter seinem Namen. Erlesene akustische Gitarrenklänge, und auch wenn’s nach einer ganzen Band klingt, ist es meist der Meister alleine im Overdubverfahren. Freundliche, herzwärmende Klänge. In „Guernica“ beweist er, dass er auch anders kann.


 FLOBÊR: Von Wegen
FLOBÊR
Von Wegen
flober.eu
(Silberblick Musik 032)
15 Tracks, 51:20


Überwiegend biederen, braven Folk mit starkem Osteinschlag, einem Hang zum hopsenden Partypogo und Themen von Turbokapitalismus über den Alk bis zu Natur- und Liebesdusel haben Florian Krämer (Gitarre) und Bernhard P. Bielmann (Akkordeon) im Angebot. Für ihr Debüt zum Quartett erweitert – inklusive furchtbarem Cajon, dem Casio der Analogpercussion.

 VIC GAMMON & FRIENDS: Early Scottish Ragtime
VIC GAMMON & FRIENDS
Early Scottish Ragtime
ncl.ac.uk/sacs/staff/profile/vic.gammon
(Fellside Recordings FECD276)
15 Tracks, 56:27


Musik reist mit den Auswanderern von Schottland nach Amerika, den Weg kennen wir. Aber es geht auch in die andere Richtung. Ragtime breitet sich Ende des neunzehnten Jahrhunderts von Amerika unter anderem nach Schottland aus. Gammon und Freunde wie Dan Walsh (Banjo) oder Sandra Kerr (Konzertina) empfinden diese Melodien nach, nicht authentisch, sondern ziemlich folkig.


 MAIK GÖPEL: Lebenserwartung
MAIK GÖPEL
Lebenserwartung
liedermaik.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 53:09


Der Thüringer Liedermaik ist ein klassischer Liedermacher zur Gitarre, der Geschichten aus seinem Leben, seiner Seele und aus dem Alltag erzählt. Seine Frau Silvia begleitet ihn einfühlsam am Akkordeon. E-Gitarre (M. P. Ponce) und Flügel (A. Albrecht) ergänzen musikalisch. Heimat, Reisen, Mann sein und die Verschlingungen des Innenlebens besingt er in direkten und schnörkellosen Liedern.

 DIE GREENHORNS: On The Bus To Galway Bay
DIE GREENHORNS
On The Bus To Galway Bay
greenhorns-irish-music.com
(Prosodia)
16 Tracks, 58:49


Stationen einer Busreise über die Grüne Insel, thematisiert in Form klassischer irischer Volkslieder – das ist das Konzept des ersten Albums der Greenhorns aus Schkopau in Sachsen-Anhalt. Das liebevoll gestaltete Beiheft erklärt die geografischen Bezüge und schafft vielleicht eine kleine Sonderstellung unter den vielen existierenden Dubliners-Epigonen.


 TIMO GROSS: Heavy Soul
TIMO GROSS
Heavy Soul
timogross.com
(Grand Cru Records/in akustik GCR1)
10 Tracks, 44:08


Der preisgekrönte Komponist, Sänger und Gitarrist Timo Gross hat ein eigenes Label gegründet. Sein dort veröffentlichtes Album bietet akustischen sowie elektrischen Blues und Rockmusik. Unter den dreißig mitwirkenden Gästen sind Marius Tilly (Gitarre), Jens Skwirkblies (Keyboard), Patrick Pilarski (Bass) und der Gitarrist Kosho, der schon bei Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims dabei war.

 GROUPA: Kind Of Folk, Vol. 1 Sweden
GROUPA
Kind Of Folk, Vol. 1 Sweden
groupa.se
(All-Ice Rcords)
16 Tracks, 53:26


Das ist wohl inzwischen das zehnte Album des schwedisch-norwegischen Trios, das das Revival der Folkmusik seit Beginn der Achtzigerjahre stark beeinflusst hat. Dabei ging es den drei Musikern immer um eine Weiterentwicklung der traditionellen Musik, also um „eine Art Folk“, wie sie es bezeichnen. Im März 2017 kommen sie zu acht Konzerten in den Norden Deutschlands, unter anderem nach Kappeln, Hamburg, Mölln und Bremen.


 GRUPO SPONTANEO TRALLALERO: Cantö Riöndö
GRUPO SPONTANEO TRALLALERO
Cantö Riöndö
gruppospontaneotrallalero.it
(Felmay Records fy8241/Pool Music & Media)
18 Tracks, 59:01


Trallalerochöre sind ein Phänomen Genuas. Ihr polyfoner Gesang tönt archaisch, gleichzeitig aber auch etwas wie ein Opernchor. Neben Tenor, Bariton und Bass gibt es auch Rhythmusstimmen, die den Part der Gitarre übernehmen, und die Quotenfrau übernimmt den Countertenor. Mit Cantö Riöndö feiert der Chor sein dreißigjähriges Jubiläum.

 FRANZISKA GÜNTHER: Franziska Günther
FRANZISKA GÜNTHER
Franziska Günther
franziskaguenther.com
(Record Jet/Soulfood)
11 Tracks, 39:20


Mit einem wundervollen Fingerpicking an der Gitarre und samtwarmer Stimme produziert Franziska Günther nach einem Duoausflug nun ihr erstes Soloalbum. Die Songs würden jeder amerikanischen Liedermacherin gut zu Gesicht stehen, die Klangqualität der Produktion erreicht hohes Niveau. Freunde guter Songschreiberinnen können hier nichts falsch machen.


 LYNNE HANSON & THE GOOD INTENTIONS: 7 Deadly Spins
LYNNE HANSON & THE GOOD INTENTIONS
7 Deadly Spins
lynnehanson.com
(Selbstverlag/Hemifrån)
7 Tracks, 24:15


Die kanadische Songschreiberin Hanson hat bereits viele Preise gewonnen. Mit rockigem Flair kommen ihre Mörderballaden dahergeweht, wobei sie allerdings immer die akustische Gitarre spielt und die Dramatik in ihren Songs eher untersingt, falls man das so sagen kann.

 HELSINKI-COTONOU ENSEMBLE: The Road Is Long – Live At Savoy Theatre
HELSINKI-COTONOU ENSEMBLE
The Road Is Long – Live At Savoy Theatre
helsinkicotonouensemble.com
(Osusskunta)
Promo-CD, 5 Tracks, 36:42


Die beiden Vorgängeralben hatten schon gute Laune gemacht und der „Finnland-Benin-Connection“ um Gitarrist Janne Halonen und den Spitzensänger und Percussionisten Noël Saïzonou ein beachtliches Medienecho beschert. Dass ihre Melange aus Afrobeat, Jazz und Funk erst recht live begeistert, belegt der viel zu kurze Konzertmitschnitt.


 MARIO HENÉ : … im Portait
MARIO HENÉ
… im Portait
mariohene.de
(Artistic Station Records ASR 331606/Soulfood)
22 Tracks, 78:54


Querschnitt durch die fast vierzigjährige Karriere des Berliner Liedermacherurgesteins aus dem Märkischen Viertel. 1988, 2007 und 2015 solo mit der Akustischen aufgenommen, wird das Repertoire durchweg neu betrachtet – was das Album über die übliche Best-of-Kopplung erhebt. Ein besinnlicher Hauch von gestern – handlich für heute und morgen geschnürt.

 STEVE HICKS: A Thing Made Of Rags
STEVE HICKS
A Thing Made Of Rags
hicksandgoulbourn.com
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
14 Tracks, 50:56


Was haben Brahms „Ungarischer Tanz No. 5“, „Stairway To Heaven“, Mozarts „Türkischer Marsch“, „My Funny Valentine“ und Scott Joplins „Maple Leaf Rag“ gemeinsam? Richtig, alles Ragtime. Unsinn? Wer’s nicht glaubt, sollte dem englischen Fingerstylegitarristen Steve Hicks eine Chance geben. Der Beweis gelingt auf der ganzen Linie und ist hinreißend gespielt.


 THE HIDDEN CAMERAS: Home On Native Land
THE HIDDEN CAMERAS
Home On Native Land
thehiddencameras
(Outside Music/Yep Roc/H’Art)
14 Tracks, 48:45


Ganz allein Joel Gibb versteckt sich hinter The Hidden Cameras, schon seit mehr als fünfzehn Jahren. Waren seine frühen Alben vor allem Popereignisse, stehen bei ihm mittlerweile akustische Gitarre und die Pedal Steel im Vordergrund seiner Songs. Schöne Melodien machten Gibbs Musik von Beginn an aus, nur klingt alles derzeit mehr wie Softcountry, nicht wie Pop.

 JOSHUA HYSLOP: In Deepest Blue – Bonus Track Version
JOSHUA HYSLOP
In Deepest Blue – Bonus Track Version
joshuahyslop.com
(Nettwerk Records)
14 Tracks, 51:00


Zarter Singer/Songwriter-Pop aus Kanada. Klassisch instrumentiert und produziert, bewegen sich die Lieder in vorwiegend ruhigem Fahrwasser durchs Meer der Melancholie – Deepest Blue eben. Ab und an etwas Seegang würde dem Album sicher nicht schaden, und der gehauchte Gesang dürfte auch mal etwas mehr zupacken. Dennoch ein hörenswerter Zweitling.


 IRMELIN: Swedish Folk Songs
IRMELIN
Swedish Folk Songs
irmelin.nu
(Misgeld Music)
15 Tracks, 51:00


Das seit 1999 bestehende Damentrio Irmelin ist schon einigermaßen herumgekommen. 2017 ist auch Deutschland eingeplant. Dies ist ihr viertes Album. Ihre Stimmen sind sehr unterschiedlich, ihr Zusammenklang ist aber ganz besonders, egal, ob sie alte schwedische Folksongs singen oder Weiderufe intonieren. Traditionell, aber aufregend. Die Texte aller Lieder sind auf der Website zu finden, auf Schwedisch.

 BILL JACKSON: The Wayside Ballads Vol. 2
BILL JACKSON
The Wayside Ballads Vol. 2
billjacksonmusic.com
(Laughing Outlaw Records LOR175CD)
11 Tracks, 40:55


Der Australier Jackson sieht sich in der Tradition eines Seeger oder Guthrie – und das nicht völlig zu Unrecht. Seine (und seines Bruders, denn sie schreiben gemeinsam) musikalisch recht gefälligen Songs im Countrygewand beschäftigen sich mit denen am Rande der Gesellschaft sowie den nur scheinbar banalen persönlichen Problemen der 99 Prozent.


 BRIDGET ST. JOHN: Fly High
BRIDGET ST. JOHN
Fly High
cherryred.co.uk
(Cherry Red Records CDBRED 696)
Do-CD, 47 Tracks, 135:42


Ende der Sechziger-, Anfang der Siebziger war die erfolgreichste Zeit der englischen Singer/Songwriterin mit der heiseren Stimme. Traurige Lieder etwa in der Art, wie sie Nick Drake auch schrieb. Die Höhepunkte gibt es auf CD eins, CD zwei bietet ein buntes Programm aus Unveröffentlichtem, Sessions (zum Beispiel für John Peel), Singles etc., alles umrahmt von Interviews.

 KONNI KASS: Haphe
KONNI KASS
Haphe
de-de.facebook.com/konnikassmusic
(Tutl/Cargo Records, HJF322)
10 Tracks, 46:33


Färöische Sängerin singt in bemühtem Englisch ein bisschen im Stil der frühen Doris Day, versucht irgendwo auch, färöische Einflüsse durchkommen zu lassen, klingt am Ende aber wie die übliche derzeitige skandinavische Dutzendware.


 KING OF THE WORLD: Cincinnati
KING OF THE WORLD
Cincinnati
kingoftheworld.eu
(KOTW Records 1610/Bertus)
13 Tracks, 58:30


Keine Unbekannten sind die Musiker der niederländischen Bluesrockband. So spielt Bassist und Sänger Ruud Weber auch in Snowy Whites Blues Project eine tragende Rolle, der Gitarrist Erwin Java war bereits vor langer Zeit mit Herman Brood auf Tour. Geboten werden hohes musikalisches Niveau, mehrstimmiger Gesang, soulgetränkte Bläsersätze eingeschlossen.

 KLAZZ BROTHERS & CUBA PERCUSSION: Tango Meets Cuba
KLAZZ BROTHERS & CUBA PERCUSSION
Tango Meets Cuba
klazz-brothers.com
(Sony Music)
10 Tracks, 56:59


(Fast) alle Jahre wieder versuchen sich die Zeremonienmeister der musikalischen „Meets“-Tradition an neuen Allianzen. Bei dieser steht Kuba erstmals erstaunlich recht kleinlaut da – vor dem charakterstarken Tango. Dessen schon bestehende Verbindung zum Beispiel zum Bolero wurde hier nicht genutzt. Dafür suchte man – mehr oder weniger mühsam – andere Anknüpfungen an alte Traditionen, wie mit dem Danzón.


 THE KLEZMATICS: Apikorsim
THE KLEZMATICS
Apikorsim
klezmatics.com
(world village 450031/PIAS/Rough Trade)
Promo-CD, 15 Tracks, 62:24


Seit nun über dreißig Jahren sind die Klezmatics im Bereich Klezmer aktiv. Mit ihrem aktuellen Album Apikorsim („Nichtgläubige“) setzen sie einen erneuten Meilenstein in diesem Genre, betrauern in ihren Texten unwiderruflich Verlorenes, singen ekstatisch auf eine bessere Welt und zweifeln gar als „echte“ Häretiker die Existenz Gottes an.

 VIVIANE KUDO: Little Detours
VIVIANE KUDO
Little Detours
viviane-kudo.de
(Acoustic Music 31915552/Rough Trade)
11 Tracks, 38:21


Das Duo Kudo/Schultz veröffentlicht nur unter dem Namen der Sängerin. Das zweifelhafte Marketing hat glücklicherweise keinen Einfluss auf die Musik. Wunderschöne, lupenreine Akustiksongs finden sich auch auf dem vierten Longplayer. Die englischsprachigen Eigenkompositionen werden, wie vom Label gewohnt, in überragender Klangqualität präsentiert.


 HEINZ RUDOLF KUNZE: Meisterwerke – Verbeugungen
HEINZ RUDOLF KUNZE
Meisterwerke – Verbeugungen
heinzrudolfkunze.band
(Seven One Music/RCA/Sony 8898533499 2)
Promo-CD, 14 Tracks, 50:09


Jede Wette, des Oberlehrers Lieblingssatz auf diesem neuerlichen Meisterwerk kalkulierten Stichelns im Wespennest, diesmal mit deutschen Schlagern von Freddy bis Casper, ist „Tanz den Adolf Hitler!“ – Tanz den Adolf Hitler, Tanz den Adolf Hitler, Tanz den Adolf Hitler. Kontroverses Getue und pathetischer Schmalz. Sehr langweilig, eins wie’s andre.

 TERRA LIGHTFOOT: Every Time My Mind Runs Wild
TERRA LIGHTFOOT
Every Time My Mind Runs Wild
terralightfoot.com
(Sonic Unyon Records)
Vinyl, 11 Tracks, 40:00


Die junge kanadische Komponistin, Sängerin und Gitarristin aus der großen Lightfoot-Dynastie spielt nach ihrer ersten Balladenveröffentlichung jetzt Rootsrock und elektrischen Blues. Die LP hat insgesamt einen warmen, intensiven und rockigen Klang. Auch Terras Begleiter – Mathew Fleming (Bass), Joel Haynes (Schlagzeug), und Liam O’Neil (Keyboard) – treiben mit dem passenden Groove die Produktion nach vorne.


 MAGIC CAR: Meteorites
MAGIC CAR
Meteorites
tinydog.co.uk/magic_car.htm
(Tiny Dog Records TDR024)
12 Tracks, 40:30


Die Songs Phil Smeetons aus Nottingham/England orientieren sich eindeutig Richtung Nordamerika. Kompetent unterstützt von den vier Magic-Cars-Mitspielern, speziell der gefühlvollen Sängerin Hazel Atkinson, erzählt Smeeton Geschichten, die überall auf der westlichen Welt spielen könnten. Sanfter Americana ohne aufgesetzten Akzent.

 THE MAHONES: 25 Years of Irish Punk – The Very Best
THE MAHONES
25 Years of Irish Punk – The Very Best
themahones.ninja
(Wolverine Records)
20 Tracks, 74:20


Punkmusik erhebt ja nicht den Anspruch, schön zu sein. Wild muss sie sein, motzig, trotzig und vor allem laut und aggressiv. Jau, diesem Anspruch werden die Mahones auch nach fünfundzwanzig Jahren gerecht. Da wird geflucht, gesoffen und gegrölt, was das Zeug hält. Aus dem rockigen Klangteppich ertönt immer wieder spitz die Tin Whistle wie ein Moskito, der zum Angriff bläst.


 MARION & SOBO: Migrateurs
MARION & SOBO
Migrateurs
marionandsobo.com
(Plattenfirma to go)
13 Tracks, 62:15


Die französische Sängerin Marion Lenfant-Preus und der polnische Gitarrist Alexander Sobocinski bilden gemeinsam das Duo Marion & Sobo. Der Name klingt zwar nach Betriebsfestunterhaltung, tatsächlich bieten die beiden auf ihrem zweiten Album aber sehr guten Gesang, exquisites Gitarrenspiel und eine gute Songauswahl. Die selbst geschriebenen Stücke sind nicht die schlechtesten.

 MARKKU LEPISTÖ TRIO: New Voices
MARKKU LEPISTÖ TRIO
New Voices
markkulepisto.com
(Rapusaari Records)
10 Tracks, 47:53


Das als Arme-Leute-Orgel bezeichnete einreihige Knopfakkordeon fand ab etwa 1880 seine Verbreitung. Für Lepistö war es eine besondere Herausforderung, unter Verzicht auf den meist orchestralen Klang anderer Akkordeons mit eigenen Kompositionen das Bestmögliche aus diesem einfachen Instrument herauszuholen. Sehr gelungen, mit berührender Spielweise.


 JOHN McDONOUGH: Surrounding Colours
JOHN McDONOUGH
Surrounding Colours
johnmcdonoughlive.com
(McDonough Records/Hemifrån)
10 Tracks, 34:03


Recht rockig und vorwärtstreibend, beginnt McDonough mit „Tonight’s The Night“ (kein Neil-Young-Cover) sein Album Surrounding Colours, in dem unterschwellig die Musik eines Woody Guthrie mitschwingt. Ruhiger und nachdenklicher geht es danach weiter, doch wirken die Songs rastlos und unzufrieden.

 KATIE MELUA: In Winter
KATIE MELUA
In Winter
katiemelua.com
(BMG)
Promo-CD, 10 Tracks, 35:32


Seit Jahren beschäftigte die 32-Jährige der Wunsch nach einem Winteralbum jenseits des Weihnachtsrummels, das zur Reflektion einlädt. Dafür begab sich die in London lebende Musikerin in ihre Heimat Georgien. Gemeinsam mit dem 24-köpfigen Gori Women’s Choir nahm Katie Melua ein besinnliches Album auf, das zehn traditionelle Lieder, Coverversionen und eigene Kompositionen umfasst.


 GIULIA MILLANTA: Moonbeam Parade
GIULIA MILLANTA
Moonbeam Parade
giuliamillanta.com
(Ugly Cat Music/Hemifrån)
13 Tracks, 41:00


Giulia Millanta stammt aus Florenz und lebt seit einigen Jahren in Austin, Texas. Gerade die Arrangements und die Produktion wirken wie ein euroamerikanischer Hybrid aus Tom Waits, Marianne Faithfull, Gianna Nannini und Lucinda Williams. Rock, Vaudeville, Country, mit einer manchmal aufblitzenden herrlich schrägen E-Gitarre, geschmackvoll und stilsicher.

 MISCHPOKE: Bloyer fun blo …
MISCHPOKE
Bloyer fun blo …
mischpoke-hamburg.de
(Timezone TZ 1128)
13 Tracks, 55:35


Die fünf Hamburger der im Jahre 2000 gegründeten Formation spielen auf ihrem mittlerweile dritten Album Traditionelles mit Jazz, Klassik und Weltmusik und verbinden alles zu einem höchst abwechslungsreichen und dynamischen Klangatlas, der Tänze, teilweise weniger bekannte Lieder sowie virtuose Instrumentalstücke einschließt.


 Joyce Moreno: Cool
Joyce Moreno
Cool
joycemoreno.com
(Far Out Recordings FAR0193CD)
13 Tracks, 47:34


Brasiliens altbekannte Sängerin Joyce wagt sich hier an Jazzstandards und Evergreens. Sie „brasilianisiert“ sie, indem sie sie mit neuen Harmonien versieht und mit spärlicher Besetzung interpretiert. Am überzeugendsten gerät das Album bei den wenigen Scat-Improvisationen. Wirkt insgesamt jedoch zu sehr wie Alterswerk.

 MUSIK FOR THE KITCHEN: Musik mit einem K
MUSIK FOR THE KITCHEN
Musik mit einem K
musikforthekitchen.de
(Rum Tschak Records)
12 Tracks, 46:06


Ja, das „k“ in „Musik“ ist trotz des englischen Bandnamens richtig, darauf legen die vier Duisburger Wert, denn sie singen hauptsächlich deutsch, aber auch etwas englisch und ungarisch, und sind musikalisch unterwegs zwischen Deutschfolk, Klezmer, Reggae, Balkan und anderem. Alle Texte sind im Beiheft zu lesen.


 NEW CELESTE: A Perfect Sky
NEW CELESTE
A Perfect Sky
newceleste.com
(Park Records PRKCD143)
10 Tracks, 40:51


Folkrock war seit fast vierzig Jahren nie das treffende Etikett für die Band aus Schottland. Das gilt auch für Album Nummer sieben, wobei allerdings der Begriff „Folk“ hauptsächlich auf die Instrumentals unter Führung von Gavin Marwick zutrifft. Der Rest bewegt sich doch meist deutlich in Richtung Acoustic Pop. Auch dafür gibt es sicherlich Fans.

 NIGHTFALL: Nightfall
NIGHTFALL
Nightfall
night-fall.org.uk
(Eigenverlag)
EP, 6 Tracks, 27:30


Manchmal ist weniger mehr. Das nicht gerade unerfahrene nordostenglische Trio Nightfall braucht nur die sehr rhythmisch gespielte Gitarre von Dave Wood, die versierte Fiddle von Kevin Lees und den warmen Gesang von Kate Locksley, um mit ihrer Debüt-EP zu überzeugen. Das hört man gerne. Lieder und Melodien sind ausnahmslos traditionell.


 SYNJE NORLAND: Who Says I Can’t
SYNJE NORLAND
Who Says I Can’t
synjenorland.com
(Norland Music/Broken Silence)
12 Tracks, 42:10


Die nordfriesische Singer/Songwriterin setzt auf ihrem dritten Album auf einen warmen Streichersound zwischen Klassik und Pop, zu dem Cellist Michael Becker maßgeblich beiträgt. Nachdem ihr zweites Album sogar zum Geheimtipp der TV-Serie Mord mit Aussicht avancierte, gelingt es ihr mit Who Says I Can’t erneut, internationales Niveau zu erreichen.

 ORCHESTRE POLY-RYTHMO DE COTONOU: Madjafalao
ORCHESTRE POLY-RYTHMO DE COTONOU
Madjafalao
poly-rythmo.com
(Because Music Because0963/Alive)
Promo-CD, 10 Tracks, 52:06


Die bis auf zwei Sänger und den Bassisten komplett runderneuerte Band wagt sich in guter alter Tradition an stilübergreifende Musik aus Westafrika. Das Orchestre Poly-Rythmo ist seit fast fünfzig Jahren aktiv und somit eine der ältesten Formationen Afrikas. Die Musik auf Madjafalao, in etwa mit „Sei vorsichtig“ zu übersetzen, klingt unvermutet frisch.


 MARC O’REILLY: Morality Mortality
MARC O’REILLY
Morality Mortality
marcoreillymusic.com
(Promo-CD, Virgin Records/Universal)
12 Tracks, 49:52


Der irische Vollblutmusiker und Komponist Marc O’Reilly präsentiert auf seiner dritten Veröffentlichung wieder Rootsrock und Folkblues. Ruhiges Gitarrenpicking und eine besonders wandlungsfähige Stimme zeichnen ihn aus. Seine Singer/Songwriter-Qualitäten kann man auch bei vielen Deutschland-Liveauftritten bewundern.

 OTROS AIRES: Perfect Tango  DIVERSE: The Tango Club Night #04
OTROS AIRES
Perfect Tango
otrosaires.com
(Galileo MC GMC069)
10 Tracks, 35:15


DIVERSE
The Tango Club Night #04
(Lola’s World CLS0003582/Clubstar/Soulfood)
Do-CD, 13 Tracks, 170:19





 ANDREW PALEY: Sirens
ANDREW PALEY
Sirens
andrewpaley.com
(Make My Day Records/Indigo)
12 Tracks, 42:18


Der Ex-Frontmann der Band The Stattic Age wandelt auf Solopfaden und säuselt zur Akustikgitarre seine Songs mit leicht angerauter, aber dennoch weichgespült klingender Stimme zu einer Art Kuschel-Folkpop, mit Erkenntnissen wie der, dass „some summers cold“ seien und dass man aufpassen soll, denn „the wolves will follow“. Belanglos.

 PAULINE PARIS: Carrousel
PAULINE PARIS
Carrousel
Paulineparis.com
(Quart de Lune)
13 Tracks, 39:33


Pauline Paris heißt wirklich so und kommt dazu noch aus Paris. Sie singt selbst geschriebene Chansons, die zeitlos wirken, aber Charakter haben. Die Produktion dieses Albums verzögerte sich, weil ein von ihr komponiertes Kindermusical so erfolgreich war. Carrousel ist nun wieder Musik für Erwachsene.


 PEATBOG FAERIES: Blackhouse
PEATBOG FAERIES
Blackhouse
peatbogfaeries.com
(Peatbog Records CDBOG007)
10 Tracks, 59:22


Sie sind wie Shooglenifty ein Vierteljahrhundert alt, und auch sie mischen keltische Melodien mit modernen und tanzbaren Rhythmen, aber die Faeries kommen ursprünglich von der Isle of Skye, haben die Pipes im Aufgebot und kommen als Hebridensöhne daher eine Spur härter und präziser rüber als die Kollegen. Definitiv keine Musik für Stillsitzer.

 POGGY: Woman
POGGY
Woman
soundcloud.com/poggyhattonmusic
(Eigenverlag)
11 Tracks, 47:26


Nicht einfach, heutzutage wahrgenommen zu werden. Poggy aus der Grafschaft Kent versucht es dennoch mit einem erfahrenen Produzenten (Richard Bundy) und durchgehend eigenen Songs, immer spielerisch aus der Frauenperspektive. Die Melange aus Folk, Soul, Latin, Blues und Pop ist sehr ansprechend und das kurze A-cappella-Stück „Beautiful Woman“ beeindruckend.


 LULO REINHARDT & DANIEL STELTER: Live in der Stadtkirche
LULO REINHARDT & DANIEL STELTER
Live in der Stadtkirche
lulo-reinhardt.de
danielstelter.de
(DMG Records)
10 Tracks, 59:09


Einen ganz großen Abend hatten die beiden atemberaubend virtuosen (Gypsy-/Jazz-)Gitarristen Lulo Reinhardt und Daniel Stelter. Derart feines Zusammenspiel gelingt selten. Die Auswahl der Stücke, Eigenes und Standards, ist exzellent. Und ein gewisser Walter Quintus sorgte gleich noch dafür, dass die Liveaufnahme audiophilsten Ansprüchen genügt.

 THE ROOSTER CROWS: Weed, Whites & Wine
THE ROOSTER CROWS
Weed, Whites & Wine
theroostercrows.de
(Eigenverlag)
16 Tracks, 63:19


Das Quartett aus Regensburg covert überwiegend bekannte Songs aus Rock, Folk und Bluegrass, von ZZ Tops „Sharp Dressed Man“ über „Fox On The Run“ bis Don Henleys „Boys Of Summer“. Die Auswahl gerät nicht immer überraschend, die Bluegrassarrangements aber klingen durchweg überzeugend. Und mit Hans Deml steht ein zweifellos starker Sänger am Mikro.


 KAELA ROWAN: The Fruited Thorn
KAELA ROWAN
The Fruited Thorn
kaelarowan.net
(Shoogle Records SHOOGLE16016)
11 Tracks, 60:21


Sie sang auf dem letzten Shooglenifty-Album, nun begleiten Rowan neben vielen illustren Gästen zwei Shoogle-Kollegen. Traditionelle Songs in Englisch und Gälisch, mit jeder Menge Respekt, Können und musikalischem Mut. Die Lieder werden nicht nachgesungen, sondern spannend und stimmig nachempfunden. Überaus überraschend und ergreifend.

 STEFANO SALETTI & BANDA IKONA: Soundcity
STEFANO SALETTI & BANDA IKONA
Soundcity
stefanosaletti.it
(Finisterre FT67/Felmay)
11 Tracks; 55:48


Soundcity ist ein Projekt des Multiinstrumentalisten Stefano Saletti. Gesungen wird ? neben vielen anderen Sprachen ? in Sabir, einer alten Lingua Franca der Seefahrer des Mittelmeers. Auch die Musik ist in vielen Häfen beheimatet. Das vielschichtige Werk ist den Flüchtlingen gewidmet, die ihr Leben auf der Überfahrt verloren haben. Eindrücklich.


 NORBERT SCHNEIDER: Neuaufnahme
NORBERT SCHNEIDER
Neuaufnahme
norbertschneider-music.com
(Telemedia LC 11296)
14 Tracks, 48:57


Georg Danzer, einer der Ahnherren des viel geschmähten Austropop, wird so kultisch verehrt, dass sich Norbert Schneider seiner angenommen hat. Schneider, im R-’n’-B-Kontext bekannt geworden, singt mittlerweile im Dialektliedbereich. Nun holt er das Danzer’sche Liedgut in sein R-’n’-B-Universum, es gibt Bläsersätze mitsamt bluesiger Gitarre. Handzahm. Passt.

 OLAF SICKMANN: Café Rialto
OLAF SICKMANN
Café Rialto
olafsickmann.de
(Timezone)
12 Tracks, 43:16


Der Meister des Single-Line-Spiels ist wieder da. Was auf einer Flöte Selbstverständlichkeit ist, ruft auf einer Gitarre Erstaunen hervor. Steelstringgitarrist Olaf Sickmann lässt Ton auf Ton derart fließend folgen, dass das Fehlen jeglicher Akkorde nicht als Mangel wahrgenommen wird. Als besondere Zugabe zu diesem außergewöhnlichen Album gibt’s die Noten/Tabulatur als PDF.


 KASPER SØEBORG: with NANTHA KUMAR feat. LUIS GALLO Cosmic Juggling
KASPER SØEBORG
with NANTHA KUMAR feat. LUIS GALLO Cosmic Juggling
cyborg.dk
nanthakumar.com
luisgallo.net
(Olafsongs)
9 Tracks, 45:50


Zwölfsaitige Gitarre, Tabla und hie und da eine Flamencogitarre. Das Ganze erinnert neben jazzig-mediterranen Einflüssen an selige Mahavishnu-Zeiten. So nennt der dänische Akustikgitarrist Kaper Søberg auch John McLaughlin als wichtigen Einfluss. Ein feines, im besten Sinne weltmusikalisches Trioprojekt, sehr spannend und fantasievoll musiziert.

 JULIENNE TAYLOR: The Heart Within
JULIENNE TAYLOR
The Heart Within
juliennetaylor.com
(Evosound EVSA147HQ/In-akustik)
13 Tracks, 44:48


Warum wird ein Album von 2011 eigentlich erst fünf Jahre später vertrieben? Sei’s drum, das ist feinster Popfolk von der Dame aus Schottland auf ihrem fünften Album, inklusive einiger interessanter Coverversionen zum Beispiel von Freddie Mercury oder Tracy Chapman. Hochkarätige Begleiter aus der lokalen Szene wie Corinna Hewat (Harfe) bis Dougie Pincock (Flöten, Whistle).


 VANEESE THOMAS: The Long Journey Home
VANEESE THOMAS
The Long Journey Home
vaneesethomas.com
(Segue Records/Orchard)
12 Tracks, 55:26


Seit dreißig Jahren in der Musikszene unterwegs und zweimal für Blues-Music-Awards nominiert, singt sich die US-Amerikanerin mit Gospel, Soul Blues und R ’n’ B in die Herzen der Zuhörer. Mit der sie unterstützenden Bigband ist die Tochter von R-’n’-B-Star Rufus Thomas, die ihr neues Album auch mitproduzierte, in bester Gesellschaft. Eine kraftvolle Stimme und gutes Timing zeichnen die „Memphis Queen“ aus.

 PAT TIERNEY: Wild World Blues
PAT TIERNEY
Wild World Blues
pattierney.com.au
(Eigenverlag)
11 Tracks, 33:40


Sehr schönes Singer/Songwriter-Album, stilistisch angesiedelt zwischen Bob Dylan und Ry Cooder; Folk- und Blueselemente mit einem Schuss Reggae. Tolle Melodien, überzeugende Stimme, schöne Arrangements und kompetent gespielte Lap-Slide-Gitarre, die von einem Haufen höchst motivierter Gastmusiker unterstützt werden. Mit einem Wort: hörenswert.


 TOBERMORE: Kisses
TOBERMORE
Kisses
tobermore.band
(EIMM 007, Epos Imaginaire Studio)
11 Tracks, 51:42


Hübsch und liebevoll zusammengestellter Irish Trad aus den Niederlanden, von einer dort ansässigen notorischen Crew irischer Musiker mit dem Quoten-Iren Aengus McGilligan (Uilleann Pipes). Aber auch Herco Schuchardt (Flutes etc.) und Vincent Pompe van Meerdervoort (Akkordeon) machen eine gute Figur. Streckenweise noch nicht so kompakte Arrangements zeigen trotzdem, was an Potenzial noch drin ist. Well done, lads.

 MICHAEL TOMLINSON: House Of Sky
MICHAEL TOMLINSON
House Of Sky
michaeltomlinson.com
(Eigenverlag, Hemifrån)
16 Tracks, 68:31


Durch und durch harmonische, seelenvolle Gitarrenmusik mit leichtem Southern-Rock-Touch präsentiert uns Michael Tomlinson auf seinem zwölften Album. Immer wieder steht, wie eh und je, die Natur im Mittelpunkt seiner Songs. Ein Album voller Musik, die wie aus den späten Sechzigerjahren klingt.


 A TRIBE CALLED RED: The Great Seal Of The Halluci Nation
A TRIBE CALLED RED
The Great Seal Of The Halluci Nation
atribecalledred.com
(Radicalised Records/Soulfood)
15 Tracks, 50:14


Ein Sampler mit Musik von US-amerikanischen Ureinwohnern. Darunter gehört wohl nur der kürzlich verstorbene John Trudell hierzulande zu den bekannten Namen. Indianische Musik im modernen Gewand, indianischer Hip-Hop sozusagen. Erstaunlich, wie gut hier alles zusammenpasst, nur verwundert, das Ähnliches nicht schon lange in den US-amerikanischen Charts zu finden ist. Warum wohl?

 UTZ: Todo Mundo É Feio
UTZ
Todo Mundo É Feio
mutzik.com
(Naff 010)
Promo-CD, 11 Tracks, 36:42


Brasilianische Alternative-Rock-Band mit einfachsten Stilmitteln, Drei-Akkorde-Schema und daher harmonisch recht ähnlichen Songs. Die Musik ist eintönig, aber eher dezent und lebt vom ausdrucksvollen Gesang Renato Baccarats. Erinnert etwas an Caetano Velosos stilistische Phase auf Zii E Zie.


 VALKYRIEN Prøv: Å Si Noe Til Meg Nå
VALKYRIEN Prøv
Å Si Noe Til Meg Nå
valkyrienallstars.com
(Heilo/Grappa Musikkforlag)
8 Tracks, 41:02


Wer sie nur von früheren Alben ab 2007 oder den heftigen Liveauftritten kennt, mit den drei Hardangerfiedeln, Bass und Schlagzeug, wird die fortschreitende Hinwendung des Trios plus zwei zum Folk/Pop feststellen. Das erleichtert vielen Hörern den Zugang zu dieser stilistisch immer noch einzigartigen Musik. Die Instrumentierung ist vielfältiger, und der mehrstimmige Gesang hat sich weiterentwickelt.

 GIZMO VARILLAS: El Dorado
GIZMO VARILLAS
El Dorado
gizmovarillas.com
(India Media Group 471207-2/Rough Trade)
11 Tracks, 32:30


Luftig-leichte Popmusik aus Spanien bietet Gizmo Varillas auf seinem Debütalbum. Jeder Song ist radiotauglich und könnte einem Paul Simon genauso gut zu Gesicht stehen wie einem Bruno Mars. Dass es trotz fleißiger Popkompositionen ein bisschen nach Folk klingt, mag dem spanischen Einfluss geschuldet sein oder einfach dem urbanen Talent des Künstlers.


 VIVID CURLS: Eine Welt
VIVID CURLS
Eine Welt
vivid-curls.de
(Sturm & Klang 4023136011463/Kontor New Media)
13 Tracks, 49:09


Dass Inka Kuchler und Irene Schindele, die lebhaften Lockenköpfe aus dem Allgäu, von ihrem stimmlichen und gesanglichen Potenzial her wenig zu wünschen übrig lassen, hat der Folker bereits mehrfach vermeldet. Mit dem pathetischen Mainstreamschlager, in dem Eine Welt schwelgt, werden ihre Qualitäten aber verschenkt. Da muss, da sollte mehr drin sein.

 TODD DAY WAIT: Folk-Country-Blues
TODD DAY WAIT
Folk-Country-Blues
tdwpigpen.com
(Blind Lemon Records BLR-CD1603)
10 Tracks, 45:09


Ein Mann, eine Gitarre, ein wenig Unterstützung durch Banjo, Mundharmonika und Fiddle, das gängige Songwriter-Szenario. Der Typ aus New Orleans erzählt seine Geschichten auf reduzierte Weise, spart auch mit Melodien, agiert wenig spektakulär, aber geradeaus. Alles fließt im großen Erzählstrom, und der Titel des Albums ist Programm. Schmückend schmucklos.


 GÖKSEL YILMAZ ENSEMBLE: Kan Zaman – There Was A time
GÖKSEL YILMAZ ENSEMBLE
Kan Zaman – There Was A time
gokselyilmaz.ne
(Göksel Yilmaz Ensemble GYE 16-001)
14 Tracks, 61:23


Der in den Niederlanden geborene Sänger, Gitarrist und Sazspieler Göksel Yilmaz ist tief in seine arabisch-türkische Vergangenheit eingetaucht. Mit seinem 2006 gegründeten Akustikensemble belebt er die arabische Gesangstradition in vierzehn berührenden Liedern über das Leben. Yilmaz verwebt die erstklassigen Arrangements mit westlichen Einflüssen aus dem Jazz oder der Klassik.

 ZANZIBAR: Punta D’L Mol
ZANZIBAR
Punta D’L Mol
facebook.com/Zanzibar Trio
(Alba musica AL0116)
12 Tracks, 56:56


Pascal Lefeuvre, französisches Drehleierurgestein mit einem Faible für vertrackte, ungerade Rhythmen und einem Talent für wunderschöne Melodien, legt im Quintett eine sonnendurchflutete Mixtur aus Eigenkompositionen und Traditionals vor, gespielt auf Mandoline, Ud, Mandola, Geige, Kontrabass und Altdrehleier. Nicht nur für Drehleierfans hörenswert.


Bücher
 BEHNAM T. SAID:: Hymnen des Jihads : Naschids im Kontext jihadistischer Mobilisierung.
BEHNAM T. SAID:
Hymnen des Jihads : Naschids im Kontext jihadistischer Mobilisierung.
(Würzburg : Ergon-Verl., 2016. – 361 S. – (Mitteilungen zur Sozial- und Kulturges)
ISBN 978-3-95650-125-8 , 4,00 EUR Zugl.: Jena, Univ., Diss., 2014


Seit es in der Geschichte der Menschheit Klänge und Gesänge gibt, sind sie für allerlei Zwecke instrumentalisiert worden: Posaunen ließen – angeblich – Stadtmauern zerbersten, Fanfaren kündigten das Erscheinen von Herrschern an, Trommeln und Stimmen dienten der Kommunikation über weite Entfernungen oder der Untermalung schamanischer Rituale. Und selbst Jahrhunderte später, als anonyme Klangerzeuger längst namentlich bekannten Komponisten, Musikern oder Textdichtern Platz gemacht hatten, waren Musik und Lied immer noch Spielbälle von Abhängigkeit und Fremdbestimmung. Unterdrückung, Ächtung, Verbote oder Vereinnahmung von Musik und Lied durch politische Systeme ziehen sich ebenfalls quer durch die Jahrhunderte. So erinnert das 1569 erschiene „Tantzteuffel“-Pamphlet des Florian Daul von Fürstenberg doch schon stark an die gängige Praxis im Umgang mit Musik in Diktaturen oder orthodox-religiösen Gesellschaftssystemen der Gegenwart.
Der Hamburger Islamwissenschaftler Behnam Timo Said, der in der Hansestadt auch für den Verfassungsschutz tätig ist, befasst sich in seiner Dissertation mit den in der islamischen Welt weit verbreiteten Naschids. Diese ursprünglich eher harmlosen Loblieder auf religiöse oder weltliche Ereignisse oder Personen werden von den Propagandisten eines kriegerisch-expandierenden Islam wie Al-Qaida, dem IS oder den Taliban zu jenen gewaltverherrlichenden Hymnen umgeformt, die dann Teil der Rekrutierungsvideos der genannten Gruppierungen werden. Said beschreibt, wie in Deutschland entstehende Naschids, die sich in ihrer mäßigen sprachlichen Qualität deutlich von den arabischen, aber auch von französischen unterscheiden, zwar noch recht amateurhaft wirken, aber als absolut authentisch gelten, daher bei den Jugendlichen gut ankommen und so Teil einer neuen juvenilen Protestkultur werden. Die Verbreitung zusammen mit professionell gestalteten und geschnittenen Videos über Youtube oder die gängigen sozialen Netzwerke sorgt weiterhin dafür, dass viele Jugendliche eben genau dort abgeholt werden, wo sie stehen. Mangelndes Geschichtsbewusstsein, (partei-)politisches Desinteresse und eine nicht nur bei älteren Zeitgenossen vorhandene Vorliebe für einfache Antworten auf hochkomplexe Fragen tun ein Übriges. Dies unterscheidet diesen Bereich jugendlichen Protests in seiner Irrationalität kaum von vergleichbaren Bewegungen wie etwa der der Neonaziszene. Interessant aber, dass die musikalische Umsetzung dieses Protests sich fast ausschließlich bei Punk oder Hip-Hop bedient und somit diese, ehemals als Reflexion auf ungerechte gesellschaftliche Zustände entstandenen Musikstile jetzt für kriegerische oder diktatorische Zwecke vereinnahmt und missbraucht werden. Saids Buch über die Transformation der Naschids zeichnet sich durch enorme Akribie und immense Detailkenntnis aus, was den Lesefluss naturgemäß des Öfteren stocken lässt. Aber eine Dissertation ist ja auch kein Roman, und ein großer Erkenntnisgewinn ist garantiert.
Walter Bast
 JUSTIN SANDERCOE:: Justinguitar.com – Akustikgitarren-Songbook : 50 fabelhafte Akustikgitarren-Songs mit detaillierten Spieltipps.
JUSTIN SANDERCOE:
Justinguitar.com – Akustikgitarren-Songbook : 50 fabelhafte Akustikgitarren-Songs mit detaillierten Spieltipps.
(Dt. Erstausg. – o. O. : Bosworth Ed., 2016. -– 174 S. : überw. Noten, TAB u. Akk)
ISBN 978-3-86543-899-7 , 19,95 EUR


Eine neues Songbook aus dem mittlerweile recht umfangreichen Lehrwerk des britischen Gitarristen Justin Sandercoe. Die gewohnt übersichtliche Aufmachung macht den Einstieg sehr leicht: Songtext mit Akkorden, dann eine kurze Einführung in die Begleitung. Neben klassischem Strumming erklärt Sandercoe auch kurze Riffs, die für den jeweiligen Song charakteristisch sind. Von leicht bis ziemlich schwer, quer durch den Rock/Pop-Garten: Beatles, Eric Clapton, Ed Sheeran, Tom Waits, Sting … Höhepunkt sind fünf Transkriptionen in Tabulatur, die dem engagierten Gitarristen schon einiges abverlangen.
Rolf Beydemüller

DVD/Filme
 ANDREAS HOEHN: Sungura
ANDREAS HOEHN
Sungura
sungura-movie.com
(Mukoma Records 06320/Broken Silence)
DVD, 104:00


Dies ist kein klassischer Dokumentarfilm über den Musikstil Sungura, den 1999 verstorbenen Musiker John Chibadura oder die Musikszene Simbabwes allgemein. Über weite Strecken verfolgt die Kamera schlicht den Neustädter Andreas Hoehn auf Spurensuche bei der Familie, bei Musikern, Produzenten, am Grab, in einem Plattenladen, einem Tonstudio und einem Plattenpresswerk. Auf der Suche nach den Wurzeln des Sungura in Gestalt John Chibaduras wirken die Begegnungen im Film improvisiert, etwa wenn Chibaduras Sohn ein menschenleeres Hotel betritt, um Andreas Hoehn die Auftrittsorte seines Vaters zu zeigen. Die eingeschnittenen historischen Szenen verwirren mehr als sie erklären, zumal die Konzertaufnahmen, die den Film durchziehen, leider nicht datiert sind. Auch wird das gesprochene Englisch permanent englisch untertitelt, aber alles in Landessprache oder etwa die gesungenen Texte leider nicht. Man muss schon Andreas Hoehns Faible für Sungura teilen, dann trägt die Musik diesen Film in schönen Kamerafahrten durch Simbabwe. In Zeiten von weltweit abrufbaren Informationen im globalen Netz ist der Film über Hoehns Reise also eher ein künstlerischer Beitrag zum Thema.
Christoph Schumacher



Besondere
VESSELSKY/KÜHN
Wauns amoi so aufaungt
küve.com
(Donauwalzer Records)
10 Tracks, 33:58 , mit Fotos u. dt. Infos


„Ka Wöltrekord, ka Himmelfoahrt, ka Chevrolet, ka Haute volée, ka Fuaderneid, ka Schodenfreid, ka Überdruss, ka Wöltverdruss – I will net besser sei, i will nua sei, i will net größer sei, i will nua sei, i will net schöner sei, i will nua sei, i will net gscheiter sei, I will nua sei.“ Was sich hier in einem der Lieder ausdrückt, zieht sich durch das ganze Album, eine Selbstbescheidung, eine Absage an Konkurrenzdenken, an Neid und Gier. Dagegen der Wunsch, sich zurückzuziehen, dazubleiben, keine zu großen Schuhe anzuziehen und stattdessen den Flüchtling in sich selbst zu entdecken. Diese philosophischen Betrachtungen vollziehen sich im Duett zwischen Wolfgang Kühn – wenig mit Melodie, eher im Sprechgesang,  VESSELSKY/KÜHN: Wauns amoi so aufaungt mit flüsternder, hauchender Stimme, als gelte es, ein Geheimnis zu bewahren – und Irmie Vesselsky – mit einer glockenklaren, feinen Stimme in zarten, schönen Melodien, und dabei beide großenteils im Dialekt des niederösterreichischen Waldviertels, Vesselskys Part aber auch mal auf Englisch. Gerade in diesen zweisprachigen Liedern treffen sich das Regionale und das Globale, was eine gewisse Spannung aufbaut, sich aber als zwei Seiten derselben Medaille erweist. So sollte moderne Volksmusik sein! Das kleine Waldviertel oder die große Erde, beides gehört untrennbar zusammen, Heimatlosigkeit gibt es in einem selbst, und der Versuch, eine Heimat im eigenen Keller zu finden, wirkt wie ein aberwitziger Versuch, der in die Irre geht. Der Gesang wird begleitet von Piano, Orgel, Synthesizer, die Vesselsky spielt, dazu ergänzen Juergen Berger Bass und Trompete und David Hebenstreit Violine und anderes mit zarten Ein- und Zwischenspielen, meist eher zurückhaltend, aber auch mal die Stimmung steigernd. Das Besondere dieses Albums ist dabei vor allem die Kontrastharmonie der so unterschiedlichen Stimmen und Gesangstechniken und der beiden Sprachen sowie eine tiefe, verträumte, auch mal albtraumhafte Poesie, die dem Leben in kritischer Liebe begegnet. „Freeze this moment! Auch die Wachau hat a moa gnua.“
Michael A. Schmiedel
CONTRAVIENTO
Para Mis Amigos
contraviento.de
(Soundatelier/Eigenvertrieb)
Promo-CD, 18 Tracks, 65:01 , mit dt. u. span. Texten u. Infos


Das deutsch-chilenische Duo Contraviento wirkt auf den ersten Blick wie eine Inkarnation dessen, was in den späten Sechzigern an Weltmusik populär war – politische Liedermacher aus Lateinamerika und ein bisschen Irish Folk dazu. Die Reihe der Komponisten, deren Songs hier intoniert werden, reicht von Victor Jara bis Atahualpa Yupanqui, aber auch Eric Bogle oder Paul Simon sind im Repertoire. Wem das zu angestaubt klingt, der sollte wissen, dass das Genre Weltmusik bei uns damals mit genau solcher Musik seinen Anfang nahm. Außerdem kommt es immer darauf an, wie man derartige Musik aufbereitet. Und da muss man der Sängerin Isabel Lipthay (Chile) und dem Gitarristen Martin Firgau (Deutschland) bescheinigen,  CONTRAVIENTO: Para Mis Amigos dass sie ihre Lieder mit viel Liebe arrangiert haben. Vor allem aber klingt hier nichts übertrieben pathetisch wie so manches aus dieser Zeit, eher angenehm intim, besinnlich und auch abwechslungsreich. Manche Stücke sind mit Gastmusikern eingespielt, was dem Album zugutekommt, weil Percussion, Maultrommel oder Piano auflockern. Gesungen wird auf Spanisch, Deutsch und Englisch, und als Überraschung ertönt Beethovens „Ode an die Freude“. Das Duo möchte damit darauf hinweisen, dass die 1970 entstandene spanischsprachige Version von Miguel Rios während der chilenischen Diktatur bei Demonstrationen gesungen wurde. Schillers Worte „Alle Menschen werden Brüder“ wurden damals noch mit Tränengas bekämpft. Das Album wirkt wie ein akustisches Erinnerungsalbum an die Zeit der Friedensbewegung und der ins Exil getriebenen lateinamerikanischen Künstler. Mit der Zeit – der Chile-Putsch ist über vierzig Jahre her – könnten solche Lieder aber auch auf dem Dachboden der Geschichte landen. Gut, dass sich Musiker wie Contraviento mit einem engagierten Booklet und einem Betulichkeit vermeidenden Stil bemühen, dass der Geist von Musikern wie zum Beispiel ihres Vorbilds Mercedes Sosa in Erinnerung bleibt. Insofern nicht nur etwas für Folker-Freunde der ersten Stunde.
Hans-Jürgen Lenhart

VOICES OF ASHKENAZ
Voices Of Ashkenaz
ashkenaz.eu
(CPL Music 014)
14 Tracks, 70:18 , mit Infos u. Texten


Nicht für alle ist aus dem Begriff „Ashkenaz“ zu entnehmen, dass es sich hier überwiegend um Lieder des osteuropäischen Judentums handeln soll. Wurde zwar noch im Mittelalter unter Ashkenaz eine geografische Region im heutigen Westen Deutschlands verstanden, insbesondere das Rheinland sowie das Städtedreieck Speyer, Worms und Mainz, so wanderten die meisten der mittelhochdeutsch sprechenden Juden infolge von Pogromen während der Kreuzzüge und der Pest in das nordöstliche Europa, hauptsächlich in die Gebiete des heutigen Litauens, Polens, Weißrusslands sowie der Ukraine aus. Noch im zwanzigsten Jahrhundert sprachen etwa zehn Millionen Menschen das sich dort über die Jahrhunderte entwickelnde (Ost-)Jiddisch. Die hier  VOICES OF ASHKENAZ: Voices Of Ashkenaz vorliegenden vierzehn Lieder weisen eine verblüffende Verwandtschaft zu deutschen Texten und Melodien auf, als ob es zumindest auf musikalisch-kultureller Basis seit vielen Jahrhunderten bereits ein durch Juden getragenes vereintes Europa gäbe. Aber auch die Texte ähneln sich inhaltlich, wie etwa am Beispiel „Nem araoys a ber fun vald“ („Hol’ einen Bären aus dem Wald“) zu erkennen ist. Unterrichte diesen Bären in der Schreibkunst. Schaffst du das, so gehörst du mir. Dass Deutschen wie Juden das Tanzen eigen ist, kommt unter anderem in „Raynlender & Rheinländer“ zur Geltung, in dem eine Frau und ein Mann die Qualitäten des jeweils anderen zwar diskutieren, es letztlich aber auf nichts anderes als den Tanz hinausläuft. Für die musikalische Umsetzung dieser Lieder sorgt ein Who’s who der deutsch-amerikanischen Klezmerszene: Michael Alpert (voc, v), Alan Bern (acc), Thomas Fritze (b, g, perc), Sveta Kundish (voc), Andreas Schmitges (g, voc), Deborah Strauss (acc, v), Till Uhlmann (hurdy-gurdy) und Vivien Zeller (v). Mit einer derartigen Besetzung kann eigentlich nichts mehr schiefgehen – dem Freund des traditionellen Volksliedes ist ein Hörgenuss garantiert. Mit dem umfangreichen Beiheft können die Texte auf Deutsch, Englisch und Jiddisch (in lateinischen Buchstaben) mitverfolgt werden.
Matti Goldschmidt



Deutschland
 THE MOCKINGBIRD MEN: Back In The Port
THE MOCKINGBIRD MEN
Back In The Port
mockingbirdmen.de
(Tonschale)
12 Tracks, 60:15 , mit Fotos u. dt. Infos


Nach dem ersten Blick auf die Trackliste scheint dies eine der vielen Alben mit gängigen irischen Liedern zu sein. Doch was dann aus den Lautsprechern kommt, ist ein Feuerwerk ausgefeilter Bandarrangements. Die bekannten Liedmelodien, gesungen von drei Männern, werden umspielt von diversen Whistles und Pipes, Gitarren, Mandolinen, Bouzouki, Bodhrán, Schlagzeug und anderem, durch die vierköpfige Kernbesetzung Robert Leuschner, Christoph Wellm, Sebastian Fauth und Martin Hähn aus Dresden sowie sechs Gastmusikern nicht nur aus der Keltenszene. Da spielt Stephan Groth ein Zwischenspiel zu „Back Home In Derry“ auf der Drehleier, da erklingt Ingo Schneiders Banjo in „Bonnie Ship The Diamond“ und Bennie Cellims Cello in „Will You Go Lassie“, in dem es auch mal Schottisch wird. Soloeinlagen der Instrumente und Chorgesang, Sologesang und wirbelnde, wabernde Klangteppiche der ganzen Band wechseln einander ab, dass es nur so eine Freude ist, mit Kopfhöher ganz genau hinzuhören oder aber das Album nebenbei bei der Hausarbeit laufen zu lassen, mit der man dann schneller fertig wird, als es zum Ende kommt.
Michael A. Schmiedel



Europa
 CARMINHO: Canta Tom Jobim
CARMINHO
Canta Tom Jobim
carminho.com.pt
(Warner Music)
Promo-CD, 14 Tracks, 45:56


Tom Jobim, der wichtigste Exponent der Bossa-Nova-Bewegung, wäre am 25. Januar neunzig Jahre alt geworden. Pünktlich zum Geburtstag erscheint diese Hommage der Fadosängerin Carminho an den Komponisten. Die brasilianische Musikwelt liegt der Portugiesin nach Duettaufnahmen mit Caetano Veloso und Marisa Monte zu Füßen. So überrascht es nicht, dass Tom Jobims Familie Carminho vorschlug, sich mit dessen Werk auseinanderzusetzen. Mit ihrer tief emotionalen Fadostimme holt sie die Bossa Nova raus aus der unterkühlten Hotellounge und verleiht den poetischen Texten das ihnen gebührende Gewicht. In „A Felicidade‟ („Das Glück“) zeigt Tom Jobim, wie genau er die Sehnsüchte der Armen kennt, die sich ein Jahr lang abrackern, um sich für ein paar Tage im Karneval einer Illusion hinzugeben. Die zurückhaltende Einspielung mit Paulo Jobim (Gitarre), Daniel Jobim (Klavier), Jacques Morelenbaum (Cello) und Paulo Braga (Schlagzeug) unterstützt die Intensität der Stimme. Besonders schön sind die Gesangsduette mit Marisa Monte, Maria Bethânia und – herausragend – Chico Buarque. „Die Traurigkeit nimmt kein Ende, das Glück hingegen schon.“ Tom Jobim hätte zum Neunzigsten einen Glücksmoment gehabt.
Martin Steiner
 FLOATING SOFA QUARTET: The Moon We Watch Is The Same
FLOATING SOFA QUARTET
The Moon We Watch Is The Same
floatingsofaquartet.com
(GO’ Danish Folk Music GO1116)
13 Tracks, 61:19 , mit engl. Infos


Die Folkmusikzweige der vier skandinavischen Musikhochschulen tauschen sich seit Jahren aus. Dadurch kommt viel Interessantes zustande, da die Musiker die Möglichkeit haben, einige Semester auch in den anderen Ländern zu studieren und sich mit den dortigen spezifischen Traditionen und Klängen zu beschäftigen. Dabei entstehen musikalische Freundschaften wie beim Floating Sofa Quartet, zwischen einem Dänen, einer Dänin, einem Schweden und einer Finnin. Dass sie Komponieren gelernt haben, beweisen sie auf diesem melodiösen Debütalbum mit eigenen Stücken. Fast alle gehen im Konzept und klanglich weit über die Folkmusik hinaus. Beim Zweierset „Æ Viskestykk…“ ist allerdings die Nähe zum Sønderhoning von der Insel Fanø unschwer zu erkennen. Bei „Die Jungfrau und der Mond“ handelt es sich zwar um ein traditionelles Stück, Leija Lautamaja hat es aber modern bearbeitet. Sehr geschickt wurde eine Originalaufnahme der gesungenen Melodie aus der Zeit um 1900 eingebaut. Das Set „Drunken Devil“ enthält jeweils eine traditionelle Melodie aus Skåne, Seeland und Österbotten. 2016 trat das Quartett unter anderem beim Korrö-Festival in Schweden auf, und 2017 wurden sie für das Folk-Baltica-Festival und das Scheersberg-Folktreffen gebucht.
Bernd Künzer

 PAUL JAMES: The Drowned Lover And Other Dark Tales
PAUL JAMES
The Drowned Lover And Other Dark Tales
pauljames.eu
(Eigenverlag)
9 Tracks, 42:09


Wenn man Paul James erwähnt, dann sagt man unweigerlich auch Blowzabella, denn vor allem dort macht er seit sechsunddreißig Jahren Musik. Aber James solo möchte nicht wie Blowzabella klingen und auch nicht wie die anderen Bands, in denen er spielt, unter anderem die mit dem wunderbaren Namen Playford Liberation Front. Er beginnt also mit der berühmten weißen Leinwand und „schaut, was er mit begrenzten Ressourcen erreichen kann“. Das „begrenzt“ ist eher ein Witz, denn James spielt sechzehn Instrumente (Bagpipes und Saxofon sind die am häufigsten benutzten), und dann kommen noch achtzehn Gäste mit diversen weiteren Instrumenten von Drehleier bis Tuba plus ein Heimstudio hinzu. Das garantiert Abwechslung bei den eigenen und traditionellen Liedern und Melodien. Es sei allerdings nicht verschwiegen, dass die komplexen Arrangements für ungeübte Ohren manchmal etwas überladen wirken können, zumal wenn dann noch elektronische Verfremdungen hinzukommen. Meist jedoch findet James eine ausgesprochen interessante Mischung wie bei dem witzigen „Falco E Coolomba“. „Big Corn“ dagegen scheint eher einem Hardrockalbum entkommen zu sein. Nichts für musikalische Weicheier.
Mike Kamp
 REBEKKA KARIJORD: Mother Tongue
REBEKKA KARIJORD
Mother Tongue
rebekkakarijord.com
(Control Freak Kitten Records/Cargo)
Promo-CD, 11 Tracks, 46:27


Die Norwegerin schrieb bereits über dreißig Musiken für Theater und Film, von denen sie vor vier Jahren einige ausgewählte auf Tonträger bannte. Sie stammt aus einer Künstlerfamilie, wuchs auf den Lofoten auf und ist seither, einer Nomadin gleich, viele Male umgezogen. Ähnlich wie bei Emily Millard sind immer wieder Anklänge an Kate Bush, Tori Amos oder Björk zu hören. Mother Tongue ist autobiografisch, im wahrsten Sinne authentisch. Die Songs drehen sich wie Planeten um die traumatische Geburt ihrer Tochter, die drei Monate zu früh kam. Karijord offenbart ihre Gefühle in äußerst berührenden, einfühlsamen Songs. Beginnt ihr „Waimanalo“ noch fast identisch wie Lana del Reys „Video Games“, gewinnt der Hörer nach „The Orbit“, dem vierten Track, den Eindruck, dass sie erst jetzt bereit ist, in der selbst kreierten Umlaufbahn mitzukreisen. Von nun an, wo sie benennen kann, was und wer sie wie bewegt („Your Name“), ist alles wie aus einer Hand, ihre Songs werden Teil der elliptischen Schwingung, sie rotiert sang- und klangvoll changierend um die Erlebnisse, die ihr die Seele verstört haben. Jede Frequenz dieses Kreisens führt sie in die Fibrillen ihrer Lieder. Das ist großartig, beeindruckend und sehr, ja, sehr hörenswert.
Stefan Sell

 SETH LAKEMAN feat. WILDWOOD KIN: Ballads Of The Broken Few
SETH LAKEMAN feat. WILDWOOD KIN
Ballads Of The Broken Few
sethlakeman.co.uk
(Cooking Vinyl COOKCD644/Sony)
11 Tracks, 42:30 , mit Texten


In die Charts muss Seth Lakeman nicht mehr. Er war schon Popstar – und es hat ihm nicht gefallen. Das heißt aber nicht, dass er jetzt keine eingängigen Lieder mehr schreibt, im Gegenteil. Dieses achte Studioalbum ist randvoll mit Liedern von hohem Wiedererkennungswert. Nur macht ihm seit einiger Zeit keine Plattenfirma mehr Vorschriften, wie hitparadenkompatibel seine Songs zu klingen haben. Und so entwickelt Lakeman immer neue Ideen, nimmt in einem alten Kesselhaus oder – wie jetzt – in einem jakobinischen Herrenhaus auf, was sich hörbar auf den warmen Klang des Albums auswirkt. Das gilt auch für die Arbeit des Produzenten Ethan Johns, der die Erfahrung der Arbeit zum Beispiel mit Paul McCartney oder den Kings of Leon einfühlsam in diesen rein akustischen Zusammenhang bringt. Der Geniestreich schlechthin jedoch ist die Kooperation mit dem Gesangstrio Wildwood Kin, den Schwestern Key und deren Kusine Loney. Die Songs sind für diese Stimmkombination wie geschaffen, und mehr als einmal ist dieser Hörer überzeugt, hier allerbeste Gospelmusik zu hören, abgrundtief englische Gospelmusik wohlgemerkt. Das Titelstück ist ein Paradebeispiel für diesen Sound oder das nachfolgende „Anna Lee“ oder … Einfach ein großartiges Album.
Mike Kamp
 GJERMUND LARSEN TRIO: Salmeklang
GJERMUND LARSEN TRIO
Salmeklang
gjermundlarsen.com
(Galileo MC)
11 Tracks, 57:47 , norw./engl./dt. Booklet


Sowohl das Trio als auch die einzelnen Musiker (Gjermund Larsen, Geige, Andreas Utnem, Piano und Harmonium, Sondre Meisfjord, Kontrabass) wurden schon vielfach mit Preisen ausgezeichnet (siehe auch Folker 3/2015). Ihr viertes Album ist ein weiterer Schritt zur Reduzierung auf das Wichtigste, Melodie und Klang. Es sind alles Kompositionen von Larsen, wobei die Stücke „Hymne“, „Salmeklang“ und „Kind Of Polska“ Teile eines Auftragswerks für das Oslo International Church Music Festival 2015 waren. Dieses wurde zusammen mit dem Trio Nordic (Nyckelharpa, Cello, Mandoline) realisiert. Als Komponist von Kirchenmusik bringt Andreas Utnem die richtigen Voraussetzungen für den „Psalmenklang“ mit. Die beiden ersten Stücke klingen erhaben und feierlich, die schnelle Polska bewegt sich mehr auf vertrautem schwedischem Boden. Wie am Beginn mit dem „Trostlied“ endet das Album mit einer Kindermelodie, „Duett“, für Larsons Zwillinge. Es ist noch nicht so lange her (2009), dass Larson das Kinderalbum Går I Fjøs eingespielt hat. Dem wachsenden Zuhörerkreis in Deutschland (Auftritt unter anderem in Rudolstadt 2015) hat das Label Galileo Rechnung getragen und die erklärenden Texte im Booklet auch auf Deutsch abgedruckt.
Bernd Künzer

 THE McCALMANS: Lost Tracks
THE McCALMANS
Lost Tracks
the-mccalmans.com
(Greentracks Recordings CDTRAX393)
19 Tracks, 51:24 , mit engl. Infos


Die McCalmans waren schlicht eine schottische Legende. Ein Trio mit nur zwei Umbesetzungen in 46 Jahren, jeder Menge Humor und einem unverkennbaren harmonischen Vokalklang. 2010 schlossen die Macs, wie sie von ihren Fans genannt wurden, freiwillig dieses Kapitel. Dann starb tragischerweise Nick Keir, und jegliche Spekulationen über eine wenn auch nur klitzekleine Reunion waren gegenstandslos. Dennoch wurden die Fans nicht müde nachzufragen, ob denn nicht vielleicht doch noch zumindest irgendwelche unveröffentlichten Songs in irgendwelchen Schränken schlummern könnten. So machte sich Ian McCalman auf die Suche in seinen Archiven – und wurde neunzehn Mal fündig. Die typischen Songs stammen aus allen drei McCalman-Inkarnationen und dürften im Fanlager für Jubel sorgen. Livemitschnitte, Radioprogramme, Studiobänder, alles dabei und bestens aufbereitet. Und die ironischen Liedkommentare machen klar: Das war noch mal ein netter Trip in die Vergangenheit, aber damit ist die Zitrone auch endgültig ausgequetscht. Schön war’s trotzdem.
Mike Kamp
 AMIRA MEDUNJANIN: Damar
AMIRA MEDUNJANIN
Damar
amiramedunjanin.ba
(World Village 450032/PIAS-Rough Trade)
Promo-CD, 9 Tracks, 43:31


Es ist hierzulande kaum bekannt, doch Bosnien ist Heimat einer traditionsreichen und musikalisch sowie textlich sehr vielseitigen Folkmusik. Sevdah, was auf Deutsch so viel wie Sehnsucht bedeutet, heißt der Stil, der sich im fünfzehnten Jahrhundert auf dem Balkan entwickelte. Seine berühmteste Vertreterin ist die aus Sarajewo stammende Sängerin Amira Medunjanin. Auch auf ihrem bereits achten Album Damar („Schlagendes Herz“) nimmt die 46-Jährige den Zuhörer wieder mit auf eine leidenschaftliche Reise zu den Wurzeln ihrer musikalischen Tradition. Mit kraftvoller, klarer Stimme präsentiert sie neun berührende Lieder über das Leben, die vom Jazzpianisten Bojan Z erstklassig produziert wurden. Durch seine sparsamen, aber manchmal stürmischen Arrangements zeigt er, dass die traditionellen Stücke auch in der Moderne ihre eigene Qualität besitzen. Für die intensive intime Atmosphäre sorgt zudem der exzellente Flamencogitarrist Boško Jović, der etwa das Titellied komponierte. Wer die große emotionale Tiefe von Amira Medunjanin hört, den wundert es nicht, dass die Lieder des Sevdah für die Bosnier heilende Musik sind.
Erik Prochnow

 YANNICK MONOT: Chansons De Voyages Entre Amis
YANNICK MONOT
Chansons De Voyages Entre Amis
yannick-monot.de
(Krokodil Records KR 012012)
18 Tracks, 51:37


Quarante ans en route! Da kommt an musikalischen Lebenserinnerungen so einiges zusammen. Der gebürtige Bretone und Weltbürger hat gefühlt sämtliche Breitengrade dieser Welt bereist und musikalisch erkundet, in erster Linie als Botschafter des Cajun und Zydeco. Mit den achtzehn Tracks seines Jubiläumsalbums beschreitet er auch andere Wege. Monot bringt uns klingende, genreübergreifende Souvenirs in drei Sprachen. Klänge aus Madagaskar, Harmonien aus der Renaissance, Gospel, skandinavischen Blues, französisches Chanson und keltisches Lied. Mit einer Ausnahme stammen sämtliche Songs aus Monots Feder. Dass der Bretone ein großartiger Musiker und Entertainer ist, war klar, hier zeigt er sich obendrein als begabter Songwriter und Arrangeur. Monot hat viele Musikerfreunde um einen Beitrag gebeten, und alle kamen. An jedem Track sind Freunde Monots beteiligt, mit denen er im Laufe der vergangenen Jahre zusammengearbeitet hat. Neben seiner Band Novelle France sind das Clara Andrianaivo, Lulo Reinhardt, Manfred Pohlmann, Dirko Juchem und viele andere, die zu abwechslungsreichen Arrangements und in der Summe zu einem gelungenen Album beigetragen haben, das mit der einzigen Fremdkomposition ausklingt, einem Instrumental des DADGAD-Virtuosen Pierre Bensusan. Ein prächtiges Werk.
Ulrich Joosten
 O’HOOLEY & TIDOW: Shadows
O’HOOLEY & TIDOW
Shadows
ohooleyandtidow.com
(No Masters NMCD47)
11 Tracks, 45:20 , mit engl. Infos u. Texten


Nein, Easy Listening ist das nicht, was uns die beiden Nordengländerinnen anbieten. Sie sind seit fünf Alben ein eingespieltes Singer/Songwriterinnen-Team und stellen ziemlich hohe Ansprüche an Text, Musik und Hörerschaft. Die Songs handeln zum Beispiel von kleinen Elefanten, ungewöhnlichen Frauen, dem Kindesmissbrauch der katholischen Kirche oder von der eigenen Hochzeit (letzterer ein Geschenk von Kathryn Williams). Gleich welches Thema, die Texte haben immer eine gewisse poetische Qualität. Instrumentell dominiert O’Hooleys Steinway, aber bekannte Freunde tragen mit Bass, Gitarre, Percussion, Trompete, Fiddle etc. zu einem Klangerlebnis bei, das sich trotz aller Abwechslung immer am Thema orientiert. Die Hörerschaft, so ist zu vermuten, verfolgt das alles mit einer Mischung aus Faszination und atemlosen Staunen. Nicht einfach, aber lohnend. Lediglich „Made In England“ (nein, nicht der Song von Mr. Bragg!) fällt völlig willkommen etwas aus diesem Rahmen. Das Lied gegen die bigotte und nationalistische Partei UKIP hat einen trotzigen Mitsingcharakter, und das ist schön und wichtig.
Mike Kamp

 PAGODA PROJECT: Clarion
PAGODA PROJECT
Clarion
pagodaproject.co.uk
(Sylvafield Limited SYLVA0001)
12 Tracks, 47:29 , mit wenigen engl. Infos


Der Akkordeonist Paul Hutchinson ist ein Urgestein der englischen Folkszene, Mitglied diverser Band wie etwa Belshazzar’s Feast mit Faustus-Mitglied Paul Sartin. Darüber hinaus ist er für sein Instrument ein begehrter Lehrer. Die Klarinettistin Karen Wimhurst hat mit Folk eigentlich nichts zu tun, ist jedoch in einer jazzigen Richtung sehr aktiv und schreibt zum Beispiel Kammeropern. Zwei Musikanten also, die in ihren jeweiligen Szenen und auf ihren Instrumenten höchste Kompetenz beweisen. Diese Gegensätze ziehen sich beim Pagoda Project auf eine musikalisch höchst attraktive Art und Weise an. Das Konzept ist klar: Die Melodien stammen allesamt (mit einer Ausnahme) von Hutchinson und sind so verschroben humorvoll wie die Melodietitel oder die knappen Kommentare auf dem Cover. Tango, Walzer, Hymnen und ein Hornpipe sorgen auf dem Akkordeon für das solide und dennoch verspielte Grundgerüst, auf dem die Klarinette entweder lustvoll für Ornamente sorgt, der Melodie der Tasten folgt oder gleich selbst die Führung übernimmt. Großartig und ohrwurmhaft einschmeichelnd die „Bouzurka“. Musik für aufmerksame Ohren.
Mike Kamp
 JORGE PARDO: Djinn
JORGE PARDO
Djinn
jorgepardo.com
(Manantial de Músicas CR 1602/Galileo MC)
14 Tracks, 71:40 , span. Infos


Der Saxofonist und Querflötist, Protagonist der Modernisierung von Flamenco bzw. Flamenco Jazz, spielte früher auch mit Paco de Lucía. Dessen einstige Mitmusiker, allseits geschätzte Veteranen jener Entwicklung, scheinen sich teilweise mittlerweile etwas auszuruhen auf ihren wohlverdienten Lorbeeren. Ungleich risikobereiter und neugieriger ist der Madrilene, der sich mit ungebremster Abenteuerlust auf Zusammenarbeiten mit gerade auch jüngeren, gerne auch unbekannteren Kollegen einlässt und diese umgekehrt in seine Projekte holt. So auch auf diesem bereits 23. Album, das der 2013 als bester europäischer Jazzer ausgezeichnete, nimmermüde Musiker in nur 35 Jahren (live und mit Kollegen Aufgenommenes inbegriffen) veröffentlicht hat. Allein die Covergestaltung und etliche der sphärisch weitschweifigen Stücke lassen den Hippie- und Freigeist des heute Sechzigjährigen erahnen. Auf angenehmste Art fühlt man sich bei einigen seiner allein oder im Verbund komponierten Instrumental- bzw. Vokalstücke bisweilen an frühere, schon sehr innovative, visionäre Alben Pardos erinnert. Viele neue Möglichkeiten und Klangräume werden da aufgetan mittels Hammondorgel, E-Bass, Rockschlagzeug oder Elektronik und charismatischer Stimmen (zum Beispiel von La Negra und Lin Cortés).
Katrin Wilke

 LULA PENA: Archivo Pittoresco
LULA PENA
Archivo Pittoresco
lulapena.com
(Crammed Discs CRAM270)
Promo CD, 13 Tracks, 49:44


Die Portugiesin Lula Pena singt in ihrer Muttersprache, aber auch auf Französisch, Spanisch, Sardisch, Griechisch und Englisch. Neben Eigenkompositionen finden sich auf dem Album Lieder von Violeta Parra, dem Griechen Manos Hadjidakis, ein sardisches Volkslied oder ein vertonter Text des belgischen Surrealisten Louis Scutenaire. Vielsprachige Alben mit Liedern aus aller Welt bilden in Zeiten der Globalisierung keine Ausnahme mehr. Doch Lula Pena ist anders. Da ist ihr eigenwilliges, perkussives und manchmal filigranes Gitarrenspiel. Und da ist ihre vibrierende Altstimme, die jedes Lied zu ihrem eigenen macht und mit der sie ihre Stücke ineinander verschmelzen lässt. Wer Lula Pena hört, nimmt kaum wahr, was sie singt. Doch wie sie singt, ist ein berauschendes Erlebnis. Archivo Pittoresco ist ein Konzeptalbum, eine Reise durch imaginäre und reale Welten. Wer das Album hört, fühlt sich aufgehoben in diesem oft federleichten und manchmal erdenschweren Klangkosmos. Nicht überall allerdings, diese Musik passt weder zum Autofahren noch in die Esoterikecke. Wer sich Lula Penas Magie hingibt, wird jedoch reich belohnt.
Martin Steiner
 CEMÎL QOÇGÎRÎ: Zalâl
CEMÎL QOÇGÎRÎ
Zalâl
facebook.com/cemilqocgirimusic
(Ahenk Musik)
10 Tracks, 41:55


Musikalisch scheint er nicht still zu stehen. Seine begeisternden Alben mit der kurdischen Harfenspielerin Tara Jaff 2015 und das Hawniyaz-Projekt 2016 mit den renommierten Musikern Aynur, Kayhan Kalhor und Salman Gambarov klingen noch in den Ohren, da wartet der Tenburvirtuose mit einem weiteren beeindruckenden Album auf. Zalál („rein“) heißt das aktuelle Werk. Gewidmet hat es der 37-Jährige in Mainz lebende Musiker mit kurdisch-alevitischen Wurzeln der mesopotamischen Sprache Zazakî, die die UNESCO als vom Aussterben bedroht einstuft. Unter den Kurden als eine der schönsten Klangsprachen bekannt, wird sie noch im Munzurgebirge des östlichen Anatoliens gesprochen. Mit seinen Kompositionen gibt Cemîl Qoçgîrî dem Zuhörer das Gefühl, unmittelbar in die traditionelle Kultur der sterbenden Sprache einzutauchen. Dazu webt er die in Zazakî geschriebenen Gedichte von Doğan Munzuroğlu in musikalische Geschichten über Liebe, Leid und Hoffnung, in denen sich traditionelle kurdische Melodielinien mit zeitgenössischen Klängen verbinden. Denn für Qoçgîrî bedeutet der Verlust von Sprache, Musik, Kunst und Kultur auch das Ende der Verständigung der Völker.
Erik Prochnow

Nordamerika
 JON GINDICK: When We Die, We All Come Back As Music
JON GINDICK
When We Die, We All Come Back As Music
jongindickband.com
(Old Chimney/CD Baby)
Promo-CD, 10 Tracks, 42:23


An geschichtsträchtiger Stätte, nämlich in Clarksdale, Mississippi, betreibt Jon Gindick seit Jahren sein Jon’s Blues Harmonica Jam Camp. Dort schult er mit weiteren Dozenten den musikalischen Nachwuchs in Sachen Bluesharmonika, Gitarre, Gesang und Komposition, und ein besseres Aushängeschild seines Camps als dieses Album ist dann auch schwerlich vorstellbar. Stilistisch zwischen Old-School-Blues, Swing und Funk, orientieren sich die zehn Stücke allesamt mustergültig in Aufbau, Choreografie und Dramaturgie. Sie wirken dabei keineswegs schulmeisternd, sondern werden lässig dargeboten, sind immer „laid back“ gespielt und voller kleiner Tricks und Wendungen. So beginnt das Titelstück mit einem locker geschlagenen Grundrhythmus auf der akustischen Gitarre, bei dem ab der zweiten Textzeile eine Hammond B3 ganz verhalten im Hintergrund lauert. Ein Backgroundchor kommt hinzu, und mit Beginn der zweiten Strophe öffnet sich der Song, die Mundharmonika setzt ein, eine Bläsersektion nimmt Fahrt auf, und durch einige wunderbare, gegenläufige Bass- und Pianolinien erhält das Ganze einen unwiderstehlichen Groove. Wenn so etwas auch den Schülern vermittelt wird, kann der Nachwuchs gerne kommen.
Achim Hennes
 MARTIN HARLEY AND DANIEL KIMBRO : Static In The Wires
MARTIN HARLEY AND DANIEL KIMBRO
Static In The Wires
martinharley.com
(Del Mundo Records, DM003)
11 Tracks, 44:57 , mit engl. Infos


Auf ihrem zweiten gemeinsamen Album imponieren Singer/Songwriter Martin Harley und Bassist Daniel Kimbro mit Blues- und Rootsmusik. In nur vier Tagen wurde die Platte im Wow-&-Flutter-Studio in East Nashville, Tennessee, eingespielt und vom Analogguru Joe V. McMahan energiereich gemischt. Als Gäste dabei sind der große Dobrogitarrist und Grammy-Gewinner Jerry Douglas, Derek Mixon am Schlagzeug und Micah Hulscher bei drei Titeln am Piano. Die Musiker beweisen ein feines Gefühl für das richtige Timing, die Titel „Trouble“ und „I Need A Friend“ zeigen ihre Bandbreite auf. Harley, der bereits sieben Produktionen vorgelegt hat, weiß genau, was er tut. Stücke wie „Feet Don’t Fail Me“ und „Dancing On The Rocks“ sind akustische Glanzstücke der Platte. Man hört zwei Könner, deren Musik für jeden CD-Schrank eine Bereicherung ist. Für die Rezensentin das Album des Monats.
Annie Sziegoleit

 HAT CHECK GIRL: Two Sides To Every Story
HAT CHECK GIRL
Two Sides To Every Story
hatcheckgirl.net
(Gallway Bay Music/Hemifrån)
Promo-CD, 16 Tracks, 46:37 , mit engl. Infos


Eine Produktion der besonderen Art ist dem Folk-Blues-Duo Peter Gallway und Annie Gallup aus Kalifornien gelungen. Der Multiinstrumentalist Gallway überzeugt gleichermaßen als Produzent, Komponist, Gitarrist, Keyboarder, Bassist und Sänger. Auch Partnerin Gallup erweist sich als hochbegabtes Multitalent. Der Gastmusiker Jerry Marotta ergänzt die beiden feinfühlig als Schlagzeuger und Percussionist. Zehn Titel wurden gemeinsam komponiert und in fünf Kapiteln gesammelt. Dazu kommen fünf Zwischenspiele und Epiloge. Mit Songs wie „This Kind Of Money“, „Drive“ und „Loving A Drunk“ zeigen die drei die ganze Vielfalt ihres variablen Spiels.
Annie Sziegoleit
 THE KATIE McNALLY TRIO: The Boston States
THE KATIE McNALLY TRIO
The Boston States
katiemcnally.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 47:59 , mit schlecht lesbaren engl. Infos


Ein wenig Hintergrund ist sinnvoll. Wenn die Einwohner Cape Bretons in der Vergangenheit (und zum Teil auch noch heute) gezwungen waren, sich außerhalb ihrer Insel Arbeit zu suchen, dann war Boston/USA ein bevorzugtes Ziel. Ein Blick auf die Landkarte zeigt warum. Und natürlich reiste mit den Menschen auch ihre Kultur, in erster Linie ihre Musik, die in Cape Breton vornehmlich Tanzmusik ist. In Boston gibt es also eine lebendige Exilantenszene mit entsprechenden Tanzschuppen, und die Fiddlerin Katie McNally ist in dieser Szene groß geworden. Als junge Musikerin pflegt sie die Tradition Cape Bretons ebenso wie sie das Überlieferte durch Eigenkompositionen vorantreibt. Dabei helfen ihr zwei exzellente Musiker. Zum einen der Pianist Neil Pearlman, denn ohne Piano geht bei der Fiddlemusik der Ostkanadier nichts, und zum anderen etwas überraschend der Violinist Shauncey Ali, der den Fiddleklang variabler und vor allem tiefer tönen lässt. Alle drei Musiker bedienen sich einfühlsam auch anderer Einflüsse wie Jazz oder Boogie-Woogie, und die arrivierte Cape Breton-Fiddlerin Wendy MacIsaac produziert das Ergebnis ausgesprochen stimmig. Ein frischer Wind weht von Boston nach Cape Breton.
Mike Kamp

 TANYA TAGAQ: Retribution
TANYA TAGAQ
Retribution
tanyatagaq.com
(Six Shooter Records, SIX0102)
10 Tracks, 47:28 , mit Texten auf Engl. u. Inuktitut


Tanya Tagaq geht mit ihrer Musik an Orte, die nur wenige zu betreten wagen. Die Sängerin stammt aus der arktischen Region Nunavut im Norden Kanadas. Ihre Inuk-Mutter führte sie in die Tradition des Kehlkopfgesangs ein, bei dem zwei Frauen mit heulenden, knurrenden, kehligen Lauten ein rhythmisches Frage-Antwort-Spiel zelebrieren. Das interaktive Ritual macht Tagaq zum Stilmittel für ein politisches Manifest, das es in sich hat. In einer Zeit, in der die kanadische Gesellschaft eine Versöhnung mit seinen lange entrechteten Ureinwohnern anstrebt, fordert sie „Vergeltung“ für Tausende entführte, vergewaltigte und ermordete indigene Frauen und erfindet gleich ein passendes musikalisches Genre dazu: Wombcore – aus dem Herzen der Gebärmutter. In ihren dramatisch anschwellenden Klanglandschaften manifestiert sich der Schmerz eines von gierigen Ölkonzernen, globaler Erwärmung und kulturellem Genozid verwüsteten Planeten. Der Violinist Jesse Zubot und ein fünzigköpfiger Chor verleihen Tagaqs musikalischem Exorzismus die angemessene Bombastik, ihre zarte Gesangsstimme kontrastiert MC Shads Rapverse, und am Ende verwandelt sie Nirvanas „Rape Me“ in einen körperlich spürbaren autobiografischen Plot.
Clemens Grün
 OTIS TAYLOR: Fantasizing About Being Black
OTIS TAYLOR
Fantasizing About Being Black
otistaylor.com
(In-Akustik)
42:49 , mit engl. Infos.


Als Bandleader und Songschreiber hat Otis Taylor mit seinem fünfzehnten Album den Nerv der Zeit getroffen. Er präsentiert und produziert die oft nachdenklich stimmende Geschichte der Afroamerikaner und somit auch die Geschichte Amerikas. Als Taylor, der bereits zwanzigmal für den Blues Award nominiert worden ist, im Jahr 2015 mit den ersten Aufnahmen für dieses Album begann, konnte er nicht ahnen, dass die Thematik wieder derart relevant werden würde. Bei sieben neuen Titeln, darunter „Banjo Bam Bam“ und „Tripping On This“, werden Erinnerungen an John Lee Hooker wach. Taylor interpretiert auch frühere Eigenkompositionen wie „Twelve String Mile“ und „Walk On Water“ zeitgemäß neu. Das Thema soziale Gerechtigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch Taylors Leben, und er kann mit seiner Haltung für Freiheit und gegen Rassismus absolut überzeugen. Seit 2010 veranstaltet Otis Taylor jährlich das Trance Blues Festival mit dem Ziel, die Basis für einen Austausch zwischen Profi- und Amateurmusikern zu schaffen.
Annie Sziegoleit

 CHRIS THILE & BRAD MEHLDAU: Chris Thile & Brad Mehldau
CHRIS THILE & BRAD MEHLDAU
Chris Thile & Brad Mehldau
bradmehldau.com
(Nonesuch Records 0075597940992)
Promo-Do-CD, CD 1: 6 Tracks, 33:42, CD 2: 5 Tracks, 29:52


Hier kommen zwei Ausnahmemusiker zusammen, der eine überragender Jazzpianist, der andere Grenzen überschreitender Mandolinist. Im Duo bieten die US-Amerikaner Brad Mehldau und Chris Thile eine ungewöhnliche Konstellation ihrer Instrumente. Ende 2015 gingen sie für Aufnahmen ins Studio. Das Ergebnis sind diese zwölf Tracks, wobei das von Fiona Apple geschriebene „Fast As You Can“ nur auf der Vinylversion des Doppelalbums zu hören ist. Geboten wird eine Mischung aus Eigenkompositionen und originellen Coverversionen mehr oder weniger bekannter Songs. Dylans „Don’t Think Twice It’s Alright“ erhält eine Ragtime-Anmutung, „Scarlet Town“ von Gillian Welch gewinnt an Eindringlichkeit, und die frühe Joni-Mitchell-Nummer „Marcie“ wirkt schlicht ergreifend. Sowohl Chris Thile als auch Brad Mehldau nutzen die Gelegenheit, auf ihren Instrumenten zu zaubern und sich perfekt zu ergänzen. Hinzu kommen die Sängerqualitäten Thiles – seinen hohen Tenor beherrscht er perfekt. Die beiden bewegen sich mit großer Sicherheit zwischen wilden Klangkaskaden und stillen Momenten. Da kann auch bei dem uralten irischen Harfenstück „Tabhair Dom Do Lámh“ nichts schiefgehen. Mando und Piano im Duo – es passt.
Volker Dick
 GILLIAN WELCH: Boots No. 1 – The Official Revival Bootleg
GILLIAN WELCH
Boots No. 1 – The Official Revival Bootleg
gillianwelch.com
(Acony Records)
CD 1: 10 Tracks, 38:42, CD 2: 11 Tracks, 38:06 , mit engl. Beiheft


Boots, nicht „Roots“, heißt dieses Doppelalbum von Gillian Welch. Zwar hat sie unter eigenem Namen erst fünf Alben veröffentlicht, doch hinzu kommen noch zwei gemeinsame mit ihrem Songschreiberpartner Dave Rawlings als Dave Rawlings Machine. Scheinbar ganz nebenbei hat sie noch mit zahllosen anderen Musikern kooperiert. Doch nicht einmal T Bone Burnett als Produzent und ihre Mitarbeit am Soundtrack zum Coen-Brüder-Film Oh Brother, Where Art Thou haben ihrem alternativen Country große Aufmerksamkeit beschert. Nun ist es für sie an der Zeit, einen Rückblick auf ihr musikalisches Leben zu werfen. Welch tut dies, indem sie noch einmal in alte Aufnahmen hineinhorcht. Das Album stellt viele Songs in alternativen Versionen vor, aber auch bisher Unveröffentlichtes und das ein oder andere sehr intime Demo. Im Vergleich mit den Originalalben stellt Boots No. 1 ein interessantes Vergleichsmoment dar, und es stellt sich die Frage, was dazu geführt hat, dass die Titel so nicht auf den Originalalben erscheinen konnten. Insgesamt ist die Musik dieses Revival Bootlegs abwechslungsreicher, vielleicht sogar widersprüchlicher als die auf den Originalveröffentlichungen, und bietet einen Eindruck von der Arbeit im Studio, am Song und am Klang eines jeden Stücks.
Michael Freerix

Afrika
 DAMA & ERICK MANANA: Vaonala
DAMA & ERICK MANANA
Vaonala
facebook.com/duo-dama-erick-manana-903044293077833
(Acoustic Music Records/ Rough Trade)
10 Tracks, 46:19


Dama heißt eigentlich Rasolofondrasolo Zafimahaleo, hat Soziologie studiert und gilt als einer der führenden Musiker Madagaskars. Nicht nur als Sänger, sondern auch als Abgeordneter hat er die madagassische Identität massiv gestärkt. Die Art, wie er die Saiten zupft, wurde zum Dama-Stil. Seine Band Mahaleo genießt heute Kultstatus. Mit ihr machte er Popmusik in madagassischer Sprache populär, denn zuvor führten englisch- und französischsprachige Songs die Charts an. In ihren Liedern geht es häufig um gesellschaftsrelevante Themen wie Umwelt, Landflucht oder Korruption. Sein kongenialer Duopartner Erick Manana kommt ebenfalls aus Madagaskar, lebt aber seit Anfang der Achtzigerjahre in Frankreich. Ihm ist es immer wieder gelungen, seine musikalischen Wurzeln mit den modernen Einflüssen der Weltmusik zu verknüpfen. Er wird als „Bob Dylan Madagaskars“ gefeiert. Die beiden Megastars ihrer Heimat zeigen auf ihrem gemeinsamen Album, wie gut ihr filigranes Gitarrenspiel und ihre berührenden Vokalismen miteinander resonieren. Anspieltipp: das so sanft chromatisch absteigende „Barikavily“, das sich aufsteigend in der so wundersam vertrauten Akkordfolge von Cohens „Suzanne“ auflöst.
Stefan Sell



Australien/Ozeanien
 MICK HARVEY: Intoxicated Women
MICK HARVEY
Intoxicated Women
mickharvey.com
(Mute/Goodtogo)
Promo-CD, 15 Tracks, 46:58


Mittlerweile zum vierten Mal erklärt Mick Harvey musikalisch dem großen Serge Gainsbourg seine Liebe. Gainsbourg, der Inbegriff des französischen Chansons und auch des Skandals, starb 1991 in Paris. Zu dieser Zeit begann Harvey, insbesondere durch seine Mitarbeit bei den Bad Seeds selber zur Legende geworden, seine Hommage an den französischen Künstler. Die Seelenverwandtschaft der beiden Außenseiter liegt auf der Hand, ob mit Zigarette in Coolness versinkend oder den wilden Anarchisten unterstreichend. Harvey und Gainsbourg könnten vom gleichen Blut abstammen. Vielleicht klingt deshalb auch die vierte Hommage an Gainsbourg, als wären es Eigenkompositionen Harveys. Natürlich, man kennt die Stücke, allen voran den Archetypen des Softpornos „Je T’Aime“ und die Beathymne „Puppet Of Wax“. Wie Harvey die Lieder aber transformiert, ist schlichtweg atemberaubend. Die Grundstimmung des Songs jeweils wertschätzend und erhaltend, werden die alten Gainsbourg-Hits zu modernen Indieperlen, die zwischen Cohen und Cave, zwischen naiven Popsongs und schwermütiger Countrymusik pendeln. Harvey hat sich wundervolle Unterstützung zu seinem Projekt organisiert, allen voran die heimliche Erbin von Nico, Andrea Schröder, und Toby Dammit aus der alten Bad-Seeds-Seilschaft.
Christian Elstrodt



WIEDERVERÖFFENTLICHT
 THE IAN CAMPBELL FOLK GROUP: The Transatlantic Recordings
THE IAN CAMPBELL FOLK GROUP
The Transatlantic Recordings
cherryred.co.uk
(Cherry Red Records/Cherry Tree CRTREEBOX016)
Box mit 4 CDs, 105 Tracks, 258:55


Ja, genau so klangen die Folkgruppen in den Sechzigerjahren, und die Ian Campbell Folk Group war eine der führenden, die erste Station eines jungen Fiddlers namens Dave Swarbrick. Die ersten sechs LPs von 1963 bis 1968 plus eine CD mit den obligatorischen Singles und B-Seiten. Zum Schluss wird es leider doch arg poplastig. Aber es gibt ein 36-seitiges Booklet, vorbildlich.
Mike Kamp



Kurzrezensionen
 JENNIE ABRAHAMSON: Reverseries
JENNIE ABRAHAMSON
Reverseries
jennieabrahamson.com
(How Sweet The Sound)
Promo-CD, 10 Tracks, 46:33


Das schwedische Nachrichtenportal svt.se schreibt, Jennie Abrahamson sei in aller Welt bekannt, nur in ihrer schwedischen Heimat leider noch nicht. Ob sich das mit diesem Album ändert, ist zweifelhaft. Alles selbst geschrieben, auf Englisch, bestenfalls Singer/Songwriter-Dutzendware, verziert mit Leihgaben von Abba und A-ha.
gha
 ANNA-MARLENE: Tagtraum
ANNA-MARLENE
Tagtraum
anna-marlene.de
(A&O Records/Edel)
14 Tracks, 45:29


Seichte Popmelodien einer zumeist weiblichen Sängerin werden zurzeit mit dem Etikett „Dream Pop“ vermarktet. Selbst produziert und getextet und mit Hilfe elektronischer Begleitung aufgepeppt, erschließen sie so ein Segment, welches früher den Lagerfeuergitarristen vorbehalten war. Anna-Marlene trumpft mit deutschen Texten auf und hebt sich damit von der masse gleichartiger Veröffentlichungen ab.
ce

 ARBOLCENIZA: Arbolceniza
ARBOLCENIZA
Arbolceniza
arbolceniza.com
(Mantra Mamut)
Promo-CD, 7 Tracks, 14:47


Das argentinische Ritual-Performance-Duo Arbolceniza baut auf einfache folkloristische Melodien und Tanzrhythmen auf, arrangiert diese aber dezent und intelligent zum halligen Gesang der Sängerin Verónica Paz. Ein bisschen Elektronik, etwas Gothic-Touch und beeindruckende Videos. So stellt man sich geschmackvolle Modernisierung von Folklore vor.
hjl
 BACKTRACK BLUES BAND: Way Back Home
BACKTRACK BLUES BAND
Way Back Home
backtrackbluesband.com.de
(Flaming Cheese Records)
10 Tracks, 46:51


Bereits seit 1980 gibt es die Band, die in Florida beheimatet ist und auf den dortigen Festivals eine feste Größe in der Besetzungsliste der Kategorie „Chicago Blues“ darstellt. Das Erbe des legendären Harpspielers Little Walter wird hier hochgehalten, und Sonny Charles als Sänger und Mann an der Bluesharp ist da ein mehr als würdiger Nachlassverwalter.
ah

 BARGOU 08: Targ
BARGOU 08
Targ
bargou08.bandcamp.com
(Glitterbeat 135062/Indigo)
Promo-CD, 9 Tracks, 42:43


Targ nennt sich der Dialekt, der in Bargou, einem Ort in Nordwesttunesien gesprochen und auch gesungen wird. Einige der Lieder des Albums sind mehr als dreihundert Jahre alt. Der fünfköpfigen Band ist es gelungen, die Vergangenheit derart perfekt mit der Gegenwart zu verschmelzen, dass die Musik wohl generationsübergreifend viele Ohren erreichen wird.
cs
 BARO DROM OrkESTAR: Genau!
BARO DROM OrkESTAR
Genau!
barodromorkestar.com
(Agualoca Records ALCD013)
Promo-CD, 12 Tracks, 47:25


Gehört Florenz zum Balkan? Ist ein Quartett bereits ein Orkestar? Wie auch immer, die vier Jungs geben ganz schön Gas, spielen abwechslungsreich und höchst virtuos auf Geige, Akkordeon, Bass und Percussion. Und wenn sie das Tempo zurücknehmen und die Tanzbeine schwer geworden sind, staunt das Publikum, was diese Truppe alles draufhat. Genau.
mst

 BAYOU ALLIGATORS: Enough For Today
BAYOU ALLIGATORS
Enough For Today
bayoualligators.de
(Riverside Studio Productions)
12 Tracks, 53:47


Zu seinem 25. Geburtstag hat das deutsche Quartett mit Eggi Gator (Akkordeon), Hardy Castle (Schlagzeug), Little Steve (Gitarre) und Philipp Miller (Bass) die fünfte Produktion mit Zydeco-, Cajun- und Rootsmusik vorgelegt. Bei fünf Stücken ist die Begleitband The Lazy Horns zur Unterstützung dabei.
asz
 FEE BADENIUS: Feederleicht
FEE BADENIUS
Feederleicht
feebadenius.de
(Rei mkultur/Tonpool)
17 Tracks, 61:26


Eine junge Waldorflehrerin mit einer freundlichen Stimme, die mit einer gewissen Leichtigkeit ihre Lieder zur Gitarre mit ihrer kleinen Begleitband singt. Es sind Alltagslieder, gern wortverspielt oder dezent boshaft, über Fleischeslust, Körperformen, Liebe und Trennungen, Halt und Haltlosigkeiten und Sehnsüchte.
rk

 SIGI BECKER: Das Lächeln der Hyäne
SIGI BECKER
Das Lächeln der Hyäne
sigi-becker.de
(Guma-music, LC 01368)
20 Tracks, 52:37


Eine Institution im Saarland, politisch und musikalisch. Sigi Becker spielt auf jeder Demo, seit Jahrzehnten. Dass dies überhaupt nicht gestrig klingt, erstaunt am meisten auf dem neuen Album – mit Texten und Chansons. Natürlich ist die Frankophilie der Politik gleichgeordnet – der saarländische Biermann überzeugt.
gh
 GERRY BECKLEY: Carousel
GERRY BECKLEY
Carousel
gerrybeckley.com
(Blue Elan Records/Hemifrån)
12 Tracks, 40:02


Im Schnitt braucht Gerry Beckley, der als Teil der Band America Welterfolge feierte, fünf Jahre für jedes Soloalbum. Mit den vergangenen Erfolgen im Rücken kann man davon ausgehen, dass er Musik macht, wie er es für richtig hält. Man hört, dass er weiß, wie ein gut gemachter Song zu klingen hat. Entspannt und recht süßlich kommt seine gerne auch etwas rockiger produzierte Musik daher.
mf

 ERIC BOGLE with JOHN MUNRO: Voices
ERIC BOGLE with JOHN MUNRO
Voices
ericbogle.net
(Greentrax Recordings CdtRAX391)
12 Tracks, 44:15


Die drei bekannten Bogle-Zutaten sind weiterhin identifizierbar: humorvolle Songs, emotionale Anklagen gegen das Unrecht auf der Welt und persönliche Lieder. Zweitere sind ein klein wenig resignativer und letztere doch ziemlich reflektiv, aber das muss wohl im Alter so sein. Immer noch der unverzichtbare Nebenmann an der Mandoline: John Munro.
mk
 C. DANIEL BOLING: These Houses
C. DANIEL BOLING
These Houses
danielboling.com
(Berkalin Records/Hemifrån)
13 Tracks, 46:17


„Leadbelly, Woody & Pete“ heißt der letzte Song auf These Houses, und er beschreibt sehr klar, in welcher Tradition sich Boling sieht. Die Stück sind eng um die akustische Gitarre herum arrangiert, und Boling weiß seine Geschichten um Haus und Hof gut zu erzählen.
mf

 MARCEL BRELL: Sprechendes Tier
MARCEL BRELL
Sprechendes Tier
marcelbrell.de
(Conradstraße/Believe Digital)
12 Tracks, 46:48


Wundervolle Sprachspiele, toll in Liedform gebracht, clever arrangiert und exzellent produziert. Brells Lieder und Stimme erinnern in Melodielauf und dem Duktus druckgestützer Staccati hier und da an Herbert Grönemeyer. Zwölf Szenen des Alltags für einen besinnlichen Nachmittag auf der Couch. All das nichts Aufregendes, aber einfach gut gemacht.
sts
 JOHN LEO CARTER: No Monsters Only Toys
JOHN LEO CARTER
No Monsters Only Toys
johnleocarter.com
(Dreamix Records)
13 Tracks; 52:13


Eigenproduktion des in Schweden lebenden irischen Singer/Songwriters. Schöne Gesangsstimme, illustre Gäste, unter anderem Emilia Amper (Nyckelharpa) und David Lombardi (Fiddle), auf einer insgesamt schönen, sehr gut klingenden Aufnahme. Für mich ist das Songwriting musikalisch nicht final überzeugend.
js

 MICHAEL CHAPMAN: 50
MICHAEL CHAPMAN
50
michaelchapman.co.uk
(Paradise of Bachelor/Cargo Records)
10 Tracks, 56:37


Der innovative englische Singer/Songwriter und Gitarrist spielte nach fünfzig Jahren im Geschäft auf eigenen Wunsch nun ein explizit amerikanisches Album ein. Das gelingt nicht zuletzt wegen seinen jungen Begleitern von der anderen Seite des Atlantiks. Ein düsteres, pessimistisches, brüchig-flüsterndes und daher auch sehr weises Alterswerk.
mk
 BOB CHEEVERS: Selection From 50 Years – The Bob Cheevers Collection
BOB CHEEVERS
Selection From 50 Years – The Bob Cheevers Collection
bobcheevers.com
(Howlin’ Dog Records/Hemifrån)
Promo-CD, 10 Tracks, 49:06


Dreitausend Stücke hat der jetzt in Austin lebende Singer/Songwriter in seiner nunmehr fünfzigjährigen Karriere geschrieben. Dreiundachtzig davon sind auf dieser 5-CD-Box zum Jubiläum vertreten und spannen einen Bogen von seinen Anfängen in Memphis über West Coast Pop, Nashville Mainstream Country und sparsamen Talking Blues à la Townes Van Zandt.
dt

 NICK DeCESARE: Openings
NICK DeCESARE
Openings
nickdecesasremusic.com
(Nick Decesare Music)
13 Tracks, 48:26


Musik ist für ihn ein Mittel, um das eigene Bewusstsein zu weiten. Vor allem sanfte Soloklavierstücke haben für den US-Musiker eine enorme Kraft, um Stress abzubauen und Lebensfreude zu vermitteln. Auf seinem Debütalbum versammelt der studierte Klassikpianist und Jazzkenner folglich dreizehn entspannende eigene Klavierkompositionen.
ep
 MANU DELAGO: Metromonk
MANU DELAGO
Metromonk
manudelago.com
(Thru Thoughts/Groove Attack)
11 Tracks, 47:30


Manu Delago stammt aus Tirol und lebt heute in London. Der Hangspieler, Musiker und Komponist punktete bereits in der Zusammenarbeit mit Björk und Anoushka Shankar. Metromonk ist sein drittes Soloalbum – energetisch, meditativ, elektronisch verspielt, tupft und klopft er zwischen Streicheringredienzien und donnerndem Schlagwe seinen Hangklang.
sts

 BRIGITTE DEMEYER & WILL KIMBROUgh: Mockingbird Soul
BRIGITTE DEMEYER & WILL KIMBROUgh
Mockingbird Soul
brigittedemeyer.com
wilkimbrough.com
(BDM Music)
Promo-CD, 12 Tracks, 42:34


Sie machen bereits seit sechs Jahren gemeinsam Musik, doch erst jetzt veröffentlichen die beiden US-Songwriter ihr erstes offizielles Album als Duo. Nach Erfolgen als Solokünstler nehmen sie den Hörer nun gemeinsam mit auf eine abwechslungsreiche Reise durch die American Roots Music, bei der sie sich auf die Kraft von Stimme und Gitarre verlassen.
ep
 DIPPER MALKIN: Tricks Of The Trade  ALMA: Varieties
DIPPER MALKIN
Tricks Of The Trade
dippermalkin.com
(Eigenverlag DM001)
10 Tracks, 46:22


ALMA
Varieties
almafiddles.co.uk
(Rootbeat Records rbRCD32)
11 Tracks, 45:43


Carthy/Swarbrick liegen ob der Kombination Gesang/Gitarrre/Fiddle (die hier eine Viola d’Amore ist) als Vergleich nahe, aber Dipper und Malkin sind variabler. Englisch-traditionelles Material, gute eigene Ideen. Fiddler Dippers anderes Projekt ist Alma mit Fiddlerin Askew und Gitarrist Lever. Mitreißende Tunes von England über Skandinavien bis auf den Balkan.
mk

 DIVERSE: Reclaimed
DIVERSE
Reclaimed
facebook.com/groups/134798469870784
(Greentrax Recordings CdtRAX390)
17 Tracks, 74:13


Die schottischen Borderpipes, die ähnlich wie die irischen Kollegen per Arm mit Luft versorgt werden, wurden erst Ende des letzten Jahrhunderts wieder richtig populär. Dann aber nicht als leise Version der Highland Bagpipes, sondern mit eigenem Repertoire und Stil. Dieses Album demonstriert das eindrucksvoll anhand alter und neuer Aufnahmen.
mk
 DJANGO 3000: Im Sturm
DJANGO 3000
Im Sturm
django3000.de
(Südpol Records)
10 Tracks, 37:40


Sie scheinen den Folker zu lesen, denn diesmal gibt es Texte im Beiheft der Chiemgauer Gipsy-Ska-Balkan-Musiker. Und schon erschließen sich die zur Wildheit der Musik in Spannung stehenden düsteren, traurigen Texte, sofern man Bayerisch versteht. Man kann sich aber auch einfach der Musik hingeben und fortreißen lassen.
mas

 DRY DUDES: Fairytale
DRY DUDES
Fairytale
drydudes.de
(Timezone)
12 Tracks, 45:14


Englischsprachiges Singer/Songwriter-Album aus dem Emsland. Sänger Erwin Holm und Gitarrist Patrick Schütte liefern eine angenehm zu hörende, sanfte und doch auch kraftvolle Musik, in „Dreams“ unterstützt vom Chorgesang der Schola Surworld. Die sollten mal zum Morgenmagazin oder zu Aspekte eingeladen werden, da passen sie hin.
mas
 DREAM CATCHER: Vagabonds
DREAM CATCHER
Vagabonds
dreamcatcher.lu
(Jazzhaus Records)
13 Tracks, 54:25


Dream Catcher ist die derzeit wichtigste Folkband Luxemburgs. Kopf der Formation ist der Sänger und Gitarrist John Rech, der zugleich Kulturbeauftragter der Stadt Dudelange ist. Dream Catcher machen überwiegend Schalalala-Folkpop. Verträumt sind nur wenige Stücke.
chr

 DOM DUFF: K’kwell
DOM DUFF
K’kwell
domduff.com
(Pagadam)
11 Tracks, 43:07


K’kwell (ausgesprochen „Kercool“) ist das fünfte Studioalbum des bretonischen Sängers und Gitarristen Dom Duff. Seine selbst geschriebenen Songs sind alle in bretonischer Sprache. Die Musik ist eher rockig als folkig. Ein solides Album für Duff-Fans.
chr
 ECOS DE BORINQUEN El: Alma De Puerto Rico
ECOS DE BORINQUEN El
Alma De Puerto Rico
folkways.si.edu
(Smithsonian Folkways SFW CD 40570/ Galileo MC)
16 Tracks, 59:03


Schnelle, gut gelaunte kreolische Jibaro-Tanzmusik aus Puerto Rico, gespielt mit hellklingenden Saiteninstrumenten wie den Cuatro-Gitarren vom Ensemble Ecos De Borinquen. Erinnert manchmal an den brasilianischen Choro.
hjl

 EL ZITHERACCHI & FRIENDS ELZESSIONS: Vol. 1
EL ZITHERACCHI & FRIENDS ELZESSIONS
Vol. 1
zitherracchi.com
(JD Records)
14 Tracks, 50:16


Hans Berger alias El Zitheracchi wartet mit einer sensationell verschrobenen Sammlung musikalischer Einfälle auf, garniert mit skurill-valentineskem Humor. Der Protagonist des „modernen Raubzithertums“ vereint auf seinem Livealbum alpenländischen Ländler mit U2 und „Ain’t No Sunshine“. Verrückt? Ja. Und klingt doch durchgängig erstaunlich heimelig.
rb
 ENSEMBLE ÉRIU: Imbas
ENSEMBLE ÉRIU
Imbas
ensembleeriu.com
(Ensemble Records/Raelach Records ESM002/RR007)
6 Tracks; 38:37


Eine interessante Produktion mit unter anderem Jack Talty (Konzertina) und Jeremy Spencer (Fiddle), zwei renommierten jungen irischen Trad-Musikanten. Sie experimentieren mit ungewöhnlichem Ensemble, dem eine Bassklarinette und Marimba angehören, die gelegentlich Raum für jazzige Soli bekommen. Insgesamt ist das Werk sehr fragil und wenig kompakt, dennoch spannend gemacht und hörenswert.
js

 ESTRICNINA: Hemos Visto Cosas Que Harían Vomitar A Un Murciéago
ESTRICNINA
Hemos Visto Cosas Que Harían Vomitar A Un Murciéago
estricnina.com
(Satélite K/K-Zoo Music/Galileo MC)
13 Tracks, 43:31


Das von zwei (noch nicht alten) Urgesteinen des andalusischen Flamencorock neu formierte Duo schreibt die sympathische Canalla-Tradition Spaniens fort. Die lebt von schelmischen Texten mit Street Credibility und anarchistisch-hippiesk-surrealem Esprit, wie hier schon allein in Titel und Optik des mit vielen feierlustigen Musikerfreunden aufgenommenen Albums erkennbar.
kw
 FADO VIOLADO: A Jangada De Pedra
FADO VIOLADO
A Jangada De Pedra
otrosaires.com
(Banzé BZ1501)
12 Tracks, 45:09


Fado und Flamenco haben ein hörbar leichtes, sinnlich-vergnügliches Spiel. Das beweist auch das mit den beiden seelenverwandten iberischen Musiktraditionen vertraute Duo aus Porto mit seinem 2008 in Sevilla geborenen Projekt. Der Fadista Ana Pinhal und dem Flamencogitarristen Francisco Almeida gelingt mit Hilfe weiterer Musiker eine paritätische, wohlklingende Allianz.
kw

 FJARILL: Stilla Tyd
FJARILL
Stilla Tyd
fjarill.de
(Butter & Fly Records)
11 Tracks, 52:17


Ein winterliches Album legen die beiden Schwedinnen da vor. Neun eigene Kompositionen, ein Choral und ein im Norden sehr beliebtes Weihnachtslied, alles langsam, melodisch, zurückhaltend, durchsetzt mit langen Instrumentalpassagen, ab und zu esoterisch angehaucht, schön zu hören – aber vielleicht doch gar zu … harmonisch.
gha
 THE FURIOUS SEASONS: Look West
THE FURIOUS SEASONS
Look West
thefuriousseasons.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 50:56


Auf ihrem fünften Album präsentiert das Trio aus Los Angeles reife Songs eines reifen Herrn. Gitarrist und Sänger David Steinhart hat Lieder geschrieben über die Liebe, das Leben. Er lässt Melancholie und Reflexionen ihren Lauf. Dazu erklingen meist akustische Gitarren und Kontrabass in reduzierten und geschmackvollen Arrangements.
vd

 SHARON GOLDMAN: Kol Isha (A Woman’s Voice)
SHARON GOLDMAN
Kol Isha (A Woman’s Voice)
sharongoldmanmusic.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
13 Tracks, 45:13


Tief hat Sharon Goldman nach ihren jüdischen Wurzeln gegraben, um ihre eigene Stimme als Frau zu finden, in hebräischen Gebeten, Sabbatritualen, Hochzeiten und traditionellen Melodien. Der Aufarbeitung ihrer Kindheit und Jugend hätte womöglich etwas weniger Überschwang gutgetan, aber die Stimme trägt und passt zu den jazzy Singer/Songwriter-Stücken.
dt
 ILARIA GRAZIANO & FRANCESCO FORNI: Come 2 Me
ILARIA GRAZIANO & FRANCESCO FORNI
Come 2 Me
ilariagrazianofrancescoforni.com
(Agualoca Records ALCD012)
Promo-CD, 12 Tracks, 46:15)


From Bedlam To Lenane, das Debütalbum des Duos, war ein Hörgenuss. Come 2 Me, der in Italien bereits 2014 erschienene Nachfolger, macht ebenso Spaß. „Filibusteria“, das Eröffnungsstück mit exzellentem Fingerpicking, weist den Weg der Freibeuter in die Südstaaten der USA und nach Lateinamerika, wo sie Rancheras und den Blues mit Italianitá würzen.
mst

 TRAVIS GREEN: A Little Too Late
TRAVIS GREEN
A Little Too Late
travisgreenmusic.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 33:56


Ein Mix aus Blues, Country und Rockabilly, mal wieder aus Austin. Nicht schlecht, aber die Produktion ist etwas bieder und glatt geraten, und so verliert das Album trotz guter Ansätze und einer hübschen Gitarre zusehends seinen Schwung. In einer Stadt, wo Hochkarätiges im Stundentakt veröffentlicht wird, hat es diese Produktion sicher nicht einfach.
dt
 GRUBERICH: Ohrenzwinkern
GRUBERICH
Ohrenzwinkern
gruberich.de
(Eigenverlag)
18 Tracks, 63:35


Tenor- und Basshackbrett, Ziehharmonika, Geige, Harfe und Cello gone wild. Himmlische Sounds aus dem wilden Alpinistan bietet diese elektrisierende Mischung. Schräge Klänge, die im steten Wechsel und Kontrast mit feinst ziselierten Tönen stehen. Innovative Klanggemälde voller Poesie und Schönheit. Großartig.
uj

 GWENNYN: Avalon
GWENNYN
Avalon
gwennyn.bzh
(Coop Breizh)
11 Tracks, 43:09


Ein tolles Folkpopalbum der bretonischen Sängerin. Zugleich poppiger und auch folkiger als ihre früheren Alben. So hat sie überzeugende Popversionen der traditionellen Stücke „Eliz Iza“, „An Hini A Garan“ und „Son Ar Chistr“ vorgelegt. Sahnehäubchen ist aber der selbst geschriebene Opener „Bravig“.
chr
 LAKHDAR HANOU ENSEMBLE: Ne Fût-Ce Qu’en Chine
LAKHDAR HANOU ENSEMBLE
Ne Fût-Ce Qu’en Chine
facebook.com/lakhdar.hanou
(Ma Case Macase 019)
13 Tracks, 43:31


Der frankoalgerische Udspieler evoziert mit einem Verbund von Instrumentalisten (Violine, Cello, Flamencogitarre, Percussion) und Sängerinnen die unverwüstliche Stimmigkeit jenes uralten maurisch-spanischen Miteinanders. Auch die einbezogene chinesische Guzheng-Zither fremdelt nicht in den vor allem eigenen Kompositionen Hanous und einiger seiner Musiker.
kw

 ANGE HARDY & LUKAS DRINKWATER: Findings
ANGE HARDY & LUKAS DRINKWATER
Findings
angehardy.com
lukasdrinkwater.com
(Story Records STREC1662)
14 Tracks, 52:04


Sie sind englische Singer/Songwriter. Sie (Harfe, Gitarre) und er (Gitarre, Kontrabass), beide mit wunderbar harmonierendem Gesang, behandeln aktuelle ebenso wie zeitlose Themen. Aber die Melodien, die Herangehensweise und die traditionellen Songelemente wurzeln tief in der englischen Folklore. Schlüssig und überzeugend.
mk
 JACK HARRIS: The Wide Afternoon
JACK HARRIS
The Wide Afternoon
jackharrismusic.com
(Rootbeat Records rbRCD34)
11 Tracks, 45:28


Der Engländer Harris schreibt ungewöhnliche Songs über sich abwendende Soldaten, abgesoffene Häuser oder die Liebe zu einer Prostituierten und singt sie mit intensiver Stimme zur Gitarre. Den kompletten Rest der weiten atmosphärischen Soundlandschaften besorgt der nicht gerade unbekannte Multiinstrumentalist und Produzent Gerry Diver.
mk

 HUSSY HICKS: Raw
HUSSY HICKS
Raw
hussyhicks.com
(Acoustic Music Records 319.1565.2/Rough Trade)
10 Tracks, 38:12


Julz Parker und Leesa Gentz aus Down Under verfügen über ausdrucksstarke Stimmen und spielen exquisit akustische Gitarren. Stilistisch sind ihre zehn einfühlsamen Song-Gemmen zwischen Country, Gypsy Swing, Soul und Folk angesiedelt, abgeschmeckt mit einer gehörigen Prise Blues, exquisit von Peter Finger produziert. Beide Daumen hoch.
uj
 KLAUS IRMSCHER: Davon kann ich ein Lied singen
KLAUS IRMSCHER
Davon kann ich ein Lied singen
klaus.irmscher.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 52:33


Trotz Parkinson ist der Ex-Liederjan aus der Eulenspiegelstadt Mölln mit seiner Gitarre musikalisch unterwegs. Er erzählt Geschichten, erlebt und erfunden, auch auf Sächsisch oder Platt, als ob ihm der Schalk im Nacken sitzt. Neben anrührenden Liebeserklärungen bieten ihm die Tücken der modernen Technik, Spinner, willkommene und abgeschreckte Fremde spöttischen Stoff.
rk

 JUDE JOHNSTONE: A Woman’s Work
JUDE JOHNSTONE
A Woman’s Work
judejohnstone.com
(Bojack Records/Hemifrån)
10 Tracks, 39:31


Songs hat sie geschrieben, erfolgreich, für Johnny Cash, für Trisha Yearwood und für viele andere auch. Doch ihre sechs Alben unter eigenem Namen sind bisher nur wenig beachtet worden. Ihr Songwriting ist mit seinen keltischen und jazzigen Einflüssen sehr eigenwillig. Ihre Stimme ist weich und rauchig, doch dabei sehr kraftvoll. Die Produktion ist sparsam, ganz und gar auf ihren Gesang und ihr Pianospiel hin konzentriert.
mf
 KOL COLÈ: Oyfn veg
KOL COLÈ
Oyfn veg
kolcole.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 55:30


Musik aus Russland, Weißrussland, der Ukraine und Moldawien, bereichert hie und da durch orientalisch gefärbte Klänge. Osteuropäische Folklore, jüdische Chansons und Tangomelodien, einfühlsam vorgetragen von Bella Liebermann (voc), Daniel Marsch (acc), Igor Mazritsky (v) und Roman Nedzvetskyy (p).
mg

 KOZMIC BLUE: Sunset In Paradise
KOZMIC BLUE
Sunset In Paradise
kozmicblue.de
(S-Promotion SPKS16)
9 Tracks, 50:50


Auch wenn sich der Vergleich aufdrängt, die Musik der Kozmic Blue mit Sängerin Maggie Mackenthun ist sehr viel mehr als die einer „Janis-Joplin-Coverband“. Recht außergewöhnlich instrumentiert und mit tiefer Emotionalität ausgestattet, durchleben die drei alle Höhen und Tiefen des Lebens in diesen neun Songs. Immer eigenständig, immer hundert Prozent, immer höchst musikalisch.
ah
 RICK KRÜGER: Crossfolk Avenue
RICK KRÜGER
Crossfolk Avenue
crossfolk.de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 44:46


Der Stuttgarter Solomusiker versucht sich auf dieser Scheibe als englisch und kroatisch singender Singer/Songwriter und beweist sich als Sackpfeifenvirtuose mit Melodien quer durch Europa und aus dem Mittelalter, auch mal beide Genres in einem Stück vereint. Der Schwerpunkt seines Könnens wird deutlich, aber die Mixtur hat auch was.
mas

 OILE LACHPANSEN: Spatz
OILE LACHPANSEN
Spatz
oilelachpansen.bandcamp.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, Vinyl


Mit einer sehr liebevoll gemachten Scheibe aus 180 Gramm weißem Vinyl schickt Oile Lachpansen sein viertes Album ins Rennen. Wunderschön in die Hand zu nehmen, wunderschön auf den Plattenteller zu legen. Sein handgemachter Lonesome-Cowboy-Country-Pop ließe sich mit einem bekannten Liedzitat beschreiben: „Was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette …“
sts
 KRISTIN LÁRUSDÓTTIR: Himinglæva
KRISTIN LÁRUSDÓTTIR
Himinglæva
sellostina.com
(Eigenproduktion)
6 Tracks, 27:02


Die isländische Cellistin und Sängerin kommt von der klassischen Musik, und das hört man, aber es gibt auch immer wieder Einflüsse aus der isländischen Tradition. Ein winterliches Album – das erste Lied, sehr sakral, heißt „Der Herbst kommt“. Es endet etwas beschwingter mit dem herannahenden Frühling.
gha

 JONO MANSON: The Slight Variation
JONO MANSON
The Slight Variation
jonomanson.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 39:47


Nach der folkigen Akustikouvertüre „Trees“ geht es direkt in eine stoneske Honky-Tonk-Rock-Nummer und pendelt sich dann in Singer/Songwriter-Gefilden mit Pop und Indieanleihen ein. Zum Ende etwas Funk und wieder Rock. Eine runde, erdige Produktion und eine bemerkenswert gute Leadgitarre halten die Stücke zusammen. Leider hinkt das Songwriting hinterher.
dt
 EMEL MATHLOUTHI: Ensen
EMEL MATHLOUTHI
Ensen
emelmathlouthi.com
(Partisan Records PTKF2133)
11 Tracks, 51:10


Die Stimme der tunesischen Jasminrevolution geht neue Wege. Auf ihrem aktuellen Album Ensen („Mensch“) erhebt sie weiterhin ihre klare Stimme gegen Unterdrückung und Gewalt, vor allem die gegen Frauen. Doch die inzwischen in Frankreich lebende Musikerin setzt neben der tunesischen Folkmusik dabei diesmal auf moderne Stile wie Electronic oder Trip-Hop.
ep

 TIFT MERRITT: Stitch Of The World
TIFT MERRITT
Stitch Of The World
tiftmerritt.com
(Yep Roc Records)
Promo-CD, 9 Tracks, 38:04


Eigentlich wollte sie Schriftstellerin werden, doch irgendetwas führte dazu, dass es mit dem Debütalbum von 2002 doch das Songschreiben wurde. Leicht macht sie es sich dabei wohl nicht, immer vergehen mindestens zwei Jahre, bis ein Album herauskommt. Merritts Songs sind tief im Country verwurzelt, doch hat sie keine Scheu davor, gelegentlich die elektrische Gitarre in den Vordergrund zu stellen.
mf
 EMILY MILLARD: By Heron & By Season
EMILY MILLARD
By Heron & By Season
emilymillard.ca
(Greywood Records/Timezone)
11 Tracks, 43:15


Kate Bush, Joanne Newsom und Tori Amos lassen grüßen. Jazzig satte Kontrabasslinien verbinden sich mit Tarantino-Gitarrenvibrati wie nostalgisch injektierten Vibrafontropfen. Das ist Streicher-gestreichelter Folkpop aus Kanada im Kammermusikambiente, der sich dank der perfekten Wahl exzellenter Mitmusiker wunderbar genießen lässt.
sts

 MICHAEL MORAVEK: In Transit (Is What We Are)
MICHAEL MORAVEK
In Transit (Is What We Are)
(Eigenverlag/Soulfood)
11 Tracks, 49:11


Der Geiger Steve Wickham von den Waterboys ist hier der prominente Gastmusiker und Liner-Notes-Schreiber, und tatsächlich hat die Musik von Michael Moravek etwas vom Klang der Waterboys. Gelegentlich steht die Dylan-Prägung von Moravek sehr im Vordergrund, was die eigensinnige Qualität seiner Songs leider schmälert.
mf
 MOUSSU T E LEI JOVENTS: Navegal
MOUSSU T E LEI JOVENTS
Navegal
moussuteleijovents.com
(World Village 479122/RTD)
Promo-CD, 11 Tracks, 37:47


Dieses Album klingt zu Beginn wie ein Bluesalbum der Tuareg. Hinter dem Projekt stehen aber zwei Reggaegrößen aus Marseille. So finden sich lupenreine Chansons neben Dub-Anleihen. Hier bedeutet Weltmusik nicht Stilmix, sondern das Entwickeln eines eigenen Sounds mit hohem Wiedererkennungswert. Politisch stark links gerichtet, ist die Botschaft des französischen Albums genauso mutig wie wichtig.
ce

 MUCH BETTER, THANK YOU ;-): … Just A Dream
MUCH BETTER, THANK YOU ;-)
… Just A Dream
much-better.de
(Finest Noise)
13 Tracks, 59:40


Mit einer Stimme wie Hazel O’Connor ein Folkalbum aufnehmen zu wollen, das ist Punk. Ein Großteil der Hörer werden ... Just A Dream dementsprechend nach den ersten zwanzig Sekunden weglegen, aber der Rest wird die Scheibe lieben und immer und immer wieder hören. Eine absolute Ausnahmestimme legt uns ihr wildes Herz zu Füßen. Wer Dead Moon für Folk hält, sollte dieses Album kaufen.
ce
 DAVID MUNYON feat. BIBER HERMANN: Live 2014 – Official Bootleg Collection Vol. II
DAVID MUNYON feat. BIBER HERMANN
Live 2014 – Official Bootleg Collection Vol. II
biber-herrmann.de
davidmunyon.de
(Mobile Home Records)
13 Tracks, 74:19


David Munyon, der Gitarrist und Songwriter aus Alabama, veröffentlichte viele Platten beim renommierten Stockfisch-Label und bei Glitterhouse Records. Auf dem neuen Album ist ein Konzert zu hören, das bereits im April 2014 in Krefeld mitgeschnitten wurde. Dabei gelang es ihm spielerisch leicht, zusammen mit dem beeindruckenden Folk-Blues-Gitarristen Biber Hermann aus Wiesbaden das Publikum zu fesseln.
asz

 LIOSA MURPHY: Skylark
LIOSA MURPHY
Skylark
liosamurphy.de
(Eigenproduktion)
11 Tracks, 43:13


Das Debüt der jungen irischen Sängerin umfasst einige bekanntere Traditionals in sehr poporientiertem Gewand. Teilweise ansprechende rhythmische Elemente und Synthesizer-Farbtupfer wechseln sich mit fast dancefloor-schlagerlastigem Material à la Helene Fischer ab. Auch für Connaisseure elektronischer Sounds in der Folkmusik wenig überzeugend.
js
 NOmfUSI: African Day
NOmfUSI
African Day
nomfusi.com
(Delicious Tunes, Promo-CD)
14 Tracks, 53:55


Im Biopic Mandela – Der lange Weg zur Freiheit verkörperte die zierliche südafrikanische Sängerin mit der grandiosen Stimme 2013 bravourös ihr Idol Miriam Makeba. Die Floskel „klein, aber oho“ trifft bei Nomfusi Gotyana wahrlich zu. Stilistisch bewegt sie sich auf ihrem dritten Album zwischen Soul, Jazz & Pop – mit Reminiszenzen an ihre Heimat.
rs

 OLD CROW MEDICINE SHOW: Best Of
OLD CROW MEDICINE SHOW
Best Of
crowmedicine.com
(Nettwerk Records/Believe Digital & Soulfood)
Promo-CD, 14 Tracks, 45:34


Nach fünf regulären Alben auf unterschiedlichsten Labels die erste Best-of der Old Crow Medicine Show, die in den USA erfolgreich und bekannt sind, doch hierzulande bisher wenig Anklang gefunden haben. Hinterwäldlermusik mit viel Geige und einem wuchtigen Kontrabass. Die richtige Musik, um selbstgebrannten Schnaps zu trinken – und nicht zu wenig davon.
mf
 THE O’REILLYS & THE PADDYHATS: Sign Of The Fighter
THE O’REILLYS & THE PADDYHATS
Sign Of The Fighter
paddyhats.com
(Metalville)
Promo-CD, 13 Tracks, 42:07


Harter Irish-Folk-Rock aus Schwelm in Westfalen, treibende Partymucke, deftige Männerstimmen, die es anscheinend ernst meinen. Der Rezensent hätte gerne ein Booklet, aber der Folker war den sieben Musikern oder ihrem Label nur eine Promo-CD ihres zweiten Studioalbums wert.
mas

 OSTINAT EXPRESSEN: Spor 2
OSTINAT EXPRESSEN
Spor 2
facebook.com/ostinatexpressen
(GO’ Danish Folk Music GO0416)
12 Tracks, 43:06


Die meisten Mitglieder des Quintetts waren am dänischen Folkrevival beteiligt. Ihr erstes Album erschien 1999, und nach sechzehn Jahren gibt es nun das zweite. Von ihren Formationen Phønix, Trolska Polska und Zar bringen sie alle eigene Erfahrungen mit. Der Name resultiert aus ihrer Vorliebe für das Bass-Ostinato. Zeitgenössische Folkmusik – es sind alles Eigenkompositionen.
bk
 PALANKALAMA: Palankalama
PALANKALAMA
Palankalama
palankalama.bandcamp.com
(Banzé)
11 Tracks, 46:59


Das instrumentale Werk des Quartetts aus Porto beginnt locker, swingjazzig. In der Folge wird die Band rockiger, bluesiger, mit Abstechern in Volksmusik und Rumba. Im Vordergrund stehen Mandoline und fette Gitarrenläufe wie zu Progrockzeiten. Alles wird mit einem Augenzwinkern dargeboten. Jerry Garcia und David Grisman hätten ihre Freude daran.
mst

 ANDREA PANCUR ALPENKLEZMER: Zum Meer
ANDREA PANCUR ALPENKLEZMER
Zum Meer
andrea-pancur.de
(Galileo GMC 070)
13 Tracks, 61:13


Alpenklezmer ist ein musikalisches Projekt, das Ergebnis von Pancurs ausgiebigen Reisen von Schleswig-Holstein bis in die Alpen, von der Eifel bis in den Bayrischen Wald, von Bulgarien bis New York ist. Dass hier das Jiddische wie auch das Bayerische, sogar ein Zwiefacher zum Zuge kommen, ist absolut kein Zufall.
mg
 PAPA LEGBA’S BLUES LOUNGE: The Beaver Tapes
PAPA LEGBA’S BLUES LOUNGE
The Beaver Tapes
bluespapas.de
(Eigenverlag)
18 Tracks, 62:34


Mit Kontrabass, akustischen Gitarren und diversen Blasinstrumenten wie Kazoo, Nasenflöte und Mundharmonika spielen drei „gestandene Herren“ aus Darmstadt sowohl Klassiker des ländlichen Blues als auch Eigenkompositionen. Sehr gekonnt und sehr authentisch, und sehr schnell überträgt sich dann auch der Spaß der drei an ihrer Musik auf den Zuhörer.
ah

 HARALD PETERSTORFER & ALI ANGERER: Songbook – Volume I
HARALD PETERSTORFER & ALI ANGERER
Songbook – Volume I
aliangerer.com
haraldpeterstorfer.com
(Session Work Records)
14 Tracks, 49:48


Klassische Gitarre und Tuba, eine höchst erstaunliche Paarung. Wer sich davon überzeugen möchte, wie eloquent und leichtfüßig ein Bassbläser klingen kann, ist hier richtig. Angerer singt und tanzt sein Blech, während Petersdorfer mit warmem, großem Ton eine märchenhaft-entrückte Atmosphäre schafft, der man sich kaum entziehen kann, geschweige denn will.
rb
 WILL POUND & EDDY JAY: Ignite
WILL POUND & EDDY JAY
Ignite
poundandjay.co.uk
(Eigenverlag)
11 Tracks, 27:02


Das ist tatsächlich ziemlich zündend, was die beiden Engländer (Mundharmonika und Akkordeon) da abliefern. Von Eigenem, Bluegrass oder Swing bis hin zu jeder Menge englischer Traditionals blasen und drücken sich die Herren buchstäblich die Seele aus dem Leib und machen zusätzliche Instrumente überflüssig. Wenn das Album nur nicht so grausam kurz wäre.
mk

 PRINZ & KÖNIG: Nackt im Wald
PRINZ & KÖNIG
Nackt im Wald
prinz-koenig.de
(Stadtstreicher Records)
19 Tracks, 68:24


Die sympathischen Folkrocker veröffentlichen ihr liebevoll produziertes Album auf einem bündischen Label. Dementsprechend sind die Texte sozialkritisch optimistisch und die Musik ausnahmslos lagerfeuergeeignet. Der mehrstimmige Gesang ragt besonders heraus, die Besetzung ist mit akustischer Gitarre, Bass und Schlagwerk eher traditionell gehalten.
ce
 QUINTBRASS/KERNDL/FESSL: Geschicht’n aus’n Wåld
QUINTBRASS/KERNDL/FESSL
Geschicht’n aus’n Wåld
quintbrass.at
(HeiVo LC 16167)
22 Tracks, 71:26 plus Slideshow-Foto-CD


Ein Blechbläsersextett hat sich eine von einem Leitmotiv ausgehende Musik ausgedacht, eine Mundartdichterin spricht abwechselnd dazu Gedichte im niederösterreichischen Dialekt, die offenbar humorvoll von heimatlichen Steinen, Hirschen und Bäumen handeln. Eine Foto-CD lädt zur Waldbeschau ein. „Mochat nix – was kümmert’s mi“, spricht die Dichterin.
jus

 RahALLA: Traveller
RahALLA
Traveller
rahalla.de
(Industrial Hypnosis Records LC 01665)
9 Tracks, 59:17


Ein beeindruckendes Comeback. Rund zwanzig Jahre, nachdem Hossam Shaker die Formation Rahalla gegründet hat, belebt er sie mit einem neuen Album. Der inzwischen in Nordhessen lebende ägyptische Virtuose auf der orientalischen Zither Kanun präsentiert mit seinen aktuellen Bandkollegen eigene Kompositionen, in denen er die orientalische Musik mit improvisierten Jazzansätzen zu einem neuen Klang verschmilzt.
ep
 RENO REBSCHER: Zwischenland
RENO REBSCHER
Zwischenland
rainer-rebscher.de
(Conträr-Musik)
23 Tracks, 51:18


Ein Mediziner aus dem Südwesten, der seit den Sechzigern mit Liedern unterwegs ist, unter anderem im Duo Handstreych, und jetzt eigene Poesie und Lieder zu Gehör bringt. Die Hektik der Menschen, Profitgier, virtuelle Verirrungen und Entfremdung sind seine Themen, die er, manchmal etwas holprig, zur Gitarre besingt.
rk

 ROSY DAZE: Be Longing
ROSY DAZE
Be Longing
rosydaze.de
(Songs & Whispers/Broken Silence)
12 Tracks, 48:26


Überraschend melodisch rockende Americana-Songs aus Bremen. Gut abgeschmeckt mit leichten Popmusikklängen, überzeugen die Sängerin, Pianistin und Gitarristin Silke Gutzeit, ihr Gatte Marc (Gesang, Bass, Gitarre) und ihre Mitmusiker (Keyboards, Geige, Mandoline, Banjo, Drums) mit sensiblen selbst geschriebenen Liedern.
uj
 HANNah SANDERS & BEN SAVAGE: Before The Sun
HANNah SANDERS & BEN SAVAGE
Before The Sun
hannahbenmusic.com
(Sungrazing Records SGR002)
10 Tracks, 47:50


Das fließt akustisch meist sehr schön, was das Paar aus England intoniert. Eigenes und Altes klingen so einnehmend harmonisch, dass man sich schon sehr konzentrieren muss, um zum Beispiel die traditionellen Balladen als solche zu erkennen. Auch das ist Eigenständigkeit. Instrumente: Gitarren, Dulcimer, Autoharp und Dobro.
mk

 TOYOHIKO SATOH: Yugen
TOYOHIKO SATOH
Yugen
carpediem-records.de
(Carpe Diem Records)
16 Tracks, 48:47


Japanischer Geist in Reinform, zen-buddhistisch entlaubt. Der Lautenist Toyohiko Satoh griff auf japanische Volks-, Ammen- und Schlaflieder zurück und schuf Miniaturen für Laute, Gesang und Blockföte. Dichte und stille Meditationen von entlegener Schönheit.
rb
 GERD SCHINKEL: Zuflucht
GERD SCHINKEL
Zuflucht
gerdschinkel.jimdo.com

selbstgebrannt, 5 CDs, 73 Tracks


Der Kölner Hobbyliedermacher hätte sich auf zwei CDs mit seinem aktuellen Liveprogramm beschränken sollen. So überfrachtet er den Zuhörer zum Thema Migration mit zu vielen einfach gestrickten Liedern, die oft unter einem unsauberen Gesang leiden. Nichtsdestotrotz hat der ehemalige WDR-Journalist vor allem in seinen Moderationen und Songtexten Hörenswertes zu sagen.
ep

 SERENDOU: Zinder
SERENDOU
Zinder
jeanlucthomas.com/projets/serendou
(Label Hirustica)
13 Tracks, 70:18


Das Trio Serendou vereint den nigerianischen Flötisten und Sänger Yacouba Moumouni, seinen Landsmann Boubacar Souleymane (Percussion) sowie den bretonischen Querflötisten Jean-Luc Thomas. Ein hinreißendes und bisweilen schweißtreibendes Panoptikum tanzbarer Kompositionen, die einen eleganten Bogen zwischen Afrika und Nordfrankreich schlagen.
rb
 SEYDU: Sadaka
SEYDU
Sadaka
seydu.net
(Fol Música 100FOL1091)
11 Tracks, 46:22


Als junger Mann setzte sich der Percussionist und Singer/Songwriter aus Sierra Leone ab, fand in Spanien eine neue Heimat und ist in der Weltmusikszene dort längst eine feste Größe. Seiner Mutter macht Seydu mit seinem aktuellen Album, dem Titel entsprechend, „ein Geschenk“. Zeitgemäße Palmweinmusik, eingängig, feinfühlig arrangiert, rundum.
rs

 PETE SINJIN: The Heart And The Compass
PETE SINJIN
The Heart And The Compass
petesinjin.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
10 Tracks, 41:06


Dieses vierte Album von Pete Sinjin ist eine durchwachsene Angelegenheit. Folk, Singer/Songwriter-Rock, der eine gewisse Blässe nie verliert. Die Stücke und die erdig-unprätentiöse Produktion sind nicht das Problem, vielmehr ist es gerade der Gesang, dem es an Eindringlichkeit und Glaubwürdigkeit fehlt, also dem, was die Magie von Musik ausmacht.
dt
 ARTHUR Q. SMITH: The Trouble With The Truth
ARTHUR Q. SMITH
The Trouble With The Truth
bear-family.de
(Bear Family Productions BCD 17426)
Do-CD, 49 Tracks, 126:56)


Der 1963 gestorbene Mann aus Knoxville, Tennessee, hat in seiner Karriere Hunderte von Songs geschrieben, und etliche davon wurden zu Hits für Leute wie Ernest Tubb, Bill Monroe und Hank Williams. Nur hatte er selbst oft nicht viel davon. Diese Doppelsalbum rückt Smith ins Licht, musikalisch und im 124-seitigen Booklet. Was für eine Geschichte!
vd

 STEELEYE SPAN: Dodgy Bastards  : The Essential – Catch Up
STEELEYE SPAN
Dodgy Bastards
steeleyespan.org.uk
(Park Records PrkCD148)
12 Tracks, 72:24



The Essential – Catch Up
(Park Records PrkCD142)
Do-CD, 25 Tracks, 120:02


Das neue Album der Folkrockveteranen bietet einige sehr gelungene Versionen von Child-Balladen. Die Oldies Kemp, Genocky und Maddy Prior werden von drei jüngeren Musikern ergänzt. Und dann gibt es noch eine hübsche Sammlung von Steeleye-Hits durch die Jahrzehnte von „All Around My Hat“ bis „Lord Randall“, allerdings nicht die Originale.
mk
 JOSCHO STEPHAN & HELMUT EISEL QUARTETT: Bei Dir war es immer so schön
JOSCHO STEPHAN & HELMUT EISEL QUARTETT
Bei Dir war es immer so schön
joschostephan.com
helmut-eisel.de
(MGL Musik Produktion)
12 Tracks, 53:03


Dass Gypsy Jazz und Klezmer eine glückliche Verbindung eingehen können, stellen Gitarrist Joscho Stephan, der vielen als legitimer Thronfolger Django Reinhardts gilt, und der Saarbrücker Klarinettist Helmut Eisel seit vielen Jahren unter Beweis. Auf der zweiten gemeinsamen Veröffentlichung ist im Grunde genommen jeder einzelne Titel ein artistisches Highlight.
rb

 SUBSONIC TRIO: Migration
SUBSONIC TRIO
Migration
bafesfactory.fi/subsonictrio
(Bafe’s Factory)
11 Tracks, 44:58


Ausschließlich auf archaischen Instrumenten macht das Subsonic Trio hier pure Musik auf höchstem Niveau. Der Brasilianer Adriano Adewale spielt Percussion, die Finnin Kristiina Ilmonen Flöten und Percussion und der Australier Nathan Riki Thomson Kontrabass, Kalimba und ebenfalls Flöten. Die Stimmen der drei werden zu einer. Faszinierend, vibrierend-elektrisierend, wahrhaft lebendig.
sts
 SURRENDER HILL: Right Here Right Now
SURRENDER HILL
Right Here Right Now
surrenderhill.com
(Blue Betty Records/Hemifrån)
14 Tracks, 43:19


Das Duo Afton Seekins (Gesang, Percussion, Mandoline) und Robin Dean Salmon (Akustikgitarren und Gesang) kommt aus Arizona und spielt Americana-Countrymusik. Sie und er komponieren beide und bieten mithilfe weniger Gastmusiker eine ergreifende Platte.
asz

 SVERIGES VÄNNER: Tusen Tankar
SVERIGES VÄNNER
Tusen Tankar
folk@sveriges-vänner.de
(Eigenverlag)
15 Tracks, 49:08


In einfühlsamer Weise nachempfunden haben die „Freunde Schwedens“ die schwedische Musik und durch den Einsatz von Flöten, Akkordeon und Rahmentrommel auch einen etwas anderen Klang produziert als in den schwedischen Originalen mit Geigen und Nyckelharpa. Viele bekannte Stücke sind dabei, die zum Beispiel auch Teil des Repertoires von Triakel und Ranarim sind.
bk
 THE TEACUPS: Of Labour And Love
THE TEACUPS
Of Labour And Love
theteacups.co.uk
(Haystack Records HAYCD008)
10 Tracks, 32:11


A cappella der englischen Art, nicht ganz so originell wie seinerzeit die legendären Watersons, aber die jeweils zwei Damen und Herren von den Teetassen sind noch auf der jungen Seite des Lebens. Die Teacups wissen ihre Stimmen sehr wohl und harmonisch einzusetzen. Ein paarmal wählt man akustische rhythmische Effekte bei den meist traditionellen Songs.
mk

 JACK TEMPCHIN: One More Song
JACK TEMPCHIN
One More Song
jacktempchin.com
(Blue Elan Records/Hemifrån)
12 Tracks, 46:57


Jack Tempchin ist schon lange im Geschäft und Autor zahlreicher Stücke unter anderem für die Eagles, George Jones, Emmylou Harris oder Tom Waits. Sein neues Soloalbum führt zurück zu den Wurzeln und ersten Auftritten in Cafés. Gitarre, Klavier und Stimme, mehr braucht er meist nicht, um seine Geschichten zu erzählen, und wenn die Band spielt, dann dezent.
dt
 TRIAS: Efter Horisonten
TRIAS
Efter Horisonten
triasmusic.dk
(GO’ Danish Folk Music GO0916)
13 Tracks, 45:35


Beim zweiten Album des jungen dänischen Quartetts (siehe Folker 1/2013) aus der Schule von Harald Haugaard ist die schon hohe Qualität noch gereift. Wieder sind es fast ausnahmslos Eigenkompositionen. Zwei vertonte Texte sind dabei, berührend gesungen von Camilla Skærbæk, „Sie geht im Schnee“ und „Entschuldigung, Fräulein“. Ins Kammermusikalische gehende Folkmusik.
bk

 TRIGGER GOSPEL: You Belong Here
TRIGGER GOSPEL
You Belong Here
triggergospel.net
(Eigenverlag)
10 Tracks, 35:29


Die aus Chicago stammende Singer/Songwriterin Anna Fermin mit philippinischen Wurzeln ist Kopf und treibende Kraft hinter der 1997 gegründeten Band. Nach achtjähriger Pause gibt es nun ein neues Lebenszeichen. Fast im original Line-up pendelt der Fünfer zwischen Country, Rock ’n’ Roll, einem Hauch Jazz und einer Schippe Pop.
dt
 TROLSKA POLSKA: Untold Tails
TROLSKA POLSKA
Untold Tails
trolskapolska.dk
(GO’ Danish Folk Music GO1216)
11 Tracks 49:43


Das Debütalbum (Folker 5/2014) wurde bereits ausgezeichnet. Beim zweiten Album ist das Mittelalterliche, manchmal Heftige etwas reduziert worden, zugunsten vielfältiger schöner Melodien, die meist von wenigen Instrumenten im Vordergrund eingeleitet werden. Die kleinen Geschichten zur Welt der Trolle regen die Fantasie der Hörer an, aber die Musik wirkt auch so.
bk

 VANDERLINDE: Devil’s Trails
VANDERLINDE
Devil’s Trails
vanderlinde.info
(Snakebite Records, SNB 016-5)
31 Tracks, 125:49


Der holländische Bassist und Gitarrist Arjan van der Linde komponiert und produziert in den USA. Auf seiner sechsten Veröffentlichung, einem Doppelalbum mit Bluesrock, ist er auch als Sänger aktiv. Zur Begleitband gehören unter anderem Wietze Koning an der Gitarre, Bart Schwertmann an Gitarre und Gesang sowie Tennis Mounts und Mark Eshuis am Schlagzeug.
asz
 SÖREN VOGELSANG: Fernweh
SÖREN VOGELSANG
Fernweh
soerenvogelsang.de
(Pretty Noice Records)
11 Tracks, 42:23


Ein junger Musiker und Schauspieler, der schon in viele unterschiedliche Projekte involviert war und viele Youtube-Klicks hat, präsentiert sich in seinen Songs als junger Wilder, als Individualist, als sensibler, cooler Typ. Sein zweites Soloprojekt mit Gitarre (plus Begleitmusiker) wurde über Crowdfunding finanziert. Flotte, poppige Lieder hart am Klischee.
rk

 WENDY WEBB: Step Out Of Line
WENDY WEBB
Step Out Of Line
wendywebbmusic.com
(Spooky Moon Records/Hemifrån, SMR-2217)
10 Tracks, 40:12


Viele hörenswerte Balladen präsentiert die amerikanische Pianistin und Singer/Songwriterin auf ihrem fünften Album. Die Platte wurde mit einer großen Besetzung an Gastmusikern bei Mark Keller in Nashville, Tennessee, aufgenommen.
asz
 WIDE RANGE: A Place In The Choir
WIDE RANGE
A Place In The Choir
widerange.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 57:00


Deftiger, melodiöser Irish Folk aus Hamburg mit deutlichen Americana-Einlagen. Vier Männer und eine Frau singen bekannte Songs, immer wieder mit schönen Tunes umspielt und aufgelockert. Wie es der AlbumTitel erwarten lässt, ist Chorgesang eine besondere Stärke dieses Quintetts – oder zumindest der Männer, während Heike Prange ihre Stimme in „Pastures Of Plenty“ erklingen lässt.
mas

 : rezi-legende
Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Christian Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Gerd Heger (ghe), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (jus), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Bernd Künzer (bk), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (chr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Stefan Sell (2s), Martin Steiner (mst), Annie Sziegoleit (asz), Dirk Trageser (dt), Katrin Wilke (kw)




Besondere
ÍMAR
Afterlight
imarband.com
(Big Mann Records BMANN002)
10 Tracks, 39:42


Diese fünf Jungs werden als absolut heiße Newcomer aus Schottland gehandelt, was nicht so ganz stimmt, denn die Herren haben musikalisch durchaus einiges an Hintergrund vorzuweisen. Sie spielen in Bands wie Mànran (siehe eigene Rezension in diesem Heft), Talisk, Barrule oder Rura, von daher wäre der Begriff Supergruppe auch nicht so ganz falsch. Totaler Quatsch, würden Ímar sagen, wir sind nur Instrumentalisten, die musikalischen Spaß miteinander haben. Oh ja, aber was für einen Spaß! Selten wurden Konzertina (Mohsen Amini), Bodhrán und Gitarre (beides Adam Brown), Fiddle (Tomás Callister), Flöte, Whistle und Uilleann Pipes (Ryan Murphy) sowie Bouzouki (Adam Rhodes) mit  ÍMAR: Afterlight einem solchen Tempo und solch einer Präzision gespielt und von Rhodes kongenial aufgenommen und gemixt. Und nicht nur wissen Ímar genau, wie man die jeweiligen Instrumente virtuos bedient, sie haben auch ein untrügliches Gespür dafür, welche Melodien am besten klingen. Der Großteil der Tunes stammt daher von diversen Gruppenmitgliedern. Während manche Highspeed-Folkbands klingen, als ginge es darum, krampfhaft die Schallmauer zu durchbrechen, hat man dieses Gefühl bei Ímar nie. Hier sind Musiker am Werk, die sich an den Tunes schlicht berauschen, die manche Stücke bewusst behutsamer beginnen, nur um dann zwei bis drei Minuten später voller Wolllust zwei bis drei Gänge höher zu schalten. Wie es scheint, haben die Ímar-Musiker nur ein einziges Manko: das fehlende Gesangstalent. Man kann eben nicht alles haben, und daher versuchen sie sich erst gar nicht an Songs. Dieses erste Album wird nur noch von Ímar live übertroffen, wo man mit eigenen ungläubig staunenden Augen verfolgen kann, wie musikalische Ekstase aussieht. Allein zu beobachten, welche Tonfolgen mit welchem körperlichen Einsatz ein Mohsen Amini aus einer kleinen Konzertina zaubert, ist grandios und erinnert an Hochleistungssport. Hören, sehen, staunen!
Mike Kamp
THE DISORIENTALISTS
Who Was Essad Bey?
oriente.de/de/the-disorientalists
(Oriente Music)
18 Tracks, 50:04 , mit Infos u. Texten


Wer war nun Essad Bey? Marina Frenk (Gesang, akustische Gitarre, Piano), Yuriy Gurzhy (Gesang, akustische und E-Gitarren, Bass) und Daniel Kahn (Gesang, Akkordeon, akustische und E-Gitarren, Piano, Baglamas, Tzouras, Ukulele, Bird Whistle), die sich als Trio unter dem Namen The Disorientalists formierten, geben in ihren achtzehn Liedbeiträgen durchaus eine Antwort, selbst wenn Erkanntes wiederum neue Fragen aufwerfen soll. Essa Bey wurde im Oktober 1905 in Kiew mit dem Namen Abraam Leybusovich Nussimbaum geboren. Die jüdische Familie wanderte 1918 nach Baku aus, erreichte aufgrund von Pogromen 1920 Istanbul. In den zwölf Jahren, in denen Nussimbaum in Berlin lebte (1921-1933), zwischenzeitlich zum Islam konvertiert, war er vor allem schriftstellerisch aktiv. So veröffentlichte er etwa 1929 in deutscher Sprache seinen Roman Öl und Blut  THE DISORIENTALISTS: Who Was Essad Bey? im Orient. Für die Zeitschrift Die literarische Welt schrieb er, nun unter dem Pseudonym Essad Bey (später, allerdings umstrittenerweise, auch als Kurban Said), weit über einhundert Beiträge. Irgendwie jedoch schien Bey im Nirwana des russisch-ostjüdisch-deutschen Kulturlebens der Zwischenkriegszeit verloren gegangen zu sein. Mit Unterstützung des Berliner Gorki-Theaters wollte man sich seiner wieder erinnern, wobei hier wahrlich ein internationales Projekt zustande kam. Der aus der Ukraine gebürtige Gurzhy ist unter anderem Mitgründer der Russendisko und der Klezmer-Cossover-Formation Rotfront. Frenk stammt ursprünglich aus Chi?inau in Moldawien und ist hauptsächlich als Schauspielerin aktiv. Kahn wurde in Detroit geboren und ist mit The Painted Bird auch über Deutschland hinaus längst eine Institution. Auf dem Album ergänzt durch Hampus Melin am Schlagzeug beschreiben die drei auf burleske Art und gleich dreisprachig – auf Deutsch, Englisch und Russisch – das in biografische Stationen aufgeteilte Leben eines heute fast in Vergessenheit geratenen Juden. Und was liegt bei den Themen Theater und Berlin der Zwanzigerjahre näher, als die Musik über eine reale, mitunter dennoch fiktiv anmutende Persönlichkeit („A Yid or a Russian will never pass as a Prussian“) versus einen persischen Prinzen, für den sich Bey unter anderem angeblich seiner Ehegattin gegenüber ausgab, in den Stil eines Kabaretts einzubinden. Man schließe die Augen, und flugs hat man die Bilder leibhaftig vor sich.
Matti Goldschmidt

Bücher
 SIMON McKERRELL: Focus: Scottish Traditional Music.
SIMON McKERRELL
Focus: Scottish Traditional Music.
routledge.com
(Abingdon : Routledge, 2016. – XV, 174 S. : mit Abb. – (Focus on World Music Seri)
ISBN 978-0-415-74193-4 , 29,99 GBP


Simon McKerrell ist ein versierter Piper, und zwar an den Highland, Border und Uilleann Pipes. Aber nicht nur das, er ist auch promovierter Dozent – in seiner Eigenschaft als aktueller Leiter der Abteilung Musik beim International Centre for Music Studies an der Universität von Newcastle. Ein Mann also, der genau weiß, wovon er schreibt, wenn er sich der traditionellen schottischen Musik annimmt. Dennoch ein warnendes Wort: Dieses Buch ist nicht für den hobbymäßigen Liebhaber dieser Region geschrieben, sondern für Studenten der ethnischen Musikwissenschaften. Entsprechend trocken geht es dann auch häufig zu, und daher auch der Preis auf dem Niveau wissenschaftlicher Publikationen. Dabei wird das Thema durchaus wirklichkeitsnah abgearbeitet, samt Geschichte, Zusammenhängen, Politik, und es fallen immer wieder die Begriffe Authentizität und Zugehörigkeit („belonging“) zu einer sozialen Gruppe wie die derjenigen, die schottische Musik macht – deren Mitglieder aber nicht unbedingt Schotten sein müssen. Interessant auch seine These, dass Musik und die geografische Umgebung in eine Wechselwirkung treten. McKerrell beschreibt das sehr anschaulich am Beispiel der Region der Scottish Borders. Aber die Frage kann sich jeder stellen: Welche Musik bildet den Soundtrack in meinem Kopf, wenn ich durch eine bestimmte Landschaft fahre? Diskutiert wird auch die Frage der Durchlässigkeit zwischen traditioneller und populärer Musik oder das Unbehagen, das Musiker bei dem Begriff „Celtic Music“ befällt. Alles aktuelle Themen, nur eben manchmal nicht gerade mundgerecht verpackt. Aber weil McKerrell Musiker und Wissenschaftler ist, werden die Punkte fundiert und praxisorientiert behandelt. Daher lohnt es sich, ernsthaftes Interesse vorausgesetzt, mit den Texten regelrecht zu arbeiten. Ergebnis sind einige interessante Erkenntnisse zum Thema „Traditionelle schottische Musik gestern und heute“.
Mike Kamp
 Gabriele Haefs (Hrsg.): Vierertreffen Schottland – Irland : Erzählungen / Herausgeberinnen: Gabriele Haefs & Karin Braun.
Gabriele Haefs (Hrsg.)
Vierertreffen Schottland – Irland : Erzählungen / Herausgeberinnen: Gabriele Haefs & Karin Braun.
edition-narrenflug.com
(Kiel : Ed. Narrenflug, 2016. – 256 S.)
ISBN 978-3-945242-22-3 , 13,00 EUR


Eine Anthologie von vier Geschichten, die eines gemein haben: Die Autoren sind alle mit der irischen beziehungsweise schottischen Musikwelt verbunden, und in allen Geschichten geht es darum, dass eine Begegnung mit anderen Menschen Sichtweisen, Lebenseinstellungen oder gar das ganze Leben des anderen (positiv) verändern kann. Brian McNeill und Christine Cochran sind bekannte Musiker der schottischen beziehunsgweise irischen Musikszene. Rita Kelly ist eine irische Lyrikerin, deren Texte vertont wurden, und Micheál Ó Conghaile ist der Chef des Verlages Cló Iar-Connacht, bei dem unzählige irische CDs und Musikbücher erscheinen. Für eigene Romane zu kurz, haben die Herausgeberinnen dieses Bandes die vier unterhaltsamen Geschichten in einen Sammelband gepackt, um sie Fans der irischen und schottischen Musik präsentieren zu können.
Doris Joosten

 MICK FITZGERALD: Der Hund, der zum Bankräuber wurde : und mehr irische Geschichten / Herausgabe, Übers. u. Vorw. von Gabriele Haefs.
MICK FITZGERALD
Der Hund, der zum Bankräuber wurde : und mehr irische Geschichten / Herausgabe, Übers. u. Vorw. von Gabriele Haefs.
songdog.at
(Wien : Songdog Verl., 2016. – 107 S.)
ISBN 978-3-9504224-2-9 , 14,00 EUR


Nach Sessions aus dem Jahr 2010 erschien 2016 Mick Fitzgeralds zweiter, aber leider auch letzter Band mit irischen Geschichten, dessen Veröffentlichung er nicht mehr erlebte. Der Musiker und Schauspieler hatte noch viele Ideen für Geschichten, aber oftmals fehlte ihm die Zeit, sie zu Papier zu bringen. Denn Mick liebte es auch, auf der Bühne zu stehen und Musik zu machen – das war sein Leben. Der mitunter melancholische, aber auch humorvolle Schriftsteller mit großem Interesse an historischen Begebenheiten, erdachte gern skurrile Storys. In diesem Band erzählt er sehr unterschiedliche, die meist auch durch eigene Erlebnisse geprägt sind. Ein Jammer, dass viele noch nicht niedergeschriebene Erzählungen wie zum Beispiel die über rote, in Schweden gestrickte Socken nun für immer ungeschrieben bleiben. Für Menschen, die Fitzgerald und seine Lieder geliebt haben, lässt der Band diesen sympathischen Künstler, seine Musik und seine Geschichten für kurze Momente wieder lebendig werden. Am besten hört man dazu eines seiner Alben.
Doris Joosten
 PETER BRAUKMANN: Meißen sehen und sterben : e. Sachsen-Krimi.  PETER BRAUKMANN: Tod einer Arschkrampe : e. Fall für Steffen Schröder.
PETER BRAUKMANN
Meißen sehen und sterben : e. Sachsen-Krimi.
(Meißen : : Ed. Sächsische Zeitung, 2016. – 176 S.), 9,90 EUR


PETER BRAUKMANN
Tod einer Arschkrampe : e. Fall für Steffen Schröder.
(o. O. : Eigenverl., 2016. – 228. S.)
ISBN 978-1537276168


Gleich zwei neue Krimis veröffentlichte der Musiker Peter Braukmann letztes Jahr und präsentiert uns zwei Geschichten, die beide im Osten der Republik spielen, was nicht verwunderlich ist, da der Autor in Meißen lebt. Der Protagonist aus Meißen sehen und sterben ist ein nicht unbedingt aufs Geld angewiesener Detektiv, der eher aus Langeweile einen Auftrag annimmt, welcher ihn quer durch Ostdeutschland bis nach Polen führt und recht kuriose Züge annimmt. Der zweite Band beginnt ebenfalls im Osten Deutschlands. Ein junges Mädchen scheint aufgrund des tragischen Unfalltods der Eltern Selbstmord begangen zu haben, doch ihre Freundin glaubt nicht daran. Sie bittet den Privatdetektiv Steffen Schröder um Ermittlungen. Diese lassen tatsächlich Zweifel am Selbstmord zu und führen Schröder bis nach Galway in Irland.
Doris Joosten

DVD/Filme
 WALTER STEFFEN: Bavaria Vista Club
WALTER STEFFEN
Bavaria Vista Club
bavaria-vista-club.de

80:00 Film , plus 88:00 Bonustracks


Der Bavaria Vista Club (BVC) ist eine Konzertreihe, die mit unterschiedlichen bayerischen Musikern an verschiedenen Orten Bayerns veranstaltet wird. Diese DVD enthält Ausschnitte des Konzerts vom 22. Juni 2014 auf der Kreutalm oberhalb des Kochelsees in Oberbayern. sowie Interviews mit den Musikern und Hintergrundinfos des Musikhistorikers Andreas Koll zur bayerischen Musikkultur. Dabei ist der BVC gleichermaßen der Tradition und Heimatliebe sowie moderner Kreativität und Weltoffenheit verpflichtet. Das sieht man an der Vielfalt der Musikstile, die von der Unterbiberberger Hofmusik (Fusion traditionell bayerischer und türkischer Musik mit Jazz und Weltmusik), Zwirbeldirn (drei Sängerinnen und ein Bassist mit vielfach beeinflussten Liedern), Irxn (keltisch beeinflusster Folkrock), Williams „Wetsox“ Fähnrich & Schorsch Hampel (Blues), Barbara Lexa (Liedermacherin), Zwoastoa (Reggae, Ska, Hip-Hop, Dub, Elektro) und Walli & Wolfi (bayerisch-surinamisches Duo) unter der Moderation von Max Haderbeck (ex Bairisch Diatonischer Jodelwahnsinn) präsentiert werden. Gemeinsam ist ihnen die Verwendung bayerischer Mundarten. Als Nichtbayer kann man nur neidisch werden auf so ein Ja zur Region und zur Welt gleichermaßen.
Michael A. Schmiedel



Deutschland
 A DANEEM: Geschichten aus dem Hinterland
A DANEEM
Geschichten aus dem Hinterland
adaneem.de
(Focus/BSC-Music)
18 Tracks, 51:15 , mit Fotos u. dt. Infos


Blues und deutsche Mundart gehen immer wieder eigenwillige Liaisons ein, ob auf „Pälzisch“, Hessisch oder wie hier „Boarisch“. Schon in den Siebzigern, als Axel Küstner seine Bluesfeldaufnahmen in den USA machte (vgl. Folker 2/2017), waren die Oberbayern Dietmar „Dietz“ Forisch und Pit Holzapfel zusammen mit Arthur Dittlmann als Schnabufugl bairisch-bluesig unterwegs und bilden nun mit Peter Müller und Juli Mudra A Daneem. Dieses Quartett hätte mit seinem vielseitigen Instrumentarium denn auch gar keinen Platz auf einem Verandaschaukelstuhl, sondern höchsten daneben. Mehr mit bluesiger Coolness, humorvollem Pessimismus und Trotz als mit Melancholie und reiner Lethargie handeln die Lieder davon, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, zum Beispiel im Hinterland festzuhängen, nicht schlafen zu können oder nicht zu merken, wenn die Liebe da ist. Und zwischendurch gibt es auch mal lateinamerikanische Klänge, Trauermarschmusik oder einen Zwiefachen, was alles gut ins Gesamtkonzept passt. Texte zum Mitlesen findet man auf der Website, außer denen der Bonustracks des Wortkünstlers Felix Hoerburger, dem das Album gewidmet ist.
Michael A. Schmiedel
 BAD TEMPER JOE : Solitary Mind
BAD TEMPER JOE
Solitary Mind
badtemperjoe.com
(Timezone Records TZ1329)
11 Tracks, 44:39 , mit engl. Texten u. Infos


Seine vierte Studioproduktion in drei Jahren hat der fleißige Akustik-Blues-Musiker und Komponist Johannes-Marius Assmann aus Bielefeld vorgelegt. Er spielt die Gitarre auf den Knien als Lapsteel und ist auch mit dem Slide auf seinen sechs Saiten vertraut. Der 25-Jährige, der sich in der deutschen Akustik-Blues-Szene bereits einen guten Namen gemacht hat, geht das Wagnis eines reinen Soloalbums mit klassischem Zwölftaktblues, Shuffle und Countryballaden ein. Fans von John Hammond und dem jungen John Lee Hooker werden ihre Freude daran haben. Bad Temper Joe nimmt uns mit auf eine gefühlvolle Reise in seine Gedankenwelt und geht dem Zuhörer nicht mehr aus dem Kopf. Bei Titeln wie „Honey For My Biscuit“ und „Most Things Haven’t Worked Out Yet“ begeistert sein Können als Gitarrist, sein „Love Song At 4 AM“ ist eine Klasse für sich. Das Osnabrücker Label Timezone hat mit diesem Künstler einen guten Fang gemacht. Joe spielt live auch mit eigener Band und wird musikalisch noch viel erzählen können.
Annie Sziegoleit

 DICKE LUFT: Drop It!
DICKE LUFT
Drop It!
dickeluft.de
(Obst Musik DI116)
16 Tracks, 66:25


Es mag das bekanntere Kölner Blasorchester geben, die Brassband Dicke Luft ist die vermutlich langlebigste. Es gibt diesen mehr oder weniger losen Haufen von Amateuren und Profimusikern seit nunmehr fast vierzig Jahren. 1978 ging eine Truppe experimentierfreudiger Dilettanten an den Start, um die Blasmusik dem Alleinanspruch von Militär- oder Schützenkapellen zu entreißen. Damals konnte kaum ein Bandmitglied Noten lesen, dafür waren sie musikalisch wie politisch umso engagierter. Sie gingen auf die Straße, spielten gegen die Stollwerck-Besetzung in Köln, AKWs und Raketenstationierungen und für alles, was es aus vollem Herzen und tiefer Lunge zu unterstützen galt, etwa die Antiapartheitsbewegung und Roma-Solidarität. Der vierte Tonträger von „Kölns einzig wahrem Blasorchester“ bietet so unterschiedliche Musiken, wie es die Basisdemokratie der über zwanzig Musikerinnen und Musiker garantiert, und ihr jazz- und bluesgefärbtes Gebläse sorgt beim Hören nicht für dicke Luft, sondern für ausgesprochen gute Laune. Von John Coltranes „Impressions“ über „Venus“ von der Popband Shocking Blue und „Big Leg Anna“ aus der Feder Frank Zappas (jawohl, das passt zusammen!) bis hin zu Hanns Eislers „Andantino“.
Ulrich Joosten
 HELLO PIEDPIPER: The Raucous Tide
HELLO PIEDPIPER
The Raucous Tide
hellopiedpiper.com
(KF-Records/Broken Silence/Finetunes)
11 Tracks, 53:08 , mit engl. Texten


„Hallo Rattenfänger“ ist der Kölner Fabio Bacchet plus zwei Herren an Bass, Gitarre, Schlagzeug, Piano und Gesang. Der aktive Livespieler versammelt auf seinem zweiten Studioalbum Songs über persönliche Erlebnisse (zum Beispiel Geburt des eigenen Kindes – hier titelgebend – oder den Tod in der Familie) und die Schicksale anderer, zum Beispiel eines Flüchtlings („Lampedusa“). Entsprechend emotional und mitreißend klingt das, was er ideenreich und mit immer neuen Finessen schafft. Auf einen klassischen Folksong baut er Chöre, Kastagnetten, Glöckchen und Jazzklänge auf, bis es orchestral, poppig oder jazzig klingt. Doch Genres benennen zu wollen, ist hier Unsinn. Das Album ist ein Meer von warmen, manchmal bombastischen Klängen, voller ergreifender Phänomene, mit leicht näselnder (und etwas hintergründig aufgenommener) Stimme gesungen.
Imke Staats

 ÒRAN IS PIOB: Á Saoghal Eile – Aus einer anderen Welt
ÒRAN IS PIOB
Á Saoghal Eile – Aus einer anderen Welt
oran-is-piob.de
(Eigenverlag OiPCD1)
12 Tracks, 54:59 , mit dt.-gäl. Texten u. Infos


Òran Is Piob – das ist ein Trio bestehend aus der in Deutschland wirkenden Schwedin Anna Lindblom (Gesang, Klangwelten), dem Bonner Spezialisten für Gälisches, Michael Klevenhaus (Gesang), und dem Leiter der deutschen Dudelsack-Akademie Thomas Zöller (Pipes, Konzertina). Diese drei nehmen sich Balladen mit mythologischen Themen an – wie es sie (nicht nur) in den gälischen und skandinavischen Musiktraditionen zuhauf gibt – und bearbeiten sie. Bearbeitung ist das zentrale Anliegen der Gruppe, denn die Lieder werden nicht einfach schön gesungen – was Klevenhaus bestens beherrscht – und durch kompetentes Dudelsackspiel ergänzt. Nein, die Lieder werden nachempfunden, oft mit deutschsprachiger Einstimmung. Die ganz spezielle Atmosphäre jeder Geschichte wird gesucht, und da kommen Lindbloms Klangwelten wunderbar zur Geltung. Fantasievolle Klänge zwischen Percussion und Kanalrohr-Didgeridoo unterstützen und verstärken die Lieder über Feen, grüne Hündinnen und andere Bewohner jenseitiger Welten. Das muss man natürlich nicht glauben, um diese Lieder trotzdem kreativ und packend zu finden.
Mike Kamp
 STROM & WASSER: Herzwäsche
STROM & WASSER
Herzwäsche
strom-wasser.de
(Traumton/Indigo)
13 Tracks, 47:24 , mit Texten


Heinz Ratz ist ein echter Achtundsechziger, ein Kind der alten Bonner Republik. Ratz verkörpert kosmopolitisches Leben wie kaum ein anderer. Er wurde „1968 in Bonn als Sohn eines deutschen Arztes und einer Peruanerin indianischer Herkunft geboren“ (Wikipedia). Sein Leben führte ihn in zahlreiche Länder, er probierte vieles aus, machte spektakuläre politische Aktionen. Sein politisches Engagement, gegen Rechts, für Flüchtlingshilfe und Umweltschutz, spiegelt sich auch in den Liedern von Strom & Wasser wieder. Harte treibende Rhythmen, rockige, schnelle Songs und klare Worte mit rauchiger Stimme, die jede Süßlichkeit vermeidet. Lieder gegen die selbstgerechte Spießigkeit, gegen falsche Idyllen und gegen deutsche Gespenster. Aber auch ganz persönliche Songs sind vertreten. Der alte Heinz Ratz trifft auf den heutigen, wie ginge das aus? Ganz berührend „die alten Hände dieser kleinen Frau“, eine ganz eigene Variante von „Mutters Hände“. Bis zur Bundestagswahl will die Band übrigens als Teil des Netzwerkes Büro für Offensivkultur alle Konzerte ohne Eintrittsgeld veranstalten.
Rainer Katlewski

 MICHAEL VAN MERWYK: Fight The Darkness
MICHAEL VAN MERWYK
Fight The Darkness
bluesoul.de
(Timezone Records TZ1327/Timezone)
Promo-CD, 14 Tracks, 43:41


Preise für seine Musik, auch internationale, hat er schon so einige eingeheimst. Jedoch ist jede neue Veröffentlichung ein „wieder auf Los“, will man sich als wandlungsfähiger Künstler präsentieren. Michael van Merwyk jedenfalls begeistert auch mit der nun vorliegenden reduzierten Form des Blues. Seine Zutaten der Reduktion sind dabei eine Stimme, eine Gitarre, „live“ im Studio, nur ein Tag Zeit, keine Overdubs, am Stück gespielt („one take“). Das Konzept geht auf, denn so viel Ruhe, solch ein „laid back feeling“ wie hier findet man nur selten. Meist gibt der Daumen auf den Basssaiten die Metrik vor. Mit angenehmer Stimme in der Mittellage singt van Merwyk über das Leben, dessen Irrungen und Wirrungen, die Möglichkeiten zur Neuorientierung. Stoisch der Grundrhythmus, geschlagene Akkorde, feines Fingerpicking (herrlich: „Heavy Load“), jedoch nie in beifallsheischende Akrobatik verfallend; das braucht er nicht. Immer wieder glitzern kurze Slidepassagen auf, akzentuieren die Bedeutung des Songtextes. Tiefe Metaphern des Blues verwendet er im Titelstück: „… darkness falling, black-eyed dog at your door …, fight the darkness, go for the light …“. Einfach, klar, reduziert.
Achim Hennes
 FALK ZENKER: Falkenflug
FALK ZENKER
Falkenflug
falk-zenker.de
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
12 Tracks, 55:45


Sansula, Chimes, Percussion, klassische Gitarre und nur ein Musiker? Wer jetzt an aufwendige Studio-Overdubs denkt, liegt ganz falsch. Der Weimarer „Klassik“-Gitarrist Falk Zenker arbeitet auf seinem vierten Album ganz so, wie man ihn auf der Bühne erlebt – alles live, auch wenn es kaum vorstellbar ist. Mittels ausgefuchster Looptechnik und ausgestattet mit etlichen Effektgeräten, ist er in der Lage, quasi orchestral zu Werke zu gehen. Barfuß werden Pedale gedrückt und Regler bewegt. Klingt sehr technisch, und ist es auch. Die Kunst besteht allerdings darin, dass das alles dermaßen organisch geschieht, dass man rasch vergessen kann, dass da ein Musiker im Alleingang erstaunliche Klangwelten kreiert. Musikalisch ist der Rahmen, wie auf den Vorgängeralben, so weit wie ein klarer, besternter Abendhimmel. Flamencoanklänge, mittelalterliches Volkslied („Es geht ein dunkle Wolk’ herein“ oder „O Plangens Vox“, nach einer Melodie von Hildegard von Bingen), afrikanische Grooves, ja, selbst unerwartet bluesrockige Ausflüge gibt es. Meist klingt es einfach nach Falk Zenker, einem Künstler, der mit allen musikalischen Wassern gewaschen ist und auf höchstem Niveau komponiert, improvisiert und arrangiert.
Rolf Beydemüller

Europa
 ALBERT AF EKENSTAM: Ashes
ALBERT AF EKENSTAM
Ashes
albertafekenstam.com
(Kning Disk/Cargo Records)
Promo-CD, 10 Tracks, 41:33


In Sachen Indiefolkpop ist es zurzeit schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Überall schießen Bands aus dem Boden, allesamt mit Leidenschaft und Herz bei der Sache. Allesamt mit samtweicher Stimme und behutsamer Begleitung, allesamt mit Botschaft und mit der Tendenz zum Mitsingen, allesamt jung, sympathisch, engagiert. Jedes Album wäre vor zwanzig Jahren eine Sensation gewesen, nun gehen die meisten in der Menge unter. Ashes sollte dieses Schicksal erspart bleiben. Albert af Ekenstam schafft das Kunststück, aus der Masse so herauszuragen, dass man unwillkürlich immer wieder genau zu diesem Album greift, um es erneut zu hören. Dabei sind die Ohrwürmer eigentlich nicht eingängiger, die Texte nicht persönlicher und das Gitarren- oder Klavierspiel nicht filigraner als von anderen Bands in dem dicht umkämpften Terrain. Dennoch, die Songs zerreißen dem Hörer das Herz. Selbst ein Instrumental von Albert af Ekenstam wirkt wie ein guter Song. Man möchte sich sofort unglücklich verlieben, um die Stimmung von Ashes angemessen zu würdigen. Oder im Regen nach Hause spazieren, nach dem Auftritt des Künstlers beim Reeperbahn-Festival zum Beispiel. Ashes wird sich auch in Jahren noch auf Plattentellern drehen, von welchem Künstler kann man das heute noch sagen?
Chris Elstrodt
 HELENE BLUM: Dråber Af Tid
HELENE BLUM
Dråber Af Tid
heleneblum.dk
(Westpark Music WP 87331/Indigo)
11 Tracks 43:06 , mit dän. Liedtexten


Was Helene Blum hier komponiert, textet und berührend vorträgt, ist musikalische Poesie und derart intensiv und filigran, dass man sich scheut, dies als Pop zu bezeichnen. Es ist modernes Singer/Songwritertum, wie bei Fjarill oder Sarah Lesch. Helene Blum wollte zunächst klassische Pianistin werden, entdeckte dann aber die Folkmusik, die ihr mehr Freiheit bot, und absolvierte als eine der ersten Folksängerinnen das Fynske Musikkonservatorium. Vor ihrem ersten Soloalbum 2006 veröffentlichte sie 2004 eine CD zusammen mit Karen Mose, die aus ihrem Elternhaus einen unerschöpflichen Liederschatz mitbrachte. Schon damals war Blums späterer Mann, Harald Haugaard dabei. Dies ist nun ihr fünftes Soloalbum. Solo heißt, dass Helene mit ihrer klaren Stimme, die sich inzwischen auch in den tieferen Lagen weiterentwickelt hat, und ihren eigenen Kompositionen im Mittelpunkt steht. Die Begleitmusiker sind aber die der Haugaard/Blum-Band, die hierzulande besonders durch Ihre Weihnachtstournee bekannt geworden ist und bei der auch die Instrumentalstücke einen Platz haben. In diesem Jahr hat Helene Blum bereits vierzehn Konzerte in Deutschland gegeben, und sie wird sicher mit dem Weihnachtsprogramm wiederkommen.
Bernd Künzer

 MEENA CRYLE & THE CHRIS FILLMORE BAND: In Concert
MEENA CRYLE & THE CHRIS FILLMORE BAND
In Concert
meenacryle.com
(Continental Blue Heaven CBHCD 2028/H’Art)
12 Tracks, 70:49


Zu Zeiten des ersten „Bluesrevivals“, als Europäer in den Sechzigerjahren begannen, amerikanischen Blues nachzuspielen, wurde politisch überkorrekt die Frage gestellt: Dürfen die das, eine amerikanische Volksmusik nach Europa verpflanzen? Kann man ein fremdes Musikbiotop in einen anderen Kontext stecken und so tun, als gehörte es zur eigenen Kultur? Den Ausgang dieser Debatte hat niemanden interessiert. Seitdem bluest es in Europa. Jüngstes Beispiel: die österreichische Sängerin Meena Cryle. Innerhalb weniger Jahre und mit drei Alben hat sie sich einen festen Platz in der Szene ersungen. Bereits auf ihrem ersten Album war ihr schwerer Janis-Joplin-Komplex zu hören – ähnlich kratzige Stimme, Phrasierung und musikalisches Material zwischen Soul und Bluesrock. Bei diesem Tourmitschnitt haben sich ihre Joplin-Manierismen weitgehend gelegt. Mit neun Eigenkomposition und drei Standards begeistern sie und ihre Band unter Leitung des fantastischen Gitarristen Chris Fillmore das Publikum mit elektrifiziertem, typisch weißem, gitarrenlastigem Bluesrock, wie ihn in Amerika keine schwarze Band spielen würde. Aber in Europa wollen die Fans genau das. Und Cryle und Fillmore liefern.
Harald Justin
 DON ANTONIO: Don Antonio
DON ANTONIO
Don Antonio
facebook.com/donantonioofficial
(Santeria SAN092CD/Rough Trade)
14 Tracks, 34:28 , mit engl. Texten


Desert Rock aus Italien? Nun ja, der Italo-Western hat ja gezeigt, dass Europa einiges an Westernflair zu bieten hat. Beim zweiten Stück wird aber schon der erste Haken geschlagen – schräg, rumplig, mit feinen Bläsersätzen und Sixties-Easy-Listening-Chören. Das dritte ist eine Art akustische Version von „Herr Rossi sucht das Glück“. Es folgen vorwiegend Instrumentalstücke, Fragmente, Skizzen. Marc Ribot hat hörbar Spuren hinterlassen, genau wie Italo-Discoabende an der Adria in den Siebzigerjahren. Schönheit und Kitsch gehen Hand in Hand, und es ist ein schönes Pärchen, das hier die mediterrane Promenade entlangschlendert. Das Album von Gitarrist und Produzent Don Antonio Gramentieri entstand größtenteils auf Sizilien und hat vielleicht auch deswegen eine wunderbar schläfrige Dorfplatz-Siesta-Entspanntheit. Die Produktion, dicht und warm, fängt die in alle Richtungen davongaloppierenden stilistischen Ausreißer ein und hält das Album zusammen, wobei etwas mehr Fokus und weniger Sammelsurium der Sache nicht geschadet hätten. Die Furchtlosigkeit, mit der Don Antonio zur Sache geht, ist aber allein schon aller Ehren wert.
Dirk Trageser

 MAIJA KAUHANEN: Raivopyörä
MAIJA KAUHANEN
Raivopyörä
maijakauhanen.com
(Nordic Notes NN085)
7 Tracks, 50:10 , mit finn. u. engl. Texten


Auf der Suche nach intelligenter Verschmelzung von traditioneller Musik mit Pop wird man in Skandinavien immer wieder fündig. Insbesondere in der finnischen Musik werden so selbstverständlich und natürlich die verschiedensten Stilarten miteinander verwoben, dass das Kategorisieren von Stilrichtungen ad absurdum geführt wird. Neuestes und wundervolles Beispiel: das Soloalbum Raivopyörä der Sängerin und Kantelespielerin Maija Kauhanen. Diese kennen nordische Musikexperten bereits aus der Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Bands aus dem Pop- und Folksektor, unter anderem Okra Playground oder Malmö. Das Album ist dank der Kantele und der modernen Beats ausgesprochen gut hörbar. Wer Clannad oder McKennitt für Folkmusik hält, wird von Kauhanen sicher nicht abgeschreckt. Wer bei nordischer Folklore an Mari Boine denkt, wird den Kauf auch nicht bereuen. Gleichzeitig klingt das Album aber sperrig genug, um an jedem Radiosender vorbeizurauschen. Den Kenner der Materie erwarten eine einzigartige Kantelespieltechnik und ein ausgefeiltes Zusammenspiel moderner Kompositionstechnik. Die leichte Hörbarkeit steht in wundervollem Kontrast zu den teils schwer verdaulichen Texten, die, sehr lobenswert, auch in englischer Übersetzung im Booklet abgedruckt sind.
Chris Elstrodt
 JAAKKO LAITINEN & VÄÄRÄ RAHA: Näennäinen
JAAKKO LAITINEN & VÄÄRÄ RAHA
Näennäinen
mrjaakko.com
(Playground Music Finnland PMF138)
12 Tracks, 48:08 , mit Texten


Den Preis für den verrückten Finnen des Jahres gewinnt in diesem Jahr eindeutig Jaakko Laitinen. Dieses Album fegt mit unglaublicher Spielfreude und Originalität die Partykonkurrenz vom Feld. Laitinen ist mit einer Klangfarbe zwischen Karel Gott und Michael Holm gesegnet und wird von einer bläserorientierten Band begleitet, gegen die Labrassbanda nach Kindergarten klingt. Die Musik klaut hemmungslos beim Balkanbeat, insbesondere bei Rumänen und Russen. Aber auch orientalische Elemente und sogar Klezmer werden ohne Gnade auf einzigartige finnische Art konvertiert. Dabei beschränken sich die Lappen dankbarerweise nicht auf die Formel „möglichst schnell, möglichst lustig“ und unterscheiden sich dadurch wohltuend von der Humppa-Fraktion. Stattdessen setzt die Band auf Spielfreude und Spielwitz. Es ist ein wahres Vergnügen, den ausgefeilten Arrangements und wahnwitzigen Läufen zu folgen, welche die exzellenten Musiker mühelos aus den Ärmeln schütteln. Genialität, mit einem breiten Grinsen serviert, Virtuosität trifft Leichtigkeit. So ist es kein Wunder, dass diese Band als wildester Liveact des Dorfes, Verzeihung, des Landes gilt.
Chris Elstrodt

 LEKKUJAD: Tulinbo Ruadieh
LEKKUJAD
Tulinbo Ruadieh
lekkujad.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 61:32 , CD mit finn./engl. Infos


Lekkujad ist eine fünfköpfige finnische Band (die vor allem Saiteninstrumente im Repertoire hat) um die wunderbare Sängerin Kristiina Olanto. Sie widmen sich der Musik Kareliens, eines finnischen Landesteils, der nach dem Zweiten Weltkrieg an die Sowjetunion fiel. Das restliche Finnland musste damals 200.000 karelische Flüchtlinge aufnehmen, die nichts hatten retten können – und die nicht gerade willkommen waren. Ihr Dialekt galt als bäurisch, ihre Zugehörigkeit zur orthodoxen Kirche wirkte im lutherischen Finnland suspekt. Der Verlust Kareliens ist in Finnland noch immer ein Trauma, und bisher wurde das reiche musikalische Erbe dieser Landschaft zu wenig aufgearbeitet. Kristiina Olantos Vater war ein Flüchtling, von ihm hat sie die Sprache und die Liebe zur Musik gelernt. Auf dem Album hören wir Lieder und Instrumentalstücke. Oft ist der russische Einfluss deutlich, finnisch wiederum sind die langsamen Walzer. Der Gesang erinnert bisweilen an orthodoxen Kirchengesang, und wenn in der Pressemeldung steht, Lekkujad fühlten sich von „primitiver“ Musik inspiriert, ist das wohl nur ein Übersetzungsfehler, denn hier ist alles wunderbar durchdacht, ausgefeilt und zusammengefügt.
Gabriele Haefs
 ERJA LYYTINEN: Stolen Hearts
ERJA LYYTINEN
Stolen Hearts
erjalyytinen.com
(Tuohi Records THC-006/Rough Trade)
Promo-CD, 11 Tracks, 50:53


Die elektrische Slidegitarre ist im Grunde das Markenzeichen der finnischen Bluesmusikerin Erja Lyytinen. Sie aber lediglich darauf zu reduzieren, würde ihr in keinem Fall gerecht. Zwar beherrscht sie dieses Instrument so absolut perfekt wie eigentlich keine zweite Gitarristin weltweit, jedoch war sie auch immer offen und experimentierfreudig, was unterschiedliche Stilistiken und Einflüsse anbelangt. Ihr neues Album ist nach eigenem Bekunden das Ergebnis eines reinigenden Prozesses nach einer Zeit schwieriger persönlicher Lebensumstände. Dieses Ergebnis ist dann auch beeindruckend, umwerfend, atemberaubend. Ihre Stimme hat viel an Kraft und Ausdruck gewonnen, ihr Gitarrenspiel ist, von einem bereits sehr hohen Niveau kommend, nochmals geschärft. Schneidende, harte Attacken wechseln ab mit fast zärtlich angeschlagenen Sololinien, so im Titelstück „Stolen Hearts“ zu Beginn. Überragend in Lyytinens Domäne, der Slidegitarre, sind „24 Angels“ und „City Of Angels“, und was an weiteren Stücken folgt, ist ein musikalisches Wechselbad der Gefühle, bei dem am Ende eines feststeht: Zwischen Blues und Bluesrock macht dieser Frau niemand etwas vor.
Achim Hennes

 MÀNRAN: An Dà Là – The Two Days
MÀNRAN
An Dà Là – The Two Days
manran.co.uk
(Eigenverlag MAN04)
12 Tracks, 56:34 , mit engl. Infos u. gäl. Texten


Die schottischen Highlandrocker von Mànran sind spätestens nach der Irish-Heartbeat-Tour auch hierzulande ein Qualitätsbegriff. Als sie 2011 mit ihrer ersten Single für Furore sorgten, klangen sie noch ein wenig wie die Babybrüder von Runrig, aber das hat sich im Laufe der Jahre gelegt, und ohne jeden Zweifel ist das aktuelle Album ihre bislang reifste Leistung. Ross Saunders (Bass) und Mark Scobbie (Drums) sind eine absolut zuverlässige und treibende Rhythmusgruppe, auf die Melodieinstrumente wie das Akkordeon (Gary Innes) oder die Doppeldröhnung Highland Bag Pipes (Ewen Henderson, auch Fiddle) und Uilleann Pipes (der Ex-Cara-Mann Ryan Murphy, auch Flute) aufbauen können. Eine gute Hälfte des Albums besteht aus Instrumentals, und das ist ganz klar die Stärke von Mànran, komplex arrangiert und dennoch geradeaus rockend. Die Songs sind überwiegend in Gälisch und werden von Ewen Henderson gesungen. Er übernahm 2016 den Vokalpart von Norrie MacIver, und das war bei MacIvers ausdrucksstarker Stimme kein einfacher Job. Live fiel die Intensität der Songs deutlich ab, aber diese Studioproduktion lässt vermuten, dass Henderson auf dem richtigen Weg ist, seinen eigenen Stil zu finden. Ein erfreuliches Werk.
Mike Kamp
 CARMEN SOUZA: Creology
CARMEN SOUZA
Creology
carmensouza.com
(Galileo Music GMC074)
12 Tracks, 43:34 , creolische Texte mit engl. Übers.


Die Kapverden sind seit Jahrzehnten ein Hort ausdrucksstarker Sängerinnen, die mit ihren Mornas und Coladeiras die ganze Welt in Gefühlsräusche versetzen. Einen Rausch ganz anderer Art verspricht die in Lissabon geborene, kapverdischstämmige Vokalistin Carmen Souza. Schönklang ist bei ihr höchstens am Rande angesagt. Ihre Stimme ist ein sinnlich-perkussives Instrument. Sie krächzt, schreit, stammelt, haucht und säuselt im Zwiegespräch mit dem Percussionisten Elias Kacomanolis und den rhythmischen Bassläufen ihres Partners Theo Pascal. Zu dritt verwandeln sie lusafrikanische Rhythmen in aktuellen Jazz. Theo Pascal schrieb, mit Ausnahme je eines Liedes des Brasilianers Edu Lobo und des Jazzpianisten Horace Silver, die Musik der Stücke. Carmen Souza zeichnet für die nachdenklichen bis überschäumend fröhlichen Texte verantwortlich, die selbstredend für eine weiblichere, verständnisvollere Welt werben. Für melodische Akzente sorgt ihr im Vergleich zu früheren Aufnahmen filigraneres Spiel auf dem Klavier und der Gitarre. Das Trio tritt im Mai und Oktober in mehreren Städten Deutschlands auf und verspricht einen vielschichten Ethnojazz, der in die Beine geht.
Martin Steiner

 TORI SPARKS feat. CALAMENTO & EL RUBIO: La Huerta
TORI SPARKS feat. CALAMENTO & EL RUBIO
La Huerta
torisparks.com
(Glass Mountain Records)
12 Tracks, 54:23 , mit engl. u. span. Infos


Eine US-Amerikanerin, die in Barcelona mit einer Flamencofusionband gemeinsame Sache und dabei gar Versionen von Led Zepplins „Kashmir“ oder dem quasi unantastbaren, für immer mit dem Cantaor Camarón verbundenen Lied „La Leyenda Del Tiempo“ macht? Zugegebenermaßen skeptisch war die Rezensentin, die sich aber schon mit den ersten Tönen des Albums, des sechsten der Singer/Songwriterin, gerne eines Besseren belehren ließ. Denn leider nicht selten hört man derartigen Annäherungsversuchen die gute Absicht und die gewollte Allianz ungut an. Nicht so in diesem Fall, wo gerade die Covers (auch dabei „Nature Boy“) noch fast stärker als die Eigenkompositionen in ihren originellen Arrangements und der gekonnten Instrumentierung bestechen. Auch der näher an Sparks’ Heimat Nashville siedelnde, anstatt womöglich gezwungen „hispanisierte“ Gesang ist dem Projekt zuträglich. Das kommt in der Form schon zum zweiten Mal im Studio zusammen. Das spielerisch gewiefte Barceloner Trio (Flamencogitarre, E-Bass, Percussion) ist hörbar erfahren im kreativen Adaptieren von Flamenco- oder Jazzklassikern. Diesmal erweitert um einen in der Szene renommierten E-Gitarristen, der die mal englisch, mal spanisch intonierten Songs beachtlich bereichert.
Katrin Wilke
 ANTON WALGRAVE: Where Oceans Meet
ANTON WALGRAVE
Where Oceans Meet
antonwalgrave.com
(Eigenlabel)
9 Tracks, 43:18 , mit engl. Texten u. Infos


Mit seinem bereits sechsten Album hat der dreiundvierzigjährige belgische Liedermacher Anton Walgrave Anfang dieses Jahres ein echtes Juwel veröffentlicht. Neun selbst komponierte Songs, die nicht nur unter die Haut gehen, sondern in den tiefgründigen Texten zum Nachdenken über das eigene Leben anregen. Die Geschichten über das Wesen menschlicher Beziehungen sind sparsam und behutsam arrangiert. Begleitet wird Walgrave, der selbst akustische Gitarre spielt, von einem Streichquartett (zwei Violinen, Viola und Cello), einem weiteren akustischen Gitarristen und einem Keyboarder. Die intensive Stimmung der Lieder lebt allerdings von der ausdrucksstarken Stimme des Belgiers, der Höhen wie Tiefen gleichermaßen voller Energie ausfüllt und manchmal an Bono oder Morten Harket erinnert. Walgrave hat sein neues Werk komplett live vor Publikum aufgenommen. Diese unmittelbare Nähe zu seiner Hörerschaft ist ein Markenzeichen des Musikers. Seit 2015 bietet er seine Konzerte und CDs ausschließlich auf Spendenbasis an. Was er dabei verdient und was seine Auftritte sowie Plattenproduktion kosten, kann jeder auf seiner Website nachlesen. So viel Offenheit ist bewundernswert und verlangt Nachahmer.
Erik Prochnow

 YORKSTON/THORNE/KHAN: Neuk Wight Delhi All-Stars
YORKSTON/THORNE/KHAN
Neuk Wight Delhi All-Stars
yorkstonthornekhan.com
(Domino)
Promo-CD, 10 Tracks, 51:36


Die drei Ausnahmemusiker aus dem schottischen Kingdom of Fife (Neuk), von der englischen Isle of Wight und der indischen Stadt Delhi (daher der Titel) haben nach einem knappen Jahr nachgelegt. „Es ist keine Fusion“, wird Yorkston nicht müde zu betonen, „denn Fusion bedingt Planung, und die gab es nicht. Suhail und ich haben uns getroffen, wurden Freunde, und Jon kam später dazu.“ Einfach drei Jungs, die zusammen Musik machen. Zwei Tracks des meist live und improvisiert eingespielten Albums demonstrieren das nachdrücklich: das Traditional „Recruited Collier“ – Yorkston singt die ersten Strophen konventionell auf seine unkonventionelle Art, sanft gesellt sich die Sarangi zur Gitarre, Khan stimmt auf Hindi ein, punktuell intoniert der Kontrabass die Melodie, eine kurze Improvisation folgt, um dann den Schluss der Ballade entspannt ausklingen zu lassen; oder Yorkstons reflexives, leises „The Blues You Sang“ für einen viel zu früh verstorbenen Musikerkollegen. Da singen alle drei, und wenn Khan auf Hindi einsetzt und der Bass das Thema übernimmt, dann ist das kein Bruch, sondern im Wechsel mit dem englischen Text eine Vertiefung der Stimmung. Erneut ein grandioses Album und zwei Musskonzerte in Rudolstadt.
Mike Kamp
 SOPHIE ZELMANI : My Song
SOPHIE ZELMANI
My Song
sophie-zelmani.com
(Oh Dear Recordings/Cargo Records)
10 Tracks, 33:59 , mit engl. Texten


Man mag sie für ein Leichtgewicht halten, mit ihrer reizenden Stimme und den schönen Melodien, den einprägsamen Riffs und streicherverzierten Balladen. Aber die schwedische Songschreiberin ist kein Sonnenscheinchen in ihren Liedern, es wird viel getrauert und geweint. Sie lässt sich lieber vom Regen als von der Sonne schützend einhüllen, was wie ein Lobgesang auf die Melancholie klingt, und so ist es wohl auch gemeint. Immerhin entschuldigt sie sich im verführerischen Opener „Bless Me“ bei den Freunden des Sommers, um doch sofort wieder Sturm herbeizuwünschen. Den bekommt Zelmani beispielsweise dann, wenn sie über eine Liebe sagt: „We’re not together / We are not near / We didn’t make us happen / There are no victims here.“ Die Stücke bestehen in einer intimen Atmosphäre, hingetupft von Bassist Thomas Axelsson, Drummer Peter Korhonen und Lars Halapie an Tasten und Saiten, der auch arrangiert und produziert hat. Es geht sehr still zu auf Zelmanis zwölftem Album, zeitweise etwas zu schön, aber alles wirkt wie aus einem Guss. Und wenn sich das jemand um Mitternacht anhört, wirkt My Song wahrscheinlich gefährlich sentimental. Obacht also!
Volker Dick

Afrika
 ORCHESTRA BAOBAB: Tribute To Ndiouga Dieng
ORCHESTRA BAOBAB
Tribute To Ndiouga Dieng
orchestrabaobab.com
(World Circuit Records WCD 092/Indigo)
Promo-CD, 10 Tracks, 42:44


Sehr viele von den Originalmitgliedern sind beim aktuellen Orchestra Baobab nicht mehr dabei. Das kann man auch kaum erwarten, gehen doch die Anfänge dieses Orchesters auf das Jahr 1970 zurück, als es sich aus den Trümmern der Star-Band formierte. Nach mehreren längeren Schaffenspausen und zuletzt zehn Jahren Ruhe ist Tribute To Ndiouga Dieng eine Art Neuanfang, denn Gründungsmitglied und Sänger Ndiouga Dieng verstarb im vergangenen November. Und mit ihm verschwindet im Grunde die Epoche, in der diese Band groß wurde. Auch Originalgitarrist und Gründungsmitglied Barthelemey Attisso steht derzeit nicht mehr auf der Besetzungsliste. Als erfolgreicher Anwalt hat er einfach wenig Zeit für die Musik. Seine perlenden Gitarrenläufe prägten früher den Klang der Band. Auf Tribute To Ndiouga Dieng hat die Kora diese Funktion übernommen. Neu hinzugekommen ist auch das Saxofon. Obwohl beides im Vordergrund steht, hat sich am Sound der Band wenig verändert. Rumba mit afrokubanischem Swing erklingt auf diesem Album, wie dies seit beinahe fünfzig Jahren der Fall ist. Orchestra Baobab machen im Grunde vollkommen unzeitgemäße Musik, was als Vor-, vielleicht auch als Nachteil gesehen werden kann. Baobab zieht einfach seine Runden, wie ein Satellit im Weltall seine Umlaufbahnen zieht.
Michael Freerix



Nordamerika
 ERIC BIBB: Migration Blues
ERIC BIBB
Migration Blues
ericbibb.com
(Dixi FrogDFGCD8795/H’Art)
15 Tracks, 48:59 , mit engl., franz. u. dt. Texten u. Infos


Mit seiner neuen Produktion Migration Blues wolle er unseren Verstand und unser Herz für die Notlage der Flüchtlinge öffnen, schreibt Eric Bibb, der amerikanische Groß- und Altmeister des akustischen Folkblues, im 32 Seiten starken Booklet. Der großartige Singer/Songwriter und Gitarrist bildet hier ein Trio mit JJ Milteau, der einfühlsam die Mundharmonika spielt, und Michael Jerome Browne, der verschiedene sechs- und zwölfsaitige Gitarren sowie Banjo und Mandoline aufs Schönste zum Klingen bringt. Die Kompositionen des Weltbürgers Bibb haben enorme und geradezu süchtig machende Kraft. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und weist auf Ungerechtigkeiten und Vorurteile gegenüber anderen Kulturen hin. „Wir alle“, sagt er, „stammen von Menschen ab, die irgendwann einmal auswandern mussten.“ Das trifft genau den Punkt. Bei zwei Liedern dieser vom ersten Ton an überzeugenden Produktion ist Olle Linder an Schlagzeug und Bass mit dabei, bei „Praying For Shore“ singt Big Daddy Wilson, bei „Morning Train“ seine Frau (ebenfalls Musikerin) Ulrika Bibb. Durch das wunderschöne und aufwendige Digipack wird das Ganze perfektioniert. Ein Muss im CD-Regal jedes Liebhabers der Bluesmusik.
Annie Sziegoleit
 PIETA BROWN: Postcards
PIETA BROWN
Postcards
pietabrown.com
(Lustre Records LUS 001)
10 Tracks, 40:20 , mit Infos


Viele Namen geben sich auf dem neuen Album von Pieta Brown ein Stelldichein, unter anderem sind Calexico, Mike Lewis, David Mansfield, Mason Jennings, Mark Knopfler, David Lindley, Eric Heywood und The Pines auf dem Cover als Gastmusiker angeführt. Diese Menge an versierten Musikern könnte zu einer gewissen Gesichtslosigkeit der Songs führen, doch das ist nicht der Fall. Gesang und Musikerpräsenz Browns stehen ganz klar im Vordergrund der zehn Songs von Postcards. Dies ist insgesamt sicher in seiner Ausgewogenheit und Vielfältigkeit dem Gitarristen und Produzenten dieses Albums, Bo Ramsey, zu verdanken. Mit Pieta Brown legte die Musikerin 2002 ihr Debütalbum vor. Mit 29 Jahren hatte sie als Tochter eines Musikers damals bereits einige Runden im Musikgeschäft gedreht und eine Menge Songs geschrieben. Seither hat sich die Qualität ihrer Lieder, die Folk mit Blues eigensinnig miteinander mischen, eher verbessert. Vielleicht ist sie bei allem keine wandlungsfähige Sängerin, weshalb man auf die Idee kam, viele befreundete Musiker mit hinzuzuziehen, doch bleibt alles in einem überschaubaren Rahmen. Ganz im Gegenteil, die Stärke der Musikerin Pieta Brown tritt auf diese Weise ganz klar in den Vordergrund.
Michael Freerix

 COLIN HAY: Fierce Mercy
COLIN HAY
Fierce Mercy
colinhay.com
(Compass Records 7 4680 2)
13 Tracks, 51:53 , mit engl. Texten u. Infos


Colin Hay, die Stimme von Men At Work, mit seinem neuen Werk. Die Stimme, um es vorwegzunehmen, hat kein bisschen Rost angesetzt und ist ein starkes Argument für dieses Album. Außerdem gibt es wunderschön arrangierte, echt eingespielte Streichersätze. Die Stücke, größtenteils zusammen mit Michael Georgiades geschrieben, können nicht mithalten, das muss man leider sagen. Eines toll, zwei, drei bleiben hängen, der Rest verläuft sich im Mediokren. Der Großteil des Albums wurde in Hays eigenem Studio in L. A. aufgenommen, die Streicher und einige zusätzliche Spuren auf Initiative von Garry West von Hays Label Compass Records in Nashville. Trotz dieses Herausholens aus der eigenen „Komfortzone“, wie Hay sagt, leiden die Arrangements unter Betulichkeit und Blutarmut – da wäre mehr drin gewesen. So hat das Ganze zwar ein unaufdringliches Countryflair, das aber keine Akzente setzt und zudem wenig ambitioniert wirkt. Anders als zum Beispiel dem Fischer-Z-Veteranen John Watts, der wie Hay seit dem kommerziellen Höhepunkt in den Achtzigern weiter regelmäßig Soloalben veröffentlicht wie auch jetzt gerade wieder, scheint es Colin Hay um nicht mehr viel zu gehen. Muss es auch nicht, aber schade ist es trotzdem.
Dirk Trageser
 HAYSEED DIXIE: Free Your Mind … And Your Grass Will Follow
HAYSEED DIXIE
Free Your Mind … And Your Grass Will Follow
hayseed-dixie.com
(Hayseed Dixie Records HDCDP2017/Cargo Records)
Promo-CD, 13 Tracks, 46:30


Die selbsternannten Erfinder des Genres „Rockgrass“ sind wieder da und präsentieren auf ihrem mittlerweile fünfzehnten Studioalbum das, was sie am besten können: mehr oder weniger bekannte Stücke aus Rock, Pop und Soul in ein Bluegrassgewand kleiden und glaubhaft vortragen. Wer Hayseed Dixie lediglich für eine Truppe hält, die einen wilden Soundtrack zu grenzenlosen Biergelagen liefert, tut dem Quartett aus Nashville unrecht. Tatsächlich sind sie sehr gute Musiker, die Geschmack beweisen und Ideenreichtum, wenn sie Songs in ihre Welt herüberholen. Und diese Welt leuchtet bunt, reicht von Metal bis Reggae. Eine Menge Soulnummern sind diesmal ins Programm gelangt, etwa Marvin Gayes „What’s Going On“ und „When The World Gets Small“ von den O’Jays sowie die Temptations-Nummer „Ball Of Confusion“. Zum musikalischen Kosmos der Bluegrasser gehören aber ebenso Elvis Costello, Michael Jackson und Lynyrd Skynyrd, von denen sie „The Ballad Of Curtis Loew“ interpretieren. Möglicherweise hat ihr intensives Touren durch Deutschland dazu geführt, dass auch ein hiesiger Song ins Repertoire gerutscht ist, „Vom selben Stern“ von Ich + Ich nämlich. Wunderbar, wie das alles funktioniert.
Volker Dick

 POOR NAMELESS BOY : Bravery
POOR NAMELESS BOY
Bravery
poornamelessboy.com
(Dan Can & Chronograph Records/Rough Trade CR-051D)
10 Tracks, 39:58 , mit engl. Texten u. Infos


Der aus einer Musikerfamilie stammende Singer/Songwriter und Gitarrist Joel Henderson aus Kanada komponiert und spielt Folk und Country mit Roots- und Jazzanleihen. Mit seiner dritten Veröffentlichung gelingt ihm der Sprung an die Spitze der traditionellen Geschichtenerzähler. Überzeugend präsentiert er Lieder über das Leben, die Liebe und deren Unbeständigkeit in unserer schnelllebigen Zeit. Zu kleinen Perlen werden die Stücke durch Hendersons Melancholie. Titel wie „Saturn“ und „Bravery“ setzen ruhige Akzente mit Hoffnung und Mut. Bei „River And Trees“ werden leicht rockige Grooves eingesetzt. Unterstützt wird der junge Künstler, der seinen Weg gehen und sicher auch in Europa zum Zug kommen wird, von Thomas St. Onge (Gitarre), Brad Prosko (Bass), Carmelle Pretzlaw (Violine), Kyle Halverson (Schlagzeug) und bei zwei Stücken von Tenille Arts, Denise Valle und Chris Henderson mit Backgroundgesang. Eine insgesamt stimmige Produktion.
Annie Sziegoleit



Lateinamerika
 BABY DO BRASIL: Baby Sucessos – A Menina Ainda Dança
BABY DO BRASIL
Baby Sucessos – A Menina Ainda Dança
(Coqueiro Verde CV20445)
CD plus DVD, 13 Tracks, 78:53


Baby Consuelo alias Baby do Brasil ist in Brasilien eine Popikone, optisch mit Nina Hagen vergleichbar, musikalisch eher der MPB und dem Mainstreampop zuzurechnen. Sie gehörte den Novos Baianos an, einer der wichtigsten brasilianischen Rockgruppen und Hippiekommune. Aus ihr gingen einflussreiche Musiker wie Dadi oder Pepeu Gomes hervor. Baby do Brasil war in den Achtzigern am erfolgreichsten, bekam sechs Kinder und widmete sich nach 1998 nur noch einer evangelikalen Sekte. Zu ihrem sechzigsten Geburtstag gönnte sie 2014 ihren Fans eine Wiederauferstehung, ließ ihren Sohn Pedro Baby (E-Gitarre) eine tolle Band mit vielen Bläsern zusammenstellen und gab in Rio ein Konzert, das auf DVD und CD mitgeschnitten wurde. Das war natürlich ein besonderes Ereignis, bei dem es sich selbst Caetano Veloso nicht nehmen ließ, als Gast aufzutreten. Musikalisch holt Baby alles aus ihren Hits heraus. Mal geht es Richtung Rock, die Bläser klingen durchaus funkig, aber sie zeigt auch, dass sie mal Samba gespielt hat oder wie eine Jazzsängerin scatten kann. Die Kompositionen sind eher durchschnittlich, wirken aber gerade durch die fetzigen Arrangements mitreißend. Und Babys punkiges Outfit ist ein Hingucker.
Hans-Jürgen Lenhart



Asien
 DIVERSE: Lost In China
DIVERSE
Lost In China
worldmusic.net
(Riverboat Records TUGCD1098/Harmonia Mundi)
Promo-CD, 15 Tracks, 53:21


Zugegeben, Sampler fristen in diesem Magazin oft ein Schattendasein in den Rubriken „Kurzschluss“ oder „Gelistet“, sind sie doch zumeist Infoträger für das Programm eines Plattenlabels. Von Zeit zu Zeit erscheinen jedoch klug und engagiert zusammengestellte Kompilationen, bei denen sich Informations- und Erkenntnisgehalt bestens ergänzen. Dem Briten Sam Debell ist hier ein solches Werk gelungen, einerseits Labelpromo, andererseits kompetenter Überblick über die chinesische Folkrockszene der Gegenwart. Als Percussionist der enorm populären Folkrockband Shanren aus der Provinz Yunnan ist er bestens vernetzt, und so stellt er hier zwölf Bands und Interpreten vor, die ihre auf traditionellen Klangmustern und Instrumenten basierende Musik mit Einsprengseln aus westlicher Rockgeschichte kombinieren, was zu komplett neuen, aber dennoch seltsam vertrauten Ergebnissen führt. Ein charmantes Beispiel dafür ist der Song „Ma Ni Gari Ge“ des ehemaligen Hanggai-Sängers Wu Junde, in dem immer wieder Jethro-Tull-artige Flötenschnipsel auftauchen. Oder „Good Girl“ von South City Second Brother, dessen Riffs mal nach „Centerfold“ der J. Geils Band und mal nach „Satellite“ der Hooters klingen. Ein großer Spaß.
Walter Bast



Australien/Ozeanien
 CARUS THOMPSON: Island
CARUS THOMPSON
Island
carusthompson.com
(Mind’s Eye Records CAR012/MGM Distribution)
10 Tracks, 37:00 , mit Texten u. Infos


Auch nach einer Studiopause von sechs Jahren versteht es der australische Singer/Songwriter weiterhin, seine Geschichten über die Außenseiter der Gesellschaft in eingängigen Folkpop zu kleiden. Flossen zuvor Erfahrungen des ständigen Unterwegsseins in die Lieder ein, scheint Thompsons Musik nun die Veränderung zu spiegeln, die das Leben als zweifacher Familienvater mit sich bringt – „Change, like bittersweet summer rain“ singt er entsprechend in „Trains And Submarines“. Musikalisch äußert sich das in einer etwas glatteren Produktion, und den markanten rauen Gesangsstil, den er gerne einsetzte, um Erfahrungen der Gebrochenheit wiederzugeben, hört man nur noch gelegentlich, zum Beispiel, wenn er in „Beach Fires“ davon erzählt, wie Drogen Menschen das Leben zur Hölle machen, oder in „Go There With You“ mit Demut die Geborgenheit besingt, die Liebe bringen kann. Mag das Ganze musikalisch etwas einförmiger daherkommen, seine Texte greifen weiter Themen von gesellschaftlicher Relevanz auf, und Thompson behält die Missachteten, Abgehängten, Zurückgelassenen im Blick. So auch, wenn er in „Postcode“ eindringlich das Phänomen der Gentrifizierung thematisiert. Und es bleibt dabei: Seine Lieder gewinnen mit mehrmaligem Hören.
Stefan Backes



International
 LIGHT IN BABYLON: Yeni Dunya
LIGHT IN BABYLON
Yeni Dunya
lightinbabylon.com
(Eigenlabel)
10 Tracks, 39:31


Wie es der Name der Istanbuler Band vermuten lässt, entfacht sie ein kulturelles Feuerwerk. Allen voran die charismatische und kraftvolle Sängerin Michal Elia Kamal, die auch für die türkischen und hebräischen Texte verantwortlich zeichnet. Die Israelin mit iranischen Wurzeln bildet seit 2009 gemeinsam mit dem exzellenten französischen Gitarristen Julien Demarque und dem türkischen Santurvirtuosen Metehan Çiftçi den Kern des Ensembles, das sich der Verschmelzung verschiedenster ethnischer Musikstile verschrieben hat. Auf ihrem aktuellen Album, das auf Türkisch „Neue Welt“ betitelt ist, präsentieren sie sieben eigene Kompositionen, die von der türkischen, der sephardischen und der europäischen Tradition inspiriert sind. Dazu covern sie in eigenen Arrangements zwei türkische Folksongs. Krönender Abschluss des energievollen Albums ist jedoch ihre eigenwillige Interpretation des John-Lennon-Klassikers „Imagine“. Wer hätte gedacht, dass der Song auch mit einem türkischen Beat und arabischer Gesangsführung gut klingt? Begleitet wird das Light-In-Babylon-Trio auf seinem aktuellen Werk vom schottischen Percussionisten Stuart Dickson, dem Bassisten Jack Buttler und dem türkischen Klarinettisten Ceyhun Kaya.
Erik Prochnow
 META AND THE CORNERSTONES: Hira
META AND THE CORNERSTONES
Hira
metaandthecornerstones.com
(Baco Records/Indigo)
Promo-CD, 14 Tracks, 70:07


Die Zukunft der Reggaemusik ist international. Den Beweis dafür liefert der für Texte, Musik sowie die gesamte Produktion verantwortliche Meta Dia mit seinem neuen Album Hira gleich mehrfach. Nach einem über anderthalbjährigen Fundraisingprozess und Aufnahmen in den Niederlanden, Jamaika, Paris und New York landete die Produktion schließlich in Peter Gabriels Real World Studios in England. Zum authentischen Reggae trug eine illustre Schar von Musikern bei. Unter anderem Dean Fraser und Rupert McKenzie aus Jamaika sowie Fixi, Rico Gaultier, Stanislas Steiner, Simon Roger und Mato Cirade aus Frankreich und Beuz Thiombane aus dem Senegal, daneben Musiker aus Algerien, Japan, Suriname, Curacao und den Niederlanden. Für zwei Titel konnte Meta Dia die spanische Sängerin Concha Buika gewinnen. Es wird in Englisch, Arabisch, Fulani und Wolof gesungen. Zu hören sind neben Rootsreggae Einflüsse von Bossa Nova, orientalischem Groove, marokkanischem Gnawa, klassischem Jazz, Flamenco und afrikanischem Rock. Die Musik vereint eine tiefe Spiritualität über alle kulturellen und religiösen Grenzen hinweg. Der senegalesische Musiker Meta Dia verbindet mit seiner Musik eine universelle Botschaft von Liebe und Frieden. Besonders widmet er sich den Beziehungen der Menschen untereinander und ihrem Glauben in der heutigen Gesellschaft. So heißt es im Titel „Zion Stereo“: „Salam (Peace) is our doctrine, our cornerstone.“
Christoph Schumacher

Kurzrezensionen
 CHANTAL ACDA: Bounce Back
CHANTAL ACDA
Bounce Back
chantalacda.com
(Glitterhouse/Indigo)
9 Tracks, 50:35


Chantal Acda ist eine belgische Singer/Songwriterin, die auf Englisch schreibt und singt. Zart-melodischer Indiefolk, schönes Album.
chr
 AFROTYSONIA: Dance On The Roof
AFROTYSONIA
Dance On The Roof
facebook.com/afrotysonia
(Eigenverlag)
9 Tracks, 37:43


Ganz auf eigene Faust hat das Trio aus Helsinki ein im positiven Sinne gefälliges, eingängiges Debütalbum mit hohem Groovefaktor eingespielt, einen Mix aus Afrojazz, Reggae und Folk. Sonja Korkman besorgt die Lead Vocals, Aino Kurki setzt brillant seine Kantele wie eine Kora ein, Macoumba Ndiaye liefert die Percussion. File under: Afro-Suomi-Pop.
rs

 PETE ALDERTON: Something Smooth
PETE ALDERTON
Something Smooth
pete-anthony-alderton.com
(Songways SW515CD/Ozella Music)
12 Tracks, 45:56


Akustikblues der gefühlvollen Art. Auch bei den Interpretationen „Malted Milk“ und „Revelation Blues“ von Robert Johnson bleibt Alderton mit einschmeichelnder Stimme und zurückhaltendem Gitarrenspiel versöhnlich. Die tolle Produktion tut ein Übriges. Entspannter Blues der feinen, subtilen Art.
ah
 SERGE ANANOU: Bônou
SERGE ANANOU
Bônou
sergeananou.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 41:20


Das Erstlingswerk des Chansonniers aus Benin glitzert wie ein funkelnder Diamant in der afrikanischen Sonne. Ananou singt engagiert vorwiegend in seiner Muttersprache. Die musikalisch feingeschliffene Fusion der Musikstile durch französische Musiker, die er während seines Studiums in Paris fand, trägt leichtfüßig auch engagierte Texte.
cs

 ARMAS: Metsästä Kuuluu
ARMAS
Metsästä Kuuluu
armasyhtye.wordpress.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 48:06


Fünfköpfige finnische Band, legt schwungvoll instrumental los, um ländliche finnische Tanzmusik früherer Zeiten vorzustellen, und klingt dabei wie Liederjan in frühen Zeiten. Choralgesang zeigt dann eine andere Seite, und richtig aufregend wird die Musik durch den Einsatz von Vogelgezwitscher und Lulletti, einer Art hölzernen Lure.
gh
 CAMERON AVERY: Ripe Dreams, Pipe Dreams
CAMERON AVERY
Ripe Dreams, Pipe Dreams
cameronavery.com
(Anti-/Indigo)
10 Tracks, 39:41


Der in Los Angeles lebende Australier bietet eine Mixtur aus Americana, Rock und Singer/Songwriter-Musik. In seinen teils überbordend arrangierten Songs mit krachigen Drums, aber auch sinfonisch anmutenden Streichersätzen, geht es um die Liebe und das Leben. Dennoch verfliegen die knapp vierzig Minuten des Albums, ohne sich musikalisch groß ins Ohr zu nisten.
uj

 Philippe Baden Powell: Notes Over Poetry
Philippe Baden Powell
Notes Over Poetry
philippebadenpowell.com
(Far Out Recordings FARO196CD)
10 Tracks, 43:26


Dass der Sohn von Brasiliens Musiklegende Baden Powell Klavier statt Gitarre spielt und ganz anders klingt, ist für ihn schon mal richtig. Man bekommt eher verhaltenen, von RnB wie auch von der MPB der Sechzigerjahre beeinflussten Smooth Jazz serviert, der Abwechslung durch verschiedene Gäste bietet. Insgesamt aber noch Luft nach oben.
hjl
 IVA BITTOVÁ & ČIKORI: At Home
IVA BITTOVÁ & ČIKORI
At Home
bittova.com
(Pavian Records PM0100-2/Broken Silence)
9 Tracks, 61:00


Sie ist bekannt dafür, eigene musikalische Wege zu gehen. Das demonstriert die tschechische Sängerin und Violinistin einmal mehr auf ihrem neuen Werk. Gekonnt verbindet sie slawische Folklore, Improvisation, Jazz und Pop zu einem avantgardistischen Gesamtkunstwerk. Dabei brilliert sie auf Tschechisch genauso wie auf Englisch.
ep

 BLUES ROCKET MEN: Lifted
BLUES ROCKET MEN
Lifted
stormy-monday-records.de
(Stormy Monday Records/Mäule und Gosch)
14 Tracks, 58:29


Gitarre, Bass, Schlagzeug – das elektrische Trio der Blues Rocket Men bewegt sich stilistisch gekonnt zwischen Blues, Funk, Swing und psychedelischem Rock. An sich ist das nun nichts revolutionär Neues, wenn es aber so gekonnt und mit Groove dargeboten wird, immer eine Empfehlung wert.
ah
 GOTTFRIED BÖTTGER & HENNING PERTIET: Family Boogie Live
GOTTFRIED BÖTTGER & HENNING PERTIET
Family Boogie Live
pertiet.de
boettger.net
(Stormy Monday Records M081443/Mäule und Gosch)
20 Tracks, 67:51


„Gottfried heißt der Knabe da hinten am Klavier …“, sang einst Udo Lindenberg und meinte damit den Bandpianisten Gottfried Böttger. Gemeinsam mit Henning Pertiet zeigt dieser nun alle Facetten des Blues-, Boogie-Woogie- und Ragtime-Pianos auf, zitiert Thelonious Monk ebenso wie Jelly Roll Morton. Fantastisch!
ah

 INGRIED BOUSSAROQUE: Islands
INGRIED BOUSSAROQUE
Islands
ingried.com
(Eigenverlag)
9 Tracks, 33:43


Die Künstlerin aus Montreal hat ein neues Ziel. Die Reisende mit der großen Stimme ist musikalisch unterwegs von ihrer Heimat Quebec nach Galicien, dann nach Island und Skandinavien, um letztes Jahr auf der schottischen Insel Barra anzukommen. Ein stimmiges, karg instrumentiertes, eigenwilliges Lieddokument mit Schwerpunkt auf Schottland.
mk
 RETO BURRELL: Side A & B
RETO BURRELL
Side A & B
retoburrell.ch
(Tourbo Music 010)
14 Tracks, 50:55


Das elfte Album im zwanzigjährigen Musikschaffen des Schweizer Songschreibers zeigt ihn von zwei Seiten. Side A steht für Indierock, Side B für akustisches Material mit Americana-Touch. Burrels Stimme und die Gitarrenhooklines erinnern an Tom Petty. Grundsolides Handwerk eines Musikers, der längst wie einer von der anderen Seite des großen Teichs tönt.
mst

 CARO KISTE KONTRABASS: Fahrlässige Poesie
CARO KISTE KONTRABASS
Fahrlässige Poesie
carokistekontrabass.de
(DMG Germany/Broken Silence)
11 Tracks, 47:57


Das Trio um Frontfrau Carolin Wendel aus Kassel singt, säuselt und swingt auf seinem zweiten Album, der Bandname verrät es, mit Cajón und Bass poetische Texte über Beziehungen, Alltägliches, Gesellschaftliches. Eine Produktion voller leichtfüßiger Melodien und intelligenter Texte zum Hören und Mitwippen.
k
 CHAPLIN: Wenn uns morgen keiner weckt
CHAPLIN
Wenn uns morgen keiner weckt
chaplin.de
(Tapete Records)
9 Tracks, 37:41


Ausdrucksstark inszenierte und arrangierte Stücke von dramatischer Melancholie, mit effektvoll eingesetzten Instrumenten. Hier verhallt eine Trompete, da gibt eine Orgel etwas Retroflair. Dass es überwiegend an Element of Crime erinnert, hat vielleicht mit dem Produzenten und EOC-Gründungsmitglied Jakob Ilja zu tun. Macht nix. Schöne, gut zu hörende Geschichten.
is

 Hamilton De Holanda & O Baile Do Almeidinha: Hamilton De Holanda & O Baile Do Almeidinha
Hamilton De Holanda & O Baile Do Almeidinha
Hamilton De Holanda & O Baile Do Almeidinha
hamiltondeholanda.com
bailedoalmeidinha.com.br
(Brasilianos BRP015B)
Promo-CD, 14 Tracks, 50:22


Bandolimvirtuose de Holanda kooperiert hier mit einer Bläsertruppe und Percussionisten, was die Musik sehr dynamisch macht. Seine irrwitzigen Läufe auf der brasilianischen Mandoline sind noch verblüffender als sonst, zumal er sie oft unisono mit der Band spielt. Und viele ohrwurmartige Melodien lockern die komplexe Musik auf.
hjl
 DIVERSE: Musique Du Cameroun
DIVERSE
Musique Du Cameroun
(Popular African Music Copam 810)
Do-CD, CD 1: 22 Tracks, 77:10, CD 2: 18 Tracks, 77:53


Ein vorbildliches Joint Venture, das das Iwalewa-Haus der Uni Bayreuth mit Wolfgang Bender, seines Zeichens Experte in Sachen Musik aus Afrika, und Labelchef Günter Gretz mit weiteren Partnern realisieren konnte: die Digitalisierung von Raritäten aus den Sechziger- und Siebzigerjahren des analogen Audioarchivs von Radio Kamerun (über 600 Gigabytes!).
rs

 DIVERSE: Nordic Notes Vol. 4
DIVERSE
Nordic Notes Vol. 4
nordic-notes.de
(Nordic Notes NN087)
20 Tracks, 76:20


Wieder einmal sammelt der „Botschafter des finnischen Folk“, Christian Pliefke, zwanzig Perlen zum Entdecken und Liebhaben. Von Frigg über Pekko Käppi bis zu Okra Playground finden sich auch für den Skandinavisten neue Namen. Der Sampler enthält ohne Ausnahme großartige Musik von großartigen Musikern und liefert so den vorzeitigen Weihnachtswunschzettel.
ce
 DIVERSE: The Park Bar – 50 Years Of Ceilidh Music
DIVERSE
The Park Bar – 50 Years Of Ceilidh Music
(Eigenverlag)
19 Tracks, 71:41


Schon mal in der Park Bar in der Nähe des Kelvingrove Museums in Glasgow gewesen? All die weniger und mehr bekannten Künstler (Skerryvore, Trail West, Garry Innes etc.) dieses Albums haben dort schon zum Ceilidh aufgespielt. Um das zu schätzen, muss man tatsächlich vor Ort gewesen sein, und daher gibt es die Scheibe auch ausschließlich in der Bar.
mk

 DIVERSE: The Rough Guide To Hillbilly Blues
DIVERSE
The Rough Guide To Hillbilly Blues
worldmusic.net
(Music Rough Guides RGNET1357CD/Harmonia Mundi)
25 Tracks, 75:20


Dass Countryblues nicht allein Sache der schwarzen US-Amerikaner war, dokumentiert dieser Sampler. Er präsentiert klassische und rare Aufnahmen weißer Künstler wie Jimmie Rodgers oder Charlie Poole aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren. Dabei wird deutlich, wie groß der Einfluss des Blues auch in der weißen Arbeiterklasse gewesen ist.
vd
 DIVERSE TMSA: Young Trad Tour 2015
DIVERSE TMSA
Young Trad Tour 2015
tmsa.org.uk
(Traditional Music & Song Association TMSA15)
11 Tracks, 38:14


Eine eindrucksvolle Demonstration des Könnens der schottischen Nachwuchskräfte – sieben an der Zahl –, von denen über die Hälfte bereits richtig gut im Geschäft sind, nämlich die Sängerinnen Claire Hastings, Robyn Stapleton und Ainsley Hamill sowie der Ausnahmefiddler Ryan Young. Einzeln und gemeinsam, produziert von Corrina Hewat.
mk

 JIGME DRUKPA: Bhutan Himalaya – Folk Music From Bhutan
JIGME DRUKPA
Bhutan Himalaya – Folk Music From Bhutan
nordicsound.no
(Nordic Sound NOSCD 1982)
15 Tracks, 53:59


Selten gehörte Musik vom Dach der Welt. Das vierte Album des Sängers und Instrumentalisten (Flöte, Laute, Hackbrett, Maultrommel) aus dem Königreich zwischen Tibet und Indien enthält Material aus den Jahren 1999 und 2016. Aufgenommen und produziert wurde die CD wiederum vom Norweger Ove Berg, der bereits 1998 für Drukpas Debütalbum verantwortlich war.
wb
 ELÉONOR: Vive
ELÉONOR
Vive
eleonor.be
(I-C-U-B4-T/Music & Words)
12 Tracks, 48:27


Die belgische Sängerin singt auf ihrem zweiten Album nicht ausschließlich in lateinischer Sprache, aber überwiegend. Musikalisch bietet sie angenehmen Adult Pop mit Folk- und Jazzeinflüssen.
chr

 ENSEMBLE VINOROSSO: Unterwegs
ENSEMBLE VINOROSSO
Unterwegs
ensemble-vinorosso.de
(Kaleidos KAL 6335-2)
16 Tracks, 72:15


Das unter Leitung von Florian Strubenvoll (cl) stehende dreißigköpfige Ensemble wurde vor dreizehn Jahren gegründet. Ein albanischer Walzer, ein rumänischer Swing oder ein alter jüdischer Bulgar legen für die Gattung Weltmusik Zeugnis ab, was diese Wortschöpfung ursprünglich bedeutete: Musik der Welt.
mg
 ESPAÑA CIRCO ESTE: Scienze Della Maleducazione
ESPAÑA CIRCO ESTE
Scienze Della Maleducazione
espanacircoeste.com
(t3 Records)
10 Tracks, 31:44


Zwei Italiener und zwei Argentinier kochen ihren Mestizomix mit viel Italianità, Punk, Ska, Balkan und ein wenig argentinischer Melancholie. Die Botschaft ist klar: weg mit prüden Umgangsformen und der grenzenlosen Hingabe an den Mammon, hin zu amore, alegría e anarquía. Gesangssprache ist „Spanienisch“. Toll als Straßenmusik oder auf Open Airs.
mst

 EXPRESS BRASS BAND: Pluto kein Planet
EXPRESS BRASS BAND
Pluto kein Planet
expressbrassband.de
(Trikont US-0484)
14 Tracks, 63:08


Verdammt heiße Sache das. Die von Bläsern dominierte Truppe aus München gibt Volldampf, mischt Jazz, Soul und Afrikanisches mit orientalischer Musik und pustet einem irgendwie die ganze Welt um die Ohren. Da finden auch in Deutschland gestrandete syrische Musiker ihren Platz sowie andere musikalische Gäste, etwa Embryo-Kopf Christian Burchard.
vd
 FAUN: Midgard – Tour Edition
FAUN
Midgard – Tour Edition
faun-music.com
(Music/Electrola)
Do-CD, CD 1: 15 Tracks, 56:56, CD 2: 8 Tracks, 39:15


Faun gehören mit ihrem selbst kreierten Pagan Folk seit fünfzehn Jahren zu den Größen der Mittelalterszene. Sie kombinieren romantische und mythische Texte mit einer Musikmischung aus Folk, Pop, Mittelalter und Elektronik. Midgard war ihr Studioalbum zur Mythologie der Germanen und Wikinger (siehe Folker 6/2016). Das aktuelle Live-Doppelalbum bringt den Mitschnitt der gleichnamigen Akustiktour 2016.
pp

 DUO FJERDINGØY & ANDERSSON: Jag Levde Den Tiden
DUO FJERDINGØY & ANDERSSON
Jag Levde Den Tiden
fjerdingoyandersson.com
(Wanna Dance Records)
15 Tracks, 46:50


Der Norweger Hilde Fjerdingøy (Akkordeon) und die Schwedin Hanna Andersson (Geige) sind Absolventinnen der skandinavischen Musikakademien. Für ihr Debütalbum haben sie sich Melodien ausgesucht, die vor hundert Jahren Hits waren, komponiert von Hans T. Haugen und Gustaf Jernberg. Der Zusammenklang ihrer Instrumente ist außergewöhnlich harmonisch und bewegend.
bk
 RENAUD GARCÍA FONS: La Vie Devant Soi
RENAUD GARCÍA FONS
La Vie Devant Soi
renaudgarciafons.com
(E-Motive Records/L’Autre Distribution)
11 Tracks, 56:04


Eine Hommage an seine Geburtsstadt Paris präsentiert der Ausnahmekontrabassist Renaud García Fons. David Venitucci (acc) und Stephan Caracci (vib, perc) begleiten ihn auf einer Reise, die den französischen Jazz des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts auferstehen lässt, ohne nostalgisch verklärt zu wirken.
rb

 GENTLEMAN’S DUB CLUB: Dubtopia
GENTLEMAN’S DUB CLUB
Dubtopia
gentlemansdubclub.com
(Easy Star Records ES-1059/Groove Attack)
13 Tracks, 53:21


Nichts weniger als die Befreiung von Stress, Ungerechtigkeit und Heuchelei versprechen die Musiker den Hörern. Gute-Laune-Musik, mit der es sich prima in ein musikalisches Paradies abseits des Alltags träumen lässt. So schwebt denn auch schon auf dem Cover ein buntes Utopia über dem industriestädtischen Grau. Sommerpartymusik.
cs
 TIM GRIMM AND THE FAMILY BAND: A Stranger In This Time
TIM GRIMM AND THE FAMILY BAND
A Stranger In This Time
timgrimm.com
(Cavalier Recordings CR 255619/Fenn Music Service)
11 Tracks, 42:20


Tim Grimm schreibt die Songs und singt, doch die gesamte Familie Grimm spielt mit. Banjo und akustische Gitarre, gepaart mit vielstimmigem Gesang, gelegentlich ist auch eine Fiddle zu hören. Familie Grimm hält zusammen, was den Songs mit Bluegrass- und Folkeinflüssen hörbar guttut.
mf

 MEHMET EVREN HACIOĞLU: Der Winter ist verstummt
MEHMET EVREN HACIOĞLU
Der Winter ist verstummt
facebook.com/mehmetevren.hacioglu
(Acoustic Music Records 319.1556.2/Rough Trade)
8 Tracks, 44:05


Musik zwischen religiösem Tiefgang und heiterem Volkstanz. Mit sonorer Stimme und virtuosem Spiel auf dem Divan Saz genannten größten Instrument der türkischen Langhalslautenfamilie singt und spielt sich der 35-Jährige durch ein sorgsam ausgewähltes Repertoire aus der vielfältigen musikalischen Tradition Anatoliens. Beeindruckend schön.
wb
 TIGRAN HAMASYAN: An Ancient Observer
TIGRAN HAMASYAN
An Ancient Observer
tigranhamasyan.com
(Nonesuch Records 5890905)
Promo-CD, 10 Tracks, 45:03


Der Echo-Jazz-Preisträger wird spätestens nach dem Erscheinen seines gefeierten Werkes Mockroot vor zwei Jahren in der Musikwelt hoch gehandelt. In seinen zehn Kompositionen besticht Hamasyan wiederum durch sein exzellentes Klavierspiel und eine Mischung aus traditionellen Melodien, Improvisationen, Hip-Hop und elektronischen Einflüssen.
ep

 JOEL HAVEA TRIO: Setting Sail
JOEL HAVEA TRIO
Setting Sail
joelhavea.com
(Tunetastic Records/Cargo)
14 Tracks, 58:53


Ziemlich rockig fängt es an und sehr rhythmusbetont. Der Einsatz von Gitarre, Bläsern und vor allem Haveas gefälliger Stimme ergibt eine Wende ins Sonnige mit folkigem Anstrich. Optimistische Fröhlichkeit à la Jack Johnson wechselt ab mit einem waschechten Blues über Jesus, der auch jobben musste.
is
 STEVE HILL: Solo Recordings Volume 3
STEVE HILL
Solo Recordings Volume 3
stevehillmusic.com
(No Label Records NLR116/Broken Silence)
12 Tracks, 49:21


Ein Fuß bedient die Hi-Hat, der andere die Basstrommel, dazu spielt er Mundharmonika oder singt und spielt Gitarre – gleichzeitig. Auch bei Volume 3 bleibt der kanadische Bluesmusiker seinem Stil treu, wechselt zwischen elektrisch geladenen und akustischen Stücken – musikalisch stets höchstes Niveau.
ah

 JOOLS HOLLAND: Piano
JOOLS HOLLAND
Piano
joolsholland.com
(Eastwest Records/Warner Music)
18 Tracks, 58:26


Der auch als Fernsehmoderator tätige englische Pianist, Komponist und Bandleader Jools Holland ist aus der Musikszene nicht mehr wegzudenken. Sein rein instrumentales Album beginnt mit Vogelgesängen und präsentiert den knapp Sechzigjährigen in Höchstform. Drei Titel sind mit dem Rhythm & Blues Orchestra eingespielt, als Gastmusiker glänzt Brian Eno.
asz
 IALMA: Camiño
IALMA
Camiño
ialma-musica.com
(Homerecords/Galileo MC)
13 Tracks, 48:35


Die vier singenden und Pandeireta spielenden Wahlbelgierinnen klingen auch auf ihrem fünften Album noch so (im besten Sinne traditionsverbunden), als hätten sie ihre Heimat Galicien nicht schon vor fast zwanzig Jahren verlassen. Wären da nicht die wechselnden Mitmusiker vor Ort wie der Akkordeonist Didier Laloy sowie Gitarrist und Produzent Quentin Dujardin.
kw

 IVE & T. BO: Fruits Of Roots
IVE & T. BO
Fruits Of Roots
ive-tbo.de
(Timezone Records tz 1160)
Promo-CD, 12 Tracks, 45:51


Ive Cylok und Tobias Gawer leben irgendwo im südlichen Deutschland in ihrer Parallelwelt amerikanischer Ländlichkeit. Fruits Of Roots vereint Blues-Country-Folk zu einem Songschreiberuniversum ganz eigener Art. Musik davon, wie egal es ist, wo man wohnt; es zählt allein, wie authentisch man sich fühlt, und wie leidenschaftlich man musiziert.
mf
 JAH OVA EVIL: Forever Judah
JAH OVA EVIL
Forever Judah
facebook.com/jahovarvilrecords
(Batelier Records/Believe Digital)
14 Tracks, 55:04


Das Kollektiv aus Jamaika reichert den modernen elektrischen Reggae mit Jazz, Soul und Hip-Hop-Elementen an. In den Texten geht es um Liebe, Gleichheit und Solidarität sowie das Streben nach einer Welt, in der es keine Armut gibt und jeder mit seiner Umwelt in Harmonie lebt. Das Album ist dem 2011 verstorbenen Musiker und Inspirationsgeber Lil Joe gewidmet.
cs

 NAÏSSAM JALAL & RHYTHMS OF RESISTANCE: Almot Wala Amazala
NAÏSSAM JALAL & RHYTHMS OF RESISTANCE
Almot Wala Amazala
naissamjalal.com
(Les Couleurs Du Son 24706/Broken Silence)
9 Tracks, 47:15


Eine leidenschaftliche Hommage an die tausenden Gefallenen und Gefolterten im Kampf der Syrer gegen das diktatorische Regime Assads. Unter dem Titel „Lieber Tod als Demütigung“, dem Schlachtruf der Demonstranten, demonstriert die frankosyrische Musikerin ihr außergewöhnliches Spiel auf Quer- und Nay-Flöte.
ep
 JAUNE TOUJOURS: 20sth.
JAUNE TOUJOURS
20sth.
jaunetoujours.com
(Choux de Bruxelles/Broken Silence)
Do-CD, 31 Tracks, CD 1: 49:02, CD 2: 56:58


Die Brüsseler Mestizo-Chanson-Band Jaune Toujours feiert ihren zwanzigsten Geburtstag mit einem Doppelalbum. Die erste CD enthält alle Singles, die zweite Extras, vom frühen Demo bis zu aktuellen Liveaufnahmen. Was ein Sammler so braucht.
chr

 JENNY AND THE MEXICATS: Open Sea/Mar Abierto
JENNY AND THE MEXICATS
Open Sea/Mar Abierto
jennyandmexicats.com
(GMO – The Label)
10 Tracks, 31:50


Mal nicht aus Barcelona, aber wie von dort kommend klingt die mexikanisch-spanisch-britische Madrider Crew der singenden Trompeterin. Deren facettenreichen, englischen und spanischen Gesang umspielt fast stets das prominente Cajón. Damit und mit den mestizotypischen Zutaten wie Reggae gesellt sich das Album zu all denen jener heiteren, etwas formelhaften Gangart von Manu Chao & Co.
kw
 JU & ME: Herzensangelegenheiten
JU & ME
Herzensangelegenheiten
juundme.de
(Tag 7)
12 Tracks, 44:45


Das Bonner Duo Judith „Ju“ Mathes und Holger Jan Schmidt präsentiert mit Gesang und Gitarre standarddeutsche Lieder, die den Hörer zu bestimmten Dingen animieren wollen, zum Beispiel mit „Lauf! Lauf! Nimm Anlauf und spring endlich!“ oder „Lass mich trotzdem los, doch bitte lass mich nicht allein!“ Die Texte sind zum Mitlesen im Beiheft.
mas

 VALERIE JUNE: The Order Of Time
VALERIE JUNE
The Order Of Time
valeriejune.com
(Caroline/Concord)
Promo-CD, 12 Tracks, 43:36


Vier Jahre nach ihrem Erfolgsalbum Pushin Against A Stone kehrt Valerie June mit The Order Of Time zurück und präsentiert ihre bewährte Mischung aus Folk, Soul, Country und Blues, eingespielt mit einer festen Band, die dichter und kompakter spielt und produziert worden ist, als dies auf dem Vorgängeralbum der Fall war.
mf
 Junglelyd: Paracaidas
Junglelyd
Paracaidas
junglelyd.dk
(Sounds of Subterrania SOS158/Cargo Records)
6 Tracks, 32:13


Die Musik des Electro-Cumbia-Projekts aus Dänemark wirkt wie eine Dubproduktion und imponiert mit einer stimmigen Mischung aus Cumbiarhythmen, schwebenden Sounds, Surfgitarren, einfacher Melodik und einem Schuss Funk. Das gewinnt dem Cumbiahype eine überzeugende Variante ab und geht gut ins Ohr und in die Beine.
hjl

 KELLY’S LOT: Bittersweet
KELLY’S LOT
Bittersweet
kellyslot.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
14 Tracks, 50:35


Kelly’s Lot ist eine Band um die Songschreiberin und Sängerin Kelly Zirbes. Folk und Soul vermischen sich auf Bittersweet zu einer Reihe sehr professionell eingespielter Songs voller Wärme und Eingängigkeit.
mf
 CHRISTIAN KJELLVANDER: Solo Live
CHRISTIAN KJELLVANDER
Solo Live
christiankjellvander.com
(Stockfisch Records SFR 357.6069.2)
CD oder Vinyl, 10 Tracks, 48:44


Das Solo-Livekonzert des schwedischen Alt.-Country-Stars ist schwierig. Der erste Track klingt überragend, die intime Intensität raubt dem Hörer den Atem. Die folgenden Tracks sind in jeder Hinsicht dem Opener ebenbürtig, aber eben doch zu ähnlich, um die Spannung zu halten. Wegen der unfassbar guten Klangqualität ist dieses Album dennoch ein Pflichtkauf.
ce

 MARTIN KOLBE & RALF ILLENBERGER: Essentials
MARTIN KOLBE & RALF ILLENBERGER
Essentials
kolbe-illenberger.com
(Timezone TZ 1267)
Do-CD, CD 1: 17 Tracks, 78:27, CD 2: 15 Tracks, 77:15


Prall gefüllt, mehr als zweieinhalb Stunden Musik aus den Jahren 1978 bis 1987 – ein echtes Fest für Kolbe-Illenberger-Fans der ersten Stunde sowie für alle Freunde erstklassiger akustischer Gitarrenmusik. Bis heute unerreicht in ihrem kreativen Output und noch immer in vielerlei Hinsicht innovativer als vieles, was sich derzeit auf der Steelstringszene tummelt.
rb
 KOLEKTIF İSTANBUL: Pastırma Yazı
KOLEKTIF İSTANBUL
Pastırma Yazı
kolektifistanbul.com
(Laika-Records 3510351.2/Rough Trade)
12 Tracks, 55:19


Das französisch-türkisch-bulgarische Ensemble zieht nach zehn Jahren Bilanz. In ihrem eigenen Sound aus Gesang, Trompete, Klarinette, Akkordeon, Tuba und E-Piano lassen die fünf Musiker traditionelle Melodien Anatoliens sowie des Balkans auf französische Chansons treffen. Dabei groovt das Ensemble gerne in einem schnellen Neunachtelrhythmus.
ep

 EILEEN KOZLOFF: Just Words
EILEEN KOZLOFF
Just Words
reverbnation.com/eileenkozloff
(Moosicowlia 088/Hemifrån)
Promo-CD, 11 Tracks, 43:28


Eileen Kozloff schlüpft in immer neue Persönlichkeiten, deren Geschichten sie erzählt und deren Schicksale sie schildert. Dabei klingen ihre Songs überaus persönlich, wie aus einem Guss. Ihre Stimme ist angenehm, eine klassische Songschreiberstimme, die nicht übertreibt, nichts herunterspielt.
mf
 CHRIS KRAMER: On The Way To Memphis
CHRIS KRAMER
On The Way To Memphis
chris-kramer.de
(Blow Till Midnight Records BTM1003-78)
14 Tracks, 54:17


Der Mundharmonikaspieler und Amerikakenner Chris Kramer präsentiert die modernere Variante des Blues. Mit dabei Sean Athens (Gitarre), Kevin O’Neal (Beatbox) und Paddy Boy (Gitarre).
asz

 LAINO & BROKEN SEEDS: The Dust I Own
LAINO & BROKEN SEEDS
The Dust I Own
andrealaino.com
(Off Label Records OLR65/Timezone)
9 Tracks, 36:23


Gitarrist, Songwriter, Straßenmusiker – dem Italiener Andrea Laino, begleitet von Schlagzeug, Sousafon und Backgroundgesang, gelingt es, große Spannungsbögen zu schlagen. Eben noch ein archaischer Delta Blues, im nächsten Moment bricht die Musik in herrlich verschrobene, rockige Klangwelten auf.
ah
 LAS: Las
LAS
Las
lasmusic.co.uk
(Sradag Music SRM006)
EP, 5 Tracks, 22:07


Wegen dem exquisiten schottischen Stepp- und dem irischen Sean-Nós-Tanz hätte der irisch-schottische Damenfünfer vielleicht besser das DVD-Format als Visitenkarte gewählt. So hört man „lediglich“ eine einwandfreie musikalische Entdeckungsreise durch gemeinsames irisch-schottisches Repertoire mit unter anderem Knopfakkordeon, Fiddle, Piano und wunderbarem Gesang.
mk

 LATHOUWERS & BARBIER: No Time for Rock ’N Roll
LATHOUWERS & BARBIER
No Time for Rock ’N Roll
lathouwersbarbier.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 45:50


Elf eigene Songs und ein Dylan-Cover bieten die beiden Belgier auf zwei akustischen Gitarren, mit zwei ausdrucksstarken Stimmen und musikalischen Elementen aus Guitar Blues, Delta Slide, Ragtime, Country. Überraschende Arrangements und Vokalharmonien und erstklassiges Instrumentalhandwerk befördern die Lieder auf direktem Weg vom Ohr ins Herz.
uj
 LES AMAZONES D’AFRIQUE: République Amazone
LES AMAZONES D’AFRIQUE
République Amazone
facebook.com/amazonesdafrique
(Real World)
Promo-CD, 12 Tracks, 55:55


Zehn Musikerinnen aus Westafrika haben sich für dieses Benefizalbum zusammengetan, Stars wie Angélique Kidjo, Mariam Doumbia und Kandia Kouyaté mit Nachwuchskünstlerinnen wie Rokia Koné oder Nneka. Unterstützt wird die Panzi Foundation, die kongolesischen Frauen hilft, die Opfer von Gewalttaten wurden. Die Musik? Ambitionierter Afropop/Hip-Hop.
rs

 UNNI LØVLID: Hymn
UNNI LØVLID
Hymn
unni.no
(Heilo Musikk)
10 Tracks, 49:43


Unni Løvlid auf Spurensuche in der Zeit des Japonismus um 1900, als japanische Einflüsse die europäische Kunst prägten. Zusammen mit einem norwegischen und zwei japanischen Musikern verbindet sie norwegische Lieder und Choräle mit japanisch inspirierter Hintergrundmusik. Schön zu hören, aber der japanische Einfluss kommt nicht richtig durch.
gh
 LYA: Detalles Que Quardé
LYA
Detalles Que Quardé
lyaoficialmusic.com
(Muchoojo/Karonte/Galileo MC)
9 Tracks, 35:33


Soliden, gut sentimentalen Flamencopop beschert das vierte Album der Dreißigjährigen aus Córdoba, die einst ihr Handwerk unter anderem als Backgroundsängerin für Alejandro Sanz lernte. Berührend ist die Hommage „Poeta De La Luz“ an den 2015 verstorbenen Flamencobarden Juan Molina, aufgenommen im illustren Zirkel von Flamenco-Bilderstürmern, darunter Flötist Jorge Pardo.
kw

 DOUGIE MacDOUGALL OF ALTURLIE & SPECIAL FRIENDS: At The End Of A Perfect Day
DOUGIE MacDOUGALL OF ALTURLIE & SPECIAL FRIENDS
At The End Of A Perfect Day
20 Tracks
61:01
(Brechin All Records CDBAR028)


Mit 88 Jahren das Debütalbum einspielen dürfte gewiss eine Art Rekord sein. Der Knopfakkordeonist aus der Nähe von Inverness ist allerdings auf der Scottish-Dance-Band- und Ceilidh-Szene kein Unbekannter. Neben Labelchef Sandy Brechin und anderen Freunden sind auch einige Generationen seiner Familie an den Aufnahmen beteiligt. Abgeklärt und schwungvoll.
mk
 CHARLIE McGETTIGAN: Some Old Someone …
CHARLIE McGETTIGAN
Some Old Someone …
facebook.com/charliemcgettiganmusic
(Stockfisch)
14 Tracks, 50:51


Was kann man von Stockfisch anderes erwarten als eine runde, gediegene Produktion? Mit McGettigan bekamen sie den ESC-Sieger für Irland von 1994 ins Programm, der mit einer Stimme wie Roger Whittaker oder Don Williams zusammen mit Manfred Leuchter, Jens Kommnick und anderen eine wunderschöne Singer/Songwriter-Platte aufnahm. Alle Texte im umfangreichen Beiheft.
mas

 THE McINTOSH COUNTY SHOUTERS: Spirituals And Chants From The Georgia Coast
THE McINTOSH COUNTY SHOUTERS
Spirituals And Chants From The Georgia Coast
mcintoshcountyshouters.com
(Smithsonian Folkways Recordings/Galileo MC)
17 Tracks, 61:28


Die acht Musiker singen traditionellen akustischen Rootsblues aus Georgia. Der erste Sänger gibt Takt und Text vor, die Gruppe folgt ihm. Solche Lieder sangen die schwarzen Sklaven in den USA während der Arbeit auf den Plantagen. Das Album ist ein wichtiges Dokument für die Hörer im 21. Jahrhundert.
asz
 TIM McMILLAN: Hiraeth
TIM McMILLAN
Hiraeth
timmcmillan.net
(T3 Records 0029-2)
12 Tracks, 40:42


Jazz, Folk, Heavy Metal und Flamenco sind Einflüsse, die der aus Australien stammende preisgekrönte Fingerstylevirtuose auf seiner Gitarre zu atemberaubenden Kompositionen verarbeitet. Tolle Band und schöne Arrangements, mal zart und lyrisch, mal groovig oder gar brachial – immer geht es abwechslungsreich und überraschend zu. Musik zum Zuhören und Wegträumen.
uj

 JOHAN MEIJER: Europeana – Dazumal
JOHAN MEIJER
Europeana – Dazumal
nederossi.com
(Nederossi)
17 Tracks, 68:19


Das vierte Album der verdienstvollen Europeana-Reihe des gebürtigen Holländers, mit Liedern in deutschsprachiger Übersetzung aus Polen, Tschechien, Ungarn, Italien, dem früheren Jugoslawien, von großen Songpoeten wie Okudshawa, Wyssozki, Brel und Wenzel, in unterschiedlichen Besetzungen bis hin zum Vermicelli-Orchester aus Sankt Petersburg.
rps
 HANNA MEYERHOLZ: Going Nowhere
HANNA MEYERHOLZ
Going Nowhere
hanna-meyerholz.de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 48:28


Nach How To Swim ein neues Lebenszeichen der Gitarristin und Liedermacherin. Die Songs gehen unter die Haut, das warme Gitarrenspiel unterstreicht die Stimme. Obwohl die Produktion glasklar ist, hätte man der Künstlerin etwas mehr Studiozeit gewünscht. Die „Home-Recording“-Atmosphäre des Albums ist doch bei dem Talent der Künstlerin eher unangemessen.
ce

 MIGHTY OAKS: Dreamers
MIGHTY OAKS
Dreamers
mightyoaksmusic.com
(Universal)
Promo-CD, 12 Tracks, 45:54


Die Mighty Oaks haben sich mit ihrem Folkpop in die Herzen der Fans und bereits mit ihrem ersten Album in die Charts gespielt. Nun folgt endlich das zweite. Zwölf radiotaugliche, glatt produzierte Songs warten auf den Coldplay.verwöhnten Hörer. Jeder einzelne Song enthält eine Botschaft, hat eine Refrain mit Wiedererkennungswert und ein immer stimmiges, emotional aufladendes Arrangement. So entstehen Stars.
ce
 MINDERHEINZ: Lieder aus dem letzten Loch
MINDERHEINZ
Lieder aus dem letzten Loch
minderheinz.de
(Keiler Records)
20 Tracks, 70:06


Die vierköpfige Hamburger Combo spielt standarddeutschsprachigen Rock mit ironischen Texten über Missverständnisse mit Freudenmädchen, Werkzeuggebrauch, unfreundliche Nachbarn oder Urlaub in Tirol. Manches erinnert an die Pulveraffen, anderes an Truck Stop, einiges an Bryan Ferry oder an Knorkator, aber eigentlich sind sie ganz eigen und originell.
mas

 MY BABY: Prehistoric Rhythm
MY BABY
Prehistoric Rhythm
mybabywashere.com
(Glitterhouse 905/Indigo)
13 Tracks, 64:17


Aus Holland und Neuseeland kommt dieses Trio. Frontfrau Cato von Dijck singt Soul, Psychedelia und Indierock. Die Musiker begleiten mit Gitarren, Trip-Hop-Beats und Schlagzeug. Daniel Johnston und Joost van Dijck erzeugen einen enormen Soundteppich.
asz
 ELIZABETH NACCARATO: Souvenir D’Italia
ELIZABETH NACCARATO
Souvenir D’Italia
facebook.com/elizabethnaccaratopianist
(Galileo MC)
12 Tracks, 48:49


Erinnerungen sind subjektiv. Nein, die US-Pianistin sinniert in ihren sanft fließenden Klavierlinien nicht über das Italien der rauen Küsten Apuliens oder der kargen Bergdörfer des Apennin. Wir sitzen in einem Café am Canal Grande oder fahren im Alfa-Romeo-Cabrio durch die Weinberge der Toskana. Schön ist es trotzdem.
mst

 TAMI NEILSON: Don’t Be Afraid
TAMI NEILSON
Don’t Be Afraid
tamineilson.com
(Outside Music 23339-9106-2/H-Art)
11 Tracks, 40:39


Die kanadische Country- und Rockabillysängerin, die aus einer großen Musikerfamilie kommt, hat mehrere Auszeichnungen erhalten. Auf ihrem fünften Album wird sie unterstützt von Dave Khan (Gitarre), Ben Woolley (Bass), Joe McCallum (Schlagzeug) und Delaney Davidson (Gitarre).
asz
 NICK & JUNE: My November My
NICK & JUNE
My November My
nickandjune.com
(AdP-Records SAM101ADP/Alive)
12 Tracks, 44:13


Leiser, sanfter, mal männlicher, mal weiblicher Gesang, untermalt von akustischen und behutsamen Folkpopklängen, ergeben den Cocktail der schwer angesagten Indiefolk-Schiene. Die Qualität der Songs ist genauso ausgezeichnet wie die Produktion. Für den großen Durchbruch ähnelt die Band ihren Vorbildern aber zu sehr.
ce

 ANGUS NICOLSON TRIO: Sealladh Àrd
ANGUS NICOLSON TRIO
Sealladh Àrd
gaelicmusic.com
(MacmeanmnaSKYECD56)
10 Tracks, 42:37


Dudelsackbeeinflusste Instrumentalmusik von der Isle of Skye, steht auf dem Cover, und das heißt, dass Nicolson nicht bei jedem Stück die Pipes spielt, sondern auch ab und an zur Whistle greift. Andrew MacPherson ist für die Percussion zuständig, Murdo Cameron für Akkordeon und Gitarre. Dichte und atmosphärische Melodien mit dem richtigen Inselfeeling.
mk
 NISHTIMAN PROJECT: Kobanê
NISHTIMAN PROJECT
Kobanê
accords-croises.com/en/artists-creations/nishtiman
(Accords Croisés AC164/Harmonia Mundi)
9 Tracks, 74:00


Das Nishtiman Project um den Komponisten Sohrab Pournazeri sowie den künstlerischen Leiter Hussein Zahawy zeigt in neun beeindruckenden zeitgenössischen Stücken die Einheit in der Vielfalt der kurdischen Traditionen. Das sechsköpfige iranisch-irakisch-türkische Ensemble will ein Zeichen setzen, dass die Kurden trotz ihres seit Jahren erlittenen Leids hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.
ep

 NITEWORKS: NW
NITEWORKS
NW
niteworksband.com
(Conmann Music CM001)
9 Tracks, 41:52


Ganz harter Stoff aus Schottland. Debütalbum eines Quartetts, das zum Beispiel Shooglenifty-Musik einer nachhaltigen Modernisierung unterzieht. Dancefloor, Techno, Electronic, das könnte weltweit in Clubs laufen, aber nicht mit Highland Bagpipe und wechselnden gälischen Sängern und Sängerinnen. Geht hüpfmäßig voll ab, auf dem Rudolstadt-Festival unter anderem in den Saalegärten.
mk
 OPORTO: Those Days
OPORTO
Those Days
oporto-music.bandcamp.com
(Eigenverlag)
Promo CD, 6 Tracks, 18:02


Fünf Musiker trafen sich im Café Oporto in Holland, um Folk und Blues – sie nennen es Gypsy Blues – zu spielen. Dem interessanten Quintett gehören an: Armano Persau (Gitarre und Gesang), Rebekka Wagner (Violine und Gesang), Andi Höppel (Percussion), Kajetan Glückert (Bass) und André Lautner (Leadgitarre).
asz

 DAVID ORLOWSKY TRIO: Paris-Odessa
DAVID ORLOWSKY TRIO
Paris-Odessa
davidorlowskytrio.com
(Sony Classica 88985386632)
12 Tracks, 51:51


Das Trio unter der Leitung von David Orlowsky (cl) spielt von Anfang an in fester Besetzung, namentlich mit Florian Dohrmann (b) und Jens-Uwe Popp (g). Ihr nunmehr siebtes Album bestätigt den Ruf, der ihnen mittlerweile vorauseilt: „Kammerweltmusik“ vom Feinsten, die das Publikum weltweit fasziniert.
mg
 OUT OF THE BOX: Better Days
OUT OF THE BOX
Better Days
blackforestfolk.de
(Timezone TZ1351/Timezone Distribution)
11 Tracks, 38:18


Das Quartett aus dem Schwarzwald spielt vor allem Bluegrass mit einer Prise Folk und vertraut auf selbst geschriebene Stücke, die sich um Pole wie Erinnerungen, Nebel im November und Träume drehen. Also im Grunde das, was einen normalerweise beschäftigt. Die musikalische Umsetzung klingt ein wenig steif-deutsch, ebenso der Gesang.
vd

 RIDE LONESOME: Once I Had A Future
RIDE LONESOME
Once I Had A Future
ride-lonesome.blogspot.com
(Timezone Records TZ1103)
16 Tracks, 62:15


Kaum zu glauben, dass hier ein deutscher Songwriter am Werke ist. Thomas Pliesbergen trägt mit herzzerreißend melancholischer Stimme Songs im Spannungsfeld zwischen Old-Time, Country und Folk vor. Sie klingen so authentisch, als seien es keine neuen Lieder, sondern durch drei Musikergenerationen weitergereichte Traditionals. Exzellent!
uj
 MARK RIPP & THE CONFESSORS: Under The Circumstances
MARK RIPP & THE CONFESSORS
Under The Circumstances
markripp.com
(Eigenverlag/Hemifrån)
Promo-CD, 13 Tracks, 46:40


Bluesgeschwängert sirren die Songs von Mark Ripp durch die Luft. Dreißig Jahre steht der Kanadier mit seiner messerscharf gespielten akustischen Gitarre auf den Bühnen der Welt. Erweitert durch elektrische Gitarre und Schlagzeug, glänzt dieses Trio mit purer Energie, gespielt von schon älteren, grauhaarigen Herren.
mf

 Renata Rosa: Encantações
Renata Rosa
Encantações
renatarosa.com.br
(Hélico HWB58127/Broken Silence)
9 Tracks, 33:40


Brasilianische Sängerin aus dem Nordosten, der man ihre Wurzeln anhört, aber auch ihr Bestreben, sich anderen Einflüssen zu öffnen. Sie hat eine hohe, intensive Stimme, die Melodien sind sehr einfach, oftmals tänzelnd, aber eingängig. Die Gitarre klingt manchmal fast nach Hackbrett. Snare Drum und andere Percussioninstrumente bestimmen das Spiel.
hjl
 MATTHIAS RYNDAK: Onkl Wundermann: macht alles falsh
MATTHIAS RYNDAK
Onkl Wundermann: macht alles falsh
musikinstrumente-ryndak.de
(Eigenverlag)
18 Tracks, 67:24


Vom Bahnangestellten zum Instrumentenbauer zum Liedermacher – so ungewöhnlich diese Karriere ist, so ungewöhnlich sind die Lieder dieses Musikenthusiasten aus der Oberlausitz. Wer Gitarren aus Zigarrenkisten baut, dessen selbst gestrickten Songs haftet etwas Chaotisches an. Zeitkritische, spinnerte, sympathische, vielfältige Lieder über Gott und die Welt.
rk

 SAMEDAY RECORDS: Never Ending
SAMEDAY RECORDS
Never Ending
samedayrecords.de
(Blackwood Music/Artist M.S./Alive)
Promo-CD, 12 Tracks, 42:59


Wunderschöne Folkmelodien, die Crosby, Stills and Nash auch nicht besser hinbekommen hätten, werden von Indiepopgitarren eingerahmt. Das klingt gleichzeitig neu und vertraut und motiviert zum Mitsingen. Wenn die Band jetzt noch etwas mehr Geld in eine saubere Produktion und kluges Mastering steckt, kann sie internationales Format erreichen.
ce
 SUE SHEEHAN: Time’s Ticking
SUE SHEEHAN
Time’s Ticking
sue-sheehan.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 34:34


Die aus Illinois stammende und in Springe, Niedersachsen, lebende Singer/Songwriterin bietet mit bis zu vierköpfiger Begleitung auf diversen Instrumenten energisch gesungene Lieder. Es geht um das Warten, um leuchtende Sterne, um Pferde im Schnee, die Dankbarkeit gegenüber der Familie und anderes. Alle Texte sind zum Mitlesen im Booklet.
mas

 OMAR SOSA & SECKOU KEITA: Transparent Water
OMAR SOSA & SECKOU KEITA
Transparent Water
omarsosa.com
seckoukeita.com
(Pias World Village WVF057/Harmonia Mundi)
Promo-CD, 13 Tracks, 60:32


Hier musizieren meisterlich Klangmaler aus verschiedenen Kulturen miteinander. Aber diese Meditationsmusik, unter anderem mit Kora, Klavier, Sheng und Koto, offenbart sich nur denjenigen, die bereit sind, auch unvertrauten Klängen in neuer Kombination und großer Dichte zu lauschen. Ein schönes Beispiel für musikalischen Reichtum und die Vielfalt dieser Welt.
cs
 SPIELBANN: Die Ballade von der „blutigen Rose“
SPIELBANN
Die Ballade von der „blutigen Rose“
spielbann.de
(Trisol Soulfood)
13 Tracks, 71:10


Das Gothic-Rock-Ensemble bearbeitet hier verschiedenste Märchen und Legenden auf seine düstere, finstere Art – eine Melange von druckvoll-treibenden Momenten, röhrenden E-Gitarren und interessanten Melodiebögen. Unterstützt werden Spielbann vom Frontmann von ASP, Asp Spreng, der sie mit Texten, Melodien und Ideen für das kunstvolle Artwork (Gestaltung: Pit Hammann) unterstützt.
pp

 STRINGS & SPOONS: A Spoonful
STRINGS & SPOONS
A Spoonful
strings-and-spoons.de
(Prosodia)
12 Tracks, 33:46


Es hat immer wieder etwas Herzerfrischendes, wenn sich neue Irish-Folk-Bands gründen und die alten, viel gehörten Lieder mit einer Begeisterung singen, als wäre es die neuste Mode, so wie diese 2013 gegründete Band aus Westerhorn bei Hamburg. Dominant ist die Stimme von Astrid Hornig, die von drei Herren auf diversen Instrumenten begleitet wird.
mas
 SVÄNG: Hauptbahnhof
SVÄNG
Hauptbahnhof
svang.fi
(Galileo MC)
26 Tracks, 71:52


Sechs finnische Herren entpuppen sich als instrumentale Virtuosen, lassen sich von Filmmusik inspirieren (Harry Potter, Das wandelnde Schloss), sind aber immer fest verankert in der finnischen Tradition. Reines Instrumentalalbum mit viel Walzer und Tango – was das alles mit Hauptbahnhof zu tun hat, wird nicht verraten.
gh

 TAMIKREST: Kidal
TAMIKREST
Kidal
tamikrest.net
(Glitterbeat GBCD043/Indigo)
Promo-CD, 11 Tracks, 44:48


Das vierte Album der Gruppe aus Mali ist der Stadt Kidal im südwestlichen Teil der Sahara gewidmet. Als spirituelle Heimat ist sie ein Symbol für den Widerstand und die Hoffnung des Tuaregvolkes. So kreisen die in Tamaschek gesungenen Lieder um die Bewahrer der uralten und bedrohten Kultur. Tamikrest bleiben ihrem Wüsten-Rock-’n’-Roll treu.
cs
 IAIN THOMSON: Fields Of Dreams
IAIN THOMSON
Fields Of Dreams
iainthomsonband.co.uk
(Eigenverlag IAT002)
12 Tracks, 52:27


Was für eine erstaunliche Entdeckung. Ein Schäfer von der schottischen Westküsteninsel Mull, der meist über Dinge schreibt und singt, die mit seiner Insel verbunden sind – aber wie! Eindringlich, einfühlsam und melodisch, mit sympathischer Stimme und tollen Kollegen. Warum ist dieser wunderbare Musiker und Songwriter bislang so unbekannt?
mk

 RALPH TOWNER: My Foolish Heart
RALPH TOWNER
My Foolish Heart
ralphtowner.com
(ECM Records)
12 Tracks, 40:28


Der Altmeister spielt in einer Klasse für sich. Keiner klingt wie er. Längst hat er eine ganz eigene Sprache entwickelt und wird von Album zu Album besser und besser. Ohne die schillernden, oszillierenden und abenteuerlichen Farben eines Ralph Towner wäre die Welt der akustischen Gitarre beträchtlich ärmer.
rb
 TRIO PICON & MIKE TURNBULL: Trio Picon & Mike Turnbull
TRIO PICON & MIKE TURNBULL
Trio Picon & Mike Turnbull
triopicon.weebly.com
miketurnbull.de
(Eigenverlag)
7 Tracks, 30:19


Ohne Wenn und Aber hat sich das Bielefelder Trio Picon, bestehend aus Hannah Heuking (Klarinette), Ramona Kozma (Akkordeon) und Michael Zimmermann (Tuba) und entstanden aus dem siebenköpfigen Kozma Orchestar, zusammen mit dem Percussionisten Mike Turnbull auf diesem ersten Album dem jiddischen Tango verschrieben.
mg

 UNFOLKKOMMEN: Elbereise – Säggs’sche Folkslieder
UNFOLKKOMMEN
Elbereise – Säggs’sche Folkslieder
unfolkkommen.de
(Eigenverlag DEC 5916)
14 Tracks, 63:37


Vier Dresdener singen, begleitet von Bandoneon, Geige und Mandoline, im Dialekt über die Sächsische Schweiz, die Elbe, die Festung Königstein oder auch deftig wie über „De Dicke von Zwicke“. Das alles ein wenig im Stil von Gassenhauern, Couplets und Moritaten der Zwanzigerjahre. Erinnert auch an die Anfangszeiten der Folklorebewegung in den Siebzigern.
rps
 CAOIMHÍN VALLELY: Caoimhin Vallely
CAOIMHÍN VALLELY
Caoimhin Vallely
caoimhinvallely.ie
(Crow Valley Music)
9 Tracks, 75:30


Caoimhín Vallely ist Spross einer legendären Musikerfamilie aus Armagh in Nordirland. Als Begnadeter und virtuoser Pianist setzt er einmal mehr Zeichen, welch diversifizierte Rolle das Klavier in der traditionellen irischen Musik einnehmen kann. Dabei geht es tonal modern, aber trotzdem genretreu zu. Mit gesanglicher Unterstützung von Karan Casey. Schöne, besinnliche Aufnahme, gerade auch für interessierte Pianisten.
js

 VON WEIDEN: Ruf der Provinz
VON WEIDEN
Ruf der Provinz
vonweiden.com
(Kursaal 001/Alive)
14 Tracks, 48:33


Frisch und fröhlich klingt diese zwölfköpfige Band aus Ostwestfalen, die sich selbst Indiefolkorchester nennt. Ska, Polka, Balkan und Rock werden froh gemischt, dazu Texte gesungen über das geliebte Mofa, den Obstanbau oder gefährliche Liebschaften auf dem Lande. Kein Zweifel, die zuvor als Crystal Pasture firmierende Truppe um Songschreiber Henning Kreft strotzt vor Charme.
vd
 TORGEIR WALDEMAR: No Offending Borders
TORGEIR WALDEMAR
No Offending Borders
torgeirwaldemar.com
(Jansen Plateproduksjon 091)
8 Tracks, 45:56


Der norwegische Folkrocker legt auch mit seinem zweiten Album ein kräftiges Mainstreamwerk vor. Vom Sixties-Flower-Pop über Westcoast-Rock bis zum einsamen Liedermacher bedient sich der Künstler beim Erbe aller amerikanischen Folkstars der letzten fünfzig Jahre. Damit erreicht er ein hohes Maß an Abwechslung und Originalität. In jedem Song steckt erneut Hitpotenzial.
ce

 DANIEL WELTLINGER: Samoreau – A Tribute To The Fans Of Django Reinhardt
DANIEL WELTLINGER
Samoreau – A Tribute To The Fans Of Django Reinhardt
danielweltlinger.com
(DMG Records Germany/Broken Silence)
11 Tracks, 46:29


Eine einsame, wehmütige Violinstimme im Gare du Nord, Paris. Mit „Alone“ beginnt das letzte Album einer Trilogie des Berliner Geigenvirtuosen Daniel Weltinger, die sich mit dem geistigen Erbe des Gypsy-Jazz-Ahnen Django Reinhardt auseinandersetzt. Mit von der Partie sind Musiker des Lulo Reinhardt Latin Swing Project.
rb
 WOETMANN: Nøgne Fødder
WOETMANN
Nøgne Fødder
brianwoetmann.dk
(GO’ Danish Folk Music GO0816)
14 Tracks, 41:57)


Seit dem Erscheinen seines Debüts Ruby 1995, damals noch mit seinem Trio Tradish (Irish Folk), hat sich der dänische Musiker Brian Woetmann von einem Bodhránspieler zu einem Multiinstrumentalisten und Sänger weiterentwickelt. Nøgne Fødder („Nackte Füße“) ist ein persönliches Bekenntnis in Form von schönen Liedern und Instrumentalstücken, wenig traditionell.
Bk

 : rezi-legende
Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Bernd Kuenzer (bk), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (chr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Annie Sziegoleit (asz), Katrin Wilke (kw)




Bücher
 ROBERT HILBURN: Johnny Cash – Die Biografie / Aus dem Englischen von Henning Dedekind …
ROBERT HILBURN
Johnny Cash – Die Biografie / Aus dem Englischen von Henning Dedekind …
berlinverlag.de
(München [u. a.] : Berlin Verlag, 2016. )
846 S. : mit Abb. , ISBN 978-3-8270-1236-4 – 34,00 EUR


Seit seinem Tod im Jahr 2003 sind mehr als fünfzig Publikationen über Johnny Cash erschienen. Das Buch von Robert Hilburn dürfte mit seinen 832 Seiten jedoch die bislang umfangreichste Biografie sein. Hilburn war der einzige Journalist, der im Januar 1968 bei dem legendären Auftritt Cashs im Folsom-Gefängnis dabei war. Danach begleitete er als Musikkritiker der Los Angeles Times von 1970 bis 2005 den „Mann in Schwarz“ fast vier Jahrzehnte lang. Seine Interviews und Beobachtungen bilden die Grundlage für Hilburns enorm facettenreiche Darstellung eines ungewöhnlichen Musikerlebens mit all seinen Höhen und Tiefen. Gerade weil der Autor auch die dunklen Seiten Johnny Cashs in all ihren Details beschreibt – von seiner Drogensucht und seiner Medikamentenabhängigkeit bis zu seinen menschlichen Schwächen und Fehlern – ist sein Porträt eine ehrliche Liebeserklärung an einen Mann, der immer Haltung bewies. Ob er schwarze Kollegen wie Ray Charles und Louis Armstrong in seine von 1969 bis 1971 im TV ausgestrahlte Johnny Cash Show einlud – was gerade für die weiße Countryszene eine absolute Ausnahme war – oder ob er auf seinem Konzeptalbum Bitter Tears – Ballads Of The American Indian die Lebensbedingungen der US-Ureinwohner anprangerte. Interviews – neben Johnny Cash kommen seine Kinder John Carter und Rosanne ebenso zu Wort wie andere Musiker, darunter auch Bob Dylan – sowie einzelne Cash-Titel mit ihren Texten bilden den roten Faden von Hilburns Biografie. Man muss kein Cash-Fan sein, um diesen mit informativen und unterhaltsamen Fakten vollgepackten Wälzer mit großem Gewinn zu lesen.
Michael Kleff
 CLAUS LEGGEWIE (Hrsg.): Global Pop : d. Buch zur Weltmusik / Claus Leggewie, Erik Meyer (Hg.).
CLAUS LEGGEWIE (Hrsg.)
Global Pop : d. Buch zur Weltmusik / Claus Leggewie, Erik Meyer (Hg.).
metzlerverlag.de
(Stuttgart : Metzler, 2017.)
392 S. , ISBN 978-3-476-02636-1 – 29,95 EUR


Die Rezension von Sammelbänden ist eine undankbare Aufgabe, statt eines Themas gibt es gleich mehrere zu bewerten. In diesem Fall rund 44 Aufsätze in vier Themenkomplexen von Konzepten des Global Pop beziehungsweise der Weltmusik über Akteure wie Ry Cooder oder Alan Bern, Instrumente beziehungsweise Infrastrukturen, derer sich die aus allen Welten kommenden Musiken auf Festivals oder Messen bedienen, bis hin zu geografischen Räumen, in denen Musik zwischen Japan und Balkan zur Aufführung kommt. Entschuldigend erklären die Herausgeber, dass es bei der Zusammenstellung des Muts zur Lücke bedurfte und nicht alles zum Thema Einlass in den Band fand. Problematisch wird es anderswo: Wenn im ersten Teil um das Verstehen von Global Pop gerungen wird, dann geschieht das, von Ausnahmen abgesehen, in einem blumenreichen Soziologenneusprech, der kaum einen Praxisbezug zur realen Musik hat, sondern sich stattdessen in wundersamer Selbstbefruchtung von Theoriekonzept zu Theoriekonzept hangelt. Umso seltsamer wirkt es, wenn in den folgenden Musikerporträts ein eklatanter Mangel an theoretischer Durchdringung festzustellen ist. Sie verlaufen größtenteils auf rein beschreibender Ebene ab, ebenso wie die folgenden Texte über die Infrastrukturen, Instrumente und Räume der Musiken. Wenig vertrauensbildend in die Wissenschaftlichkeit ist zudem, dass sämtliche Beiträge ein großer blinder Fleck auszeichnet: Weltmusik, World Music oder Global Pop haben sich seit den Achtzigerjahren in Deutschland publizistisch vornehmlich in Publikums- und Fachzeitschriften sowie in Stadtmagazinen ereignet. Im deutschen Rolling Stone, in Jazzthetik, Jazzthing, später auch im Folker waren sowohl zur afrikanischen Musik als auch zum Balkanboom entscheidende Impulsinterviews und Texte zu lesen. Nichts davon findet Einlass in diesen Band. Das ist schon mehr als ein Hauch akademischer Praxisferne. Das Fazit sei deshalb mit den Worten der Herausgeber gegeben: „Global Pop ist ein gasförmiges Unternehmen, das in alle Richtungen ausfranst und schwer zu systematisieren ist.“ So ist es.
Harald Justin

 GERHARD POLT: Ekzem Homo.   GERHARD POLT: Der große Polt / e. Konversationslexikon / hrsg. v. Claudia Pichler.
GERHARD POLT
Ekzem Homo.
(Zürich [u. a.] : Kein & Aber, 2016. )
187 S. : mit zahlr. Farbfotos , ISBN 978-3-0369-5735-7 – 20,00 EUR


GERHARD POLT
Der große Polt / e. Konversationslexikon / hrsg. v. Claudia Pichler.
keinundaber.ch
(Zürich [u. a.] : Kein & Aber, 2017.)
167 S. , ISBN 978-3-0369-5763-0 – 12,00 EUR


Normalerweise dienen Textbücher von Theaterstücken der Nachspielbarkeit, doch wenn Gerhard Polt und die Well-Brüder etwas auf die Bühne bringen, ist das einmalig. Das kann man nicht nachmachen. Das Buch über Ekzem Homo hat also dokumentarischen Charakter, man kann noch mal in Ruhe zu Hause nachlesen, was man im Theater so schnell gar nicht mitbekommen oder behalten hat. Die zahlreichen Bilder geben einen guten Eindruck vom Verlauf der Aufführung in den Münchner Kammerspielen. Worum geht es? Den Menschen als Nachbar oder vielmehr die Frage, ob der Nachbar überhaupt noch ein Mensch ist oder ein Ekzem? Der alte Grantler Brezner, natürlich gespielt von Gerhard Polt, schimpft auf seinen Nachbarn Merki, der zufällig Schauspieler in ebendiesen Kammerspielen ist. Dazu treten singend, spielend und tanzend drei Herren mit einer Vielzahl von Instrumenten auf, die Well-Brüder. Und damit Brezner im Alter auch eine Pflegekraft hat, hat er sich im Internet ein farbiges Flüchtlingsmädel organisiert – Funke. In diesem Mikrokosmos geht nun die Post ab, voller Situationskomik, satirischer Spitzen, hinterfotziger Bemerkungen, Musik, Liedern und Mord und Totschlag. Ein wunderbares Buch.
Wer sich in den Polt’schen Humor noch genauer vertiefen will, der sollte zum Konversationslexikon des Kabarettisten greifen. „Die Lektüre des vorliegenden Glossars möge es dem Leser erleichtern, in Fettnäpfchen zu treten sowie sein eigenes Schmähpotential zu erweitern.“ Zwei- bis dreimal um die Ecke gedachte Definitionen, boshafte bayerische Spezialitäten, Wortschöpfungen, -spiele und -verdrehungen. Wer sich durcharbeitet durch den kleinen Band und das Gelernte schöpferisch weiter entwickelt, wird als Obergrantler zwar keine Freunde finden aber als Extremekzem gefürchtet sein.
Rainer Katlewski
 ENSEMBLE NOISTEN: Tanz Jerusalem! : Unsere Lieder auf deinen Lippen / gelesen von Nina Hoger & Felix von Manteuffel.
ENSEMBLE NOISTEN
Tanz Jerusalem! : Unsere Lieder auf deinen Lippen / gelesen von Nina Hoger & Felix von Manteuffel.
griot-verlag.de
(Stuttgart : Griot Hörbuchverl., 2017.)
Hörbuch, 29 Tracks, 75:38, mit 20-seit. Booklet , ISBN 978-3-95998-015-9 – 19,80 EUR


Nach vier „normalen“ Musik-CDs und einem ersten Hörbuch mit Texten von Else Lasker-Schüler wurde mit dem von Nina Hoger und Felix von Manteuffel gelesenen Tanz Jerusalem ein weiteres Hörbuch mit Texten jüdischer, christlicher und muslimischer Philosophen veröffentlich, „die den drei abrahamitischen Religionen“ entsprangen, darunter Martin Buber, Teresa von Ávila, Meister Eckhart, Ahmad Ghazali, Daniel Lifschitz und Dschalal ad-Din ar-Rumi. Der musikalische Beitrag beschränkt sich auf insgesamt neun Einspielungen, darunter zwei von Johann Sebastian Bach. Hervorstechend sind in jedem Fall die Stücke des Ensembles Noisten selbst, das sich aus Shan Dewaguruparan (perc), Andreas Kneip (b), Reinald Noisten (cl) und Claus Schmidt (g) zusammensetzt und auf dieser CD ergänzt wird durch Murat Cakmaz (Ney) und Robert Mäuser (Orgel). Man spürt in „Moshes Freylach“ oder „Tantz Jerusalem“ absolut Energiegeladenes. Aber ganz ehrlich: Als jemand, der selbst neun Jahre seines Lebens in Jerusalem verbrachte, kann der Rezensent mit dieser Veröffentlichung persönlich nichts mit der Stadt in Verbindung bringen. Die Hoffnung allerdings, dass scheinbar unüberbrückbare Gegensätze durch gemeinsame Musik gelockert werden können, stirbt natürlich zuletzt.
Matti Goldschmidt

 JOANN SFAR: Klezmer 5 : Tollhaus Kischinew / Übers. aus d. Franz.: Jana Lottenburger.
JOANN SFAR
Klezmer 5 : Tollhaus Kischinew / Übers. aus d. Franz.: Jana Lottenburger.
avant-verlag.de
(Berlin : Avant-Verl., 2017.)
97 S. , ISBN: 978-3-939080-89-3 – 19,95 EUR


Wer bislang gedacht hat, Klezmer würde (nur) eine Musikrichtung definieren, wird von dem französischen Comiczeichner und ehemaligen Rabbinerschüler Joann Sfar eines Besseren belehrt. Ausgiebig hat er innerhalb von fünf Comicbänden in Bild und Wort die Tragweite einer Lebensphilosophie mit dem Schicksal Klezmer definiert. Band eins führte ein mit einem „das Universum Klezmer“ erläuternden Vorwort eines Kollegen – ebenso lesenswert wie die fast jedem Band anhängenden Anmerkungen des Künstlers über Gesellschaft, Religionen, Kunst, Politik et cetera – und dem Hinweis auf das bis zum nun letzten Band umgangene Thema des Pogroms an den Juden. Nach zwölf Jahren hat Sfar seine fünfbändige Klezmer-Serie mit Tollhaus Kischinew abgeschlossen. Die Story ist dabei ebenso musikalisch wie der Stil Klezmer selbst. Eine zufällig zusammengewürfelte Gruppe schräger Musikertypen, fast alle jüdisch, schlägt sich mit List und Musik durch die Unbill des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts in Russland, latent vor der Kulisse sich zunehmend offenbarender Judenfeindlichkeit. Anführer der fünf ist „der Baron vom Arsch“, ein Pianist, dem nach einem Killerüberfall auf seine eigene Kapelle nur seine Mundharmonika geblieben ist. Zu ihm gesellen sich zwei Rabbinerschüler, ein Zigeuner, ein Fünzehnjähriger und die Sängerin Chava. Zusammen begegnen und entkommen sie dem Hunger, der Dummheit und Feindseligkeit, der Großzügigkeit und dem Tod – allerdings nicht alle. Doch keine Angst, in den bleischweren Momenten, seien es Mord oder Kapitulation, kriegt der Autor jedes Mal mit Ironie die Kurve in Richtung Humor. Ihre verwirrende Odyssee setzt Sfar in aquarellierten Tuschezeichnungen äußerst lebendig um. Im Prozess gestaltet er die Ausführungen der Panels gemäß dem Inhalt. Nach fast akkuratem Beginn im ersten Band wird es locker, wild, fast schlampig, dann monochrom, mal dominieren starre Outlines, mal lässt er die Vorzeichnungen stehen – eine Entwicklung wie in der Musik der Migration, ganz besonders in der des Klezmer.
Imke Staats
 MIKE HARDING: The Adventures Of The Crumpsall Kid : a Memoir.
MIKE HARDING
The Adventures Of The Crumpsall Kid : a Memoir.
mombooks.com
(London : O’Mara, 2015.)
256 S. : mit s/w-Fotos , ISBN 978-78243-452-8 – 18,99 GBP


Mike Harding, Jahrgang 1944, ist ein englisches Multitalent: Sänger, Musiker, Songwriter, Komödiant, Poet und Radiomensch, der mit seinem BBC-2-Folkprogramm bis zu einer Million Hörer hatte. Als wenn das nicht schon reichen würde, ist er auch noch Schriftsteller und braucht daher für seine Teilbiografie (0 bis etwa 17 Jahre plus) definitiv keinen Ghostwriter. Das erledigt er alles selbst und demonstriert dabei so ganz nebenbei auch ein ums andere Mal seinen Wortwitz –wobei ihm seine komische Ader zugutekommt. Crumpsall liegt einige Meilen nördlich von Manchester und war nie das, was man eine schöne Stadt bezeichnen könnte. Es war nicht zuletzt auch die erste Anlaufstelle für Menschen, die aus welchen Gründen auch immer Irland verlassen mussten, so wie Hardings Familie von der Oma bis zu Onkeln und Tanten. In den Vierziger- und Fünfzigerjahren war Crumpsall im Vergleich zu heute sozusagen ein anderer Planet. Der Halbwaise Harding – der Vater fiel im Krieg – erlebt Armut und Mangel an allen Ecken, aber auch viel menschliche Wärme und familiären Zusammenhalt. Und wie in einer irischen Gemeinschaft üblich, spielte die katholische Kirche eine wichtige und allzu oft negative Rolle. Das wird überdeutlich, als Harding auf eine weiterführende katholische Schule in Manchester wechselt. Die Musik, die Harding selbst macht, taucht naturgemäß erst später auf, genau auf Seite 172, exakt eine Seite, nachdem der Lektor übersehen hat, dass es für den deutschen Begriff „Volkslieder“ auch einen Singular gibt. Los geht es mit Skiffle und Lonnie-Donegan-Songs, bevor es mit einer festen Band The Stylos und Buddy-Holly-Rock-’n’-Roll weitergeht. Die Atmosphäre dieser Jahre ist wunderbar und lebendig eingefangen, die Geschichte eines einzelnen Kindes/Teenagers zwar, aber ein typisches Bild des Unterklassen-Englands Mitte des letzten Jahrhunderts. Trotz einiger ernsthafter oder philosophischer Passagen verschwindet ein Lächeln nie völlig vom Gesicht des Lesers.
Mike Kamp

Besondere
THE NITTY GRITTY DIRT BAND And Friends
Circlin’ Back – Celebrating 50 Years
nittygritty.com
(NDGB Records 557477-2/Warner)
18 Tracks, 77:18 , plus DVD


Fünfzig Jahre im Musikbusiness zu existieren, ist heutzutage eine Besonderheit, auch in der Countrymusik. Im Fall der Nitty Gritty Dirt Band liegt es vielleicht auch daran, dass sie immer wieder neue Ideen ausprobierten und ein offenes Publikum suchten. Die Band begann mit Jugband Music, spielte sich später in die Herzen von Countryrockfans genauso wie in die von Pophörern. Vor allem aber war es dieser Band zu verdanken, dass in den Siebzigern Rockmusikhörer ein Ohr für traditionelle Country- und Folkmusik riskierten. Ihr legendäres Album Will The Circle Be Unbroken vereinte 1972 langhaarige Hippies und Bluegrasspioniere wie Earl Scruggs oder Folkikone Doc Watson. Mit dem Erfolg des Albums war ein Bann  THE NITTY GRITTY DIRT BAND And Friends: Circlin’ Back – Celebrating 50 Years gebrochen und die Türen geöffnet für das, was heute weitreichend als Americana bezeichnet wird. Zwei weitere Alben dieser Art sollten folgen. Nun setzt die Dirt Band ein viertes oben drauf. Circlin’ Back – Celebrating 50 Years ist eben kein Best-of-Album, sondern ein Mitschnitt ihres Jubiläumskonzerts im Ryman Auditorium in Nashville im Stil der Will-The-Circle-Alben, bei dem ihre Einflüsse, insbesondere in den frühen Jahren, und auch uralte Jugband-Songs ihrer frühen Laufbahn gewürdigt werden. Es ist also ein vorwiegend akustisches Album mit einer optimalen Auswahl an Gästen wie Superstar Alison Krauss, Vince Gill, John Prine, Rodney Crowell, dem Westernbarden Jerry Jeff Walker sowie ehemaligen Mitgliedern der Band wie Jackson Browne und Jimmy Ibbotson. Als erweiterte Begleitung bei allen Stücken spielen Dobrovirtuose Jerry Douglas, Mandolinenstar Sam Bush und Byron House (Bassist bei Robert Plant), für diese Musik ein Dream-Team. Von der Songauswahl her überrascht, dass die großen Hits der Band wie „Fishin’ In The Dark“ gerade mal ein Drittel ausmachen, dagegen typische Doc-Watson-Klassiker etwa genauso viel. Auch die vielen Instrumentalsoli imponieren. Der Filmmitschnitt dieses Americana-Highlights ist der bisher beste der Band, aber nur über die USA zu beziehen.
Hans-Jürgen Lenhart
MALCOLM HOLCOMBE
Pretty Little Troubles
malcolmholcombe.com
(Gypsy Eyes Music)
12 Tracks, 47:20


Malcolm Holcombe hat regelmäßig in Deutschland getourt, vornehmlich in kleinen Clubs oder sollte man vielleicht besser Kaschemmen sagen? Dies auch nur, weil er in den Niederlanden bekannt und dort häufiger auf Tour ist, da liegen kurze Abstecher zum Nachbarn nahe. Nichtsdestotrotz ist Holcombe einer der „großen unbekannten“ Songschreiber. Sein Publikum ist klein, obgleich populäre Musiker ihn häufig als Einfluss erwähnen. Holcombe bekam die Liebe zur Musik von seiner Mutter praktisch in die Wiege gelegt. Als junger Mann versuchte er sich als Songwriter in Nashville, doch war ihm  MALCOLM HOLCOMBE: Pretty Little Troubles dort wenig Glück beschieden. Mit dreißig veröffentlichte er sein Debüt auf einem Minilabel. Zwar konnte er in den Folgejahren auch einen Vertrag mit einer großen Firma unterzeichnen, doch erreichten seine Alben kein größeres Publikum. Das liegt sicher auch an seiner Musik, die rau und kraftvoll, aber wenig eingängig klingt und irgendwo zwischen dem frühen Bob Dylan und Tom Waits einzuordnen wäre. Mittlerweile ist Holcombe über sechzig und schreibt die Geschichte der Folkmusik nicht neu, fügt ihr aber einen Sound hinzu, der seinesgleichen sucht. Auf Pretty Little Troubles erklingt schon einmal Keltisches im Arrangement, oder es ist ein Streichquartett zu hören, doch bei aller „Gewolltheit“ solcher musikalischer Artistik übertreibt Holcombe es nicht und lässt sich nicht von seinem eigentlichen Sein abbringen. Er hat seinen unbezwingbaren Blick auf die Welt, und die düsteren Geschichten seiner Songs erzählen genau davon. Gewidmet ist das Album „den Träumen, dem Schweiß und den Tränen aller Geflüchteten und Immigranten“. Aber hallo!
Michael Freerix

Deutschland
 BANDA INTERNATIONALE: Kimlik
BANDA INTERNATIONALE
Kimlik
bandacomunale.de
(Trikont, US-0489)
17 Tracks, 65:01 , mit Infos


Sie wollen ein Zeichen setzen, politisch, gesellschaftlich und musikalisch, und das gelingt ihnen höchst eindrucksvoll. Banda Internationale ist derzeit wohl mit Abstand das engagierteste musikalische Projekt in Deutschland, das sich konsequent gegen rechts stark macht und nicht scheut, auch in den Brennpunkten seine Stimme zu erheben. Im Jahr 2001 in Dresden unter dem Namen Banda Communale als Reaktion auf die wachsende Fremdenfeindlichkeit im Land gegründet, geht das Ensemble seit zwei Jahren einen entscheidenden Schritt weiter. Nach Auftritten in Flüchtlingsunterkünften begann die Band, geflüchtete Musiker zu integrieren. Das führte nicht nur zur Änderung des Namens. Auch musikalisch entwickelte sich die inzwischen zwanzigköpfige Band weiter. Ihr aktuelles Werk, dessen Titel auf Türkisch „Identität“ bedeutet und den Ausweis des Landes bezeichnet, präsentiert einen Querschnitt ihres Repertoires aus Eigenkompositionen und Stücken aus Krisenregionen wie Nordafrika, dem Nahen Osten, dem Balkan oder Osteuropa. Das brachte ihnen nicht nur den Förderpreis des Deutschen Weltmusikpreises Ruth ein (siehe auch Beitrag auf Seite 54 in diesem Heft). Das kraftvolle Weltmusikensemble mit ausgeprägten Bläserarrangements gibt inzwischen bis zu sechzig Konzerte im Jahr, spielt auf Demonstrationen und veranstaltet Workshops in Schulen sowie soziokulturellen Jugendinitiativen – und das, obwohl alle nur nebenberuflich als Musiker tätig sind. Deutschland braucht mehr solch leidenschaftliche Aktivisten.
Erik Prochnow
 DROWSY MAGGIE: Nú Trad
DROWSY MAGGIE
Nú Trad
drowsymaggie.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 67:28 , mit engl. Infos


Das Düsseldorfer Quintett verrät schon im Band- und Albumnamen, worauf es hinauswill: modernen Irish Trad. Und das machen sie richtig gut mit Gitarre, Schlagzeug, Geige, Gesang und einem ganz besonders prägnanten Akkordeon, womit sie einen Groove hinlegen, der dem geneigten Hörer durch alle Nerven geht. Wo mögen Sie ihre Vorbilder haben? Beoga, Midnight Court, Gráda, Kíla, Solas oder auch Show of Hands und Red Cardell? Ja, hier und da gibt es auch englische, schottische und bretonische Klänge in den eigentlich irischen Tunes und Songs. Und dann erklingen auch noch Trompete und Posaune von Gastmusikern, die der Musik ein I-Tüpfelchen mehr verleihen. Dabei ist es Konzert- und Tanz-, weniger Pub- und Partymusik, denn um sich dabei noch zu unterhalten, ist sie zu eindringlich und zu schade. Auch wenn sie kein Stück selbst geschrieben haben, sind doch alle Tracks originell und authentisch arrangiert. Manchmal reiten sie nur vielleicht etwas zu lange auf der Version eines Themas herum, statt sich noch ein, zwei Variationen mehr einfallen zu lassen.
Michael A. Schmiedel

 KNOBLAUCH KLEZMER BAND: Knoblauch Scharf
KNOBLAUCH KLEZMER BAND
Knoblauch Scharf
knoblauchklezmerband.com
(Eigenverlag)
14 Tracks, 74:12 , mit dt., engl., hebr. u. russ. Texten


Just eine weitere Klezmerband aus Berlin, die ursprünglich eigentlich nur so ein bisschen herumklimpern wollte. Ob es nun wirklich ein knoblauchlastiges Abendessen war, welches das Quintett zu seinem ersten vollen Album inspirierte, gehört wohl in die Legenden der Gruppenhistorie. Fakt ist, dass es nun vierzehn neu eingespielte und wahrliche fetzige Stücke gibt – einige Studioaufnahmen, in den letzten Jahren auf zwei EPs veröffentlicht, existierten bereits, allesamt selbst komponiert und arrangiert, die Texte eingeschlossen. Leon Behn (b), Arnoud Duvoux (cl), Eli Fabrikant (v), Max Horbank (dr) und Moishe „Eisenbauch“ Zangief (acc) scheinen selbst in einer sterilen Studioatmosphäre vor Energie zu platzen und zeigen keinerlei Hemmung, absolut ohne Fehl und Tadel neben traditionellem Klezmer ins Bulgarische, Rumänische oder Serbische zu springen. Das Ganze dann auch gleich mehrsprachig, vom Deutschen wird ins Englische, Hebräische und gar Russische gewechselt. Kein Wunder, ist der in Riga geborene Violinist der Gruppe schließlich über Tel Aviv nach Berlin gekommen. Ein wirklich abwechslungsreiches Album für Weltmusikenthusiasten.
Matti Goldschmidt
 MARIE’S WEDDING: Both Sides
MARIE’S WEDDING
Both Sides
scott-douglas.de
(Prosodia)
14 Tracks, 59:04 , mit engl. Texten


Die schottische Sängerin Joanna Scott Douglas und der deutsche Gitarrist und Sänger Jan Jedding sind Marie’s Wedding, und Both Sides ist ihr überzeugendes Debüt. Das Album glänzt gleich zweifach. Da ist zum einen Douglas’ warme, im positiven Sinne schöne Stimme. Und da ist zum anderen eine abwechslungsreiche und stimmungsvolle Begleitung, an der neben den beiden Protagonisten Kollegen wie Sandy Brechin (Akkordeon), Greg Borland (Fiddle), Ian Melrose (Low Whistle) oder Wendy Wetherby (Cello) mitgewirkt haben. Eine solch talentierte Ansammlung kann eigentlich nur Qualität produzieren. Und der anfänglich skeptische Blick auf die vor Standards nur so strotzende Titelliste – „Star Of The County Down“, „Loch Tay Boat Song“ oder „Wild Mountain Thyme“ sind nur drei beliebige und im Bekanntheitsgrad austauschbare Titel – relativiert sich ein wenig, wenn Douglas im Beiheft schreibt, dass das Album für sie eine Reise nach Hause in die schottische Border-Region war. Hier wird Folkmusik also nicht neu erfunden, hier wird sie geschmackvoll interpretiert. Daher genießen wir dieses Album und sind gespannt auf das nächste.
Mike Kamp

Europa
 DANNY BRYANT: BIG – Live In Europe
DANNY BRYANT
BIG – Live In Europe
dannybryant.com
(Jazzhouse Records JHR141/In-akustik)
Do-CD, CD 1: 7 Tracks, 44:17, CD 2: 6 Tracks, 40:28


Bescheiden aufzutreten, ist seine Sache nicht. So ist, anders als im Booklet beschrieben, keine Big Band mit achtzehn Musikern am Werk, sondern ein Fundament aus Bass, Schlagzeug, Gitarre und Keyboard wurde um zwei Saxofone, Trompete und Posaune ergänzt. Und auch der Untertitel „Live In Europe“ sagt nicht, dass dieses Album an lediglich zwei Spielorten in Deutschland und einem in den Niederlanden aufgenommen wurde. Macht aber alles nichts, denn musikalisch überzeugend, fulminant und mit der vollen Energie der neunköpfigen Besetzung geht es mit „Temperature Rising“ los. Einmal auf Betriebstemperatur gebracht, wird es mit „Just Won’t Burn“ zwar etwas langsamer in der Metrik, aber nicht weniger expressiv. Danny Bryant ist ein Kraftmensch, sein Gitarrenspiel nicht filigran, sondern strotzend vor Energie und mit hörbarer Lust am großen Ton. Sehr schön dazu die immer wieder unterstützenden Bläser oder das abmildernde Piano. An Strom wird hier nicht gespart, jedes Instrument ist präsent, und dennoch wirkt alles im Zusammenspiel geschlossen, eine massive Mauer aus Klang und Ausdruck. Wer also Bluesrock mit „großer Geste“ mag, der wird dieses Album lieben – und alle beneiden, die eines der Konzerte besucht haben.
Achim Hennes
 ELIZA CARTHY & THE WAYWARD BAND: Big Machine
ELIZA CARTHY & THE WAYWARD BAND
Big Machine
elizawayward.com
(Topic Records TSCD592)
11 Tracks, 49:39 , mit engl. Infos


Kaum verschwindet die Folk-Big-Band Bellowhead in der Versenkung, da kommt das nächste zwölfköpfige Orchester um die Ecke. Und beides hängt zusammen, denn ohne Bellowheads Ende hätte Eliza Carthy ihren Plan nicht umgesetzt, weil – so Carthy – die Szene zwei solche Big Bands nicht vertragen könnte. Carthy und ihre drei Mitstreiterinnen und acht Mitstreiter sind schon alleine wegen der Bläsersektion mindestens ebenso mächtig wie ihre Vorgänger – und doch anders. Wie schafft man es, die unglaubliche Kreativität von Künstlern wie Eliza Carthy, Lucy Farrell, Sam Sweeney oder Saul Rose zu bündeln? Indem man einen Spezialisten wie den Schotten Jim Sutherland produzieren lässt. Der bändigt die sechsunddreißigköpfige Banda Europa, da ist die Wayward Band quasi Kleingeld – aber ein ausgesprochen spannendes, durchaus auch chartstaugliches. Das swingt, das folkt, das rockt auch mal heavy, das soult, das rappt, das ist rund, und ab und an klingt es so, dass der selige Herr Weill seine pure Freude daran gehabt hätte. Dazu passt, dass Chefin Carthy bei den Texten Wert auf sozialen Tiefgang legt. Das alles gibt uns nur wenig Zeit zum Luft holen, aber wer Spaß an einem großen und tiefen Sound hat, wird dieses Album lieben.
Mike Kamp

 ESTBEL: Saar
ESTBEL
Saar
estbel.de
(Nordic Notes NN0092)
11 Tracks, 41:12


Oh Gott, ist das schön! Keine drei Sekunden läuft die CD, und schon wird der Hörer hinweggetragen zu alten Tanzfestivals wie Saint-Chartier, in denen Dédale als Straßenmusiker auftraten, nach Cropredy und zu Fairport Convention oder nach Rudolstadt, als das „T“ noch neben dem „FF“ stand. Belgien, schon immer eine Talentschmiede für urbanen Folk, und Skandinavien, mit langer Tradition in Folkförderung, scheinen ihre besten Talente in einer Band vereinigt zu haben. Estbel – für Estland und Belgien –, so heißt die junge Truppe, und sie erfüllt schlichtweg alle Wünsche des folkverwöhnten Publikums. Dabei erfinden Estbel keineswegs das Rad neu, die Kompositionen könnten von Blowzabella stammen, von Sorten Muld oder sogar von Lais. Und wenn die Referenzen auch hoch gegriffen scheinen, die Musiker schaffen es spielend, die Erwartungen zu erfüllen. Die Songs sind schlichtweg brillant komponiert, die Arrangements drücken die richtigen Knöpfe, und die Spielfreude bläst jeden Zweifel hinweg. Es fehlt Saar völlig an sperrigem Material, jedes Stück ist eingängig, quasi ein Hit. Dabei wird das Album auch nach wiederholtem Hören nicht langweilig, im Gegenteil, man verliebt sich in die vielen kleinen Spielereien, die dieses Werk abrunden.
Christian Elstrodt
 FLO:  Il Mese Del Rosario
FLO
Il Mese Del Rosario
de-de.facebook.com/public/floriana-cangiano
(Agualoca Records ALCD011/Indigo)
Promo-CD, 9 Tracks, 41:38


Nach ihrem federleichten Debüt D’Amore E Di Altre Cose Irreversibili paart Floriana „Flo“ Cangiano in ihrem neuen Opus Leichtigkeit mit Schwermut, Ironie und Sarkasmus. Opener „Vulio“ (neapolitanisch für „Wunsch, Begierde“) lehnt sich witzig am mexikanischen Huapango „Cucurrucucú Paloma“ an und steht für die oft kaum zu verwirklichenden Träume und Sehnsüchte der Neapolitanerinnen. Im fast punkigen „Malemaritate“ erzählt Flo die Geschichte der Straßenmädchen im Spätmittelalter, die versuchten, ihr Leben im Kloster in ruhigere Bahnen zu lenken, um darauf zur leichten Beute der Mönche zu werden. Der Kontrast zum locker hüpfenden „Ad Ogni Femmina Un Marito“ („Jeder Frau einen Gemahl“) könnte kaum größer sein. Doch die ersten Takte trügen, die perfekte Ehe der Mutter ist nur ein Schein. Das Crescendo der Band deutet aufkommende Stürme mit der Tochter an, die ganz andere Vorstellungen von Liebe hat. Und die drei Begleitmusiker haben es in sich: Ernesto Nobili an verschiedensten Saiteninstrumenten, der Percussionist und Mandolaspieler Michele Maione und der Cellist Marco di Palo zeichnen verantwortlich für ein ungemein abwechslungsreiches Werk. Jedes Lied eine Perle. Italianità vom Besten.
Martin Steiner

 FOLK’AVANT: Gryningsland
FOLK’AVANT
Gryningsland
folkavant.com
((Nordic Notes NN089)
10 Tracks, 45:58 , alle Texte im Original, teilw. engl. Übers.


Wieder ein Beispiel für die erfolgreiche Folkmusikausbildung in Skandinavien. Die drei jungen Musikerinnen Anna Wikenius (Gesang, die meisten Kompositionen), Maija Kauhanen (Kantele, Gesang) und Anna Rubinsztein (Geige, Gesang) sind Absolventinnen der Königlichen Musikakademie in Stockholm und komponieren, spielen und singen moderne Folkmusik entsprechend ihrem Bandnamen. Wikenius und Rubinsztein kommen aus Schweden, Kauhanen aus Finnland. Das Trio gründete sich 2013, und als Mitglieder bekannter Gruppen wie Okra Playground, Mari Kalkun & Runorum und Kongero hatten sie genug Erfahrungen, um dieses überzeugende Debütalbum zu produzieren. Es sind alles Eigenkompositionen, die ihre Länderherkunft nicht verleugnen. Kauhanen ist eine expressive Sängerin und Meisterin auf ihrer 23-saitigen Saarijärvi-Kantele, der sie experimentelle Töne entlockt. Der Gesang des gesamten Trios mit diesen besonderen Stimmen begeistert. Die eher besinnlichen Themen reichen von einer Liebesnacht und einem Traum von einer angehaltenen Welt über das Untergehen des Mondes in der Morgendämmerung und die Erinnerung an einen Tröster bis hin zu den etwas temperamentvolleren „Budapest“, „Infall“ und „Instagram“. Ein außergewöhnliches Album.
Bernd Künzer
 EBBA FORSBERG: Take My Waltz – Ebba Forsberg Sings Leonard Cohen
EBBA FORSBERG
Take My Waltz – Ebba Forsberg Sings Leonard Cohen
ebbaforsberg.com
(Gamlestans Grammofonbo/Broken Silence)
11 Tracks, 53:52


In Schweden Leonard Cohen zu singen ist nicht einfach, die Nachdichtungen von Janerik Lundqvist sind einfach überlebensgroß. Ebba Forsberg geht einen anderen Weg als dieser und singt Cohen auf Englisch, unterstützt von etlichen Kollegen mit einer Vielzahl von Instrumenten. Die halten sich aber diskret im Hintergrund. Alles lebt von Forsbergs fantastischer Stimme und ihren Arrangements, die sich so dicht an die Originale halten, dass keine Verfremdung entsteht, zugleich aber so viel Eigenes aufweisen, dass es eben ein „anderer“ Cohen wird. „Dance Me To The End Of Love“ ist schmissiger, ein bisschen wie Big Band, „Suzanne“ schneller, als ob die Betrachterin wünscht, Suzanne möge sich mal beeilen, „That’s No Time To Say Goodbye“ leicht amüsiert, „Who By Fire“ eher drohend, schicksalhaft, unvergesslich. Ebba Forsberg hat zwischendurch Probleme mit dem englischen „s“, hier stört das aber nicht, sondern klingt ein bisschen exotisch, anders eben, und durchaus schwedisch. Ihre Versionen eröffnen einen neuen Zugang zu Cohens Texten und sind zugleich eine überraschende Wiederbegegnung mit dem Nobelpreisträger der Herzen.
Gabriele Haefs

 ANDREAS IHLEBÆK: The Guest
ANDREAS IHLEBÆK
The Guest
andreasihlebaek.bandcamp.com
(So Real International SoReal002)
8 Tracks, 49:32


Ihlebæk schafft es, dem überstrapazierten Genre Folkpop eine gänzlich neue Dimension hinzuzufügen. Soundtrackartige Landscapes und sinfonische Gedankenwelten verbinden sich mit raffiniertem Songmaterial zu einer einzigartigen Klangfarbe. Denkt man bei der Symbiose von Klassik, Folk und Electronica an Olafur Arnalds oder Nils Frahm, so landet man schnell bei instrumentalen Ambientklängen. Ihlebæks Ansatz ist jedoch songorientiert, quasi ein Liedermacher für Frahm-Fans. Das Ergebnis, intelligente Popmusik ohne Vergleich, liefert der Norweger in einer Qualität, die durchaus auch Kate Bush oder Peter Gabriel gut zu Gesicht stehen würde. Der Hörer fühlt sich gleichzeitig auf einem Konzert von Billy Joel und Bugge Wesseltoft. The Guest ist auf einem Festival wie dem Haldern Pop vermutlich besser aufgehoben als in einem Opernhaus, dennoch ist die Kategorie „Klassik“ angemessen. Ihlebæk schuf mit seinem Debütalbum schlichtweg ein Meisterwerk. Übrigens war der Künstler auch vor seinem ersten Album in Skandinavien erfolgreich. Er komponierte für Filme, war Gastmusiker vieler norwegischer Jazzstars und wurde mehrfach für den norwegischen Spellemannprisen nominiert.
Christian Elstrodt
 ISABELLE: Ich bìn do
ISABELLE
Ich bìn do
isabellegrussenmeyer.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 38:50 , mit franz. Infos u. elsäss. Texten


Die elsässische Liedermacherin aus Haguenau, Isabell Grussenmeyer, singt in der Mundart ihrer Heimatregion, dem Nordelsass, einem Idiom, das, obwohl alemannisch, auch deutliche Ähnlichkeiten zum pfälzischen und nordbadischen Rheinfränkisch hat. Gleich zwei Lieder, deren Texte sie zusammen mit Jean-Pierre Albrecht geschrieben hat, handeln von der Sprache, und zwar einmal davon, dass niemand Prophet im eigenen Land ist und mit seiner Kunst und Sprache dort nicht ankommt, zum anderen vom „Wortsàlàt“ beim Versuch, sich in Spanien zu verständigen. „Bühnedatteri“, also Lampenfieber, gesteht sie in einem anderen Lied ein, während sie in einem weiteren vom Trüdel erzählt, das „waje de Litt“, also wegen der Leute, nie das macht, was es eigentlich will, bis es sich davon emanzipiert. Alle diese feinen, hintersinnigen Lieder singt sie mit einer sympathischen Stimme und achtköpfiger Begleitung auf vielen Instrumenten wie Kontrabass, Klavier, Percussion, Gitarre, Querflöte und Trompete. Ein wunderbares Album, das hoffentlich kein Denkmal für die elsässische Sprache wird, sondern dazu animiert, sie (und andere Mundarten) zu hegen und zu pflegen.
Michael A. Schmiedel

 HANNAH JAMES: Jigdoll  THE RHEINGANS SISTERS: Already Home  LADY MAISERY: Cycle
HANNAH JAMES
Jigdoll
jigdoll.co.uk
(Rootbeat Records RBRCD30)
14 Tracks, 50:44 , mit engl. Infos


THE RHEINGANS SISTERS
Already Home
rheinganssisters.co.uk
(Rootbeet Records RBRCD28)
12 Tracks, 55:34 , mit engl. Infos


LADY MAISERY
Cycle
ladymaisery.com
(Rootbeat Records RBRCD33)
13 Tracks, 44:45 , mit engl. Infos


Drei CDs, ein Label, ein Produzent (Dylan Fowler) und vier junge englische Damen. Die erste ist Hannah James (Gesang, Akkordeon und Stepptanz). Sie hat bereits in diversen Combos gearbeitet, zum Beispiel mit der Folklegende Maddy Prior. Hier macht sie ihr Ding, und das ist die Synthese von Musik und Stepptanz. Alles selbst geschrieben, basierend auf ihrem Verständnis von Tradition. Wunderbar zu erfahren, wie die rhythmischen Tanzparts – auch barfuß – mit Gesang und Musik verschmelzen.
Die Rheingans Sisters aus Sheffield machen europäische Musik im besten Sinne des Wortes. Der Schwerpunkt liegt auf der Geige, die beide spielen – und der Vater baut. England, Skandinavien, Spanien und Frankreich sind die Quellen der mehr oder weniger live eingespielten Lieder und Melodien.
Lady Maisery, das sind Hannah James, Rowan Rheingans und Hazel Askew (Harfe, Konzertina). Hier glänzen alle drei Damen in erster Linie vokal. Selbst die zwei Instrumentaltracks werden gesungen! Natürlich sind die Ladies auch instrumentell variabel. Akkordeon, Harfe und Banjo dominieren die teils traditionellen, teils zeitgenössischen und teils höchst erstaunlichen selbst komponierten Lieder. Tolle und sehr weibliche Folkmusik.
Mike Kamp
 ANDY MANNDORFF : Pandora
ANDY MANNDORFF
Pandora
manndorff.com
(Cracked Anegg Records)
11 Tracks, 43:03


Die eigene Stimme zu finden, bleibt oft eine lebenslange, ergebnislose Suche. Viele Künstler sind in einer musikalischen Tradition beheimatet, die nur einen begrenzten Spielraum zu erlauben scheint. Das gilt für alle Genres. Hin und wieder taucht dann ein Freigeist am Horizont auf, und man fragt sich, wie das kommt, dass einer so anders klingt. Und vielleicht ist es ja besonders schön, dass das ein Geheimnis bleiben wird. Der österreichische Gitarrist Andy Manndorff ist so einer. Kommt mit seiner nylonbesaiteten Akustikgitarre daher und öffnet die Büchse der Pandora. Doch heraus strömen keine Plagen, sondern wundersame Kompositionen und Improvisationen, die einerseits den erfahrenen Jazzmusiker verraten und andererseits doch so weit weg sind von allen bekannten musikalischen Gestaden. Erstaunliche Einfachheit, erstaunliche harmonische Komplexität, begnadetes Timing und eine Gelassenheit, die ansteckt. Und allerorten Schönheit. Bei Manndorff wird alles zu Musik, die Berührung der Saite, das Kratzen, Schaben und Wischen. Von Effekten hält er nichts, aber viel von Innerlichkeit, die noch lange nach dem letzten Ton nachklingt.
Rolf Beydemüller

 QUERCUS: Nightfall
QUERCUS
Nightfall
ballamy.com/quercus
(ECM 2522)
11 Tracks, 65:37 , mit engl. Texten u. kurzen Infos


Wo Quercus draufsteht, könnte durchaus June Tabor drin sein. Aber Vorsicht, es gibt auch eine Mittelalterband gleichen Namens. Wenn Quercus jedoch auf dem Jazzlabel ECM veröffentlichen, dann handelt es sich um June Tabor und ihren langjährigen Pianisten Huw Warren plus den Saxofonisten Iain Ballamy. Aber ist das Jazz? Oder ist das Folk? Es ist wunderbare Musik! Sechs traditionelle Songs, je einmal Dylan und Bernstein, zwei Instrumentals – das Trio ist variabel, aber die Basis ist Folk. Dafür sorgt schon alleine die einzigartige dunkle Stimme von June Tabor, das Zentrum eines jeden Songs. Warren und Ballamy arbeiten ihre musikalischen Beiträge, denen man die Jazzwurzeln natürlich anhört, einfühlsam in und um den Gesang. Die Ergebnisse sind erstaunlich. Der Opener zum Beispiel, „Auld Lang Syne“, der bereits millionenfach zerspielt worden ist, klingt hier völlig neu empfunden. Okay, Lebensfreude ist auf dem kompletten Album auch im Ansatz nicht zu erkennen, Melancholie ist eben so etwas wie Tabors Markenzeichen. Ein mehr als würdiger Nachfolger des hochgelobten und mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichneten ersten Triowerks Quercus von 2013 – Weiterentwicklung wäre der passendere Begriff.
Mike Kamp
 WIMME & RINNE: Human
WIMME & RINNE
Human
wimme-rinne.com
(Westpark CD 87338)
9 Tracks, 37:03


Tapani Rinne ist einer der bedeutendsten Vertreter elektronischer Musik in Finnland und als Saxofonspieler Erzeuger einer einzigartigen Klangfarbe. In seinen Experimenten spielt die nordische Folklore regelmäßig eine bedeutende Rolle. Rinne arbeitete deshalb bereits mehrfach mit dem samischen Vorzeigejoiker Wimme Saari zusammen. Ob unter gemeinsamem Namen oder als Gastmusiker bei jeweils dem anderen Künstler, Rinnes Instrumentalkunst ist das kongeniale Äquivalent zu Wimmes Gesang. So klingt Human wie ein Wiedersehen zweier alter Freunde. Ob nordische Schwermut herbeibeschworen oder mit leichten Technoklängen zum Tanzen aufgefordert wird, überall ist das spielerische Miteinander zu hören, das Frage- und Antwortspiel zweier großer Künstler. Dabei verzichten beide auf die Zurschaustellung ihrer enormen Fertigkeiten. Minimalistisch reduzieren sich die Arrangements und erreichen so eine Intimität, bei der sich der Zuschauer fast wie ein Voyeur fühlt. Man glaubt beinahe, einer von Improvisation getragenen Livesession beizuwohnen. Zum Genuss sind offene Ohren allerdings unabdingbare Voraussetzung – wie bei jeder Veröffentlichung dieser Künstler.
Christian Elstrodt

 ZARUK (RAINER SEIFERTH & IRIS AZQUINEZER): Hagadá
ZARUK (RAINER SEIFERTH & IRIS AZQUINEZER)
Hagadá
rainerseiferth.de
irisazquinezer.com
(Rosevil Records/Timezone)
13 Tracks, 58:53 , mit span. u. engl. Infos


Das 2015 in Madrid zusammengekommene Duo nimmt sich in seiner ersten, so liebevollen wie sorgfältigen Aufnahme des sephardischen Liedgutes an. Dieses liegt der spanischen, einer jüdischen Familie entstammenden Cellistin seit ihrer Kindheit am Herzen, und so sprach sie für diese musikalische Erinnerungsarbeit den seit 2005 in Spanien lebenden, hörbar seelenverwandten deutschen Gitarristen an. Die Klassiksozialisation und allerhand zwischen „U“ und „E“, Traditionellem und Zeitgenössischem siedelnden Erfahrungen – von Alter Musik bis Folk, Jazz oder Pop – kommen dieser klanglich angenehm minimalistischen, dabei nicht minder reichhaltigen Annäherung an jene uralten Lieder der spanischen Juden zugute. Zwei nicht zum Kontext gehörende Kompositionen und ein Vokalstück enthält das ansonsten rein instrumental gestaltete Album. Hier und da wird der intime, an sich gut tragende Zweierverbund geöffnet für Musikerfreunde: den mit Alter Musik vertrauten Percussionisten David Mayoral, den ebenfalls in Madrid lebenden Saitenexperten Bill Cooley aus den USA – wie Seiferth Mitmusiker der Nyckelharpistin Ana Alcaide –, hier an der Santur, und den Wahl-Barceloner Hangvirtuosen Ravid Goldschmidt aus Israel.
Katrin Wilke



Nordamerika
 SAM BAKER : Land Of Doubt
SAM BAKER
Land Of Doubt
sambakermusic.com
(Eigenverlag)
15 Tracks, 43:26 , mit engl. Texten u. Infos


Eine einsame E-Gitarre eröffnet das Album, dann setzt der Gesang ein, wie ein Tasten die dunkle Kellertreppe hinab – willkommen in der Welt von Sam Baker. Vieles auf diesem Album hört man nicht, denn es sind die Pausen, die stillen Momente, die die Spannung erzeugen. Die Stücke dehnen sich, scheinen sich zu verlieren, bleiben stecken, um dann doch wieder Fahrt aufzunehmen. Es geht über morsche Brücken, durch karge Landschaften, und manchmal landet man unversehens auf einem grünen Flecken Erde. Der Gesang dazu ist sperrig, arhythmisch, spröde, fast widerwillig und entfaltet gleichzeitig eine berührend intensive Magie. Das, was es zu sagen gibt, wird in wenige richtige Worte verpackt, und an den Arrangements wurde so lange gefeilt, bis nur noch das Nötigste übrigblieb, damit die Stücke nicht zusammenbrechen. Wobei sich der Klang an den richtigen Stellen durchaus zu entfalten weiß, dann tragen feine Streicher oder eine einsame Trompete die Lieder weiter. Man würde nicht vermuten, dass dieses wunderbare Americana-Kammerfolk-Kleinod ausgerechnet in Nashville aufgenommen wurde. Im Juni dieses Jahres ist Sam Baker auf UK-Tour.
Dirk Trageser
 THE ANDREW COLLINS TRIO: And It Was Good
THE ANDREW COLLINS TRIO
And It Was Good
andrewcollinstrio.com
(ACT002)
8 Tracks, 40:24


Klar, wer sich aktuell die Mandolinenspieler anguckt, die genreübegreifend unterwegs sind, wird erst mal Chris Thile nennen. Der Kalifornier besetzt mit seiner vielfältig-virtuosen und geschmackvollen Kunst die Spitze. Danach folgen weitere Könner ihres Fachs, etwa Mike Marshall, David Grisman und Frank Solivan. In diese Reihe könnte auch der Kanadier Andrew Collins aufschließen, ein in seiner Heimat vielfach mit Preisen ausgezeichneter Musiker. Sein vorliegendes Album jedenfalls zeigt ihn als exzellenten Instrumentalisten und Komponisten. Auf And It Was Good schildert er musikalisch nichts weniger als die Erschaffung der Welt in sieben Songs – plus einem achten Stück, auf dem dann alles gut ist. Collins’ Schöpfungen auf der Mandoline reichen gleich über mehrere Welten hinweg, zum Beispiel Jazz, Folk, Bluegrass, Klassik, um die wichtigsten zu nennen. Unterstützt wird er dabei von den ebenfalls erstklassigen Kollegen Mike Mezzatesta an diversen Saiteninstrumenten und James McEleney an Bass und Mandocello. Schließlich wirken mit dem Phantasmagoria String Quartet noch vier klassische Streicher mit. Das klingt verspielt, tief gehend, schräg und schön. Eine spannende und überzeugende Mixtur.
Volker Dick

 ROBERT CRAY & HI RHYTHM: I Love Soul
ROBERT CRAY & HI RHYTHM
I Love Soul
robertcray.com
(Megaforce/H’art, JV2017)
11 Tracks, 50:49 , mit engl. Infos u. Texten


Der mit fünf Grammys ausgezeichnete Bluesgitarrist, Komponist und Sänger Robert Cray fügt seinen mehr als zwanzig Produktionen eine sensationelle, in Memphis, Tennessee, aufgenommene Rhythm-and-Blues-Soul-Platte hinzu. Sein Partner war der fantastische Produzent und Schlagzeuger Steve Jordan. Die beiden Vollblutmusiker lernten sich bereits 1987 während der Arbeiten an dem Film Hail! Hail! Rock and Roll zu Ehren Chuck Berrys kennen. Mit dabei ist die Band Hi Rhythm, die seit fast fünfzig Jahren im selben Studio aktiv ist und ihre ganze Virtuosität und Erfahrung in die Platte einbringt. Eigenkompositionen wie die einfühlsamen Liebeslieder „You Had My Heart“ und „The Way We Are“ gehen eine nahtlose Verbindung ein mit Songs von Tony Joe White, der als Gitarrist an dem Projekt mitwirkte. Auch eine Saitenfraktion unter Leitung von Lester Snell spielt mit, ebenso wie Reverend Charles Hodges (Orgel), Leroy „Flick“ Hodges (Bass), Archie „Hubbie“ Archer (Keyboard) und das Quartett Royal Horns (Trompete, Saxofon). Auf der Innenseite des Digipacks steht Robert Cray, der „Gentleman des Blues“, vor einer Wand mit den riesigen Lettern „I Love Soul“. Dem möchte man ohne Einschränkung beipflichten.
Annie Sziegoleit
 THE GIBSON BROTHERS: In The Ground
THE GIBSON BROTHERS
In The Ground
gibsonbrothers.com
(Rounder Records 1166100173/In-akustik)
13 Tracks, 46:03 , mit engl. Texten u. Erläuterungen


Wer auf der Suche ist nach klassischem, auf hohem Niveau und ohne große stilistische Spielereien dargebotenem Bluegrass ist, der darf hier Halt machen. Die Brüder Leigh und Eric Gibson liefern genau das, samt dem charakteristischen Harmoniegesang. Ihre Songs klingen dabei alles andere als verstaubt, die Melodien frisch, die Soli mitreißend. In den Texten geht es dagegen um das, was der konservative Bluegrasser erwartet – das Unterwegssein, die väterliche Ansprache an den Sohn, den Abschied von zu Hause und den Kirchgang. Die Brüder verfügen aber auch über einen Sinn für Humor, etwa wenn sie in „Homemade Wine“ die Folgen übermäßigen Genusses ebendieses Getränks schildern: „I got one shoe on but the other’s gone, / I can’t figure out whose couch I’m on.“ Dürfte mancher kennen, und solche Geschichten machen Bluegrass eben auch aus, das Erzählen von Alltagsbegebenheiten und -gefühlen. Verlassen können sich die Gibsons auf ihre Mitmusiker Mike Barber (b) und Clayton Campbell (fiddle), dazu kommen die exzellenten Gäste Jesse Brock an der Mandoline und Dobrovirtuose Rob Ickes. Angesichts dieser Namen leuchtet ein, dass die Brüder mit diesem Album erneut in geschmackssicherem Gebiet unterwegs sind.
Volker Dick

 HOUSE AND LAND : House and Land
HOUSE AND LAND
House and Land
sallyannemorgan.com
sarahlouise.bandcamp.com
(Thrill Jockey Records THRILL 444)
10 Tracks, 34:23


Banjo, Geige oder Bouzouki, zwei Stimmen, ganz essenziell ist der Sound dieses Duos mit Sally Anne Morgan und Sarah Louise Henson. Beide trafen aufeinander, als Henson Vorgruppe für die Black Twig Pickers war, bei denen Sally Morgan Geige spielt. Sie entdeckten ihre gemeinsame Leidenschaft für die Musik der ländlichen USA und vor allem die alten überlieferten Songs, denen sie auf ihrem Debütalbum die Ehre erwiesen. Es sind archaische Songs, deren Geschichten heute schwer verständlich sind, aber deren Aura praktisch unzerstörbar ist. Morgan und Henson fahren immer wieder kreuz und quer durch die USA, klopfen an Türen ihnen unbekannter Häuser und fragen nach alten Songs, die ihnen die Menschen vorsingen sollen. Nun besitzen die beiden eine große Sammlung an solchen, die sie für sich arrangieren. Ihr Album ist praktisch eine Reise in die Zeit, als Musik noch gemeinschaftlich gemacht und von Ohr zu Ohr weitergereicht wurde. Die Songs handeln von der harten Arbeit auf den Feldern, den gelegentlichen Unwettern, die die Ernte vernichteten, und von unerfüllter Liebe. Eine gewisse Verlorenheit zeichnet diese Songs und das ganze Album aus, wohl eine Verlorenheit, von der das Leben der Menschen von vor zweihundert Jahren gekennzeichnet war.
Michael Freerix
 THE JERRY CANS : Inuusiq
THE JERRY CANS
Inuusiq
thejerrycans.com
(Aakuluk Music, NU2016)
10 Tracks, 36:45 , mit engl. u. Inuktitut-Texten u. Infos


Sie wollten vor allem Klischees vermeiden. Den Jerry Cans aus dem hohen Norden Kanadas ist aber viel mehr gelungen. Denn an das Volk der Inuit denkt man zunächst nicht, wenn man die kraftvollen Songs der fünfköpfigen Band aus dem arktischen Nunavut hört. Ihr neues Album Inuusiq, was so viel wie „Leben“ bedeutet, sprudelt nur so vor Energie und repräsentiert ein Volk, das zwischen Tradition und Erneuerung einen neuen Weg finden muss. Die fünf Musiker verbinden nicht nur Indierock, Reggae, Folk und Country Noir, sondern bedienen sich auch immer wieder der musikalischen Wurzeln ihres Volkes, wie des traditionellen Kehlgesangs. In ihrer Sprache Inuktitut erzählen sie unter anderem von den zum Teil großen Alltagsherausforderungen in der rauen, eisigen Landschaft des arktischen Nordens. Obwohl die Region technologisch inzwischen an den Süden des Landes stärker angebunden ist, leiden die Menschen dort oft unter ihrer Isolation. So ist die Selbstmordrate gestiegen und Gewalt gegenüber Frauen ein großes Problem. Mit schnellen Fiddleläufen, eingängigen indigenen Rhythmen, ausdrucksstarken Stimmen sowie Akkordeon- und Gitarrenbegleitung besingen die Inuit aber auch die Schönheit der Landschaft, die Kraft der Familie, das Jagen und Fischen sowie die Liebe.
Erik Prochnow

 KRONOS QUARTET: Folk Songs
KRONOS QUARTET
Folk Songs
kronosquartet.org
(Nonesuch 559151/Warner)
Promo-CD, 9 Tracks, 39:36


Seit fast vierundvierzig Jahren bewegt sich das amerikanische Streichquartett an den Nahtstellen von Neuer Musik, Jazz, Popkultur und Weltmusik. Von den Gründungsmitgliedern aus dem Jahre 1973 ist lediglich Geiger David Harrington noch dabei, doch auch Geiger Nummer zwei, John Sherba, und Bratschist Hank Dutt haben inzwischen gut einundvierzig Jahre Kronos auf dem Buckel. Lediglich Cellistin Sunny Yang ist mit ihrer vierjährigen Zugehörigkeit unangefochtenes Nesthäkchen der Gruppe. Wie häufiger in den letzten Jahren, stellt sich das Kronos Quartet auch auf seinem neuen Album ganz in den Begleitdienst der mitwirkenden Solisten. Leider, denn das, was von den vier Streichern hinter den dominanten Stimmen von Folkgrößen wie Olivia Chaney, Rhiannon Giddens, Natalie Merchant und Sam Amidon zu hören ist, könnte durchweg auch von x-beliebigen Studiomusikern stammen. Nur ganz selten wird man gewahr, dass hier die Legenden am Werk sind, die vier, die Riley, Reich, Glass oder Pärt ebenso souverän interpretieren wie John Zorn oder Sigur Rós und die bei „Foxy Lady“ und „Baba O’Riley“ ebenso viel Krach machen wie Hendrix und The Who. Wohlgemerkt, Folk Songs ist kein schlechtes Album, aber Kronos „pur“ steht dem Rezensenten einfach näher.
Walter Bast
 SEAN ROWE: New Lore
SEAN ROWE
New Lore
seanrowe.net
(Anti-Records 7525-2/Indigo)
10 Tracks, 40:03


Mit schöner Regelmäßigkeit veröffentlicht der US-Amerikaner Sean Rowe seine Alben hierzulande. Handelt es sich dabei um puren Fleiß oder ist es Notwendigkeit? Es scheint, Rowe schreibt seine Songs aus einem gewissen Drang heraus. Er ist bekennender Ökoaktivist und Naturfanatiker, der es in Städten nicht gut aushält, diese eher meidet und sich monatelang in die Natur zurückzieht, wo seine Songs auf der akustischen Gitarre entstehen. Dieses Mal fuhr Rowe mit einem Haufen Songs im Gepäck nach Memphis, um sie in den Sam Phillips Recording Studios aufzunehmen. Alles passierte in einem Take, wenn was schiefging und es funktionierte so, blieb es dabei. Es geht Rowe um eine gewisse Rauheit in seiner Musik, nicht um vollkommen ausproduzierte Akkuratesse. Gelegentlich sind schon einmal Bass und Schlagzeug oder ein Streicherarrangement zu hören, doch ist der Gesamteindruck ein eher einfacher Klang. Rowe ist nicht unbedingt ein Songschreiber, der „Messages“ in seine Texte packt. Er benutzt den Klang seiner Worte und seiner Gitarre eher, um von seinen Sehnsüchten und persönlichen Erlebnissen zu erzählen. Tatsächlich hat New Lore einen leicht souligen Touch.
Michael Freerix

 WATERMELON SLIM: Golden Boy
WATERMELON SLIM
Golden Boy
watermelonslim.com
(Dixie Frog/H’Art, DFGCD8796)
10 Tracks, 40:51 , mit engl. Infos u. Texten


Aus Clarksdale, Mississippi, kommt Bill Homans alias Watermelon Slim. Der 68-jährige Gitarrist, Mundharmonikaspieler, Komponist und Sänger veröffentlichte seine erste Platte bereits 1973. Das neue Album produzierte er zusammen mit dem Schlagzeuger und Percussionisten Scott Nolan. Golden Boy – der Titel nimmt Bezug auf ein Symbol der Stadt Winnipeg, in der die Songs aufgenommen wurden – ist eine Liebeserklärung an Kanada. Watermelon Slim wird auch für seine kritischen Texte geschätzt. Den Song „Winners Of Us All“ widmet er den Opfern des amerikanischen Traums, „Mean Streets“ handelt von Obdachlosen, „WBCN“ vom Kampf gegen die Neonazis. Neben sieben Eigenkompositionen präsentiert er eine Coverversion von „Barrett’s Privateers“, das als inoffizielle Hymne der Kanadier gilt, sowie Blind Willie Johnsons „You’re Gonna Need Somebody On Your Bond“. Als Begleitmusiker auf der Platte fungieren unter anderem Gilles Fournier (Bass), Jay Nowicki (E-Gitarre), Jeremie Rusa (Piano, Tasteninstrumente), Don Zueff (Geige), Joanna Miller (Percussion), Big Dave McLean (Harmonika) sowie Jolene Higgins und Sol James (Gesang). Das aufwendige Digipack zeigt viele Facetten des Vollblutmusikers und rundet die gelungene Produktion ab.
Annie Sziegoleit



Lateinamerika
 GUINGA: Canção Da Impermanência
GUINGA
Canção Da Impermanência
guinga.com
(Acoustic Music Records 319.1567.2/Rough Trade)
13 Tracks, 41:37


Der brasilianische Akustikgitarrist Guinga erschließt sich wahrscheinlich nicht jedem sofort. Die meisten brasilianischen Gitarristen vermitteln ein Feuerwerk an Spieltechnik, Rasanz und Virtuosität. Guinga dagegen wirkt manchmal eher so, als ob er etwas ausprobieren möchte und das Band zufällig mitläuft. Doch lassen wir ein Bild von einem ausgestorben wirkenden Dorf in der heißen Mittagssonne vorbeiziehen. Erklänge dazu Guingas Musik, dann passte sie perfekt. Es ist die Ausstrahlung einer stillstehenden Zeit, die so viel zu selten zu hören ist, nicht einmal auf meditativen Alben. Leicht und zart, besinnlich und friedlich, in sich gekehrt und intensiv wirkt Guingas Spiel, aber auch sakral bis beschwörend. Bei Guinga verschmelzen Stimme und Instrument. Insbesondere, wenn er seinen textlosen Gesang erklingen lässt, erinnert er an manche spirituellen Stücke von Baden Powell. Guinga zelebriert die Schönheit des Einfachen. Damit ist er vielleicht einer der Vorläufer der neuen Welle reduzierter Arrangements in Brasiliens Musik, denn er spielt so schon sehr lange. Musik für ruhige, besonnene Menschen zwischen Brasilien und portugiesischem Fado und einem Schuss Klassik, die stark nachwirken kann.
Hans-Jürgen Lenhart
 IAN LASSERRE: Sonoridade Pólvora
IAN LASSERRE
Sonoridade Pólvora
facebook.com/ilasserre
(Ajabu! 023/ Broken Silence)
8 Tracks, 34:16


Seit einigen Jahren verbreitet sich in Brasilien eine neue Ästhetik des Reduzierten. Insbesondere Sänger, die irgendwo zwischen MPB und Singer/Songwriter einzuordnen sind, setzen auf sparsame Instrumentierung und verhaltenen Gesang. Manches davon erinnert an ähnliche Aufnahmen aus der Mitte der Siebziger, so auch der sehr melancholisch wirkende Sänger und Gitarrist Ian Lasserre. Dennoch hat jedes seiner Stücke durch Gastmusiker mit ihren unterschiedlichen Instrumenten eine andere Klangfarbe. Das geht von der Mandoline zur arabisch klingenden Geige, von der Jazzgitarre bis zur Klarinette. Lasserre hat eine erzählerische, sanfte, unaufgeregte Stimme, die etwas an Celso Fonseca erinnert. Das ist eine Musik, die die Zeit stillstehen lässt. Gleichzeitig mag diese Rückbesinnung auf die Kunst der Reduktion zusammenfallen mit einer Zeit, in der in Brasilien aus wirtschaftlichen Gründen sparsame Produktionen angesagt sind. Scheinbar versteht man eine Tugend daraus zu machen. Das Album produzierte der Schwede Sebastian Notini, der schon mit Tigana Santana einen dieser neuen Minimalisten bekannt machte.
Hans-Jürgen Lenhart

Asien
 DIVERSE : Syrian Prayers
DIVERSE
Syrian Prayers
kkv.no
(Kirkelig Kulturverksted, FXCD 435)
14 Tracks, 60:00 , mit engl. Texten u. Infos


Angesichts des seit Jahren andauernden Krieges in Syrien wird leicht vergessen, dass die Region die älteste der Welt ist, in der mehr als zwanzig Religionen friedlich nebeneinander existierten. Allerdings bezeichnete Syrien vor der Gründung des heutigen Staates nach dem Zweiten Weltkrieg ein viel größeres Gebiet. Bilad Al Sham, das Heimatland Damaskus, umfasste damals auch den Libanon, Palästina, Jordanien sowie Teile des Irak und der Türkei. Der norwegische Produzent Erik Hillestad hat die religiöse Vielfalt der Region zum Anlass genommen, das große Spektrum der christlichen und islamischen Kulturen in Form von sakralen Liedern zu bewahren. Sein aktuelles Album präsentiert intensive Aufnahmen von zum Teil jahrhundertealten Gebeten der armenischen, assyrischen, chaldäischen und syrisch-orthodoxen Kirche sowie der byzantinischen Tradition, der Maroniten, Sunniten und Shia-Muslime. Eingesungen wurden die Lieder von syrischen und irakischen Flüchtlingen sowie von libanesischen Chören in Kirchen und Moscheen Beiruts und dem Bekaatal.
Erik Prochnow
 MASHKOOR ALI KHAN: Transcendance
MASHKOOR ALI KHAN
Transcendance
mashkooralikhan.com
(Nimbus Alliance NI 6340)
5 Tracks, 63:07


Wenn die eigene musikalische Sozialisation von temperierter Tonalität dominiert wurde, dann tut man sich mit den indischen Musikstilen naturgemäß etwas schwer. Und selbst, wenn man sich von den Glissandi indischer Musikinstrumente gerne wegschaukeln lässt – bei klassisch-indischer Vokalmusik scheitern selbst die gutwilligsten Hörer. Ein Scheitern, das wir ebenso bei gälischen Balladen oder spanischem Flamencogesang beobachten können, was aber wiederum kaum verwunderlich ist, haben beide Stile ihren Migrationshintergrund doch ebenfalls in der traditionellen Musik Rajasthans. Nun macht es der sechzigjährige Sänger seinem potenziellen Westpublikum aber nicht allzu schwer, sich in diese Musik einzuhören. Vier der fünf Ragas sind oft eingespielte Standards („Desh“, „Jhinjhoti“, „Bhupali“, „Basant“), lediglich der Raga „Shahana“ ist ein kleiner Exot. Zudem interpretiert der Meister die Werke nicht im klassisch-strengen Dhrupad-, sondern im eher volkstümlich-leichten Khayal-Stil. Auch sind die Spielzeiten – für indische Verhältnisse – eher kurz. Und wenn einem beim Raga „Basant“ plötzlich Donovans „Hurdy Gurdy Man“ in den Sinn kommt, dann ist der Zugang zu dieser wundervollen Musik so gut wie geschafft!
Walter Bast

International
 DOMINIC MILLER: Silent Light
DOMINIC MILLER
Silent Light
dominicmiller.com
(ECM 2518/)
Promo-CD, 11 Tracks, 41:06


Die meisten kennen den in Buenos Aires geborenen Gitarristen und Sohn einer Irin und eines Amerikaners aus seiner kongenialen Zusammenarbeit mit Sting. Auf dem jetzt so hörenswerten ersten Album bei ECM erinnert Dominic Miller selbst noch einmal daran und schenkt uns augenzwinkernd eine äußerst charmante Instrumentalversion von „Fields Of Gold“. Seine irisch-amerikanischen Wurzeln wie seine weltweiten Auftritte haben in seinem Spiel überall leise Spuren hinterlassen. Auch Vorbilder wie Egberto Gismonti und Pat Metheny schimmern durch, sogar, dass die Musik Bachs „die einzige ist, die ich übe“, wie er sagt. Wer sich auf Millers unbeschwerte Reise ins Licht einlässt, wird mit dem stillen Leuchten, Flimmern und Funkeln lateinamerikanischer wie jazziger Anklänge durchflutet und hört zwischen all den Einflüssen aus Folk, Pop wie Klassik einen einzigartigen Virtuosen der leisen Töne, einen Dominic Miller zum Anfassen, so hautnah fließt der Klang seiner Musik aus den Lautsprechern. Die einfühlsamen Percussionelemente kommen von Miles Bould, einem alten Wegbegleiter, der schon John Martyn sein Taktgefühl lieh.
Stefan Sell



WIEDERVERÖFFENTLICHT
 FAIRGROUND ATTRACTION: The First Of A Million Kisses
FAIRGROUND ATTRACTION
The First Of A Million Kisses
cherryred.co
uk
(Cherry Red Records CDBRED 693)
Do-CD, 40 Tracks, 143:52


Fairground Attraction waren ein folkiges Quartett mit den einprägsamen Songs Mark Nevins und der swingenden Stimme Eddie Readers. Sie hatten Ende der Achtziger eigentlich nur das eine Album mit obigem Titel und den Riesenhit „Perfect“. Alles hier drin, plus Demos, Liveaufnahmen und einem vorbildlichen Beiheft mit aktuellem Nevin/Reader-Interview.
Mike Kamp
 MATT McGINN: On The Road To Aldermaston
MATT McGINN
On The Road To Aldermaston
mattmcginn.info
(Cherry Tree Records CRTREE018D)
Do-CD, 55 Tracks, 148:29


Legendärer Singer/Songwriter aus Glasgow, 1977 im Alter von nur achtundvierzig Jahren an Rauchvergiftung verstorben. Hier alle vier LPs auf dem Transatlantic-Label von 1966-69. Viele der oft politischen und humorvollen Songs werden bis heute gesungen, und wer Probleme mit dem harten Glasgow-Akzent hat, kann die Texte auf der Website nachlesen.
Mike Kamp

Kurzrezensionen
 ABSINTO ORKESTRA feat. JOSCHO STEPHAN: Leeheim
ABSINTO ORKESTRA feat. JOSCHO STEPHAN
Leeheim
absinto.de
joscho-stephan.de
(Gadjo Records/Soulfood)
12 Tracks, 68:43


Hier geht live total die Post ab. Die Absintos haben gut daran getan, vor echtem Publikum zu spielen, und mit einem Virtuosen wie dem Gypsygitarristen Joscho Stephan kann erst recht nichts mehr schiefgehen. Risikofreudig, unbändig und wild spielt das Gypsy-Balkan-Orkestra auf, und vermutlich hat es im Publikum niemanden auf den Sitzen gehalten.
rb
 KLAUS ADAMASCHEK & SHIREGREEN: Earthbound Songs/Traumwandler
KLAUS ADAMASCHEK & SHIREGREEN
Earthbound Songs/Traumwandler
shiregreen.de
(DMG Records Germany DMG.54.218180.2/Broken Silence)
CD 1: 12 Tracks, 49:42, CD 2: 12 Tracks, 45:09


Auf diesem Doppelalbum beinhaltet die erste CD Americana mit Anleihen bei Folk und Rock in englischer Sprache, die zweite ein akustisches Liedermacheralbum auf Deutsch. Zusammengehalten durch die prägnante Stimme, zieht sich eine entspannte Grundstimmung durch die 24 Stücke. Textlich geht es um die Macht der Natur und um Lebensweisheiten, ohne allzu viel Tiefgang.
dt

 SAM AMIDON: The Following Mountain
SAM AMIDON
The Following Mountain
samamidon.com
(Nonesuch 559638/Warner)
Promo-CD, 9 Tracks, 41:26


Der 36-jährige Sänger, Geiger, Banjospieler und Gitarrist aus dem Staat Vermont gehört zu der Sorte Singer/Songwriter, die ständig bestrebt sind bzw. waren, die Grenzen des eigenen Genres auszuloten. David Ackles, Kevin Ayers, Tim Buckley, John Cale, Roy Harper, Chris Whitley oder Robert Wyatt wären in einem gut sortierten Plattenregal adäquate Nachbarn.
wb
 MATT ANDERSEN: Honest Man
MATT ANDERSEN
Honest Man
mattandersen.ca
(True North Records, TND612)
10 Tracks, 36:58


Sein siebtes Album hat der kanadische Singer/Songwriter und Gitarrist Matt Andersen mit großer Band in New York City und Nashville eingespielt. Seit fünfzehn Jahren auf der Bühne, hat er sich auch mit über zehn Millionen Youtube-Fans und mehreren internationalen Auszeichnungen einen Namen gemacht. Besonders überzeugend ist seine Version des Withers-Klassikers „Ain’t No Sunshine“.
asz

 ALISTAIR ANDERSON & NORTHLANDS: Alistair Anderson & Northlands
ALISTAIR ANDERSON & NORTHLANDS
Alistair Anderson & Northlands
aanorthlands.com
(White Meadow WMR0031)
12 Tracks, 47:36


Der erfahrene englische Konzertinaspieler und Northumbrian Piper hat sich mit drei nicht minder erfahrenen Musikerinnen und Musikern (Fiddle, Gitarre, Flöte plus Gesang) zusammengetan und ein schönes Album mit (logisch!) nordöstlichen Liedern und hauptsächlich Melodien zusammengestellt, deren Wurzeln auch mal über die Grenze nach Schottland reichen dürfen.
mk
 IKO ANDRAE: Beim letzten Mal, als ich hier war
IKO ANDRAE
Beim letzten Mal, als ich hier war
iko-andrae.de
(Fuego 2750)
15 Tracks, 59:56


Das dritte Album des Oldenburgers hat nur wenig gemeinsam mit seinen Vorgängern. Auf seinem neuen Werk erinnern die Kompositionen eher an Element of Crime. Die Texte sind persönlich, das Versmaß wird überschätzt, und die Gesangstechnik ist Verhandlungssache. Die stimmige Begleitung sorgt für ein Liebhaberalbum für Freunde traditioneller Liedermacherkunst.
ce

 INGO BARZ: An einem Tag wie diesem
INGO BARZ
An einem Tag wie diesem
(Schnitterhof, Tel./Fax: 039972-50173)
18 Tracks, 70:24


Seit 45 Jahren ist der Sänger und Musiker aus Mecklenburg schon unterwegs, in der DDR nur unter dem schützenden Dach der Kirche. Freiheit und Verantwortung, Liebe und Schicksalsschläge, Flüchtlingsträume, Zeitkritisches und Persönliches werden in stimmungsvollen Songs thematisiert. Eine Hommage an Violeta Parra zum hundertsten Geburtstag und an den ersten schwarzen Chor, der vor bald 150 Jahren durch Europa tourte, runden diese gelungene Produktion ab.
rk
 BECAYE: Offroad
BECAYE
Offroad
facebook.com/offroadensemble
(Etnisk Musikklubb EM50)
7 Tracks, 38:12


Zwei Afrikaner und vier Norweger und -innen gehen eine mitreißende und gelungene kulturelle Kooperation ein. Führend sind Sänger und Gitarrist Becaye Aw sowie die faszinierende Sängerin Liv Ulvik. In die führenden afrikanischen Melodien webt das gesamte Team einfühlsam norwegische Stränge. Auch der Same Torgeir Vassvik bringt seine Tradition in den Mix.
mk

 BOTTLE BANK BAND: Bottle Bank Band
BOTTLE BANK BAND
Bottle Bank Band
bottlebankband.co.uk
(Hooky Mat Records HMR023)
12 Tracks 44:54


Fiddlemusik, nichts als Fiddles, genauer vier Fiddles! Zwei Damen und zwei Herren aus der nordostenglischen Tyneside-Gegend spielen natürlich in erster Linie lokale Melodien, vor allem vom heimischen Fiddleguru James Hill. Mit dabei aber auch schottische Tunes, ein Set von den Shetlands, Amerikanisches oder Klezmerklänge. Klasse gemacht!
mk
 BUKAHARA: Phantasma
BUKAHARA
Phantasma
bukahara.com
(BML Records/Sony)
Promo-CD, 11 Tracks, 53:49


Live geht das Kölner Neofolkquartett um Soufian Zoghlami (voc, g, dr), Ahmet Eid (b, perc), Daniel Avi Schneider (v, mand) und Max von Einem (tb, sous) ab wie Schmidts Katze. Dagegen kommt das neue Album fast schon etwas zu melancholisch daher. Wäre da nicht der Livekracher „Wein A Ramallah“ … Dennoch: feine Platte, tolle Arrangements.
wb

 CHICUELO & MARCO MEZQUIDA: Conexión
CHICUELO & MARCO MEZQUIDA
Conexión
chicuelo-mezquida.com
(Taller de Músics/Galileo-MC)
7 Tracks, 53:16


Die vertraut und wie live klingende erste Aufnahme der zwei exzellenten, in Barcelona ansässigen Instrumentalisten ist ein gelungenes Treffen auf halbem Weg. Ein mit Tradition und Moderne verbundener Flamencogitarrist der eine, ein genreübergreifend aktiver Jazzpianist der andere, der sich zuvor wohl noch nie so explizit und souverän gen Flamenco begab.
kw
 JAMIE CLARKE’S PERFECT: Hell Hath No Fury
JAMIE CLARKE’S PERFECT
Hell Hath No Fury
homeofperfect.de
(Wolverine Records WRR224/Soulfood)
13 Tracks, 38:43


Jamie Clarke war mal Gitarrist bei den Pogues, und jeder, der diese Band mochte, wird auch dieses Album mögen. Die Songs knüpfen nahtlos daran an. Obendrauf gibt es allerdings Einflüsse aus dem klassischen Rock ’n’ Roll, was Perfect dann doch ihre Eigenständigkeit verleiht. Das alles klingt nach einer Menge Spaß, mitsamt einem Cover von „La Bamba“.
vd

 THE COMO MAMAS feat. THE GLORIFIERS BAND: Move Upstairs
THE COMO MAMAS feat. THE GLORIFIERS BAND
Move Upstairs
thecomomamas.bandcamp.com
(Daptone Records DAP-045/Groove Attack)
11 Tracks, 39:23


Aus Como, Mississippi, stammen die drei Damen, und dieses Trio singt den Gospel so, wie er auch heute noch an jedem Wochenende in den Kirchen der schwarzen Gemeinden im Süden der USA zu hören ist – unverfälscht, mit tiefer Spiritualität, gleichzeitig lebensbejahend und in höchstem Maße musikalisch. Umwerfend und wunderschön – „Praise the Lord“.
ah
 ANNA COOGAN: The Lonely Cry Of Space And Time
ANNA COOGAN
The Lonely Cry Of Space And Time
annacoogan.com
(Eigenverlag AC004, Soulfood)
11 Tracks, 46:49


Singer/Songwriter-Indie-Country-Experimental-Pop würde zumindest einen Teil der Bandbreite dieses Albums abdecken, und da Coogan zudem Operngesang studiert hat, darf ein wenig Theatralik à la Kate Bush auch mit drauf. Klingt krude, aber größtenteils funktioniert die Mischung, zumal es wenig prätentiös zur Sache geht. Originell ist es allemal.
dt

 ANI CORDERO: Querido Mundo
ANI CORDERO
Querido Mundo
anicordero.info
(Eigenverlag)
11 Tracks, 33:49


Protest- und Liebeslieder, teils sehr spannend und originell arrangiert, offeriert die in New York lebende Singer/Songwriterin, Multiinstrumentalistin und Politaktivistin auch auf ihrem zweiten Album. Bisweilen verblasst ihre nicht allzu charismatische Stimme etwas hinter der gelungenen Instrumentierung und den deutlichen sozialkritischen und poetischen Botschaften.
kw
 CUNNING FOLK: Ritual Land, Uncommon Ground
CUNNING FOLK
Ritual Land, Uncommon Ground
cunningfolkmusic.com
(Dharma Records)
Promo-CD, 11 Tracks, 47:41


Schade, dass es auf dieser CD kaum Infos gibt, und die Website ist auch nicht ergiebig. Früher firmierte dieser englische Singer/Songwriter unter dem Namen Gentlefolk, das hilft ebenfalls nicht weiter. Er selbst bezeichnet sich als Folksänger, Musiker und Geschichtenerzähler. Wir schließen uns den Kollegen von Froots an: „Pagan acoustic folk-pop“.
mk

 DANIEL AND THE MORAVIANS: The Black Monk
DANIEL AND THE MORAVIANS
The Black Monk
danielandthemoravians.bandcamp.com
(Daniel and the Moravians)
13 Tracks, 51:10


Gut gemachter Folkrock aus Tschechien. Die sechsköpfige Band unter der Leitung von Daniel Monaghan erinnert in ihren engagierten Songs an Lou Reed oder Poems for Laila. Inspiriert durch eine Reise auf dem Appalachian Trail in den USA, singen sie in ihren englischsprachigen Texten vor allem von Freiheit und der Überwindung der Sklaverei.
ep
 VIVIANE DE FARIAS with PAULO MORELLO & KIM BARTH feat. RAUL DE SOUZA: Vivi
VIVIANE DE FARIAS with PAULO MORELLO & KIM BARTH feat. RAUL DE SOUZA
Vivi
vivianedefarias.com
(In & Out Records IOR CD 77130-2/In-akustik)
11 Tracks, 47:36


Irgendwo zwischen Fusion, Balladen und Bebop lässt sich die Musik der brasilianischen Sängerin ansiedeln. De Farias verfällt immer wieder mal in Scats und Unisonospiel mit ihren Partnern, die mit ihren Soli wiederum besonders die Balladen verfeinern. Manchmal erinnert diese Musik an die jazzigeren Alben von Joyce, wirkt dabei sogar interessanter.
hjl

 DELTA MOON: Cabbagetown
DELTA MOON
Cabbagetown
deltamoon.com
(Jumping Jack Records 12017/Landslide Records)
Promo-CD, 10 Tracks, 36:53


Die Musik der Band Delta Moon ist stark geprägt durch zwei Slidegitarren, die, sowohl wechselweise als auch im Duo gespielt, herrliche Ausritte vom Blues zum Rootsrock in Country und Southern-Rock-Gefilde ermöglichen. Allein schon was hier aus dem altehrwürdigen „Death Letter“ von Son House gemacht wird, ist aller Ehren und den Kauf des Albums wert.
ah
 ABOU DIARRA: Koya
ABOU DIARRA
Koya
aboungoni.com
(Mix & Metisse/Broken Silence)
13 Tracks, 51:03


Musik, die aus der westafrikanischen Tradition kommt, sich durch die Begegnung mit anderen Kulturen, modernen Stilen und elektronischen Klängen entwickelt, sich im Blues findet, um über alle Grenzen hinweg das Herz der Musik zu bewahren. Zusammen mit Toumani Diabaté und der Donko-Band ist Diarra ein Stück selten gewordener Weltmusik mit Seele gelungen.
cs

 DIVERSE: Celtic Colours Live Volume Four
DIVERSE
Celtic Colours Live Volume Four
celtic-colours.com
(Celtic Colours International Festival)
13 Tracks, 60:18


Das war das Jubiläumsfestival, Ausgabe zwanzig, und es kamen all die alten Favoriten und lieferten großartige Sets ab: Dougie MacLean, The Unsusual Suspects, Le Vent du Nord, Liz Doherty, April Verch, Liz Carroll, Andrea Beaton und die zahlreichen wunderbaren einheimischen Musiker. Erneut viel mehr als nur das bloße Souvenir eines großen Festivals.
mk
 DIVERSE: Protection – Himalayan Buddhist Mantras
DIVERSE
Protection – Himalayan Buddhist Mantras
heritagehimalaya.org
(Felmay Records fy 3021/Pool Music)
5 Tracks, 39:52


Frauenstimmen, Männerstimmen, Flöte, Laute, kleine Zimbeln und Percussion. Mehr braucht’s nicht, um fünf traditionelle Mantras aus der Himalajaregion zu sechs- bis neuneinhalbminütigen Musikstücken zu formen. Dorgey Stakmo, Tsering Chorol, Padma Dolker und Tsering Motup haben nach Compassion (2014) erneut ein musikalisches Kleinod geschaffen.
wb

 DIVERSE: Woody Guthrie’s Roll Columbia – 26 Northwest Songs
DIVERSE
Woody Guthrie’s Roll Columbia – 26 Northwest Songs
folkways.si.edu
(Smithsonian Folkways Recordings SWF CD 40226)
Do-CD, CD 1: 15 Tracks, 51:54; CD 2: 13 Tracks, 52:11


1941 schrieb Woody Guthrie im Auftrag der Bonneville Power Administration in nur dreißig Tagen sechsundzwanzig Songs für einen Dokumentarfilm über den Bau von Staudämmen wie den Grand Coulee Dam. Darunter waren Klassiker wie „Pastures Of Plenty“ oder „Roll On Columbia“, aber auch neun Songs, die Guthrie selbst nie aufgenommen hat. Mit dem vorliegenden, von verschiedenen Künstlern aus dem pazifischen Nordwesten mal konventionell, mal modern eingespielten Doppelalbum liegt der Liederkanon nun erstmals vollständig vor.
uj
 ASITA DJAVADI & JAN RÖCK: Fragile
ASITA DJAVADI & JAN RÖCK
Fragile
asitadjavadi.de
(Chaos)
18 Tracks, 76:21


Chansons von Brel bis Piaf, von Minelli bis Garland, von Jazz bis Sting und eigene Songs präsentieren auf ihre Weise die vielseitige Sängerin Asita Djavadi und der Pianist Jan Röck. „Von allem das Beste“ ist das Motto dieser Zusammenstellung aus früheren Programmen und neuen Liedern.
rk

 DUO HAND IN HAND: Lust auf Genuss
DUO HAND IN HAND
Lust auf Genuss
duohandinhand.de
(Hey!Blau Records)
12 Tracks, 49:09


Straßenswing nennen die beiden Künstlerinnen aus Potsdam ihren frechen Sound. Und in der Tat ist der Mix aus Bossa Nova und Gypsy Swing zwischen Poesie und Flirt wie für die Straßenmusik gemacht. Das Duo möchte man nicht konzertant erleben, man möchte spontan mittanzen und singen, auf einer Blumenwiese oder im Kaufhaus, einfach überall dort, wo zwei wärmende Herzen willkommen sind.
ce
 DUO LAUTENSANG: Scherenschnitt
DUO LAUTENSANG
Scherenschnitt
duolautensang.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 54:06


Astrid Heldmaier und Reiner Köhler aus Hannover zaubern auf allerlei Instrumentarium, wie Northumbrian Smallpipes, Whistles, Irish Bouzouki und Snare Drum sowie englisch- und deutschsprachigem Gesang einen Scherenschnitt alter und neuer Lieder und Tanzstücke, darunter auch eine Neuvertonung von „Herr von Falkenstein“. Infos, Texte und Scherenschnitte im Beiheft.
mas

 DUO SANGUITAR: Classic Sephardic Yiddish
DUO SANGUITAR
Classic Sephardic Yiddish
facebook.com/duosanguitar
(Eigenverlag)
26 Tracks, 72:19


Die in klassischem Gesang und Gesangspädagogik ausgebildete Franziska Dillner-Koch sowie Jörg Krause (g) bilden das Duo Sanguitar, suchend nach (klassischen, nicht folkloristischen) Möglichkeiten, dem überwältigenden Zauber jiddischer Lieder näherzukommen, musikalisch bearbeitet von André Asriel und Krause selbst.
mg
 PIERCE EDENS: Stripped Down Gussied Up
PIERCE EDENS
Stripped Down Gussied Up
pierceedens.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 11 Tracks, 43:15


Auf seinem fünften Independentalbum bewegt sich der Mann aus North Carolina nah am Rock, lässt aber noch viele folkige Elemente einfließen. Die Songs leben von Edens’ ausdrucksvoller Stimme und der Unterstützung durch ein bis zwei Mitmusiker. Bei aller Rotzigkeit bleibt die Appalachentradition durch den Südstaatengroove hindurch spürbar.
vd

 ELANE: Arcane 2
ELANE
Arcane 2
joran-elane.com
(Elane Music/Al!ve)
14 Tracks, 64:26


Die Musik dieses Albums sei inspiriert von den Geschichten des deutschen Fantasyautors Kai Meyer, behauptet die 2001 gegründete Band um Frontfrau Joran Elane in Bezug auf ihr neues, fünftes Album. Es geht um das „Geheimnisvolle und Verborgene in der Musik“, was immer das heißen mag. Die Stimme der Sängerin und die Art der Arrangements erinnern jedenfalls sehr an Blackmore’s Night.
pp
 ELÄKELÄISET: Humppa Of Finland
ELÄKELÄISET
Humppa Of Finland
humppa.com
(Nordic Notes NN095)
19 Tracks, 47:39


Ein neues Album der finnischen Humppa-Erfinder. Damit ist eigentlich alles gesagt. Das Konzept ist das gleiche, der Sound ist der gleiche. Berühmte Originale (dieses Mal überwiegend aus Finnland) werden durch die Polkakiste gezogen und gecovert. Wem die Band bislang gefiel, der findet auch dieses Album lustig. Für Neueinsteiger lohnt sich eher ein Album mit bekannteren Songs.
ce

 EMILYS GIANT: The Golden Ticket Session
EMILYS GIANT
The Golden Ticket Session
emilysgiant.com
(Golden Ticket/Kick The Flame)
Promo-CD, 8 Tracks, 30:24


Das Duo macht alles richtig. Die Songs gehen nahe, die Stimme ist ausdrucksstark, und die spröde Gitarren-/Geigenbegleitung weckt den Punk im Folkspelz. Leider sind Lo-Fi-Singer/Songwriter zurzeit schwer populär. Die Folge ist eine unüberschaubare Zahl Künstler gleicher Art und Qualität wie Emilys Giant. Das Duo wird neben dem Talent auch Glück brauchen.
ce
 ENDLESS BOOGIE: Vibe Killer
ENDLESS BOOGIE
Vibe Killer
endlessboogie.bandcamp.com
(No Quarter Records NOQ 052-2/Cargo Records)
Promo-CD, 7 Tracks, 51:48


Schlangenbeschwörerblues aus den USA von einem Quartett, das zwar seit zwanzig Jahren existiert, aber nun erst sein viertes Album herausbringt. Ausufernde Soli krönen die langen Songs, beinahe meditativer Gesang bei jedem Stück, der mantraartig nur wenige Zeilen und Riffs wiederholt. Beinahe afrikanisch.
mf

 FAEY: Honey & Cinnamon
FAEY
Honey & Cinnamon
faey.de
(FAME Artist Recordings)
12 Tracks, 42:12


Voller Frühling mit Titeln wie „Strawberry Fields“, „Cherry Tree“ oder „Pick An Apple“ erklingt das zweite Album der ehemaligen Faun-Sängerin Sandra Elflein. Fast alle Texte und Melodien stammen von ihr – irgendwo zwischen melodiösem Irish Folk, dezentem Rock und manchmal etwas seichtem Pop angesiedelt. The Corrs lassen grüßen.
pp
 FEROCIOUS DOG: From Without
FEROCIOUS DOG
From Without
ferociousdog.co.uk
(Eigenverlag)
11 Tracks, 44:39


Überzeugender Folkpunk aus Nottinghamshire, der dem Bandnamen gerecht wird. Das ist die politische Variante: Unendlich wütend auf die Verhältnisse weltweit, die durch die Jahrhunderte so ungerecht sind. Plus eine überzeugende Version des Traditional „Raggle Taggle Gypsy“. Nur, dass ein Großvater immer noch Irokese trägt, mutet irgendwie seltsam an.
mk

 FONDERMANN: Blickwinkel
FONDERMANN
Blickwinkel
fondermann.de
(K-Klangträger/Cargo)
11 Tracks, 38:32


Dass der Hamburger Selfmademan in den Neunzigern ein Punk war, hört man einigen Liedern an, sie kommen à la Rio Reiser oder Superpunk daher, mal klingt auch Tillmann Rossmy durch oder im Blues der Stoppok-Stil. Inhaltlich fallen die Blickwinkel schräg und originell auf Gesellschaft und Privates. Dreizehn Gastmusiker, unter anderem aus Australien und Schweden, zeigen, dass die Welt eine (Silber-)Scheibe ist.
is
 FOUR STYLES: Cuatro Estilos
FOUR STYLES
Cuatro Estilos
fourstyles.eu
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
13 Tracks, 51:13


Klassische, elektrische, stahlsaitige und Flamencogitarre treffen in den verschiedensten Kombinationen aufeinander. Damit das gelingt, braucht es die entsprechenden Künstler, als da wären: Heiko Ossig, Rüdiger Krause, Ian Melrose und Nikos Tsiachris. Ein sehr abwechslungsreicher Reigen, der so ziemlich alles bietet, was gute akustische Gitarrenmusik ausmacht.
rb

 GALLEY BEGGAR: Heathen Hymns
GALLEY BEGGAR
Heathen Hymns
galleybeggar.com
(Rise Above Records RISECD208P/Soulfood)
Promo-CD, 8 Tracks, 42:17


Die sechs Jungs und Mädels aus der Grafschaft Kent klangen auf ihren ersten drei Alben immer ein wenig wie die Enkelkinder von Fairport. Jetzt, mit einem Label im Rücken, geht der Folkanteil ein wenig zurück, aber die Band orientiert sich weiter an den Sechzigerjahren, nur dass die Zitate eher aus der Ecke des improvisationsorientierten Progrock kommen.
mk
 GUO GAN – ALY KEITA: Peace In The World
GUO GAN – ALY KEITA
Peace In The World
guogan.fr
alykeita.org
(Felmay Records fy8243)
10 Tracks, 52:34


Guo Gan versteht sich als Botschafter vornehmlich der Erhu, der zweisaitigen chinesischen Spießgeige, aber auch des Friedens in der Welt. Kulturkreisübergreifende Projekte hat er schon etliche realisiert. Für ein weiteres tat er sich mit dem Balafonvirtuosen Aly Keita, Ivorer mit malischen Wurzeln, zusammen. Eine an- und aufregende Symbiose der besonderen Art.
rs

 GEWÜRZTRAMINER: Tanzverbot
GEWÜRZTRAMINER
Tanzverbot
diegewuerztraminer.at
(Cracked Anegg Crack 0057/Fenn Music Service)
11 Tracks, 50:57


Wer sie sind und was sie machen, erklärt das Sextett in einem Lied: „Wir sind die Gewürztraminer / Spielen Gypsy Swing / Auf 1, 2, 3, 5 hölzernen Gitarren.“ Hinzu kommen noch ein Akkordeonist und eine Rhythmusgruppe, zudem wird mit österreichischem Schmäh gesungen. Kein existenzieller, aber ein leichtfüßiger Einspruch gegen das Tanzverbot.
jus
 HUBERT von GOISERN: Federn Live 2014-2016
HUBERT von GOISERN
Federn Live 2014-2016
hubertvongoisern.de
(Capriola/Sony Music)
CD1: 12 Tracks, 59:57, CD2: 11 Tracks, 57:53


Über das Federn-Projekt des Österreichers HvG ist im Folker schon viel geschrieben worden (siehe „Ortstermin“ in 1/2015 und Kurzrezension in 4/2015). Nun zum Tourabschluss und als Abschied von seiner großartigen Liveband, mit der von Goisern zehn Jahre unterwegs war, ein Live-Doppelalbum voller Americana, Country, Delta Blues und Cajun, gemixt mit Alpenrock. Crossover vom Feinsten.
pp

 THE GREAT CASCADE: Shelter
THE GREAT CASCADE
Shelter
de-de.facebook.com/TheGreatCascade
(Eigenverlag)
5 Tracks, 20:31


Vier junge Männer aus dem thüringischen Gera präsentieren auf ihrer Debüt-EP selbst geschriebene liedhaft-fantasievolle Stücke in englischer Sprache zwischen Folk, Pop, Rock und Alternative. Neben Frontmann und Sänger Lukas Komann sind unter anderem Klavier, Charango, Melodica, Cello und ein stimmiger Satzgesang zu hören.
rps
 JIM GUSTIN & TRUTH JONES: Memphis
JIM GUSTIN & TRUTH JONES
Memphis
facebook.com/jimgustinandtruthjones
(Eigenverlag/CD Baby)
10 Tracks, 43:41


Hier ist drin, was der Titel verspricht: moderner, elektrischer Gitarrenblues. Und noch so einiges mehr, sind mit Jim Gustin und Truth Jones doch zwei großartige Stimmen am Start. Hörbar in Gospel und Soul geschult, schmeichelt Truth Jones, während Jim Gustins rauer Bariton den Gegenpart darstellt. Mit Inbrunst gesungen und mit Hingabe gespielt.
ah

 KIERAN HALPIN: Doll
KIERAN HALPIN
Doll
kieranhalpin.com
(SOS Records SOS024)
11 Tracks, 44:35


Der Ire hat Kollegen um sich geschart wie Manfred Leuchter, Ian Melrose oder Antoine Pütz, die auch die Produktionen eines Reinhard Mey veredeln – und überzeugt vor allem in den ruhigen Songs wie „Mission Bell“ oder „Fragile Heart“, wo er seiner rauen Stimme erlaubt, brüchig zu werden. Nach zwanzig Studioalben hat aber vieles nicht mehr ganz so sehr das Zeug zum Klassiker wie einst.
sb
 HEISCHNEIDA: Heischneida
HEISCHNEIDA
Heischneida
heischneida.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 49:25


Des goaht eini! Sechs junge Chiemgauer zeigen, dass urig-breite oberbairische Mundart und groovige Rock-Hip-Hop-Reggae-Volksmusik gut zusammengehen. Nachdenklich-poetische Texte (zum Mitlesen vorhanden) kontrastieren mit gut gelaunter Musik und der rauen, hauchigen Stimme Wenzel Karges, die an Thomas Kuhn aus dem Waldviertel erinnert.
mas

 ROBYN HITCHCOCK: Robyn Hitchcock
ROBYN HITCHCOCK
Robyn Hitchcock
robynhitchcock.com
(Yep Roc Records YEP 2483/H’Art)
10 Tracks, 36:06


Als Fan der eher folkigen, verschrobenen Beatles schreibt Hitchcock seit jeher Songs, die sich zwischen allen Rastern bewegen, die vom Gefühl her zwar folkig sind, doch zum surrealen Rock neigen. Der Maler, Schriftsteller und Comiczeichner hat unter Musikern ausgesprochen viele Fans. Nun outet sich Gillian Welch als einer und steuert Harmoniegesang zu einigen Songs bei.
mf
 HURRICANE RUTH: Ain’t Ready For The Grave
HURRICANE RUTH
Ain’t Ready For The Grave
hurricaneruth.com
(Hurricane Ruth Records/CD Baby)
12 Tracks, 53:40


Eine Frau, die für ihre Träume kämpft. Ruth LaMaster ist Rock-Blues-Sängerin und hat mit Grammy-Gewinner und Schlagzeuger Tom Hambridge in Nashville, Tennessee, eine Platte für ihren Vater Milt LaMaster eingespielt. Mit in der Band sind Reese Wynans (Keyboard), Michael Rhodes (Bass) sowie Pat Buchanan und Rob McNelly an den Gitarren.
asz

 INDIAN AIR: Rare Moments
INDIAN AIR
Rare Moments
indianair.at
(ATS Records CD 0893)
9 Tracks, 48:33


Klaus Falschlunger (Sitar), Clemens Rofner (Kontrabass, Bassukulele), Tobias Steinberger (Rahmentrommeln, Percussion) – bei zwei Stücken verstärkt durch den amerikanischen Saxofonisten Bob Mintzer – entwerfen hochklassige Frage- und Antwortspiele zwischen Jazz und indischer Klassik und kreieren so nicht nur rare, sondern auch geniale Momente.
wb
 JADE JACKSON: Gilded
JADE JACKSON
Gilded
jadejackson.com
(Anti-Records 7435-2/Indigo)
11 Tracks, 40:31


Der Punkmusiker Mike Ness hat produziert, was zum wohl schnittigen, folkrockigen Flair des Albums beigetragen hat. Die Songs stammen allesamt von Jackson, sie hat eine angenehme, nicht zu eigensinnige Gesangsstimme und weiß ihre Geschichten mit Selbstbewusstsein zu erzählen.
mf

 JAMARAM: Freedom Of Screech
JAMARAM
Freedom Of Screech
jamaram.de
(Turban Records TURBAN 004)
16 Tracks, 60:48


Die (englischen) Texte spielen bei dem Oktett aus München keine wirkliche Rolle. Das nunmehr zehnte Album soll Spaß machen und gewiss auch zum Tanzen animieren. Ein Stück heißt aus gutem Grund „We Got The Groove“, und den setzen die Burschen mit Reggae und Ska, bisweilen durch Funk- und Electro-Anleihen angereichert, bestens um. Sehr eingängig, trotzdem cool.
rs
 JEWISH MONKEYS: High Words
JEWISH MONKEYS
High Words
jewishmonkeys.bandcamp.com
(Greedy for Best Music GBM 003)
Promo-CD, 10 Tracks, 37:22


Weiterhin fantastisch politisch unkorrekt bleiben die jüdischen Affen aus Tel Aviv auch auf ihrem dritten Album, wie gehabt mit Klezmerpunk, Antiliebesliedern und einer gehörigen Prise jüdischen Selbstmitleids. Dies alles untermalt mit einer Musik, die auch das lahmste Bein zum Mithüpfen nötigt.
mg

 JONNE: Kallohonka
JONNE
Kallohonka
facebook.com/jonnemusic
(Playground PMF137)
12 Tracks, 55:13


Korpiklaanis Sänger Jonne Järvelä wandelt erneut auf Solopfaden. Doch statt Metal erwartet den Hörer astreiner Folkrock. Jonnes gesangliche Fähigkeiten bleiben gewöhnungsbedürftig, aber die Kompositionen könnten von jeder guten Folkrockband stammen. Neben der Rockbesetzung kommen Instrumente wie Drehleier, Kantele oder Mandola zum Einsatz. Herz, was verlangst du mehr?
ce
 KATA: Tívils Døtur
KATA
Tívils Døtur
nordic-notes.de
(Nordic Notes)
12 Tracks, 43:07


Fünf Färöerinnen singen im überlieferten Stil ihrer Inseln, barbarisch, wild, romantisch und leidenschaftlich oder manchmal auch fromm. Kein reiner A-cappella-Gesang, sondern behutsam von Instrumenten begleitet, die wirklich untermalen und nicht stören. Vom Klang her sehr nordseemäßig, Erinnerungen an friesische Balladen werden wach oder auch an gewisse irische Gesangsstile.
gh

 JIM KEAVENY: Put It Together
JIM KEAVENY
Put It Together
jimkeaveny.com
(JK06)
12 Tracks, 52:36


Der Mann aus Bismarck, North Dakota, ist rumgekommen in den Staaten, was man seiner Musik anhört, deren stilistische Breite von Country bis hin zu Mariachianklängen reicht. Manchmal ertönt zu seiner an Dylan erinnernden Stimme ein gospeliger Backgroundchor, im atmosphärischen „The Grand Forks“ kommt er ganz ohne Gesang aus. Dichtes Werk.
vd
 SVAVAR KNÚTUR: My Goodbye Lovelies
SVAVAR KNÚTUR
My Goodbye Lovelies
svavarknutur.com
(Nordic Notes)
13 Tracks, 46:19


Der isländische Sänger trägt seine Lieblingslieder zur virtuosen Ukulelenbegleitung vor. Die Liebe gehört den Parlour-Songs aus vergangenen Jahrzehnten, und man hat dauernd das Gefühl, in einem Stück von Noel Coward zu sitzen. Höhepunkt: das einzige isländische Lied, „Við Og Við“.
gh

 KÖSTER & HOCKER: A ’s Kla
KÖSTER & HOCKER
A ’s Kla
gerd-koester.de
(GMO 066-2/Rough Trade)
12 Tracks, 45:37


Mit einer glänzend aufgelegten Band in nur vier Tagen live eingespielt, bietet der neue Geniestreich des Kölner Liedermacherduos Gerd „Jächt“ Köster (Texte, Gesang) und Frank Hocker (Gitarren, Kompositionen) einen mitreißenden Mix aus Acoustic Rock, Folk, Blues mit diesmal auch einem ordentlichen Schuss Cajunklängen zu kölschen Texten. Ein Hochgenuss! Ein ausführliches Porträt des Duos folgt in der nächsten Ausgabe.
uj
 LANCELOT LAYNE: Blow Way
LANCELOT LAYNE
Blow Way
(Cree Records CCD1211/Bear Family)
30 Tracks, 143:59


Aufwändiges Doppelalbum über einen Pionier des Rhapsody, einer Verbindung von Soca, Calypso und frühem Rap, aus dem um 1980 der Rapso hervorging. Waynes Karriere begann in den Siebzigern in Trinidad & Tobago. Quicklebendige Musik mit deutlich afrikanischen Einflüssen und antirassistischer Botschaft im Sinne der damaligen Black-Panther-Bewegung.
hjl

 LA TOURETTE: The Great Mickey Mouse Swindle
LA TOURETTE
The Great Mickey Mouse Swindle
toniareeh.de
(Solaris Empire Records)
Promo-CD, 11 Tracks, 44:22


Hinter La Tourette steckt die Songschreiberin Tonia Reeh, deren Musik schwer einzuordnen ist. Am Piano singend und spielend, wird sie ausschließlich vom Schlagzeuger Rudi Fischerlehner begleitet. Ob vieler Tempowechsel und Brüche verlangt das Hören ihrer Songs ein großes Maß an Aufmerksamkeit, das sich allerdings wirklich auszahlt.
mf
 LIGHTNIN’ WELLS: O Lightnin’, Where Art Thou?
LIGHTNIN’ WELLS
O Lightnin’, Where Art Thou?
lightninwells.com
(Blind Lemon Records BLR-CD1701)
18 Tracks, 60:32


Es geht einmal quer durch den Garten. Dieser nicht mehr ganz junge Mr. Wells aus North Carolina beherrscht anscheinend sämtliche Spielarten des von akustischen Instrumenten geprägten Blues, von Robert Johnson bis Bukka White. Und er kann auch Old-Time, etwa wenn er Charlie Monroes „Down In Caroline“ interpretiert. Entspannte Sache, das Ganze.
vd

 -M-, TOUMANI & SIDIKI DIABATÉ: Lamomali
-M-, TOUMANI & SIDIKI DIABATÉ
Lamomali
labo-m.net
toumani-diabate.com
de-de.facebook.com/sidikidiabateofficiel
(Wagram)
Promo-CD, 11 Tracks, 36:04


Der französische Rockstar Matthieu Chedid aka -M- hatte zu diesem Albumprojekt geladen, das Mali und der Kora gewidmet ist, und viele renommierte Künstlerinnen und Künstler mischen mit, unter anderem Fatoumata Diawara, Youssou N’Dour, Amadou & Mariam. Tolle Songs, (fast schon zu) perfekt arrangiert; Rapper Oxmo Puccino krönt „Bal De Bamako“. File under: Urban Afropop.
rs
 GRAHAM MacKENZIE: Crossing Borders
GRAHAM MacKENZIE
Crossing Borders
grahammackenziemusic.com
(Blue Door Music BDM001CD)
10 Tracks, 41:59


MacKenzie ist ein höchst talentierter und natürlich studierter schottischer Fiddler, aber dieses Album ist mehr als eine typische Fiddleplatte. Mit Hilfe von neun Kolleginnen und Kollegen hat er anhand seines musikalischen Lebenslaufes – von Schottland über Manchester und Cape Breton zurück in die Heimat – eine Art anspruchsvolle, aber sehr hörenswerte Suite geschaffen.
mk

 MATISYAHU: Undercurrent
MATISYAHU
Undercurrent
matisyahuworld.com
(Fallen Sparks FSCD 770)
Promo-CD, 8 Tracks, 68:44


An der Ostküste Amerikas längst ein Star, ist Matisyahu, ganze dreizehn Jahre nach seinem ersten Studioalbum und hier mit seinem sechsten, im deutschsprachigen Raum immer noch ein (jüdischer) Geheimtipp. Hervorragend an diesem Konzeptalbum die Singleauskoppelung „Step Out Into The Light“ sowie „Tell Me“.
mg
 MERRY HELL: Bloodlines
MERRY HELL
Bloodlines
merryhell.co.uk
(Merry Hell MusicMHMCD0116)
13 Tracks, 48:24


Viertes Album des erfahrenen achtköpfigen nordenglischen Ensembles, die Hälfte Mitglieder der Kettle-Familie, einst der Nukleus der Band Tansads. Kraftvoll, eingängig und folkrockig, erinnert zum Teil an die Oysterband. Ein Album voller Liebe und Politik, letztere Songs oft als motivierende Mitsinghymnen. Quasi eine erfreuliche Neuentdeckung von Veteranen.
mk

 VIN MOTT: Quit The Woman For The Blues
VIN MOTT
Quit The Woman For The Blues
vinmottsrnb.com
(Eigenverlag/CD Baby)
Promo-CD, 10 Tracks, 36:57


Der 27-jährige Mundharmonikaspieler aus New Jersey, der in Boston Komposition und Songwriting studiert hat, spielt gekonnt Roots und Rhythm and Blues. Er wird von Sean Ronan (Gitarre), Andrei Koribanics (Schlagzeug), Phil Silverberg (Orgel) und Dean Shot (Bass) unterstützt.
asz
 THOMAS NATURE: Pure
THOMAS NATURE
Pure
thomasnature.de
(Eigenverlag)
15 Tracks, 45:16


Thomas Rieser aus Wiernheim ist ein schwäbischer Naturbursche, den es kulturell nach Schottland zieht, derweil seine auf Englisch zu Gitarre und Mundharmonika gesungenen Songs eher an amerikanischen Folk erinnern. Sie verströmen eine Stimmung von Straßenmusik und erzählen vom Unterwegssein, von Sehnsüchten und Wunden, die das Leben schlug.
mas

 NID DE POULE: Le Voyage
NID DE POULE
Le Voyage
nid-de-poule.de
(Housemaster Records)
12 Tracks, 46:49


Französische Chansons, Jazz und Gypsy Swing der ganz knackigen Gangart zelebriert das Quartett um die Sängerin Sybille Klingspor. Nostalgisch, aber nicht verklärend, wird das Paris des frühen zwanzigsten Jahrhunderts heraufbeschworen. Die exzellente gesangliche und instrumentale Umsetzung ist ein Genuss.
rb
 DULCE PONTES: Peregrinação
DULCE PONTES
Peregrinação
dulcepontes.net
(Ondeia Musica/Galileo)
2 CDs, 22 Tracks, 115:29


Ihre Pilgerschaft führt die Portugiesin mit der wandelbaren Stimme über Portugal (CD 1) nach Spanien und Lateinamerika (CD 2). Ein opulentes Menu mit Musik von Albéniz, einem Fado von Amalia, mittelalterlichen galicischen Liedern bis hin zu Tango und Aznavour. Am schönsten sind die sparsamer arrangierten Eigenkompositionen.
mst

 PROFESSOR LOUIE AND THE CROWMATIX: Crowin’ The Blues
PROFESSOR LOUIE AND THE CROWMATIX
Crowin’ The Blues
professorlouie.com
(Woodstock Records WR61/Orchard)
Promo-CD, 13 Tracks, 50:14


Der „klassische elektrische Blues“ eines Jimmy Reed, Elmore James oder B. B. King findet sich in den fünf Coversongs und den eigenen Kompositionen ebenso wieder wie eine Bluesrumba oder ein Honky-Tonk-Piano. Sehr abwechslungsreich, gekonnt und mit eigener Interpretation der Klassiker, was die fünf Musiker hier zu bieten haben.
ah
 QUADRO NUEVO & CAIRO STEPS: Flying Carpet
QUADRO NUEVO & CAIRO STEPS
Flying Carpet
quadroneuvo.de
cairosteps.com
(Fine Music FM 224-2/Soulfood)
Promo-CD, 12 Tracks, 73:59


Quadro Nuevo haben sich nach Kairo auf den west-östlichen Diwan begeben. Ihr „fliegender Teppich“ überwindet mühelos jegliche Schranken zwischen Orient und Okzident. Wie sie mit der interkulturellen Band Cairo Steps und ihren ägyptischen Gästen harmonieren, ist Magie, die ihren Höhepunkt in Saties „Gnossienne No. 1“ mit Sheik Ehab Younis findet.
sts

 QUILES & CLOUD: Shake Me Now
QUILES & CLOUD
Shake Me Now
quilesandcloud.com
(Compass Records COMCD 4683)
Promo-CD, 12 Tracks, 49:41


Rory Cloud sah 2011 einen Soloauftritt von Maria Quiles und hörte dabei die ganze Zeit seine eigene Gitarre zu ihrer Stimme spielen. Kurzerhand formten die beiden ein Duo und sind seitdem in der ganzen Welt unterwegs. Überaus eingängig und harmonisch wirkt dieses Debüt. In der Regel singt Quiles, nur bei einem Bob-Dylan-Cover steht Cloud ganz im Vordergrund.
mf
 THE REAL McKENZIES: Two Devils Will Talk
THE REAL McKENZIES
Two Devils Will Talk
realmckenzies.com
(Fat Wreck Chords/Edel FAT977-2)
14 Tracks, 36:24


Schnell, hart und kurz, einfach so, wie Folkpunk sein muss. Erstaunlich jedoch, dass das kanadische Sextett diese Energie (mit schottischem Dudelsack) nach 25 Jahren auf der Bühne und zehn Alben immer noch ausstrahlt. Die Frage, ob Songs wie Stan Rogers’ „Northwest Passage“ durch die Geschwindigkeit gewinnen, ist akademisch. Respekt, das sind wahre Größen des Folkpunk!
mk

 FIONN REGAN: The Meetings Of The Waters
FIONN REGAN
The Meetings Of The Waters
fionnregan.com
(Abbey Records, abbeylp171)
Promo-CD, 11 Tracks, 41:01


Der preisgekrönte irische Singer/Songwriter geht neue Wege. Ganz im Sinne seines Albumtitels bleibt er zwar dem Folk treu, vermischt seine Kompositionen jedoch mit elektronischen Arrangements und instrumentalen Experimenten. Auch mit rockigeren Gitarrenklängen zeichnet Regan wieder seine kraftvollen poetischen Sprachbilder.
ep
 RESTLESS FEET: Homeward Bound
RESTLESS FEET
Homeward Bound
restlessfeet.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 40:30


Das Zuhause dieses Freiburger Irish-Pub-Folk-Sextetts scheint die Kneipe zu sein. Davon zeugen zumindest die Fotos im Beiheft, derweil es in den Liedern deftig-zünftig-seemännisch abgeht, da hätten Pippi Langstrumpfs Seeräuber ihre Freude dran. Fünf Songs sind Traditionals, der Rest ist selbst geschrieben, und alle Texte sind zum Mitlesen abgedruckt.
mas

 NATTALI RIZE: Rebel Frequency
NATTALI RIZE
Rebel Frequency
nattalirize.com
(Baco Records/Broken Silence)
Promo-CD, 12 Tracks, 44:16


Die Sängerin und Gitarristin Natalie Pa’apa’a firmiert jetzt unter dem Namen Nattali Rize. Aufgewachsen in Australien, hat sie ihre Wurzeln in Samoa und Mexiko. Ihr Herz schlägt für Jamaika. Mit Rebel Frequency legt die Kosmopolitin ein taufrisches wie waschechtes Roots-Dub-Electro-Reggae-Album vor. Hitverdächtig: „One People“. „Big Up!“
sts
 LUDWIG SEUSS: And The Boogie Men
LUDWIG SEUSS
And The Boogie Men
ludwig-seuss.de
(Solid Pack Records/Galileo MC, RP092)
14 Tracks, 55:34


Ludwig Seuss hat vor über zwanzig Jahren seinen Weg in der Musikszene begonnen. Mehr als vierzehn Soloalben später hat der Tastenmagier der Spider Murphy Gang aus München wieder eine Platte vorgelegt. Der Albumtitel ist hier Programm: Handgemachter Blues aus Bayern mit vielen Gastmusikern.
asz

 JOAN SHELLEY Joan Shelley (No Quarter NOQ 053-2, Cargo Records, joanshelley.net, 11 Tracks, 34:05):
JOAN SHELLEY Joan Shelley (No Quarter NOQ 053-2, Cargo Records, joanshelley.net, 11 Tracks, 34:05)



Singer/Songwriter-Folk, mit leichtem Popappeal. Jeff Tweedy von Wilco fungiert als Produzent, und die Arrangements sind ganz auf die sonore Stimme von Joan Shelley zugeschnitten. Eine vorsichtig agierende Band, begleitet durch die getragenen, melancholisch gestimmten Titel dieses stimmungsvollen Albums. Zum Durchhören, ohne Ausreißer nach oben oder unten.
dt
 EILIDH STEEL & MARK NEAL: Imprints
EILIDH STEEL & MARK NEAL
Imprints
fiddleguitar.com
(EHCD06)
13 Tracks, 51:43


Gelungenes Debüt einer schottischen Fiddle-Gitarre-Kombination mit wenig Trad. Zwei Musiker, die hörbar genau wissen, was sie können. Was das Album auszeichnet, ist zum einen Steels mal expressives, mal einfühlsames Fiddlesspiel, und zum anderen Neals Gesang mit einer kräftigen Stimme, die einen nach mehr als den vier Liedern hier verlangen lässt.
mk

 CHRISTOPHER PAUL STELLING: Itinerant Arias
CHRISTOPHER PAUL STELLING
Itinerant Arias
christopherpaulstelling.com
(Anti-, Indigo)
10 Tracks, 43:36


Im Gegensatz zu früheren Aufnahmen gibt es diesmal Bandunterstützung. Ansonsten reiht sich Christopher Paul ein in die „Hard-working,-hard-travelling“-Fraktion junger Musiker, mit über 260 Auftritten in anderthalb Jahren. Singer/Songwriter, Americana, gut gemacht und glaubwürdig, aber die Konkurrenz in diesem Segment ist erdrückend stark.
dt
 KAI STRAUSS: Getting Personal
KAI STRAUSS
Getting Personal
kaistrauss.com
(Continental Blue Heaven/H’Art CBHCD 2030)
11 Tracks, 54:18


Der Bluesgitarrist, Komponist und Sänger ist seit fünfzehn Jahren mit seiner Band Electric Blues All-Stars unterwegs und wurde in Deutschland mehrfach mit Blues Awards ausgezeichnet. Beim kraftvollen elektrischen Bluesrock auf seinem dritten Studioalbum begleiten ihn unter anderen Sax Gordon (Saxofon), Tony Vega (Gitarre) und Big Daddy Wilson (Gesang).
asz

 BRUCE SUDANO: 21st Century World
BRUCE SUDANO
21st Century World
brucesudano.com
(Purple Heart Records/H’Art)
Promo-CD, 19 Tracks, 37:28


Als Gatte von Donna Summer schrieb Sudano Songs für sie, wie auch für Michael und Jermaine Jackson, Reba McEntire und Dolly Parton. Er versteht sich allerdings als Folksongschreiber, dessen erstes Instrument das Akkordeon war. 21st Century World berichtet in neunzehn Songs vom üblen Zustand dieser Welt, voller Wut, Frustration und Ohnmachtsgefühlen.
mf
 TEYR: Far From The Tree
TEYR
Far From The Tree
teyr.co.uk
(Sleigh of Hand Records SOHR1601CD)
10 Tracks, 49:52


Großartiges Debüt eines Trios, dessen Name in Cornwall „drei“ bedeutet. Musik aus England, Schottland und Irland auf Gitarre, Akkordeon, Fiddle und Low Whistle. Eigenständige Bearbeitungen traditioneller Songs machen Freude, aber spätestens, wenn die Uilleann Pipes bei den Instrumentals einsetzen, geht die Post immer und oft auch unkonventionell ab.
mk

 TOP FLOOR TAIVERS: A Delicate Game
TOP FLOOR TAIVERS
A Delicate Game
topfloortaivers.com
(TFT Records TFTR001)
9 Tracks, 38:14


Schon wieder ein Quartett bestens ausgebildeter Ladies aus Glasgow (zwei davon jedoch gebürtig aus England bzw. Irland), die allerdings ihr Können auf Fiddle, Clarsach und Piano nicht für hohe Geschwindigkeit einsetzen, sondern für ungemein intelligent arrangierten Trad und zeitgenössische Songs. Und über allem die grandiose Stimme von Claire Hastings.
mk
 NIKOS TSIACHRIS FEAT. BANDOLERO: Alcance
NIKOS TSIACHRIS FEAT. BANDOLERO
Alcance
tsiachris.de
(Galileo-MC)
9 Tracks, 50:24


Der griechische Gitarrist Nikos Tsiachris widmet sich bereits seit Jahren der spanischen Musik. Zuletzt konnte der in Berlin lebende Künstler mit seiner Formation Rasgueo (Waterfall, 2015) einige Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nun präsentiert er sich weitgehend als Solist mit klassischem Flamencorepertoire, und das nicht nur souverän, sondern ganz hervorragend.
rb

 KONSTANTIN WECKER: Poesie und Widerstand
KONSTANTIN WECKER
Poesie und Widerstand
wecker.de
(Sturm & Klang S&K 27/Al!ve)
Do-CD, 31 Tracks, 127:57


Zum siebzigsten Geburtstag spielte der Meister seine Lieblingssongs neu ein und präsentiert so sein neues Werk als sehr persönliche Greatest Hits. Kennt man die Originale nicht, ist es unmöglich, die Songs einer bestimmten Epoche zuzuordnen. Jeder klingt wie heute geschrieben, brandaktuell und auf den Punkt gebracht. Deutlicher kann man sein Genie kaum beweisen.
ce
 CATIA WERNECK: Jongando
CATIA WERNECK
Jongando
myspace.com/catiawerneck
(10H10/Sony)
Promo-CD, 10 Tracks, 33:55


Die brasilianische Sängerin hat den Jongo ausgegraben, eine der Urformen des Samba, gespielt mit minimaler Besetzung (Gitarre, Bass, zwei Percussionisten). Die Rhythmik ist ungewohnt und wirkt etwas holprig. Wernecks Stimme dagegen beeindruckt. Mit etwas größerer Besetzung wäre ihre unkonventionelle Musik wohl besser zur Wirkung gekommen.
hjl

 JOONAS WIDENIUS TRIO: Arktik Traktor Konspirazy
JOONAS WIDENIUS TRIO
Arktik Traktor Konspirazy
joonaswidenius.org
(Nordic Notes)
10 Tracks, 43:48


Flamenco aus dem hohen Norden? Die Finnen sind ja immer für Überraschungen gut, und eigentlich handelt es sich hier auch nur rein spieltechnisch um eine Flamencogitarre, zu vielfältig sind die weltmusikalischen Einflüsse. Als Gäste mit von der Partie sind der wunderbare Iiro Rantala an den Tasten und Ilkka Heinonen am geheimnisvollen Jouhikko.
rb
 WERNER WINKEL: Wieder zu Haus
WERNER WINKEL
Wieder zu Haus
werner-winkel.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 57:45


Über vierzig Jahren macht Werner Winkel aus Ottersberg bei Bremen Lieder und Kinderlieder, ist Märchenerzähler und Puppenspieler. In klassischer Liedermachermanier schnörkellos und direkt sind seine Songs über Banker und Esofuzzis, die Liebe, über Freunde, die man braucht, und den Gang durch seine alte Stadt. Alltägliche Gebrauchslieder, also Lieder, die man gut gebrauchen kann.
rk

 ZÉPHYR COMBO: Le Bal Des Vents
ZÉPHYR COMBO
Le Bal Des Vents
zephyrcombo.ch
(Narrenschiff-Label NAR2017119)
13 Tracks, 63:25


Nein, das Quartett aus Graubünden mit dem belgischen Bandleader Geert Dedapper tönt nicht nach Schweizer Alpen. Der Wind trägt die Musik fort in alle Himmelsrichtungen: Musette, Zigeunermusik, Chanson, Ska. Grenzen sind für Zollbeamte da. Bei der Zéphyr Combo geht es ungleich lustbetonter zu. Sicher auch live ein Spaß.
mst
 : rezi-legende
Walter Bast (wb), Stefan Backes (sb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (jus), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Stefan Sell (sts), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Martin Steiner (mst), Annie Sziegoleit (asz), Dirk Trageser (dt), Katrin Wilke (kw)


Deutschland
 JOE BONAMASSA: Live At Carnegie Hall – An Acoustic Evening
JOE BONAMASSA
Live At Carnegie Hall – An Acoustic Evening
jbonamassa.com
(Provogue /Rough Trade)
Promo-CD, Do-CD, CD 1: 9 Tracks, 49:17; CD 2: 6 Tracks, 44:14


An Preisen und Auszeichnungen hat der Bluesrockgitarrist und Sänger Joe Bonamassa so einiges in dieser Musikkategorie eingeheimst, was jedoch immer mit einer gewissen Massentauglichkeit einherging. Die Musik Bonamassas war, vor allem was die zahlreichen Liveplatten anbelangt, oft durch Bombast und Hochglanz geprägt. Das neunköpfige Ensemble der Musiker dieses Albums ist nicht ursächlich im Blues verankert. Neben dem Percussionisten Hossam Ramzy finden sich die Cellistin Tinao Guo, Eric Bazilian an Drehleier, Mandoline und Saxofon sowie ein dreistimmiger Backgroundchor. Die ersten Takte von Jethro Tulls „Locomotive Breath“ eröffnen das Konzert. Reese Wynans spielt die beginnenden Akkorde auf dem Klavier, bevor ein kurzes Duett mit Joe Bonamassa an der Gitarre einsetzt. Einige Stücke aus dem eigenen Repertoire des Künstlers folgen in akustischem Gewand. Alles ist perfekt, jeder Musiker spielt absolut virtuos, und plötzlich, mit dem Stück „Drive“, ist sie da, die Magie. Einige fantastische, schnell gespielte Gitarrenläufe genügen und die Musik geht „unter die Haut“. Die Krönung des Konzerts ist das neunminütige „Song Of Yesterday“, episch, emotional, umwerfend gespielt und fantastisch gesungen.
Achim Hennes
 HAZ’ART TRIO: Infinite Chase
HAZ’ART TRIO
Infinite Chase
hazart-trio.de
(The Muse Alliance MA007)
11 Tracks, 65:15


Orientalischer Jazz aus Basel. Dort kamen der tunesische Udspieler Fadhel Boubaker, der deutsche Bassist Jonathan Sell und der Schweizer Schlagzeuger Dominik Fürstberger zusammen, um mit einem Album das Seneca-Zitat „Glück ist, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft“ lebendig werden zu lassen. Für den Hörer ein Glücksfall. Ein gut vorbereitetes Trio ergreift die Gelegenheit, ein variantenreiches Kleinod weltmusikalischen Jazz zu bergen. Die drei spielen ihre improvisierten Kompositionen mit einer sonnigen Leichtigkeit, die Lust macht, sie bei einem ihrer Konzerte live zu erleben. Das groovt, tänzelt, erzählt, als würde der Wind ihre Geschichten vor sich her wehen. Es rockt („Whispered Words“) und betört („Souvenirs Of The Lonely Walker“), ja lässt sogar Wagners „Abendstern“ funkeln. All das so voller Farbenpracht, dass man gleich versucht ist, auf „Repeat“ zu drücken.
Stefan Sell

Onlinerezensionen
EMILY BARKER
Sweet Kind Of Blue
emilybarker.com
(Everyone Song Records/Indigo)
Promo-CD, 10 Tracks, 38:47


Feiner Soul, etwas Funk und Pop und mit Studiomusikern in den Sam Phillips Recording Studios in Memphis aufgenommen, könnte dieses Album aus den Sechzigern oder Siebzigern stammen. Dabei handelt es sich keineswegs um ein „Retroalbum“, vielmehr gelingt Emily Barker ein eigener musikalischer Ausdruck, der traditionell, leicht und unbeschwert ist.
ah
MARIO BATKOVIC
Mario Batkovic
batkovic.com
(Invada Records)
9 Tracks, 57:01


Wie tönt ein Akkordeon? Der in der Schweiz lebende Bosnier weiß darauf einige zum Teil überraschende Antworten. Sein Akkordeon erzeugt Wind, tönt mal perkussiv, mal nach Bach, Minimal Music oder Balkan. Schwellenängste kennt der Wahlberner keine. Batkovic schrieb die Filmmusik diverser Spielfilme. Auch das aktuelle Album zeichnet Bilder im Kopf.
mst

ANNELI DRECKER
Revelation For Personal Use
annelidrecker.no
(Rune Grammofon/Cargo Records)
Promo-CD, 8 Tracks, 30:04


Die norwegische Sängerin singt ins Englische übersetzte Texte ihres Landsmanns Arvid Hanssen. Von seiner ruhigen, zurückhaltenden Art ist nichts mehr übrig, alles bombastisch, klingt wie Filmmusik, und zwischendurch gibt’s einen Joikversuch, vermutlich weil Hanssen aus Nordnorwegen stammte.
gh
HUBERT DUPONT
Golan/Al Joulan Vol?.?2
hubertdupont.com
(Ultrabolic, UTK 1005)
4 Tracks, 41:21


Der französische Bassist legt eine exzellente Fortsetzung seines Golan-Projektes vor. Live aufgenommen im Pariser Club Musiques au Comptoir präsentiert Dupont vier neue Kompositionen, die traditionelle arabische Musik mit westlichem Jazz vereinen. Das Sextett – Flöte, Klarinette, Violine, Ud, Percussion und Bass – brilliert dabei mit gekonnten Improvisationen.
ep

DIVERSE
Mali Blues
gebrueder-beetz.de/produktionen/mali-blues-2
(Gruenrecorder)
13 Tracks, 63:14


Nicht alles auf diesem Soundtrack ist tatsächlich Blues aus Mali, immer wieder drängt sich elektronisch Produziertes dazwischen. Was im Film Sinn macht, weil er sich auch mit aktuellen Musikstilen beschäftigt, wirkt auf dem Soundtrack manchmal irritierend. Als Anregung, um sich detaillierter mit diesem Musikkosmos zu beschäftigen, funktioniert er allemal.
mf
HOTEL BOSSA NOVA
Little Fish
hotelbossanova.com
(Enja/Soulfood)
10 Tracks, 47:12


Im Wiesbadener „Hotel“ sind seit Beginn außer der namensgebenden Bossa viele andere Klänge und Stile zwischen World Pop und World Jazz zu Hause. Auch auf dem vierten Studioalbum, wo Frontfrau Liza da Costa, Deutsche mit portugiesisch-indischen Wurzeln, sich erneut als facettenreiche, sinnliche Sängerin erweist, die es mit so mancher Kollegin in Brasilien aufnehmen kann.
kw

LITTLE HURRICANE
Same Sun Same Moon
littlehurricanemusic.com
(Mascot Records/Death Valley Records)
12 Tracks, 36:24


Sehr erstaunlich, was das Schlagzeug-/Gitarrenduo Celeste Spina und Anthony Catalono hier mit seinen Instrumenten und Stimmen erschafft. Blues, Pop und Independent vermischen sich und lassen hypnotisch-magische Musikwelten entstehen, die zum Rocken („March Of The Living“), zum Träumen („Lake Tahoe Eyes“) und zum Grooven („Mt. Senorita)“ einladen.
ah
VITTO MEIRELLES
Vem Rei
vittomeirelles.com.br
(10H10/Sony)
Promo-CD, 13 Tracks, 45:10


Meireilles spielt die etwas andere brasilianische Musik, voller skurriler Geräusche à la Tom Zé, etwas Elektronik und ungewöhnlicher Kombinationen von Instrumenten. Er versteht sich als Klangmaler, was auch seine Stärke ist. Doch die Musik wirkt insgesamt verkopft, rhythmisch behäbig und hinterlässt keinen bleibenden Eindruck.
hjl

DAVID M’ORE
Passion, Soul & Fire
davidmore.net
(Eigenverlag/CD Baby)
12 Tracks, 78:36


Der in San Francisco lebende gebürtige Argentinier M’ore ist Gitarrist, Komponist und Sänger. Seine Art, den Rockblues zu spielen, ist geprägt von Musikern wie Johnny Winter, Jimi Hendrix und Gary Moore. Unterstützt wird er von Wade Olson (Schlagzeug) und David De Silva (Bass).
asz
PENGUIN CAFE
The Imperfect Sea
penguincafe.com
(Erased Tapes ERATP096/Indigo)
9 Tracks, 50:00


Was als Fortführung des legendären Penguin Cafe Orchestras seines Vaters Simon begann, hat Arthur Jeffe zu einem eigenständigen Projekt weiterentwickelt. Sein zehnköpfiges Ensemble präsentiert erstklassig produzierte Dance- und Ambientemusik – Eigenkompositionen sowie Coverstücke etwa von Kraftwerk –, eingespielt auf ausschließlich akustischen Instrumenten.
ep

SCHANK
Gestatten Schank!
schank-band.de
(Eigenverlag)
7 Tracks, 25:50


Nomen est omen, mag man denken, denn in den standarddeutschen Texten dieser Kölner Boygroup geht es nicht wenig ums Trinken, aber auch ums Geldverdienen und andere Alltäglichkeiten. Mitreißend ist das bluegrassige Banjo- und Fiddlespiel, das die Lieder begleitet.
mas
SEILER & SPEER
Und weida?
seilerundspeer.at
(Joke Brothers Records/Warner)
12 Tracks, 48:03


Seiler & Speer sind ein österreichisches Duo mit Bandbegleitung, dessen 2016er-Album in den österreichischen Charts Helene Fischer und Metallica verdrängte. Kein Wunder, die Musik ist unteres Schlagerniveau, mit Stampfrhythmen, gefälligen Keyboard- und Gitarrenklängen, die Texte menscheln im Dialekt. Schlechter Geschmack ist unschlagbar.
jus

LIVINGSTON TAYLOR
Safe Home
livingstontaylor.com
(Chesky Records JD385/In-akustik)
14 Tracks, 52:56


Seit gut fünfzig Jahren ist der Mann als professioneller Musiker unterwegs und hat die Ruhe weg. Unterstützt von einer hochklassig besetzten Barcombo um den Pianisten Shelly Berg und die Sängerin Chelsea Berry, singt und spielt Taylor fein ziselierten Jazzfolk auf der Akustikgitarre. Geschmackssicher, ohne Ausfälle, aber auch ohne Überraschungen.
dt
UNOJAH
Colour To The People
unojah.com
(Soulfire)
14 Tracks, 51:52


„Bunter als du dachtest“, lautet der Flaggenspruch der Band mit dem ehemals so sperrigen Namen Ottoman Empire Soundsystem. Zu engagierten Texten (bei vier Stücken sogar auf Deutsch) gibt es Weltmusik von Reggae bis Hip-Hop mit Popambitionen. Den jungen Musikern aus fünf Nationen und drei Religionen gelingt die Erfüllung ihres Wahlspruchs vorzüglich.
cs

ZITRONEN PÜPPIES
Bambis Rache
facebook.com/zitronenpueppies
(Trikont US-0491)
9 Tracks, 38:31


Poprockige Musik aus München mit mundartlichen und standarddeutschen Texten rund um die Befindlichkeiten junger Menschen in einem modernen, komplizierten Leben.
mas



Besondere
Hamilton De Holanda Quintet
Casa De Bituca – The Music Of Milton Nascimento
hamiltondeholanda.com
(MPS 0212214MS1/ Edel:Kultur)
CD: 11 Tracks, 47:04; DVD: 45:15


Außerordentlich produktiv ist der brasilianische Bandolimspieler Hamilton de Holanda, ohne jedoch an Qualität einzubüßen. Nach seiner Hommage an Chico Buarque hat er jetzt mit Milton Nascimento einen weiteren Großmeister im Visier. Anlass dürfte dessen 75. Geburtstag im Oktober 2017 sein. De Holandas Musik ist oft sehr vibrierend und von atemberaubendem Tempo geprägt, die von Nascimento eher elegisch, schwebend und melancholisch. Da durfte man gespannt sein, ob das zusammenpasst. Das Ergebnis ist differenziert zu betrachten. Natürlich klingen Nascimentos Kompositionen anders in der Besetzung mit Bandolim, Mundharmonika und Schlagzeug und meist ohne Gesang. Die Musik wirkt dadurch aber auch  Hamilton De Holanda Quintet: Casa De Bituca – The Music Of Milton Nascimento eigenständig und gibt nicht vor, wie Instrumentaltracks der Nascimento-Stücke erscheinen zu wollen. Wenn De Holanda in sein typisches Spiel verfällt, entfernt er sich durchaus weit von der besonderen Atmosphäre der Musik Nascimentos. Insbesondere wirkt dabei das Schlagzeug manchmal etwas polternd. An anderer Stelle lässt sich De Holanda auf die Welt des berühmten Sängers ein und gewinnt dadurch gleich eine neue Klangwelt hinzu. So kommen bei De Holanda eine Sanftheit, Melodik und Melancholie zum Vorschein, die man bisher seltener bei ihm wahrnehmen konnte. Weniger quirlig und langsamer im Spiel, auch mal einen Kinderchor einbauend, öffnet sich De Holanda neuen Ideen und gewinnt dabei. Zwar singt Nascimento bei zwei Stücken mit, dennoch kommen auch andere Sänger zum Zuge: Samba-Legende Alcione und De Holanda selbst. Das gibt den Songs einen völlig anderen, sehr ungewohnten Charakter. Als beruhigender Gegenpol zur Bandolim fungiert die eher dezent wirkende Mundharmonika. Am Ende ist man überrascht, wie unterschiedlich Milton Nascimentos Musik in der Hand von Kollegen klingen kann, insbesondere weil sich De Holanda nicht unbedingt immer nach Nascimento anhören wollte. Der Schwerpunkt der Lieder liegt auf dem Frühwerk Nascimentos und der Clube-De-Esquinas-Phase.
Hans-Jürgen Lenhart
EDWARD II
Manchester’s Improving Daily
edwardthesecond.co.uk
(Cadiz Music E2MID819)
CD: 16 Tracks, 51:25 , mit ausführlichem Beiheft


Eigentlich waren die Jungs schon weg vom Fenster, und das war schade. Auch wenn mit dem Begriff „Einzigartigkeit“ oft Schindluder getrieben wird, bei Edward II war er angebracht. Welche andere Band mischt bitteschön Reggae mit englischen Folksongs und zwar beides absolut authentisch? Aber die Band überlebte den Jahrtausendwechsel nicht, fünfzehn Jahre Funkstille – und dann Ende 2015 das. Ein Konzeptalbum allererster Güteklasse! Es geht um die Penny Broadside Ballads im industriellen Manchester des 19. Jahrhunderts, billig und schnell gedruckte Songs mit unendlich viel Lokalkolorit und oft sozialer und politischer Brisanz, neue Texte auf bekannte Melodien, frühe Flugblattlieder sozusagen.  EDWARD II: Manchester’s Improving Daily Hier war die wachsende Arbeiterklasse mit ihren Problemen („Peterloo“ und „Kersal Moor“) ebenso Thema wie ihre seltenen Anlässe für ausgelassenen Optimismus („Victoria Bridge On A Saturday Night“). Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Herren Marx und Engels seinerzeit genau diese Lieder in den Kneipen von Manchester gehört haben. Das gilt natürlich nicht für „Dirty Old Town“ von Ewan McColl, sozusagen etwas aus der Zeit gefallen, aber thematisch ausgesprochen passend. Die Musik heute klingt vertraut, wenn man Edward II schon mal erlebt hat. Bass und Drums sind fest in jamaikanischer Hand, ebenso der Gesang, Jon Moore spielt die E-Gitarre, Simon Care sorgt mit dem Melodeon für die englischen Klänge, und die beiden Bläser setzen Akzente. Besonders reizvoll sind die Gegensätze zwischen Jennifer Reid, die als Gast vier Lieder a-cappella so singt, wie sie wohl im 19. Jahrhundert geklungen haben würden, und der modernen Herangehensweise von Edward II. Gerade die direkte Gegenüberstellung von „Victoria Bridge …“ zeigt, wie treffend beide Interpretationsarten sind. Dass das ganze Projekt sauber recherchiert und im umfangreichen Booklet dokumentiert ist, macht die Produktion noch erfreulicher. Wir lernen was und haben Spaß dabei, perfekt!
Mike Kamp

Bücher
 KAY LUTTER: Bluessommer : e. Geschichte von Freiheit, Liebe und Musik hinter d. Eisernen Vorhang.
KAY LUTTER
Bluessommer : e. Geschichte von Freiheit, Liebe und Musik hinter d. Eisernen Vorhang.
www.lago-verlag.de
(1. Aufl. – Berlin - Lago-Verl., 2017. – 591 S.)
ISBN 978-3-95761-171-0 , 24,99 EUR


„Der Roman ist eine fiktive Geschichte, die von fiktiven Personen handelt“, sagt der Autor, „doch trotzdem hat meine Geschichte einen wahren Kern.“ Das muss ein Autor natürlich so formulieren, um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu vermeiden. Der Leser allerdings spürt nahezu in jeder Zeile die Authentizität des Gelesenen, die biografischen Parallelen sind unübersehbar. Wie sein Protagonist ist Kay Lutter Bassist (In Extremo), die erste Band seines Helden trägt den gleichen Namen wie die erste Band des Autors, beide hatten ihren Lebensmittelpunkt in Potsdam …
Der Roman lässt die 1980er-Jahre in der damaligen DDR, eingebettet in eine wirklich spannende, unterhaltsam und flott geschriebene Geschichte, für die Dauer der Lektüre auferstehen.
Immer wieder tragen Zitate von Jim Morrison die Geschichte ein Stück weiter. Protagonist Mike kämpft um künstlerische und menschliche Anerkennung, doch es klappt nicht so, wie er und seine Freunde Floyd und Porni es sich vorstellen – Waiting for the sun, waiting for you to tell me what went wrong. Und als es endgültig zu eng wird im „real existierenden Sozialismus“, da tauchen erste, durchaus doppeldeutige Gedanken auf, das Land zu verlassen – Break on through to the other side.
Wer sich auch nur ansatzweise für die Sorgen und Nöte, aber auch die kleinen Highlights und Erfolge einer jungen Folk-Blues-Rockband interessiert, für den ist Lutters Roman genau die richtige Lektüre. Wer darüber hinaus noch erfahren möchte, mit welchen Hindernissen und Fallstricken sich nichtangepasste junge Musiker in der damaligen DDR herumschlagen mussten, für den ist Bluessommer geradezu ein Muss.
Kai Engelke
 JIMMY KELLY: Streetkid : Fluch und Segen, ein Kelly zu sein.
JIMMY KELLY
Streetkid : Fluch und Segen, ein Kelly zu sein.
(München : Heyne, 2017. - 256 S. : mit zahlr. Farbfotos)
ISBN 978-3-453-20151-4 , 19,99 EUR


Das „Straßenkind“ Jimmy Kelly ist erwachsen geworden. Nach dem Auseinanderbrechen der Kelly Family wagte sich das ehemalige Teenieidol als junger Familienvater in Existenznot als Mittdreißiger mit Gitarre und Amp zurück auf die Straße, wo die Kellys in den Siebzigerjahren ihre Weltkarriere begonnen hatten. Statt im schützenden Familienverband, der auf großen Bühnen medien- und publikumswirksam Millionen scheffelte, wählte Jimmy – als er die Miete und andere laufende Rechnungen nicht mehr zahlen konnte – die unterste musikalische Ebene. Kelly, der nie eine reguläre Schule besucht hat, erweist sich als lebendiger Erzähler seiner Erlebnisse on the road, unterstützt von der Journalistin Patricia Leßnerkraus und dem Fotografen Thomas Stachelhaus. Schade, dass die abgebildeten Personen und Auftrittsorte meist nicht mit den im Text beschriebenen identisch sind, aber dennoch illustrieren die Fotos überzeugend die in den jeweiligen Passagen beschriebenen Situationen. Wie Kelly seine Begegnungen mit Menschen auf der Straße schildert, wirkt authentisch und berührt. Der Mann mit der markanten Folkstimme, der stundenlang ehrliche Kunst verschenkt, den Menschen zuhört, die ihm ihre Lebensgeschichten erzählen, der getröstet wird und selbst Trost spendet, der beraten wird und selbst berät, weiß bald, dass er als Solist auf der Straße genauso bestehen kann, wie als Mitglied einer Gruppe, ja, dass er diese Ebene dringend gebraucht hat, um zu sich selbst zu finden, seine Individualität zu entwickeln und zu reifen. Es ist interessant, Jimmy als Leser auf seiner Entwicklung vom Ego zum Selbst zu begleiten und zu erfahren, dass er dankbar dafür ist, wieviel ihm die Menschen geben, denen er auf seiner Lebensreise als Straßenkünstler begegnet.
Kay Reinhardt

 JUDY DYBLE (with Dave Thompson): The Accidental Musician : The Autobiography of Judy Dyble
JUDY DYBLE (with Dave Thompson)
The Accidental Musician : The Autobiography of Judy Dyble
www.soundcheck.co.uk
(London : Soundcheck Books, 2016. – XIII - 227 S. : mit s/w-Fotos. London : Sound)
ISBN 978-0-9932120-3-1 , 16,99 GBP


Erster Gedanke: Muss eine Frau, die Ende der Sechziger mal eine CD mit Fairport Convention besungen hat, unbedingt ihre Autobiografie schreiben? Berechtigte Frage – wenn der Satz denn stimmen würde. Tatsächlich jedoch war Judy Dyble musikalisch wesentlich aktiver, und sie ist auch mit 68 Jahren noch musikalisch tätig, brandaktuell mit dem Produzenten Andy Lewis und der CD Summer Dancing. Nach Fairport kamen Aufnahmen mit King-Crimson-Musikern wie Robert Fripp, dann das Duo Trader Horne und schließlich über zwanzig Jahre Funkstille, bis 2004 diese seltsame „Karriere“ wieder Fahrt aufnahm. Bei Autobiografien mit Ghostwritern ist man sich nie sicher, welche Formulierungen denn nun von den Künstlern selber stammen oder aus der oft übertrieben schwungvollen Feder des Helfers. Man kann jedoch sicher sein, dass jeder Satz in diesem Buch von Dyble abgenickt wurde. Daher ist ganz gewiss der Eindruck richtig, dass Dyble nicht gerade mit einem Übermaß an Selbstbewusstsein ausgestattet war und dass sie in die meisten ihrer Unternehmungen fast schon naiv reingeschliddert ist. Die Musikprojekte scheinen sich einfach ergeben zu haben, ohne dass sie zielgerichtet und ehrgeizig darum gekämpft hätte. Die ganze Karriere war genauso zufällig (accidental), wie die Entscheidungen meist nicht ihre waren. So wurde sie – extrem undiplomatisch – von Ashley Hutchings auf einer Parkbank über ihr Ende bei Fairport Convention in Kenntnis gesetzt. Sie ist aber nicht nachtragend, Simon Nicol hat sie über die Jahre häufig musikalisch unterstützt, und daher ist Dyble weiterhin bei den Fairport-Jubiläen auf der Bühne. Ob also die durchaus interessante Autobiografie mit ihren weniger interessanten Tagebucheinträgen der letzten Jahre unbedingt geschrieben werden musste, das sollen andere entscheiden. Wahrscheinlich hat sich dieses Buchprojekt auch nur rein zufällig ergeben, und Judy Dyble hat es dann einfach gemacht – so wie immer.
Mike Kamp
 PETER KEMPER: Wie die Ukulele die Welt erobert : d. Beatles, Jake Shimabukuro u. d. Folgen.
PETER KEMPER
Wie die Ukulele die Welt erobert : d. Beatles, Jake Shimabukuro u. d. Folgen.
www.bosworth.de
(o.O. : Bosworth Ed., 2017. - 400 S. : mit zahlr. Fotos. – (BOE ; 7842))
ISBN 978-3-86543-947-5 , 24,95 EUR


Das Hohelied auf die Ukulele. Peter Kemper hat das ultimative Buch über den Südseeshootingstar unter den Saiteninstrumenten geschrieben. Reiche Bebilderung, überbordendes Detailwissen und unverhohlene persönliche Begeisterung kennzeichnen das Werk des Musikjournalisten. Geschichte und Geschichten, so das kurzweilige Konzept. Kemper zeichnet den Weg des Instrumentes nach, vom „Vater“ der Ukulele, Manuel Nunes, dem Mann aus Madeira, der Ende des 19. Jhdts. mit seiner Familie auf Honolulu landete und mit der Entwicklung der Ukulele aus der portugiesischen „Machete“ begann, bis hin zu den aktuellsten Neuerern und Avantgardisten weltweit im Bereich des Ukulelespiels. Dabei durchstreift er weite Gebiete der Popmusikgeschichte, denn so ziemlich jeder Musiker, seien es die Beatles oder Elvis, Jack Johnson oder Götz Alsmann, hat so ein Teil nicht nur in der Hand gehabt, sondern auch professionell eingesetzt. Seit 1985 existiert z. B. das von George Hinchliffe gegründete Ukulele Orchestra of Great Britain, Vorreiter in Sachen grenz- und genreüberschreitender Hingabe an den unscheinbaren 4-Saiter. Wir erfahren alles über den aktuellen Stand des Ukulelenbaus, und selbst die „politische“, völkerverbindende Bedeutung des Instrumentes wird zumindest angedacht. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis, eine große Auswahldiskografie und eine Liste der wichtigsten Ukulele-Websites runden ein journalistisches Projekt ab, das einzigartig sein dürfte.
Rolf Beydemüller

 MAGNUS GAUL / EVA NAGEL: SPRING : Sprache lernen durch Singen, Bewegung und Tanz / mit Ill. von Verena Beer.
MAGNUS GAUL / EVA NAGEL
SPRING : Sprache lernen durch Singen, Bewegung und Tanz / mit Ill. von Verena Beer.
www.bosse-verlag.de
(Kassel : Bosse, 2016. - 128 S. : mit zahlr. Abb. u. Notenbeisp. + CD. – (BE ;)
ISBN978-3-7649-2871-1 , 29,59 EUR


Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration in Schulen und Kindergärten. Ausgehend von diesem Leitgedanken wurde das Konzept SPRING (SPRache lernen durch SINGen, Bewegung und Tanz) entwickelt, eineinhalb Jahre in Schulklassen erprobt und nun in diesem Praxisbuch veröffentlicht. SPRING versteht sich mit seinen kreativen Liedern, Tänzen, Bewegungs-, Rhythmus- und Puppenspielen als praktikable Ergänzung zu einem modernen Sprachunterricht an Vor- und Grundschulen. Besonders Kindern in den sogenannten „Übergangsklassen“ (die viele Flüchtlingskinder zunächst besuchen), soll der Zugang zur Deutschen Sprache damit erleichtert werden. Ein spielerisches Sprachenlernen mit Liedern und Musik, so der Ansatzpunkt von SPRING, trainiert unverkrampft die sprachlichen Muster; die Artikulation und die Betonungen werden besser eingeübt, notwenige Wiederholungen werden (durch die an der Alltagswirklichkeit der Kinder orientierten Liedtexte) in sinnvolle Zusammenhänge gebracht, die grammatischen Strukturen prägen sich besser ein, und es werden nachhaltig Verknüpfungen im Gehirn angelegt. Das Buch enthält viele Lieder (mit Gitarrenakkorden) und Übungen (für verschiedene Instrumente und Puppen), die mit Spielanleitungen und teilweise mit sprachdidaktischen Anleitungen, musikdidaktischen Kommentaren, Tipps und weiterführenden Informationen (über QR-Codes oder Links) versehen sind. Dem Buch ist eine CD (mit Playbacks) beigefügt.
Christine Hellweg
 ERICH BRANDL: So schaut’s aus.
ERICH BRANDL
So schaut’s aus.
www.runway27left.com
(Wien : Eigenverl., 2016. - 248 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-3-200-04596-5


Ist es ein tragischer Fall, dieses Buch von Erich „Weissfeder“ Brandl? Ja, aber nicht, weil der Autor ein Wiener Arbeiterkind ist, später Automechaniker wird und diesem sozialen Milieu bis zur Pensionierung treu bleibt und sich nebenbei als passabler Gitarrist und Bassist in der Blues-Rock-Szene der Stadt auf Amateurstatus herumtreibt. Denn dieses Schicksal teilt sich der 1949 geborene Autor mit Millionen anderer Arbeiterkinder, die wie er in den Sechzigerjahren musikalisch mit den Beatles, den Rolling Stones, mit Rock und Blues sozialisiert wurden, die sich Instrumente bauten oder kauften und in Hinterhöfen Hobbymusik machten.
Eine wenig vorteilhafte Wendung nimmt diese Geschichte erst, als Brandl diesem seinem Leben eine Autobiografie widmet. Stars, die nicht schreiben können, mieten sich dafür Profis, Journalisten. Brandl macht’s lieber selbst, so wie vieles in seinem Leben. Er hat an Mopeds und Autos geschraubt, Wohnungen und Häuser umgebaut, an Gitarren und Verstärkern gebastelt. Konzerte laufen ebenfalls nach einem Heimwerkerprinzip ab, Hauptsache, es hat Spaß gemacht. Brandl mag ein liebenswerter, schrulliger Typ sein. Aber muss aus einem solchen Leben eine unfokussierte, ungelenk geschriebene Autobiografie gemacht werden? Nicht jeder ist als Bastler zur Edelfeder bestimmt, trotzdem gibt es wundervolle Arbeiterauto- und Musikerbiografien. Eine aus dem Wiener Arbeitermilieu der Sechzigerjahre steht noch aus, eine aus der Amateurmusikerszene ebenfalls.
Harald Justin

 ADAM SUTHERLAND: The Errogie Collection Volume I : a collection of contemporary Scottish folk melodies from the pen of Loch Ness fiddler & composer Adam Sutherland.
ADAM SUTHERLAND
The Errogie Collection Volume I : a collection of contemporary Scottish folk melodies from the pen of Loch Ness fiddler & composer Adam Sutherland.
www.scotlandmusic.com
(o.O. : Taigh na Teud Music Publ., 2016. - 35 S. : überw. Noten u. zahlr. Fotos)
ISBN 978-1-906804-73-2 , 15,00 GBP


Ein unauffällig aussehendes schottisches Jüngelchen, das aber ein musikalisches Genie ist, bringt die erste Sammlung seiner eigenen Kompositionen heraus. Wie er bei Session A9, den Peatbog Faeries und vor allem beim Treacherous Orchestra unter Beweis stellen konnte, ist Sutherland ein hervorragender Tune-Komponist. „The Road To Errogie“ ist das bekannteste seiner Werke. In der Sammlung finden sich aber weitere schöne Stücke, die man sich als Melodiespieler mal zu Gemüte führen sollte, alle mit Akkorden versehen. Einziger Kritikpunkt: Es sind zu wenige Stücke! Gut, dass es sich nur um Volume I handelt.
Sabrina Palm
 WOLFGANG MEFFERT: Harmonielehre endlich verstehen!  : Harmonielehre endlich verstehen! Band 2 : Jenseits von Dur und Moll..
WOLFGANG MEFFERT
Harmonielehre endlich verstehen!
www.acoustic-music.de
(Wilhelmshaven : Acoustic Music Books, 2012. - 168 S. : mit zahlr. Ill. u. Notenb)
ISBN 978-3-86947-096-2 , 24,90 EUR



Harmonielehre endlich verstehen! Band 2 : Jenseits von Dur und Moll..
(Wilhelmshaven : Acoustic Music Books, 2016. - 215 S. : mit zahlr. Notenbeisp.)
ISBN 978-3-86947-321-5 , 24,90 EUR


Die harmonischen Regeln der Musik zu erlernen, erscheint den meisten Schülern als zu schwierig, zu trocken, zu theoretisch. Gitarrist und Pädagoge Wolfgang Meffert versucht, dem ganz und gar nicht überflüssigen Thema den Schrecken zu nehmen. Das gelingt ihm richtig gut. Man hat den Eindruck, einer Unterrichtsstunde in angenehmer Atmosphäre beizuwohnen. Meffert kennt die üblicherweise auftauchenden Fragen und beantwortet sie gleich mit. Theoretische Erklärungen werden durch sorgfältig gewählte Beispiele begleitet. In Testbögen kann man am Ende eines Kapitels noch einmal überprüfen, ob alles verstanden wurde. Während Band 1 quasi bei Adam und Eva beginnt, endet Band 2 mit komplexen Harmonisierungen von Melodien. Mefferts Erfahrungen als Musiker und Lehrer fließen organisch in die Darstellung schwieriger Sachverhalte ein und machen das Werk interessant sowie leicht lesbar. Viele der Notenbeispiele sind in der Praxis eher etwas für Gitarristen. Eine derart fein durchdachte und graphisch hervorragend aufgearbeitete Harmonielehre dürfte aber auch anderen Instrumentalisten gefallen. Einem tieferen Verstehen von der Musik innewohnenden Regeln steht nichts mehr im Wege.
Rolf Beydemüller

 VOLKER LUFT: Martinus Luthers Saitenspiel : alle Lieder Martin Luthers für Gitarre solo, Liedbegleitung u. Gesang.
VOLKER LUFT
Martinus Luthers Saitenspiel : alle Lieder Martin Luthers für Gitarre solo, Liedbegleitung u. Gesang.
www.acoustic-music.de
(Wilhelmshaven : Acoustic Music Books, Ed., 2016. - 79 S. : nur Noten u. TAB)
ISBN 978-3-86947-346-8 , 17,90 EUR


Im Reformationsjahr darf natürlich ein Martin-Luther-„Songbook“ nicht fehlen. Dass Luther ein leidenschaftlicher Sänger war, ist wohl überliefert, ebenso dass er sich fürs Lautenspiel begeisterte. Als Komponist und Textdichter zeichnet er für die siebzehn Lieder in dieser Sammlung von Volker Luft verantwortlich. Jeweils in einer Fassung für Gesang und Begleitung sowie als Soloversion für Gitarre finden sich etwa „Ein feste Burg ist unser Gott“ oder „Vom Himmel hoch da komm ich her“. „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Fröhlichen traurig, die Verzagten herzhaft zu machen, denn die Musik.“, so Luther.
Rolf Beydemüller
 KURT MEIMER & CHRISTIAN SCHMALZ: Ukulele-Fieber: Das geniale Lehrbuch ohne Noten und Vorkenntnisse ; mit 50 Songs.
KURT MEIMER & CHRISTIAN SCHMALZ
Ukulele-Fieber: Das geniale Lehrbuch ohne Noten und Vorkenntnisse ; mit 50 Songs.
(o. O. : Bosworth Ed., 2017. - 267 S. : mit zahlr. Abb. u. Griffdiagr. + CD + DVD)
ISBN 978-3-86543-903-1 , 29,95 EUR


Ein echtes Schwergewicht ist dieses mit DVD und CD ausgestattete Lehrbuch für den kleinen Viersaiter. Der Ukuleleneuling wird über rund 270 Seiten in die Basics des Rhythmusspiels eingeführt. Das Buch verzichtet weitestgehend auf Theorie, Notenkenntnisse sind ebenfalls keine erforderlich. 50 Songs mit den entsprechenden Akkordverbindungen erlernt man im Laufe des Kurses, alle sind auf der beigefügten CD nachzuhören. „Somewhere Over The Rainbow“ darf da natürlich nicht fehlen. Die Erklärungen sind äußerst gründlich, und wer trotzdem noch unsicher ist kann Kurt Meimers Videos auf der DVD zurate ziehen. Hier dekliniert der Mann, der viele Jahre seines Lebens auf Hawaii verbracht hat, am Beispiel von „Bruder Jakob“ so ziemlich alles an Schlagtechniken durch.
Rolf Beydemüller

 DETLEF BUNK: Bunkis Klassenbuch : 16 melodiöse u. poppige Gitarrenstücke inkl. 2 Duos; leicht bis mittelschwer.  DETLEF BUNK: Bunkis Klassenbuch : 16 melodiöse u. poppige Gitarrenstücke inkl. 2 Duos; leicht bis mittelschwer.
DETLEF BUNK
Bunkis Klassenbuch : 16 melodiöse u. poppige Gitarrenstücke inkl. 2 Duos; leicht bis mittelschwer.
(Wilhelmshaven : Acoustic Music Books , 2016. – 23 S. : nur Noten + CD)
ISBN 978-3-86947-347-5 , 14,90 EUR


DETLEF BUNK
Bunkis Klassenbuch : 16 melodiöse u. poppige Gitarrenstücke inkl. 2 Duos; leicht bis mittelschwer.
(Wilhelmshaven : Acoustic Music Books, 2016. – 43 S. : nur Noten u. TAB + CD)
ISBN 978-3-86947-348-2 , 19,90 EUR


Der Dresdener Akustikgitarrist Detlev Bunk hat ein „Klassenbuch“ mit 16 kleinen Charakterstudien und Etüden geschrieben. Durchweg leicht bis mittelschwer zu spielen, und wer sich das Notenlesen nicht zutraut, kann den gleichen Band auch mit Tabulatur erwerben. Solos und Duos mit poppigem Appeal. Guter Stoff für Schüler und Freizeitgitarristen.
Rolf Beydemüller
 GERHARD KOCH-DARKOW: Dschungellieder : exot. Traditionals u. Kompositionen f. Gitarre ; leicht bis mittelschwer.
GERHARD KOCH-DARKOW
Dschungellieder : exot. Traditionals u. Kompositionen f. Gitarre ; leicht bis mittelschwer.
(Wilhelmshaven : Acoustic Music Books , 2016. – 71 S. : überw. Noten u. TABs ; m)
ISBN 978-3-86947-343-7 , 21,90 EUR


Eine überraschende Zusammenstellung exotischer Traditionals für Sologitarre kommt von Gerhard Koch-Darkow. Die musikalische Reise führt nach Simbabwe, Äthiopien, Tansania sowie nach Lateinamerika. Doch nicht nur die Songauswahl ist außergewöhnlich, auch die Spieltechniken sind bisweilen nicht ganz alltäglich. Das ist spannend und klanglich durchweg sehr überzeugend. Für die Neugierigen und Abenteurer unter den Gitarrenschülern.
Rolf Beydemüller

 RAINER FALK: Dreaming.
RAINER FALK
Dreaming.
(Wilhelmshaven : Acoustic Music Books, 2016. – 64 S. : mit Noten u. TABs)
ISBN 978-3-86947-352-9 , 15,90 EUR


Ganz fantastische Spielliteratur für Gitarre solo findet man in dieser Sammlung des österreichischen Akustikgitarristen Rainer Falk. Fein durchgezeichnete Miniaturen, die locker-leicht daherkommen, allerdings einige Spielerfahrung voraussetzen. Melodien mit hohem Wiedererkennungswert, fernab der vielen bemühten Schülerstücke, die niemand wirklich spielen mag. Popmusiknahe Harmonik und Rhythmik steigern den Attraktivitätsgrad beträchtlich. Eine echte Bereicherung fürs Schülerrepertoire. Auf rainerfalk.com kann man sich übrigens alles von Meister Falk selbst vorspielen lassen.
Rolf Beydemüller
 RUE PROTZER: Jimmy! – Der Gitarrenchef : E-Gitarrenschule für Kinder / mit Ill. v. Selina Petersen.
RUE PROTZER
Jimmy! – Der Gitarrenchef : E-Gitarrenschule für Kinder / mit Ill. v. Selina Petersen.
(Manching : Ed. Dux, 2017. – 75 S. : überw. Noten mit zahlr. Abb.)
Bd. 1: ISBN 978-3-86849-308-5 Bd. 2: ISBN 978-3-86849-309-2 , Bd. 1: 16,80 EUR Bd. 2: 16,80 EUR


Klaro, alle wollen E-Gitarre spielen. Sound und Attitüde sind natürlich ungemein cooler als der der akustischen Schwestern und Brüder. Und selbstverständlich gibt es heute im Fachhandel auch „Rockklampfen“ in allen Größen, von Bonsai bis Bariton. Neben gelegentlichen Powerchordübungen findet man in Protzers Schule dann allerdings so ziemlich das, was man in allen Schulen für Kinder findet: Notenlesen und „Hänschen klein“. Nicht falsch verstehen. Schön gemacht, sehr cool, im Netz gibt’s feine Videos von jungen Rockern zu sehen, und dass richtig Notenlesen gelehrt wird, ist lobenswert.
Rolf Beydemüller

 SEBASTIAN MÜLLER: Das Folk- und Volksliederbuch für Jung und Alt – 100 leicht arrangierte Lieder für Gesang u. Gitarre ; das Liederbuch für gesellige Stunden.  SEBASTIAN MÜLLER: Das Folk- und Volksliederbuch für Jung und Alt – 100 leicht arrangierte Lieder für Gesang u. Ukulele ; das Liederbuch für gesellige Stunden.
SEBASTIAN MÜLLER
Das Folk- und Volksliederbuch für Jung und Alt – 100 leicht arrangierte Lieder für Gesang u. Gitarre ; das Liederbuch für gesellige Stunden.
(Mainz (u. a.) : Schott, 2017. – 162 S. : überw. Noten mit Akk. – (ED ; 22683))
ISBN 978-3-7957-1108-5 , 15,00 EUR


SEBASTIAN MÜLLER
Das Folk- und Volksliederbuch für Jung und Alt – 100 leicht arrangierte Lieder für Gesang u. Ukulele ; das Liederbuch für gesellige Stunden.
(Mainz (u. a.) : Schott, 2017. – 162 S. : überw. Noten mit Akk. – (ED ; 22684))
ISBN 978-3-7957-1111-5 , 15,00 EUR


Einen ultraweiten Bogen schlägt dieses Liederbuch und schließt insbesondere deutsche Volkslieder mit ein, die nicht mehr unbedingt auf der aktuellen „Speisekarte“ stehen, so zum Beispiel „Auf de schwäbsche Eisebahne“, „Das Wandern ist des Müllers Lust“, „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ oder „Im Krug zum grünen Kranze“. Internationale Klassiker wie „We Shall Overcome“ und „Guantanamera“ verleihen dem Songbook dann doch einen Hauch von Welt. Erhältlich ist diese 100-Melodiensammlung je in einer Ausgabe für Gitarre und Ukulele. Noten, Texte, Grifftabellen sowie Vorschläge für eine passende Begleitung rüsten den sangesfreudigen Wanderer für den nächsten Ausflug ins Grüne.
Rolf Beydemüller



Deutschland
 BAD NEWS REUNION: Last Order Please Live
BAD NEWS REUNION
Last Order Please Live
sireena.de
(Sireena Records SIR 2170/Broken Silence)
2 CDs, 15 Tracks, 90:34


Da wurde als Abschiedskonzert ein musikalisches Feuerwerk abgebrannt. In Hamburgs legendärer Fabrik spielten sich die lokalen Lieblinge Michael Schlüter (Gesang und Akustikgitarre), Abi Wallenstein (Gesang und Lead-Gitarre), Jochen Brückner (Gesang und Akustikgitarre), Karsten Hoock (Gesang und E-Gitarre), Peter Urban (Orgel), Tom Garn (Bass) und Holger Zülck (Schlagzeug) als Bad News Reunion die Seele aus dem Leib. Vor ausverkauftem Haus ging das Konzert am 21. November 1982 über die Bühne, 1.400 Fans der Blues-, Folk- und Westcoastmusik waren dabei. Die damaligen Doppel-Vinylplatten waren schnell vergriffen; nun kann man sich über eine 1:1-Kopie auf Doppel-CD im schönen Digipack freuen. Die Band kam in den letzten Jahren für wenige Konzerte wieder zusammen und nahm 2014 sogar ein neues Studioalbum auf, leider diesmal ohne Abi Wallenstein, den legendären „Vater der Hamburger Bluesszene“, und den tollen Sänger und Gitarristen Karsten Hoock.
Annie Sziegoleit
 FIONA: Of Rivers And Tides
FIONA
Of Rivers And Tides
fiona-music.com
(Celtic Classics Productions)
12 Tracks, 54:33 , mit engl. u. dt. Infos


Ein 113 Jahre alter Bechstein-Flügel steht im Zentrum dieser wunderbar relaxten Instrumentalmusik. Fiona Frewert (Faun) spielt ihn, begleitet sich selbst auch sehr dezent auf Irish Whistle, „Wineglasses“, Harmonium, Dulcimer und Chalumeau, Overdub macht's möglich. Es ist eine dieser Feierabend-CDs, die den Kopf freimachen – voller Melancholie, schöner Melodien und luftiger, abwechslungsreicher Arrangements. Neben irischen, deutschen und schwedischen Traditionals sind Eigenkompositionen zu hören, außerdem ein Menuett für Piano pur von Johann Krieger (1651-1735) sowie eine Bal-Folk-Bearbeitung von einem belgischen Folkmusiker. Verschiedene Gastmusiker setzen mit Cello, Bass, Geige und Bodhrán Farbtupfer, die die Pianoklänge nicht zukleistern, sondern eher herausheben. Diese Konzentration auf den Klaviersound ist ausgesprochen erfrischend, weil bisher kaum gehört im Folk- oder Mittelaltergenre. Noch dazu, wenn so filigran, souverän und mit hörbarer Leichtigkeit gespielt wird. Nehmt Euch ein Glas guten Rotweins und genießt dieses zeitlose Album! Unbedingt empfehlenswert!
Piet Pollack

 HECKEL & STEGLITZ: Gleismusik
HECKEL & STEGLITZ
Gleismusik
maxheckel.de
(Prosodia)
10 Tracks, 42:36 , Texte


Zwei Herren, die sonst in anderen Musikformationen tätig sind, haben sich zu einem gemeinsamen Liedermacherprojekt zusammengetan. Stefan Gliwitzki ist Frontmann von Tone Fish, einer rockigen Folk-Gruppe aus Hameln, und Labelchef Max Heckel ist Frontmann der Stendaler Folkband Nobody Knows. Zehn Lieder haben sie auf die Scheibe gebracht, jeder fünf, immer fein abwechselnd. Ein schönes Projekt ist ihnen da gelungen, knackige Songs aus dem alltäglichen Leben, mit kraftvollen, erdigen Stimmen, interessanten Texten und einer gradlinigen musikalischen Umsetzung. Heckel erzählt Geschichten vom Bahnhof in der Nacht, atmosphärisch dicht, phantasievoll und einfühlsam. Sein Song über den kleinstädtischen Sommer reiht sich ein in die lange Liedermachertradition der Kleinstadtlieder. Überraschend als Kontrast dann seine Vertonung von „Weiße Rosen“, einem Text von Theodor Storm. Gliwitzkis Lieder beschreiben eher allgemeine Lebenssituationen und Beziehungen von Menschen, die im Leben irgendwie dazwischenstehen, „Weltenwanderer“, die sich an den Verhältnissen reiben, die Veränderungen anstreben. Zwei Musiker, die sich wunderbar ergänzen.
Rainer Katlewski
 HIGHLAND PADDIES: 25 Years And Still Alive
HIGHLAND PADDIES
25 Years And Still Alive
facebook.com/Highland-Paddies-346867625434697
(Thein)
14 Tracks, 55:28 , mit Fotos, dt. Infos, dt. u. engl. Texten


Wenn eine deutsche Irish-Folk-Band 25 wird, ist das eine längere Besprechung ihrer Jubiläums-CD wert. Aus Cuxhaven stammt das Quartett aus Britta, Achim, Kay und Benny, ihrem Techniker Jürgen und ihrer vier Helfer, wobei die Familiennamen nicht genannt werden. Auf Akkordeon, Tin Whistle, Gitarre, Schlagzeug, Percussion, Bass, Mandoline und viel Gesang tragen sie altbekannte irische Lieder vor, hauptsächlich Rebelsongs und Balladen sowie zwei norddeutsche Lieder von Santiano. Dabei verzichten sie auf das oft in diesem Genre zu erlebende sehr deftige Auftreten, im Gegenteil, sie geben den Songs eine für Irish Folk ungewohnte Leichtigkeit, wie man sie von Barber Shop Music kennt, die den oft ernsten Themen nicht so richtig gerecht wird. Schlagzeug und Percussion zwingen den Rhythmus aber auch ein wenig zu sehr in ein gleichförmiges Korsett, das der Musik etwas Schlagerähnliches gibt. Es ist somit eher eine leichte Unterhaltungsmusik, gut geeignet für Festivitäten, bei denen sie auch nebenbei genossen werden kann. „… Cockles and mussles, alive, alive oh!“ Herzlichen Glückwunsch den Highland Paddies!
Michael A. Schmiedel

 HUNDLING: Gestern oder im 3. Stock
HUNDLING
Gestern oder im 3. Stock
hundling.net
(Donnerwetter Musik)
11 Tracks, 54:51 , mit Fotos, hochdt. u. bair. Infos u. Texten


„Wofür singst du eigentlich?“, fragt Sänger Phil Höcketstaller und kommt nach der Aufzählung aller möglichen Zielgruppen zu der Überlegung „Oder hast Du doch vor allen Dingen manchmal bloß Bock aufs Singen?“ Die ohne Gäste fünf-, mit Gästen zwölfköpfige Münchner Band singt bairisch-regiolektische Lieder mit Themen aus dem Leben, wie der in eine Modelleisenbahn gebannten ehemaligen Berufssehnsucht, Gülleverseuchung, Geschäftsideen, die mehr vorgaukeln als halten, und anderes. Die Texte werden auf Ukulele, Bass, E-Gitarre, Piano, Hammondorgel, Schlagzeug, Saxofon, Trompete, Flügelhorn und Rhodes sowie einer eingespielten MC Ragamuffin von einem poppig-jazzigen Bandsound getragen, der voller Zwischenspiele und Variationen alles andere als Langeweile mit sich bringt. „Bairisch-urbaner Folk“ wäre vielleicht eine passende Genrebezeichnung. Das aufwändige „Textbiarcherl“ gibt auch Hilfen beim Textverständnis. Ein wichtiges Motto ist aber auch Nichtbayern verständlich: „So lang ich dieses Haus bewohne, gibt es keine musikfreie Zone!“
Michael A. Schmiedel
 ERIC PFEIL: 13 Wohnzimmer
ERIC PFEIL
13 Wohnzimmer
ericpfeil.com
(Trikont US-0487)
13 Tracks, 53:56 , mit Infos in wunderschönem Booklet


Vermutlich werden Rezensenten bestraft, die in einer Eric-Pfeil-Rezension „van Dannen“ schreiben. Vielleicht reicht es, darauf hinweisen, dass die Kompositionstechnik von Eric Pfeil aus deutlich mehr als den üblichen drei Akkorden besteht und das Gitarrenspiel filigran bis raffiniert anmutet. Bereits rein musikalisch macht Eric Pfeil einfach eine Menge Spaß. Dazu Texte, die beim oberflächlichen Hören ein wenig schlicht anmuten, bis der Hörer begreift, dass der wirklich Dumme sich dadurch auszeichnet, dass er eben nicht richtig zuhört. Ist diese Klippe umschifft, verliebt man sich sofort in die Songs. „Du kannst mich nach dem Ende wecken“ ist ein Beispiel für eine Hymne, die an jedem Lagerfeuer gesungen werden sollte. Großes Kino in kleinen Wohnzimmern. Dieses wundervolle Album ist nämlich tatsächlich live in 13 Wohnzimmern aufgenommen worden und so Low-Fi, wie es überhaupt nur sein kann. Live also und so lebendig, als wäre es das eigene Wohnzimmer. Eric Pfeil ist zu klug und zu wenig polemisch für den großen Erfolg. Kein Schenkelklopfer, kein Zynismus auf Kosten anderer, stattdessen seltsame und witzige Anekdoten und das Gefühl, dass diese Lieder eben nur Eric Pfeil schreiben kann.
Christian Elstrodt

 STEPHAN SULKE: Liebe ist nichts für Anfänger
STEPHAN SULKE
Liebe ist nichts für Anfänger
stephansulke.com
(Staatsakt/Caroline International)
12 Tracks, 41:39 , mit Texten


Musikalisch war lange nicht mehr viel von ihm zu hören, desto mehr erfreut es, mal wieder eine Scheibe von Stephan Sulke in den Händen zu haben. Vor über vierzig Jahren erschien seine erste LP, über die Jahrzehnte sind mehr als zwanzig Alben entstanden. Er war immer mal weg, hat sich mit anderen Projekten beschäftigt, ist aber immer wieder zum Gesang zurückgekommen, inzwischen als älterer Herr. Jetzt möchte man von einem Mitsiebziger keine himmelstürmenden Texte erwarten, aber diese Produktion ist schon sehr melancholisch bis leicht sentimental geraten; verlorene Lieben, Einsamkeit, Zeitkritik, pessimistische Zukunftssicht und viel Rück- und Nabelschau. Dass die Lieder dennoch so angenehm und gut klingen, liegt an der gekonnten ironischen Leichtigkeit und Lässigkeit, mit der Stephan Sulke sie präsentiert. Eine seltene Mischung, musikalisch abwechslungsreich, mal Chanson mit sparsamem Klavier, mal Bandbegleitung im Countrystil, die Melodien gehen ins Ohr. Sein Gesang ist von jugendlicher Frische, er haucht oder nuschelt cool, ist immer ein wenig zurückgenommen. Eine gelungene Produktion für ältere Semester, die beim Mehrfachhören noch besser wird.
Rainer Katlewski
 VALLESANTA CORDE: Es führt über den Main...
VALLESANTA CORDE
Es führt über den Main...
vallesantacorde.net
(Eigenverlag)
7 Tracks, 40:40 , mit Zeichnungen, Foto u. dt. Infos


Trotz des Namens der Band und des Titels stammt die Musik nicht aus Italien und nicht aus Würzburg am Main, sondern aus Berlin an der Spree, und wer Tanzmusik erwartet, wird enttäuscht sein und vielleicht auch im guten Sinne überrascht von einer hauptsächlich instrumental vorgetragenen Konzertmusik auf Geige, Gitarre, Bass, Percussion und Mandoline, gespielt von drei Musikern und einer Musikerin, die sich in kürzeren Passagen aber auch als volltönender, vierstämmiger Chor entpuppen. Die einzelnen Stücke stammen aus Deutschland, Irland, Mexiko, der Bretagne, Quebec und der Klezmerkultur und sind sehr jazzig gehalten. Am besten vergleicht man sie mit Tsching und ihrer VagabundenSuite (Vgl. Folker 6/2014). Da werden bekannte Melodien an-, aber nicht zu Ende gespielt, sondern verfremdet, die Melodie weicht vollends ab, aber dann kehrt die eigentliche Liedmelodie zurück. Und dann bringt der Chor noch eine ganz andere Stimmung mit rein. Ein spannendes Album, das, wenn auch nicht zum Tanzen, so doch zum unentwegten Mitswingen einlädt!
Michael A. Schmiedel

Europa
 BELLEVUE RENDEZVOUS: While Rome Burns
BELLEVUE RENDEZVOUS
While Rome Burns
bellevuerendevous.co.uk
(Journeyman JYM005)
10 Tracks, 58:07 , mit knappen engl. Infos


Im Sommer noch spielte Gavin Marvick mit Ceilidh Minogue in Rudolstadt zum Tanz auf, und jetzt zeigt der vielbeschäftigte Fiddler, dass in Schottland nicht nur tolle schottische Musik gespielt wird. Cameron Robson spielt Cittern und Gitarre, das verrät nicht viel, aber dass Ruth Morris (neben diversen anderen Instrumenten, aber auf diesem Album exklusiv) mit der Nyckelharpa glänzt, das lässt schon ein wenig die Richtung ihrer dritten CD ahnen. Und dennoch ist man ein wenig erstaunt, wie elegant und leichtfüßig dieses Trio von Galicien nach Norwegen, nach Schweden, nach Finnland, nach Frankreich oder Armenien springt, um dann irgendwann doch mal in Schottland zu landen. Die drei Musikanten haben schon mit unzähligen Kollegen/Bands zusammengespielt, und vielleicht sind es diese Flexibilität und ihre Erfahrung, die eine solche Kollektion an unterschiedlichsten Melodien nicht zum beliebigen Sammelsurium werden lassen. Die Musik ist aus einem Guss, und sollte Europa irgendwann mal einen Soundtrack brauchen – Bellevue Rendevous spielt ihn schon heute.
Mike Kamp
 BORN 53: A Talent Unrecognized
BORN 53
A Talent Unrecognized
born53.com
(Big Note Production 2017/Hemifrån)
12 Tracks, 45:57


Der Preis für den treffendsten Albumtitel in diesem Jahr geht an Born 53. Der erste Eindruck ist der eines gelungenen Samplers, auf dem verschiedene hochtalentierte Nachwuchskünstler ihr jeweils bestes Stück präsentieren. So kann man sich irren. Bei Born 53 handelt es sich um eine schwedische Band, die hier bereits ihr fünftes Album vorlegt. Zehn Eigenkompositionen, einmal Dylan und einmal Prefab Sprout ergeben insgesamt zwölfmal Abwechslung. Die Band als schwedische Country-Rock-Alternative zu bezeichnen, wäre nicht falsch, macht aber nur die Hilflosigkeit auf der Suche nach einer passenden Schublade deutlich. Die Instrumentals könnten von Peter Bursch stammen – singen die Männer, klingt es fast nach Irish Folk; bei dem weiblichen Vokalpart in Dylans „Forgetful Heart“ fühlt man sich an die Walkabouts erinnert. Die Slidegitarre in „Forgive“ bekommt Chris Rea auch nicht besser hin, und der Satzgesang ehrt Künstler wie CSN&Y. Dass bei aller Vielfalt das Album wie aus einem Guss klingt, ist ein kleines Wunder. Es bleibt zu hoffen, dass irgendein deutsches Majorlabel das Potenzial der Schweden erkennt und die „Unrecognized talents“ in so etwas wie „The famous swedish folk explosion“ verwandelt.
Christian Elstrodt

 MÁIRE BREATNACH & THOMAS LOEFKE: Rockpools – Cuilithe
MÁIRE BREATNACH & THOMAS LOEFKE
Rockpools – Cuilithe
mairebreatnach.com
thomasloefke.de
(Laika Records 3510349 2)
16 Tracks 56:4 , mit Liner Notes


Die lange Freundschaft, die den Berliner Harfenisten Thomas Loefke und die Dubliner Fiddlerin Máire Breatnach verbindet, wird auf dem neuen Album regelrecht gefeiert. Die Tracklist liest sich wie eine Best-of-Selection, die tatsächlich wunderbare Edelsteine aus dem Schaffen beider Musiker (und Freunden wie Conor Byrne [Flöte], Niall O'Callanan [Bouzouki], Kerstin Blodig u. Ian Melrose von Norland Wind u.v.a.) hören lässt. Einerseits die typischen perlenden Loefke-Tunes, die leicht ins Ohr gehen, immer einen individuellen Stempel tragen und jeder für sich unverwechselbar bleibt – ein sehr willkommener Effekt im Bereich ubiquitärer „keltischer“, in Moll-Tonarten gehaltener Harfenkompositionen. Andererseits die kraft- und stilvolle Geige von Máire Breatnach, die es auf besondere Weise versteht, ihren schönen, komplexen, dennoch unverkopft wirkenden Eigenkompositionen den Charme traditioneller Musik einzuhauchen. Einige ihrer Stücke – wie der hier auch vertretene Reel „Branohm“ – haben es weltweit ins irische Sessionrepertoire geschafft. Dazu kommen einige neue, z. Teil live aufgenommene Lieder und Tunes, die einmal mehr die Emotionalität der Performance der beiden Freunde in den Vordergrund stellen.
Johannes Schiefner
 KAROLINA CICHA & BART PAŁYGA: Płyta Tatarska /Tatar Album
KAROLINA CICHA & BART PAŁYGA
Płyta Tatarska /Tatar Album
karolinacicha.eu
(Universal Music Polska 5757253)
12 Tracks, 49:20 , mit poln. u. engl. Texten und Infos


Wer sich in dem heterogenen Musikgenre herumtreibt, das den Machern dieses Magazins am Herzen liegt, muss nicht selten Rat bei zwei wissenschaftlichen Geschwistern suchen, der Völkerkunde und den Vergleichenden Musikwissenschaften, denn eher selten orientiert sich eine Volksmusik exakt an historischen oder aktuellen Landesgrenzen. So bewegten sich bestimmte Völker/Volksstämme samt ihrer Musik über Länder (und manchmal sogar Kontinente) hinweg. Wer also die Tataren waren (und sind), darüber hat die polnische Sängerin und Musikerin Karolina Cicha nicht nur einen kleinen historischen Abriss im Booklet dieser CD geschrieben, sondern sie ging zusammen mit ihrem Duo-Partner Bart Pałyga auch auf musikalische Spurensuche. Herausgekommen ist ein faszinierendes zwölfteiliges Konvolut höchst unterschiedlicher Lieder und Melodien, die die beiden Multiinstrumentalisten ganz in den volksmusikalischen Kontext jener Regionen gestellt haben, in denen die Tatarenvölker ansässig waren (oder noch sind). Cicha und Pałyga bedienen sich dabei eines größtenteils traditionellen Instrumentariums, wobei Herr Pałyga auch noch für die archaischen (Kehl- und Oberton-)Gesänge verantwortlich ist. Ein Klangerlebnis!
Walter Bast

 DIVERSE: Folk & Great Tunes From Scotland
DIVERSE
Folk & Great Tunes From Scotland
tasal.de
(Tasal Records TR00)
2 CDs, 32 Tracks, 151:54 , mit Infos


Dieser Sampler hat eine vernichtende Wirkung auf den Kontostand des Hörers. Wie ein greifbar gewordener Einkaufsführer empfiehlt diese Doppel-CD Künstler um Künstler und sorgt für neue CD-Käufe in zumeist zweistelliger Anzahl. Das klingt übertrieben, ist aber schlicht der Qualität der schottischen Musikszene geschuldet. Der kleine musikalische Bruder von Irland hat längst das Fahrwasser von Künstlern der Battlefield Band oder Blair Douglas verlassen. Stattdessen ist eine frische Musikkultur entstanden, die an Ideenreichtum und Spielfreude vielleicht noch mit der baltischen oder der isländischen Musikszene vergleichbar ist. Gleich mehrfach finden sich neue Lieblingslieder auf dieser Zusammenstellung. Zwar finden sich auch bereits etablierte Helden wie die Paul McKenna Band oder die Folkrock-Supergroup Skerryvore auf dem Doppelsilberling, der Hauptteil der Spielzeit wird aber von Künstler bestritten, die hierzulande noch keinen Namen haben. Bei Bands wie The Twelfth Day kann das nur eine Frage der Zeit sein. Das CD-Booklet hätte einige Infos mehr vertragen, gerade bei den Neuentdeckungen. Für jeden, der sich für keltische Musik interessiert, ist dieser Sampler Pflichtprogramm und für jeden Talentscout unserer Folklabels eigentlich auch.
Christian Elstrodt
 FARA: Cross The Line
FARA
Cross The Line
faramusic.co.uk
(CPL Music CPL018)
11 Tracks, 45:50 , mit engl. Infos


Fiddle-Gruppen sind in Schottland momentan schwer angesagt. Session A9 oder Blazin‘ Fiddles sind nur zwei beliebige Beispiele. Selbst wenn man fragt „Und was ist mit rein weiblichen Fiddle-Gruppen?“, dann ist schon jemand dagewesen, nämlich Rant. Und trotzdem haben Fara ein Alleinstellungsmerkmal! Denn nicht nur streichen Kristan Harvey, Jeana Leslie und Catriona Price eine brillante Fiddle und bedient Jennifer Austin virtuos das passende Piano, nein, alle vier Damen singen auch, und das hat Seltenheitswert. Fara kennen sich seit ihrer gemeinsamen Kindheit auf den Orkney Inseln, aber als vielbeschäftigte Musikerinnen (mit Twelfth Day, Siobhan Miller, Wildings oder den eben erwähnte Blazin‘ Fiddles) leben sie heutzutage natürlich auf dem schottischen Festland. Die Melodien stammen entweder von der Band, von Kollegen oder aus der Tradition, und die beiden letzteren Quellen gelten auch für die Lieder. Schmuckstück der überzeugenden Debüt-CD ist Joe Souths „Games People Play“. Dieser eingängige Protestsong ist spätestens seit Dick Gaughans Interpretation ein schottischer Klassiker, und Faras Version verlangt geradezu danach, live gespielt zu werden. Genau das fehlt jetzt noch: Fara live in Germany!
Mike Kamp

 FRANK LONDON GLASS HOUSE ORCHESTRA: Astro-Hungarian Jewish Music
FRANK LONDON GLASS HOUSE ORCHESTRA
Astro-Hungarian Jewish Music
piranha.de
piranha/frank_london/glass_house_astro
(Piranha Records PIR 3063)
Promo-CD, 10 Track, 47:42


Frank London (tp), Gründungsmitglied der zwischenzeitlich legendären Klezmatics (und auch noch Grammypreisträger, 2007 gemeinsam mit den Klezmatics für das beste zeitgenössische Weltmusikalbum, mit bis dato unveröffentlichten Texten von Woody Guthrie), ordnet sein neuestes Album, schon letztes Jahr in Budapest produziert, unter „weltraum-ungarischem Folkpunk“ ein. Das lässt bereits unschwer erahnen, dass hier nicht archäologische k-u.-k-Traditionspflege zum Zuge kommen soll, sondern jüdisch-ungarische Folklore bis in das Zeitalter des Punks interpretiert wird. Dazu nehme man etwa den ungarischen Multiinstrumentalisten Béla Ágoston, Pablo Aslan (b), Aram Bajakian (g), Yonadav Helvi (perc), Miklós Lukács (Zimbel), Jake Shulman-Ment (v) und Edina Szirtes „Mókus“ (v, voc), und erhalte eine Bandbreite von Roma- und Gypsyfolklore bis „New Klezmer“, ja bis zu experimenteller Avantgarde. Mag „Astro-Hungarian Suite II“ die Verbindung von Punk und Klezmer repräsentieren, wenngleich auf wesentlich subtilere Art, als wir es beispielsweise vom Klezmerpunk Daniel Kahn kennen, steht „Furfangos Frigyes“ für das andere Ende, nämlich in einem Stück die Verbindung von Gypsyfolk, Zimbelsoli und Avantgarde zu schaffen. Ein wieder einmal nahezu unschlagbar thematisches Album.
Matti Goldschmidt
 TOM McCONVILLE: Sailing To The Far Side Of The World
TOM McCONVILLE
Sailing To The Far Side Of The World
tommcconville.co.uk
(Boom Chang Records BCCD012)
12 Tracks, 48:33 , mit knappen engl. Infos


Manchmal reichen wenige Dinge, um einen Menschen zu charakterisieren. Tom McConville demonstriert das auf seiner aktuellen CD optisch. Fiddle, Flatcap, runde Brille und ein breites Lächeln – das kann nur der Stammgast des Venner Folk Frühlings sein! Und auch die Zutaten seines Albums sind bekannt: Elegante und mitreißende Fiddletunes, gerne mit Anleihen in Schottland, Irland und Nordamerika, meistens begleitet von Andy Watt auf der Gitarre. Und dann die Lieder. Sorgfältig ausgesuchte Trads oder von Kollegen wie Si Kahn und Steve Tilston oder zweimal selbstgeschrieben. Das alles wird interpretiert mit diesem typischen, leicht irisch klingenden beschwingten Tenor, bei dem das McConville-Lächeln immer gleich mitklingt. Das zentrale Stück der CD ist der traditionelle Song „Whitby Fisher Lad“, der das Schicksal so mancher Hochseefischer beschreibt und dennoch ein echter Ohrwurm ist. Auf Tom McConville ist also Verlass – auch wenn die Zutaten vertraut sind, die hohe Qualität seiner Arbeit ist es auch, und deshalb ist Sailing To The Far Side Oft The World wieder ein durchgängig erfreuliches Album.
Mike Kamp

 AMBROGIO SPARAGNA: Stories 1986 - 2016
AMBROGIO SPARAGNA
Stories 1986 - 2016
ambrogiosparagna.it
(Finisterre FT68)
Do-CD, 31 Tracks, 132:04 , mit ital. und engl. Infos


Der Musiker aus Maranola, einem Bergstädtchen zwischen Neapel und Rom, ist schon über vierzig Jahre professionell unterwegs. Er ist ein Musicians' Musician, begleitete mit seinem Organetto, dem diatonischen Akkordeon, die Stars der italienischen Liedermacherszene, leitete unzählige Band- und Chorprojekte ˗ und er ist eine Entdeckung! Stories 1986 – 2016 beleuchtet Sparagnas Schaffen vor allem als Cantautore. Seine Lieder sind eingängig und mit zupackendem Organetto gespielt. In „Onore‟, eindringlich gesungen zusammen mit Francesco De Gregori, kontrastieren die warmen Molltöne mit der bitteren Geschichte über den Geistlichen Peppe Diana, der von der Camorra während der Messe umgebracht wurde. Schade nur, dass die oft sozialkritischen Liedtexte im Beiheft nicht abgedruckt sind. Auch wenn das Doppelalbum drei Dekaden der Musikerkarriere Sparagnas umspannt, tönt es wie aus einem Guss und bleibt trotzdem abwechslungsreich. Dazu tragen auch die Stimmen der Gäste, angefangen bei Lucilla Geleazzi, der großen Dame des italienischen Folkrevivals, über Carmen Consoli, Lucio Dalla bis zu Litftiba-Sänger Piero Pelù bei.
Martin Steiner
 JITKA ŠURANSKÁ TRIO: Divé Husy
JITKA ŠURANSKÁ TRIO
Divé Husy
jitkasuranska.cz
(Indies Scope Records, LC-19677)
11 Tracks, 46:36 , mit engl. u. tschech. Texten und Infos


Vielen ist es nicht bewusst, aber Tschechien besitzt ein unerschöpflich scheinendes Potential an hochklassigen Folkmusikern. Ein Ensemble, von dem man in Zukunft noch öfters hören könnte, ist das Jitka Šuranská Trio. Die drei ausgebildeten Musiker aus der Ostregion Mähren legen mit Divé Husy (Wildgänse) nicht nur ein erstklassiges Debütalbum vor. Sie begeistern vor allem live mit ihren eigenen Arrangements traditioneller mährischer Folksongs. Die Lieder über Liebe, Verlust, Freiheit, die Ehe und die Natur gewinnen durch die unterschiedlichen musikalischen Einflüsse der drei Künstler eine Lebendigkeit, die den Zuhörer sofort in den Bann zieht. Während Sängerin Jitka Šuranská klassische Geige am Konservatorium in Brünn studierte, ist Multiinstrumentalist Marian Friedl (Kontrabass, verschiedene Hirtenflöten, Cimbal, Gesang) im Jazz zu Hause. Mandolinist Martin Krajíček wiederum spielt in vielen Genres, wie dem Klezmer oder der mexikanischen Musik. Das Zusammenspiel des Trios ist so harmonisch und natürlich, dass man das Gefühl hat, die Mandoline wäre schon immer ein Teil der mährischen Folktradition gewesen und die Lieder seien gerade erst entstanden. Selten klang traditionelle Folkmusik so verwurzelt und doch so modern.
Erik Prochnow

Nordamerika
 ANI DiFRANCO: Binary
ANI DiFRANCO
Binary
anidifranco.com
(Righteous Babe Records/Aveline Records/Edel/Kontor New Media)
Promo-CD, 11 Tracks, 49:42


Bei Ani DiFranco muss man immer auf eine Überraschung gefasst sein. Nicht nur in dieser Hinsicht erfüllt ihr zwanzigstes Studioalben alle Erwartungen. Alles klingt irgendwie anders als bei Vorgängeralben, und doch gibt es Kontinuität – herausragende musikalische und textliche Qualität. Fangen wir mit der Musik an. Binary ist eine geniale Mischung aus Funk, Soul und Jazz – Folk-Ikone hin oder her. Dass sie schon lange in New Orleans lebt, hört man – nicht zuletzt wegen ihrer Mitmusiker. Von dort sind Terence Higgins (drums) und Ivan Neville (keyboards). Hinzu kommen u. a. Starsaxofonist Maceo Parker und David Bowies einstige Bassistin Gail Ann Dorsey. Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 war DiFranco unterwegs, um die Menschen zur Wahl zu bewegen. Ein Appell, der nach der Wahl Trumps noch wichtiger sei, wie sie bei ihrem umjubelten Workshop-Auftritt beim Rudolstadt-Festival im vergangenen Juli sagte. Auch auf Binary hält sie sich mit ihren politischen und philosophischen Ideen nicht zurück. Ob bei „Pacifist‘s Lament“, einem Plädoyer für ein friedliches, gewaltfreies Miteinander, oder besonders bei „Play God“, einem Song zum Thema reproduktive Rechte, Ani DiFrancos Herzensthema, das aktueller nicht sein könnte.
Michael Kleff
 ANNIE GALLUP: Lucy Remembers Her Father
ANNIE GALLUP
Lucy Remembers Her Father
anniegallup.com
(Flyaway Hair Records)
Promo-CD, 12 Tracks, 36:03


Annie Gallup, die auch im Duo als „Hat Check Girl“ Musik macht, hat als Kind Tanzunterricht genommen und früh den Country-Blues entdeckt. Der wurde die Musik ihrer Jugend, obwohl sie später Kunst studierte, weshalb sie erst 1994 mit Cause And Effect ihr erstes Album veröffentlichte. Es wird behauptet, darauf sei ein starker Einfluss von Joni Mitchell zu vernehmen, doch hat sie diesen im Lauf ihres Musikerlebens immer weiter zurückdrängen können, sodass ihre Songs heute vollkommen eigenständig wirken. Gallup hat sich für jedes ihrer bisher zehn Alben eine spezielle Besetzung überlegt, mit der sie diese eingespielt hat. Mal waren es nur Bassisten, mit denen sie im Duo spielte, mal Streicher, mit denen sie zusammen ihre Songs entwickelte. Bei Lucy Remembers Her Father hat sie ihren Sound ganz auf den Klang ihrer elektrischen Gitarre reduziert. Sie erzählt in ihren Songs private Geschichten, die sie mehr flüstert als dass sie diese singt. Leise und verhalten räsoniert sie in ihren Songs über die eigene Herkunft, die eigene Sterblichkeit und das eigene Schicksal, das dem Leben eingeschrieben zu sein scheint.
Michael Freerix

 JONNY LANG: Signs
JONNY LANG
Signs
jonnylang.com
(Provogue/Rough Trade)
Promo-CD, 11 Tracks, 47:38


Sein erstes Album seit vier Jahren stellt der junge Bluesgitarrist aus North Dakota vor. Der Name ist vielen noch im Gedächtnis, denn sein mit Platin ausgezeichnetes Debüt Lie To Me von 1997, als er gerade mal 15 Jahre alt war, überzeugte selbst die strengsten Kritiker. Die soulgetränkte Stimme des Grammy-Gewinners hat nichts von ihrer Magie verloren, auch seine Kompositionen und sein Gitarrenspiel mit Funk-, Rock- und Blueselementen eines Albert Collins oder B.B. King prägen die wunderbare Produktion, mit der Lang zu den Wurzeln des Blues zurückkehrt. Unverkennbar ist er beeinflusst von dem grandiosen Akustikgitarristen Robert Johnson und dem unsterblichen Howlin’ Wolf. Bis heute spielt und tourt Jonny Lang mit dem großen Blues-Rock-Gitarristen Buddy Guy. Seine neue R&B-Platte wird es immer wieder in den CD-Spieler schaffen. Für mich die gelungenste Produktion des Monats.
Annie Sziegoleit
 THE MAE TRIO: Take Care Take Cover
THE MAE TRIO
Take Care Take Cover
themaetrio.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 11 Tracks, 45:02


Dieses treibende Cello in den bluegrassgetränkten Folkstücken – da war doch was?! Natürlich, das haben Crooked Still früher betrieben. Und die Art der Songs, die Stimme, auch das will zugeordnet werden – Kate Rusby, genau! Ende der Rätselei, unumwunden nennen die drei jungen australischen Frauen ihre Vorbilder, es sind tatsächlich außer den schon genannten Joni Mitchell, Gillian Welch und die Wailin´ Jennys. Famos, wenn sich lauter gute Zutaten neu mischen. Wie schön muss es für das Trio gewesen sein, das zweite Album in Nashville aufzunehmen, unter der Regie von Produzent Erick Jaskowiak, der, genau, schon Crooked Still betreut hat – und Tim O’Brien, und Darrell Scott. Letzterer wirkt als Gastmusiker mit, wie auch Alison-Bruder Victor Krauss am Bass und Maya de Vitry, Sängerin der Stray Birds. Geld schießt eben manchmal doch Tore, und tolle Mitstreiter und Vorbilder können zu einem gelungenen Ganzen führen. Zurecht haben die Schwestern Maggie und Elsie Rigby gemeinsam mit Anita Hillman Meriten auf großen Folkfestivals gesammelt. Sie singen perfekt, schreiben schöne Songs und erweichen die Herzen. Romantik, aber kein Kitsch. Dynamisch, aber nicht hysterisch. Sooo!
Volker Dick

 KATY MOFFATT: Where The Heart Is
KATY MOFFATT
Where The Heart Is
katymoffatt.com
(Centerfire Music)
11 Tracks, 52:14


Seit den Siebzigerjahren ist Katy Moffatt eine feste Größe innerhalb der US-amerikanischen Country-Americana-Songwriter-Szene. Einst bei Major-Labels unter Vertrag und auf den großen Bühnen zuhause, macht sie seit Langem einfach nur ihr Ding, wozu auch mittlerweile neunzehn Alben gehören. Schon früh in ihrer Karriere hatte sich die Sängerin und Gitarristin entschieden, ihrer Kunst treu zu bleiben und dafür auf das allzu grelle Rampenlicht zu verzichten. Als Konsequenz liefert sie unverfälschte, ehrliche Arbeit ab, zu hören auch auf dem vorliegenden Album. Wie so oft bei Moffatt-Alben, beschäftigen sich die Lieder, sechs davon aus ihrer eigenen Feder, mit sämtlichen Facetten der menschlichen Existenz sowie mit historischen Begebenheiten. Sie singt über die Ehe der Wild-West-Legende Wyatt Earp und dessen Frau Josie und nimmt sich der Geschichte des in den Dreißiger- und Vierzigerjahren berühmten Rennpferdes Seabiscuit an. Der Song „Marina“ beschäftigt sich damit, wie das Leben der Verlobten des Kennedy-Attentäters Lee Harvey Oswald wohl weiterging? Katy Moffatt hat erneut ein starkes Album vorgelegt, ein Album von erstaunlicher textlicher und musikalischer Qualität.
Markus Dehm
 MARK OLSON: Spokeswoman Of The Bright Sun
MARK OLSON
Spokeswoman Of The Bright Sun
markolsonmusic.com
(Glitterhouse Records GRCD 918/Indigo)
10 Tracks, 35:32 , mit engl. Texten


Im Grunde müssten zwei Namen auf dem Cover stehen, neben dem von Mark Olson auch der von Ingunn Ringvold, seiner aus Norwegen stammenden musikalischen Partnerin und Gefährtin durchs Leben. Gemeinsam haben sie die meisten Songs des Albums geschrieben, und zusätzlich zum Gesang liefert Ingunn Beiträge auf halbwegs exotischen Instrumenten, wie dem Mellotron. Beim Hören der Stücke geht die Erinnerung zurück in die Sechziger, zu einem Folkrock kalifornischer Prägung. Denn dort ist der in Minnesota aufgewachsene Olson gelandet, in der Wüste, in Joshua Tree. Er liefert ein gewisses Maß an Komplexität, seine Harmonien liegen nicht immer um die nächste Ecke. Auch die Texte wirken oft rätselhaft, setzen auf Assoziationen, etwa wenn es in „Gravity Loss“ heißt: „Where am I going?/Where my life starts again/Wild plum, lemon geranium“. Und auch in „All My Days“ reihen die beiden Merkwürdiges aneinander: „Death Valley Soda Pop Cool Down Dream“. Das erinnert an Charles Wilps Cola-Werbung. Auf der anderen Seite dann das: „Time goes by/Like the rain in the sky“. Nun ja. Das Album fasziniert eher durch die Stimmung, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheint, zwischen den Polen poetisch und banal.
Volker Dick

 WALTER TROUT: We’re All In This Together
WALTER TROUT
We’re All In This Together
waltertrout.com
(Provogue/Mascot Music Productions/Rough Trade)
Promo-CD, 14 Tracks, 69:25


Der US-amerikanische Bluesrock-Gitarrist, Komponist und Sänger steht nach fünfzig Jahren im Musikbusiness zu Recht in der Namensliste jener weißen Bluesmusiker, die den Geist der großen schwarzen Vorbilder wie Muddy Waters, B.B. King, Big Mama Thornton und John Lee Hooker weitertragen. Obwohl nur die Stammband, mit Sammy Avila (Keyboard), Mike Leasue (Schlagzeug) und Johnny Griparic (Bass), im Studio anwesend war, wirkten an dieser CD-Produktion vierzehn Gastmusiker mit, unter ihnen viele gute Freunde von Trout, wie der britische Blueshero John Mayall, der Slidegitarrenzauberer Sonny Landreth, der Jazz-Blues-Gitarrist Robben Ford und der legendäre Mundharmonikaspieler Charlie Musselwhite. Ihre Beiträge wurden später eingefügt. Nur einer der Gäste, Joe Bonamassa, kam für den Titelsong eigens ins Studio. Das Album ist ein weiterer Meilenstein in der Karriere Walter Trouts, der alle Titel mit einer Ausnahme – das Stück „The Sky Is Crying“ stammt von Elmore James – selbst komponierte. Eine gelungene, in sich absolut stimmige Produktion.
Annie Sziegoleit
 VIPER CENTRAL: The Spirit Of God & Madness
VIPER CENTRAL
The Spirit Of God & Madness
vipercentral.ca
(Eigenverlag)
Promo-CD, 14 Tracks, 46:40


Wal! Da bläst er! Er springt aus dem Meer! Und obendrauf sitzen vier Volksmusikanten – aber nicht wie Kapitän Ahab unfreiwillig festgezurrt, sondern bei offenbar bester Stimmung. Was will uns die Band aus dem kanadischen Vancouver mit dem Covermotiv ihres dritten Albums sagen? Es trägt den Untertitel „A new collection of songs from the west coast of Canada“. Eine Sammlung großenteils eigener Songs, sei ergänzt. Das klingt nach Bluegrass, Blues, Country und Western Swing; an Instrumenten dominieren Akustikgitarre, Mandoline, Banjo und Fiddle. Dazu gibt‘s aber auch öfters dezentes Schlagzeug, mal ein Örgelchen, mal eine Mundharmonika. Und in „Losing My Mind“ überraschen nicht nur die Tempowechsel, sondern auch der mariachihafte Bläsersatz. Manchmal gönnt uns die Band einen atonalen Einschub, wie in der Ballade „Say Say“, wo schleppendes Schlagzeug und bleckendes Banjo dem Liebeskummer Ausdruck verleihen – ist das Prog-Grass? So wie in „Devil‘s String“, in das der Geist der B 52s gefahren zu sein scheint? Da ist er, der Ritt auf dem Wal! Einige Songs könnten dennoch mehr Innovation vertragen, die Produktion mehr Glanz und Offenheit. Spaß macht‘s trotzdem.
Volker Dick

Asien
 MARJAN VAHDAT: Serene Hope
MARJAN VAHDAT
Serene Hope
mahsavahdat.com/marjan-vahdat.php
(Kirkelig Kulturverksted, FXCD437)
10 Tracks, 48:14 , Texte u. Infos in Engl. u. Farsi


Das norwegische Label Kirkelig Kulturverksted hat ein unglaubliches Gespür für wahre Perlen orientalischer Musik. Jüngste Entdeckung ist die iranische Sängerin Marjan Vahdat. Die einundvierzigjährige Musikerin brilliert durch eine außergewöhnlich klare und einfühlsame Stimme. In Teheran aufgewachsen, lernte sie klassischen persischen Gesang und die Rahmentrommel Daf. Da es jedoch seit 1979 Sängerinnen im Iran verboten ist aufzutreten, verließ sie 2006 ihr Heimatland, um etwa in Köln zu studieren. Inzwischen zurück in Teheran, präsentiert sie, begleitet von erstklassigen Musikern an Ud, Duduk, Bass und Percussion, ihr zweites Soloalbum, das unter die Haut geht. Im Zentrum der zehn Stücke steht die ausdrucksstarke Stimme Vahdats, mit der sie die Verse über Liebe und Hoffnung traditioneller Dichter, wie Rumi sowie zeitgenössischer Poeten, mit großer Tiefe interpretiert. Dabei weben ihre vier Begleitmusiker mit ihrem exzellenten Können behutsam eine Klangwelt voller Energie und Intensität. Vier Kompositionen des in der Maridalen Kirche in Oslo aufgenommenen Albums steuerte Vahdats Schwester Mahsa bei, ebenfalls eine herausragende iranische Musikerin und Freiheitsaktivistin, die seit Jahren bei den Norwegern veröffentlicht.
Erik Prochnow



Australien/Ozeanien
 KAURNA CRONIN: Euphoria, Delirium & Loneliness
KAURNA CRONIN
Euphoria, Delirium & Loneliness
kaurnacronin.com
(Songs&Whispers CD07687/Broken Silence)
Promo-CD, 10 Tracks, 34:33


Populäre australische Musik wird oft als ein sperriger und origineller Ableger des britischen Sounds beschrieben. Ob Midnight Oil oder Hugo Race, man hört irgendwie den australischen Ursprung, auch wenn es sich musikalisch nur schwer begründen lässt. Genauso verhält es sich bei Kaurna Cronin. Auf seinem mittlerweile vierten Album zelebriert der Künstler eine Mischung aus Folk Rock und Country, die genial vertraut und dennoch ungewohnt klingt, eben wie Musik aus Australien. Tatsächlich sind Musiker wie Kaurna Cronin im Trend, so dass es fast zu einer eigenen Schublade „Folk aus Australien“ reicht. Gibt es diese Gattung, so ist Kaurna Cronin auf jeden Fall ihr Trendsetter. Mit scheinbarer Leichtigkeit und großer Spielfreude erzeugt der Künstler eine ganze CD voller Liebeslieder. Denkt man sich die Folkanteile weg, wären die Titel intelligent genug für Paul Simon oder Sting. Jeder Song ist radiotauglich, ohne dadurch in den Mainstream abzuwandern. Manches Gitarrensolo klingt nach Clapton, die Hammondorgel nach Brian Auger. Dennoch, oder gerade deswegen, spielt Kaurna Cronin lupenreinen Folk, so leise, dass man den Künstler leicht überhören kann. Dabei lohnt es sich so sehr, sich in diese Musik zu verlieben.
Christian Elstrodt



International
 DIAGRAMS: Dorothy
DIAGRAMS
Dorothy
diagramsmusic.co.uk
(Bookshop Records, BKSHP001 CD/Republic of Music)
Promo-CD, 9 Tracks, 27:21


Eine ungewöhnliche Zusammenarbeit. Der Elektro-Folkmusiker Sam Genders und die neunzigjährige Dichterin Dorothy Trogdon haben sich auf eine ungewöhnliche Reise mit Tiefgang begeben. Nachdem dem britischen Mitgründer der Band Tunng ein Buch mit den intensiven Gedichten der Amerikanerin von den Orca Islands über die Wunder der Natur und der inneren Welt der Menschen in die Hände gefallen war, wuchs in ihm der Wunsch nach einem gemeinsamen Projekt. Herausgekommen sind süße akustische Melodien, mit denen Genders die pointierte Sprache Trogdons – der er auch den Albumtitel widmete – unter seiner neuen Band Diagrams vertont. In den acht Folkperlen dominieren mal Gitarren, mal Bläser, mal Streicher. Mit leichter Elektronik unterlegt, erinnern sie mitunter an Genders Lieblingsplatte Revolver von den Beatles. Den wichtigsten Akzent setzt jedoch Genders warme, klare Stimme, in der er zum Ausdruck bringt, wie sehr er die Gedichte verinnerlicht hat. Am Ende des Albums kommt Dorothy Trogdon mit einem ihrer Gedichte sogar selbst zu Wort. Besonders zu empfehlen ist der Titel „It's Only Light“ über die Teilchenphysik und die Illusionen unserer Wahrnehmung.
Erik Prochnow
 NECKARGANGA: Innaad
NECKARGANGA
Innaad
neckarganga.com
(DMG Records/Broken Silence)
6 Tracks, 45:50


Das Sextett mit dem originellen Zwei-Fluss-Namen legt hier seine erste gemeinsame CD vor, und einmal mehr verblüfft die Virtuosität, mit der ein Jazztrio – Steffen Dix (sax), Jonathan Sell (b) und Peter Hinz (perc) – die Parameter indischer Klassik auslotet. Gleiches gilt selbstredend für den Tabla-Virtuosen Keshava Rao Nayak, seinen Sohn Sandip Rao Kewale (ebenfalls Tabla) und den jungen Sitarspieler Shyam Rastogi, die die sich bietenden musikalischen Möglichkeiten mit rasant-improvisatorischem Leben füllen. Dabei sind die Rahmenbedingungen für ein solches Projekt alles andere als ideal, liegen Neckar und Ganges doch nicht gerade ums Eck. Doch auch wenn gemeinsame Proben praktisch nur auf Tourneen stattfinden können, so nutzen die sechs Musiker – etwa für den Austausch von Kompositionen – gerne internetkompatible Lösungen. Apropos: die sechs Kompositionen – darunter Steffen Dix‘ elfeinhalbminütiges „NeckerGanga“ und Shyam Rastogis zweiteilige Hommage an Ravi Shankar, „Ganga Path“ – sind Musterbeispiele eines gelungenen musikalischen Ost-West-Austausches auf Augenhöhe, bei dem sich niemand verbiegen noch übervorteilt fühlen musste. Ein herausragendes Debüt und ein großes Hörvergnügen.
Walter Bast

Kurzrezensionen
 ACQUARAGIA DROM: Rebelde
ACQUARAGIA DROM
Rebelde
acquaragiadrom.it
(Finisterre FT71)
13 Tracks, 41:33


Musik und Geschichten aus den Zigeunerprovinzen Italiens, von „Arrivederci Roma“ über Toto Cutugnos „L'Italiano“ bis zu einer wunderbar anarchischen Fassung von „Bella Ciao“. Romamusik einmal anders ˗ Spielfreude und Galgenhumor inklusive. Zu alledem wird das Quintett noch vom Teufelsmandolinisten Mimmo Epifani unterstützt. Da darf alles schräg tönen!
mst
 ADAS: Nornir
ADAS
Nornir
adas-music.de
(Adas-elvenfolk-products/Galileo MC)
11 Tracks, 37:10


Das dritte Album der im Jahr 2000 gegründeten Band aus der Nähe von München bietet ruhige, gefühlsame Liebeslieder und Balladen mit mehrstimmigem Frauengesang, begleitet von Harfe, Geige und Gitarren. Es sind meist eigene Werke, aber auch Vertonungen aus der Edda u.a. Sehr schön und interessant ist die Bearbeitung des alten deutschen Volksliedes „Dat du min Leivsten büst“.
pp

 AFRIKÄN PROTOKÖL: Beyond the Grid
AFRIKÄN PROTOKÖL
Beyond the Grid
afrikanprotokol.be
(Abozamé Records 003/Galileo MC)
8 Tracks, 49:49


Die Gruppe lässt sich zwischen Burkina Faso und Belgien verorten. Auch wenn die Basis klar afrikanisch geprägt ist, spricht doch die Beteiligung von drei Saxofonisten eine deutlich jazzige Sprache. Oft wird über Xylofon-Ostinati und Bass-Schlagzeug-Grooves improvisiert. Jenseits des Rasters, wie der Titel verspricht, gehen die Musiker ihren eigenen Weg.
cs
 ALMA: Oeo
ALMA
Oeo
almamusik.at
(Col Legno WWW 1 CD 20434)
12 Tracks, 53:54


Das mit drei Violinen, einem Bass und einem Akkordeon besetzte Quintett hat dem Wort Weltmusik tatsächlich eine neue Bedeutung verliehen. Ländliches aus Österreich verbindet sich mit Wiener Klassik und Musik aus aller Welt. Die Mixtur ist einzigartig, wie die Musik unnachahmlich. Diffizile Wehmut in allen Tönen. Nicht zum Tanzen, zum Heulen schön.
jus

 FRIDA ǺNNEVIK: Her Bor
FRIDA ǺNNEVIK
Her Bor
fridaannevik.no
(Grappa Musikkforlag/Galileo MC)
8 Tracks, 30:07


Die meisten Lieder der CD hat Frida Ǻnnevik selbst geschrieben, dazu begleitet sie sich auf dem Omnichord. Zu denen, die die sonstige musikalische Untermalung liefern, gehört die Langeleikvirtuosin Sinikka Langeland. Alles klingt angenehm, gefällig. Absoluter Höhepunkt: das Wiederhören mit Rudolf Nilsens „Storbynatt“ (Melodie von Lars Klevstrand).
gh
 MARA ARANDA: Sefarad En El Corazón De Marruecos
MARA ARANDA
Sefarad En El Corazón De Marruecos
mara-aranda.com
(Karonte/Galileo MC)
11 Tracks, 59:38


Wiederholt wendet sich die Sängerin aus Valencia, eine Protagonistin innerhalb der traditionellen und Alten Musik, dem sephardischen Repertoire zu, diesmal dem Marokkos. Die fleißigen, mitunter jährlich, so sorgfältigen Aufnahmen.Diese herausgebende Künstlerin umgibt sich wie immer mit exzellenten Musikern, z.B. dem Multiinstrumentalisten Jota Martínez.
kw

 INGA BACHMANN: Der Masterplan vom Glück
INGA BACHMANN
Der Masterplan vom Glück
ingabachmann.de
(Quixote Music)
11 Tracks, 37:53


Beileibe keine Anfängerin in beruflicher oder künstlerischer Hinsicht, aber doch ein spätes Debütalbum der Heidelberger Rechtanwältin mit einem Soloprogramm. Ihre Lieder haben satirisch-kabarettistische Anflüge, die sich aus alltäglichen Beobachtungen speisen und mehr Ehrlichkeit im Umgang miteinander und manchmal auch mehr Träumerei empfehlen.
Rk
 CSABA TOTH BAGI: Balkan Union
CSABA TOTH BAGI
Balkan Union
csabathotbagi.com
(Enja Records/Soulfood)
10 Tracks, 58:22


Balkan-Jazz-Rock allererster Güte legt der ungarische Gitarrist Csaba Toth Bagi vor und versammelt zudem einige internationale Cracks um sich, wie z.B. den kubanischen Pianisten Gonzalo Rubalcaba, die chinesische Cellistin Tina Guo oder den Klarinettisten Ismael Lumanowski aus Mazedonien. Ein enormes Feuerwerk an virtuosem Können wird da abgefackelt. Großartig!
rb

 BARAN BAND: Mn Bo To
BARAN BAND
Mn Bo To
baranband.com
(Global Music Centre, GMCD 1730)
8 Tracks, 39:17


Von einem kleinen Dorf im Westen Irans zogen sie in die Welt, um Musik zu studieren. Gian Majidi vertiefte sich in die klassische Welt der Oper, und sein Bruder Marouf lernte die Langhalslauten Tabur und Tar. In Teheran trafen sie sich wieder und gründeten die Baran Band (Regen Band). Mitreißende Eigenkompositionen aus kurdisch-iranischer Tradition.
ep
 PRADEEP BAROT, RICCARDO BATTAGLIA & FEDERICO SANESI: Tales Of Indian Sarod
PRADEEP BAROT, RICCARDO BATTAGLIA & FEDERICO SANESI
Tales Of Indian Sarod
federicosanesi.com
(Felmay Records fy8251/Pool Music)
7 Tracks, 67:58


Pradeep Barot, Virtuose auf der Kurzhalslaute Sarod, und sein Schüler Riccardo Battaglia (dito) spielen einen wunderschön entspannten 45-minütigen Raga Bageshri als musikalisches Frage- und Antwortspiel. Federico Sanesi sorgt an den Tablas für ein rhythmisches Fundament. Als Zugabe gibt’s zwei kurze Versionen der Ragas Abhogi und Kafi.
wb

 HILKE BILLERBECK: Where ist he Light? – Cá Bhfuil An Solas?
HILKE BILLERBECK
Where ist he Light? – Cá Bhfuil An Solas?
hilke-billerbeck.de
(Timezone CD TZ1423)
15 Tracks, 51:30


Klassische Gitarristin trifft auf klassische Blockflötistin. Kein schlechtes Konzept für die Interpretation von lyrischen Tunes aus dem irischen Repertoire. Spannende Harmonisierung und eloquente Spieltechnik. Nicht im Mainstream moderner irischer Musik verstanden, sondern ins klassische Genre importiert. Wenig überzeugend die Versuche mit Flute und Rhythmusgitarre – ein ambivalentes Opus.
js
 BLIND LEMON PLEDGE & FRIENDS: Backwoods Glance
BLIND LEMON PLEDGE & FRIENDS
Backwoods Glance
blues.james-creative.com
(Ofeh Records)
12 Tracks, 50:54


Hinter dem Pseudonym steckt Songschreiber James Byfield aus San Francisco, der auf seinem sechsten Album brav verschiedene Americanastile mixt, Country mit Blues und Folk verbindet. Dazu erzählt er Geschichten vom Unterwegssein und lässt Gastvokalistin Marisa Malvino kräftig über das Elend der Bergarbeiter singen. Ansonsten klingt´s eher niedlich.
vd

 CAMILLE: Ouï
CAMILLE
Ouï
camilleofficiel.fr
(Because Music, 5060421568966/Rough Trade)
11 Tracks, 32:15


Sie wollte mit Klängen experimentieren und friedvollere Lieder kreieren. Der politischen Aktivistin ist ersteres mit Hilfe von Synthesizer, Sub-Bässen und Kick-Drums durchaus gelungen. Trotz ihres engelhaften Gesangs sind viele ihrer in einem Kloster in Avignon aufgenommenen Kompositionen auf Dauer jedoch eher anstrengend.
ep
 CELARDA: Sand
CELARDA
Sand
celarda.de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 51:11


Die Jenaer Band spielt Akustik-Folk querbeet auf ihrem dritten Album. Geprägt von kräftigem Cello, Geige, Flöten, Akkordeon und zartem zweistimmigem Gesang sind viele eigene Werke zu hören. Keltisch-irisch und klassisch orientiert sind die ausgesprochen eigenständigen Arrangements. Celarda bezeichnet die CD als Reisetagebuch ihrer musikalischen Entwicklung der letzten Jahre.
pp

 TRIO DA KALI & KRONOS QUARTET: Ladilikan
TRIO DA KALI & KRONOS QUARTET
Ladilikan
triodakali.com
kronosquartet.org
(World Circuit WCDO93)
Promo-CD, 10 Tracks, 46:49


Das renommierte amerikanische Kronos-Streichquartett um David Harrington ist bekannt für spannende interkulturelle Projekte. Nach eigener Aussage gelang mit der malischen „Supergroup“ (Hawa Kassé Mady Diabaté/Gesang, Lassana Diabaté/Balafon und Mamadou Kouyaté/Bass Ngoni) das bis dato „vielleicht schönste Album“. Wahrlich eine wunderbare „gemeinsame Sache“!
rs
 DANUBE’S BANKS: Gadjo Radio
DANUBE’S BANKS
Gadjo Radio
danubesbanks.de
(B-Sploitation/Rough Trade)
14 Tracks, 47:47


Innert sieben Jahren veröffentlich dieses Sextett, bestehend aus Benjamin Dau (g), Jan-Hendrik Röckemann (sax), Alexander Szustak, (b, voc) Lorenz Schmidt (perc), Jonathan Wolters (cl, voc) und Timo Zett (g, voc), sein drittes Album, gespickt mit einem inspirierend wilden Mix aus Balkan, Gipsy und Klezmer.
mg

 DIVERSE: The Rough Guide To Jug Band Blues
DIVERSE
The Rough Guide To Jug Band Blues
worldmusic.net
(World Music Network/Harmonia Mundi)
25 Tracks, 72:49


Nicht immer war allein Memphis das Zentrum des Deltablues in den Zwanziger- und Dreißigerjahren. Die Jug Bands hatten auch außerhalb dieser Stadt viele Möglichkeiten zum Spiel auf der Flasche oder dem Blechkanister. Künstler wie Tampa Red und Memphis Minnie aus der Frühzeit des Country- und Deltablues sind bis heute die Vorbilder des Akustikblues mit und ohne Resonatorgitarren.
asz
 DOBRÉ: Who killed the Acrobat?
DOBRÉ
Who killed the Acrobat?
do-the-dobre.de
(No Bakery Records/Galileo MC)
11 Tracks, 36:40


Auf ihrer sechsten regulären CD kommen die fünf Männer rockig, wild und düster daher, haben den Blues, klingen nach Rockabilly und ein wenig nach Wüstenrock. Doch dann ist da wieder eine melancholische Ballade. Tendenz Americana – doch Dobré produzieren ihren Indiefolk seit über zehn Jahren im Raum München. In den englischen Texten greifen sie u.a. gesellschaftskritische Aspekte auf. Mitreißend.
is

 DOGGERLAND: No Sadness of Farewell
DOGGERLAND
No Sadness of Farewell
doggerland.com
(Westpark 877337/Indigo)
11 Tracks, 41:21


Der Schwede Anders Ådin und der Engländer Richard Burgess haben (mit vier Studiogästen) eine ergreifend schöne CD mit skandinavischer und englischer Folkmusik eingespielt. Feinfühlig arrangiert und hinreißend gesungen, gehen Lieder wie Richard Thompson‘s „The Sun Never Shines On The Poor“ und superb arrangierte Instrumentalstücke so schnell nicht aus dem Ohr.
uj
 CLAUDIA DYLLA & STEFFEN SAUER: Die lasterhaften Lieder und Balladen des François Villon
CLAUDIA DYLLA & STEFFEN SAUER
Die lasterhaften Lieder und Balladen des François Villon
musik-und-dichtung.eu
(Prosodia)
20 Tracks, 55:19


Wer sich im deutschen Sprachraum mit François Villon beschäftigt, kommt an den Schöpfungen von Paul Zech und den Interpretationen von Klaus Kinski nicht vorbei. Die Schauspielerin und Sängerin Claudia Dylla und ihr musikalischer Partner Steffen Sauer präsentieren Villon/Zech mit facettenreichen Interpretationen, die Derbheit und Verletzlichkeit widerspiegeln.
rk

 JAMES ELKINGTON: Wintress Woma
JAMES ELKINGTON
Wintress Woma
jameselkington.com
(Paradise of Bachelors PoB34/Cargo)
11 Tracks, 45:11


Ein herrlich altmodisches Album in bester Pentangle-Tradition bietet uns der Gitarrenvirtuose James Elkington mit seinem Debüt. Songs und Gitarrenspiel bewegen sich auf hohem technischem Niveau. Kein Wunder, denn James Elkington arbeitete schon mit Künstlern wie Richard Thompson oder Steve Gunn zusammen. Nun endlich unter eigenem Namen, überzeugt der Künstler gleich bei seinem ersten Wurf.
ce
 DUANE FORREST: Apple in the Tree Chapter 2: The Climb
DUANE FORREST
Apple in the Tree Chapter 2: The Climb
duanesguitar.com
(Apples in the Tree, AITT 3/ Distrokid)
13 Tracks, 40:16


Gefällige Singer/Songwriter-Musik. Dem in Toronto geborenen Sohn jamaikanischer Eltern hört man die Einflüsse an, mit denen er aufgewachsen ist. Die Fortsetzung seines Debütalbums präsentiert Stile wie Bossa Nova, Jazz, Soul, Reggae, Folk oder klassische Elemente. Die Texte drehen sich um die Herausforderungen in der Beziehung zwischen Mann und Frau.
ep

 FRIGG: Frost On Fiddles
FRIGG
Frost On Fiddles
frigg.fi
(Westpark Music 87336/Indigo)
12 Tracks, 50:59


Der Albumtitel irritiert. Diese Geigen klingen garantiert frostfrei! Die mitreißende Energie der aus vielen Stilen gemixten Instrumentals lässt erst gar keine steifen Finger aufkommen. Eher würde man beim Hören vor Ehrfurcht erstarren, zöge einen die Spielfreude auf diesem siebten Album des finnischen Septetts nicht in die Musik hinein. Wärmend.
vd
 PAT FRITZ: Car Ride
PAT FRITZ
Car Ride
pat-fritz.de
(Fritzcarraldo/Timezone)
11 Tracks, 38:32


Nur einmal vorgestellt, Peter Maffay würde ein Indie-Country-Album veröffentlichen, dann würde es vielleicht wie Pat Fritz klingen. Griffige Melodien im Country-Rock-Gewand laden zum Ausflug im Cabrio ein. Passender kann ein Albumtitel kaum sein, hier ist drin, was draufsteht. Das ist nicht neu, macht aber unglaublich viel Spaß.
ce

 GNOSS: Gnoss
GNOSS
Gnoss
gnossmusic.com
(Blackfly Records BFLY01CD)
10 Tracks, 39:10


Mal was von den Orkney Inseln. Zwei sehr smart aussehende junge Herren spielen Fiddle, Mandoline und Gitarre. Der Gesang bei den drei Liedern steht über den traditionellen Konventionen. Die Tunes stammen etwa zur Hälfte von Mr. Trad und dem Duo selbst. Da ist ganz ohne Zweifel eine Menge Talent vorhanden.
mk
 GROSSMÜTTERCHEN HATZ & KLOK: Salon Oskar
GROSSMÜTTERCHEN HATZ & KLOK
Salon Oskar
gmhorkestar.at
klok.at
(Eiffelbaum Records EB0064/Broken Silence)
13 Tracks, 55:58


Die Fusion zweier langlebiger Bands aus Wien, des Großmütterchen Hatz Salon Orkestars mit dem Trio Klok, war ein Versprechen, das mit dem Debütalbum eingelöst wird. Im Spiel mit Molltönen, einem Mix aus Jazz, Balkaneskem und Pop werden Erwartungshaltungen ebenso auf den Kopf gestellt wie befriedigt. Feines Musizieren auf mitreißendem Niveau.
jus

 Havana Maestros: Made In Cuba
Havana Maestros
Made In Cuba
havanamaestros.de
(Warner Music International 5054197-7730-2-D/ Warner Music)
13 Tracks, 49:53


Keine schlechte Idee, Welthits verschiedener Jahrzehnte mit kubanischen Musikern neu einzuspielen, dabei aber die originalen Stimmen zu belassen. Bei Oldies passt der gefühlsbetonte Gesangsstil früherer Zeiten gut dazu, auch bei Hip-Hop-Stücken geht es rhythmisch zusammen. Nur bei den technisch aufgemotzten Charthits wirkt die Idee austauschbar.
hjl
 HEITER BIS FOLKIG: Sonnensaiten
HEITER BIS FOLKIG
Sonnensaiten
heiter-bis-folkig.de
(Eigenverlag)
16 Tracks, 69:02


Aus Kleinrinderfeld bei Würzburg kommt diese dreiköpfige Bänkelsängertruppe, die mit Sauf-, aber auch sonstigen Volksliedern aus vielen Jahrhunderten, zumeist in neuem Standarddeutsch vorgetragen, so manchen Mittelaltermarkt oder sonstiges Fest bereichert. Die Piratenwelle hat über Santiano und die Pulveraffen auch dieses Trio erreicht. Alle Texte im sehr schönen Beiheft.
mas

 DANIEL HUGHES: Why
DANIEL HUGHES
Why
danielhughes.de
(Bastion)
11 Tracks, 34:28


Eine Gitarre, eine Mundharmonika und ein paar gute englischsprachige Songs, mehr braucht Daniel Hughes nicht, um ein Singer/Songwriter-Album aufzunehmen. Das funktioniert als Straßenmusik genauso gut wie im CD-Player. Die Stimme des Sängers ist so leise wie der Humor, die durchgehend sympathischen Texte verzichten auf abfällige Seitenhiebe und setzen auf persönliche Botschaft.
ce
 JUPITER & OKWESS: Kin Sonic
JUPITER & OKWESS
Kin Sonic
jupiterokwess.bandcamp.com
(Glitterbeat Records 050/Indigo)
Promo-CD, 11 Tracks, 38:44


Jean-Pierre Bokondji alias Jupiter kann seine Wurzeln im amerikanischen Soul, Funk und Rock der Siebzigerjahre nicht verleugnen. Trotzdem, oder gerade deswegen, gehen die Kongo-Rhythmen in die Beine. Die Lieder erzählen in unterschiedlichen kongolesischen Sprachen Geschichten und Parabeln aus dem Leben im Land. Ein vielgestaltiges Album mit Hitpotenzial.
cs

 PETER KARP: Alabama Town
PETER KARP
Alabama Town
peterkarp.com
(Rose Cottage Records)
13 Tracks, 58:36


Der weiße US-Singer/Songwriter und Gitarrist Peter Karp aus Tennessee ist öfter in Europa unterwegs. Seine neueste Produktion enthält viele Blueselemente. Bekannt ist er auch im Duo mit der Gitarristin Sue Foley. Seit dem Jahr 2000 veröffentlichte er mehrere CDs, unter anderem mit Mick Taylor.
asz
 MARIA KALANIEMI & EERO GRUNDSTRÖM: Svalan
MARIA KALANIEMI & EERO GRUNDSTRÖM
Svalan
mariakalaniemi.com
(Åkerö Records ÄKERÖCD 17/Galileo MC)
11 Tracks, 43:36


Das neue Album der Grande Dame des finnischen Akkordeons entstand dieses Mal mit dem Harmoniumspieler und Produzenten Eero Grundström. Die Verbindung dieser Instrumente ähnlicher Klangfarbe potenziert die Melancholie der finnischen Seele bis hin zum Unerträglichen. Ob Tango oder Volkslied, Svalan bringt die Herzen zum Weinen.
ce

 JUDY KASS: Beyond The Ash And Steel
JUDY KASS
Beyond The Ash And Steel
judykass.com
(Eigenproduktion)
10 Tracks, 35:25, Promo-CD


Judy Kass arbeitete gerade daheim und saß nicht an ihrem Arbeitsplatz im 48. Stock in den Twin Towers, als diese 2001 angegriffen wurden. Sie sieht sich als Überlebende dieses Terroranschlages, und so handeln viele der Songs von Beyond The Ash And Steel vom Verlieren und dem Wiederentdecken der Liebe.
mf
 KAREN KASSULAT feat. I MUVRINI: Reise nach Korsika
KAREN KASSULAT feat. I MUVRINI
Reise nach Korsika
karenmusik.de
(Music Maestro Please Publishing/Believe Digital)
11 Tracks, 43:23


Was drauf steht, ist auch drin - eine musikalische Liebeserklärung an die kleine Mittelmeerinsel. Es sind selbstkomponierte Lieder der Münchener Musikerin und Komponistin, ruhig und eher meditativ. Interessant wird die CD durch die Einsprengsel der korsischen Band I Muvrini mit ihren polyphonen traditionellen Gesängen. Das macht das Ganze exotisch und sehr eigen.
pp

 LA KEJOCA: Fade In
LA KEJOCA
Fade In
la-kejoca.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 53:21


„Country Folk from Germany“ nennen die Drei ihren Stil. Ihr Erstling klingt nun aber weniger nach Country, als nach Folk aus Nordamerika und den britischen Inseln sowie aus Lateinamerika und Deutschland, und zwar auch dank der Stimme Carmen Bangerts sehr schön. Sehr aparte Musik!
mas
 KLEZMEYERS: Moravica
KLEZMEYERS
Moravica
klezmeyers.de
(Fine Music FM 230-2/GLM Music)
10 Tracks, 39:02


Vor rund zwanzig Jahren gründete Franziska Orso (cl) dieses Trio, das in neuer Besetzung, jetzt mit David Hagen (b) und Robert Kessler (g, perc), sein fünftes Album veröffentlichte. Moravica ist ein Fluss in Serbien und gab der Band die Inspiration, ihre Eigenkompositionen an besondere Orte und Menschen anzulehnen.
mg

 KLEZTORY: Nigun
KLEZTORY
Nigun
kleztory.com
(Fine Music FM 222-2/GLM Music)
12 Tracks, 38:47


Airat Ichmouratov (cl, voc) und Elvira Misbakhova (v), beide in Russland gebürtig, sind die Köpfe dieser im Jahre 2000 gegründeten kanadischen Band, ergänzt durch Mélanie Bergeron (acc), Dany Nicholas (g) und Mark Peetsma (b). Das vorliegende dritte Album ist das erste in Europa veröffentlichte, erfrischend zwischen Tradition und Moderne gelegen.
Mg
 NICOLAI KÖPPEL: Knalltüten
NICOLAI KÖPPEL
Knalltüten
nicolaikoeppel.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 41:54


Die Welt des Nicolai Köppel aus Heilbronn wird von Idioten, Gnomen, Exoten, Trotteln, Mördern und Arschlöchern bevölkert, und er scheint sich mittendrin gut darin einzufinden. Ein Debütalbum als Liedergeisterbahn, ansprechend musikalisch umgesetzt, von einem vielseitigen, nicht mehr ganz jungen und vermutlich grundsoliden Autor und Liedermacher.
rk

 ELIAS KRELL: As Eli
ELIAS KRELL
As Eli
eliaskrell.com
(Eigenproduktion)
Promo-CD, 14 Tracks, 36:58


Elias Krell macht eine steile akademische Karriere, ganz erstaunlich, dass sie nebenbei noch Zeit hat, Songs zu schreiben, diese aufzunehmen und auf Tour zu gehen. Ihr Album ist aufwändig und abwechslungsreich produziert, dazu singt sie sehr geschmackvoll, und auch Bass und Schlagzeug sind im Gesamtklang sehr zurückhaltend eingesetzt.
mf
 REBECA LANE: Alma Mestiza
REBECA LANE
Alma Mestiza
rebecalane.com
(flowfish.records ff0111/Broken Silence)
14 Tracks, 46:37


Im Hip-Hop machen sich mehr und mehr charismatische Latinas bemerkbar, wie diese junge Feministin aus Guatemala, die gut hörbar noch an Kunst als Waffe, an Textbotschaften glaubt, die aber auch musikalisch vielfältig gestaltet. Hineingeboren in den Bürgerkrieg ihrer Heimat, stark politisiert, künstlerisch vielseitig sozialisiert ist sie, und das hört man der Musik an.
kw

 STU LARSEN: Resolute
STU LARSEN
Resolute
stularsen.com
(Nettwerk 3264624/Warner)
Promo-CD, 11 Tracks, 47:08


Resolute enthält die Songs, die Coldplay gerne komponieren würde. Akustische Gitarre und sanfte Klavierbegleitung, mehr benötigt der Australier nicht, um sich in die Herzen der Hörer und bis aufs Hurricane Festival zu spielen. Mit „By The River“ und „Till The Sun Comes Back“ liefert das zweite Album gleich zwei Ohrwürmer mit verschärftem Hitpotenzial.
ce
 LUCAS LAUFEN: Goodbye
LUCAS LAUFEN
Goodbye
lucaslaufen.com
(Poke In The Eye/Timezone)
4 Tracks, 16:10


Die hohe Stimme des australischen Musikers ist sicherlich eine Geschmacksfrage. Vielen wird der Gesang schlichtweg nicht gefallen, andere werden ihn lieben. Definitiv sorgt der eigenwillige Gesang aber für einen hohen Wiedererkennungswert und damit für eine Chance, sich von der Vielzahl der akustischen Songpoeten abzusetzen. Die erste EP macht jedenfalls neugierig auf das Debütalbum.
ce

 JIM LEVERTON: Live At The Duke
JIM LEVERTON
Live At The Duke
(Leverton007, Bezug über: jimleverton@rocketmail.com)
11 Tracks, 54:08


Rockbassisten können mehr! Z. B. jener der Prog-Rock-Band Caravan. Der in Kent lebende Gitarrist und Sänger steht eigentlich auf Folk, Country & Blues. Nun hat er einige seiner Lieblingssongs (von Mick Hanly, Richard Thompson, Ronnie Lane) live im „Duke Of Cumberland”, einem Pub in Whitstable, mit dem Kollegen Geoff Richardson (Geige, Mandoline) gespielt. Einfach cool!
rs
 CHAWA LILITH: Persian Prince
CHAWA LILITH
Persian Prince
chawalilith.com
(recordJET/Soulfood)
14 Tracks, 28:27


Respekt! Diese Spielzeit haben sich in der Pop-History allenfalls ein paar Rock’n’Roller und die Beach Boys getraut. Das Lesen der Märchen im aufwendigen vierzigseitigen Booklet dauert jedenfalls genauso lang wie das Hören der vierzehn Lieder. Dennoch, klare Kaufempfehlung. Feine Orient-Pop-Arrangements und eine tolle, unverbildete und wandlungsfähige Stimme.
wb

 LIZA & KAY: Mit der Aussicht Einsicht
LIZA & KAY
Mit der Aussicht Einsicht
lizaundkay.de
(Kühlschrank-Records/ Kontor New Media)
13 Tracks, 46:40


Das Hamburger Duo verheimlicht nicht, dass es Wir sind Helden gut leiden kann. Doch es gibt schlechtere Vorbilder, und beim weiteren Hören der poetischen, alltagsschlauen Lieder entdeckt man Eigenheiten. Mit der Gitarre von Ex-Rantanplan-Bassist Kay und der music-school-geschulten Stimme von Liza entsteht ein heiteres Zusammenspiel von großer Leichtigkeit. Ein Versuch von Familienmusik?
is
 KAREN LOVELY: Fish Outta Water
KAREN LOVELY
Fish Outta Water
karenlovely.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 48:13


Die Folk- und Bluessängerin Karen Lovely spielt zusammen mit Rick Holmstrom (Gitarre), Doug Pettibone (elektrische und akustische Gitarren), Taras Prodaniuk (Bass), Matt Tecu (Schlagzeug) und vielen Gastmusikern. Sie war bereits in drei Kategorien für einen Blues-Award nominiert.
asz

 DE LUSEJUNGEN: Unverkäuflich!
DE LUSEJUNGEN
Unverkäuflich!
lusejungen.de
(Eigenverlag)
10 Tracks, 40:45


Hessisch-Irish-Folk aus Sontra. Dass sie ihre CD im Pappschuber wirklich nicht verkaufen wollen, ist nicht sehr glaubwürdig. Wer Spaß an deftigem Irish-Folk-Rock hat, zum Teil mit hessischen statt englischen Texten („Inas Pullover“, „Ahle Wurscht und Weckewerk“, „Stern vom Werratal“), probiere es aus, ob er sie vielleicht geschenkt bekommt. Eine fröhliche Musik ist garantiert!
mas
 EWAN MacPHERSON: Fetch!
EWAN MacPHERSON
Fetch!
ewanmacpherson.com
(Shoogle Records SHOOGLE 16017)
13 Tracks, 65:27


Der schottische Multiinstrumentalist agiert momentan hauptsächlich bei Shooglenifty, hat aber immer diverse andere Projekte wie z.B. Salthouse laufen. Hier hat er mit elf illustren und internationalen Freunden seine Eigenkompositionen aufgenommen, die ihre Inspiration von Schottland bis Skandinavien ziehen. Und er spielt eine richtig gute Maultrommel!
mk

 ELAINE MAHON: Reach For The Stars
ELAINE MAHON
Reach For The Stars
elainemahonmusic.com
(Gatorbone Records GR0030)
14 Tracks, 49:23


Wer möchte mit auf die Reise genommen werden von einer Ehefrau, Mutter, Gärtnerin, Astronomin, Erdenbewohnerin und, ja, Songschreiberin? Bitte, die Frau aus Nordflorida lädt ein zu verträumten Folkliedern über die Sterne, die Wunder der Natur, süße Erinnerungen, Liebe. Zu ihrer Akustikgitarre erklingt dezente Begleitung. Auf auf, die Welt retten!
vd
 MARINAH: Afrolailo
MARINAH
Afrolailo
marinah-ojosdebrujo.com
(Kasba Music KM00717/Galileo MC)
10 Tracks, 40:40


Die partyfreudigen Fans der aufgelösten Barceloner Flamenco-Hip-Hop-Band Ojos de Brujo wird dieser zweite Soloversuch der Sängerin vielleicht freuen. Doch es scheint, sie steht nicht auf eigenen Beinen. Es klingt wie früher bei Ojos, nur etwas mehr nach Latin, besonders Kubas Musik. Nettes, nicht allzu inspiriertes und inspirierendes „Lailolai“ – leider.
kw

 GUS McKAY: Talisman
GUS McKAY
Talisman
gusmckay.com
(Rolling Plains Media)
10 Tracks, 39:14


Der Gitarrist, Komponist, Sänger und Mundharmonikaspieler Gus McKay spielte mit Ronan Charles (Schlagzeug), Phil Waldron (Bass) und Paul Andrews (Saxofon) ein überaus intimes und wunderbar schlüssiges Folk-Blues-Album ein.
asz
 MANDOL'IN PROGRESS: The Dark Side Of The Mandolin
MANDOL'IN PROGRESS
The Dark Side Of The Mandolin
facebook.com/Mauro-Squillante-mandolinista-115075011877018
facebook.com/gaio.ariani
facebook.com/valeriofusillo
(Felmay fy7054)
10 Tracks, 42:53


Dark Side Of The Moonmst

 THE GORDON MEIER BLUES EXPERIENCE: Magic Kingdom
THE GORDON MEIER BLUES EXPERIENCE
Magic Kingdom
gordonmeierbluesexperience.squarespace.com
(Reverberocket Records/CD-Baby)
12 Tracks, 55:38


An nur drei Tagen hat der weiße Bluesgitarrist und Sänger seine neue Studioproduktion aufgenommen. Neben Meiers Eigenkompositionen sind Klassiker von Willie Dixon und Freddie King zu hören. Als Begleiter sind Lester Veith (Schlagzeug), Mark Freidman (Bass), Joe Taino (Slidegitarre), Dean Shot (Gitarre), Dennis Gruehling (Mundharmonika) und Tom Hammer (Orgel) mit dabei.
asz
 MELLOW MELANGE: Nimm mich hin. Dein Will!
MELLOW MELANGE
Nimm mich hin. Dein Will!
mellow-melange.de
(Cross The Border Production)
21 Tracks, 62:01


Die berühmten und geheimnisvollen Sonette von Shakespeare haben Künstler zu allen Zeiten zu Interpretationen inspiriert. Die Bremer Gruppe Mellow Melange hat poppige Vertonungen für die einundzwanzig ausgesuchten Sonette (Vier davon in Deutsch) gewählt, die ihre Musikerin Sonja Firker voller Varianten singt.
rk

 MORGAN HERITAGE: Avrakedabra
MORGAN HERITAGE
Avrakedabra
morganheritagemusic.com
(CTBC Music Group, MH234402/Membran)
14 Tracks, 54:45


Reggae vom Feinsten mit ausgeprägten Soul- und Pop-Elementen. Die preisgekrönten fünf Geschwister Una, Peter, Roy „Gramps“, Nakhamyah „Lukes“ und Memmalatel „Mr. Mojo“ Morgan sind seit fast 25 Jahren führende Vertreter ihres Genres. Mit jamaikanischen Wurzeln in den USA aufgewachsen, demonstrieren sie erneut, wie aktuell exzellenter Reggae klingen kann. Unterstützt werden sie dabei von zahlreichen Gastmusikern, wie Stephen und Ziggy Marley.
ep
 MYLLARGUTENS GAMMALDANSORKESTER:  Vol.2
MYLLARGUTENS GAMMALDANSORKESTER
Vol.2
myllargutensgdo.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 41:57


Bis zu fünfzehn junge Musiker, überwiegend aus Norwegen, finden sich hier abwechselnd zusammen, um traditionelle norwegische Tanzmusik im Orchesterformat zu spielen, in eigenen Arrangements und mit den Ideen der Nicht-Norweger. Eine bunte Mischung, getragen von Spielfreude, wovon man sich Ende Juni dieses Jahres bei ihrer Tournee auch in Deutschland überzeugen konnte.
bk

 DIMITRIS MYSTAKIDIS: Amerika
DIMITRIS MYSTAKIDIS
Amerika
dimitrismystakidis.gr/en
(Fishbowl)
14 Tracks, 56:39


Tsimpiti, so nennt sich das spezielle Rembetiko-Fingerpicking, das die nach Amerika ausgewanderten griechischen Musiker gegen Ende des 19. Jh. in der Fremde entwickelten. Der Gitarrist und Sänger Dimitris Mystakidis hat sich dieser Spieltechnik angenommen und alte Aufnahmen von Giorgos Katsaros und Kostas Dousas aufmerksam abgelauscht. Eine faszinierende Reise in eine andere Zeit.
rb
 ONKL WUNDERMANN: KollektivGedächtnisTrainingsEinheit
ONKL WUNDERMANN
KollektivGedächtnisTrainingsEinheit
musikinstrumente-ryndak.de
(Historical Mission Records)
16 Tracks, 50:21


Der experimentierfreudige Instrumentenbauer Matthias Ryndak aus dem ostsächsischen Niesky überrascht mit einer Mixtur aus seltsam skurrilen eigenen Liedern, ungewöhnlichem Instrumentarium, wie Lakotaflöte, Stompbox, Slide-Rohr, Rahmentrommel und Balalaika, sowie fremdländischen Klängen und Geräuschen irgendwo zwischen Folk und Blues.
rps

 BOBBY OSBORNE: Original
BOBBY OSBORNE
Original
bobbyosborne.com
(Compass Records 7 4687 2)
10 Tracks, 34:41


Der Mann ist 85 und das, was man eine lebende Legende nennt – eine Legende des Bluegrass. Produzentin Alison Brown hat für dieses Album lauter Stars des Genres versammelt, von Sierra Hull und Sam Bush über Darrell Scott bis zu den McCourys. Das alles klingt frisch und packend, vor allem auch das Bee-Gees-Cover „I´ve Gotta Get A Message To You“.
vd
 STEVEN OUMA BAND: Mahaba
STEVEN OUMA BAND
Mahaba
steven-ouma-band.com
(Hey!Band /Hey!blau Records)
14 Tracks, 70:11


Der kenianische Sänger Steven Ouma lebt seit 2005 in Köln und hat hier auch die Musiker für seine erste CD gefunden. Er singt in seiner Muttersprache Kisuaheli. Die Musiker der Band spannen einen weiten Bogen von diversen Spielarten des Afrobeat über kurze Ausflüge in den Jazz bis hin zum Reggae. Ein afrikanischer Klangcocktail für die World-Summer-Party.
cs

 ANNE PE: Glowing Seas
ANNE PE
Glowing Seas
annepe.de
(Rent A Record Company RAR 51851/H‘Art)
Promo-CD, 11 Tracks, 45:09


Die Eigenkompositionen auf dem Debütalbum von Anne Pe bewegen sich irgendwo zwischen Dream Pop und Alternate Folk und sprechen so eher jüngere Musikliebhaber an. Die leise Stimme der Künstlerin wird von pfiffigen Gitarrenarrangements begleitet. Dennoch fehlt zum Durchbruch der sympathischen Schwarzwälderin der Wiedererkennungswert.
ce
 Quetzal: The Eternal Getdown
Quetzal
The Eternal Getdown
quetzanimales.com
(Smithsonian Folkways Recordings SFW CD 40574/ Galileo MC)
18 Tracks, mit engl. Infos, 77:22


Die amerikanische Band Quetzal klingt wie eine Mischung aus einer Rockband mit einer R&B-Sängerin und Latin-Musikern. Dazu kommen noch japanische Taiko-Trommeln, mexikanische und kubanische Momente sowie Streichinstrumente. Dieses Patchwork bietet sehr eigenständige, kreative Arrangements, ist aber nur bedingt tanzbar.
hjl

 PETER REIMER: What’s Left
PETER REIMER
What’s Left
peter-reimer.de
(Eigenverlag)
10 Tracks, 56:16


Fein ziselierte Instrumentalkompositionen vom „Mann auf der Bank“, dem Gitarristen Peter Reimer, der sich auf seiner neuen CD dem widmet, was er „Entschleunigungsmusik“ nennt. Folkloristische heiter-luftige Musik ist das, im Alleingang aufgenommen. Zahlreiche Stimmen sind übereinander geloopt, und so entwickelt sein Werk mitunter orchestrale Züge.
rb
 THE RESONANT ROGUES: Hands In The Dirt
THE RESONANT ROGUES
Hands In The Dirt
theresonantrogues.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 41:07, Promo-CD


Auf Hands In The Dirt findet sich Folk mit Jazz- oder Balkaneinflüssen. Sängerin und Instrumentalistin Sparrow und ihr Mitmusiker Keith J. Smith, die hinter Resonant Rogues stecken, fühlen sich in vielerlei musikalischen Welten zu Hause und wissen dies in feine Songs zu übertragen.
mf

 ROCQAWALI: Sufi Spirit
ROCQAWALI
Sufi Spirit
rocqawali.com
(Riverboat Records TUGCD1099/Harmonia Mundi)
9 Tracks, 58:43


Ja, was soll denn da schiefgehen, wenn Mark Howard (Dylan, REM, Lanois, Gabriel, Waits und 1.000 andere …) seine Produzentenfinger im Spiel hat? Das dänische Rockquintett um Qawali-Sänger Ejaz Sher Ali macht dann auch alles richtig und mixt religiösen Lobgesang mit Gitarren, Bass und Schlagzeug. Nur das Harmonium bleibt. Tradition muss schließlich sein.
wb
 OUMOU SANGARÉ: Mogoya
OUMOU SANGARÉ
Mogoya
facebook.com/Oumou-Sangare-9288724562
(Nø Førmat!)
Promo-CD, 9 Tracks, 41:47


In ihrer malischen Heimat ein Superstar, auch weltweit geschätzt wegen ihrer grandiosen Stimme. Mit dem Labelwechsel gehen auch Wechsel in puncto Sound und Stilistik einher. Ihr neues Album entstand in Kooperation mit dem französischen Producer-Kollektiv A.l.b.e.r.t.; die Musiktraditionen Malis als Basis, perfekt modernisiert, u. a. mit Afrobeat-Anleihen.
rs

 DOMINIC SCHOEMAKER: Downtown Stories
DOMINIC SCHOEMAKER
Downtown Stories
dominicschoemaker.com
(Southfarm Publishing)
7 Tracks, 27:05


Der junge Gitarrist und Sänger aus Luzern hat sich dem Chicago Blues verschrieben. Nach dem Auftakt im Reggaetakt sind die folgenden, mit einer Ausnahme selbst geschriebenen, Stücke eher der Tradition verpflichtet. Die Debüt-EP tönt locker und abgeklärt, und Shoemakers Gitarrenspiel kann sich mit dem seiner großen Vorbilder messen. Der Mann hat Zukunft.
mst
 SON OF THE VELVET RAT: Dorado
SON OF THE VELVET RAT
Dorado
fluffandgravy.com
(Fluff and Gravy Records FnGO37/Broken Silence)
10 Tracks, 44:56


Frühlingsrollen beim Chinesen, Pizza beim Italiener und – Americana? Bei Österreichern, die sich in Kalifornien von der amerikanischen Produzentenlegende Joe Henry produzieren lassen? Der typisch verhuschte Henry-Sound dominiert, der Rest ist Sprechgesang im Midtempobereich, begleitet von amerikanischen Musikern. Die könnten’s auch ohne Ösi-Hilfe.
jus

 GERRY SPEHAR: I Hold Gravity
GERRY SPEHAR
I Hold Gravity
gerryspehar.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 10 Tracks, 42:20


Gerry Spehar tourte schon zu Beginn der Siebziger durch Deutschland und hatte einige Erfolge als Musiker und Songschreiber, doch widmete er sich anschließend einem bürgerlichen Beruf, der Familie wegen. Recht rockig beginnt nun sein erstes Soloalbum, um sich dann im Bereich des Country und Western einzupegeln. Die Songs sind leicht und beschwingt, häufig sehnsüchtig und besinnlich.
mf
 LEEROY STAGGER: Love Versus
LEEROY STAGGER
Love Versus
leeroystagger.com
(True North Records TND 633)
Promo-CD, 10 Tracks, 38:08


Aufwändig produziert kommt Leeroy Stagger aus British Columbia derzeit daher. Vor Jahren war er ein Hoffnungsschimmer der kanadischen Singer/Songwriter-Szene und wurde mit Preisen überhäuft. Auf Love Versus verschwimmen nun die Grenzen zwischen Folk und Pop deutlich.
mf

 JOHN STATZ: The Fire Sermon
JOHN STATZ
The Fire Sermon
johnstatz.com
(Why River Records WR001)
Promo-CD, 10 Tracks, 33:06


Auf seinem siebten Studioalbum treibt den Sänger und Songschreiber aus Wisconsin die Liebe in all ihren romantischen Facetten um – also auch im Sinne von Romantik, die weh tut. Dabei begleitet ihn eine komplette Band, und sein Gesang besitzt einen gewissen Tom-Petty-Touch. Die Rockstarhaltung aber muss draußen bleiben. Zum Glück.
vd
 THOMAS STEIN: Land in Sicht
THOMAS STEIN
Land in Sicht
thomas-stein.org
(Eigenverlag, House Master Records)
16 Tracks, 50:30


Ein Liedermacher der traditionellen Art aus dem altmärkischen Tangermünde. Sanfte, lyrische Songs zur Gitarre, teilweise mit Gastmusikern, über Träume und Sehnsüchte, Fernweh und Meer. Aber auch kritisch-nachdenkliches, wie das witzige Lied „Kommunikation“ über Sinn oder eher Unsinn, sozialer Netzwerke.
rps

 DANIEL STELTER: Humming Songs
DANIEL STELTER
Humming Songs
danielstelter.de
(DMG/Broken Silence)
14 Tracks, 57:45


Als musikalischer Tausendsassa präsentiert sich der Ingelheimer Jazzgitarrist Daniel Stelter. Ob akustisch oder elektrisch, solistisch oder im Bandkontext, ob Blues, Folk oder Jazz, der Mann trifft ohne Ausnahme den richtigen Ton. Da sind sogar Instrumentals mit echtem Hitpotenzial dabei. Zelebriert wird das Ganze mit unverschämter Lässigkeit.
rb
 THE STOKES: The Green Album-Traditional Irish Music
THE STOKES
The Green Album-Traditional Irish Music
stokesmusic.com
(DMG/Broken Silence)
16 Tracks, 61:54


Man könnte meinen, die Dubliners oder die Dublin City Ramblers persönlich zu hören, doch diese Combo wohnt irgendwo in Norddeutschland. Seit fünfzehn Jahren auf der Bühne (vgl. Folker 1/2007), haben sie einen Mann verloren, hören sich aber auch als Trio mit Gesang, Gitarre, Banjo, Whistles und Flute immer noch urig-irisch an, epigonisch, aber gut. Alle Texte im Beiheft.
mas

 FABIANA STRIFFLER & QUIQUE SINESI: Mahagoni
FABIANA STRIFFLER & QUIQUE SINESI
Mahagoni
fabianastriffler.com
sinesimusic.com
(Laika-Records)
14 Tracks, 49:28


Berlin/Argentinien – ein weiter faszinierender musikalischer Kosmos tut sich auf, wenn die Berliner Geigerin Fabiana Striffler und der argentinische Gitarrist Quique Sinesi in Dialog treten. Erdfarbene Töne, dem Süden Amerikas abgelauschte Melodien und feinstes Verweben von gestrichenen und gezupften Saiten.
rb
 NORMAN SWOBODA: Free like a Bird
NORMAN SWOBODA
Free like a Bird
normanswoboda.de
(Timezone TZ1360)
19 Tracks, 51:42


Die Zuneigung des Künstlers zu Gitarrenhelden wie Richard Thompson oder CSN&Y ist unverkennbar. Der Siebzigerjahresound klingt zwar nicht modern, aber die Lieder sind schlicht so wunderschön, dass der Künstler sich hinter seinen Vorbildern nicht zu verstecken braucht. Eine abwechslungsreiche Auswahl an Begleitinstrumenten gibt dem Album den letzten Schliff.
ce

 TRIO TEKKE & DAVE DE ROSE: Zivo
TRIO TEKKE & DAVE DE ROSE
Zivo
triotekke.com
davederosemusic.com
(Trio Tekke TT003/Proper)
12 Tracks, 46:44


Der griechische Blues rockt. Nach zwei Alben, auf denen sie traditionelle Stücke neu arrangierten, entwickelt das Trio Tekke den Rembetiko weiter. In ihren zwölf Eigenkompositionen präsentieren die beiden Zyprioten Antonis Antoniou sowie Lefteris Moumtzis und der Brite Colin Somervell, unterstützt vom englischen Schlagzeuger Dave De Rose, einen swingenden Mix aus Blues, Afrobeat, Acid Rock, Psychedelia und Jazz.
ep
 THE TOSSERS: Smash the Windows
THE TOSSERS
Smash the Windows
thetossers.com
(Victory Records/Soulfood)
17 Tracks, 53:33


Besser als das Vorgängeralbum von 2013, weil nicht nur lautes Gegröle, sondern melodische und doch punk-folkig treibende Songs in guter Pogues-Manier enthaltend, ist dieses Album der Chicagoer Folkrocker allen zu empfehlen, die schnellen, wilden Irish Folk mögen. Immerhin halten sich die Tossers inzwischen schon einundzwanzig Jahre auf der Bühne!
mas

 UENO PARK - MANUEL ADNOT: Feu Clair/Dix-Mille Yeux
UENO PARK - MANUEL ADNOT
Feu Clair/Dix-Mille Yeux
manueladnot.blogspot.de
(Atypeek Music/Tropare)
15 Tracks, 62:48


Avantgarde, Free Jazz ... wie sehr Etiketten täuschen können, dafür ist diese CD mit frei improvisierter Musik ein schöner Beleg. Ein Jahr lang zog der Franzose Manuel Adnot mit seiner Nylonstring um die Häuser. So entstand ein Reisetagebuch, inspiriert von den unterschiedlichsten Orten. Das ist auf berührende Weise roh und erstaunlich folkig.
rb
 CLAUS ULRICH: You Don‘t Need To Speak At All
CLAUS ULRICH
You Don‘t Need To Speak At All
clausulrich.com
(Last Rebel Records)
10 Tracks, 36:23


Nett arrangiertes und sauber eingespieltes Album mit nett gesungenen Standards von James Taylor, Karine Polwart, Leonard Cohen sowie einem eigenen Stück. Alles sauber eingespielt, nett eben, aber viel zu glatt und ohne eigenständige Note. Tolle Stimme immerhin, die sogar ein ganz klein wenig an James Taylor erinnert.
uj

 VERSENGOLD: Funkenflug
VERSENGOLD
Funkenflug
versengold.de
(RCA Deutschland/Sony Music)
14 Tracks, 52:45


Die seit 2003 bestehende Formation aus Bremen hat sich auf den Mittelalter-Festivals etabliert. Nun erscheint ihr achtes Studioalbum – erstmals bei einem Major Label – mit heftigen Wechseln zwischen hartem Akustik-Folk(-Rock), etwas irisch, etwas Songwriter und viel massenkompatiblem gefälligem Santiano-Pop. Dem Publikum werden die eingängigen Refrains, der druckvolle Sound und die treibenden Rhythmen gefallen.
pp
 WALDKAUZ: Mythos
WALDKAUZ
Mythos
wald-kauz.de
(Fuego/Indigo)
16 Tracks, 69:43


Das zweite Studioalbum der Pagan-Folk-Band aus Hildesheim ist von Mythen, Märchen und Legenden geprägt. Erzählt wird von Hexen, von Feen und Zwergenkönigen oder dem Waldlandreich. Musikalisch irgendwo zwischen Faun und Omnia, klingen die Melodien erfrischend und die Arrangements recht ausgefeilt. Die CD kommt im schicken Buchformat mit gediegenem Artwork daher.
pp

 WALLY WARNING: Footsteps
WALLY WARNING
Footsteps
wally warning.com
(Cunucu Records, LC 10604/Groove Attack)
14 Tracks, 46:45


Schon vom ersten Ton an beginnt der Körper unweigerlich mitzuschwingen. Der von der Karibikinsel Aruba stammende und in München lebende Musiker hat den Groove und Soul im Blut. Warning strahlt viel Lebensfreude aus, auch wenn seine Bekenntnisse zu Jesus manchmal zu aufgesetzt wirken. Besonders stark ist der Gitarrist, wenn er in seiner Heimatsprache singt.
ep
 WEST OF EDEN: No Time Like The Past – A Collection
WEST OF EDEN
No Time Like The Past – A Collection
westofeden.com
(West of Eden WOMCDII)
Do-CD, 25 Tracks, 1:39:09


Zwanzig Jahre eigener Irish-Folk vom Göteborger Sextett. Alle zehn seither veröffentlichten Alben sind auf diesen beiden CDs mit den schönsten Stücken vertreten, dazu drei neue Stücke. Hauptakteure sind Jenny und Martin Schaub mit Gesang, Akkordeon und Gitarre. Die übrigen gestalten den Sound mit Geige, Mandoline, Bass und Schlagzeug. Vom 2.-4.11. treten sie in Schleswig-Holstein und Hamburg auf.
bk

 ZAMPOGNERIA: Fiumerapido
ZAMPOGNERIA
Fiumerapido
finisterre.it
(Finisterre FT70)
12 Tracks, 44:36)


Das Beiheft mit den in alle Himmelsrichtungen zeigenden Dudelsack-, Schalmei- und anderen Pfeifen weist die Wege. Sie führen das Trio aus Mittelitalien über Frankreich zu Eric Montbel nach Galicien zu Susana Seivane. Mit auf die Reise mit Abstecher ins Mittelalter begibt sich auch David Shepherd, der Geiger von Blowzabella. Empfehlenswert.
mst
 RAMBLIN‘ JACK ELLIOTT: Young Brigham / Bull Durham Sacks & Railroad Tracks
RAMBLIN‘ JACK ELLIOTT
Young Brigham / Bull Durham Sacks & Railroad Tracks
ramblinjack.com
(Morello Records WMRLL 69)
24 Tracks, 79:48


Arlo Guthrie hatte Recht, als er in den orginal Linernotes schrieb, dass eine RJE-Platte nie das einfangen könnte, was ihn live ausmacht, und das gilt auch für diese Aufnahmen aus den Jahren 1968 und 1970. Meist Cover von Dylan, Woody Guthrie oder Tim Hardin. Für Fans natürlich ein Muss, für alle anderen wohl eher nicht.
mk

 Rubén González: Introducing…
Rubén González
Introducing…
biography.com/people/rubén-gonzález-189358
(World Circuit WCD049/Indigo)
10 Tracks, davon 1 neuer, 56:15


Wiederveröffentlichung des ersten Albums des Buena-Vista-Pianisten Rubén González von 1997. Dieser hatte einen kräftigen Anschlag, er war zwar kein Jazzer mit stürmischen Improvisationen, aber er zeigte ein überlegtes, einfallsreiches Spiel, das heute noch beeindruckt. Und auch die Percussionisten sorgten hier für eine stimmige Atmosphäre.
hjl
 DAVE SWARBRICK: It Suits Me Well – The Transatlantic Recordings 1976 – 1983
DAVE SWARBRICK
It Suits Me Well – The Transatlantic Recordings 1976 – 1983
folkicons.co.uk/swarb.htm
(Cherry Tree CFTREE017D)
Do-CD, 46 Tracks, 157:35


Vier LPs des wohl einflussreichsten Fiddlers der englischen Folkszene (mit Ausflügen nach Schottland und Irland) des letzten Jahrhunderts, der ebenfalls Spiritus Rector diverser Fairport-Inkarnationen war. Sauber remastert und mit informativen Linernotes versehen. Eigentlich fehlen nur die detaillierten Angaben zu den vielen namenlosen Mitmusikanten.
mk

 : rezi-legende
Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Christian Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (jus), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Bernd Künzer (bk), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Martin Steiner (mst), Annie Sziegoleit (asz), Katrin Wilke (kw)




Onlinerezensionen
GHOSTTOWN COMPANY
FolkRock
ghosttown-company.de
(Prosodia)
12 Tracks, 48:55


Treverer Irish-Folk-Rocker, die es richtig krachen lassen! Treibendes Schlagzeug, croovige Gitarre, Flötenzwischenspiel und vielleicht zu viele Refrainwiederholungen, Gesang in einem eher englischen Slang. Neben irischen Evergreens kommen auch eigene, gesellschaftskritische Songs vor, deren Texte man mitlesen kann.
mas
MR. HURLEY UND DIE PULVERAFFEN
Tortuga
pulveraffen.de
17 Tracks
56:52
(Promo-CD, Vertigo/Capitol)


Ihrer PR-Agentur war der Folker diesmal nur eine Promo-CD ohne Beiheft wert. Auf dieser singen die Pulveraffen wieder aberwitzige Piratenklamauklieder, zwischen welchen Captain Blake vergeblich sein gestohlenes Steuerrad sucht. Wie auch das Vorgängeralbum (vgl. Folker 4/2015) ein lustiges welches!
mas

Besondere
DRAGSETH TRIO
Drift
atelier-knortz.de/dragseth
(Eigenverlag DRA 3578)
12 Tracks, 44:47 , mit Texten u. Infos


Vor über einem Vierteljahrhundert taten sich die zwei Nordlichter Kalle Johannsen und Manuel Knortz zum Dragseth Duo zusammen, spielten zwei hochgelobte LPs ein, waren jahrelang weg vom Fenster, um dann in einer Reunion erneut zu begeistern, als Duo, im Quartett und jetzt im Trio. Die beiden Ur-Dragsether sind ausgezeichnete Fingerpickinggitarristen und Sänger, die jeweils mit einem sonoren Bariton gesegnet sind. Daneben haben sie eine Vielzahl von Instrumenten am Start. Kalle Johannsen spielt diatonisches Akkordeon und Mundharmonika, Manuel Knortz zupft die Waldzither und das Banjo, daneben setzt er noch einiges an Gebläse ein: Chalumeau, Whistles, Sopransaxofon und Uilleann Pipes. Der dritte Mann im Trio, Jens Jesse,  DRAGSETH TRIO: Drift ebenfalls Gitarrist und Sänger, ist außerdem an Weißenborn-Slidegitarre, Ukulele und Glockenspiel zu hören. Knortz und Johannsen hatten schon immer ein Faible für Lyriker wie Theodor Storm und Theodor Fontane, und erneut haben die Friesen eine geschmackvolle Auswahl von Texten zur Vertonung ausgewählt. Dazu gesellen sich äußerst gelungene Übertragungen etwa von Liedern aus der Feder der kalifornischen Singer/Songwriterin Kate Wolf und des belgischen Chansonniers Jaques Brel. Das Trio und die beiden Gastmusiker präsentieren sieben hochdeutsche, vier plattdeutsche Lieder und einen englischsprachigen Song, denen sie einfühlsame, emotionale Arrangements auf den Text geschneidert haben. Vom ersten Lied an, einer Vertonung des Gottfried-Keller-Gedichtes „Die Zeit geht nicht“, bis zum Ausklang des letzten Songs „Der Sternanzünder“ mit einem Text der großen Mascha Kaléko halten die Musiker eine zart-melancholische Stimmung aufrecht. Basierend auf Fingerpickingpatterns setzen Chalumeau und Saxofon jazzige Akzente, während die Uilleann Pipes ein Liebeslied mit irischer Leichtgkeit färben. Die Musik und die lyrischen Texte verbreiten deutlich Herbststimmung, singen von vergangener Zeit, von Abschiednehmen und Wiederkehren, von Tränen und dem tröstlichen Sternanzündemann. Unwiderstehlich gut.
Ulrich Joosten
VAN MORRISON
Roll With The Punches
vanmorrison.com
(Caroline International/Universal)
Promo-CD, 15 Tracks, 63:22


Das 37. Studioalbum in annähernd sechzig Jahren als Musiker – und dieses hat der eigensinnige irische Sänger Van Morrison dem Blues, oder genauer dem Rhythm and Blues gewidmet. Die ersten Takte nehmen sofort gefangen, unwiderstehlich rollt der klassische Chicago-Blues vorwärts, die Stimme klar und kraftvoll und die Band fast schon aufreizend „laid back“, voller Ruhe und Kraft. Weiter geht es mit „Transformation“, einer Ballade, wie sie so eigentlich nur Iren singen können. Wunderschön dazu der dezente Backgroundgesang, Piano und Gitarre setzen Akzente. Freunde waren eingeladen, so der Gitarrist Jeff Beck, der Sänger und Harpspieler Paul Jones, Georgie Fame an den Keyboards und der  VAN MORRISON: Roll With The Punches Sänger Chris Farlowe. Mit ihnen und seiner ohnehin schon exzellenten Band wühlt sich Van Morrison durch einige Klassiker des Genres. „Stormy Monday“ ist so ein ewiger, eigentlich schon totgelaufener Song. Neben dem Original von T-Bone Walker konnte da bisher eigentlich nur die Version der Allman Brothers Band bestehen. Was Van Morrison hier jedoch mit Chris Farlowe abliefert, ist unbeschreiblich. Und dann der nahtlose Übergang in Doc Pomusʼ „Lonely Avenue“. „Now my room has got two windows, / but the sunshine never comes through. / You know itʼs always dark and dreary, / since I broke off, baby, with you …“, beginnt der Text, und wenn der Backgroundgesang einsetzt und Chris Farlowe im Wechsel hinzukommt, ist nicht nur einer der Höhepunkte des Albums, sondern eine Sternstunde des Blues und Rhytm and Blues erreicht. Fantastisch im Gegensatz zu solcher Opulenz dann „Goinʼ To Chicago“. Vom Kontrabass begleitet, teilt sich Morrison hier die Gesangsparts mit Georgie Fame. Dieses Album ist voll an vielen großen und kleinen Momenten, in jedem Stück ist eine Besonderheit zu entdecken, etwa, wenn Van Morrison in „Bring It Home To Me“ Jeff Beck auffordert, noch einen seiner herrlich schrägen Chorusse zu spielen. Fantastisch und wunderschön.
Achim Hennes

TÜNDRA
Bastardüs
tundraband.com
(Nada Producciones)
12 Tracks, 51:49 , mit dt. u. engl. Infos


2008 in Logroño, La Rioja, der geschichtsträchtigen Stadt nahe des Baskenlandes, gegründet, führt das junge Quartett auf nunmehr zwei Alben meisterhaft vor, wie sich Gefühl für und Wissen um Folktraditionen, und zwar die eigenen sowie die ganz Spaniens und auch der Neuen Welt, mit der Liebe für Rock und Jazz kreativ bündeln lassen. Mit „Folk Ancestro Sideral“ umschreiben die mit entsprechend unterschiedlichen musikalischen Hintergründen versehenen Instrumentalisten durchaus zutreffend ihre Arbeit. Durch das beglückende Miteinander von Gaita (jeweils ein anderer Typ in den Kompositionen), Drehleier und Nyckelharpa, Schlagzeug und Percussion sowie E-Gitarre werden interessante Brücken zwischen Rock, Hardrock und  TÜNDRA: Bastardüs den Welten des Jazz geschlagen (ganz konkret in der Neulektüre zweier Kompositionen von Duke Ellington und Ornette Coleman). Das Album beginnt sehr energiegeladen mit einem Stück im 7/8-Rhythmus, in dem sich besagte Instrumente auf Augenhöhe begegnen und vergessen lassen, welch große kulturhistorische Räume zum Beispiel zwischen einer heavy klingenden E-Gitarre und einer Nyckelharpa liegen. In den zwölf Eigenkompositionen und Traditionals adaptierenden Instrumentalkompositionen gelingen Allianzen, die fern von vielen eher faden Elektrofolk-Annäherungsversuchen siedeln. Sie lassen eher an andere, ähnlich innovative Protagonisten des zeitgenössischen Folks Spaniens denken, wie etwa den Drehleierspieler Germán Díaz. Eingeladene Musikerkollegen setzen des Weiteren an Geige, Klarinette oder Saxofon interessante ergänzende Akzente in diesen von Track zu Track sehr variierenden, mal elektrifizierten, mal akustischeren Klanglandschaften. Die den Bandnamen inspirierende Tundra (mit dem „ü“ machen es sich die Jungs in spanischsprachigen Gefilden wie auch im WWW sympathisch schwer) gibt es als iberische Variante auch nahe der Heimat der vier Musiker, die sich zudem stark von nordeuropäischen Traditionen inspiriert fühlen, etwa der hörbar seelenverwandten schwedisch-finnischen Elektrofolkband Hedningarna.
Katrin Wilke



Bücher
 MARK NOWAKOWSKI: Straßenmusik in Berlin : zwischen Lebenskunst u. Lebenskampf ; e. musikethnolog. Feldstudie.
MARK NOWAKOWSKI
Straßenmusik in Berlin : zwischen Lebenskunst u. Lebenskampf ; e. musikethnolog. Feldstudie.
transcript-verlag.de
(Bielefeld : transcript Verl., 2016. – XIV, 415, XVIII S. : mit zahlr. s/w-Fotos )
ISBN 978-3-8376-3385-6 , 34,99 EUR


Zwar beschränkt sich das vorliegende Werk ausschließlich auf Berlin, doch kann es insgesamt gesehen durchaus als erste wissenschaftliche Untersuchung des Phänomens Straßenmusik in Deutschland betrachtet werden. Autor Mark Nowakowski ist Musikethnologe und verdient sein Geld als wissenschaftlicher Ingenieur für erneuerbare Energien am Umweltbundesamt und betätigt sich zwischenzeitlich selbst als Straßenmusikant. Seine umfangreichen und detaillierten Untersuchungen hat er als Dissertation der Freien Universität Berlin vorgelegt. Aber keine Angst: Es handelt sich keinesfalls um dröges Wissenschaftskauderwelsch, womöglich angereichert mit endlosen Zahlenkolonnen. Im Gegenteil, die einzelnen Abschnitte lesen sich informativ, abwechslungsreich und unterhaltsam – ein gewisses Interesse für die Thematik vorausgesetzt. Der Hauptteil des Buches ist quasi ein alphabetisch angeordnetes Lexikon der Straßenmusikanten in Berlin aus den Jahren 2010 bis 2014. Klar, dass die Szene sich immer wieder verändert. Mithilfe eines standardisierten Fragebogens hat der Autor eine Fülle von Interviews durchgeführt. Die meisten Musiker werden auch bildlich vorgestellt. Neben Alter, Herkunft und Instrument wird nach musikalischer Ausbildung gefragt, nach Motivationen, Repertoire, Intentionen, Publikumsreaktionen, Erfahrungen etc. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit rechtlichen Aspekten der Straßenmusik, mit ihrer Geschichte sowie mit ihrer soziokulturellen Bedeutung. Insgesamt ergibt sich ein plastisches Bild einer nach wie vor sehr lebendigen urbanen Auftrittskultur im steten Wandel.
Kai Engelke
 CHRISTOF MEUELER/FRANZ DOBLER: Die Trikont-Story : Musik, Krawall & andere schöne Künste.
CHRISTOF MEUELER/FRANZ DOBLER
Die Trikont-Story : Musik, Krawall & andere schöne Künste.
heyne.de
(München : Heyne, 2017. – 446 S. : mit zahlr. Farbfotos)
ISBN 978–3-453-27135-7 , 30,00 EUR


Zum fünfzigsten Geburtstag des legendären Labels Trikont haben der Journalist Meueler und der Schriftsteller Dobler die Trikont-Story aufgeschrieben – von den wilden Anfängen bis zur großen heutigen Anerkennung (siehe auch „Heimspiel“ auf Seite 41 dieser Ausgabe). Die Trikont-Story ist ein Jubiläumsbuch zum Lesen und Stöbern. Zwischen den Schilderungen der Erzähler kommen die Protagonisten mit vielen O-Tönen zu Wort. Das Buch ist vom Label sogar autorisiert. Zum collagenhaften Eindruck trägt die überbordende Fülle der abgedruckten Dokumente bei: Fotos, Plakate, Plattencover. Und weil in fünfzig Jahren viel passiert ist, wurde das Buch ziemlich dick. Es ist frappierend, wie viele Künstler mit Trikont den Durchbruch schafften, darunter Klaus der Geiger, Hans Söllner, Funny van Dannen und Labrassbanda. Am spannendsten sind die Kapitel über den Anfang der Siebzigerjahre, jedenfalls wenn man sich für linksradikale Zeitgeschichte interessiert. Ausführlich wird die Einbindung der Trikont-Leute in die Gruppe Arbeitersache geschildert. Ungewöhnlich ist dabei die Münchener Perspektive auf diese Zeit. Am Beispiel des Trikont-Labels wird außerdem gut nachvollziehbar, wie sich die Linksradikalen dann Mitte der Siebziger von der Arbeiterbewegung abwenden und die Neuen Sozialen Bewegungen (Umwelt, Frauen, Homosexuelle) als Projektionsfläche entdecken. In den Achtzigern lernt Trikont-Chef Achim Bergmann den Eigensinn der bayerischen Landbevölkerung schätzen und wird auf seine Art konservativ. Im letzten Drittel des Buches verblasst Bergmann als politischer Mensch, während die Autoren einen Trikont-Sampler nach dem anderen vorstellen. Das ist alles nicht uninteressant, wirkt aber manchmal wie ein Werbekatalog. Und als die Autoren dann doch im Jahr 2017 ankommen, ist das Buch zu Ende. Zu einer zusammenfassenden Einschätzung von Wirkung und Bedeutung Trikonts fehlte wohl leider der Platz, die Zeit und/oder die Kraft.
Christian Rath

 JOCHEN WIEGANDT: Hallo, hier Hamburg : Lieder u ihre Geschichte(n) von Waterkant u. See / mit Fotos v. Michael Zapf.
JOCHEN WIEGANDT
Hallo, hier Hamburg : Lieder u ihre Geschichte(n) von Waterkant u. See / mit Fotos v. Michael Zapf.
edel.com
(Hamburg : Edel, 2017. – 249 S. : mit zahlr. Fotos)
ISBN 978-3-8419-0524-6 , 17,95 EUR


Das Buch beginnt mit einem Busenwitz, und schon möchte die Leserin es an die Wand knallen … Aber das wäre voreilig, es wird nämlich doch noch richtig gut. Mal abgesehen von kuriosen Druckfehlern (York statt Jork, ein Ort auf dem Hamburg gegenüberliegenden Elbufer), dem Fehlen eines Bildes von Hans Albers (von dem natürlich viel die Rede ist) und davon, dass der Autor gar zu gern erzählt, was er alles Tolles geleistet hat. Aber sonst ein wunderbares Buch voller Lieder, die irgendwas mit Hafen und Meer zu tun haben, meistens sogar mit Hamburg. Warum das griechische „Ein Schiff wird kommen“ hier auftaucht, bleibt unklar, aber „Wir lagen vor Madagaskar“ passt doch überall hin und wird immer gern gesungen. Jochen Wiegandt stellt uns bekannte und unbekannte Lieder vor, bringt Varianten und versucht, wann immer es geht, den Ursprung der Lieder zu ermitteln und ihre Wanderwege aufzuzeigen. Und nicht nur um die Lieder geht es, sondern auch um die, die sie gesungen haben, von den namenlosen Bänkelsängern früherer Jahrhunderte über sehr unterschiedliche Volkssänger wie Hein Köllisch und eben Hans Albers bis hin zu Tony Sheridan, der viel, und Heino, der zum Glück wenig mit Hamburg zu tun hat. Ein Buch zum Stöbern, Entdecken, Nachschlagen, dazu reich illustriert.
Gabriele Haefs
 KEIVAN AGHAMOHSENI: Tango auf dem Persischen Teppich : d. Medium Schellackplatte im Kontext von Modernisierung und Nationalismus im Iran.
KEIVAN AGHAMOHSENI
Tango auf dem Persischen Teppich : d. Medium Schellackplatte im Kontext von Modernisierung und Nationalismus im Iran.
olms.de
(Hildesheim : Olms, 2017. – 291 S. – (Center for World Music – Studies in Music ;)
ISBN 978-3-487-15548-7 , 34,80 EUR


Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einer frühen Epoche der iranischen Musikindustrie, in der sich diese für Einflüsse von außen öffnete, und beschreibt die Wechselbeziehung zwischen der Entstehung der Musikindustrie und dem Wandel des Musiklebens in der iranischen Gesellschaft. Der Autor verknüpft zwei Arbeitsansätze miteinander, den rein diskografischen und den kulturwissenschaftlichen. Letzterer berücksichtigt auch die gegenseitige Beeinflussung von veröffentlichter Musik und dem Hörverhalten der Musikkonsumenten. Ein Schwerpunkt des Buches liegt auf Aufnahmen aus der Zeit Shah Reza Pahlavis von 1925 bis 1941, an deren Ende die Gründung des ersten nationalen Radiosender Irans stand. Durch die gesellschaftlichen Veränderungen jener Zeit konnten auch Sängerinnen zunehmend am Musikleben partizipieren, wie zum Beispiel Qamar al-Moluk Vasiri, die sich bereits 1924 der bis dahin geltenden Regel widersetzte und ohne Verschleierung konzertierte. Das Buch ist weit mehr als die bloße Beschreibung dessen, wie sich das Medium Schellackplatte im Iran etablierte und welche in- und ausländischen Akteure – darunter die Firmen Polyphon und Odeon – am Aufbau der dortigen Musikindustrie mitwirkten. Es ermöglicht auch einen einordnenden Blick auf gesellschaftliche Zusammenhänge, geht ausführlich auf die Ordnung und Systematik klassischer persischer Musik ein und darauf, wie sich einzelne Musiker davon emanzipierten und den Austausch mit ausländischen Kollegen suchten. Djamshid Sheibani zum Beispiel spielte mit dem Ensemble des Amerikaners Allan Small Tango, Rumba und Walzer in der ihm eigenen Weise und wurde so zu einem der Wegbereiter globaler Musik im Iran. Wer sich Spezialwissen über iranische Musik aneignen möchte und die der wissenschaftlichen Arbeit geschuldeten Einschübe, Querverweise und Fußnoten als hilfreich und nicht als Lesehemmnis zu betrachten vermag, wird das Buch mit viel Gewinn lesen.
Bernd G. Schmitz

 JAMES A. HEALD: World of Wonders : the lyrics and music of Bruce Cockburn. – Rev. and expanded.
JAMES A. HEALD
World of Wonders : the lyrics and music of Bruce Cockburn. – Rev. and expanded.
tinyurl.com/ya5238jx
(o. O. : Missing Link Records, 2017. – XVII 260 S.)
ISBN 978-1546664772 , 13,71 EUR


Der Poet, Gitarrist und Liedermacher James A. Heald legt die zweite, erweiterte Ausgabe seiner englischsprachigen Abhandlung über die Liedtexte und Musik des kanadischen Songwriters Bruce Cockburn vor. Einbezogen wurde die zwischenzeitlich erschienene Autobiografie des Singer/Songwriters, Rumors of Glory; darauf basierend hat der Autor die Analyse beziehungsweise Interpretation einiger Songs gegenüber der Erstauflage revidiert und diese Monografie in verschiedenen Bereichen überarbeitet und verbessert. Wenn man nun aufgrund des Buchtitels vermuten mag, dass Heald komplette Liedtexte abdruckt und dann den Song in seiner Gesamtheit diskutiert, so wird man enttäuscht. Stattdessen nimmt er Auszüge, einzelne Phrasen, Zeilen, Strophen oder Refrains von Hits und weniger bekannten Liedern des Songpoeten, stellt ihre Entstehung in den zeitgeschichtlichen und persönlichen Kontext, analysiert Cockburns jeweilige Situation und Verfassung, während das Lied entstand. Dabei geht Heald auch auf die spirituellen Einflüsse des bekennenden Christen Cockburn ein, spürt den Auswirkungen seiner Reisen in Kriegsgebiete in Zentralamerika, Kambodscha, Afghanistan und Irak nach. Auf diese Weise entwickelt Heald nach und nach ein Gesamtbild Cockburns und seines Werkes in vierzig Jahren und mehr als dreißig Alben, das – bei aller Komplexität – nicht umfassend sein kann. Für die Fans des Singer/Songwriters mag World of Wonders sicher eine spannende und aufschlussreiche Lektüre sein, Leser, die sich nicht mit dem Werk des Kanadiers auskennen, könnten das Buch aber nach einem oder zwei Kapiteln frustriert zur Seite legen.
Ulrich Joosten
 RONNIE BROWNE: That Guy Fae the Corries.
RONNIE BROWNE
That Guy Fae the Corries.
sandstonepress.com
(Dingwall : Sandstone Press, 2015. – XVI, 390 S. : mit Fotos)
ISBN 978-1-910985-06-9 , 9,99 GBP


Das schottische Duo The Corries war unter den „echten“ Folkies nie sonderlich populär. Zu musikantenstadlhaft kamen sie daher. Pro oder contra, sie waren faktisch Teil der schottischen Folkszene, wie der umfangreiche Index dieser Autobiografie beweist oder ihre Aufnahme in die Scottish Traditional Music Hall of Fame. Roy Williamson, der musikalischere der beiden, wie Browne mehrfach betont, starb bereits 1990 an einem Hirntumor. Das war das Ende der Corries, nicht aber das Ende ihrer Popularität und erst recht nicht das Ende von „Flower Of Scotland“. Der Song, von Williamson geschrieben, wird bis heute bei diversen Sportereignissen als schottische Nationalhymne gesungen. Der zum Zeitpunkt der Autobiografie 78 Jahre alte Browne erzählt seine Geschichte und die der Corries. Das macht er sehr detailliert und gewissenhaft. Manchmal hat man das Gefühl, einem Buchhalter zu folgen. Das ist wörtlich zu verstehen, denn Browne hält sich auch nicht mit Zahlen zurück, wahrscheinlich um zu zeigen, dass die Corries zwar gut verdient haben, aber keinesfalls in der Liga ihrer Popkollegen spielten. Das geht dann auch ins Persönliche, zum Beispiel wie viel diese Wohnung in Edinburgh gekostet hat und für wie viel sie dann Jahre später wieder veräußert wurde. Browne war und ist auch ein erfolgreicher Porträtmaler, war also nie ausschließlich auf die Musik angewiesen. Interessant für deutsche Leser ist, dass er das Konzert bei der „Matinee der Liedersänger“ des WDR Mitte der Siebziger als „one of the most successful engagements of our careers“ bezeichnet. Der Moderator Achim Sonderhoff kommt dabei besonders gut weg und heißt für Browne immer „Joe Sonderhoff“. Bei aller zeitweise irritierenden Penibilität, hinter der Fassade des erfolgreichen Entertainers steckt wahrscheinlich ein sensibler Mensch. 2014 beendete er seine Liveauftritte, weil sie ihn emotional zu sehr mitnahmen, denn im April 2012 starb seine Frau Pat. Und wenn dieses Buch eines klar und deutlich rüberbringt, dann Brownes bewegend tiefe Liebe zu dieser einzigen Frau, die für ihn ein und alles war. Kein schlechter Grund für ein Buch.
Mike Kamp

 JOHN SPILLANE: Will We Be Brilliant or What? : Songs and Stories / Foreword by Christy Moore.
JOHN SPILLANE
Will We Be Brilliant or What? : Songs and Stories / Foreword by Christy Moore.
collinspress.ie
(Cork : Collins Press, 2016. – XI 220 S.)
ISBN: 978-1-84889-285-9 , 16,99 EUR


Der bereits in Heft 2/2010 des Folker näher vorgestellte irische Liedermacher John Spillane ist in seinem Heimatland eine über Folkkreise hinaus angesehene Persönlichkeit, was nicht zuletzt die Riege an namhaften Künstlern diverser Genres zeigt, die Lieder von ihm gecovert haben und dadurch mit dazu beitragen, dass diese über kurz oder lang selbst Teil des traditionellen Repertoires werden dürften. Seine Alben waren teilweise Chartstürmer, er erhielt nationale Preise und hat im vergangenen Jahr mit Will We Be Brilliant or What? ein Buch vorgelegt, das die Texte von knapp sechzig der über zweihundert Songs enthält, die er bisher verfasst hat. Außerdem lässt Spillane darin sein musikalisches Leben Revue passieren, wobei er sich in erster Linie an seinen Liedern orientiert und erzählt, was zu deren Entstehung führte oder an welche Begebenheiten sie ihn erinnern. Zwischendrin eingestreut sind immer wieder längere Passagen, in denen er seinen musikalischen Werdegang von den ersten Schritten in einer Rockband über Swing und Jazz bis hin zu traditioneller Musik, Folk und schließlich seiner Solokarriere als Singer/Songwriter schildert. Es ist ein sehr intensives Buch, an dem besonders die positive Ausstrahlung heraussticht, die Spillane sprachlich und inhaltlich an den Tag legt. Er schreibt genauso verschmitzt und aufgeräumt, wie er die Ansagen in seinen Konzerten gestaltet. So kann auch, wer mit seinen Liedern nicht vertraut ist, in der poetischen und lebensbejahenden Art des Musikers eine lohnenswerte Lektüre finden. Und es lässt sich verschmerzen, dass es keine Diskografie gibt oder meist nicht ersichtlich ist, auf welchem Album ein Song erschienen ist. Dafür schrieb ihm der zum Freund und zeitweisen Kollaborateur gewordene Christy Moore ein liebevolles Vorwort, und nach einem knappen Drittel des Buches bekommt der Leser einen waschechten Workshop im Songschreiben. „Jeder trägt ein Buch in sich, hier ist meins …“, bekundet Spillane in der Einleitung. Gut, dass er es geschrieben hat.
Stefan Backes
 ANDREA DAUN: Jan und Jules Weihnachtswunder [Buch] / Ill. v. Régis Noël.  ANDREA DAUN / TOM DAUN: Jan und Jules Weihnachtswunder [Hörbuch].
ANDREA DAUN
Jan und Jules Weihnachtswunder [Buch] / Ill. v. Régis Noël.
tomdaun.de
rgverlag.at
(Dörfles : Götz, 2017. – 48 S. : mit zahlr. Ill.)


ANDREA DAUN / TOM DAUN
Jan und Jules Weihnachtswunder [Hörbuch].
tomdaun.de
rgverlag.at
(Dörfles : Götz, 2017.)
ca. 40:00 , 15,00 EUR


Noch im Druck sind Buch und Hörbuch, sodass wir bei Redaktionsschluss noch nicht alle Informationen für eine Bestellung vorliegen hatten. Geplanter Erscheinungstermin war der 1. November, aber diese Geschichte sollte möglichst schon dieses Jahr die Vorweihnachts- und Weihnachtszeit in den Kinderstuben sein. Einerseits schlicht, dabei jedoch wunderschön illustriert, erzählt und musikalisch untermalt ist das, was Jan und Jule am Vorabend von Weihnachten und am Weihnachtstag erleben. Anfangs erinnert es ein wenig an Hänsel und Gretel, doch dann kommt ein wildes Tier ins Spiel, das normalerweise nicht in einem Winterwald zu finden ist. Und es passiert das Weihnachtswunder, welches Jan und Jule erleben. Für die Eltern, die die Kinder erst am Weihnachtstag im Wald finden, wird ein alter Mythos lebendig. Obwohl es keine bizarre oder aufsehenerregende Geschichte ist, passt sie zur Weihnachtszeit, und es kommen immer wieder Weihnachtslieder vor. Auf dem Hörbuch sind diese von Tom Daun schlicht, schön und ohne Gesang auf der Harfe eingespielt. Weihnachtsstimmung ist also vorprogrammiert. Und im Buch sind es die liebevollen Illustrationen von Régis Noël, die die Produktion abrunden. Ein schönes Geschenk zu Nikolaus oder Weihnachten.
Doris Joosten

Deutschland
 CAROLIN NO: You & I
CAROLIN NO
You & I
carolin.no
(Fuego 2770)
11 Tracks, 40:17


Auch nach elf Jahren und elf Alben ist es schier unmöglich, dieses Ausnahmeduo mit Worten zu beschreiben. Jeder, der Carolin No einmal erlebt hat, verliebt sich unweigerlich in diese beiden Musiker. Das ist zwar sachlich vermutlich richtig, hilft aber auch nur bedingt. Der Versuch, Carolin Nos Musik zu umreißen, klingt vielleicht so: Das neueste Album wurde ausschließlich akustisch eingespielt. Die samtweiche Stimme von Sängerin Carolin Obieglo wird treffsicher von Ehemann und Mitmusiker Andreas begleitet. Das Album startet mit starken Americana-Stücken, um dann, wie auf dem 2016er-Album Ehrlich gesagt, einen Ausflug in die Kultur deutscher Liedermacher zu wagen. Ob spanisch, deutsch oder englisch, die Songs sind allesamt hochkarätig, die auf leise Töne ausgerichteten Arrangements könnten stimmungsvoller nicht sein. Das Album ist voller Überraschungen und unerwarteter Wendungen, gehalten von einer sanften sympathischen Grundstimmung. Soweit zur musikalischen Beschreibung. Die eigentliche Wahrheit ist jedoch: Anhören. Verlieben.
Chris Elstrodt
 DIE GRENZGÄNGER: Lieder eines Lebendigen: Georg Herwegh – Poet und Rebell
DIE GRENZGÄNGER
Lieder eines Lebendigen: Georg Herwegh – Poet und Rebell
folksong.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 56:13 , mit Fotos, Gemälden, dt. Infos u. Texten


Die Grenzgänger aus Bremen sind dafür bekannt, historische Themen zu behandeln, indem sie altbekannte und vergessene Lieder in neuen, frischen Arrangements zum Besten geben und so eine Brücke zur aktuellen Gesellschaft schlagen. Georg Herwegh (1817-1875) ist der Autor der auf ihrem achten Album gesammelten Lieder. Sie sind Aufschreie gegen die despotischen Zustände deutscher Politik zwischen Wiener Kongress und Kaiserreich mit der 1848er-Revolution in ihrer Mitte: Ausbeutung von Arbeitern, Verhaftungen politischer Gegner, Unterdrückung der Pressefreiheit und Kriege gegen die Nachbarn. Hier und da wahrscheinlich vom Bandchef Michael Zachcial in die Herwegh'schen Texte eingefügte Verweise auf heutige „Fernsehsender und Blätter“, die „täglich das Wetter“ bringen, oder auf „Berlin an der Spree“, wo „in dem hohen Haus“ „Lobbyisten“ ein- und ausgehen, zeigen deutlich, dass das 19. Jahrhundert inzwischen zwar Geschichte, der Kampf für Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit, Mitmenschlichkeit aber nach wie vor aktuell ist. Und dass wir uns ihrer keineswegs sicher sein dürfen, sondern es gute protestantische Tugend ist, kein „guter Bürger“ zu werden, sondern immer weiter zu protestieren, denn „der Rhein, der Rhein könnt freier sein“.
Michael A. Schmiedel

 KLAUS HOFFMANN: Glaube Liebe Hoffmann
KLAUS HOFFMANN
Glaube Liebe Hoffmann
klaus-hoffmann.com
(Stille-Musik/INDIGO)
CD 1: 23 Tracks, 62:40; CD 2: 17 Tracks, 51:05; CD 3: 10 Tracks, 34:19; DVD, 149


Im letzten Jahr feierte Klaus Hoffman seinen 65. Geburtstag und sein vierzigjähriges Bühnenjubiläum. War die Tour dazu noch mit „Leise Zeichen“ betitelt, so wurde sie gekrönt mit einem fulminanten Konzert im Berliner Friedrichstadtpalast. Ein Heimspiel, gewiss, in einem großen Haus, wo stürmischer Applaus laute Zeichen setzte. Dieses Konzert ist in einer umfangreichen Produktion mit CDs und einer DVD dokumentiert, was die Fans sehr erfreuen wird. Mit über dreißig Liedern lässt er seine Karriere Revue passieren, ein Gastauftritt von Reinhard Mey bei drei Liedern bildet einen emotionalen Höhepunkt. Mit sympathischen, aber auch ironisch eitlen Ansagen und Erklärungen führt er sein dankbares Publikum durch den Abend. Ein volles Programm über zweieinhalb Stunden, das keine Wünsche offenlässt.
Rainer Katlewski
 JOHANNES KIRCHBERG: Johannes R. Becher – Einmal frei. Und einmal glücklich sein
JOHANNES KIRCHBERG
Johannes R. Becher – Einmal frei. Und einmal glücklich sein
johannes-kirchberg.de
(Dermenschistgut Musik/Feiyr)
16 Tracks, 40:47


Kann man sich diesem kommunistischen Dichter und Politiker ohne Vorurteile, rein menschlich nähern? Wird man mit diesem Ansatz eigentlich dem eigenen Anspruch des Dichters gerecht? Und was sagen einem heute die Gedichte des vor fast sechzig Jahren Verstorbenen? Wie kann man einem heutigen Publikum das umfangreiche Werk nahebringen? Johannes Kirchberg hat aus den Gedichten Lieder gemacht. Er hat seine Auswahl aus Hunderten, die Becher hinterlassen hat, selbst vertont und einen sehr aufwendigen klassischen Ansatz gewählt. Das Streichquartett Canea begleitet ihn dabei eindrucksvoll. Sein Gesang verleiht den Texten eine gewisse Frische und Unbeschwertheit. Ausgewählt hat er Liebesgedichte, Fragendes zur Zeit, Reflexionen über sich selbst, Antikriegsgedichte und Heimatgedichte. Becher hat in seinem großen Œuvre viel Agitatorisches, viel tagespolitisch Getriebenes und auch Kitschiges hinterlassen. Diese Zwiespälte trieben ihn gleichermaßen an, wie sie seine künstlerische Wahrhaftigkeit beeinträchtigten. Hier vermisst man Informationen über Zeit und Kontext der Gedichte. Es ist ein wohlmeinendes literarisches Programm geworden, das einen umstrittenen, gleichwohl fast vergessenen Dichter wieder vorstellt. Die Beschäftigung mit Becher führt einen tief in die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Rainer Katlewski

 MANFRED KUPP: Manni's kleine Welt
MANFRED KUPP
Manni's kleine Welt
manniskleinewelt.com
(Eigenverlag)
10 plus 2 Tracks, 44:58 , mit Fotos, Gemälden u. dt. Infos


Was ist Heimat? Ist es die Gegend, in der man hängen blieb, obwohl man eigentlich wegwollte? Manfred Kupp, hunsrück-moselfränkischer Liedermacher und Ex-Mitglied der Hunsrücker Mundartband Mouldahaaf, fand seine neue Heimat im Westerwald, immer noch im Moselfränkischen, und fühlt sich dort doch sprachlich in der Fremde. Neun der zwölf Lieder dieses Albums, das er zusammen mit vier weiteren musizierenden und zwei sprechenden Menschen sowie mehreren gackernden Hühnern aufnahm, sind denn auch im Hunsrücker Platt verfasst, drei auf Standarddeutsch. Zwei der Texte sind von Irene Busch. Die Themen sind aus dem Alltag gegriffen, wie bei „Klassentreffen“ oder im „Roggen-Roll“, nehmen medial geschaffene Heimatgefühle auf die Schippe, wie im „Schabbach-Blues“, oder sind gesellschaftskritisch wie in „Engel singen anders“. Dieses Lied ist zugleich von einer fast mystischen Tiefe und behandelt den Umgang mit Kindern, die man für unsern Wohlstand zur Arbeit zwingt oder zu Soldaten macht. Mannis kleine oder eine Welt befindet sich somit zwischen der auch sprachlich kleinen Heimat und globaler Verantwortung. Schön wäre es, wenn der Klang der CD etwas klarer wäre und man die Texte auch mitlesen könnte.
Michael A. Schmiedel
 MAX PROSA: Keiner kämpft für mehr
MAX PROSA
Keiner kämpft für mehr
maxprosa.de
(Columbia/Sony)
Promo-CD, 11 Tracks, 39:49


Lange hat er sich Zeit gelassen. Vielleicht zu lange? Sicher, auch die neuen Lieder Max Prosas haben textlich wie musikalisch Potenzial und lassen den „alten“ Prosa immer wieder durchscheinen. Hört man sie sich in Akustikversionen im Netz an, bekommt man ein Gefühl dafür, was daraus hätte werden können, und die Stärken ihres Schöpfers werden sichtbar, der mit eindringlichem Gesang und Leidenschaft weiter seine Botschaft von der Sehnsucht des Dichters nach Freiheit und Unabhängigkeit verkündet. Aber hat sich Prosa mit der Anbindung an ein Majorlabel nicht bereits in eine Form der Abhängigkeit begeben? Sein Bekenntnis „Glücklich mit nichts“ aus dem Opener verliert schnell an Glaubwürdigkeit angesichts teilweise überproduzierter Versionen der Lieder auf dem Album mit Elementen, die stärker auf Radio- und Charttauglichkeit angelegt sind als auf künstlerische Gesichtspunkte. Das Album schwankt zwischen Singer/Songwriter-Indiefolk, den er kann, und massenkompatiblem Deutschpop, der den Sänger einer Beliebigkeit anheimgibt, die ihn stellenweise kaum unterscheidbar macht von Kollegen wie Joris oder Andreas Bourani. Offenbar mit Absicht, denn der Waschzettel erzählt vom „vorläufigen Höhepunkt einer akribisch betriebenen künstlerischen Suche“. Schade.
Stefan Backes

 CHRISTIAN RANNENBERG: Old School Blues Piano Stylings
CHRISTIAN RANNENBERG
Old School Blues Piano Stylings
christian.rannenberg.de
(Acoustic Music Records 319.1570.2/Rough Trade)
18 Tracks, 71:38 , mit engl. Infos


Der 61-jährige Bluespianist Christian Rannenberg aus Solingen ist in den Top Ten der deutschen Bluesszene anzusiedeln. Er hat mit vielen hervorragenden Musikern und Formationen gespielt, wie etwa dem US-Saxofonisten Gary Wiggins und der inzwischen verstorbenen Sängerin Jeanne Caroll oder der Blues Company. Auf seiner neuen Produktion bei Acoustic Music Records – seine letzte Aufnahme dort liegt fünfzehn Jahre zurück – ist bei dem Titel „Rent Man Blues“ auch wieder eine Gastsängerin dabei, nämlich die in Osnabrück lebende Amerikanerin Angela Brown. Unter den Titeln sind zehn Eigenkompositionen. Anlass zu besonderer Freude gibt das letzte Stück auf dem auch optisch gelungenen Album im schönen Digipack-Design, „God Bless The Child“ von Billie Holiday.
Annie Sziegoleit
 U.T.A.: Vitamin D
U.T.A.
Vitamin D
uta-holst-ziegeler.de
(Sound Exit Records UHZ002-0717)
12 Tracks, 49:09 , mit Texten


Oftmals überbieten sich Liedermacher in ihrem Wortwitz. Sprachliches Geschraube simuliert Verstand und bringt den intellektuell gebildeten Hörer ins Entzücken ob des eigenen Verständnisses. Nicht so U.T.A. Die Künstlerin verwendet in ihren Liedtexten sehr einfache Worte. So einfach, dass man beim schnellen Hören denkt: Das kann ich auch, Straßenkunst für Naive. Dann aber schlagen die Textzeilen unerbittlich zu und berühren das Herz. Aus leichter Überheblichkeit wird erst Erstaunen und dann schiere Begeisterung. Man schämt sich ein wenig, weil man eben doch nicht besser ist als die ganzen Besserwisser, die man eigentlich verachtet. Und dann lauscht man den Worten von U.T.A. wieder und wieder. In jedem Lied erkennt man sich selbst. Jeder von uns ist der Verlierer Otto – eigentlich Otto der Große. Jeder von uns sucht unter dem Bett nach Gespenstern. Bei „Angeber“ erwischt die Liedermacherin den Hörer kalt. Wer ist hier der Urteilende und wer der Verurteilte? Musikalisch traut sich U.T.A. ähnlich viel zu wie textlich. Ob als Reggae nach Hausmacherart, Kindermusik oder Wohnzimmerrap, die große Kunst liegt in den kleinen Gesten. Einfach wunderbar.
Chris Elstrodt

 ANNA MARIA ZINKE & DIE BAND IM AUFBAU: Verwahrung
ANNA MARIA ZINKE & DIE BAND IM AUFBAU
Verwahrung
bandimaufbau.com
(Prosodia)
11 Tracks, 53:48 , mit Texten


Sängerin Anna Maria Zinke beschreibt das Debüt ihrer Band so: „Warum man an der CD Gefallen finden kann, kann ganz unterschiedliche Gründe haben.“ Klingt einfach, aber so leicht macht es dem Hörer Die Band im Aufbau nicht. Geschickt baut die Formation aus Halle eine Erwartung auf, um dann zielsicher einen anderen Weg einzuschlagen. Bereits beim Opener erwartet man tiefgründige Texte. Stattdessen wird das wundervolle Gitarrenspiel von einigen Satzfragmenten unterstrichen und erzeugt so statt einer „Botschaft“ eher ein Gefühl, welches zum Betrachten einer Landschaft einlädt. Bei „Karussell“ ist es umgekehrt, ein nahegehender Text wird in einer unsingbaren Gesangsmelodie vorgetragen, absolut ungeeignet für das Lagerfeuer und gerade deswegen herzerwärmend. Dem Wunsch des Hörers nach einem neuen Lieblingslied entzieht sich die Band wieder und wieder. Die Kompositionen sowie die Arrangements sind von überragender Qualität und passen eher zu jahrzehntelang eingespielten Profimusikern als zu einem Debütalbum. Das Album hinterlässt den Eindruck, das hier ein sehr wertvolles Stück Musik geschaffen wurde, doch die Liebe nach dem ersten Hören bleibt aus. Das hat Konsequenzen. Verwahrung landet immer wieder im CD-Spieler, bis sie letztlich doch zur großen Liebe wird.
Chris Elstrodt



Europa
 PAUL ANDERSON: The High Summit
PAUL ANDERSON
The High Summit
paulandersonscottishfiddler.com
(Fingal Records FINCD506)
18 Tracks, 50:51


Er ist nicht einfach einer der vielen talentierten Geigenspieler Schottlands. Er gehört gemeinsam mit Künstlern wie Duncan Chisholm oder Bruce MacGregor zur absoluten Spitze der dortigen Fiddleszene – und Paul Anderson war Teil des „Kist-o-Riches“-Projekts beim 2017er-Rudolstadt-Festival. Wer Andersons brandaktuelles, achtes Soloalbum auflegt, wird nicht umhinkommen festzustellen: So selbstbewusst und überzeugend kann nur ein absoluter und erfahrener Meister seines Instruments spielen. Die Kompositionen, egal ob mitreißend oder elegisch, sind ausschließlich seine eigenen, aber sie klingen authentisch wie Melodien aus vergangenen Jahrhunderten. Begleitet wird er auf dem Album von Größen wie Tony McManus oder Malcolm Jones an der Gitarre, Ali Napier an den Keyboards und als Produzent und einmal von seiner Frau, der renommierten Sängerin Shona Donaldson, die auch in Rudolstadt zu hören war. Wenn es um schottische Fiddlemusik geht, kann sie nicht viel besser klingen als bei Paul Anderson.
Mike Kamp
 GIGI BIOLCATI: Da Spunda
GIGI BIOLCATI
Da Spunda
gigibiolcati.it
(Vis-Age Music VM 3011)
11 Tracks, 36:40


Der Percussionist von Riccardo Tesis Banditaliana glänzt bei seinen Auftritten mit den Toskanern durch Können und Humor. Mit jedem Gegenstand, inklusive dem menschlichen Körper, trommelt der Mann die vertracktesten Rhythmen. Da Spunda zeigt den aus Santhià, Piemont, stammenden Musiker noch in anderen Farben. Da ist der sensible Liedermacher, der, wie im Eröffnungsstück „Al Santé“, über das Leben sinniert oder in „Gina“ ein Liebeslied für seine verstorbene Mutter schreibt. Die Mehrheit der Lieder singt er im Santhiateser Dialekt. Da ist auch der Multiinstrumentalist, der experimentelle Töne erzeugt, knackige Popmusik macht und auf eigenwillige Art einen italienischen Schlager aus dem Jahre 1936 neu belebt. Schon eher erwarten durfte man den witzigen Call-and-Response-Gesang im kurzen „Gossip Immobiliare“ oder die afrikanischen Polyrhythmen im piemontesischen Traditional „Giobi Di Capusin“. Gigi Biolcati ist Chorsänger, Beatboxer, Pianist, Bassist und Gitarrist, und alle diese Instrumente sind für ihn selbstredend Rhythmusinstrumente. Der Ausdruck da spunda (beim Billard über die Banden spielen) erschließt sich nach dem Anhören des Albums. Ein lohnender Blick um die Ecke.
Martin Steiner

 COMMONERS CHOIR: Commoners Choir
COMMONERS CHOIR
Commoners Choir
commonerschoir.com
(No Masters NMCD49)
21 Tracks, 54:38 , mit engl. Texten u. Infos


Im Norden Englands, speziell in Yorkshire, gibt es jede Menge sture Typen, die der Obrigkeit widerstehen und sich den Mund nicht verbieten lassen. Viele davon vertreten sympathische Meinungen, und fünfzig von diesen Menschen sind singenderweise auf diesem Album versammelt. Commoners Choir sind Frauen und Männer, britisch zwar, aber aus allen Ecken der Welt stammend, die mindestens zwei Dinge gemein haben: Freude am Singen und eine gesunde Portion Wut im Bauch. Das ergibt seit 2015 dann zwar keine filigrane Chormusik, doch treffende Songs über lokale, nationale und internationale Gegebenheiten, die eines Kommentars bedürfen – und wenn es nur ein Satz ist. Die Flüchtlingsfrage ist so ein Thema. Der Chor ist basisdemokratisch organisiert, mit all den teils nervigen Diskussionen, die sich ergeben. Man höre als Erklärung einfach nur „Woody’s Song“. Aber hinter all dem steckt der engagierte Kopf des Ex-Chumbawamba-Mannes Boff Whalley, der die Lieder schrieb und arrangierte. Das ist nicht nur Chor pur, wir hören auch gesprochene Passagen, Comedy und ungewöhnliche Klangkombinationen, aber immer gilt: Commoners Choir sind politisch, wütend, laut, voller Hoffnung und verlieren nie ihren Humor. Großartig!
Mike Kamp
 DOBRANOTCH: Makhorka
DOBRANOTCH
Makhorka
dobranotch.ru
(CPL-Music CPL019/Broken Silence)
10 Tracks, 39:35


Es war die Wanderlust, die eine Handvoll Russen in der Diaspora, genauer 1998 in Paris ein Brassorchester gründen ließ. An Makhorka, eigentlich ein rustikales Kraut, das in Russland als Tabakersatz verwendet wird, wirkten gleich acht Musiker mit. Vorneweg natürlich Milia Khramtsov (v, voc), der einzige, der durchgehend seit der Gründung vor rund zwanzig Jahren immer dabei war und auch auf der Bühne nach wie vor deutlich das Zepter in den Händen zu halten scheint, ergänzt hier durch Ilia Gindin (cl), Maxim Karpychev (sax), Evgeny Lizin (dr), Roman Shinder (bj), Grigory Spiridonov (tb) und Alexey Stepanov (tuba). Sicherlich separat erwähnenswert ist schließlich der in Deutschland sesshafte Ilya Shneyveys (acc), der geschätzt in etwa einem Dutzend weiteren Formationen fast gleichzeitig zu spielen scheint. Merkwürdigerweise dauerte es neunzehn Jahre für die Band, um auch bei uns ein Album zu veröffentlichen; die vorausgegangenen sechs sind auf dem deutschen Markt nicht zu finden. Aber aufgepasst, hier handelt es sich um Derwische der Volksmusik, die selbst das lahmste Tanzbein bedingungslos zum Schwingen bringen, etwa in „Krakowiak“, einer fantastischen Mischung aus Balkanfolk, Klezmer, Brass und russischer Folklore.
Matti Goldschmidt

 KRIS DREVER: If Wishes Were Horses
KRIS DREVER
If Wishes Were Horses
krisdrever.com
(Reveal Records REVEAL058CDX)
11 Tracks, 47:01 , mit engl. Texten


Das singende Drittel der schottischen Gruppe Lau zeigt erneut, dass er unbedingt ein weiteres Medium für sein überbordendes kreatives Output braucht, und das ist dann eben, neben diversen anderen Kooperationen, auch mal ein Soloalbum. Und so ganz nebenbei produziert Kris Drever seine Musik auch selbst, wohlwissend, wie er zu klingen hat. In erster Linie arbeitet er solo mit dem nordenglischen Ausnahmegitarristen Ian Carr zusammen, mit dem er auch im September auf diversen deutschen Bühnen zu erleben war. So kann er sich voll und ganz auf seine Lieder konzentrieren, zusätzlich begleitet von Euan Burton an Bass und Piano, Louis Abbott an Drums und Percussion sowie Yolanda Quartey, die ihn gesanglich unterstützt. Das Album startet mit „I Didn’t Try Hard Enough“, seinem nachhaltigsten Song über die bedauernswerten Klagen eines Arbeitslosen, dem auch noch seine Beziehung in die Binsen geht. Ein weiterer Höhepunkt stammt ausnahmsweise nicht von Drever selbst, nämlich der Spence/Miller-Song „Capernaum“ über seine Heimatstadt Edinburgh. Der Rest sind neun weitere hochklassige Lieder, die Kris Drevers Status als einer der zeitgenössischen Top-Songwriter Schottlands bestätigen.
Mike Kamp
 HASA-MAZZOTTA: Novilunio
HASA-MAZZOTTA
Novilunio
de-de.facebook.com/HasaMazzotta
(ponderosamusic&art CD 140)
10 Tracks, 37:49 , mit Texten


Was macht die Magie eines Albums aus? In Novilunio ist es das Zusammentreffen zweier harmonierender Musikerpersönlichkeiten. Maria Mazzotta aus Salento besitzt eine Stimme wie geschaffen für die Tarantella – aber auch für französische Chansons und jazzige Einlagen. Ihr musikalischer Partner, der Albanier Redi Hasa, verwendet sein Cello häufig als perkussives Zupfinstrument. Er kann aber auch anders. „Woodroom“ etwa ist ein getragenes, minimales Solostück, das einen wohlig warmen Kontrast bildet. Ein Cello, eine Stimme, mehr braucht es nicht. Handverlesene Gäste sorgen für wohldosierte zusätzliche Akzente, allen voran die Bläser im stimmungsvollen „Aux Souvenirs“. Das arabisch-italienische Gesangsduett der Salentinerin mit dem marokkanischen Gnawamusiker Mehdi Nassouli in „Capufrisca“ ist ein weiteres Schmankerl. Und der iranische Percussionist Bijan Chemirani sorgt in vier Stücken für eine orientalische Note. Neben einem albanischen Traditional und einem Lied von Rosa Balistreri hat das Duo alle Stücke selbst geschrieben. Salento, der Stiefelabsatz Italiens, ist ein kultureller Schmelztiegel und bringt immer wieder herausragende Musiker verschiedener Länder zusammen.
Martin Steiner

 LONEY DEAR: Loney Dear
LONEY DEAR
Loney Dear
loneydear.com
(Real World/Pias)
Promo-CD, 10 Tracks, 36:27


Ein Plattenvertrag bei Peter Gabriels Real World Label ist für jeden Weltmusiker immer noch ein Ritterschlag. So könnte er auch dem wundervoll verschrobenen Loney Dear zum Durchbruch verhelfen. Der Schwede mit dem bürgerlichen Namen Emil Svanängen veröffentlicht mit seinem Self-Title-Album nämlich keineswegs sein Debüt, sondern bereits sein siebtes Album in immerhin fünfzehn Jahren. Und versprochen, die Gefahr, dass man sich nach dem Hören dieser CD die anderen sechs Alben nachkauft, ist gigantisch. Loney Dear klingt so abwechslungsreich, dass die Neugier, welche Ideen der Künstler noch in der Tasche hat, fast unbezwingbar ist. Zu Beginn klingt das Album noch unspektakulär modern, nach Folkpop in bester Bon-Iver-Tradition, entwickelt dann aber immer neue Wendungen und Kurven, ohne einen schlüssigen Gesamteindruck vermissen zu lassen. Die elektronischen Tracks würden auch Depeche Mode vor Neid erblassen lassen. Simulierte klassische Musik bis hin zu schlagerverwandter Kompositionstechnik à la Hurt, leicht düstere Balladen, Glass‘scher Minimalismus, der Quell der Ideen scheint unerschöpflich. Vielleicht ist Loney Dear nach The Divine Comedy das größte unbekannte Talent dieser Tage.
Chris Elstrodt
 NATAŠA MIRKOVIC, MICHEL GODARD, JARROD CAGWIN: En El Amor
NATAŠA MIRKOVIC, MICHEL GODARD, JARROD CAGWIN
En El Amor
natasa-mirkovic.com
michel-godard.fr
jarrodcagwin.net
(Carpe Diem Records, CD-16313)
14 Tracks, 60:37 , mit engl. u. dt. Texten u. Infos


Eine Zeitreise in eine unbekannte Klangwelt. Die klassisch ausgebildete bosnische Sängerin und Musikethnologin Nataša Mirkovic taucht mit ihrem aktuellen Projekt in die vielfältige Musikwelt der Sepharden ein. Nach ihrer Vertreibung von der iberischen Halbinsel im 16. Jahrhundert ließ sich ein Großteil dieser jüdischen Gemeinde auf dem Balkan nieder. Die in Wien lebende Opernsängerin Mirkovic präsentiert eigene Arrangements der reichen sephardischen Tradition aus Spanien, Bulgarien, Griechenland, der Türkei und Bosnien-Herzegowina. Mit klarer und ausdrucksstarker Stimme unterstreicht sie die schöne Schlichtheit der Lieder und ihre tiefgehende Poesie. Die Balladen, Hochzeitslieder und Romanzen erzählen von den alltäglichen Herausforderungen der Sepharden. Begleitet wird Mirkovic bei den Aufnahmen in der alten Synagoge im österreichischen St. Pölten von zwei exzellenten Kollegen. Der französische Jazz- und Barockmusiker Michel Godard unterstreicht mit seinem feinen Improvisationsspiel auf dem historischen Serpent und der Tuba die Stimmung der einzelnen Klanggeschichten. Jarrod Cagwin aus den USA beeindruckt dagegen mit seiner hervorragenden Percussionkunst. Sein ausgeprägtes Wissen über die indischen und orientalischen Rhythmen verleiht den Liedern einen märchenhaften Zauber.
Erik Prochnow

 MATTHEW ROBB: Spirit In The Form
MATTHEW ROBB
Spirit In The Form
matthewrobb.com
(WabiSabi Music, LC 09316)
9 Tracks, 36:49 , mit engl. Texten


Manche Alben müssen lange reifen. Fast dreißig Jahre macht der in Köln lebende englische Singer/Songwriter bereits Musik. Doch erst jetzt, mit 48, veröffentlicht er seine erste Platte. Aber das Warten hat sich gelohnt. Selbst Bob Dylan könnte sich von den neun Songperlen noch das eine oder andere abschauen. Aufgewachsen mit dem klassischen Blues, besticht Matthew Robb durch musikalische Arrangements, die durch ihre Schlichtheit mitreißen. Aus Gesang, akustischen Gitarren und Harp erklingt die große Folktradition des amerikanischen Westens. Doch es sind vor allem Robbs Texte mit großem Tiefgang, die seine Kompositionen so brandaktuell machen. Wie ein roter Faden zieht sich durch seine Lieder die Desillusion der Menschen der Wohlstandsgesellschaft. Da singt der Songpoet vom Alkoholtod eines engen Freundes, von moderner Sklaverei, von immer wieder aufgeschobenen guten Vorsätzen zur Veränderung, von zunehmender Gier und Hass. Trotz aller Melancholie strahlen Robbs Songs, wie etwa in „River“, jedoch auch eine große Hoffnung aus, dass den Menschen eine Kraft innewohnt, die innere Last abzulegen: „There is a river that runs through you.“
Erik Prochnow
 TWELFTH DAY: Cracks In The Room
TWELFTH DAY
Cracks In The Room
twelfthdaymusic.com
(Beste! Unterhaltung BU077/Broken Silence)
11 Tracks, 36:48


Normal waren die beiden Damen aus Edinburgh noch nie. Normal im Sinne von „schön die Geige streichen, die Harfe zupfen und nette Lieder trällern“. Catriona Price (Fiddle, Gesang) und Ester Swift (Pedal Harp, Gesang) haben auch nicht vor, auf ihrem dritten Album Normalität einkehren zu lassen, im Gegenteil. Wer einen Folk-Maverick wie Chris Wood zum Produzenten beruft und Oz Fritz, den Soundmann von Tom Waits, mixen lässt, der führt spannende Abenteuer im Schilde. Die selbstgebastelten Lieder und Melodien von Twelfth Day sind mehr denn je gewagt, persönlich, philosophisch und in den Harmonien immer wieder überraschend. Sicherlich sind die Wurzeln dieser Klänge auch in der Tradition zu finden, aber die Musik des Duos weist weit über diese engen Grenzen hinaus. Sie klingt manchmal vielleicht sogar eine Spur zu abstrakt, so zum Beispiel das Instrumentalstück „Another Phase In History“, laut Waschzettel eine eindringliche Klage über den Krieg in Syrien, was sich zumindest diesem Rezensenten nicht unmittelbar erschließt. Sollte das anderen ähnlich gehen, keine Sorge. Das wird live mit einer überaus eindrucksvollen Bühnenpräsenz relativiert.
Mike Kamp

Afrika
 DAMILY: Very Aomby
DAMILY
Very Aomby
lesdisquesbongojoe.bandcamp.com/album/very-aomby
damily.net
(Les Disques Bongo Joe BJR 019)
Vinyl-LP, 7 Tracks, 37:17


Madagaskar ist eine große Insel, auf der sich viele musikalische Traditionen herausgebildet haben und gelebt werden. Eine von diesen ist Tsapiky (gesprochen „tsa-piek“), die am nördlichen Zipfel dieser Landmasse vorherrscht. In ihr haben sich kenianische, mosambikanische und kongolesische Musiken zu einer schwirrenden Melange vereint. Tsapiky wird von perlenden Gitarrenläufen angetrieben, die über einen repetitiven Rhythmus rollen, der von Bass und Schlagzeug gebildet wird. Damily ist ein Gitarrist, der das minimalistische, doch trickreiche Gitarrenspiel des Tsapiky außerordentlich gut beherrscht und mit seiner Band bis auf die Spitze treibt. Man meint, in seinem Drei-Finger-Picking noch das Spiel auf der Valiha, einer traditionellen, mit Stahlseiten bespannten Bambusröhre, herauszuhören. Doch der Sound auf Very Aomby ist elektrisch, eine zum Tanzen anregende, unruhige Musik voller monotoner, sich umkreisender Themen und Rhythmen, die von einem erzählerischen Gesang begleitet werden. Very Aomby ist auf jeden Fall eine große Entdeckung.
Michael Freerix
 KASAI ALLSTARS & ORCHESTRE SYMPHONIQUE KIMBANGUISTE: Around Félicité – Music From & Around The Soundtrack
KASAI ALLSTARS & ORCHESTRE SYMPHONIQUE KIMBANGUISTE
Around Félicité – Music From & Around The Soundtrack
kasaiallstars.bandcamp.com
felicite-lefilm.com/kasai-allstars
(Crammed Discs – cram 273/Indigo)
11 Tracks, 74:29 , plus Bonus-CD: 10 Tracks, 46:01


Bei der Musik aus und um den Film Félicité handelt es sich nicht in herkömmlicher Weise um einen Soundtrack. Vielmehr kreierte der Regisseur Alain Gomis – angeregt durch die Musik des 15-köpfigen Musikerkollektivs aus Kinshasa – die Geschichte des Films um die Sängerin Muambuyi. Die Gruppe der Kasai Allstars sind bekannt als Zusammenschluss von Musikern aus fünf ethnischen Gruppen, die gemeinsam begannen, ihre traditionelle Musik zu urbanisieren, während zuvor eine Zusammenarbeit wegen der konfliktreichen Beziehungen als unmöglich erachtet wurde. Neben Percussioninstrumenten, Trommeln und Xylofonen spielen unter anderem Gitarren und mit selbst gebauten elektrischen Verstärkern verzerrte Daumenklaviere eine zentrale Rolle. Dazu kommt dann noch der meist mehrstimmige, tranceartige Gesang, herausragend zum Beispiel von der charismatischen Muambuyi. Atempausen in der gewohnt urwüchsigen Musik der Kasai Allstars schaffen auf dem Album (Congotronics-Reihe Nr. 7) die eher ruhige, aber nicht minder emotionale Musik Arvo Pärts, hier vom Orchestre Symphonique Kimbanguiste dargeboten, und einige Originaltonsequenzen, die dem Film entnommen sind. Als Bonus gibt es eine CD mit Remixen, die eher eine Zugabe für DJs ist.
Christoph Schumacher

Nordamerika
 MATT PATERSHUK: Same As I Ever Have Been
MATT PATERSHUK
Same As I Ever Have Been
mattpatershuk.com
(Black Hen Music BHCD0085)
12 Tracks, 58:34 , mit engl. Infos


Aus Kanada kommt der kreative Singer/Songwriter Matt Patershuk, der auf seinem dritten Album fantastische Songs präsentiert. Produzent der Scheibe ist der legendäre Roots-Veteran Steve Dawson, der auch die akustische Gitarre, Pedal Steel und Klavier bedient. Die Begleitmusiker halten sich im Hintergrund und lassen Raum für Patershuks feinsinnige Texte, deren erster besagt, dass man manchmal schlechte Dinge tun muss, um Gutes zu erreichen. Das Album liefert einen Querschnitt von herzzerreißender Tragik bis zu klugen Geschichten über Glück, Fairness und billige Gitarren. Mitwirkende sind Jay Bellerose (Schlagzeug), Jeremy Holmes (Bass), John Reischman (Mandoline), Ana Egge (Gesang), Josh Zubot (Geige) und Jerry Cook (Saxofon). Eine wirklich feine Platte, die es verdient hat, entdeckt zu werden.
Annie Sziegoleit
 BENNY TURNER: My Brother’s Blues
BENNY TURNER
My Brother’s Blues
bennyturner.com
(Nola Blue Records NB004/Tunecore)
Promo-CD, 11 Tracks, 51:16


Neben all den auf Hochglanz getrimmten Pseudo-Bluesproduktionen gibt es heutzutage doch auch noch die echten, authentischen Vertreter des Genres. Eine solche Perle ist das vorliegende Album von Benny Turner, dem jüngeren Bruder und langjährigen Bassisten in der Band Freddie Kings. Geboten werden hier elf Titel aus dessen Repertoire, und diese gelingen ganz wunderbar. Blues, Funk, Soulgesang, alles frisch und traditionell gleichermaßen. Herausragend „I’m Tore Down“ mit den Sängern Otis Clay und Marva Wright im musikalischen Wettstreit oder auch „Mojo Boogie“ mit der fantastischen Gitarristin Carolyn Wonderland. Die Band groovt und shuffelt sich durch die Songs, ein Hammond-B3-Akkord hier, ein Fanfarenstoß der Horn Section da, und schließlich sind sie beim Slow Blues angekommen, der Paradedisziplin eines jeden Bluesmusikers. „Ghetto Woman“, im Original von B. B. King, ist hier ganz hinreißend gesungen, dezent von Bläsern und Keyboard untermalt und mit einer sparsamen und geschmackvollen Sologitarre gespielt.
Achim Hennes

Lateinamerika
 DIVERSE: Goombay – Music From Bahamas 1951-59
DIVERSE
Goombay – Music From Bahamas 1951-59
lesdisquesbongojoe.bandcamp.com/album/goombay
(Les Disques Bongo Joe BJR 002)
14 Tracks, 34:06, Vinyl-LP


Dass Christopher Columbus 1492 zuerst auf einer der 700 Inseln der Bahamas landete und auf freundliche Bewohner traf, ist bekannt. Was für eine Musik sich dort später aus spanischen, britischen, afrikanischen und weiteren Quellen entwickelte, ist kaum dokumentiert. Erst in den Fünfzigerjahren kam transportable Studiotechnik auf die Inselgruppe, um Musiker wie Blind Blake, Freddie Munnings, André Toussaint oder Delbon Johnson aufzunehmen. Dort waren sie kleine Stars, die vor allem in Restaurants auftraten, doch außerhalb des Inselreiches unbekannt. Obendrein nannten sie ihre Musik „Goombay“, was in kein Schema passte. Umso schöner, dass das in diesem Heft bereits gerühmte Genfer Label Les Disques Bongo Joe einen Sampler mit Goombay Music aus den Jahren 1951 bis 1959 herausgebracht hat. In den Fünfzigern stand diese Musik zwischen Rumba, Merengue, Calypso und Jazz recht isoliert da. Doch Tourismus und radiotauglich bedingter kommerzieller Druck überlagerten die Musik der Bahamas schon bald. Geblieben sind die recht überschaubaren Veröffentlichungen aus den Fünfzigern, von denen hier eine interessante Auswahl vorgelegt wird.
Michael Freerix



Asien
 RAHIM ALHAJ: Letters From Iraq
RAHIM ALHAJ
Letters From Iraq
rahimalhaj.com
(Smithsonian Folkways Recordings, SFW40577)
8 Tracks, 69:38 , mit engl. u. arab. Infos


Ein beeindruckendes Album. Der preisgekrönte Udvirtuose setzt nicht nur ein deutliches politisches Zeichen, sein aktuelles Werk ist auch ein Rückblick in seine eigene bewegte Vergangenheit der Flucht. In Bagdad geboren, musste Alhaj den Irak wegen seiner offenen Opposition gegen Saddam Hussein 1991 Richtung Jordanien und Syrien verlassen. Aufgrund weiterer Morddrohungen emigrierte er im Jahr 2000 in die USA, wo er eine sehr erfolgreiche Karriere als Musiker begann. In den acht berührenden Kompositionen vereint der zweifach für den Grammy Nominierte erneut die traditionelle irakische Musik der Ud mit der westlichen Klassik eines Streichquintetts, das sich aus fünf herausragenden Musikern seiner neuen Heimat New Mexico zusammensetzt. Alhaj erzählt wunderschöne Klanggeschichten von Liebe und Schmerz der kriegsgebeutelten Menschen im Irak, die sich nach etwas Normalität im Alltag sehnen. Wie selbstverständlich bringt Alhaj in der intensiven Harmonie der Ud mit Violine, Viola, Cello und Bass ergreifende Schicksale zum Ausdruck, wie das seines behinderten Neffen, der angesichts der Explosion einer Autobombe nicht wegrennen kann, oder das eines sunnitisch-schiitischen Liebespaares, das sich wegen der Gewalt zwischen ihren Gruppen nicht treffen darf.
Erik Prochnow
 ENSEMBLE NAGHASH: Songs Of Exile, Vol. II: Credos & Convictions
ENSEMBLE NAGHASH
Songs Of Exile, Vol. II: Credos & Convictions
naghashensemble.com
(Available Forms Music/Epiphany)
6 Tracks, 48:05 , plus Buch, mit armen. Originaltexten u. Infos in engl., franz. u. dt.


Künstlerische Inspiration geht oft seltsame Wege. So auch bei dem amerikanischen Komponisten und Dirigenten John Hodian, der, obwohl aufgewachsen in einem Elternhaus, in dem ausschließlich traditionelle armenische Musik aus der Stereoanlage tönte, einige biografische Schlenker über Klassik, Jazz, Rock, Minimal Music und Weltmusik (Epiphany Project) absolvierte, bevor er 2010 – mit 53 Jahren – das Naghash Ensemble gründete. Als Inspirationsquellen dafür nennt Hodian das Vokalquintett Luyn, wo ihn die Stimmen der fünf Damen beeindruckt hätten, sowie seine Beschäftigung mit den Texten des Dichters M’kritch Naghash aus dem 15. Jahrhundert. Nun liegt bereits das zweite Album des Ensembles vor, ebenfalls in ein gebundenes Hardcover eingelegt, das die Texte im Original nebst Übersetzungen enthält. Die Vertonungen der Gedichte hat Hodian als Kompositionen für Vokaltrio (2 Sopran, 1 Alt), Ud (Laute), Duduk (Oboe), Dhol (Trommel) und Klavier angelegt, in die er seine reichhaltige musikalische Erfahrung einfließen lässt: Klassik von Carmina Burana bis Steve Reich, Jazz und armenische Folklore bilden ein faszinierendes Kaleidoskop der Klangfarben, das seinesgleichen sucht. Ein grandioses Stück Musik.
Walter Bast

WIEDERVERÖFFENTLICHT
 DIVERSE: Milk Of The Tree – An Anthology Of Female Vocal Folk And Singer-Songwriters 1966-73
DIVERSE
Milk Of The Tree – An Anthology Of Female Vocal Folk And Singer-Songwriters 1966-73
(Grapefruit Records CRSEGBOX039)
3 CDs, 60 Tracks, 224:09


In der Box ist natürlich drin, was draufsteht, fünfzig Jahre alte Aufnahmen, die in ihrer stilistischen Vielfältigkeit heute noch von Interesse sind. Künstlerinnen oder Gruppen mit Sängerinnen, keine Greatest-Hits-Sammlung, z. B. Melanie, Joan Baez, Pentangle, Joan Armatrading, Nico, Janis Ian, Norma Waterson oder Sandy Denny. Umfangreiches Beiheft.
Mike Kamp
 MATT McGINN: The Best Of Matt McGinn Volume 2
MATT McGINN
The Best Of Matt McGinn Volume 2
mattmcginn.info
(Greentrax Recordings CDTRAX253)
25 Tracks, 69:21


Bereits in Folker 4/2017 wurde ein McGinn-Doppelalbum mit Material aus den Jahren 1966 bis 1969 vorgestellt. Hier geht es um zwei komplette und spätere LPs (1971 und 1972). Keine Überschneidungen also, und auf der ersten LP spielt ein gewisser Dick Gaughan Gitarre und Mandoline. Wie gehabt, treffende sozialkritische Lieder im schweren Glasgow-Dialekt.
Mike Kamp

 VEDAN KOLOD: Plemena – Tribes  VEDAN KOLOD: The Dance Of The Wood Spirits
VEDAN KOLOD
Plemena – Tribes
vedankolod.bandcamp.com
(Free Storm Productions FSP 018-17)
13 Tracks, 48:58


VEDAN KOLOD
The Dance Of The Wood Spirits
vedankolod.bandcamp.com
(Free Storm Productions FSP-019-17)
13 Tracks, 38:22


Das Quartett der vier Multiinstrumentalisten und -innen aus Sibirien gehört wohl zu den aufregendsten Ethno-Folk-Bands unserer Zeit. Akribisch forschen sie nach verschollen geglaubtem musikalischem Material, reparieren uralte Instrumente (oder bauen sie nach) und veröffentlichen schlussendlich spannende CD-Reisen in längst vergangene Zeiten. So sind diese beiden Reissues ihrer 2006 und 2007 erschienenen Alben ein willkommener Anlass, sich intensiv mit dieser phänomenalen Formation zu befassen. Es lohnt sich.
Walter Bast
 ZAZOU/BIKAYE/CY1: Noir Et Blanc
ZAZOU/BIKAYE/CY1
Noir Et Blanc
facebook.com/zazoubikaye
(Crammed Disc cram025p/Indigo)
Promo-CD, 9 Tracks, 45:41


Eine gelungene Wiederveröffentlichung der gleichnamigen Produktion aus dem Jahr 1983. Die originalen Analogbänder wurden zu einer Deluxe-Version remastert, die zusätzlich fünf bislang unveröffentlichte Demos enthält. Damals trafen sich der kongolesische Sänger Bony Bikaye und die Komponisten Hector Zazou sowie Loizillon & Micheli (CY1) in Brüssel zu gemeinsamen Aufnahmen.
Christoph Schumacher

WEIHNACHTSALBEN
 KELPIE: Schneetreiben
KELPIE
Schneetreiben
kelpie.band
(Westpark Music 87346)
17 Tracks, 51:00


Das Duo Kelpie besteht aus Kerstin Blodig und Ian Melrose, die sich der norwegisch-schottischen Akustikmusik verschrieben haben. Seit über 21 Jahren sind sie ein Team, und die routinierte Harmonie ist auch auf ihrem zweiten Weihnachtsalbum zu hören. Dieses Mal haben sie sich jedoch geografisch neu orientiert und sich deutsche Wintervolkslieder vorgenommen. „Es ist ein Rosʼ entsprungen“, „Mach hoch die Tür“ und „Stille Nacht“ sind dabei. Wenn doch mal ein skandinavisches Lied dazwischenkommt, dann mit deutschsprachigem Ursprung. „Still“ ist ein traditionelles, österreichisches Lied, dass Blodig teilweise ins Norwegische übersetzt hat. Alle Stücke des Albums sind unaufdringlich, den traditionellen Ursprung würdigend arrangiert und interpretiert und dann in skandinavisch-keltischen Folk eingefärbt worden.
Sarah Fuhrmann
 OTAVA YO: Christmas
OTAVA YO
Christmas
otava-yo.spb.ru/en
(CPL-Music CPL016)
10 Tracks, 40:08


In Ihrer Heimatstadt Sankt Petersburg ist die sechsköpfige Band berühmt. Über achtzig Konzerte spielen sie dort pro Jahr, aber sie sind auch bei Auftritten auf der ganzen Welt anzutreffen. Ihr Weihnachtsalbum hat genau die russische Schwere und Feierfreude, die man erwartet. Als Folkmusiker interessieren sie sich für die Volksweisen ihrer Vorfahren. Mit Gitarren, Geigen, Balalaika und der Gusli, einer Art russischen Leier, nehmen sie die Hörer mit auf ihre Winterreise und untermalen diese mit mehrstimmigem Gesang.
Sarah Fuhrmann

 KRAJA: Isen Sjungen
KRAJA
Isen Sjungen
kraja.dnu
(Westpark Music LC 07535)
12 Tracks, 40:00


Elfengleich harmonieren die Stimmen der vier Frauen. Instrumente setzt die A-cappella-Gruppe aus Schweden nur sehr reduziert ein; die Stimmen erzählen, untermalen und strukturieren. „Singendes Eis“ heißt das Album übersetzt und die mystische blaue Klarheit eines Gletschers kann man in den traditionellen Weihnachts- und Winterliedern durchaus heraushören. Das Booklet bietet für Mitsinger auch alle Texte sowie entsprechende Übersetzungen ins Englische und Deutsche, für diejenigen, die gerne den Klang mit Bildern im Kopf ergänzen.
Sarah Fuhrmann
 CABIT: Unico Figlio
CABIT
Unico Figlio
felmay.it
(Felmay Records fy 8248)
13 Tracks, 55:31


Nicht nur nach Schottland gehört der Dudelsack, auch in Italien hat er ein Zuhause. Auf einem Album, das sich der nordwestlichen Volksmusik Italiens widmet, muss er zu hören sein. Die Arrangements der klassisch ligurischen Weihnachtsvolksweisen sind teilweise sogar für zwei Dudelsäcke, dazu kommen Flöten, eine Drehleier, Klarinette, Piffero und Percussion. Davide Baglietto und Edmondo Romano von Cabit haben sich für die Auswahl der Stücke die Expertise von Musikethnologen und kundigen Musikkollegen geholt. Auch zum Einspielen der Stücke haben sie sich Verstärkung gesucht, vor allem wenn es um den Gesang ging. Das klingt mal etwas ungewohnt, meist eingängig, immer aber schwungvoll.
Sarah Fuhrmann

 DIVERSE: Silent Night – Christmas Carols On Acoustic Guitar
DIVERSE
Silent Night – Christmas Carols On Acoustic Guitar
acoustic-music.de
(Acoustic Music LC 07103)
13 Tracks, 36:39


Peter Autschbach und Ernie Rissmann aus Deutschland, Thomas Ruez aus Österreich, Steve Hicks aus England und Rainer Mafra aus Brasilien haben sich verschiedenen bekannten Weihnachtsliedern angenommen und diese für ihr Instrument arrangiert. Das ist sehr kunstvoll und natürlich fingerfertig, durch die einfache Präsentation dazu noch unaufdringlich. In drei verschiedenen Versionen kommt das Titelstück „Silent Night“ daher. Ein kleiner Wermutstropfen ist das technisch nicht saubere Ende des ersten Stücks: Da bricht das Lied einfach ab, wo die Koloratur noch ihren Platz gebraucht hätte.
Sarah Fuhrmann
 NICOLE MÜLLER: In A Different Light
NICOLE MÜLLER
In A Different Light
nicole-mueller.de
(Acoustic Music Records)
11 Tracks, 47:36


Nur mit einer Harfe, ohne sonstige instrumentale Begleitung oder Gesang, dafür mit angejazzten Interpretationen hat Nicole Müller traditionelle Weihnachtslieder aufgenommen. Aus der Klassik kommend, machte sich die Musikerin zum ersten Mal selbst an die Arrangements. „Cantique De Noël“, „Have Yourself A Merry Little Christmas“, „Maria durch einʼ Dornwald ging“ sind unter anderem dabei. Das Booklet bietet kurze geschichtliche Abrisse zu den Stücken. Überflüssig sind dagegen die negativen Ausführungen Müllers. Dass für sie Weihnachten „nur Stress, Zeitdruck und ein irgendwie schlechtes Gefühl“ bedeutet, sie sich zuerst nicht vorstellen konnte, auch nur ein Weihnachtslied zu finden, dem sie „eine Woche Arbeitszeit widmen wollte“, und auch, dass sie natürlich „keine Jazzmusikerin geworden“ sei, kann man auf dem Album jedenfalls nicht hören.
Sarah Fuhrmann

 JOHN CEE STANNARD: It’s Christmas Time
JOHN CEE STANNARD
It’s Christmas Time
johnceestannard.co.uk
(Cast Iron Recordings, CIREP 029,)
5 Tracks, 19:06


Drei eigene Stücke und zwei eigene Arrangements hat er auf seinem kleinen Weihnachtsbluesalbum vereint. Über fünfzig Jahre macht der Folk- und Bluesmusiker aus England bereits Musik. Der Fuß wippt mit, es geht um den Weihnachtsmann und vor allem darum, dass Weihnachten ein Familienfest ist, die Mundharmonika führt ein Zwiegespräch mit der Gitarre. Das ist nicht nur was für verrauchte Kneipen oder Autofahrten.
Sarah Fuhrmann



DVD/Filme
 Django – Ein Leben für die Musik: Regie: Etienne Comar, mit Reda Kateb, Cécile de France, Bea Palya u. v. a.
Django – Ein Leben für die Musik
Regie: Etienne Comar, mit Reda Kateb, Cécile de France, Bea Palya u. v. a.
(Frankreich 2017)
117:00:00 , Kinostart: 26.10.2017


Jean „Django“ Reinhardt soll eigenbrötlerisch und erratisch gewesen sein. Lieber ging er fischen als zu seinen Auftritten, und über längere Phasen zog er sich vollkommen zurück und angelte ausschließlich. Er spielte mir nur drei Fingern der linken Hand, weil zwei Finger bei einem Feuerunfall verstümmelt worden waren. Ignorant und gebieterisch, war er sich seines herausragenden Könnens überaus bewusst. All diese Eigenheiten Django Reinhardts finden sich in der Handlung dieses Spielfilmes wieder, ohne dass es sich um die reine Mystifikation einer Ausnahmebegabung dreht. Ganz im Gegenteil, Django – ein Leben für die Musik handelt vom Überleben in einer bedrohlichen Zeit.
Es beginnt 1943 in Paris. Django Reinhardt ist ein umjubelter Star an der Gitarre. Zwar lebt er als „Nichtarier“ unter ständiger Bedrohung, in ein KZ verschleppt zu werden, doch hat er einen Beschützer und bleibt vorerst verschont. Sein Manager drängt ihn allerdings zu einer Tour durch das Deutsche Reich, wohl auch in der Hoffnung, seine dortige Popularität könnte ihn immun gegen Verfolgung machen. Der Gitarrist sperrt sich gegen diese Tour und entzieht sich schließlich ganz. Er versucht, mit seiner Familie unter falscher Identität in die Schweiz zu flüchten. Doch am Ufer eines Sees an der französischen Grenze bleibt er stecken. Dort trifft er auf Verwandte, und gemeinsam können sie gelegentlich in einer Dorfkneipe musizieren, um Geld zu verdienen. Die Dorfkirche nutzt er, um an der Orgel ein Requiem für die ermordeten Sinti und Roma zu komponieren. Widerstandskämpfer bitten ihn, bei einem örtlichen Treffen zwischen Nazigrößen und Wehrmachtsoffizieren zu Ablenkungszwecken als Salonorchester aufzuspielen, damit während dieser Veranstaltung ein verletzter britischer Pilot über den See in die Schweiz verbracht werden kann. Mitten ins Fest platzt die Nachricht, dass ein Wehrmachtstransport überfallen wurde und es vielen Tote gab. In Todespanik flüchtet Reinhardt mit seiner Familie über die schneebedeckten Berge in die Freiheit. Schließlich wird sein Requiem – am Ende des Films – im Mai 1945 in Paris aufgeführt.
Zwar beginnt Django – Ein Leben für die Musik mit der Erschießung einer Sintifamilie durch deutsche Soldaten, doch setzt Regisseur und Drehbuchautor Etienne Comar anschließend nicht auf ähnlich krasse Effekte. Stattdessen folgt eine stille Erzählung in grünen und braunen Sepiatönen. Die Musik jedoch kommt nie zu kurz: Mindestens ein Viertel des Filmes machen Auftritte von Django Reinhardt und seiner Band aus. Reinhardt ist dabei kein strahlender Held, sondern in seiner egozentrischen Uneinsichtigkeit eine eher undurchdringliche Künstlerfigur. Regisseur Étienne Comar ist bisher eher als Produzent von sperrigen Autorenfilmen in Erscheinung getreten. Dies ist sein Regiedebüt. Bereits als Eröffnungsfilm der Berlinale sorgte er für viel Aufsehen, ein Werk in bester europäischer Autorenqualität. Das thematisierte Requiem von Reinhardt gibt es tatsächlich, leider sind nur wenige Takte davon erhalten geblieben.
Michael Freerix



Kurzrezensionen
 MINDI ABAIR AND THE BONESHAKERS: The Eastwest Sessions
MINDI ABAIR AND THE BONESHAKERS
The Eastwest Sessions
mindiabair.com
(Pretty Good For A Girl Records/Amplified Media Services)
Promo-CD, 11 Tracks, 48:04


Mit ihrem temperamentvollen Saxofonspiel ist Mindi Abair bereits zweimal mit einem Grammy ausgezeichnet worden, und auch hier steht der energiegeladene Soul, RnB und Funk im Vordergrund. Die Gesangparts teilt sie sich dabei mit dem Sänger „Sweet Pea“ Atkinson, instrumental ergänzen sich Saxofon und die Gitarre von Randy Jacobs perfekt und großartig.
ah
 POPPY ACKROYD: Sketches
POPPY ACKROYD
Sketches
poppyackroyd.com
(One Little Indian/Indigo)
10 Tracks, 48:02


Romantisch-minimalistische Pianomusik à la Max Richter, Nils Frahm oder Ólafur Arnalds ist seit einigen Jahren sehr angesagt. Musik, die bestens innere Bilder evoziert, der Entspannung dienen kann oder als Filmmusik zum Einsatz kommt. Die britische Musikerin und Komponistin reiht sich auf sehr schöne Weise in die Reihe von Werken dieses nicht näher definierten Genres ein.
rb

 ACOUSTIC COLOURS: Luther und Ich
ACOUSTIC COLOURS
Luther und Ich
acoustic-colours.de
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
10 Tracks, 59:47


Das Lutherjahr neigt sich dem Ende zu. Unter den vielen musikalischen Hommagen ans Luther’sche Liedgut sticht das Querflöte-Gitarre-Duo Acoustic Colours in angenehmer Weise hervor. Zwei versierte Profis nähern sich den Melodien des Reformators in klassisch-jazzigem Tonfall. Die Arrangements sind in vielerlei Hinsicht so überraschend wie überzeugend.
rb
 DON ALDER: Armed And Dangerous
DON ALDER
Armed And Dangerous
donalder.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 57:05


Das martialische Cover, das den amerikanischen Akustikgitarristen Don Alder, bewehrt mit Kettensäge, inmitten von Zombies zeigt, legt eine ziemlich falsche Fährte. Okay, einen Waffenschein sollte ein Virtuose mit dieser atemberaubenden Fingerstyletechnik schon besitzen, aber musikalisch geht es dann doch eher konventionell zu.
rb

 ALTERED FIVE BLUES BAND: Charmed & Dangerous
ALTERED FIVE BLUES BAND
Charmed & Dangerous
alteredfive.com
(Blind Pig Records BPCD 5169/The Orchard)
Promo-CD, 13 Tracks, 48:18


Eine fantastische Soulstimme, eine forciert und schneidend gespielte E-Gitarre – diese scheinbaren Gegensätze prägen Charmed & Dangerous. Dazu wummert die Hammond B-3, Bass und Schlagzeug geben in stoischer Metrik den Puls. Chicago Blues trifft Southern Soul trifft Bluesrock, und sogar ein tränenerweichendes Liebeslied („Eighth Wonder“) wird geboten.
ah
 ANTRY: Devil Don’t Care
ANTRY
Devil Don’t Care
antrymusic.com
(Tres Lobas Enterprises TLE-CD-8849)
Promo-CD, 10 Tracks, 41:34


Grimmig schaut er drein. Doch dann beginnt Steve Antry zu singen, und schon „geht die Sonne auf“. Drei Oktaven umspannt die hörbar im Gospel geschulte Stimme, auch sanfte Balladen und harte Bluesrock- oder RnB-Nummern gelingen ganz wunderbar. Ein Debüt mit über sechzig Jahren, nach einem Arbeitsleben fernab der Musik – manchmal müssen Dinge erst reifen.
ah

 AQUABELLA: Jubilee live
AQUABELLA
Jubilee live
aquabella.net
(Jaro, 4340-2/Jaro Medien)
14 Tracks, 52:28


Pünktlich zum zwanzigjährigen Jubiläum meldet sich das Aushängeschild deutscher A-cappella-Frauenensembles mit seinem ersten Livealbum zurück. Die vier exzellenten Sängerinnen von Aquabella haben ihre Lieblingsstücke aus bisherigen Konzertprogrammen zum Teil neu arrangiert. Als Gäste haben sie den ägyptischen Sänger Nasser Kilada und den Berliner Percussionisten Axel Meier eingeladen.
ep
 GOCHAG ASKAROV & PIERRE DE TRÉGOMAIN: Mugham Souls
GOCHAG ASKAROV & PIERRE DE TRÉGOMAIN
Mugham Souls
pierredetregomain.com
(Felmay fy 8253)
6 Tracks, 53:14


In der traditionellen Musik Aserbaidschans ist ein Mugham ein Musikstück, das auf einer bestimmten Tonart oder Skala beruht, vergleichbar also mit dem indischen Raga oder dem persischen Dastgah. Die beiden singenden Soulbrothers und ihre fünfköpfige Crew kreieren auf dieser Basis modernen World Jazz mit einem großem Anteil an aserbaidschanischem Musikflair.
wb

 ASKEHOUG: French Kiss
ASKEHOUG
French Kiss
askehoug.com
(Ulysse Productions)
12 Tracks,43:08


Askehoug ist Franzose. Er trägt seinen Sprechgesang mit einer sehr angenehm männlichen Stimme vor. Musikalisch enthält sein drittes Album French Kiss leicht rockig arrangierte Chansons. Eine CD mit Charakter.
chr
 WILLY ASTOR: The Sound Of Islands – Guitar
WILLY ASTOR
The Sound Of Islands – Guitar
willyastor.de
(Donnerwetter Musik/Cargo)
12 Tracks, 43:15


Das angenehm verspielte, leichtfüßige Album des Münchener Gitarristen Willy Astor taucht eigentlich zu spät im Jahr auf. Inselmusik, Sonne, Meer, Seele baumeln lassen – das sind die Assoziationen, die sich unwillkürlich einstellen. Stilistisch geht es quer durch den Weltmusikgarten. Das Quartett um den routinierten Saitenmann verlängert den Sommer auf angenehme Weise.
rb

 AUVERGNATUS: Auvergnatus
AUVERGNATUS
Auvergnatus
jeanblanchardb.free.fr/cornemuses/auvergnatus.html
(AEPEM)
12 Tracks, 47:42


Auvergnatus sind eine vierköpfige Gruppe, die mit Cabrette (Dudelsack), Geige, Banjo und Akkordeon eine Tanzmusik rekonstruieren, wie sie vor hundert Jahren von der Pariser Auvergne-Community auf ihren Bals Musettes gespielt und getanzt wurde. Das Banjo spielt der alte Jean Blanchard, schon 1973 Gründer der wichtigen französischen Folkband La Bamboche.
chr
 BLACK MARKET TUNE: Drifters & Vagabonds
BLACK MARKET TUNE
Drifters & Vagabonds
blackmarkettune.com
(Galileo Music GMC076)
11 Tracks, 60:13


Schottland, Schweden und Österreich in beliebiger Reihenfolge oder Gewichtung – geht das zusammen? Bei diesem Quartett auf jeden Fall. Ob Songs, Jodler oder Tunes, Trad oder selbst geschrieben, mit Fiddle, Akkordeon, Gitarre und Viola, das passt, ist eigenständig und kreativ. Keine Sekunde Langeweile!
mk

 ULLI BÖGERSHAUSEN: Tides – Ballads And Duets For Guitar
ULLI BÖGERSHAUSEN
Tides – Ballads And Duets For Guitar
boegershausen.com
(Laika Records/Rough Trade)
12 Tracks, 44:17


Bögershausen muss man nicht mehr vorstellen. Der Mann ist quasi ein Synonym für feinsinnige akustische Gitarrenmusik. Auf dem neuen Album finden sich wie gewohnt hervorragende Adaptionen bekannter Popsongs. Die letzten vier Titel sind dem Duo mit Simon Wahl gewidmet. Atmosphärische Klangreisen aus der Feder Bögershausens. Gerne mehr davon.
rb
 BOKANTÉ: Strange Circles
BOKANTÉ
Strange Circles
bokante.com
(Ground-Up Music, Promo-CD)
10 Tracks, 49:54


Das Oktett aus Montreal lässt es schon gleich zu Anfang krachen. Alles geht in dieser Multikultitruppe und wird clever „durch den Wolf gedreht“: Rock, Soul, Funk, Jazz, Blues. Der Bandname bedeutet auf Kreolisch „Austausch“. Tragende Säulen sind Sängerin Malika Tirolien von der Karibikinsel Guadeloupe und Fusion-Jazz-Gitarrist Michael League.
rs

 BOUGNAT SOUND: Le Bon, La Brute, Le Bougnat
BOUGNAT SOUND
Le Bon, La Brute, Le Bougnat
(AEPEM)
18 Tracks, 53:02


Der Ausdruck bougnat steht für Pariser, die aus der Auvergne stammen. Bougnat Sound ist ein eher puristisches Nebenprojekt von Julien Barbances, dem Dudelsackspieler der französischen Bal-Folk-Band La Machine. Bei Bougnat Sound spielt er im Trio mit Loic Etienne (Akkordeon) und Olivier Sulpice (Banjo).
chr
 MICHAEL BRINKWORTH: Somewhere To Run From
MICHAEL BRINKWORTH
Somewhere To Run From
michaelbrinkworth.com
(Greywood Label Service/Timezone)
7 Tracks, 32:54


Americana aus deutschen bzw. australischen Landen präsentiert der Wahlberliner auf seinem neuen Album. Die Songs klingen so, wie es die Fans von Bruce Springsteen bis Neil Young erwarten. Die Stimme des Künstlers hat einen hohen Wiedererkennungswert, die Songs würden jedem amerikanischen Rockstar gut stehen.
ce

 BURGOS BUSCHINI DÚO: EntreveraDos
BURGOS BUSCHINI DÚO
EntreveraDos
facebook.com/horacio-burgos-120240261423163
(Felmay Records)
11 Tracks, 45:01


Gitarre und Bass in intimstem Dialog. So pur wie das argentinische Duo von Horacio Burgos und Carlos Buschini hat das selten jemand zelebriert. Melodien und Rhythmen des argentinischen Nordwestens. Zambas, Milongas, Chacareras – dem stillen Herzschlag blindverständigen gemeinsamen Musizierens kann man kaum näherkommen. Unbedingte Kaufempfehlung.
rb
 CAPTAINS'S DIARY: Zeitraffergeschichten
CAPTAINS'S DIARY
Zeitraffergeschichten
captains-diary.de
(Dancing In The Dark Records)
10 Tracks, 32:27


Trotz englischem Bandnamen eine deutschsprachige Musik von Sebastian Müller, Kurt Ebelhäuser und Philipp Görgen aus Norddeutschland auf ihrem fünften Album seit 2003. Moderne, rockige, nachdenkliche Lieder zum Leben heute, über Liebe, Freiheit bzw. die Sehnsucht nach Letzterer und das Problem, immer vernünftig zu funktionieren. Texte mitlesbar.
mas

 JO CARLEY AND THE OLD DRY BONES: Them Old Bones
JO CARLEY AND THE OLD DRY BONES
Them Old Bones
olddryskulls.com
(Old Higue Records OHR002CD)
12 Tracks, 45:54


So in etwa klingt das, wenn ein Londoner Straßenmusikerehepaar mit Vorliebe für eigenwilligen Americana mit einem Bassisten ins Studio geht, wobei sie (nicht nur) ohne aufgesetzten Akzent singt und er die volle One-Man-Band-Montur mitbringt. Das hat die Kraft und Simplizität des Punks, ist interessant produziert und trotzdem live glaubwürdig.
mk
 DAVID CARMONA: Un Sueño De Locura
DAVID CARMONA
Un Sueño De Locura
davidcarmona.com
(Nuevos Medios/Galileo-MC)
8 Tracks, 43:08


Der 1985 in Granada in eine Musikerfamilie hineingeborene Flamencogitarrist beweist mit seinem Debüt außerordentliche Reife, Innovationskraft und Erfahrung mit vielen großen Cantaores. Einige von ihnen, wie Estrella Morente und Arcángel, wirken auf dem Album auch mit, das der virtuose Gitano gemeinsam mit seinem Mentor Manolo Sanlúcar produzierte.
kw

 CARROUSEL: Filigrane
CARROUSEL
Filigrane
carrousel-musique.com
(Jazzhaus Records)
12 Tracks, 36:48


Sophie Burande und Léonard Gogniat aus der französischen Schweiz sind das Folkpopduo Carrousel. Ihr viertes Album Filigrane ist voller gefälliger Drei-Minuten-Stücke, enthält aber wohl keine Hits, jedenfalls keine Perlen. Die vorige Veröffentlichung, L'Eeuphorie, war besser.
chr
 BRUCE COCKBURN: Bone On Bone
BRUCE COCKBURN
Bone On Bone
brucecockburn.com
(True North Records TND 678/Al!ve)
11 Tracks, 51:24


2011 hatte er mit Small Source Of Comfort klammheimlich angekündigt, sein letztes Album zu veröffentlichen. Doch nun liegt Bone On Bone plötzlich auf dem Tisch, und Cockburn klingt frischer denn eh und je. Ist vielleicht auch nicht vorstellbar, dass der mittlerweile 72-jährige Kanadier wirklich aufhören könnte, sich singend über den Zustand der Welt auszulassen, um dabei glaubwürdig und überzeugend wie immer zu klingen.
mf

 MARTA COLLICA: Inverno
MARTA COLLICA
Inverno
martacollica.com
(Solaris Empire LC15418/Broken Silence)
12 Tracks, 38:47


Eine akustische und zwei elektrische Gitarren sind in der Regel auf Inverno zu hören. Folk und Jazz verschmilzt die Italienerin Collica zu einer gekonnt modernen, eklektischen Mischung, sicher auch weil sie schon um die zwanzig Jahre musikalisch aktiv ist und ihr Handwerk gut kennt. Balladesk, mit einem Hauch von weicher, südlicher Melancholie.
mf
 COMBONATIONS: Dunya
COMBONATIONS
Dunya
javidafsarirad.com
(Heilo Records HCD 7323/Galileo-MC)
6 Tracks, 53:48


Dass der Jazz immer noch ein probates Fundament für multikulturelles Musizieren ist, beweist das Septett des iranischen Santurvirtuosen Javid Afsari Rad, dessen Mitstreiter ihre Wurzeln im Senegal, an der Elfenbeinküste sowie in Indien, Marokko und Norwegen haben. So macht man aus lokalen Musiktraditionen zeitgenössische und hochspannende Weltmusik.
wb

 LUISA COTTIFOGLI: Come Un Albero D'Inverno
LUISA COTTIFOGLI
Come Un Albero D'Inverno
luisacottifogli.com
(Vis-Age Music VM 2014)
13 Tracks, 48:29


Die Frau kann alles singen, angefangen beim Jodel über Belcanto, Obertongesang, Gesangsakrobatik bis zur Sakralmusik. Entstanden ist ein eklektischer Mix. Einmal singt sie a cappella, ein anderes Mal ist sie Rocksängerin, und im Titelstück ist sie ganz Liedermacherin. Ob diese tolle Stimme elektronische Beigaben braucht, ist Geschmackssache.
mst
 ROSS COUPER & TOM OAKES: Fiddle & Guitar
ROSS COUPER & TOM OAKES
Fiddle & Guitar
rossandtom.com
(Haystack Records HAYCD009)
10 Tracks, 46:44


Da haben sich zwei überhaupt nicht gesucht und dennoch gefunden. Ross (Fiddle), von den Shetlandinseln und eigentlich bei den Peatbog Faeries, und Tom (Gitarre) aus dem südenglischen Devon formen eine ideales Instrumentalduo. Mitreißende und expressive Fiddle plus höchst intelligente und komplementäre Gitarre – was für ein Debüt!
mk

 CÚIG: New Landscapes
CÚIG
New Landscapes
cuigmusic.com
(Magnetic Music, Promo-CD)
10 Tracks; 48:05


Laut Vertrieb die jüngste Irish Trad Band ever. Dies scheint sich beim Blick aufs Cover zu bestätigen. Ausgefeilte Spieltechnik der typischen traditionellen Instrumente wie Fiddle, Pipes, Akkordeon und Banjo schon in ganz jungen Jahren, inhaltlicher Sachverstand und eine gehörige Portion Experimentierfreude. Rockanklänge und südamerikanische Rhythmen prägen den Sound dieser höchst hörenswerten Band.
js
 DARCY’S FAULT: High Card
DARCY’S FAULT
High Card
darcys-fault.de
(7music/Membran)
12 Tracks, 34:50


Englischsprachige, rockige und bluesige Singer/Songwriter-Musik aus der Mannheimer Gegend mit recht tiefer weiblicher Stimme, Gitarren- und etwas Mundharmonikabegleitung. Das Beiheft enthält weder die Texte noch die Namen der Mitglieder des Duos.
mas

 D'ARTAGNAN: Verehrt & Verdammt
D'ARTAGNAN
Verehrt & Verdammt
dartagnan.de
(Sony Music)
13 Tracks, 42:45


Das Debütalbum der Nürnberger war fünfzehn Wochen in den Charts und mit Platz 7 äußerst erfolgreich. Ob man ihren „Musketierrock“ mag oder diese Musik für überflüssig hält, ist Geschmackssache. Es ist Stadionrock – melodiös, ohne Ecken und Kanten, viele Mitsingrefrains, die Texte voller Pathos und Kitsch. Einige Anklänge von Folkmusik finden sich auch in diesem sehr kommerziellen Produkt.
pp
 THE DAWN BROTHERS: Stayin’ Out Late
THE DAWN BROTHERS
Stayin’ Out Late
dawnbrothers.com
(V2 Records/H'Art, VVNL30642)
12 Tracks, 41:39


Im Stil der Fünfzigerjahre musiziert das Quartett aus Rotterdam, das nach vier Singles nun endlich ein Album veröffentlicht hat. Der tolle Retrosound ist rhythmisch erfrischend und macht Lust auf ein Livekonzert. Es spielen Bas van Holt (Gitarre, Gesang), Levi Vis (Bass, Gesang), Rowan de Vos (Orgel) und Rafael Schwiddessen (Schlagzeug).
asz

 DELTAS: Ligerian Blues
DELTAS
Ligerian Blues
facebook.com/deltasband
(Super Records, Promo-CD)
11 Tracks, 47:51


Ursprünglich ein im französischen Angers von Richard Bourreau (Geige, Kora) und Vincent Erdeven (Gitarre) gegründetes Duo, das sich mit dem malischen Sänger und Ngonispieler Andra Kouyaté zum Trio erweiterte. Ihre Musik klingt sehr traditionell, sehr „laid back“. Der Name des Albums ist Programm. Ligerian steht für die Flüsse Loire (lat. Liger) und Niger.
rs
 THE HALLEY DeVESTERN BAND: Keep On Playin’
THE HALLEY DeVESTERN BAND
Keep On Playin’
halleydevestern.com
(Devestunes & LI’L.T/CD-Baby)
5 Tracks, 22:43


Die Blues-Funk-Rockband aus New York City besteht aus Halley DeVestern (Gesang), David Patterson (Gitarre), Rich Kulsar (Schlagzeug), Tom Heinig (Bass) und dem Keyboarder Steve Jabas, der das Minialbum auch produziert hat.
asz

 DIVERSE: Classic English And Scottish Ballads
DIVERSE
Classic English And Scottish Ballads
folkways.si.edu
(Smithonian Folkways SFW40218)
21 Tracks, 72:36


… und zwar solche aus der Sammlung des berühmten Herrn Child und daher auch Child-Ballads genannt. Die Interpreten der quasihistorischen Aufnahmen aus dem letzten Jahrhundert sind fast ausschließlich US-Amerikaner (Pete & Mike Seeger, Lead Belly oder The New Lost City Ramblers). Absolut vorbildliches und umfangreiches Beiheft.
mk
 DIADUIT: Aquiloni
DIADUIT
Aquiloni
facebook.com/diaduit.folk
(Rox Records RXR019/Ponderosa)
9 Tracks, 45:43


Diaduit ist Gälisch und bedeutet „Guten Tag“. Aquiloni sind Papierdrachen. Das Quartett aus dem Veneto lässt diese in den Lüften über Irland, Frankreich, Okzitanien und dem Veneto zu Akkordeon, Nyckelharpa, Geige, Gitarre, Flöten und Dudelsack tanzen. Acht der neun Stücke sind Eigenkomposition. Keltische Musik fernab ausgetretener Pfade. Schön.
mst

 DANIEL FREITAG: Still
DANIEL FREITAG
Still
danielfreitag.com
(Akkerbouw)
Promo-CD, 11 Tracks, 43:32


Die Musik des ostwestfälischen Multiinstrumentalisten ist schwer angesagt. Von Alex Vargas über Amongster bis Bear‘s Den sind die Festivals voll von Künstlern, die mit spärlicher Instrumentierung einen besonderen Klangteppich erzeugen, der zum Träumen einlädt und trotzdem an Energie nichts vermissen lässt. Das Debüt Still macht Hunger auf mehr.
ce
 FRÈRE: Void
FRÈRE
Void
freremusik.de
(Popup PR4017CD/Soulfood)
8 Tracks, 42:52


Das Debüt des Bochumer Sängers klingt wie Efterklang oder eine der zahlreichen anderen Indiefolkbands. Das ist nichts Schlechtes, denn sowohl Songmaterial als auch der Sound sind schlicht überragend. Musik dieser Art ist aber zurzeit allgegenwärtig, weswegen es Frère ohne Alleinstellungsmerkmal wohl schwer haben wird.
ce

 FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE: Little Big World – Live & Acoustic
FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE
Little Big World – Live & Acoustic
fury.de
(Starwatch/Sony Music)
Do-CD, CD 1: 12 Tracks, 58:56; CD 2: 11 Tracks, 58:24


Zum Dreißigsten feiern sich die Hannoveraner Rocker selbst. Das Doppel-Livealbum zu ihrer Tour im April 2017 fasst Authentizität, Gespür für Pathos und Stimmung sowie die Einheit mit ihren Fans bestens zusammen. Unter vielen Gästen sind auch John Watts und Wolfgang Niedecken zu hören. Dem Zuspruch langjähriger Fans können sie sich sicher sein, ob alte Hithymne wie „Time To Wonder“ oder neue Ballade, ob wild oder romantisch-getragen.
is
 IONA FYFE BAND: East
IONA FYFE BAND
East
ionafifye.com
(CPL Music CPL20/Broken Silence)
EP, 6 Tracks, 26:34


Es wird die Stimme sein – und ein wenig der ungewöhnliche und einprägsame Name –, die dieser jungen Dame aus der schottischen Balladengegend um Aberdeen den Weg nach oben ebnen wird. Durchaus traditionelles Material, aber mit einer für ihr Alter erstaunlichen Autorität vorgetragen. Oder ist es ihre gründliche Ausbildung am Konservatorium in Glasgow?
mk

 JOSÉ CARLOS GÓMEZ: Origen
JOSÉ CARLOS GÓMEZ
Origen
josecarlosgomez.es
(Amorarte/Galileo MC)
9 Tracks, 40:33


Paco lobte den wie er selbst aus Algeciras kommenden Gitarristen, der auch abseits des Flamencos reüssierte (z. B. mit Jamie Cullum). Gómez bedenkt zu Beginn des Albums den Kollegen und alle ihn prägenden Flamencos. Das (fast) reine Gitarrenalbum, nur von sparsamer Percussion und Palmas begleitet, ist solide und gekonnt, angenehm orthodox – quasi back to the roots.
kw
 GOOD OMENS: All The Moving Parts
GOOD OMENS
All The Moving Parts
goodomensband.com
(Ice Will Melt Records/IWM004/Broken Silence)
10 Tracks, 41:06


Nun springen auch die Finnen auf den Indiefolkzug auf und werfen mit Good Omens fünf junge Musiker aus Helsinki auf den stark umkämpften Markt. Die Musik lebt von der jungen Stimme der Sängerin Saara Taini, die Songs klingen allesamt nach „Little Talks“ und laden ab der ersten Note zum Mitsingen ein. Ein eigenes Profil wäre dennoch schön.
ce

 ROBBIE GREIG: Robbie Greig & Friends
ROBBIE GREIG
Robbie Greig & Friends
robbiegreigfiddle.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 37:59


Greig ist nicht nur Fiddler, er singt auch auf Gälisch und spielt Gitarre. Er war Mitglied von Malinky, der Paul McKenna Band und Tannara, aber hier präsentiert er mit zwölf Freunden das Spektrum seines Könnens und seiner Vielfalt, in erster Linie Melodien für die Fiddle, von Irland bis zu eigenen Kompositionen sowie zwei schöne gälische Lieder.
mk
 JEAN-LUC GUENEAU & GILLES POUTOUX: Chemin De La Bergaudière – Musique Traditionelle Nivernais Morvan
JEAN-LUC GUENEAU & GILLES POUTOUX
Chemin De La Bergaudière – Musique Traditionelle Nivernais Morvan
facebook.com/gueneaupoutoux
jeanluc.gueneau@gmail.com
(AEPEM 17/04)
16 Tracks, 46:56


Ein Album mit wunderschönen traditionellen Walzern, Mazurkas, Bourrées und Schottischen, kompetent von zwei wahren Könnern eingespielt, allerdings, und das ist der Haken, nur auf Drehleier und diatonischem Akkordeon, und das klingt auf die Dauer ganz schön eintönig. Für Hardcore-Bal-Folk-Fans und Drehleier- und Akkordeonafficionados.
uj

 MARTIN HARLEY & DANIEL KIMBRO: Static In The Wires
MARTIN HARLEY & DANIEL KIMBRO
Static In The Wires
martinharley.com
danielkimbro.com
(Del Mundo Records DM003)
11 Tracks, 44:41


Americana und Blues aus England, aufgenommen in Nashville, für den Singer/Songwriter und Gitarristen Harley das siebte Album, für die Koop mit Kontrabassist Kimbro das zweite. Zwei absolute Könner auf ihren Instrumenten. Harley bevorzugt außergewöhnliche Tourneen und Konzerte. Da passt es, dass dieses Werk von außergewöhnlich hoher Qualität ist.
mk
 HELGEN: Halb oder gar nicht
HELGEN
Halb oder gar nicht
helgenmusik.de
(Chateau Lala/Broken Silence)
15 Tracks, 42:58


Einen ganz eigenen Stil zu texten hat Helge Schulz vom Trio Helgen aus Hamburg entwickelt. Mit originellen Sprachbildern schafft er überraschende Verknüpfungen. Auch die Musik der drei jungen Musiker ist ein sehr eigenständiger Pop, der mal schmeichelt, mal rockig, mal ganz schlicht, mal ganz verspielt ist. Ein vielversprechendes Debüt.
rk

 HYVÄLUOMA GROUP: Reflection
HYVÄLUOMA GROUP
Reflection
terohyvaluoma.com
(Lusti Music LustiCD013)
8 Tracks, 37:07


Die finnische Antwort auf Nigel Kennedy sei jedem ans Herz gelegt, der entweder finnischen Experimentalfolk à la Kimmo Pohjonen oder Geigenvirtuosität in Hochgeschwindigkeit liebt. Zwischen Jazz, Rock und Minimalismus bewegen sich die Kompositionen der fünf Musiker. Der Klang der Geige wird perfekt vom Akkordeon des Meisters Kuusjärvi unterstrichen.
ce
 IMPRESSIVE PATH: Faces Of The Canyon
IMPRESSIVE PATH
Faces Of The Canyon
impressive-path.de
(Timezone Records, TZ 1406/Timezone Distribution)
10 Tracks, 36:52


Ein ungewöhnliches Projekt, das der Schwarzwälder Tobias Wehrle da in Eigenregie zusammengestellt hat. Mit seinem Holzinstrument, dem Marimbafon, versucht er, die verschiedenen Stimmungen seiner Heimat, der Wutachschlucht, abzubilden – und es gelingt ihm, untermalt von akustischen und elektrischen Gitarren, Percussion sowie gesampelten Streichern.
ep

 IRON AND WINE: Beast Epic
IRON AND WINE
Beast Epic
ironandwine.com
(Sub Pop SP 1170/Cargo Records)
11 Tracks, 35:54


Zwar stellt sich Sam Beam als „Stahl und Wein“ auf die Bühne, doch ist seine Musik eher weich und geschmackvoll wie guter Wein. Phasenweise kann dieser süchtig machen, dann wieder ob seiner Gleichförmigkeit Gleichgültigkeit hervorrufen. Beam hat wirklich eine ausgeprägte Vorliebe für Balladen, die vom Arrangement her überladen wirken, was sie gelegentlich konturlos erscheinen lässt.
mf
 EILEN JEWELL: Down Hearted Blues
EILEN JEWELL
Down Hearted Blues
eilenjewell.com
(Signature Sounds CD-SIG-2089/Redeye Worldwide)
12 Tracks, 38:03


Gerne begibt sich die Sängerin Eilen Jewell auf musikhistorische Suche, und dieses Mal gab es einige Bluesschätze zu entdecken. Wunderbar interpretiert sie Songs von Otis Rusch, Howlin’ Wolf, Memphis Minnie. Stimmig dazu die Bandbegleitung mit viel Hall in Gitarre und Schlagzeug – und absolut umwerfend das lasziv gesungene „It’s Your Voodoo Working“.
ah

 JOHN GARNER: Writing Letters
JOHN GARNER
Writing Letters
johngarner.de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 39:08


Englischsprachige rockige Musik von Stefan Krause, Lisa Seifert und Chris Sauer aus Augsburg. Die Texte handeln vom Briefeschreiben, aber zum Mitlesen abgedruckt und beigelegt sind sie nicht. Schade, denn es würde der Verständlichkeit helfen.
mas
 STACY JONES: Love Is Everywhere
STACY JONES
Love Is Everywhere
stacyjonesband.com
(Eigenverlag/CD Baby)
Promo-CD, 11 Tracks, 42:39


Auf ihrer siebten CD-Veröffentlichung spielt die Multiinstrumentalistin Gitarre, Dobro, Mundharmonika und Piano. Dazu singt sie mit klarer, kräftiger Stimme. Stilistisch bewegt sie sich zwischen Blues und Bluesrock mit Countryanklängen. Die dreiköpfige Band (Gitarre, Bass, Drums) macht gehörig Druck, bei Bedarf kommen noch Waschbrett und Saxofon dazu.
ah

 JULI H.: Ein Gruß
JULI H.
Ein Gruß
juli-h-musik.de
(Prosodia)
10 Tracks, 32:36


Die Lieder der Texterin und Sängerin Julia Hoffmann und des Pfarrers Holger Bentele am Klavier handeln von Beziehungen bzw. Nicht- oder Nichtmehrbeziehungen. Sensibel, aber nicht sentimental werden von dem Duo aus Berlin Erinnerungen an verflossene Lieben wachgerufen oder auch vergraben und Hoffnungen auf neue geweckt. Ein sympathisches Album.
rk
 KENNETH MINOR: Phantom Pain Reliever
KENNETH MINOR
Phantom Pain Reliever
kennethminor.bandcamp.com
(Lotte Lindenberg/Cargo)
Vinyl, 12 Tracks, 39:22


Eine knarzende Stimme, eine aggressive akustische Gitarre und Songs irgendwo zwischen New Country, Bob Dylan und Dead Moon, das sind die Zutaten für das zweite Album der Wiesbadener Kenneth Minor. Antifolk nannte man früher diese rau produzierten, oft live eingespielten Songs, die nach Folk klingen, aber den Punk ansprechen. Musik dieser Art ist leider selten geworden.
ce

 MOH! KOUYATÉ: Fé Toki
MOH! KOUYATÉ
Fé Toki
mohkouyate.com
(Foli Son Productions/Broken Silence, Promo-CD)
11 Tracks, 45:40


Der Spross einer guineischen Griotfamilie bleibt sich auch bei seinem neuen Album treu. Moh(ammed) aka Mamadou Kouyaté überzeugt mit eingängigen, dabei gut tanzbaren Songs, die er stilistisch abwechslungsreich „verpackt“, sich bei traditioneller Mandingemusik sowie Reggae, Funk und Rock bedient. Engagierte Texte, starke Stimme, brillante Gitarre.
rs
 La Chiva Gantiva: Despegue
La Chiva Gantiva
Despegue
lachivagantiva.com
(Flowfish Records ff0110/Broken Silence)
11 Tracks, 38:00


Die aus Brüssel stammende Band vereint Musiker aus Kolumbien, Belgien, Vietnam und Chile. Derart zusammengesetzt haben solche Gruppen oft einen Sound, der ein Cocktail aus allem Möglichen ist. Ein rappender Sänger zu harten rockigen Riffs, da wundert man sich fast, dass da noch ein Latinfeeling durchwirkt. Ist was für Freunde energetischer Musik.
hjl

 MICHAEL LANE: Linger On
MICHAEL LANE
Linger On
michaellanemusic.com
(Greywood Records, GWR011/Timezone Distribution)
Promo-CD, 11 Tracks, 44:03


Das Album durchströmt eine Leichtigkeit. Mit seinem selbst produzierten eingängigen Tenor-Folkpop möchte der Amerikaner seine Zuhörer anregen, in einer Welt zunehmender Unsicherheit ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Dabei singt und musiziert der ehemalige Soldat, der bereits als Zwanzigjähriger im Irak und später in Afghanistan im Kampfeinsatz war, aus eigener Erfahrung.
ep
 LO'JO: Fonetiq Flowers
LO'JO
Fonetiq Flowers
lojo.org
(Pias/World Village)
13 Tracks, 47:21


Lo'jo aus Angers sind eine der wichtigsten Bands der französischen Weltmusikszene. Auch auf ihrem zehnten Album steht der chansonhafte Altherrengesang von Denis Péan im Mittelpunkt, kontrastiert von den Einwürfen der Schwestern Yamina und Nadia Nid el Mourid. Ein auch musikalisch unverändert spannendes Projekt.
chr

 LOOPING BROTHERS: Wrong Road Again
LOOPING BROTHERS
Wrong Road Again
looping-brothers.de
(Eigenverlag)
15 Tracks, 41:46


Das deutsche Bluegrasstrio bietet Acoustic Music, Americana, Bluegrass sowie Old-Time und klingt dabei wie frisch aus den Bergen von Kentucky importiert. Matthias Malcher (Gitarre, Banjo, Gesang), Ulrich Sieker (Fiddle, Mandoline, Gesang) und Ralf Strotmann (Bass, Gesang) präsentieren fünfzehn Lieblingssongs aus ihrem Repertoire mit unbändiger Spielfreude, Schwung und beeindruckender Virtuosität. Toller Gesang. Yeeeh-hah!
uj
 ALEX LOPEZ: Slowdown
ALEX LOPEZ
Slowdown
alexlopezmusic.com
(Mar Emil Records)
14 Tracks, 50:39


Der US-Amerikaner Alex Lopez ist Gitarrist, Komponist und Bluessänger. Mitglieder seiner Band Xpress sind Gary Dowell (Keyboards), Steve Pagano (Bass) und Michael Maxim (Schlagzeug). Sie spielen eine Mischung aus Rock, Soul, Funk, Blues und Country.
asz

 LOS CINQ JAUS: Vara Vau
LOS CINQ JAUS
Vara Vau
facebook.com/loscincjaus
(AEPEM 17/01)
15 Tracks, 54:45


Diatonisches Akkordeon, Drehleier, Cabrette, Pieds, Geige und Gesang – mit dieser Besetzung zelebriert das Quartett Tänze und Lieder aus dem Languedoc, oft mehrstimmig gesungen in Okzitanisch oder Französisch. Melancholische Chansons wechseln sich mit Instrumentalstücken ab, die sehr abwechslungsreich und stimmig arrangiert wurden. Empfehlung.
uj
 LOWLAND HUM: Thin
LOWLAND HUM
Thin
lowlandhum.com
(Greywood, LC-55603/Timezone Distribution)
Promo-CD, 11 Tracks, 37:47


Das US-Singer/Songwriter-Paar Daniel und Lauren Goans hat seinen Artfolk auf dem dritten Album seit ihrem Debüt 2013 weiter verfeinert. Ihre poetischen Textmalereien über die Schönheit der Natur und die Widersprüche in den Menschen weben sie erneut in sanfte Gitarrenmelodien. Die intensiven Kompositionen finden dabei in ihrem zerbrechlichen Harmoniegesang einen hervorragenden Ausdruck.
ep

 MANNTRA: Meridian
MANNTRA
Meridian
manntra.hr
(Soulfood)
11 Tracks, 37:52


Sehr ungewöhnlich, mal kroatischen Folkrock zu hören. Zu den Texten lässt sich nichts sagen, weil auch das Booklet der CD nur in Kroatisch ist. Musikalisch ist dieses Debütalbum, von In-Extremo-Sänger Micha unterstützt, sehr professionell und interessant. Traditionelle Melodien, gemischt mit Metal, Folkinstrumenten und treibenden Rhythmen – schon spannend.
pp
 ZARA McFARLANE: Arise
ZARA McFARLANE
Arise
zaramcfarlane.com
(Brownswood Recordings BWOOD0162/Rough Trade)
Promo-CD, 12 Tracks, 47:00


So klingt es, wenn jamaikanische Musik den Jazz inspiriert. Die britische Sängerin verbindet afrikanische Musik, Hard-Bop-Jazz und Dubsounds zu einer sehr eigenen Form. Ihr Gesang ist am Lovers Rock (dem Kuschelreggae) orientiert, den sie mit mehrfach gedoppeltem Chorgesang verbindet. Die Musik wirkt dadurch trotz komplexer Jazzrhythmik sphärisch.
hjl

 MAURENBRECHER: Flüchtig
MAURENBRECHER
Flüchtig
maurenbrecher.com
(Reptiphon/Broken Silence)
13 Tracks, 53:47


Er ist seit Jahren einer der besten Liedermacher des Landes. Sinnliche Lieder, kratzige Stimme und immer Texte, die einfach interessant und klug sind. Spannende, atmosphärisch dichte Geschichten mit eingängigen Melodien. Flüchtlinge, Rechtsentwicklung, Menschliches, Geheimnisvolles, es sind politisch wache Lieder ohne platte Agitation, Maurenbrecher wieder at his best.
rk
 METUSA: Streifschuss
METUSA
Streifschuss
metusa.de
(Eigenverlag)
EP, 6 Tracks, 24:03


2007 als Straßenmusikprojekt gegründet und sich der Mittelalterszene zugehörig fühlend, ist man heute ganz klar im Rock- und Punkbereich gelandet. Dezente Einschübe von Nyckelharpa, Sackpfeife und Flöten können das nicht ändern. Auch Texte wie „Dresscode“, „Ninja“ oder „Deutschland“ und das quietschbunte CD-Outfit zeigen, dass man mittlerweile weit weg von Folkmusik ist.
pp

 MONSTERS OF LIEDERMACHING: Für alle
MONSTERS OF LIEDERMACHING
Für alle
monstersofliedermaching.de
(OMN Label Services/Rough Trade)
19 Tracks, 57:57


Das hamburgisch-berlinerische Liedermachersextett ist seit vierzehn Jahren dafür berühmt, dass es in Konzerten das Publikum einbindet und dies dann live auf CD verewigt. Doch dieses Mal begaben sich die Musiker ins Studio, um diese feine Scheibe mit lustigen, ironischen, teilweise auch makabren Texten einzuspielen. Auch Fans von Basta zu empfehlen.
mas
 THE MOORINGS: Unbowed
THE MOORINGS
Unbowed
mooorings-band.com
(Subkultura/Mast)
12 Tracks, 42:00


Die fünfköpfige französische Celtic-Rock-Band The Moorings hat ein erstes Studioalbum aufgenommen. Es ist geprägt von ungehobeltem Gesang (in englischer Sprache) und mittelmäßiger Musik. Herausragend ist nur die Folkpunkversion von Jacques Brels Matrosenhymne „Amsterdam“.
chr

 WOLFGANG NIEDECKEN: Reinrassije Strooßekööter – Das Familienalbum
WOLFGANG NIEDECKEN
Reinrassije Strooßekööter – Das Familienalbum
bap.de
(Vertigo/Universal)
Promo-CD, 14 Tracks, 65:52


Sein fünftes Soloalbum hat der BAP-Frontmann mit seinem alten Spezi Julian Dawson (Gitarre, Dobro und Harmonica) als Produzent und Arrangeur mit einer Riege hochkarätiger Studiomusiker in New Orleans aufgenommen. Ein neuer und dreizehn alte „Familiensongs“ – selten klang Niedecken musikalisch so relaxed und groovy, mit Harp-, Pedal-Steel- und Zydeco-Akkordeonklängen.
uj
 NOBODY KNOWS: Folkslieder
NOBODY KNOWS
Folkslieder
nobodyknows.de
(Prosodia)
13 Tracks, 43:17


Nach einem Intro aus Vivaldis Le Quattro Stagioni geht es sauflustig-bänkelsängerisch zur Sache, gefolgt von Volksliedern durch Jahres- und Tageszeiten, alle fetzig und übermütig dargeboten, auch „Der Mond ist aufgegangen“. Keine Chance auf Abendruhe, aber sehr wohl auf eine folkige Party. Ob es der Bauer am nächsten Tag wirklich schafft, früh aufzustehen?
mas

 NORTH SEA GAS: When We Go Rolling Home
NORTH SEA GAS
When We Go Rolling Home
northseagas.co.uk
(Scotdisc CDITV865)
15 Tracks, 57:03


Seit 37 Jahren gibt es dieses Trio bereits, ein wenig wie The McCalmans mit Fiddle. Prägnanter Harmoniegesang, gewissenhafte Songauswahl zwischen Tradition und Heute, sauberes Handwerk und hoher Mitsingfaktor. Sie touren regelmäßig durch Deutschland, vornehmlich im Osten und sehr gerne auch in Kneipen. Das passt und hat trotzdem Qualität.
mk
 PAUL O’BRIEN: Zufall?
PAUL O’BRIEN
Zufall?
paulobrien.ca
(Eigenlabel, POBCD009)
12 Tracks, 49:15


Seine größte Fangemeinde hat er tatsächlich in Deutschland und der Schweiz. Dabei lebt der fünfzigjährige Singer/Songwriter aus England bereits seit 2004 in Kanada. Speziell für seine treuen deutschen Anhänger hat er ein neues Album mit eingängigen Liedern zwischen Folk, Pop und Soul produziert. Dabei überzeugt der Gitarrist nicht nur mit seiner sanften Stimme, sondern auch durch nachdenkliche Geschichten aus seinem Leben.
ep

 EGIL OLSEN: You And Me Against The World
EGIL OLSEN
You And Me Against The World
egilolsen.com
(Iknowwhatyoudidlastrecords/Broken Silence)
11 Tracks, 29:53


Egil Olsen, laut Beiblatt einer der „besten Songwriter Norwegens“, hat viel Saxofon im Hintergrund, singt gern mit Kopfstimme, schreibt auf Englisch, singt mit starkem norwegischen Akzent – und steht auf Binsenweisheiten: die Welt ist schlecht, die Liebe ein Trost. Hat manchmal Anklänge an frühen Gordon Lightfoot, kann man gut hören, mehr aber nicht.
gh
 PASSERINE: Harbingers
PASSERINE
Harbingers
passerinemusic.net
(Eigenverlag)
Promo-CD, 12 Tracks, 48:57


Mit einem Hintergrund im progressiven Bluegrass und modernen Folk entwickeln Passerine mit ihrer Besetzung Dobro/Violine/Bass/Gitarre einen harmonischen Sound mit ausgetüftelten Gesangsmelodien. Wohltuend altertümlich, klingt Harbingers doch nicht altbacken.
mf

 PAULINES CHOICE: A Night In Stromness
PAULINES CHOICE
A Night In Stromness
facebook.com/PaulinesChoice
doc-fritz.de
(Prosodia)
7 Tracks, 26:59


Die thüringischen Schwestern Pauline und Lisa-Lou Pfeiffer lachten sich Folk-Tausendsassa Tim „Doc Fritz“ Liebert (u. a. Hüsch!) an für dieses wunderschöne, ruhige Album mit Liedern und Tunes von den Orkneys und Shetlands auf Geige, Bratsche, Waldzither und mehr, die zum Träumen von Inseln, Küsten und Fischerdörfern einlädt.
mas
 PENTANGLE: Finale
PENTANGLE
Finale
pentangle.info
(Topic Records TXCD824D)
Do-CD, 21 Tracks, 92:41


Im Sommer 2008 gingen Pentangle in England noch einmal in Originalbesetzung auf Tour, wie wir nun wissen das letzte Mal. Bert Jansch und John Renbourn weilen leider nicht mehr unter uns, aber hier, vierzig Jahre nach dem Livealbum Sweet Child, spielen sie noch einmal ihre Jazz/Folk/Trad-Klassiker live in ihrem unnachahmlichen Stil. Ein Muss.
mk

 RANKY TANKY: Ranky Tanky
RANKY TANKY
Ranky Tanky
rankytanky.com
(Resilience Music)
13 Tracks, 46:26


Sie erwecken die Gullah-Tradition der afrikanisch-amerikanischen Gemeinde North und South Carolinas, Georgias sowie Floridas zu neuem Leben. Auf ihrem Debüt verwandeln die fünf studierten Musiker um den Grammy-nominierten Schlagzeuger Quentin E. Baxter traditionelle Spirituals und Folksongs in swingende Jazzarrangements. Dabei harmonieren die instrumentalen Improvisationen mit der kraftvollen Stimme der Sängerin Quiana Parler.
ep
 DAVID RAWLINGS: Poor David’s Almanack
DAVID RAWLINGS
Poor David’s Almanack
davidrawlingsmusic.com
(Acony Records ACNY 1713/H’art)
10 Tracks, 38:19


Als musikalischer Partner von Gillian Welch ist Rawlings seit gefühlten Ewigkeiten aktiv. Nur sein Output unter eigenem Namen ist recht schmal geblieben. Poor David’s Almanack macht keinen großen Unterschied zu seiner Arbeit mit Welch. Welch singt sogar und spielt auf allen Songs mit, selbst die Albumgestaltung lag in ihren Händen. Insgesamt klingt die Musik von Rawlings etwas ruppiger als seine Musik „unter“ Welch.
mf

 HERVE SAMB: Teranga
HERVE SAMB
Teranga
hervesamb.com
(Euleuk Vision/Stone Art & Sound Fessmann)
Promo-CD, 11 Tracks, 47:36


Mitwirkend bei über hundert Studioproduktionen, hat sich Samb zum vierten Mal auf Solopfade begeben. Sabar Jazz nennt er sein Konzept und hat sich Gäste wie Faada Freddy oder Niouga Dieng eingeladen. Der Schönklang des Albums lässt selbst traditionelle Musik aus dem Senegal wie amerikanische Jazzstandards klingen. Perfekt gespielte, afrikanische Easy Listening Music.
cs
 SAOIRSE MHÓR: Ghosts Of Tomorrow
SAOIRSE MHÓR
Ghosts Of Tomorrow
saoirsemhor.com
(Greenhill Media)
11 Tracks, 48:49


Der in Waldbrunn lebende Ire singt mit irischen und deutschen Begleitmusikern englischsprachige Lieder voller Melancholie, Sehnsucht, Ernsthaftigkeit und Poesie. Die im Booklet mitlesbaren Texte handeln von Niederlagen, von gestorbenen Zukunftsplänen und anderen eher traurigen Dingen, aber auch von Fanore im County Clare, wo man den Kopf wieder frei bekommt.
mas

 MARIA SCHÜRITZ: Lieder aus dem Kopfkino
MARIA SCHÜRITZ
Lieder aus dem Kopfkino
maria-schueritz.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 34:01


Atmosphärisch dichte Lieder bringt die junge Musikerin aus Leipzig auf ihrem durch Crowdfunding finanzierten deutschsprachigen Soloalbum zu Gehör. Sie mischt Elemente von Jazz, Soul und Blues, Saxofon, Trompete, Posaune und Kontrabass sorgen für stimmungsvolle Passagen. Verträumtes, Assoziatives, wortverspielte Alliterationen und Puzzleteile des Lebens bestimmen ihre Texte.
rk
 NICOLA SEGATTA: Shakespeare For Dreamers
NICOLA SEGATTA
Shakespeare For Dreamers
squilibri.it
(Vis-Age Music/Galileo)
11 Tracks, 38:43


Einer Theorie zufolge war Shakespeare ein geflohener sizilianischer Quäker, so das wunderschöne Booklet. Dieses ist viersprachig (engl., ital., dt., frz.), sehr informativ und aufwendig gestaltet. Das Piccola Orchestra Lumière intoniert die Kompositionen von Segatta mit Gespür. Deren stilistische Bandbreite liegt zwischen Barock und Schostakowitsch. Empfehlenswert.
mst

 MARTIN SIMPSON: Trails & Tribulations
MARTIN SIMPSON
Trails & Tribulations
martinsimpson.com
(Topic Records TSCD593/H’Art)
Promo-CD, 13 Tracks, 52:44


Er wird schlicht immer besser, der englische Saitenzauberer (div. Gitarren, Banjo, Ukulele) mit der prägnanten Stimme. Neben der handwerklichen Meisterschaft hat Simpson ein ausgeprägtes Talent, sich aus dem englischen und amerikanischen Fundus die exakt passenden Songs zu seinen eigenen auszusuchen. Zwanzigstes Soloalbum in vierzig Jahren!
mk
 JON SPEAR BAND: Hot Sauce
JON SPEAR BAND
Hot Sauce
jonspearband.com
(Eigenverlag/CD-Baby)
12 Tracks, 52:49


Leadgitarrist und Sänger Jon Spear spielt mit seiner Band elektrischen Blues. Die Musiker an seiner Seite, die im Hintergrund auch alle mitsingen, sind Dara James (Mundharmonika, Gitarre und Gesang), Andy Burdetsky (Bass) und John Stubblefield (Schlagzeug).
asz

 LINDSAY STRAW: The Fairest Flower Of Womankind
LINDSAY STRAW
The Fairest Flower Of Womankind
lindsaystraw.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 63:13


Die junge Amerikanerin liebt britische Balladen, wie die englisch-schottischen Schätze auf diesem Album, seit ihrer Kindheit. Die Stimme ist angenehm und melodiös. Leider wirken die Interpretationen auf Dauer einschläfernd, wenn lediglich Zurückhaltung intendiert ist. Bei drei bis vier Stücken ist die Begleitband risikoreicher, und das kommt auch dem Gesang zugute.
mk
 TANNARA: Trig
TANNARA
Trig
tannaramusic.com
(CPL Music CPL017/Broken Silence)
9 Tracks, 42:34


Ein schottisches Quartett mit talentierten Jungspunden, den Kopf voller eigener Ideen und Melodien, die sie mit Gitarre, Fiddle, Harfe, Akkordeon und Piano auch mal festlandeuropäisch umsetzen wollen. Dazu ein eigenwilliger Sänger, der die drei Tradlieder zum Erlebnis macht, plus Produzentin Rachel Newton, die das Chaos lenkt und nicht erstickt.
mk

 THE 4 OF US: Sugar Island
THE 4 OF US
Sugar Island
the4ofus.com
(Future Records, Future CDS0111)
12 Tracks, 39:45


Spätwerk der irischen Brüder Declan und Brendan Murphy. Ruhige, deutlich an Americana-Stilistik angelehnte Aufnahme, sauber eingespielt und gefälliger Sound, eine durchaus hörenswerte Combo mit u. a. Multiinstrumentalist Enda Walsh. Gesanglich eher auf der verhaltenen Seite (man denkt mitunter an J. J. Cale), birgt das Album leider nur wenige musikalisch wirklich zündende Momente.
js
 ANNA TIVEL: Small Believer
ANNA TIVEL
Small Believer
annativel.com
(Fluff & Gravy Records FnG 042)
Promo-CD, 11 Tracks, 42:55


Aus Portland, Oregon, kommt Anna Tivel, mit ihrem ersten Album voller Songwritermelodien mit einem leichten Jazztouch, die nicht ganz so unbekannt daherkommen, doch denen sie mit ihrer leichten und verhaltenen Stimme einen neuen Charme einhaucht. Die geschmackvolle Produktion von Austin Nevins verleiht Small Believer eine anspruchsvolle Gegenwärtigkeit.
mf

 TJANGO! Greens And Blues: Eigenverlag
TJANGO! Greens And Blues
Eigenverlag
11 Tracks
40:23
(tjango.fi)


Der Bandname hält, was er verspricht. Die finnische Jazz-World-Gruppe spielt eine perfekte Melange aus finnischem Tango und Django Reinhardts Gypsy Jazz. Auch Ausflüge ins Countrylager meistern die Finnen souverän. Das zweite Album von Tjango! sorgt für Fröhlichkeit und gut gefüllte Tanzsäle.
ce
 TOVE K: Paying The Birds To Sing
TOVE K
Paying The Birds To Sing
tovek.no
(Grappa/Galileo Music)
9 Tracks, 37:43


Tove K ist noch so eine Norwegerin, die unbedingt auf Englisch schreiben will und Probleme mit der Aussprache hat. Die Hintergrundmusik ist zu laut, ihre eigentlich sehr ausdrucksstarke Stimme kommt nicht richtig durch, aber wir hören doch ihren überaus norwegischen Kulturpessimismus aus den Texten heraus. Schönes Duett mit Kjetil Grande.
gh

 TRE MARTELLI: 40 Gir 1977-2017
TRE MARTELLI
40 Gir 1977-2017
felmay.it
(Felmay fy8247)
21 Tracks, 69:33


Die drei Hämmer sind eine piemontesische Institution. Zwei Mitglieder des Gründungstrios sind immer noch dabei. Renzo Ceroni spielt unzählige Saiteninstrumente, Enzo G. Conti Akkordeon, Fiedel, Bass, Konzertina und Harmonium. Das Album zum Vierzigsten der aktuell achtköpfigen Gruppe besteht aus unveröffentlichten Outtakes und Liveaufnahmen.
mst
 RANDI TYTINGV?G TRIO: Roots And Wings
RANDI TYTINGV?G TRIO
Roots And Wings
tytingvaag.no
(Kirkelig Kulturverksted/Indigo)
12 Tracks, 46:07


Randi Tytingvåg schreibt auf Englisch. Norwegisch sind immerhin die Stickereien auf dem Cover. Musikalisch erinnert die Sängerin an die frühen McGarrigles, mit einer solchen melodischen Harmonie, dass nicht mal der norwegische Akzent stört. Besonders interessant ein an Lili Marleen gerichtetes Lied (das allerdings mit der Frau aus Hans Leips Lied nichts zu tun hat.)
gh

 JEANINE VAHLDIEK BAND: No Hardship
JEANINE VAHLDIEK BAND
No Hardship
jeanine-vahldiek.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 52:32


Ein Popalbum mit Harfe als hervorstechendem Instrument wird irgendwie zu Folkmusik. So passt die Jeanine Vahldiek Band trotz Liedern à la Annett Louisan am besten auf die Straße. Die Songs sind auf Englisch geschrieben, aber in Deutsch gedacht. Das sympathische Auftreten der Band lässt noch einiges an Potenzial erahnen.
ce
 VAIR: A Place In Time
VAIR
A Place In Time
facebook.com/vairband
(Eigenverlag)
10 Tracks, 52:44


Erstling der vier Herren von den Shetlandinseln. Banjo, Gitarren und diverse Mandolinen (aber keine Fiddle) werden mit jugendlichem Enthusiasmus gespielt, live ohne Publikum. Banjodominierte Instrumentals, selten Trads, wechseln mit drei Songs ab, von denen die Version von Zevons „Roland The Headless Thompson Gunner“ mit viel Power rüberkommt.
mk

 WEBSTER AVE: Daylight
WEBSTER AVE
Daylight
websterave.usethesetunes.com
(Eigenverlag/Tune Score)
14 Tracks, 52:48


Der Gitarrist, Singer/Songwriter und große Studiomusiker David Webster spielt mit Andrew Caturano (Percussion und Hintergrundgesang) und Tony Mercadante (Bass und Hintergrundgesang) eine beachtliche Produktion ein. Es sind auch fünf weitere Gastmusiker bei verschiedenen Bluessongs dabei.
asz
 WILJALBA: Wild Strawberries
WILJALBA
Wild Strawberries
wiljalba.bandcamp.com
(Waterfall Records/Tunecore)
Promo-CD, 3 Tracks, 13:29


Der Berliner Gitarrist und Singer/Songwriter David Frikell präsentiert auf seiner ersten EP Folk, Blues und Countrymusik. Zu hören sind erfrischende Banjo-, Mandolinen- und Mundharmonikaklänge, die er mit Duopartner Jamie Collier oder Gastmusikern eingespielt hat. Im Dezember erscheint das gesamte Album.
asz

 RODDY WOOMBLE: The Deluder
RODDY WOOMBLE
The Deluder
roddywoomble.net
(A Modern Way/Indigo)
Promo-CD, 11 Tracks, 47:10


Der Sänger der schottischen Rockband Idlewild hat auf seinen früheren Soloalebn mit Musikern wie Kris Drever, John McCusker oder Karine Polwart zusammengearbeitet. Aber sein musikalisches Spektrum ist größer. Dieses sehr nachdenkliche Werk ist eher dem Indiepop gewidmet. Eigene, teils bluesige Songs in klassischer Gitarre/Keyboards/Bass/Drums-Besetzung.
mk
 SIBUSILE XABA: Unlearning – Open Letter to Adoniah
SIBUSILE XABA
Unlearning – Open Letter to Adoniah
sibusilexaba.com
(Mushroom Hour Half Hour MSH-ART001+2/Rough Trade)
Do-CD, CD 1: 10 Tracks, 45:47; CD 2: 6 Tracks, 54:19


Xabas spezieller Gesangsstil bewegt sich leicht schwebend zwischen Rezitation und melismatischem Timbre. Erforscht er auf der ersten CD gefühlvoll, aber sehr textlastig, Themen wie Freiheit und Gerechtigkeit, so werden eben diese Themen auf der zweiten CD mit einer improvisierenden Jazzband energetisch treibender umgesetzt.
cs

 : rezi-legende
Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Christian Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (chr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Martin Steiner (mst), Annie Sziegoleit (asz), Katrin Wilke (kw)




Bücher
 SHOW OF HANDS: No Secrets : A Visual History of Show of Hands / Text: Phil Beer …
SHOW OF HANDS
No Secrets : A Visual History of Show of Hands / Text: Phil Beer …
showofhands.co.uk
(London : Flood Gallery Publ., 2017. – 220 S. : überw. Fotos, mit erl. Texten)
ISBN 978-1-911374-01-5 , 60,00 GBP


Vor 25 Jahren fanden Show of Hands zusammen und entwickelten sich zu einem englischen Folkduo der Extraklasse mit ebensolcher Dame. Sie waren nie für halbe Sachen zu haben und machen alles immer genau auf ihre spezielle Art, zum Beispiel die renommierte Royal Albert Hall bereits fünfmal in den größten Folkclub Englands verwandeln. Da verwundert es nicht, dass Show of Hands auch ihre Silberhochzeit mit einem Knaller feiern. Oder besser gesagt, mit einem veritablen doorstopper, wie die Engländer dicke, schwere Bücher nennen. Das Werk kommt in einer so genannten „deluxe edition“ daher, natürlich auch deluxe im Preis, Spezialpapier, stabiles Cover und ebensolche Bindung, geschützt im soliden Schuber. Das macht optisch schon was her, und Folker-Fotochef Ingo Nordhofen ist ebenfalls vertreten, zumindest mit einem, wenn auch kleinen Foto. Innen dominieren entsprechend dem Untertitel die Schwarz-Weiß- und Farbfotos von Kindertagen bis gestern, geschmackvoll und abwechslungsreich layoutet. Durchgängig auffallend: Bei den offiziellen Promofotos scheint die Devise zu lauten „Zeige nie deine Zähne“, und meist ist die Lage offensichtlich ausgesprochen ernst. Der Text ist größtenteils wörtliche Rede der Protagonisten, und da zeigt sich wenig überraschend Knightley als der Mensch mit dem größten Mitteilungsbedürfnis, schließlich schreibt er die Songs. Nach der Lektüre weiß man: Phil Beer lässt ihn. Das persönliche Bandgeheimnis: Die beiden überzeugten West-Country-Boys akzeptieren sich so, wie sie sind, und geben sich gegenseitig den nötigen Spiel- und Freiraum, jeder hat und akzeptiert seine Rolle, Bassistin Miranda Sykes inklusive, fast wie in einer erfolgreichen Ehe. Das Thema und besonders der Preis garantieren, dass dieses schöne Buch nicht von Musikfreunden generell gekauft werden wird, sondern ausschließlich von Fans. Davon haben Show of Hands allerdings genug, und diese Fans werden selbstredend absolut begeistert sein.
Mike Kamp
 GARNET ROGERS: Night Drive : Travels with My Brother / a memoir by Garnet Rogers.
GARNET ROGERS
Night Drive : Travels with My Brother / a memoir by Garnet Rogers.
garnetrogers.com
(o. O. : Tickle Shore Publ., 2016. – 735 S. : mit s/w-Fotos im Anh.)
ISBN 978-0-9950742-0-0 , 30,00 CAD


Garnet Rogers ist ein hierzulande leider kaum bekannter Singer/Songwriter aus Kanada, der mit samtweichem Bariton gefühlvolle eigene Songs in einem musikalischen Stilmix zwischen Blues, Rock, Country und klassischer Musik interpretiert. Rogers hat bislang sechzehn Alben veröffentlicht, dennoch steht er immer noch zu Unrecht im Schatten seines „großen“ Bruders, der kanadischen Folkmusikikone Stan Rogers. Der Liedermacher und Sänger verhalf mit Liedern wie „The Mary Ellen Carter“, „Barrett’s Privateers“, „Northwest Passage“ und vielen anderen der kanadischen Folkmusik zu neuem Selbstbewusstsein und einer neuen Identität. Stan Rogers starb 1983 im Alter von nur 33 Jahren an Bord einer Air-Canada-Maschine nach der Landung in Toronto, vermutlich an den Folgen einer Rauchvergiftung. Sein jüngerer Bruder Garnet, der mit knapp achtzehn Jahren Mitglied in seiner Band geworden war, spielte Violine, Whistle und Gitarren und sang Backing Vocals. Zusammen mit wechselnden Bassisten versuchten die drei völlig unbekannten Musiker ab Mitte der Siebzigerjahre, mit Musik ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nach Stan Rogersʼ Tod setzte sein Bruder seine musikalische Karriere solo fort. Während seiner Konzerte erzählte er immer wieder Anekdoten vom Leben und von den Reisen mit seinem Bruder, seine Zuhörer drängten ihn immer wieder, sie aufzuschreiben. Nun liegt eine Autobiografie vor, in der der „kleine Bruder“ in einem großformatigen, dicken Paperback auf 735 Seiten seine Erinnerungen wachwerden lässt, wie es war, mit Bruder Stan „aufzuwachsen, Musik zu entdecken und zu lernen in einer Band zu spielen. Wie die Lieder geschrieben und aufgenommen wurden. Wie das Leben unterwegs war, als es noch keine Independentmusikszene gab. Und nahezu jede blöde, unerklärbare und bizarre Geschichte, die ein paar jungen Idioten widerfahren konnte, die naiv genug waren zu glauben, sie könnten damals Mitte der Siebziger und frühen Achtziger mit Folkmusik ihren Lebensunterhalt verdienen“ (Umschlagtext). Garnet Rogers hat eine ungemein zupackende, kraftvolle Prosa, lakonisch, trocken und schonungslos, vor allem aber auch witzig. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er das Denkmal Stan Rogers zwar nicht vom Sockel stürzt, es aber ins rechte Licht rückt. Er lässt die vermeintliche Lichtgestalt wieder zu einem menschlichen Wesen mit positiven wie negativen Seiten werden. Man erlebt den langsamen, aber stetigen Aufstieg Rogers’ zum gefeierten „Star“ mit, spürt hautnah die Stimmung im Bandbus, wenn nach stundenlangen Fahrten von Ost nach West die Nerven blank liegen, fühlt sich klebrig in einer endlosen Zahl versiffter sogenannter Venues, riecht den süßlichen Duft verfeinerter Zigaretten und schmeckt den billigen Alkohol auf der Zunge, der im Laufe des Buches und im Leben von Garnet Rogers eine immer prominentere Rolle spielt. Für die Fans der Brüder ist das Buch unverzichtbar – leider hat es einen hohen Preis. Wenn man es in gedruckter Form besitzen will, kostet es inklusive Versandkosten 70 kanadische Dollar. Das Buch ist allerdings auch als E-Book erhältlich und kostet dann je nach Version zwischen 16 und 20 Dollar.
Ulrich Joosten

 BILLY BRAGG: Roots, Radicals And Rockers – How Skiffle Changed The World.
BILLY BRAGG
Roots, Radicals And Rockers – How Skiffle Changed The World.
faber.co.uk
(London : Faber & Faber, 2017. – 431 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-0-571-32774-4 , 20,00 GBP


Skiffle? Das waren doch Lonnie Donegan und diese Typen mit Waschbrett und Teekistenbass, die für magere zwei bis drei Jahre in den Fünfzigern auf der Bildfläche auftauchten. Und über diesen Wimpernschlag der Musikgeschichte ein ausgewachsenes Buch und das auch noch von Billy Bragg, das kann doch nur ein Irrtum sein, oder? Keinesfalls, auch wenn der Verlag den Untertitel eine Spur zu hoch ansetzt. Bragg ist die Idealbesetzung für dieses Buch, denn er entstammt einer anderen britischen Musikrevolte mit Wurzeln in den USA namens Punk und hat daher eine Antenne für die nachhaltigen musikalischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die sich in den Fünfzigern vollzogen. Skiffle als kurzlebige britische Modewelle hatte Wurzeln im Tradjazz aus New Orleans, kannte zwar zum Beispiel Jug Bands als Parallelen in den USA, war aber eindeutig ein britisches Phänomen. Die erste Musik, die von jungen Menschen für junge Menschen gemacht wurde und die sich zumindest von ihrer Idee und der Basis her dem Musikgeschäft verweigerte. Eine einfache Musik für billige Instrumente, die sich die Jugendlichen leisten konnten, eine Musik, die auf ihrem Höhepunkt circa 1957 von sage und schreibe 30.000 bis 50.000 Bands in Großbritannien gespielt wurde, astreiner kultureller Do-it-yourself – eben wie Punk. Bragg arbeitet all das ausgesprochen minutiös und nachvollziehbar heraus, ernsthaft und sehr detailliert. Sein Selbstverständnis gebietet ihm ebenfalls, die sozialen Umwälzungen und die ersten Jugendrevolten jener Zeit miteinzubeziehen. Er zeigt auch deutlich die politischen Randerscheinungen der Skifflebewegung (etwa die Campaign for Nuclear Disarmament) und weist nach: Ohne Skiffle wäre das Folkrevival anders verlaufen und auf der anderen musikalischen Seite, ohne Skiffle keine Beatles und was danach folgte. Ja, Skiffle war eine kurzlebige akustische Musik, aber Bragg weist ihr den korrekten Platz zu als unverzichtbares, jugendbezogenes Bindeglied zwischen Nachkriegsdepression und Rock-’n’-Roll-Aufbruch. Wer Skiffle auf „Rock Island Line“ reduziert, hat Skiffle nicht verstanden. Oder dieses Buch nicht gelesen.
Mike Kamp
 MICHAEL BEHRENDT: I Don’t Like Mondays : Die 66 größten Songmissverständnisse.
MICHAEL BEHRENDT
I Don’t Like Mondays : Die 66 größten Songmissverständnisse.
theis.de
(o. O. : Theiss, 2017. – 224 S.)
ISBN 978-3-80623-485-5 , 19,95 EUR


Nun, von den „66 größten“ Songmissverständnissen zu reden, ist reichlich übertrieben. Es gibt unzählige weitere Musiktitel, die missverstanden und oft auch politisch missbraucht wurden. Behrendts Auswahl von bekannten und weniger bekannten Songs aus den Vierzigerjahren bis heute ist ausgesprochen subjektiv. Sein kurzweiliger Erzählstil macht das Buch dennoch zu einer netten Lektüre, bei der auch der Kenner die eine oder andere neue Erkenntnis gewinnen mag. Natürlich fehlen weder von konservativen Kreisen gerne vereinnahmte Songs wie Bruce Springsteens „Born In The USA“ oder Woody Guthries „This Land Is Your Land“ noch so völlig falsch interpretierte Lieder wie „I Donʼt Like Mondays“ von den Boomtown Rats, das keineswegs ein Stück für Montagsmuffel ist, sondern den Amoklauf einer minderjährigen Schülerin aufarbeitet, oder „Every Breath You Take“ von The Police, ein Stück über Stalking, das als Schmusehit gefeiert wurde. Viele kennen Udo Jürgensʼ Schlagerhit „Griechischer Wein“ von 1974, der sich auf zahllosen Saufliedsamplern findet. Doch wenigen dürfte bewusst sein, dass es in dem Text um die Erfahrungen von Gastarbeitern geht zu einer Zeit als „‚Willkommenskultur‘ noch ein Fremdwort war“. Am wichtigsten scheint mir Behrendts 21-seitiges Vorwort zu sein, in dem er sich mit den vielseitigen Gründen für „Missverständnisse“ auseinandersetzt und dabei Goethe als Kronzeugen zitiert: „Keiner versteht den anderen ganz, weil keiner beim selben Wort genau dasselbe denkt wie der andere.“
Michael Kleff

 WALTER ZEV FELDMAN: Klezmer : Music, History & Memory.
WALTER ZEV FELDMAN
Klezmer : Music, History & Memory.
global.oup.com
(o. O. : Oxford Univ. Pr., 2016. – XXIV, 412 S.: mit s/w-Fotos u. Notenbeisp.)
ISBN 978-10-19-024451-4 , 56,00 GBP


Um es in einem Satz zu sagen: Keiner, der irgendwie mit Klezmer zu tun hat, kommt an diesem Buch vorbei. Prof. Dr. Walter Zev Feldman gilt gemeinsam mit seinem Kollegen Andy Statman als derjenige, der unter anderem den Tsimbel (ein Hackbrett) spielend, für das Wiederbeleben der Klezmermusik Ende der Siebziger verantwortlich gemacht werden kann. Feldman hat ein Buch veröffentlicht, das genau das beinhaltet, was der Titel verspricht: Musik, Geschichte und Erinnerung. Dabei geht es nicht nur historisch in die Tiefe, zurück zu den Ursprüngen bis ins Prag des sechzehnten Jahrhunderts, sondern weist als Ergebnis umfangreicher Feldforschungen eine überraschende Fülle an Anekdoten auf, welche die Thematik Klezmer als (politische) Grenzen überschreitendes Phänomen osteuropäisch-jüdischer Kultur dem Leser näherbringen soll. So beschreibt Feldman mit dezidierter Präzision über mehrere Seiten den Ursprung des aus dem Hebräischen stammenden Wortes Klezmer, welches aus kli für „Behälter“ oder „Instrument“ und zemer für „Lied“ entstand und in der Verbindung allgemein ein Musikinstrument bezeichnet. Natürlich ist Klezmer nicht ohne Tanz zu verstehen, weshalb sich unter anderem ein Extrakapitel über die Entstehung des Sher findet. Zwar bedauert Feldman, dass der osteuropäisch-jüdische Tanz bis dato viel zu wenig Gegenstand akademischer Untersuchungen war, nichtsdestotrotz bestätigt er, dass er seit jeher integraler Bestandteil jüdischer Kultur ist. Hierzu stellt er fest, dass sich der jüdische Tanz in „höchst bemerkenswerter Weise“ im mittleren Europa durch feste Figuren und vorgeschriebene Schrittkombination dem Umfeld anglich, während sich im Osten innerhalb der jüdischen Bevölkerung eine eigenständige Tanzkultur mit improvisierten Schrittelementen entwickelte. Ein Glossar, eine umfangreiche Bibliografie sowie ein Stichwortverzeichnis runden diese hervorragende Publikation ab, die in keinem Regal für Liebhaber jüdischer Musik fehlen sollte.
Matti Goldschmidt



Besondere
DANIEL KAHN & THE PAINTED BIRD
The Butcher’s Share
paintedbird.net
(Oriente Rien CD 91)
13 Tracks, 43:54 , mit Infos u. engl. u. jidd. Texten


Am 8. Dezember 2011 erhielt Daniel Kahn in der Frankfurter Brotfabrik für Lost Causes den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Mit elf neuen und wie zu erwarten weiterhin durchaus subversiven Liedern auf seinem mittlerweile fünften Album tritt Kahn mit seiner Begleitgruppe The Painted Bird nach immerhin ganzen fünf albumlosen Jahren in die Fußstapfen seiner früheren Erfolge. Es ist nicht die Vergangenheitsbewältigung, die immer wieder Thema zu sein scheint, sondern vielmehr die Gegenwartsbewältigung, wie sie bereits im zweiten Stück des Albums, „The Butcher’s Sher“ (Sher ist ein von osteuropäischen Juden gepflegter Tanzstil), in verstörendem Kontrast zum Albumtitel „Share“ (des Metzgers  DANIEL KAHN & THE PAINTED BIRD: The Butcher’s Share Anteil) deutlich wird. Kahn fordert zur verbalen Verurteilung unseres Konsumverhaltens und im selben Moment zum Tanz auf. Andererseits dringt in „No One Survives“, dem abschließenden Stück des aktuellen Programms (zwei weitere Bonustracks sind ältere Aufnahmen), schiere Hoffnungslosigkeit ans Licht, aus der „überhaupt niemand lebendig“ herauskomme. Das alles ist nicht immer leicht verdaulich, aber Kahn hat Musiker verschiedenster Herkunft um sich geschart, denen es im Umfeld des Berliner Gorki-Theaters keinesfalls „um gespaltene Identitäten, sondern um radikale Vision und komplizierte Narrative geht“. Hampus Melin (dr) ist fast von Anfang an bei The Painted Bird wie auch Michael Tuttle (b), während Dan Blacksberg (tb) erst ein paar Jahre später dazukam. Christian Dawid (cl) als Neuzugang spielt derart auf, als würde er „uneingeladen eine jüdische Hochzeit kapern“ (Pressetext). Gesanglich wird Kahn außer von seinem „bamalter foigl“ von niemand anderem als den Klezmergrößen Sasha Lurje, Lorin Sklamberg (ex Klezmatics) oder der „Yiddish Princess“ Sarah Gordon unterstützt, wobei auch weitere Gäste wie der Multiinstrumentalist Michael Alpert (voc, ex Brave Old World) oder Ilya Shneyveys (acc, hier jedoch voc) diesem ausgezeichneten Album den letzten Schliff geben.
Matti Goldschmidt
DANISH STRING QUARTET
Last Leaf
danishquartet.com
(ECM New Series 2550 - 0289 48157464)
Promo-CD, 16 Tracks, 45:25


Vier klassisch ausgebildete junge Streicher, drei Dänen und ein Norweger, haben sich durch die „unglaubliche Schönheit und Tiefe alter Melodien“ weltlicher und geistlicher Lieder aus acht Jahrhunderten und Volkstänze vorwiegend skandinavischer Provenienz anregen lassen, traditionelle Musik zu bearbeiten und selbst Volksmusik – sie nennen es „music in folk style“ – zu komponieren, zu arrangieren und damit Menschen in aller Welt zu berühren. Wie beseelt, stimmig und gekonnt sie dies tun, ist ansteckend und begeistert Publikum, Juroren und Musikkritiker seit Jahren. Das Besondere an ihrer Musik ist, dass sie spürbar macht, wie eng verbunden wir Menschen uns in unserem Denken und Fühlen über alle  DANISH STRING QUARTET: Last Leaf Zeiten hinweg sind. Die liebevolle, feinsinnige Auswahl wirkt wie die Essenz der Gedanken und Gefühle vieler Generationen, übersetzt in Musik. Die Trackfolge verdeutlicht, wie nah beieinander freudige, heitere, traurige und dramatische Momente im Leben sind. Das Danish String Quartet beweist mit Last Leaf seinen Sinn fürs Wesentliche und präsentiert es zeitlos zeitgemäß, universal allgemeinverständlich und erfühlbar zugleich. Eine Musik, die ebenso gut in die Elbphilharmonie wie ins Tanzzelt des Rudolstadt-Festivals passt und in einer Virtuosität und Fabulierfreude vorgetragen wird, die höchsten Ansprüchen genügt und Menschen, die Klassikkonzerte für etwas Elitäres halten oder Folkmusik von sogenannter Ernster Musik trennen, vielleicht ein Stückchen näher zusammenbringt und füreinander öffnet. Danke an das Danish String Quartet und das Münchener Label Edition of Contemporary Music für diesen Beitrag. Möge Last Leaf nicht das letzte Blatt bleiben. Schade nur, dass der Promo-CD kein Booklet beiliegt, denn Liedtexte und die Geschichten hinter der Musik machen dieses zweite Folkprojekt der vier mit zwei Violinen, Viola, Cello, Kontrabass, Harmonium, Piano und Glockenspiel bewaffneten Wikinger noch interessanter, wie auf ecmrecords.com angedeutet wird.
Kay Reinhardt

MAHSA VAHDAT & COŞKUN KARADEMIR
Endless Path
kkv.no
coskunkarademir.com
(Kirkelig Kulturverksted)
11 Tracks, 70:20 , mit Fotos, engl. Infos u. pers., türk. u. engl Texten


„Wie der Mond, glüht mein Körper in Liebe. Möge mein Herz, diese Lyra der Venus, seine Saiten wild gehen lassen“ (Rumi). Die Türkei und der Iran waren unter Osmanen einerseits und Safawiden und Qajaren andererseits an die fünfhundert Jahre lang miteinander verfeindet und sind sich heute noch nicht grün. Und doch gründen beide Länder und Völker in alter islamischer und vorislamischer Geschichte. Vieles verbindet sie über politische, sprachliche und konfessionelle Grenzen hinweg. Beide verehren in besonderem Maße die Sufis Maulana Dschalal ad-Din ar-Rumi und Yunus Emre aus dem sechsten Jahrhundert islamischer beziehungswiese dem  MAHSA VAHDAT & COŞKUN KARADEMIR: Endless Path dreizehnten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung. Die Iranerin Mahsa Vahdat und der Türke Coşkun Karademir nehmen sich mit diesem Album einiger Gedichte der beiden Mystiker singend und in Karademirs Fall auch Ud spielend an, begleitet von drei weiteren Musikern aus beiden Ländern auf Tambur, Percussion und Ney. Die Aufnahmen entstanden in Oslo, fern jeder staatlich-ideologischen Zensur, im Mausoleum des norwegischen Künstlers Emanuel Vigeland mit einer ganz besonderen Akustik. So entstand ein Klang, den kein Studio bieten kann. Die auf Farsi oder Türkisch und in englischer Übersetzung mitlesbaren Texte handeln von großer Sehnsucht nach dem oder der Geliebten, sei diese oder dieser menschlich oder göttlich. Stimmen und Instrumente transportieren diese Sehnsucht in fast schmerzhafter Schönheit und vielen Wechselspielen durch den Raum des Mausoleums, dessen Wände sie in die Mikrofone sowie die Ohren der Hörenden zurückwerfen. So werden Klangbrücken gebaut – zwischen Völkern, zwischen Menschen, zwischen Mensch und Gott. „Ich gehe brennend, brennend. Liebe hat mich mit Blut befleckt. Weder gesund noch verrückt. Komm, sieh, was Liebe mit mir gemacht hat“ (Emre).
Michael A. Schmiedel



DVD/Filme
 El Viaje: Deutschland 2016
El Viaje
Deutschland 2016
( Regie: Nahuel López, mit Rodrigo González, Camila Moreno, Chico Trujillo, Eduar)
92:00


Victor Jara oder Violeta Parra sind nur zwei von vielen Namen, die das Nueva Canción prägten und zur Begleitmusik der kulturellen und politischen Erneuerung im Chile der Sechzigerjahre machten. Der Pinochet-Putsch beendete dies brachial. Eine ganze Musikergeneration wurde aus dem Land vertrieben, das Nueva Canción unterdrückt, verfemt, vernichtet. Doch inwieweit hat die Aura dieser Musik die Zeit überdauert? Mit dieser Fragestellung im Gepäck reist Rodrigo González, Exilchilene, Musiker, und in vielerlei Hinsicht vom Nueva Canción beeinflusst, in das Land seiner Herkunft. González ist Bassist der Punkband Die Ärzte, doch das sei hier nur am Rande erwähnt. In Chile geboren, kam er 1974 als Kind nach Hamburg, weil seine Eltern Oppositionelle waren. Sein Vater ist Musiker und Sänger. In Hamburg organisierte er ab jener Zeit Konzerte mit Exilchilenen, die Rodrigo González als Tontechniker betreuen musste. So war er immer ganz nah dran an Musik und Politik und an Chile überhaupt.
Begleitet von einem Filmteam trifft González nun im Santiago de Chile von 2016 auf Camila Moreno. Die Dreißigjährige ist als Sängerin und Komponistin bereits sehr erfolgreich und fühlt sich stark vom Liedgut Violeta Parras beeinflusst. Ähnlich geht es Aldo Asenjo alias Macha, der das ganze Land bereist, um alte Musiker aufzustöbern, die ihm unbekannte Songs vorsingen können, womit er sich ganz in der Tradition von Parras bewegt, die es in den Sechzigern genauso machte. Macha spielt diese „gefundenen“ Lieder mit seiner Band Chico Trujillo neu ein und ist damit zur Speerspitze der Nueva Cumbia Chilena geworden, die in Südamerika ganze Stadien füllt. Schnell kommt das Gespräch bei diesen Zusammenkünften auf Musiker der Exilgeneration wie Eduardo Carrasco, Gastón Avila, Alonso Nuñez und Eduardo Yañez. Stippvisiten bei ihnen bilden die nächste Etappe des Films. Mit Yañez besucht González das Nationalstadion, in dem von September bis November 1973 Zehntausende Menschen inhaftiert waren. Viele von ihnen wurden in den dortigen Kellerräumen gefoltert und ermordet.
„Noch heute ist die chilenische Gesellschaft tief gespalten“, beschreibt Rodrigo González seine Reiseerfahrungen. Viele Chilenen haben ein positives Verhältnis zur Zeit der Diktatur, weil sie eine Phase der politischen Stabilität und des wirtschaftlichen Aufschwungs war. Für andere bedeutet sie aber Unterdrückung und gewaltsamen Tod. El Viaje trägt diese Sichtweise nicht laut vor sich her. Doch bildet ein – noch immer aktuelles – Gespür für die Ungerechtigkeit der Welt, wie sie im Nueva Canción besungen wurde, den Ansatzpunkt, mit dem sich González und sein Regisseur Nahuel López auf ihrer Reise durch die Gegenwartsgesellschaft Chiles beschäftigen. Zu den Höhepunkten des Films gehört sicherlich, wenn die beiden das indigene Volk der Mapuche besuchen. Deren Heimatland wurde von der Pinochet-Regierung an ausländische Investoren verkauft. Seither halten sie es besetzt und werden deshalb sogar im heutigen Chile noch als Terroristen verfolgt, was nur aufzeigt, wie die Vergangenheit noch immer die Gegenwart des Landes prägt und auch weiterhin belasten wird.
Michael Freerix
 ANSGAR DÄLKEN: Now
ANSGAR DÄLKEN
Now
ansgar-daelken.de
(Púca Music)
13 Tracks, 46:08


Nachdem sich Ansgar Dälken auf dem Vorgängeralbum All Ways Know überraschenderweise und frappierend überzeugend der sperrigen Kompositionen des Jazzpianisten Theolonius Monk angenommen hatte, kehrt er mit seiner bislang fünften Veröffentlichung zu seinen keltischen, nordischen „Wurzeln“ zurück. Eigenkompositionen und Interpretationen von Melodien und Tänzen bekannter Folkmusiker stehen bruchlos nebeneinander. Zumeist sind es intime akustische Solowerke für Stahlsaitengitarre, still und fein musiziert. Hie und da gesellt sich eine Mandola oder eine Low Whistle dazu. Der Titel des Albums verweist aufs Jetzt, den perfekten Moment, den einen, der alles beinhaltet. Dälken erschafft einen um den anderen kostbaren musikalischen Moment, unaufgeregt, wach und mit einer spürbaren Liebe zum allerkleinsten Detail. Musiker mit einer derartigen Hingabe zum Wesentlichen sind ein rares Gut in unserer Zeit, die sich rasch dahineilend mehr im Lauten und Sensationsheischenden verliert. Für diese Art der sanften Verweigerung kann man Dälken gar nicht genug danken.
Rolf Beydemüller

 LYDIA DAHER: Wir hatten Großes vor
LYDIA DAHER
Wir hatten Großes vor
lydiadaher.de
(Trikont US-0488)
13 Tracks, 43:25 , mit Infos


Vermutlich wird Lydia Daher auf immer der große Erfolg versagt bleiben. Ebenso wird es vermutlich noch in hundert Jahren Menschen geben, die den Songs der Künstlerin lauschen werden. Daher ist unbequem und einzigartig. Ihr zuzuhören macht erst einmal kein Vergnügen. Die Texte wühlen zu sehr in den Gedärmen. Man ertappt sich dabei, lieber ein paar Liebeslieder der Beatles hören zu wollen, um dann doch wieder zu diesem Album zu greifen. Was singt sie noch gleich? Und wie waren die Texte bei den Vorgängeralben? Der Hörer wünscht sich angesichts der bedrückenden Texte, resignieren zu dürfen, aber auch diesen leichten Ausweg versperrt die Künstlerin. Als würde sie dem Hörer zurufen: „Hör es dir noch mal an, ich bin kein Pessimist, das ist Poesie, was ich da schreibe.“ Und so ganz allmählich, nach dem Hören und Wiederhören und Noch-mal-Hören, verwandelt sich das unangenehme Bauchgefühl in Zuversicht. Durch die passende sperrige Musik gelingt es einfach nicht, einen der Songs als „Lieblingslied“ zu qualifizieren, das ganze Album ist wie ein Kunstwerk, dessen Gesamtheit man erleben muss, um die Details würdigen zu können. Etwas mehr Lydia Daher, etwas weniger Johannes Oerding, und es besteht noch Hoffnung für die deutsche Musikkultur.
Chris Elstrodt
 SUE FERRERS + STEFFEN HUTHER: Embroidered Threads
SUE FERRERS + STEFFEN HUTHER
Embroidered Threads
sueferrers.com
(Acousticland 019)
14 Tracks, 54:15


Dieses Album ist eines jener seltenen Beispiele dafür, dass Musik in schlichter Schönheit direkt ins Herz gehen und süchtig nach mehr machen kann. Die neuseeländische Musikerin Sue Ferrers, von Haus aus studierte Violinistin, schafft es mit den betörenden sphärischen Klängen ihrer Nyckelharpa und begleitet von dem deutschen Gitarristen Steffen Huther eine Stunde lang den Hörer mit einer Auswahl von vierzehn Instrumentalstücken zu faszinieren. Von Cantigas Alfons des X. genannt El Sabio aus dem dreizehnten Jahrhundert über schwedische Polskas bis hin zur ersten „Gnossienne“ Erik Saties reicht der Bogen. Neben der geschmackvollen Zusammenstellung der Stücke überzeugt das Können der beiden Instrumentalisten, die mit Understatement nicht ihre Virtuosität in den Vordergrund stellen, sondern den wunderschönen Melodien Raum zur Entfaltung geben. Sie bringen die Musik zum Atmen, mit Arrangements, die in jedem Moment die Musik in den Vordergrund stellen. Dass dieses Album zum Hochgenuss wird, ist auch der hervorragenden Produktion zu verdanken, die Nyckelharpa und Gitarre äußerst plastisch abbildet.
Ulrich Joosten

 MATTHIAS FREY & CHRISTOPHER HERRMANN: Unter freiem Himmel
MATTHIAS FREY & CHRISTOPHER HERRMANN
Unter freiem Himmel
matthias-frey.com
christopher-herrmann.com
(Freyraum-Musik 01-17)
9 Tracks, 55:57


Sie nennen es selbst kammermusikalische Weltmusik. Was der Pianist Matthias Frey und der Cellist/Violinist Christopher Herrmann da vorlegen, ist jedoch weit mehr. Es ist ein Fest der Klänge und instrumentalen Geschichten, die die beiden exzellenten Musiker auf ihren Instrumenten hervorzaubern. Da erhebt das Cello seine Stimme wie ein asiatisches Saiteninstrument oder wird perkussiv angeschlagen. Gleichzeitig wird es begleitet vom Flügel, dessen Saiten auch gezupft, gestrichen oder abgedämpft werden und auf dem Frey Flageoletttöne erzeugt. Da trifft Klassik auf Moderne, Jazz auf Folklore, der Osten auf den Westen. Sowohl Frey als auch Herrmann sind Weltenbummler in Sachen Musik. Klassisch geschult, bewegen sie sich seit Jahren in den unterschiedlichsten musikalischen Kulturen der Welt und initiierten zahlreiche musikalische Projekte, immer auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Ihr erstes gemeinsames Werk mit eigenen Kompositionen geht unter die Haut. Mit ihren tief gehenden Melodien und Arrangements erschaffen sie eine ganz eigene Klangwelt, die vom ersten Ton an in den Bann zieht – am besten mit einer guten Tasse Tee.
Erik Prochnow
 PRINZ CHAOS: Väter & Söhne
PRINZ CHAOS
Väter & Söhne
prinzchaos.com
(Digitale Dissidenz/Alive)
14 Tracks, 60:26 , Texte


Ein engagiertes Album großer Vielfalt stellt Florian Ernst Kirner alias Prinz Chaos vor. Es ist das fünfte Album des schwulen bayerischen Schlossbesitzers aus Thüringen, dessen Bandbreite verwundert und der mit Degenhardt und Wecker in der Liedermacherei verbandelt ist. Historisches, Aktuelles, Politisches, Privates und Unsinn sind innig miteinander verwoben. „Die Tränen des Vaterlandes“ von Gryphius aus dem Jahre 1636, mitten im Dreißigjährigen Krieg geschrieben, verweist auf den Kampf gegen den Krieg, die Clownarmee auf dem Weg nach Heiligendamm 2007 steht in dieser Tradition. Lieder über Nelson Mandela oder Rudi Egelhofer, einen Anführer der Münchener Räterepublik, sowie sein Song über die Resignation belegen, wie nah Fortschritt und Niederlagen in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen liegen. Der Titel des Albums verrät es schon, es geht auch ganz privat um das Verhältnis zu seinem Vater, der kurz vor der Fertigstellung des Albums starb. Ihm widmet er zwei Lieder, die liebevoll auch Ambivalenzen benennen. Einen Schmarrn hält er auch parat. Das kleine beschauliche Olching als Promiwohnstatt an der Münchener Peripherie ist Ziel seines Spottes.
Rainer Katlewski

 SANDRO ROY: Souvenir De Paris
SANDRO ROY
Souvenir De Paris
sandro-roy.com
(Skip Records, SKP 9138-2/Soulfood)
Promo-CD, 13 Tracks, 71:49


Es ist schon erstaunlich, aber es scheint, dass der Volksgruppe der Sinti die Musik bereits in die Wiege gelegt wird. Schon aus den ersten Takten von Sandro Roys zweiter Studioproduktion erklingen die Leichtigkeit und große Lebensfreude seiner Kultur. Sein Spiel der Geige demonstriert eine ungeheure Dynamik, auch bei den ruhigeren Stücken. Im Zusammenspiel mit anderen Sintigrößen wie dem exzellenten Violinisten Roby Lakatos oder dem Jazzpianisten Jermaine Landsberger wird daraus ein wahres Feuerwerk. Der erst 23-jährige Roy, der mit sieben Geige spielen lernte, gilt bereits als aufstrebender Star. Thema seines aktuellen Werks ist Frankreich. Neben dem selbst komponierten Titelstück interpretiert der in Augsburg lebende Musiker vor allem Jazzkomponisten unseres Nachbarlandes wie Michel Legrand, Stéphane Grappelli, Michel Petrucciani oder Richard Galliano. Dabei begeistert Roy mit seinem Talent, die Elemente der Klassik und des Jazz mit der musikalischen Kraft seiner kulturellen Wurzeln zu einer eigenen Weltmusik auf der Violine zu verbinden.
Erik Prochnow
 SANTIANO: Im Auge des Sturms
SANTIANO
Im Auge des Sturms
santiano.de
(Electrola/Universal Music)
13 Tracks, 50:37 , mit dt. und engl. Texten


Nachdem die ersten drei Alben alle Platz eins der Charts stürmten, nun der vierte Aufschlag. Erfolg sollte ihm wiederum garantiert sein, da das bewährte Konzept ohne jegliche Innovationen kultiviert wurde. Sie haben einen Hang zu großen Gesten, bewegen sich immer wieder zwischen Kitsch und Pathos. Vielleicht ist das ja notwendig für die ausgiebigen Mitsingaktionen, die das Santiano-Publikum gewohnt ist. Die einfachen Texte kommen oft wie Plattitüden rüber, stellen aber wahrscheinlich die Massentauglichkeit sicher – eines der Geheimnisse ihres Erfolgs. Zum Beispiel „Ihr sollt nicht trauern, ihr sollt tanzen“ als antreibender Refrain. Raum und Zeit reimt sich natürlich auf Unsterblichkeit. „Ich bring dich heim“, so klingt scheinbare Seefahrerromantik. Irische Pubsongs wie „Sail Away“ oder „Hooray For Whiskey“ klingen da schon authentischer. Als schnulziges Liebeslied fällt ein ruhigerer Titel wie „Sehnsucht ist mein Steuermann“ auf. Fazit: Das Album hat alles, um hittauglich zu sein. Aalglatt produziert im kompakten Sound ohne jegliche Ecken und Kanten. Shantys als Schlager für das Bierzelt – oder wahlweise für die große Halle oder Arena. Musikalisch wertvoll, weil überraschend, war allerdings allenfalls das Debütalbum von 2012.
Piet Pollack

 GUDRUN WALTHER & JÜRGEN TREYZ: Duo
GUDRUN WALTHER & JÜRGEN TREYZ
Duo
waltertreyz.com
(Artes-Records)
Do-CD, 19 Tracks, 90:54 , mit Fotos u. dt. u. engl. Infos u. Texten


Darauf angesprochen, ob sie nicht im Rahmen ihrer Irish-Folk-Band Cara auch mal das eine oder andere Lied aus dem Repertoire ihres Deutschfolkduos Deitsch zum Besten geben wollen, nachdem dieses Projekt mangels Publikumsnachfrage aufgegeben wurde, meinte Gudrun Walther, dass es die Hörer verwirren würde, denn die bräuchten ihre Schubladen. Immerhin mischen sie aber doch deutsches und schottisches Liedgut in der Formation Litha (ehemals 2 Duos). Ja, meint sie, dort sei es ja auch Teil des Konzepts. Umso erfreulicher für Deitsch- und Cara-Fans dürfte somit das neue Doppelalbum mit dem schlichten Titel Duo sein, der eben darauf verweise, dass es sich um zwei CDs handele, aber auch daran erinnert, dass Gudrun Walther und Jürgen Treyz eben eines der beiden Duos von Litha sind. Die angesprochenen Schubladen werden dadurch eingehalten, dass CD eins deutsche und CD zwei irische Lieder und Melodien beinhaltet. Im Duo mit Gudrun Walther an Gesang, Geige, diatonischem Akkordeon und Jürgen Treyz an Gitarre und Gesang klingen die Stücke auch ein wenig reduzierter als im gewohnten Bandrahmen und zeigen in schöner Klarheit, was das je Besondere, aber auch das Gemeinsame der beiden Musiktraditionen sein kann. Das Beiheft gibt zudem ausführliche Infos dazu.
Michael A. Schmiedel



Europa
 THE BULGARIAN VOICES ANGELITE: Passion, Mysticism & Delight
THE BULGARIAN VOICES ANGELITE
Passion, Mysticism & Delight
jaro.de
(Jaro 4341-2)
Do-CD, 26 Tracks, 111:31 , mit engl. u. dt. Infos


Dröselt man die komplette Angelite-Historie auf, so muss man im Jahr 1952 beginnen, als der bulgarische Staatsrundfunk zwecks Erhaltung einheimischen Liedguts die Gründung eines Frauenchors beschloss. Anfang der Sechziger bereiste der Schweizer Kirchenorganist und Musikethnologe Marcel Cellier Bulgarien, wo er unter anderem auch jenen Frauenchor für sein Label Disques Cellier aufnahm. 1975 erschien dann die erste LP unter dem von Cellier kreierten Signum Le Mystère Des Voix Bulgares, deren Stücke teils aus dem Archiv von Radio Sofia, teils aus Celliers eigenem Fundus stammten. Die Platte wurde eine Art Geheimtipp in Rock- und Jazzkreisen, sodass das US-Label Nonesuch sie 1987 erneut veröffentlichte. Wenn man so will, war das der internationale Durchbruch. Gleichzeitig begann die Zusammenarbeit mit dem deutschen Jaro-Label, und so feierten die Angelites letztes Jahr ihr „Dreißigjähriges“. Zu diesem Anlass spendierte ihre Plattenfirma dem Chor diese schöne Kompilation, eine CD mit Chor pur und eine CD mit Gästen wie Bobby McFerrin, den Nürnberger Symphonikern, Eddie Jobson, Huun-Huur-Tu oder dem Moscow Art Trio. Ein 52-seitiger Bildband mit Texten und Besetzungslisten rundet diese prächtige Edition ab.
Walter Bast
 CELINA DA PIEDADE: Sol
CELINA DA PIEDADE
Sol
pt-br.facebook.com/pg/celinadapiedadeoficial
(Sons Vadios SV003)
10 Tracks, 34:34 , mit Texten


Eine Ameise, eine Grille, ein Hase sei sie. Sie singt aber auch: „Ich glühe, beginne zu kämpfen, ich bin ein durchtriebenes Tier.“ „Assim Sou Eu“ („So bin ich“) heißt das Lied, mit dem die Sängerin und Akkordeonistin aus dem Alentejo ihr Album eröffnet. Nicht unpassend für eine Frau, die auf ihrem dritten Werk einen Fächer voller Gefühle ausbreitet. Die Portugiesin thematisiert die Liebe, aber auch Zweifel, Schmerz und Trauer in den unterschiedlichsten Facetten. Am tiefsten kommen die Gefühlswelten bei den karg instrumentierten Liedern zum Ausdruck. In „Neruda“, einer Liebeserklärung an den großen chilenischen Poeten, begleitet sie sich mit dem Akkordeon. Nur ganz am Schluss setzt dezent der Bass ein. In der Bossa Nova „A Linha E O Linho“ von Gilberto Gil besingt sie zur Gitarrenbegleitung eine irdische Liebe. Im wunderschönen Tänzchen „Segredo“ fühlt sich das Glück ganz leicht an. „Piedra Y Camino“ wiederum, eine Adaptation eines Stückes von Atahualpa Yupanqui, passt gut zum kargen Leben des portugiesischen Hinterlands. Im Traditional „Aurora Tem Um Menino“, einem Schlaflied für das Neugeborene, zeigt sich die Zuneigung von ihrer reinsten Seite. Ein stimmiges, sehr persönliches Album.
Martin Steiner

 DIABO A SETE: Figura De Gente
DIABO A SETE
Figura De Gente
facebook.com/diaboasetemusic
(Sons Vadios SV004)
8 Tracks, 27:11 , mit Texten


Das Schlechte zuerst: Das Album ist viel zu kurz. Vor allem, weil es so unglaublich gut ist. Die 2003 in Coimbra gegründete Formation tritt mit ihrem keltisch geprägten Folk das Erbe von Gruppen wie Brigada Victor Jara oder den galicischen Na Lúa an. Wo andere mit repetitiven Mustern ihre Stücke verlängern, erschaffen Diabo a Sete mit Harfe, Flöten, Dudelsack, Cavaquinho, Mandoline, Gitarre, Bass, Percussion, Akkordeon und Gesang kurze Liedperlen mit Suchtpotenzial. Hauptverantwortliche dafür ist Sara Vidal (ex Luar Na Lubre) mit ihrer umwerfenden Stimme. Besonders schön sind die getragenen Stücke. Deren wohlige Wärme kontrastiert mit zuweilen dunklen, metaphorisch mystischen Texten über eine Welt, die aus den Fugen gerät. Diabo a quatro ist Portugiesisch für „heilloses Durcheinander“. Bei diabo a sete, was so viel wie „Teufel hoch sieben“ bedeutet, müsste das totale Chaos losbrechen. Doch weit gefehlt. Wenn das Septett zu einem fröhlichen Tanz aufspielt und Sara Vidals Stimme einsetzt, ist das nur noch höllisch gut. Oder anders gesagt: himmlisch schön. Und die Welt ist wieder in Ordnung.
Martin Steiner
 DIVERSE: Nordic Notes 100
DIVERSE
Nordic Notes 100
nordic-notes.de
(Nordic Notes)
Do-CD, 34 Tracks, 69:56


Zum eigenen Hundertsten bringt das Jubiläumslabel beziehungsweise dessen Chef Christian Pliefke diesen spannenden Sampler heraus. Hundert Musiker aus dem nordischen Raum inklusive des Baltikums haben bislang bei Nordic Notes veröffentlicht. Einige sind weltweit bekannt geworden, beispielsweise die finnischen Humppa-Rocker und Rentner Eläkeläiset, und die Bandbreite der Stile ist mittlerweile groß. Während die ersten Unterzeichner noch eher aus der Independent-Rock- und Punkszene kamen, mischten sich immer mehr Folkbeiträge darunter. Dabei gibt es Traditionelles wie Samigesänge oder neues Experimentelles wie das Duo Malva & Priks. Die Kollektion lässt sich gut durchhören und ist trotz ganz unterschiedlicher Beiträge weder brüsk noch langweilig zusammengestellt. Unter anderen hören wir Uusikuu, Päivi Hirvonen, Anne-Mari Kivimäki, das Ilkka Heinonen Trio oder Svavar Knútur. Gut geeignet, um auf den einen oder anderen neuen nordischen Geschmack zu kommen.
Imke Staats

 DORANTES: El Tiempo Por Testigo … A Sevilla
DORANTES
El Tiempo Por Testigo … A Sevilla
dorantes.es
(Flamenco Scultura/Galileo MC)
10 Tracks, 58:35 , mit span. Infos


Der einem Flamencoclan in Lebrija entstammende, von früh an also der Tradition nahe Andalusier führt seit zwanzig Jahren auf ganz eigene, sensible wie energetische und vor allem meisterhafte Weise vor, wie elegant das Piano zwischen Flamenco, Jazz und Klassik zu vermitteln mag. Von der zumindest damals noch flamencoüblicheren Gitarre schwenkte der 1969 geborene Gitano bald zu seinem heutigen Instrument und über ein klassisches Musikstudium in die eher abseitigen Gefilde der Flamenco-Orthodoxie. Mit seinen vertrauten Triokollegen, Schlagzeuger Javi Ruibal und Kontrabassist Francis Posé, entstand live im Heimstudio diese Aufnahme als Geburtstagsgeschenk zum eigenen zwanzigjährigen Berufsjubiläum. Es versammelt mehrheitlich schon bekannte, nun mehr oder weniger neu intonierte emblematische Stücke dieses Weges, vorneweg das schon zu einer Art Gitanohymne erwachsene „Orobroy“, ohne das der international gefeierte Musiker nie von der Konzertbühne gelassen wird. Vorgetragen mit Schulkindern eines Chores aus einem sozial schwierigen, musikalisch jedoch reichen Randbezirk Sevillas, klingt es zwar nicht viel anders als in früheren Interpretationen, berührt aber immer wieder aufs Neue und bedarf wohl auch keiner Neulektüre mehr.
Katrin Wilke
 JULIE FOWLIS: Alterum
JULIE FOWLIS
Alterum
juliefowlis.com
(Machair Records MACH008)
11 Tracks, 45:24


Julie Fowlis nimmt sich Zeit, fünf Studioalben in zwölf Jahren beweisen das. Genauso klingt auch das neue Werk reif, abgeklärt, stimmig. Und hat ein Thema, das in der gälischen Kultur immer zu finden ist: übernatürliche Dinge. Übernatürlich ist auch Fowlisʼ Stimme, klar, zart und dennoch bodenständig in der Tradition ihrer Heimatinsel Lewis, eingebettet in den Klang einer ganzen Reihe von Helfern wie Duncan Chisholm (Fiddle), Donald Shaw (Piano) oder Ewen Vernal (Kontrabass), produziert von ihr selbst und ihrem Gatten Eamon Doorley. Das ist die gewohnte Fowlis-Qualität, die ihr unzählige Fans beschert hat, und doch ist das neue Werk besonders. Erstmals singt Fowlis zwei Stücke (von Annie Briggs und Archie Fischer) in Englisch, und ein drittes Lied stammt im Original aus Galicien. Es steht jedoch nicht zu befürchten, dass die Sängerin ihren gälischen Wurzeln nachhaltig untreu wird. Wer das Lament „Dh’Èirich Mi Moch, B’Fheárrnach Do Dh’Èirich“ auf eine solch Gänsehaut erzeugende Art interpretieren kann, der oder die wird sich auf Dauer nicht mit profanem Englisch begnügen können.
Mike Kamp

 GRAPELL: Crier
GRAPELL
Crier
grapell.com
(Strangers Candy/Soulfood)
Promo-CD, 9 Tracks, 39:16


Die zwei schwedischen Musiker veröffentlichen mit Crier nun endlich ihr Debütalbum, nachdem ihre EP Love Chambers im vergangenen Jahr für Furore gesorgt hatte. Folkorientierte Popmusik ist dank unermüdlicher Arbeit von Festivals wie dem Haldern Pop seit Jahren angesagt. Umso schwerer ist es für neue Bands, ein eigenes Profil zu schärfen und sich von den ungezählten Mumford-&-Sons-Derivaten abzugrenzen. Genau dieses Kunststück gelingt Grapell. Kein Vergleich mit einem der großen Indiefolk-Headliner und auch kein Bezug auf die schwedische Alternativszene helfen bei der Beschreibung der sanften Töne dieses Duos. Da muss man eher in der sanften Soulmusik der Achtziger suchen oder sich überlegen, wie ein Don McLean wohl klingen würde, wenn er auf Vangelis gestoßen wäre. Schwer zu greifen und doch eingängig, bieten Grapell alles, was es braucht, um genau diese Scheibe von genau diesen Künstlern zu kaufen. Alleinstellungsmerkmale sind heutzutage seltener denn je. Die Unvergleichbarkeit trotz Mainstreampop und ohne extravagante Soundexperimente zu sichern, grenzt an ein Wunder. Grapell haben gute Chancen auf einen Durchbruch. Zu wünschen wäre es dem sympathischen Duo.
Chris Elstrodt
 GLEN HANSARD: Between Two Shores
GLEN HANSARD
Between Two Shores
glenhansardmusic.com
(Anti-/Indigo)
Promo-CD, 10 Tracks, 42:42


Ob live oder auf Tonkonserve, Glen Hansard hat den Bogen raus. Der Mann ist bis in jede Faser Singer/Songwriter. Der Opener „Roll On Slow“ kommt erstklassig produziert wie ein Füllhorn daher, ohne überladen zu sein. Beatles-Bassläufe sind zu hören, wie auch später das einem „Imagine“-Lennon-Intro folgende Schlagzeug im Stile Ringo Starrs, Neil-Young-Soli, fulminante Van-Morrison-Bläsersätze (insbesondere bei dem wundervollen „Lucky Man“), gefolgt von einem kurzen Aufglühen der Melodie des Stones-Refrains „Wild Horses“ in „Why Women“. Die bewussten oder unbewussten Reminiszenzen wirken nie aufgesetzt, klingen immer nach Glen Hansard, der die Musik seiner Vorläufer durchdrungen hat, um sich selbst zu finden. Über allem die markante unverwechselbare Stimme des großen Barden, auch ganz schlicht zu seinem so typisch crescendoartig kulminierenden Gitarrenspiel („Movin on“). Ausgereift sind auch die Texte seiner neuen Songs. Between Two Shores zeigt, dass Hansard sich niemals festlegen, sondern immer bereit bleiben wird, sich selbst und seine Fans zu überraschen. Schließlich mündet das Album herzberührend grandios in „Time Will Be The Healer“ – den Anspieltipp dieses großen Wurfs.
Stefan Sell

 NICK KEIR: 1953-2013
NICK KEIR
1953-2013
nickkeir.com
(Greentrax Recordings CDTRAX397)
Do-CD, 37 Tracks, 135:11


Er wird vermisst, als Mensch ebenso wie als Musiker, Nick Keir, der als Mitglied der McCalmans die Welt bereiste und uns eine ganze Reihe wunderschöner Lieder hinterließ. Es ist Ehrerbietung und das bestmögliche Denkmal, das man einem Musiker wie Keir setzen kann, seine Lieder auf einem umfassenden Sampler für die Nachwelt zu erhalten. Und in dieser Zusammenstellung werden aus der Entfernung von einigen Jahren zwei Dinge schmerzhaft deutlich. Zum einen ist das seine Liebe zu seiner Geburts- und Heimatstadt Edinburgh, der er unzählige Lieder gewidmet hat, das bekannteste vielleicht das Anfangsstück des Doppelalbums, „Festival Lights“, das völlig zu Recht als inoffizielle Hymne des Edinburgh Festivals gilt. Und zum anderen ist es die Bescheidenheit und Höflichkeit, die in vielen Liedern zu hören ist und die Nick Keir überall so beliebt gemacht haben. Deutlich wird natürlich ebenfalls, dass Nick Keir einfach ein wunderbarer Musiker, Sänger und Songschreiber war, dessen Lieder noch lange Jahre Relevanz haben werden, und das ist zugleich auch tröstend.
Mike Kamp
 TORHILD OSTAD/CARSTEN DAHL: Jeg Roper Til Deg
TORHILD OSTAD/CARSTEN DAHL
Jeg Roper Til Deg
facebook.com/torhild.ostad
carstendahl.dk
(Norcd 1781)
13 Tracks, 52:26 , mit norw. Texten


Torhild Ostad tritt oft in Deutschland auf, dann aber zumeist in norwegischen Enklaven. Deshalb ist sie hierzulande längst nicht so bekannt, wie sie es verdient hätte. Sie schrieb norwegische Musikgeschichte, als sie 1996 mit Blomar I Moll das allererste A-cappella-Album des Landes veröffentlichte, arbeitete unter anderem mit Andy Irvine, Lillebjørn Nilsen und Mick West und legt nun endlich wieder ein eigenes Werk vor. Das Album entstand in Zusammenarbeit mit dem dänischen Jazzpianisten Carsten Dahl, der sich indes vornehm zurückhält. Mit behutsamer Pianobegleitung liefert er den perfekten Hintergrund für die beeindruckende Stimmentfaltung der Sängerin, zudem stammen zwei Lieder von ihm. Andere sind traditionell, vor allem die Choräle, denen Torhild Ostads besondere Liebe gehört. Sie tritt auch selbst als Texterin in Erscheinung, besonders schön ist das sieben Minuten lange „Alt Forandrer Seg“, in dem es um verlorene Liebe geht. Der treulose Liebhaber, der alle Versprechen brach, wird aber nicht verdammt, sondern eher mit einem Schulterzucken abgetan. Es hat halt nicht sollen sein. Bestimmt das beste und überraschungsreichste Album, das in diesem Jahr aus Norwegen gekommen ist.
Gabriele Haefs

 ALAN REID & ROB VAN SANTE: The Dear Green Place
ALAN REID & ROB VAN SANTE
The Dear Green Place
reidvansante.com
(Red Sands Records RSCD006)
12 Tracks, 50:40 , mit kurzen engl. Infos


Ex-Battlefield-Band-Gründer Alan Reid legt ein weiteres Duoalbum mit Rob van Sante vor und geht kreativ mit seiner eigenen Vergangenheit um. Die Hälfte der Songs hat Reid komponiert, und das Titelstück nahm er bereits vor Jahren mit den Kollegen von der Battlefield Band auf. Jetzt klingt es frisch und schlank, ein zeitloser Kommentar über das, was Glasgow war und ist. Auch die anderen Stücke sind typisch Reid. Keine Herz-Schmerz-Balladen, sondern Lieder mit historischem oder zeitgenössischem Hintergrund. Reid und van Sante werden nun ganz gezielt von drei Kollegen unterstützt, ganz besonders bei dem Glanzstück des Albums, dem traditionellen „I Will Go, I Will Go“. So bearbeitet man altes Material, bringt es auf einen aktuelleren Stand und setzt als Sahnehäubchen ein fast schon aggressives Saxofonthema ein, das ein wenig an das legendäre „Baker-Street“-Saxofon von Gerry Rafferty erinnert. So souverän musizieren Veteranen.
Mike Kamp
 RICHARD THOMPSON BAND: Live at Rockpalast
RICHARD THOMPSON BAND
Live at Rockpalast
richardthompson-music.com
(MIG Music 90772)
3 CDs, 2 DVDs, 34 Tracks, 173:51 , mit Infos


Nur zweimal durfte Richard Thompson im Rahmen der Rockpalast-Reihe auftreten. In der Hamburger Markthalle 1983 und nur wenige Monate später im Rahmen der MIDEM in Cannes. Beide Auftritte erscheinen nun in einer sorgfältig zusammengestellten CD- und DVD-Box bei dem auf Rockpalast-Mitschnitte spezialisierten Label Made in Germany. Obwohl Thompson von seinen alten Fairport-Kollegen begleitet wird, sind die Folkeinflüsse geringer, als es sich manche Fans wünschen würden. 1983, kurz nach der Trennung von seiner Frau Linda, folgte Richard Thompson wie viele Kollegen lieber den Rockpfaden. Das Album Hand Of Kindness war gerade erschienen und ist dementsprechend prominent bei beiden Auftritten vertreten. Spannend ist für den Historiker, die Unterschiede der beiden Konzerte wahrzunehmen. Die Setlist ist beinah identisch, ebenso die Fairport-dominierte Begleitband – und dennoch unterscheidet sich die Stimmung bei den Auftritten vollständig. Während man beim Hamburger Konzert das Gefühl einer großen, familiären Party vermittelt bekommt, klingt der MIDEM-Auftritt, als würden die Musiker das Publikum eher zufällig wahrnehmen. Ein wichtiges Zeitdokument eines der größten britischen Musiker ist die Veröffentlichung dieser beiden Auftritte allemal.
Chris Elstrodt

 TIDE LINES: Dreams We Never Lost
TIDE LINES
Dreams We Never Lost
tidelinesband.com
(Tide Lines Music TLM01C)
14 Tracks, 49:23 , mit engl. u. gäl. Texten


Im letzten Folker war es zu lesen: Runrig hören endgültig auf, keine neuen Alben, nach der Abschiedstour 2018 keine Konzerte mehr. Tausende Fans, die Riggies, sind dann sozusagen heimatlos. Muss aber nicht sein, denn sie könnten durchaus Linies werden, also Fans von Tide Lines, einer Band, die eindeutig in der Tradition von Runrig steht, ohne sie einfach zu kopieren. Nach einigen EPs ist jetzt das erste richtige Album auf dem Markt, und ja, die Zutaten sind ganz ohne Zweifel da. Sauberer Folkrock, Robert Robertson hat Pathos in der Stimme wie Donnie Munro in seinen besten Tagen, es gibt gälische Songs (okay, dazu brauchen sie Dòl Eoin MacKinnon als Gastsänger), die Lieder und Melodien kreieren das typische Highlands-and-Islands-Feeling, und viele der Songs haben Ohrwurmcharakter und einprägsame Hooklines. Jetzt braucht es nur noch zwei Dinge: ein fähiges deutsches Management und einen mittelgroßen Hit. Dafür gibt es auch bereits einen Kandidaten. „Walking On The Waves“ lädt zum Mitsingen und -hüpfen geradezu ein. Und wenn das denn alles klappen sollte, nicht vergessen: Hier im Folker habt ihr es zuerst gelesen.
Mike Kamp
 WINTER WILSON: Far Off On The Horizon
WINTER WILSON
Far Off On The Horizon
winterwilson.com
(Eigenverlag WWCD009)
12 Tracks, 45:25 , mit engl. Texten


Die Geschichte ist zu gut, um sie nicht zu erzählen. Ein englisches Ehepaar macht so nebenher Folkmusik, beide verlieren dann beim Bankencrash 2012 ihre Jobs, entscheiden sich für ein Leben als Musikprofis und reisen seitdem mit ihrem Wohnmobil glücklich und erfolgreich von Konzert zu Konzert, auch durch Deutschland. Kein Wunder, denn die beiden sind das ideale Paket. Die Instrumente sind Gitarre, Banjo, Mandoline, Harmonika, Akkordeon und Whistle, die eindrucksvollen Stimmen harmonieren perfekt, und er schreibt eingängige und manchmal bluesige Songs mit Tiefgang, aber ohne Zeigefinger, über Obdachlosigkeit, Flüchtlinge und einen Vater, der wie ein alter Seehund ist – der gelungene Abend im Club ist gesichert. Und genau so klingt das Album, wie ein Konzert, qualitativ hochwertig zwar, aber ohne unnötige Spielereien. Kein Wunder, dass Kip Winter und Dave Wilson von den alten Hasen Fairport Convention als Vorgruppe für ihre Wintertournee gebucht wurden. Das achte Studioalbum ist erneut eine überzeugende Visitenkarte für alle Veranstalter.
Mike Kamp

Nordamerika
 THE HARPOONIST & THE AXE MURDERER: Apocalipstick
THE HARPOONIST & THE AXE MURDERER
Apocalipstick
harpoonistaxemurderer.com
(Tonic Records/Membran 008)
13 Tracks, 44:57 , mit engl. Infos


Das kanadische Duo setzt sich zusammen aus Shawn Hall (Gesang, Mundharmonika) und Matthew Rogers (Gitarre, Bass, Synthesizer). Zusammen mit ihren Begleitern präsentieren sie wirklich energiegeladenen und innovativen Blues. Songs wie „Get Ready“ und „Situate Yourself“ besitzen auch kompositorische Reife. Bei den Juno Awards in Vancouver 2014 gewannen die beiden Musiker mit der Produktion A Real Fine Mess den Preis für das Bluesalbum des Jahres, im Jahr darauf wurden sie vom Radiosender WCMA für das beste Alternativalbum ausgezeichnet. Als Gastmusiker sind dabei: John Raham (Schlagzeug), Geoff Hilhorst (Orgel, Klavier), Efran Chavez (Congas) sowie die Sänger und Sängerinnen Dawn Pemperton, Andrina Turenne, Alexa Dirks, Ben Rogers, Khari Wendell McClelland, Erik Nielsen und Ricardo Khayatte. Für die Rezensentin die beste Scheibe des Jahres 2017.
Annie Sziegoleit
 SON LITTLE: New Magic
SON LITTLE
New Magic
sonlittle.com
(ANTI-/Indigo 7529-2)
11 Tracks, 36:58 , mit engl. Texten u. Infos


Ein neuer und absolut hörenswerter US-amerikanischer Singer/Songwriter stellt sich vor. Sein Name ist Aaron Earl Livingston, der sich mit dem Künstlernamen Son Little unnötig klein macht. Denn tatsächlich ist er ein großer Sohn des Blues, er besitzt eine fantastische Stimme und bietet klasse Arrangements an der Gitarre. Möglicherweise ist er die Entdeckung des Jahrzehnts. Bereits bei seinem Debüt im Jahr 2015 bekam er über sieben Millionen Klicks. Es folgten der Grammy 2016 und Touren unter anderem mit Mumford & Sons und Leon Bridges. Die Klänge bei Titeln wie „Kimberly’s Mine“ und „The Middle“ rauben dem Hörer den Atem. Insgesamt gelang eine ausgewogene und intelligent produzierte Mischung von traditioneller Blues- und innovativer Weltmusik. Als Gastmusiker sind dabei: Jesse Maynard am Schlagzeug, John Thompson an der Percussion, Willard E. an der Geige und Mark Schwartz am Klavier. In dieser Scheibe steckt die reinste Magie.
Annie Sziegoleit

 WILLIE WATSON: Folksinger Vol. 2
WILLIE WATSON
Folksinger Vol. 2
williewatson.com
(Acony Records/Yep Roc/H‘Art)
Promo-CD, 11 Tracks, 35:03


Lieder von Generation zu Generation weiterzureichen, diese Idee gefällt Willie Watson. Deshalb bestreitet der Mitgründer der Old Crow Medicine Show das zweite Soloalbum nach seinem Ausscheiden komplett mit alten Liedern, die populär geworden sind durch Sänger wie Leadbelly, Reverend Gary Davis und Furry Lewis. Er singt sie mit eigentümlicher Stimme, in der ziegenhaftes Keckern steckt, aber genauso viel Soul. Das wird nicht unbedingt als schön empfunden, aber als sehr authentisch. Zumal seine Interpretationen der Schätze aus US-amerikanischer Tradition mit Eigenständigkeit glänzen. Bewegend beispielsweise „Gallows Pole“, in dem sich zur spartanischen Akustikgitarre und der Mundharmonika ein auf- und abschwellendes vierköpfiges Holzbläserensemble gesellt. Ein weiterer Höhepunkt des Albums, „On The Road Again“, steckt voller Swing, bitterem Humor und Inbrunst – bedingt durch die Mitwirkung des Gospelquartetts Fairfield Four. Produziert hat Dave Rawlings, logisch deshalb, dass Partnerin Gillian Welch als Gastmusikerin dabei ist, ebenso wie Bassist Paul Kowert von den Punch Brothers. Überall lässt Willie Watson den alten Geist wirken, und doch ist Folksinger Vol. 2 zeitlos.
Volker Dick
 JIM WHITE: Waffles, Triangles & Jesus
JIM WHITE
Waffles, Triangles & Jesus
jimwhite.net
(Loose Music/Rough Trade)
Promo-CD, 11 Tracks, 53:45


Er war nach New York gezogen, aber seine Depressionen und Dämonen ließen nicht locker. Um die bedrohlichen Gefühle in Zaum zu halten, begann Jim White mit dem Songschreiben. Ein Freund bat ihn darum, ein paar Stücke aufzunehmen. Dann nahm die Bestimmung ihren Lauf. Über einige Ecken landete das Tape bei David Byrne, und White fand sich vor großem Publikum wieder. Er hat es verdient. Denn seine Musik kennzeichnen Vielfalt und Tiefe, wie dieses sechste Album unterstreicht. Der erste Track, „Drift Away“, beginnt mit Tönen, die aus einem Ambientprojekt Brian Enos stammen könnten, bevor sich das Banjo dazugesellt. Zwei Songs weiter liefert White mit „Playing Guitars“ eine federnde und spöttische Countrynummer ab, um in „Silver Threads“ eine Trompete auftreten zu lassen und an Calexico zu erinnern. In den Texten lässt er seinem Schmerz schon mal freien Lauf, hofft, dass Regen die Welt wegspülen möge. Andererseits wirkt er wie einer, der gelassen Bilanz zieht, trotz der tiefen Löcher. Und bei „Sweet Bird Of Mystery“ verabschiedet er uns mit einer berückenden Liebeserklärung, gehüllt in eine verträumte akustische Klanglandschaft. Was für ein Glück, dass der Freund das Tape bekommen hat.
Volker Dick

Lateinamerika
 Mônica Vasconcelos: The Sao Paulo Tapes
Mônica Vasconcelos
The Sao Paulo Tapes
monicavasconcelos.com
(Andy Childs MOVAS 005/Galileo MC)
12 Tracks, 50:00 , mit engl. Texten u. Infos


Politische Lieder müssen sich nicht unbedingt nach stampfenden Marschrhythmen anhören. Die Zusammenstellung der brasilianischen Sängerin von Liedern des brasilianischen Widerstands gegen die Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 klingt vielmehr jazzig arrangiert und vom Bossa Nova geprägt. Es sind Lieder, die in ihrer Entstehungszeit musikalisch im Kanon von Künstlern wie Chico Buarque oder Caetano Veloso nicht unbedingt als typische Protestsongs auffielen, es sind aber Stücke, die erfahrenes Leid, Unterdrückung und Trauer über diese Zeit ausdrücken. Man darf bei den oft mit Metaphern arbeitenden Texten nicht die strenge Zensur der damaligen Zeit vergessen. Es stellt sich die Frage, warum sie gerade jetzt von Vasconcelos aufgegriffen wurden. Die brasilianische Gesellschaft scheint derzeit ins Bodenlose abzudriften, eine Situation, in der schon manchmal Militärs die Macht an sich rissen. Mônica Vasconcelos wurde in Sao Paolo geboren und lebt seit über zehn Jahren in London. Ihr Album produzierte die britische Rocklegende Robert Wyatt. Vasconcelos hat eine angenehme Stimme, die nie zu Übertreibungen neigt, meist sind Gitarre, Klavier, Bass und Schlagzeug zu hören. Auch ein hochenergetisches Stück wie „O Ronco Da Cuica“ von Joao Bosco passt sie ihrer eigenen Atmosphäre an.
Hans-Jürgen Lenhart



Asien
 DIVERSE: The Rough Guide To Acoustic India
DIVERSE
The Rough Guide To Acoustic India
(World Music Network RGNET 1361 CD/Harmonia Mundi)
8 Tracks, 66:39 , mit engl. Infos


Seit jeher ist Indiens traditionelle Musik zweigeteilt. Im Norden die klassisch-strenge Variante mit ihren Raga-und-Tala-Skalen und ihren Instrumentalschulen nach stringentem Lehrer-Schüler-Prinzip. Die gibt es im Süden zwar auch, aber eben nicht nur. Dort tobt – könnte man sagen – das pralle Leben. Sufigesänge, Brass Bands, die Flötenmusik der Schlangenbeschwörer bis hin zu Qawwali-Ausläufern und knatschbunten Bollywood-Soundtracks prägen die heutige traditionelle Musik Südindiens. Kompilator Phil Stainton präsentiert uns auf dem aktuellen Album der Rough-Guide-Reihe diese heterogene Musikszene, in der uns ein Kaleidoskop unterschiedlichster Stile und Klänge erwartet. Die Bandbreite der acht Musikbeispiele reicht von den geheimnisvollen Gesängen der Sufis (Noor Alam & Arati Biswas) über die hypnotisch-fließende Musik des Paban-das-Baul-Ensembles, großartiges klassisches Solistentum der Geigerin Jyotsna Srikanth oder des Slidegitarristen Debashish Bhattacharya bis hin zur fröhlichen Jahrmarktsmusik der Jaipur Kawa Brass Band sowie den obligaten Crossoverklängen von Rafiki Jazz oder dem Quartett des Schweizer Flötisten Guillaume Barraud. Kurzum: Diversität in ihrer schönsten Form.
Walter Bast



International
 AEHAM AHMAD & EDGAR KNECHT: Keys To Friendship
AEHAM AHMAD & EDGAR KNECHT
Keys To Friendship
aeham-ahmad.com/de
edgarknecht.de
(O-Tone Music, OT 015-2/Edel Kultur)
Promo CD, 9 Tracks, 44:42


Kaum ein Medium ist so hervorragend geeignet, kulturelle Grenzen aufzulösen, wie die Musik – vor allem, wenn es um die Begegnung von Moslems und Christen geht. Eines der aktuell berührendsten Projekte ist das Zusammentreffen von Aeham Ahmad und Edgar Knecht. Denn unterschiedlicher könnten die Lebensgeschichten der beiden Pianisten nicht sein. Auf der einen Seite steht der palästinensisch-syrische Musiker Ahmad, der durch sein tägliches Klavierspiel im syrischen Flüchtlingslager Jarmuk weltweit berühmt wurde. Auf der anderen Seite der gefeierte Jazzkomponist Knecht, der bereits mit vierzehn Jahren Konzerte gab. Auf ihrer ersten musikalischen Zusammenarbeit bestechen sie durch große Leichtigkeit und Spielfreude, in der sie mit eigenen Kompositionen und enthusiastischen Improvisationen ihre eigene Form des Jazz jenseits ihrer kulturellen Wurzeln kreieren. Ahmad singt dabei in seinen Texten immer wieder von den furchtbaren Erlebnissen im syrischen Bürgerkrieg und dem Wunsch nach Frieden. Besonders mitreißend ist das von Knecht geschriebene Stück „Gedankenfreiheit“, das auf dem bekannten Volkslied basiert und von Ahmad in seiner Muttersprache vorgetragen wird. So wie die beiden Musiker harmonieren, können hier nur Freunde an den Tasten sitzen.
Erik Prochnow



Onlinerezensionen
SETH ANDERSON
One Week Record
sethandersonmusic.com
(Little Rocket Records)
Promo-CD, 10 Tracks, 35:50


Der kanadische Singer/Songwriter singt in eindringlicher Stimme zu mal ruhigen Gitarrenakkorden, mal zu treibenderen, rockigeren Riffs. Ob dem Originalalbum ein Booklet mit Texten beiliegt, kann der Folker leider nicht sagen.
mas
FATUM
Sing mir noch ein Lied
fatum-eifel.de
(Eigenverlag)
10 Tracks, 40:10


So interessant wie ihr historisch orientiertes Album 1794 von 2012 ist das neue der Eifeler – wie sie sich nennen – Folkpunkband nicht. Immer wieder geht es direkt oder indirekt ums Saufen. Sie treiben dabei den Hörer in wilden Skarhythmen vor sich her. Ja, „Punk“ passt schon irgendwie.
mas

Phil Manzanera
Corroncho 2
manzanera.com
(Expression Records EXPCD36/Galileo MC)
13 Tracks, 61:00


Der Exgitarrist von Roxy Music legt hier ein spanischsprachiges Konzeptalbum vor, das eine kritische wie humorvolle Reise zweier kolumbianischer Compadres durch Südamerika bis nach New York beschreibt. Insgesamt zu mainstreamig geraten, rhythmisch vibrierender Latin Pop mit viel Rhythmusmaschinen und Synthiesounds, dazu hörspielartige Teile.
hjl
FRANK MIGLIORELLI AND THE DIRT NAPPERS
Bass, Drums, Guitars And Organs
frankmigliorelli.com
(Rave On Records)
10 Tracks, 35:51


Der New Yorker Migliorelli ist schon lange ein Profi in der Songschreiberwelt, in der er für Werbung und Videospiele arbeitet. Ebenso lang betreibt er sein Label Rave On auf dem er vielfältige Musik veröffentlicht hat. Sein Album ist routiniert arrangiert und eingespielt, mit Folk- und Countryanleihen gespickt, rund produziert.
mf

TOKYO ROSENTHAL
This Minstrel Live
tokyorosenthal.com
(Rock And Sock Records)
10 Tracks, 40:57


Der Gitarrist, Komponist und Sänger spielt sechs eigene Lieder und ergänzt die Produktion mit vier Liveaufnahmen von 2012 bis 2015. Elf Gastmusiker sind dabei, der Bassist Chris Stamey fungiert als Koproduzent.
asz
SHINY GNOMES
Searchin’ For Capitola
shinygnomes.de
(Micropal Records)
10 Tracks, 44:41


„Psych-Rocker“ nennen sich diese Nürnberger, und mit Folk hat ihr Album – übrigens das elfte – eigentlich wenig zu tun. Englischsprachig, voller Sound der Musik, abwechslungsreiche Rhythmik und Melodieführung mit E-Gitarre, Schlagzeug, Keyboards, Hammondorgel und Bass. Leider keine Texte im Beiheft.
mas

ISA TABASUARES
This Mess We Made
isatabasuares.com
(Waterfall Records WR1701CD/Broken Silence)
10 Tracks, 33:29


Musikalisch irgendwo zwischen Supertramp und Feist ist das Debütalbum der philippinischen Sängerin angesiedelt. Die großartigen Kompositionen erhalten durch den Akzent einen Niedlichkeitsfaktor, der die gesamte Veröffentlichung luftig wirken lässt. Das Album ist wundervoll altmodisch, jeder Song hätte auch in den Siebzigern ein Hit werden können. Oder heute.
ce
TWO HEARTS IN TEN BANDS
Soulsisters
twoheartsintenbands
(Time Zone TZ1456)
10 Tracks, 36:01


Die Schwestern Sarah und Sina Steinbrecher präsentieren ihre gelungenen, selbst geschriebenen Songs sparsam, aber dennoch modern instrumentiert mit Gitarre, Bass, Mundharmonika, Keyboard und Percussion sowie Fokus auf den beiden kraftvollen Stimmen. Hörenswert.
uj

Kurzrezensionen
 LYDIE AUVRAY: Madinina – Caribbean Collection
LYDIE AUVRAY
Madinina – Caribbean Collection
lydieauvray.de
(Westpark Music 87335/Indigo)
14 Tracks, 48:09


Die Grande Dame des Akkordeons, geboren 1956 in der Normandie, begeht 2017 ihr vierzigjähriges Bühnenjubiläum mit einer Hommage an ihre dritte Heimat Martinique und bringt eine Zusammenstellung ihrer „karibischen“ Stücke heraus, die vor Spiellust und scheinbar virtuoser Leichtigkeit nur so sprühen. Trotz vieler Nachahmerinnen beweist Madame noch immer einsame Spitze.
ca
 JON BALKE & SIWAN: Nahnou Houm
JON BALKE & SIWAN
Nahnou Houm
magnetic.no
(ECM Records ECM 2572/Universal)
11 Tracks, 47:35


Der stilistisch weite Tastenmann aus Norwegen zieht samt multinationalem Ensemble erneut (nach dem gelobten Album Siwan 2009) zwischen Al-Andalus mit all seinen arabisch-andalusischen Verknüpfungen und europäischem Barock fernnervig und musikalisch gekonnt historische Linien und fügt neue, imaginäre hinzu. Morgen- und Abendland in einer Trautheit, wie sie gerade unsere Zeiten brauchen.
kw

 BARAKA-WELTMUSIK-CHOR: Entdeckertour
BARAKA-WELTMUSIK-CHOR
Entdeckertour
rainerdost.de/de/baraka
(Eigenverlag)
12 Tracks, 50:06


Ein weltumspannendes Sammelsurium an Liedern hat Rainer Dost mit seinem Laienchor Baraka aufgenommen. Instrumental sparsam vom Leiter begleitet, singt der Chor alle Stücke in der jeweiligen Originalsprache, mal eher traditionell, mal modern arrangiert. Die Produktion wird begleitet von einem umfangreichen Booklet mit allen Texten inklusive Übersetzungen.
cs
 BAZAR & BÉMOLS: Habillés DʼHumeur
BAZAR & BÉMOLS
Habillés DʼHumeur
bazaretbemols.com
(Quart de Lune)
Promo-CD, 12 Tracks, 47:58


Bazar & Bémols sind drei junge Franzosen, die von der Straßenmusik kommen. Mit Habillés DʼHumeur legen sie ihr zweites Album vor. Sie spielen Gitarre, Kontrabass und Trompete, alle drei singen sehr gut, oft auch mehrstimmig. Die CD ist eine runde Mischung aus Chanson, Swing Manouche und akustischem Funk mit einer Prise Nostalgie.
chr

 GEOFF BERNER: Canadiana Grotesquica
GEOFF BERNER
Canadiana Grotesquica
geoffberner.com
(COAX9pm Records/Broken Silence)
10 Tracks, 43:12


Der multikulturelle Songschreiber aus Kanada schreibt Songs, die sich zwischen Folk, Klezmer und Rock bewegen. Hauptsächlich spielt und komponiert Geoff Berner auf dem Akkordeon, doch gerne gewinnt mal die Fiddle die Oberhand. Grotesk ist das Ganze jedoch nicht, sondern weltmusikalisch orientiert.
mf
 BLACK PATTI: Red Tape
BLACK PATTI
Red Tape
black-patti.de
(Rhythm Bomb Records 5871/Broken Silence 20042)
13 Tracks, 40:57


Im baden-württembergischen Calw trafen sich Peter Crow C. (Gesang, Akustikgitarre, Mundharmonika) und Ferdinand Kraemer (Gesang, Gitarre, Mandoline – auch das schöne Digipak wurde von ihm gestaltet). Als Gastmusiker sind Ryan Donohue und Uli Lehmann dabei, beide am Kontrabass. Die Produktion ist auch als limitierte Vinyl-LP erhältlich.
asz

 ALESSIO BONDÌ: Sfardo
ALESSIO BONDÌ
Sfardo
alessiobondi.com
(Malintenti Dischi/Rough Trade)
10 Tracks, 42:25


Das Debütalbum des Palermitaners wurde 2015 in Italien für den Premio Tenco nominiert. In der neuen Ausgabe des Werks finden sich die palermitanischen Texte in deutscher Übersetzung. Bondì spielt eine filigrane Gitarre und setzt seine helle Stimme zuweilen jazzig-soulig ein. Eine wortreiche Reise ins Innere der Stadt und in die Seele des Künstlers.
mst
 ANOUAR BRAHEM: Blue Maqams
ANOUAR BRAHEM
Blue Maqams
anouarbrahem.com
(ECM Records, ECM 2580)
9 Tracks, 77:01


Musik, die atmet, Freiheit verströmt, etwas wagt, achtsam zuhört und weise antwortet. Einfach genial, dieses neue Werk des versierten Udspielers, das nicht neu, vielmehr seltsam vertraut klingt. Mit dem Dreamteam Dave Holland am Bass, Jack DeJohnette am Schlagzeug und Django Bates am Piano ist Brahem im Jazz angekommen und hat sich dabei seine Handschrift bewahrt.
sts

 BRAIN DAMAGE MEETS HARRISON STAFFORD: Liberation Time
BRAIN DAMAGE MEETS HARRISON STAFFORD
Liberation Time
brain-damage.fr
harrisonstafford.com
(Jarring Effects FX 138/Broken Silence)
10 Tracks, 46:41


Jamaika geht also, wenn man will. Der Franzose Martin Nathan aka Brain Damage und der US-Amerikaner Harrison Stafford haben ein Reggae-/Dub-Album der Extraklasse vorgelegt. Stafford singt die Songs mit charmanter Emphase, und Nathan dreht und fummelt an den Knöpfen seiner Effektgeräte, als wäre er der uneheliche Sohn von Lee „Scratch“ Perry. Anhören!
wb
 ANE BRUN: Leave Me Breathless
ANE BRUN
Leave Me Breathless
anebrun.com
(Balloon Ranger Recordings/Rough Trade)
Promo-CD, 14 Tracks, 51:49


Die preisgekrönte norwegische Sängerin wagt sich an eigene Interpretationen von Stücken prominenter Kollegen. Darunter sind etwa Joni Mitchells „Big Yellow Taxi“, Dylans „Girl From The North Country“ oder „How To Disappear Completely“ von Radiohead. Sehr professionell eingespieltes Album, das jedoch trotz Bruns ausdrucksstarker Stimme oft zu gewollt klingt.
ep

 CANZONIERE GRECANICO SALENTINO: Canzoniere
CANZONIERE GRECANICO SALENTINO
Canzoniere
canzonieregrecanicosalentino.net
(Ponderosa Music Records CD142/Edel)
12 Tracks, 43:53


Das Coverfoto mit einer Coca-Cola-Flasche, die Tomatenmark enthält, ist Programm. Die Pizzica Salentina geht eine Liaison mit dem Dancefloor ein. Ob das in den USA produzierte Album den Weg in die Clubs findet? Dazu ist die zweite Hälfte des Werks doch zu stark in der Tradition verwurzelt, auch wenn die Gruppe nicht mehr so rau wie früher tönt.
mst
 Che Sudaka: Almas Rebeldes
Che Sudaka
Almas Rebeldes
chesudaka.com
(Cavernicola Records CAVREC010/Galileo MC)
15 Tracks, 59:00


Die angeblich führende Cumbia-Ska-Punk-Truppe ist eigentlich eine Tanzband, die weniger punkig-aggressiv daherkommt, als dass sie akkordeonlastigen Cumbiapop mit Rap mixt. Partyspaß steht im Mittelpunkt, dabei appellieren die Texte aber stets ans kritische Denken. Ihr Fünfzehnjähriges mit alten und neuen Songs feiern sie mit illustren Gästen wie zum Beispiel Manu Chao und Amparo Sanchez.
hjl

 GEORG CLEMENTI: Zeitlieder 3
GEORG CLEMENTI
Zeitlieder 3
clementi.de
(Sowiesound/Eigenvertrieb)
13 Tracks, 54:51


Schauspieler und Regisseur, Theater- und Liedermacher in Österreich – Georg Clementi ist ein umtriebiger Künstler. Es ist sein viertes Album, mittels Crowdfunding finanziert, seine Texte sind vom Lesen der Zeit inspiriert und musikalisch mit Sigrid Gerlach und Tom Reif erarbeitet. Melancholisch, nachdenklich, satirisch, ein thematisch und musikalisch vielfältiges Album.
rk
 AL CORTE: Mojo
AL CORTE
Mojo
corte.global
(CD Baby)
Promo-CD, 12 Tracks, 42:08


Nach der Ausbildung zum Belcanto-Sänger kam in den Sechzigern die Liebe zum Blues, R&B und Soul. Auf Mojo beeindruckt Al Corte mit kräftiger Stimme, die er gekonnt phrasiert. Neben einer vierköpfigen Stammbesetzung gibt es die Royal Singers im Background, die Bläsersektion der Royal Horns und die Streicher Royal Strings. Ganz große Oper!
ah

 LEVI CUSS: Just Below Radio Vol. 1 &. 2
LEVI CUSS
Just Below Radio Vol. 1 &. 2
levicuss.com
(Eigenverlag OSK-03-2017/CD Baby)
Do-EP, 4 u. 4 Tracks, 16:41 u. 14:10


Eine wunderbare Mixtur aus Blues und Americana präsentiert der Kanadier Levi Cuss auf diesen zwei EPs. Die Texte verarbeiten Beobachtungen und Selbsterlebtes, direkt und rau ist die Sprache, in „White Lies“ bekommt auch Donald Trump etwas mit auf den Weg. Toll gespielt ist alles obendrein, und die Pedal-Steel-Gitarre von Steve Dawson verdient ein Extralob.
ah
 DELTA WIRES: Born In Oakland
DELTA WIRES
Born In Oakland
deltawires.com
(Mud Slide Records MSCD1706)
10 Tracks, 41:40


Seit dreißig Jahren existiert diese Band nun schon, und ihren West Coast Blues hat sie bereits auf Konzerten und Festivals auf der ganzen Welt gespielt. Teil der sieben Musiker ist eine feste Bläsersektion, und diese bestimmt den Sound dann auch maßgeblich. Keine ausufernden Soli, vielmehr ein breiter, mächtiger, geschmeidiger Klang.
ah

 JP DEN TEX: Wolf!
JP DEN TEX
Wolf!
jp-den-tex.com
(Cavalier Recordings CR 255618)
13 Tracks, 42:42


Der Sänger und Songschreiber aus Amsterdam versteht es, Lieder mit Groove zur akustischen Gitarre zu schreiben. Ergänzt werden die folkigen Stücke mit US-Einschlag von Mandoline und Fiddle. Inhaltlich handelt es sich um eine Art Konzeptalbum, das die Geschichte eines erfolgreichen Musikproduzenten erzählt, der sich als Straßenmusiker wiederfindet.
vd
 DIVERSE: Music For Children, Music By Children
DIVERSE
Music For Children, Music By Children
folkways.si.edu
(Smithsonian Folkways Recordings SWW CD 54081/Galileo-MC)
28 Tracks, 56:14


Diese Zusammenstellung von 28 Kinderliedern aus aller Welt unterstreicht die unmittelbare Notwendigkeit für Kinder, sich musikalisch auszudrücken, mitzusingen, mitzuspielen. Zu hören sind unter anderem Klassiker wie „Go Waggaloo“ von Sarah Lee Guthrie oder „Jim Along Josi“ von Pete Seeger. Ein schön gestaltetes Booklet mit vielen Informationen ergänzt die Aufnahmen.
ca

 DOMUS DE JANAS: LʼIllusione DʼEsser Salvi
DOMUS DE JANAS
LʼIllusione DʼEsser Salvi
domusdejanasvre@gmail.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 37:25


Kriege, Flüchtlingselend, soziale Ungerechtigkeit. Die Themen werden der achtköpfigen Band aus Verona kaum ausgehen. Ein wenig hektisch kommt der perkussive, mit akustischen Instrumenten eingespielte Politfolk daher, doch das passt zum Inhalt der Lieder. Ehrliche Musik, die vor allem live mitreißt.
mst
 EDGELARKS: Edgelarks
EDGELARKS
Edgelarks
edgelarks.co.uk
(Dragonfly Roots DRCD004)
12 Tracks, 58:56


Phillip Henry und Hannah Martin heißen jetzt Edgelark, übersetzt: „Vom oder über den Rand singen“. So geht es auf diesem Album um Übergänge und Zwischenräume, aber nicht mit Beliebigkeit, wie zwei Songs über Flüchtlinge zeigen. Bemerkenswert ist erneut Martins „English Folk-Soul“-Stimme bei den komplexen Songs mit umfangreichem Instrumentarium.
mk

 ERIK FASTÉN: 10 Songs
ERIK FASTÉN
10 Songs
erikfasten.com
(Adore Music AD056/Broken Silence)
10 Tracks, 42:04


Mit samtweicher Stimme intoniert der schwedische Liedermacher seine Songs auf einem Klangteppich, der Nick Cave zur Ehre gereichen würde. Ein akzentuiertes Gitarrenspiel trifft auf spärliche, tiefe Keyboardsounds oder auch eine dezent eingesetzte Violine. Das klingt ein wenig gespenstisch und gleichzeitig verträumt. Dank überragender Klangqualität lohnt diese CD auch für Audiophile.
ce
 SEAMUS FOGARTY: The Curious Hand
SEAMUS FOGARTY
The Curious Hand
seamusfogarty.com
(Domino WIGCD409P)
Promo-CD, 11Tracks, 53:03


Ist der Song komponiert, so hört die Arbeit nicht auf, sie fängt gerade erst an. Das wird beim Hören von The Curious Hand besonders deutlich. Passt zum Track etwas schräge, bordunlastige Geigenarbeit oder ein Akkordeon? Weiblicher Gesang oder Clapping? Manchmal braucht ein Song Zeit, bis er perfekt ist, und dann findet er den Weg auf das Album. Auf dieses Album, um genau zu sein.
ce

 BEPPE GAMBETTA: Short Stories
BEPPE GAMBETTA
Short Stories
beppegambetta.com
(Borealis Records)
10 Tracks, 40:27


Das dreizehnte Album des Flatpickers aus Genua, der musikalisch ebenso in Nordamerika wie in Europa beheimatet ist, beinhaltet Themen von Giuseppe Verdi, Fabrizio De André, Doc Watson und natürlich Gambetta selbst. „Der Wind trägt uns davon“, Felix Meyers Adaption des Noir-Désir-Titels, trägt er engagiert in sehr passablem Deutsch vor. Gitarristische Oberliga.
rb
 GARDEN OF DELIGHT: Gods In Motion – Chapter One
GARDEN OF DELIGHT
Gods In Motion – Chapter One
god-band.de
(Broken Silence)
13 + 5 Tracks, 74:01


Album Nr. 37 von 38, die die Bensheimer inzwischen draußen haben – Gods In Motion – Chapter Two liegt dem Folker leider nicht vor. Wie immer geht es deftig-irisch zur Sache, teilweise an die Simple Minds erinnernd. Mit dreizehn neuen und fünf Stücken aus der CD Back in Ireland kauft man sich ein volles Paket guter Laune. Leider gibt es keine Texte oder Infos im Beiheft.
mas

 GUN OUTFIT: Out Of Range
GUN OUTFIT
Out Of Range
gunoutfit.bandcamp.com
(Paradise of Bachelors/Cargo Records)
Promo-CD, 11 Tracks, 41:42


Recht verschrobenen und schepperig beginnt das zweite Album von Gun Outfit, entwickelt sich danach zu seltsam mäanderndem Countryrock, der häufig von der Gitarristin gesungen wird. Balladesk, psychedelisch und sehr melodiös verschmelzen Gun Outfit auf Out of Range Country und Folk zu einer verspielten Außenseitermusik.
mf
 HAΪDOUTI ORKESTAR: Babel Connexion
HAΪDOUTI ORKESTAR
Babel Connexion
haidoutiorkestar.com
(Tchekchouka TCHEK 2060/Broken Silence)
12 Tracks, 45:38


Die zwölf Orkestarmusiker und -musikerinnen stammen aus Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Rumänien, Serbien, Spanien und der Türkei. Wie bei ihren Kollegen von den Balkanfanfaren dominiert das Blech. Trompete, Tuben und ein Sousafon sorgen für ordentlich Druck, Saxofon, Akkordeon und Darbuka setzen Akzente, und Sänger Zéki Ayad Çölaş hält das Ensemble im Zaum.
wb

 WASSIM HALAL, ERWAN KERAVEC, MOUNIR TROUDI: Revolutionary Birds
WASSIM HALAL, ERWAN KERAVEC, MOUNIR TROUDI
Revolutionary Birds
facebook.com/wassim.halal.3
erwan-keravec.eu
de-de.facebook.com/mounirtroudiofficial
(Buda Musique 860314)
6 Tracks, 44:08


Der experimentierfreudige bretonische Dudelsackspieler Erwan Keravec hat sich diesmal mit dem tunesischen Sänger Mounir Troudi und dem französisch-libanesischen Percussionisten Wassim Hallal zu einem Trio zusammengetan. Es dominiert der arabische Gesang von Troudi. Das Album ist für Keravecs Verhältnisse wenig avantgardistisch, obwohl Troudi die Zusammenarbeit mit Jazzmusikern gewohnt ist.
chr
 GÜNTER HOCHGÜRTEL: Und doch muss ich weiterzieh’n …
GÜNTER HOCHGÜRTEL
Und doch muss ich weiterzieh’n …
guenter-hochguertel.de
(Eigenverlag)
12 Tracks, 50:41


Der Nordeifeler Troubadour und Wibbelstetz-Frontmann legt sein siebtes Album unter seinem Namen vor, dank der Beteiligung vieler Wibbelstetzer und anderer Freunde kein reines Solowerk. Die mal nach deutscher Countrymusik, mal nach Chanson, auch mal nach Schlager klingenden Lieder stammen hörbar von einem Mann – um mit Manfred Pohlmann zu sprechen – im Sommer des Lebens.
mas

 THE HOWLINʼ MAX MESSER SHOW: The Howlinʼ Max Messer Show
THE HOWLINʼ MAX MESSER SHOW
The Howlinʼ Max Messer Show
facebook.com/maxmessershow
(Off Label Records OLR68/Eigenvertrieb)
10 Tracks, 41:00


Die Augsburger Voodoo-Rock-Showband bewegt sich zwischen Garage, Rock ’n’ Roll, Surf, Scheppergitarre, Gesang im Megafonsound und Stehbass. Herausragend ist ihr Voodoostück „Make It Mine“. Langsamer Rhythmus, bei dem man die Messer schleifen hört. Da öffnen sich die Gräber, und das Skelett lacht sich eins. Allein die Nummer wäre den Kauf schon wert.
hjl
 PI JACOBS: A Little Blue
PI JACOBS
A Little Blue
pijacobs.com
(Travianna Records TR170331)
12 Tracks, 41:41


Songschreiberin und Sängerin aus LA tritt in Floyd, Virginia, auf, begegnet dort einem Produzenten, einem Labelbesitzer und Bluegrassmusikern, et voilà, fertig ist die Zusammenarbeit. Das Ergebnis klingt nach Wurzelmusik, aber ebenso nach Rock, Blues und Country. Die verschiedenen Welten können gut miteinander und kleiden die Stücke vorteilhaft.
vd

 JOANA, SUSANNE BACK, PETER GRABINGER, LYDIE AUVRAY: Plaisir D’Amour – aber nicht nur …
JOANA, SUSANNE BACK, PETER GRABINGER, LYDIE AUVRAY
Plaisir D’Amour – aber nicht nur …
joana.de
susanneback.de
lydieauvray.de
(Wolkenstein CDJ 030/Mäule & Gosch)
15 Tracks, 72:31


Joana, eine Grande Dame der Liederzunft, lädt ein zu einem Abend des französischen Chansons. Mit dabei sind Susanne Back, Peter Grabinger am Piano und Lydie Auvray als besonderer Gast. Von Göttingen über Amsterdam und Avignon zu den Champs-Elysées geht die musikalische Reise. Sie bereuen aber nichts, auch nicht das „Merci Chérie“ in Monemer kurpfälzischem Dialekt.
rk
 MFA KERA & BLACK HERITAGE feat. MIKE RUSSELL: Humans Humans!
MFA KERA & BLACK HERITAGE feat. MIKE RUSSELL
Humans Humans!
blackheritage.de
mikerussell.de
(House Master Records 05699/HOFA, manufacture)
8 Tracks, 39:58


Moderner Afrobeat mit Elementen aus Soul, Funk, Jazz und Blues. Die Sängerin Mfa Kera hat ihr aktuelles Werk im Zusammenspiel mit bereits bewährten Musikern aus der „Black Diaspora“ eingespielt. Gewidmet ist das Album dem Percussionisten Souleymane Touré, der nach den Aufnahmen verstarb. Die Songtexte sind engagiert, die Musik hitverdächtig.
cs

 KINGS & ASSOCIATES: Tales Of A Rich Girl
KINGS & ASSOCIATES
Tales Of A Rich Girl
kingsandassociatesmusic.com
(Big Wing Records/Tunecore)
12 Tracks, 54:38


Das zweite Album mit der Sängern Angela Portolesi. Die Band besteht aus Benjamin Cunningham (Gesang und Gitarre), Stephen Portolesi (Bass), Kelvin Sugars (Schlagzeug) und Matt Williams (elektrische und akustische Gitarre). Als Gastmusiker sind unter anderem Louie Higuera (Klavier) und Eleanor Masterson (Geige und Mandoline) dabei.
asz
 KLANGZEIT: Musikalische Frischluft
KLANGZEIT
Musikalische Frischluft
klangzeit.eu
(Resonardo RN-10005)
17 Tracks, 62:16


Ein frühlingsfrisches Duo – so suggeriert das Cover – spielt auf Geige und Akkordeon wo, wann und was es will. Traditioneller Tanz aus Ungarn, französisches Chanson, „Adios Nonino“ von Astor Piazzolla oder den „Tango Pyjama“ von Johann Zeller, bevor der sich gesanglich an „Schmidchen Schleicher“ versucht. Das Ganze kommt tatsächlich erfrischend daher und deutlich hörbar vor boarischem Südost.
ca

 RYAN KOENIG: Two Different Worlds
RYAN KOENIG
Two Different Worlds
ryankoenigstl.com
(Big Muddy Records)
Promo-CD, 10 Tracks, 33:27


Eindrucksvolle sechzehn Musiker spielen auf diesem Album mit, ohne dass es wuchtig oder überladen produziert klingt. Im Gegenteil, jedes Arrangement dient ganz allein den von Koenig geschrieben Country- oder Honky-Tonk-Songs, in denen sich bisweilen Tex-Mex-Einflüsse in den Vordergrund drängen. Trucker-Musik für lange Nächte auf der Autobahn.
mf
 ANDRÉ KRENGEL: Beneath The Words
ANDRÉ KRENGEL
Beneath The Words
andre-krengel.com
(Bring Me Home)
17 Tracks, 69:21


Alleine die Gastmusiker auf diesem Album aufzuzählen würde rasch den Umfang einer Rezension sprengen. Farbenfroh, weltumspannend, Gypsy Jazz, Latin, Pop, orientalische Klänge, Flamenco, Rock … Zusammengehalten wird das Ganze durch die Gitarre des im Rheinland geborenen André Krengel, der uns auch eine wilde Gypsy-Version von „Mer losse dr Dom in Kölle“ beschert.
rb

 KRIES: Selo Na Okuke/Village Tracks
KRIES
Selo Na Okuke/Village Tracks
kries.info
(Riverboat Records, TUGCD1107/Harmonia Mundi)
Promo CD, 9 Tracks, 34:51


Ein kraftvoller Beleg dafür, dass traditionelle Lieder des Balkans in der Moderne angekommen sind. Die siebenköpfige kroatische Band um Sänger Mojmir Novaković verwandelt die poetischen Texte über die Schönheit des Lebens und das Erwachsenwerden in mitreißenden Folkrock. Nicht selten sind Einflüsse von Radiohead oder Brian Eno zu hören.
ep
 KULZER & STANGENBERG: Neue Freiheit
KULZER & STANGENBERG
Neue Freiheit
harry-kulzer.de
stangenberg.de
(Whoopee Records/Feyr/Nova MD)
12 Tracks, 45:47


Zwei Musiker, zwei Generationen, die zusammen ein Album erarbeiten. Karl Stangenberg, Flötist, der sich der Dichtung verschrieben hat, und Harry Kulzer, Komponist und Musiker, der für Musik, Produktion und Gesang verantwortlich zeichnet. Besinnlich Literarisches über die Vergänglichkeit – nur eine Kuh, das Känguru und das Nichts stören die Melancholie.
rk

 LANKUM: Between The Earth And Sky
LANKUM
Between The Earth And Sky
lankumdublin.com
(Rough Trade, RTRADCD910)
10 Tracks, 62:52


Sehr eigenwillige, spröde Arrangements von meist traditionellen Songs aus dem angloirischen Fundus. Zeitweise mehrstimmig, zurückhaltender, dennoch eindringlicher Gesang der zuvor unter dem Namen Lynched firmierenden jungen Iren, unterlegt von Pipes, Harmonium und diversen Zupfinstrumenten. Hat Anklänge an englische Platten des frühen Folkrevivals der Siebziger. Probehören und dann für sich entscheiden.
js
 LARA AND THE BLUZ DAWGZ: Out Here In The Blue
LARA AND THE BLUZ DAWGZ
Out Here In The Blue
laraandthebluzdawgz.com
(Lock Alley Music/CD Baby)
11 Tracks, 42:37


Das dritte Bluesalbum vom Ehepaar Lara und Gregg Germony wurde in Nashville, Tennessee, produziert. Die Sängerin und der Bassist werden unterstützt von Al Rowe (Gitarre), Carlos Ruiz (Schlagzeug), Reggie Murray (Saxofon und Orgel), Dan Nadasdi (Keyboard) und Dawg Pound mit der Bläsersektion.
asz

 GEORGIA LEWIS: The Bird Who Sings Freedom
GEORGIA LEWIS
The Bird Who Sings Freedom
georgialewis.co.uk
(Root Beat Records RBRCD37)
11 Tracks, 47:26


Große Stimme, musikalisch ebenso wie optisch stilsicheres Auftreten und eine makellose Band (der Labelchef spielt Bass), das sind beste Voraussetzungen für das Debüt der jungen Dame aus dem Süden Englands. Die meist traditionellen Lieder bekommen ein attraktives, frisches Gewand; Akustikfolk mit Fiddle, Bass, Akkordeon, Gitarre und Percussion.
mk
 LIKHO DUO: Blues And The World Beyond
LIKHO DUO
Blues And The World Beyond
likhoduo.com
(Likho Records/CD Baby)
14 Tracks, 57:49


Der halbblinde Amerikaner Cliff Schmitt (Kontrabass) und der blinde Italiener Noé Socha (Gitarre, Mundharmonika auf dem Gestell) spielen rein instrumentale Musik. Die Eigenproduktion mit italienischen Klassikern sowie Blues- und Weltmusik wurde in diesem Jahr an zwei Tagen in Brooklyn aufgenommen.
asz

 LIONEL LOUEKE & CÉLINE RUDOLPH: Obsession
LIONEL LOUEKE & CÉLINE RUDOLPH
Obsession
celinerudolph.com
lionelloueke.com
(Obsessions, 234460/Membran)
10 Tracks, 47:54


Inspirierende Vokalkunst trifft auf elaboriertes Gitarrenspiel. Das Ergebnis der renommierten Jazzsängerin und des gefragten Gitarristen ist eine sanfte, fein arrangierte Mischung aus Blues, Jazz und Chanson, die viel Raum für Improvisation lässt und durch ein exzellentes, rhythmisches, oft auch perkussives Saitenspiel begleitet wird.
ep
 MAKLAR & SCHWARZBAUER: Lieder über’n Zaun
MAKLAR & SCHWARZBAUER
Lieder über’n Zaun
facebook.com/Schwarzbauer-Maklar-1623677201276973
gruber-maklar.de
(Eigenverlag)
10 Tracks, 47:36


Diese bairische Mundartscheibe dokumentiert zehn Jahre gute Nachbarschaft der beiden Liedermacher, die mit Unterstützung einiger Mitmusiker einen vollen Bandsound hinlegen. Bisweilen schräge Töne erinnern an Brian Ferry. Die mitlesbaren Texte schweben zwischen Alltag und eigentümlicher Poesie.
mas

 MALVA & PRIKS: Mässiv
MALVA & PRIKS
Mässiv
malvapriks.com
(Nordic Notes)
6 Tracks, 19:05


Debütalbum zweier wilder Absolventen der estnischen Kulturakademie von Viljandi. Mit Akkordeon und Percussion ersetzen die beiden eine komplette Rockband, dabei halten sie sich auf experimentelle Art im Folkorebereich auf. Ein wenig Humppa, eingängiger Refrain, einfache Melodien, Witz und viel Druck machen das Ganze zu einem mitreißenden Spaß.
is
 MAMES BABEGENUSH: With Strings
MAMES BABEGENUSH
With Strings
mames.dk
(Galileo-MC)
13 Tracks, 48:02


Im November 2016 live unter der musikalischen Leitung von Emil Goldschmidt (cl) eingespielt, brilliert dieses Sextett aus Dänemark mit einfallsreichen Arrangements. Hier trifft Ost mal nicht auf West, sondern auf Nord. Von nordisch-weiten Pinienwäldern geht es mit pulsierender Tanzmusik zu lebhaften Hochzeitsfeiern in Rumänien.
mg

 HARRY MARTE: Little Prayers
HARRY MARTE
Little Prayers
harrymarte.com
(Cross Cut Records CCD12014)
11 Tracks, 50:09


Kleine Gebete – ein passender Titel für dieses Americana-Juwel. Der Künstler aus Vorarlberg, nicht aus Texas, klingt wie der legitime Erbe von Townes van Zandt. Jeder einzelne Song könnte von Calexico stammen und atmet die Südstaaten. Die Texte vermitteln eine einfache, klare Botschaft. So kratzt und rumpelt dieses Album durch die staubige Wüste.
ce
 THIERRY MASSOUBRE: Behind The Strings
THIERRY MASSOUBRE
Behind The Strings
acoustic-music.de
(Acoustic Music Records 319.1573.2/Rough Trade)
15 Tracks, 45:13


Der französische Flatpickinggitarrist bedient das Genre Bluegrass mit einer Sammlung von Instrumentals, unterstützt von einer Vielzahl sehr guter Begleitmusiker. Eigene Stücke stehen neben Kompositionen von Landsmann Michel Haumont und Klassikern von Bill Monroe. An der Virtuosität gibt es nichts zu zweifeln, aber mehr Groove wäre schön.
vd

 MIGHTY STEEL LEG EXPERIENCE: The Heartbeat Agency
MIGHTY STEEL LEG EXPERIENCE
The Heartbeat Agency
gomighty.de
(Flowerstreet Records/Rough Trade)
12 Tracks, 46:58


Die Texte auf denglisch sind wirklich das Einzige, was man dem Duo vorwerfen kann. Das Songmaterial ist einfach umwerfend, und die Arrangements sind zum Verlieben. Das klingt manchmal so leicht, wie ein Paul Simon klingen könnte, wenn er Punk wäre, und so warmherzig wie die Brüder von Amy Macdonald. Ein gelungenes Selfmadealbum zweier Liedermacher, Verzeihung, Singer/Songwriter.
ce
 SIGRID MOLDESTAD: Vere Her
SIGRID MOLDESTAD
Vere Her
sigridmoldestad.com
(Grappa Musikkforlag)
13 Tracks, 52:16


Sigrid Moldestad spielt Geige, schreibt alle Stücke selbst, hat einen Hang zu Country und Old-Time, aber kaum hat sich das Ohr an diese Wohlklänge gewöhnt, kommt ein fulminantes Instrumentalstück auf der Hardangerfiedel. Unvergesslich ihr wutschnaubendes Lied gegen sexuelle Belästigung und männliche Bevormundung „Ikkje Kom Og Sei“. Fantastisch gutes Album!
gh

 NAVÁ: Tapestry
NAVÁ
Tapestry
navatheband.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 45:56


Irland trift Iran. Paddy Kiernan (Banjo), Niall Hughes (Gitarre, Bassgeige) und die Brüder Shahab (Santur) und Shayan Coohe (Tombak, Tar) musizieren so selbstverständlich zusammen, als wären Dublin und Teheran Nachbarstädte. Im Gegensatz zu Politikern brauchen gute Musiker keine nächtelangen Sondierungen für eine Koalition. Können und Respekt reichen.
wb
 NINEBARROW: Releasing The Leaves
NINEBARROW
Releasing The Leaves
ninebarrow.co.uk
(Eigenverlag)
11 Tracks, 45:18


Es sind die wunderbaren und perfekten Harmonien der beiden Freunde, die ihre Lieder – egal ob traditionell oder selbst geschrieben – so besonders machen. Meist sparsam instrumentiert, aber immer unaufgeregt, detailverliebt und entspannt. Die beiden klingen wie die Simon & Garfunkel der englischen Folkmusik, und das ist als klares Kompliment gemeint.
mk

 OAK HILL ROAD: The Willow Confessions
OAK HILL ROAD
The Willow Confessions
oakhillroad.net
(Eigenverlag)
11 Tracks, 33:42


Das Duo Florian Hirle und Helmuth Baumann alias Oak Hill Road spielt sanfte Folksongs, manchmal mit bluesigen Elementen versehen. Die beiden folgen dem Prinzip „Akustische Gitarren plus Harmoniegesang plus romantisch anmutende Texte“. Ihre beschaulichen Betrachtungen widmen sie gern der Natur, schön zu hören etwa in „The Cherry Tree Song“.
vd
 ARTURO O’FARILL & CHUCHO VALDÉS: Familia, Tribute To Bebo + Chico
ARTURO O’FARILL & CHUCHO VALDÉS
Familia, Tribute To Bebo + Chico
arturoofarrill.com
valdeschucho.com
(Motéma Music MTM0229/Rough Trade)
Do-CD, 13 Tracks, 94:20


Eigentlich kein Folker-Fall, diese afro-/latinjazzwärts geneigte Aufnahme. Doch birgt die Hommage an die honorigen Väter, Pianist Bebo Valdés und Chico O’Farrill – vielseitig aktiver Orchesterleiter – wie auch an die Vertreter der nächsten Generationen zweier wichtiger Musikerdynastien auch ein gutes Stück Musikgeschichte Kubas.
kw

 KELE OKEREKE: Fatherland
KELE OKEREKE
Fatherland
iamkele.com
(BMG S38310222/Warner Music)
Promo-CD, 13 Tracks, 45:01


Ein Singer/Songwriter-Album Okerekes, der bisher mit elektronischen Klängen und pulsierendem House überzeugte. Nach der Geburt seiner Tochter Savannah im Dezember 2016, die er als großes Geschenk empfand, erschien dieses dritte, ganz persönliche Soloalbum, das fast ausschließlich mit akustischen Instrumenten eingespielt wurde. Ein absolut stimmiger Genrewechsel.
cs
 PETE’S POSSE: The Conversation
PETE’S POSSE
The Conversation
petespossevt.com
(Epact Music 126)
15 Tracks, 63:45


Auf seinem dritten Album präsentiert das Trio aus Neuengland einen Mix aus Traditionals und eigenen Stücken, wobei Fiddles den Sound dominieren. Aber auch Instrumente wie Mandoline und Melodica kommen zum Einsatz plus ein Streichersatz im Titelstück. Alles klingt handfest, wenn auch leicht brav. Im Nordosten der USA dürfte es gern rauer klingen.
vd

 J-P PIIRAINEN: Twined
J-P PIIRAINEN
Twined
jppiirainen.com
(Nordic Notes)
10 Tracks, 53:45


Eins der vielversprechendsten gitarristischen Talente ist ein junger Mann aus dem hohen Norden, genauer aus Ostfinnland. Nicht nur technisch versiert wie ein langjährig Erfahrener, sondern auch mit einem sensiblen, offenen Geist ausgestattet, entlockt er seiner Steelstring eine Musik, die sich rascher stilistischer Einordnung glücklicherweise entzieht. Nordic Folk und sehr viel mehr.
rb
 PIIRPAUKE: Juju
PIIRPAUKE
Juju
sakarikukko.com/piirpauke
(Nordic Notes/Broken Silence)
8 Tracks, 40:35


Das zwanzigste Album der 43-jährigen Formation um den finnischen Stilmixer und Multiinstrumentalisten Sakkari Kukko wird bestimmt durch den Gesang und die Texte der Senegalesin Meissa Niang, die damit eine afrikanische Note einbringt. Dazu gibt es neben Eigenkompositionen auch Interpretationen von Klassikstücken von Satie, Chopin und Sibelius und ein rumänisches Traditional.
is

 JAY PINTO: Jay Pinto
JAY PINTO
Jay Pinto
jaypintomusic.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 9 Tracks, 37:16


Jay Pinto hat schon eine gestandene Karriere als Songschreiber hinter sich, mit Songs, die in TV-Shows und in der Werbung Verwendung fanden. Sparsam arrangiert gehen seine Lieder praktisch „runter wie Butter“, Gitarrenspiel und Gesang hinterlassen aber auch keinen größeren Eindruck. Souveränes Handwerk.
mf
 ROGÉRIO CARDOSO PIRES: Bagatelas
ROGÉRIO CARDOSO PIRES
Bagatelas
facebook.com/rogeriocardosopires
(Sons Vadios SV002)
15 Tracks, 46:46


Der portugiesische Gitarrist spielt mit diversen Musikern, unter anderem im Duo Buganvília, mit João Afonso. Dieser bewog ihn, seine Solostücke zu veröffentlichen. Cardoso Pires studierte klassische Gitarre. Das spürt man. Aber auch andere Einflüsse kommen zum Tragen, wie etwa in „Bossa Flamenca“. Ein feines, sensibles Gitarrenalbum.
mst

 JULIEN PRAS: Wintershed
JULIEN PRAS
Wintershed
facebook.com/julienprasfanpage
(Yotanka Records YO 63)
Promo-CD, 11 Tracks, 35:55


Der Franzose Julien Pras ist in den USA aufgewachsen und singt auf Englisch. Die Musik auf seinem dritten Album Wintershed erinnert an den Acid Folk der ausgehenden Sechziger. Dazu gehört eine melancholisch-psychedelische Grundstimmung, Gesang mit viel Hall, akustische Gitarren und lieblich-schräge Melodien.
chr
 PURPUR: Maidenwerk
PURPUR
Maidenwerk
purpur-zwillingsfolk.de
(Prosodia)
13 Tracks, 54:27


Die beiden Schwestern dieses Mittelalter-Fantasy-Folk-Duos haben nach zehn Jahren Bandgeschichte ihre Spielfrauenerfahrung, ihr Storytelling und ihre mehrstimmig gesungenen Lieder gebündelt. In deutscher und englischer Sprache erzählen sie Geschichten von Liebe, Freiheit und Selbstbestimmung. Sehr witzig das „Drachenlied“, das die Probleme der Jagd aus Sicht des Drachens beschreibt.
pp

 PUST: Huggu Over Vatn
PUST
Huggu Over Vatn
pust.org
(Grappa Musikkforlag)
13 Tracks, 48:45


Pust, eigentlich eine reine Vokalgruppe, verwenden erstmals sehr behutsam eine Geige und sind auch sonst auf Innovation aus. Fast alle Stücke haben die Bandmitglieder selbst geschrieben. Traditionell ist natürlich das Eröffnungsstück, ein Rheinländer aus Sønndala, wo sie es schaffen, stimmlich Jazz und Joik zu verbinden. Chapeau.
gh
 YUVAL RON ENSEMBLE: Unity Of The Heart
YUVAL RON ENSEMBLE
Unity Of The Heart
yuvalronmusic.com
(Yuval Ron Music, YRM115)
10 Tracks, 57:39


Seit fast zwanzig Jahren macht sich der preisgekrönte israelische Komponist und Multiinstrumentalist mit seinem in Los Angeles ansässigen Ensemble für Frieden stark. Die arabischen, jüdischen und christlichen Musiker verbinden in ihren meist traditionellen Liedern des Mittleren Ostens gekonnt die östlichen und westlichen Kulturen.
ep

 TANIA SALEH: Intersection
TANIA SALEH
Intersection
taniasaleh.com
(Kirkelig Kulturverksted FXCD 440/Indigo)
13 Tracks, 51:38


Album Nummer sechs der libanesischen Sängerin und Malerin, unterstützt von Elektroniker Khalil Judran, Holzbläser Mohammad Fawzi, Geigerin Nancy Mounir, Kontrabassist Andre Segone und Schlagwerker Hani Bedair. Textlich und gesanglich verhaftet in arabischer Tradition, bedient sie sich kompositorischer Parameter zwischen Björk und Laurie Anderson.
wb
 SARAKINA: Balkantron
SARAKINA
Balkantron
sarakina.art.pl
(Eigenverlag, AMCD 008)
9 Tracks, 63:28


Bereits seit 1999 spielt das Ensemble um den Akkordeonabsolventen des Wiener Konservatoriums, Jacek Grekow, eine hochklassige Mischung aus Folk, Jazz und Weltmusik vom Balkan. Auch auf ihrem sechsten Album präsentieren die klassisch ausgebildeten Musiker wieder leidenschaftliche Interpretationen traditioneller bulgarischer Stücke und Eigenkompositionen Grekows.
ep

 ARIANNA SAVALL, PETTER UDLAND JOHANSEN & HIRUNDO MARIS: The Wind Rose
ARIANNA SAVALL, PETTER UDLAND JOHANSEN & HIRUNDO MARIS
The Wind Rose
ariannasavall.com/de/hirundomaris.php
(Carpe Diem Records)
14 Tracks, 74:33


In dem Projekt von Arianne Savall und Petter Udland Johansen erklingt faszinierende, gediegene Alte Musik im Spannungsfeld mit keltischem Folk. Eine Hommage an das innere und äußere Reisen, die Ozeane und Küsten – Abreise und Ankunft. Bekannte Stücke wie „Oh Shenandoah“, „Scarborough Fair“ und „Carolanʼs Suite“ wechseln sich ab mit gekonnt inszenierten Eigenwerken.
pp
 MISTA SAVONA: Presents Havana Meets Kingston
MISTA SAVONA
Presents Havana Meets Kingston
havanameetskingston.com
(Baco Records/Broken Silence)
16 Tracks, 71:06


Geografisch und soziokulturell nah und doch kaum im Austausch waren die zwei Nachbarinseln. Im musikalisch bewanderten, aber eben auch hermetischen Kuba waren bis dato Reggae und Ska vergleichsweise unpopulär. Jamaikas Dancehallkultur dockt hier mehr oder weniger geglückt, allemal gut produziert, an Kubas Liedtradition an, darunter auch Buena-Vista-Klassiker.
kw

 SAZ’ISO: At Least Wave Your Handkerchief At Me – The Joys And Sorrows Of Southern Albanian Music
SAZ’ISO
At Least Wave Your Handkerchief At Me – The Joys And Sorrows Of Southern Albanian Music
saziso.bandcamp.com
(Glitterbeat GBCD 053/Indigo)
15 Tracks, 47:25


Zwei Sängerinnen (Adrianna Thanou & Donika Pecallari) und ein Quartett (Geige, Klarinette, Laute und Rahmentrommel) und fertig ist ein wundervolles Album mit selten gehörter Musik. Zum Produzententeam des Albums gehört übrigens auch Joe Boyd (Pink Floyd, Fairport Convention, Incredible String Band, Nick Drake u. v. a.). Und wenn der nicht weiß, was gut ist …
wb
 SCREAMING ORPHANS: Taproom
SCREAMING ORPHANS
Taproom
thescreamingorphans.com
(Eigenproduktion, Tir Chonaill Music)
11 Tracks, 39:16


Fun-Folk-Band aus Dublin, poppiger mehrstimmiger Gesang, von Fiddle geführte Instrumentals, die nicht unbedingt dem heute üblichen irischen High-End-Standard entsprechen. Vorgruppe von Sinead OʼConnor. Der Gesang ist meist gut gelungen, Highlights sind die rubato gesungenen langsamen Songs, aber auch eine coole Fassung von „Raitneach A Bhean Bheag“.
js

 HOWARD SIMON: Visitors
HOWARD SIMON
Visitors
howardsimonmusic.com
(Eigenverlag)
14 Tracks, 63:56


Freundlich winkt uns Howard Simon vom Cover seines Albums Visitors entgegen. Ähnlich freundlich sind seine akustischen Songs, die vollkommen durcharrangiert sind und irgendwo zwischen Folk, Poprock und Funkanleihen hin- und herwirbeln. Das alles ist professionell gemacht, nur klingt Simons dünne Stimme dem Ganzen nicht so recht gewachsen.
mf
 SLOW LEAVES: Enough About Me
SLOW LEAVES
Enough About Me
slowleaves.com
(Make My Day Records/Indigo)
10 Tracks, 36:50


Aus Winnipeg, Canada, kommt Grant Davidson (aka Slow Leaves) mit seinem Album Enough About Me, in dem er wie selbstverständlich ausschließlich über sich singt. Ruhige Songs, mal mehr akustisch, mal mehr elektrisch, mit weichem Schlagzeug unterlegt, das nicht antreibt, sondern das Ganze wie eine ruhige Fahrt durch eine leicht hügelige Landschaft wirken lässt.
mf

 JACQUES STOTZEM: The Way To Go
JACQUES STOTZEM
The Way To Go
stotzem.com
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
10 Tracks, 43:24


Jacques Stotzem, das belgische Urgestein der akustischen Gitarrenmusik, wendet sich nach den erstaunlichen Ausflügen der letzten Jahre, die ihn in rockige Gefilde führten, nun (endlich) wieder seinem eigenen kompositorischen Schaffen zu. Und das steht nun doch poetisch-erhaben über all der Lust am Covern. Sehr schön! Welcome back, Jacques.
rb
 BILLY STRINGS: Turmoil & Tinfoil
BILLY STRINGS
Turmoil & Tinfoil
billystrings.com
(Apostol Music ARC-0001)
Promo-CD, 13 Tracks, 62:02


Er gehört nicht gerade zum Mainstream in Nashville, dafür scheint der Gitarrist mit dem leicht platten Künstlernamen zu wenig angepasst zu sein. Doch sein Bluegrass, dargeboten von einer tollen Band, hat Charakter, wirkt oft wild und psychedelisch. Und dann gibt es noch ein Duett mit Gitarrenmeister Bryan Sutton. Mitreißend und ergreifend, das.
vd

 JEAN-LUC THIEVENT EN DUO AVEC MICHEL HAUMONT: Resonance
JEAN-LUC THIEVENT EN DUO AVEC MICHEL HAUMONT
Resonance
jltguitare.com
facebook.com/Michel-Haumont-141671639234831
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
16 Tracks, 47:32


Hier gibt es mal wieder einen Akustikgitarristen zu entdecken, der hierzulande nahezu unbekannt sein dürfte. Der Mann aus Quebec hat sich mit einem der großen französischen Stahlsaitenvirtuosen, Michel Haumont, zusammengetan, um sich musikalisch in nahezu allen akustikgitarrenrelevanten Genres zu verlustieren. Ein Album mit großem Spaßfaktor.
rb
 THREEPWOOD N’ STRINGS: The Kingdom Is Yours
THREEPWOOD N’ STRINGS
The Kingdom Is Yours
threepwoodnstrings.com
(Penn Music)
12 Tracks, 40:00


Das 2012 in Marl im Ruhrgebiet gegründete Quartett nennt seine Musikrichtung „Indie Folk Rock“. Sie spielen auf Gitarren, Geige, Mandoline und Bass und singen auf Englisch Lieder mit ernsten Themen, deren geradezu düster-melancholische Texte man im Beiheft mitlesen kann.
mas

 THUNDERBOLT & LIGHTFOOT: Songs For Mixed Company
THUNDERBOLT & LIGHTFOOT
Songs For Mixed Company
thunderboltandlightfootband.com
(Vesper Music VM 101)
10 Tracks, 32:43


Das Singer/Songwriter-Duo Sarah Fuerst (Gesang, Bass, Marimba, Keyboard, Mellotron, Whistle) und Phil Barry (Gesang, Gitarre) aus Kalamazoo in Michigan überzeugt mit gänsehauttreibenden, kristallklaren Gesangsharmonien und ausgefeilten Songs, die, so das Skope Magazine, wie aus einer anderen Dekade klingen. Schade, dass das Album so kurz ist. Ansonsten: Thumbs up!
uj
 MATT TIGHE: Matt Tighe
MATT TIGHE
Matt Tighe
facebook.com/Matttighemusic
(Greentrax Recordings CDTRAX395)
10 Tracks, 50:47


Das ist ein Leckerbissen für Freunde der keltischen Fiddle. Ein junger Musiker aus London wird produziert von Brian McNeill, das muss schon Qualität haben. Die Melodien und die Spielweise haben eine klar irische Tendenz, County Clare. Die Begleitung auf diversen Saiten- und Tasteninstrumenten trägt zu einem ausgesprochen überzeugenden Debüt bei.
mk

 NICO WAYNE TOUSSAINT: Plays James Cotton
NICO WAYNE TOUSSAINT
Plays James Cotton
nicowaynetoussaint.com
(Dixie Frog DFGCD8799/H’Art)
13 Tracks, 46:53


Im März 2017 starb der Harpspieler James Cotton, ein Urgestein des Chicago Blues und langjähriges Mitglied in Muddy Waters Band. Nico Wayne Toussaint war ihm über viele Jahre hinweg freundschaftlich verbunden. Als wunderschöne Huldigung an den Freund und Mentor legt er hier ein vitales, energisches, lebendiges Album vor, welches rundum überzeugt.
ah
 TRALLSKOGEN: Trollskogen
TRALLSKOGEN
Trollskogen
trallskogen.com
(Nikasounds)
8 Tracks, 48:31 + Bonus 5:15


Trallar, deutsch „Trällern“, also Gesang ohne Worte, ist in einigen Musikrichtungen bekannt, so auch beim Jazz als Scat Vocal. Die Sängerin und Komponistin Annika Jonsson hat einige Folkelemente von früheren schwedischen Trallsängern in ihre sonst jazzige Musik übernommen, zum Teil auch mit Texten versehen. Sogar ein schwedischer Psalm klingt einmal an.
bk

 TRAM DES BALKANS: Kobiz Project
TRAM DES BALKANS
Kobiz Project
facebook.com/tramdesbalkans
(Les Entêtés Prod. NI 12SO3695/Broken Silence)
15 Tracks, 42:12


Seit fünfzehn Jahren spielen sie zusammen. Zeit genug für Tram, wie dieses Quintett aus Frankreich allgemein genannt wird, ein schwungvolles und abwechslungsreiches fünftes Album zu veröffentlichen. Originell werden dabei Jazzelemente mit Klezmer und osteuropäischen Weisen vermischt, wobei natürlich auch das Tanzbein nicht stehen bleiben kann.
mg
 TRIO LARSSON MAYR: Magnolia
TRIO LARSSON MAYR
Magnolia
triolarssonmayr.com
(Nordic Tradition)
15 Tracks 51:55


Anders Larsson ist einer der wenigen männlichen Solosänger der schwedischen Folkszene, Maria Larsson (Fiddle) unter anderem Mitglied bei Svanevit und Plommon. Johannes Mayr (Nyckelharpa) spielt unter anderem bei La Marmotte und Dán. Diese hochrangigen Musiker zeigen hier die Verbindung zwischen schwedischer und deutscher Musik aus dem 18./19. Jahrhundert. Auch einige Neukompositionen in diesem Stil sind dabei.
bk

 TRIO ROSENROT: Es fiel ein Reif
TRIO ROSENROT
Es fiel ein Reif
triorosenrot.de
(Ears love music elm 8022/Timezone)
14 Tracks, 57:03


Das zweite Album nach bewährtem Rezept präsentiert das Berliner Trio. Deutsche Volksweisen, bevorzugt die nachdenklichen, werden neu interpretiert. Die jazzige Spielweise der Gitarre erinnert ein wenig an die Ud, dazu passend die behutsam eingesetzte Trommel. Der helle Sopran der Sängerin bildet einen reizvollen Kontrast zur jazzorientierten Begleitung.
ce
 TSCHING: Taschenhymnen
TSCHING
Taschenhymnen
tsching.net
(GLM Music)
14 Tracks, 65:46


Jazz? Weltmusik? Neoklassik? Die Einordnung will das Münchener Trio seinem Publikum überlassen. Aus vielen Quellen schöpfen sie jedenfalls für ihre rein instrumentellen Kompositionen, wobei Klezmer, Tango, Balkan- und Gypsyswing nur die ohrenfälligsten sind. Eigenwillig, vielfältig und oft schräg tragen sie ihre Stücke auf reichhaltigem Instrumentarium vor.
mas

 DIE TÜDELBAND: Live op Amrum in de Blaue Maus
DIE TÜDELBAND
Live op Amrum in de Blaue Maus
dietuedelband.de
(Platt ’n’ Teller)
19 Tracks, 63:54


Plattdeutscher Folkpop auf akustischen und elektrischen Gitarren, Drums, Bass und Schifferklavier, mit Texten von Sängerin Mire Buthmann, die von der Band kompetent vertont wurden, von der Ballade bis zur Uptemponummer. Hörenswert.
uj
 TWIN BANDIT: Full Circle
TWIN BANDIT
Full Circle
twinbandit.com
(Nettwerk Music Group)
11 Tracks, 39:05, Promo-CD


Überaus lieblich setzen Hannah Walker und Jamie Elliott ihren musikalischen Weg fort, den sie mit ihrem Debüt For You begonnen haben. Tief im Folk verwurzelte Singer/Songschreibermusik, doch durchaus mit Schlagzeug und Akzenten auf der elektrischen Gitarre aktuell produziert. Sie machen damit einen kleinen Schritt in Richtung Pop und verlieren etwas von ihrer früheren Originalität.
mf

 LIV ULVIK: Inn Vade
LIV ULVIK
Inn Vade
livulvik.no
(Atterklang AKLANG318)
9 Tracks, 32:36


Ulvik ist ein Drittel von Eplemøya Songlag und spätestens seit Rudolstadt 2015 hierzulande keine Unbekannte. Solo ist sie weniger der norwegischen Tradition verpflichtet, aber nicht ohne Wurzeln. Ihre faszinierende Stimme in Kombination mit der treffenden Instrumentierung Posaune, Harfe, Cello und Percussion lässt ihre meist eigenen Songs funkeln.
mk
 VITAE: Spirit
VITAE
Spirit
vitae-paganfolk.de
(Equinoxe Records/Nova MD)
15 Tracks, 73:28


Ätherische Klänge nach Texten von Tolkien, Rumi und William Blake, untermalt mit Cello, Hackbrett, Cister, Flöten und Percussion, sind auf diesem Pagan-Folk-Album zu hören. Naturreligiöse Gebete, archaische Instrumente wie Monochord und Texte in unter anderem der Sprache der Elben sorgen für Aufmerksamkeit. Gäste sind Bianca Stücker (The Violet Tribe), Joran (Elane) und Georg Berger (The House Of Usher).
pp

 STEPHEN WADE: Across The Amerikee
STEPHEN WADE
Across The Amerikee
folkways.si.edu
(Smithsonian Folkways SFW CD 40223)
21 Tracks, 62:25


Stephen Wade ist sicher nicht der beeindruckendste Sänger, aber wie er die alten Lieder solo zu Banjo oder Gitarre vorträgt, besitzt Charme. Es sind die Stücke aus der Old-Time-Ära der Zwanziger- und Dreißigerjahre, die ihm am Herzen liegen und die er hier aufs Wesentliche reduziert interpretiert. Ein vierzigseitiges Booklet bietet detaillierte Informationen.
vd
 WELLKÜREN: Abendlandler
WELLKÜREN
Abendlandler
wellkueren.de
(Well Music 395158)
14 Tracks, 47:02


Mit gewohnter Verve vollständig live im Stubenstudio aufgenommen, wandeln die Well-Schwestern Burgi, Bärbi und Moni virtuos auf volksmusikalischen Kabarettpfaden, instrumentiert mit Hackbrett, Harfe, Gitarre, Tuba, Ukulele, Saxofon und Steirischer Harmonika sowie mit präzisem bayerischen Dreigesang zwischen Klassik und Landler. Witzig, bissig und spöttisch. Wie immer ein Hochgenuss.
uj

 THE WHISKEY FOUNDATION: Blues & Bliss
THE WHISKEY FOUNDATION
Blues & Bliss
thewhiskeyfoundation.com
(Sun King Music/Broken Silence)
8 Tracks, 43:51


Aus München stammt die fünfköpfige Band, die Blues, Psychedelic Rock und Jazz vereint. Vor allem das Zusammenspiel von Murat Kaydirmas Stimme und Julian Frohweins Piano erinnert an die Musik der Doors, und der Bluesrock der frühen Siebziger ist ja keineswegs eine schlechte Empfehlung. Dieses Album überzeugt durch Spielfreude und Virtuosität.
ah
 THE YOUNG ʼUNS: Strangers
THE YOUNG ʼUNS
Strangers
theyounguns.co.uk
(Hereteu Records YNGS17)
10 Tracks, 38:31


Diese drei Herren aus dem Norden sind in England momentan schwer angesagt. Überwiegend a cappella, selten Instrumente wie Akkordeon oder Gitarre, aber alle Lieder selbst geschrieben. Ein typisches Beispiel dafür, dass sozialkritische Inhalte ansprechend, eingängig und manchmal poetisch arrangiert immer Interessenten finden werden. Großartig!
mk

 DAN ZANES AND FRIENDS: Lead Belly, Baby!
DAN ZANES AND FRIENDS
Lead Belly, Baby!
danzanes.com
(Smithsonian Folkways Recordings SFW CD 45083)
15 Tracks, 45:57


Dan Zanes dürften in den USA vor allem die Kinder kennen, seine erklärte Zielgruppe. Diesmal bringt er ihnen bekannte Lieder des legendären Lead Belly nahe und bekommt dabei Unterstützung von so unterschiedlichen Künstlern wie Billy Bragg, Chuck D. und Aloe Blacc. Die Songs sprühen vor Witz und Spielfreude. Prädikat: Voll elterntauglich.
vd
 SEBASTIÁN CALDAS ZEBALLOS: Nowruz
SEBASTIÁN CALDAS ZEBALLOS
Nowruz
sebastiancaldas.com
(Daphne Records)
12 Tracks, 56:15


Gebürtig aus Uruguay, widmet sich der klassisch ausgebildete Gitarrist Zeballos, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Schweden lebt, auf diesem Album hauptsächlich der Musik von Piazzolla, Sinesi und anderen Komponisten des südamerikanischen Kontinents. Fast durchgehend ein reines Tangoalbum, das sich allerdings mit allen Tangofacetten, auch den moderneren beschäftigt.
rb

 : rezi-legende
Cathrin Alisch (ca), Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Mike Kamp (mk), Achim Hennes (ah), Rainer Katlewski (rk), Bernd Künzer (bk), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (chr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Christoph Schumacher (cs), Stefan Sell (sts), Imke Staats (is), Martin Steiner (mst), Annie Sziegoleit (asz), Katrin Wilke (kw)




Bücher
 CHRISTOPH WAGNER: Träume aus dem Untergrund : als Beatfans, Hippies und Folkfreaks Baden-Württemberg aufmischten. – 1. Aufl.
CHRISTOPH WAGNER
Träume aus dem Untergrund : als Beatfans, Hippies und Folkfreaks Baden-Württemberg aufmischten. – 1. Aufl.
silberburg.de
(Tübingen : Silberburg-Verl., 2017. – 178 S. : mit zahlr. Fotos)
ISBN 978-3-8425-2039-4 , 24,90 EUR


Nach seinem sorgfältig recherchierten, für den musikgeschichtlich interessierten Leser durchweg packend geschriebenen Werk Der Klang der Revolte – Die magischen Jahre des westdeutschen Musik-Underground (siehe Folker 6/2013) hat Folker-Mitarbeiter Christoph Wagner nun ein weiteres, ebenso aufschlussreiches Buch vorgelegt, das die alternative Musikszene der Sechziger- und Siebzigerjahre speziell in Baden-Württemberg mit dem liebevoll-kritischem Blick des direkt Beteiligten ausleuchtet. Anschaulich schildert Wagner die immensen Schwierigkeiten junger Menschen in der Provinz, an den Segnungen moderner Jugendkultur jener Zeit teilzunehmen. Ohne eine große Portion Fantasie, gepaart mit viel Durchsetzungskraft und der permanenten Bereitschaft, unentgeltlich tätig zu sein, wären die spannendsten Ereignisse und gesellschaftlichen Umwälzungen gerade dieser Jahre glatt am ländlichen Raum vorübergegangen. Viele Jugendliche im Südwesten wollten allerdings teilhaben. Sie gründeten in Eigenregie Jugendklubs, eröffneten Beatschuppen, bauten alte Gewölbe zu Jazzkellern aus und schafften sich auf diese Weise Freiräume. Wagner erzählt in den einzelnen, reich bebilderten Kapiteln an den Musikgenres entlang. Am Anfang gab es sehr viel Jazz, dann kam der Beat dazu, auch Soul war angesagt. Natürlich durfte auch der Blues nicht fehlen. Etwas später entwickelte sich die Folkszene, und dann entfaltete Woodstock seine Magie, es wurde laut und rockig im Ländle. Nahezu alle Stars der damaligen Rock- und Popszene begeisterten damals das Publikum in Baden-Württemberg. Doch es gab auch einheimische Künstler von Format: Wolfgang Dauner, Guru Guru, Kraan, Zupfgeigenhansel, Thomas Felder, Christof Stählin, Walter Moßmann … Dieses Buch erhellt stellvertretend viele wichtige Musikphänomene der damaligen Zeit. Kann man übrigens auch prima verschenken.
Kai Engelke
 WILL KAUFMAN: Woody Guthrie’s Modern World Blues.
WILL KAUFMAN
Woody Guthrie’s Modern World Blues.
oupress.com
(Norman : Univ. of Oklahoma Pr., 2017. – 328 S. : 14 s/w-Abb.)
ISBN 9780806157610 , 32,95 USD


Nach American Radical, seinem Buch, das Woody Guthries radikales politisches Denken dokumentiert, räumt Will Kaufman in seiner neuen Veröffentlichung einmal mehr mit dem immer noch bei vielen vorherrschenden eindimensionalen Bild vom US-Singer/Songwriter als simplem Dustbowl-Sänger auf. Für Kaufman ist Guthrie ein Vertreter des nordamerikanischen Modernismus. Zur Beweisführung untersucht der Autor unter anderem seine Zeichnungen und Sketche, die Bezüge zu zeitgenössischen Künstlern von Paul Klee und Wassily Kandinsky bis zu Architekten wie Walter Gropius und Le Corbusier erkennen lassen. In anderen Kapiteln zeichnet Kaufman anhand ausgesuchter Texte über Highways, Eisenbahnen, Flugzeuge und Schiffe nach, wie sehr Guthrie von technologischen Entwicklungen fasziniert war. Dazu gehörte auch sein Glaube an eine friedliche Nutzung der Atomenergie. Er unterstützte sogar den Abwurf der Atombombe, um den Krieg schneller zu beenden. Kaufman weist nach, dass hinter dem sich rustikal gebenden Sänger ein kluger Intellektueller steckte, der sich mit den Erscheinungen der modernen Welt auseinanderzusetzen wusste. Wobei er im Sozialismus das logische Ende einer gesellschaftlichen Evolution sah, für die Arbeiter, Wissenschaftler und Künstler gemeinsam den Weg ebnen müssten. Daran glaubte Guthrie bis zuletzt. Auch wenn er – so Kaufman – vielleicht tief in seinem Herzen sogar daran zweifelte, ob seine Kunst die Menschen wirklich davon überzeugen könnte, dass dies ihre Welt sei, habe er nach außen immer konsequent vertreten, dass er es glaubt.
Michael Kleff

 RONNIE LANE: Can You Show Me A Dream? : The Ronnie Lane Story as told by those that knew and loved him / an oral biography by John Hellier …
RONNIE LANE
Can You Show Me A Dream? : The Ronnie Lane Story as told by those that knew and loved him / an oral biography by John Hellier …
ronnielanestory.co.uk
bookdepository.com
(o. O. : Griffiths, 2017. – 332 S. : m. Fotos)
ISBN 978-0-9956533-9-9 , 20,00 GBP


In der britischen Folkszene hat er kaum Spuren hinterlassen, der schmächtige „magic midget“ aus dem Londoner East End. Der liebenswerte Bassist und Sänger, der ab 1965 mit der Beatband The Small Faces, ab 1969 mit der Bluesrockgruppe The Faces für Furore sorgte, hatte es auch nie darauf angelegt, in irgendeiner Genreschublade zu landen. Seine Songs wurden vielfach gecovert, auch von Interpreten, die dem Folk nahestehen (Billy Bragg, Iron & Wine, Rumer, Pogues). 1946 im Arbeiterviertel Plaistow geboren, war Ronald Lane erst einmal mit Music-Hall-Songs und Easy Listening „beschallt“ worden. Als Jugendlicher begeisterte er sich vor allem für Rhythm and Blues; englische Folkmusik blieb ihm fremd, das Revival mag ihm zu intellektuell, zu abgehoben gewesen sein. Der eingeschworene Mod verkörperte als Small Face eben den British Beat. Als Rockmusiker entdeckte Lane gleichwohl auch andere Musikstile, zum Beispiel Cajun, lernte amerikanische Singer/Songwriter kennen, unter anderem Derroll Adams und Don Williams. Bei den Faces war er mit seinen Balladen und folkorientierten Songs der Gegenpol zu den „Rockern“ Ronnie Wood und Rod Stewart. 1973 zog Lane dann den Stecker, tourte im Land Rover mit seiner Gitarre durch irische Pubs und gründete die Folkrockband Slim Chance, die es seit 2010 wieder gibt. Seit seinem Tod 1997, dem ein langwieriger Krankheitsprozess voranging (seit Ende der Siebzigerjahre litt er an multipler Sklerose), wurde eine würdige Biografie erwartet, und das dürfte noch dauern, denn dieser durchaus lesenswerte Reader ist eigentlich eher ein chronologisch geordnetes Puzzle aus unzähligen Interviews mit Lane himself, Freunden und Verwandten. Im Schlussteil würdigen unter anderem Fairport-Drummer Bruce Rowland († 2015) oder Henry McCullough († 2016) ihren Kollegen.
Roland Schmitt
 ISABELLE MARC, STUART GREEN (Hrsg.): The Singer-Songwriter in Europe : Paradigms, Politics And Place / Ed. by Isabelle Marc …
ISABELLE MARC, STUART GREEN (Hrsg.)
The Singer-Songwriter in Europe : Paradigms, Politics And Place / Ed. by Isabelle Marc …
routledge.com
(London [u. a.] : Routledge, 2016. – XVI, 237 S. – [Ashgate Popular and Folk Musi)
ISBN 978-1-4724-5210-8 , 110,00 GBP


Mit den hier versammelten dreizehn Aufsätzen einer Gruppe von Linguisten und Musikologen aus ganz Europa wollen die Herausgeber eine von ihnen beklagte Lücke schließen, wonach dem Genre Singer/Songwriter nicht die akademische Aufmerksamkeit zuteilwird, die sie verdient hätte. Mit einem polyzentrischen Ansatz betrachten die Autoren Liedermacher in Europa vor dem Hintergrund eines komplexen geografischen, historischen und kulturellen Konstrukts, das natürlich nicht losgelöst von anderen Ländern ist – vornehmlich den USA und Kanada, aber auch Lateinamerika. Zunächst beschäftigen sich die Herausgeber ausgiebig mit der Frage, was denn nun das Genre Singer/Songwriter eigentlich ausmacht. Wobei der Erkenntnisgewinn meiner Ansicht nach gering ist. Konkreter – wenn auch sprachlich in keiner Weise leichter verständlich – wird es, wenn sich die Autoren ihrem Thema unter drei grundsätzlichen Fragestellungen nähern. Unter der Überschrift „Paradigmen“ gehen sie unter anderem mit Blick auf die italienischen Cantautori der Frage nach, unter welchen Rahmenbedingungen sich das Genre entwickelt. Wobei Franco Fabbri die These in Frage stellt, dass die Singer/Songwriter sich aus einer anglofonen Tradition heraus entwickelt hätten. Im Kapitel „Politik“ geht es um die Rolle von Künstlern vor dem Hintergrund politischer Rahmenbedingungen. Der Aufsatz von Dieter Elflein widmet sich dabei dem deutschen Liedermacher. Er beklagt, dass in der wissenschaftlichen Beschäftigung der Fokus zu sehr auf (partei-)politisch engagierten Musikern liege und Liedermacherinnen vernachlässigt würden. Im dritten Teil „Ort“ schließlich geht es um die Rolle regionaler und grenzübergreifender Faktoren bei der Genrebildung. Ein interessantes, wenn auch nur schwer lesbares Buch.
Michael Kleff

 KATHARINA HOTTMANN: Auf! Stimmt ein freies Scherzlied an : weltl. Liedkultur im Hamburg der Aufklärung.
KATHARINA HOTTMANN
Auf! Stimmt ein freies Scherzlied an : weltl. Liedkultur im Hamburg der Aufklärung.
metzlerverlag.de
(Stuttgart : Metzler, 2017. – XVI, 944 S. : mit 51 Abb. u. 64 Notenbeisp.)
ISBN 978-3-476-04354-2 , 129,99 EUR


Das achtzehnte Jahrhundert gilt in der Forschung bisher als „liederlose Zeit“, als ob nach der Barockdichtung und vor Schubert der Gesang verstummt wäre. Mit dieser Vorstellung wird nun gründlich aufgeräumt. Klar haben die Leute damals gesungen! Davon erzählen sie selbst in Briefen, Tagebüchern und Zeitungsartikeln, wir kennen die Titel von Liederbüchern und wissen um den Druck von Liedblättern, nur sind die meisten davon nicht erhalten oder bisher nicht auffindbar. Ein neues Standardwerk untersucht das „weltliche“ Singen in Hamburg – wo die Situation insofern anders lag als in Leipzig oder Berlin, als dass in Hamburg selbst die reichen Kaufleute im Alltag Platt sprachen und an hochdeutschen Liedern aus den ostdeutschen Musikmetropolen eher weniger Interesse hatten. In Hamburg wirkten Dichter wie Lessing oder Hagedorn und Komponisten wie Telemann und Carl Philipp Emanuel Bach, dazu namenlose Dichter, die eben auf Platt oder Missingsch verfassten, dazu eine beeindruckende Anzahl von Dichterinnen und Komponistinnen, die für heutige Maßstäbe gewaltig an den Geschlechterrollen rüttelten. Die Musikwissenschaftlerin Katharina Hottmann untersucht in ihrem Buch, welches das Zeug zum Standardwerk hat, wer damals gesungen hat, was gesungen wurde, wo die Liederbücher und Liedblätter gedruckt und wie sie vertrieben wurden. Sie zeigt auf, wann und wo gesungen wurde und weist auf Unterschiede zu heute hin. Im achtzehnten Jahrhundert wurden Trinklieder gesungen, um die Leute vom Trinken abzuhalten – wer singt, kann schließlich nicht gleichzeitig trinken –, während heute der Trunk nötig zu sein scheint, um zum Singen zu bewegen. Nicht allen gefiel die Hamburger Singerei, ein Reisender beschwert sich über den ewigen Lärm „der Fuhrwerke, der Hummerverkäufer und der Straßensänger“.
Gabriele Haefs
 AERNSCHD BORN: Eifach e Lied : d. Worte meiner Songs aus fünf Jahrzehnten 1967-2017.
AERNSCHD BORN
Eifach e Lied : d. Worte meiner Songs aus fünf Jahrzehnten 1967-2017.
borninbasel.ch
(Basel : ambripress, 2017. – 504 S.)
ISBN 978-3-905367-12-6 , 28,00 CHF


Vor fünfzig Jahren begann der Basler, in Liedform Fragen über Gott und die Welt zu stellen und darauf Antworten zu suchen. Ein paar wenige Lieder wollte er schreiben, doch es wurden immer mehr. Denn die Fragen blieben, und Antworten fand er kaum. Seine Texte sind fast alle in Basler Mundart gehalten, 230 davon finden sich in dieser Anthologie. Born blieb sich über all die Jahre treu. Das Haar in der Suppe ist ihm nicht wichtig. Was für ihn zählt, ist die Qualität der Suppe. Er ist ein wortreicher Kämpfer für eine bessere, menschlichere Heimat, die er verstehen und hinter der er stehen kann. Manchmal bleiben ihm beim Schreiben nur Sarkasmus und Galgenhumor. Liest man sein vor 25 Jahren geschriebenes „Lied der Folterknechte“, verwundert das kaum. Darin prangert er den Zwang zur Anpassung und Normierung an, dem wir uns täglich unterwerfen. Die Folterinstrumente der Mächtigen hießen damals Beton, Büchsenfutter und Blechkarosse. Das Lied aus seinem Programm „Schweizerkurs“ ist aktueller denn je. Die Unterwerfungsmechanismen sind dieselben geblieben, aber sie kommen in einem verführerischeren Kleid daher. Alle Texte sind alphabetisch geordnet, alte und neue stehen Seite an Seite. Im Anhang hat der Autor viele der Basler Dialektwörter aufgelistet. Baseldeutsch gilt für Deutsch Sprechende als eine der am leichtesten zu verstehenden Schweizer Mundarten. Am Schluss erfahren wir mehr über die Stationen im Leben des Liedermachers – und dass hier einer singt, der seine Texte auch immer als Aufforderung an sich selbst verstanden hat. Das Vorwort des Buches schrieb Rapper Greis. Wenn dieser nach Inspiration sucht, nimmt er sich jeweils Aernschd Borns 1975 entstandenes Lied „Victor Jara“ vor. Da orientiert sich ein Berndeutsch singender Rapper am Jahrzehnte zuvor entstandenen Protestsong eines Baseldeutsch singenden Folkies. Gibt es ein schöneres Kompliment? Hier ist die Saat aufgegangen.
Martin Steiner

Besondere
CROSSWIND
Unwinding Road
crosswind-music.de
(Crosswind Music)
10 Tracks, 59:38 , mit Fotos, engl. Infos u. Texten


Nach seinem besonderen Debüt 2015 legt das rheinisch-westfälische Quartett, bestehend aus Stefan Decker (Gesang, Flute, Whistles, Fiddle, Gitarre), Sebastian Landwehr (Gesang, Gitarre, Konzertina, Whistles), Mario Kuzyna (Gesang, Gitarre, diatonisches Akkordeon) und Beatrice Wissing (Gesang, Fiddle) seine zweite, nicht weniger begeisternde Scheibe vor. Zusammen mit den Gästen Franziska Urton an der Fiddle, Markus Pede am Bodhrán, Simon Scherer am Banjo, Charlotte Jescke am Cello und Alexander Froitzheim an den Uilleann Pipes beweist Crosswind wieder eine ungeheure Filigranität und Versiertheit im Spiel ihrer Instrumente sowie in ihren Arrangements. Dieselben Instrumente klingen mal getragen-melodiös, mal  CROSSWIND: Unwinding Road stakkatohaft-rhythmisch und bieten zusammen mit den Gesangsstimmen einen starken Klangteppich. Zudem erzählen sie ergreifende Geschichten, denen man im inhaltsschweren Beiheft auch anhand der Texte folgen kann: über einen britischen Soldaten, der 1778 in einer Seeschlacht gegen ein Schiff der Yankees beide Beine verliert, über die Selbstfindung auf dunklen, gewundenen Straßen oder über einen Vater, der seine Tochter im Fluss ertrinken lässt, weil sich ein Arbeiter auf seiner Farm in sie verliebt hat. Das ist keine leichte Kost. Und wie das bei Musik dieser Qualität so ist, je genauer man hinhört, etwa mit Kopfhörer und geschlossenen Augen, desto schöner wird sie. Dann hört man die feinen Zwischenspiele, die kleinen Variationen von Strophe zu Strophe, die Übergänge zwischen den Tunes, die Mehrstimmigkeit. Stefan Decker tut sich zudem als Komponist der Instrumentals und Sebastian Landwehr als Autor des Eingangsliedes hervor, das im Gegensatz zu den anderen ernsten Texten von einem musikalischen Freitagabend handelt. Hier wird die irisch-schottische Musiktradition nicht nur gepflegt, sondern fortgeschrieben. Crosswind müssen sich nicht verstecken, weder hinter Cara, Iontach oder Whisht!, noch hinter Beoga, Solas oder Gráda. High end Celtic folk made in Northrhine-Westphalia!
Michael A. Schmiedel
YELLOW BIRD
Edda Lou
yellowbirdmusic.com
(Enja/Soulfood)
10 Tracks, 39:17 , mit engl. Texten


Der Eindruck, man hätte in dichten Appalachenwäldern eine Truhe mit Noten und Instrumenten aus der Zeit der Pioniere geöffnet, dazu zwei singende Wiedergängerinnen getroffen und alles zum Leben erweckt, ist im Grunde ganz richtig. Allerdings befindet sich die Truhe in der Jetztzeit, und der Inhalt agiert mit dem Heute. Schon spielt sich eine E-Gitarre gewollt disharmonisch zwischen den lieblichen Gesang des ersten Songs „Apple Tree“ und lässt ahnen, dass auf die anfänglich besungene Idylle Schatten fallen. In „In The Woods“ ist es von vornherein schattig. Hier irrt jemand nach Antworten suchend durch die Dunkelheit. Das klingt geisterhaft, trotz des standhaften Banjos. Ähnlich gespenstisch ist „Black Train“.  YELLOW BIRD: Edda Lou Und dann kommt Joni Mitchell als abgeklärtes melancholisches „Blue Cowgirl“. Das ist Kino für die Ohren. In scheinbaren Traditionals berichten die Sängerinnen vom Dasein und Vergehen, mit ausdrucksstarken Stimmen, die Gänsehaut erzeugen. Übergangslos oder zeitgleich klingen sie ganz modern. In Wahrheit nämlich ist es nix mit der Authentizität. Alles erfunden, nachempfunden, selbst komponiert, das aber höchst inspiriert, eine freikünstlerische Anmutung. Damit trifft sie den Nerv umso besser und überträgt sie adäquat ins Hier und Jetzt. Die Band Yellow Bird hat ihr Nest in Berlin, und ihr zweites „Ei“ heißt Edda Lou. Manon Kahle hat acht der zehn Songs auf dem Album verfasst. Ihre Kindheit in New England, im Nordosten der USA, war geprägt durch folkloristische Traditionen. Sie spielt Ukulele, Banjo und Fiddle. Sie ist mit den Originalsongs aufgewachsen und kennt sich bestens aus. Ihre Stimme ist hell und klar. Ihr düsterer Gegenpart, Lucia Cadotsch, stammt aus der Schweiz und hat sich bereits Lorbeeren im Jazz verdient. Sie ist der akademische Teil des Duos, spielt dazu Percussion und Melodica. Zu all dem schafft die Band mit Gitarre, Bassklarinette, Klavier, Banjo und Schlagzeug diese einzigartige Atmosphäre. Und wer pfeift so ausgelassen und bläst die Penny Whistle im Hidden Track?
Imke Staats

JÚLIO PEREIRA
Praça Do Comércio
juliopereira.pt
(Tradisom TRAD106)
11 Tracks, 35:36 , mit portug. u. engl. Texten


Das Cavaquinho wurde vor nicht allzu langer Zeit nur noch vereinzelt in ländlichen Gegenden gespielt. Die ersten dieser kleinen Viersaiter wurden im achtzehnten Jahrhundert in Nordportugal gebaut, von wo sie mit den Seefahrern die Reise in die Kapverden, nach Madeira und Brasilien antraten. Dort, in Übersee, blieb das der Ukulele ähnliche Instrument populär. Mit dem Folkrevival der Siebziger wurde das Cavaquinho in Portugal wachgeküsst. Ein Meilenstein war Júlio Pereiras 1981 entstandenes Album Cavaquinho mit traditionellen Stücken und einem wilden Ausflug in den Jazz. Ganz anders Praça Do Comércio, sein 22. Studioalbum. Für Improvisation bleibt darin kaum Platz. Jeder Ton ist  JÚLIO PEREIRA: Praça Do Comércio gesetzt. Auf dem Konzeptalbum, einer Suite mit einem Füllhorn von Ideen, verzichtet der Meister auf Wiederholungen. Höchstens am Ende eines Stückes setzt er eine Klammer. Geblieben ist Pereiras unverkennbares Rasgueado auf dem Instrument. Wie auf einem Marktplatz, einer praça do comércio, bedient er sich hier einem musikalischen Motiv aus Galicien, dort einem aus dem Alentejo, aus Andalusien, dem arabischen Raum, Afrika und Brasilien. Nie verweilt er lange bei einer Idee. Das erfordert genaues Hinhören, dafür wird man jedes Mal mit neuen Details belohnt. Alle Stücke, mit Ausnahme der Instrumentalversion von José Afonsos „Indios Da Meia-Praia“, sind Eigenkompositionen. Júlio Pereira spielt eine Vielzahl weiterer Saiteninstrumente, allen voran Braguinha, die Schwester des Cavaquinho aus Madeira, Viola Braguesa, aber auch Bouzouki. Eine Vielzahl von Gästen belebt den Marktplatz, doch Júlio Pereira würzt die Stücke immer mit musikdienlichen Zutaten. Herausragend ist auch das 111-seitige Booklet. Darin finden sich Grafiken zu allen Stücken, die Geschichte des Cavaquinho und der Braguinha sowie Partituren und Grifftabellen aller Titel und viele Instrumentenfotos. Übrigens: auch Kaiserin Sisi spielte schon auf der Braguinha, wie eines der Fotos zeigt.
Martin Steiner



Deutschland
 ACOUSTIC RAMBLERS: Männer, Möwen und Milieu
ACOUSTIC RAMBLERS
Männer, Möwen und Milieu
acousticramblers.de
(Eigenverlag)
9 Tracks, 34:11


Bei den ersten Tönen vermutet man noch ein typisches Selfmade-Album. Akustischer Folk aus Dortmund, engagierte eigene Texte, sympathisch, oft gehört, so der Trugschluss. Im Verlauf der CD aber ertappt man sich dabei, wie die distanzierte Sichtweise einer Verbrüderung mit den Musikern weicht und zuletzt in einer Liebeserklärung endet. Acoustic Ramblers sind so, wie Folk heute sein sollte: musikalisch ausgereifter akustischer Folk mit einem Hang zum Skiffle, eine raue Stimme, die Hannes Wader glücklich gemacht hätte, und zeitlose Songs in bester Liedermachertradition zum Zuhören und Mitsingen. Gut, mancher Reim rumpelt etwas, aber so sind sie nun mal im Ruhrgebiet. Stimmig thematisiert das Album die Sehnsucht nach dem Norden. An die See wollen schließlich meistens Menschen, die dort nicht wohnen. Und so treffen sich zwei Fernfahrer in der Lieblingsfrittenbude oder der Kneipe im Viertel, hören die Acoustic Ramblers und fragen sich: „Sollen wir nicht einfach losfahren, bis uns eine steife Brise umweht?“ Lieder für die Arbeiterklasse, ungeeignet für intellektuelle Wortklauber, aber eine Wohltat für Menschen mit offenem Herzen. Eben doch ein typisches Selfmade-Album – eins, das man hören sollte.
Chris Elstrodt
 STEVE BAKER: Perfect Getaway
STEVE BAKER
Perfect Getaway
stevebaker.de
(Timezone TZ1473)
14 Tracks, 60:08 , mit engl. Texten u. Infos


In erster Linie bekannt ist der Mundharmonikaspieler Steve Baker durch seine Zusammenarbeit mit Abi Wallenstein, dem „Urgestein“ der Hamburger Musikszene, und mit Martin Röttger, dritter im Bunde der Band Blues Culture. Aber auch als Fachbuchautor, Leiter diverser Harpworkshops und natürlich Sideman einer ganzen Reihe weiterer Musiker hat er sich im Laufe seiner musikalischen Karriere einen zu Recht hervorragenden Ruf erspielt. Stilistisch eher im Blues verortet, ist sein Harpspiel durch einen singenden, lyrischen Ausdruck geprägt. Diese schönen, melodischen Linien ziehen sich dann auch durch das ganze Album. Baker feiert hier ein wirklich grandioses Debüt als Komponist, Arrangeur und Sänger. Natürlich kann jemand mit seiner musikalischen Vita auf ebenso hochkarätige Unterstützung zählen, und so liefern hier der Gitarrist Kai Strauss, Christian Rannenberg am Klavier, Alex Lex am Schlagzeug und Thomas Brodbeck am Bass, ein immer wieder durch Backgroundgesang zusätzlich befeuertes Prachtexemplar an handwerklich exzellenter Musik nach dem anderen ab. Country, Blues, Rock ’n' Roll, Pop – alles perfekt arrangiert, mit viel Herzblut geschrieben und beseelt vorgetragen.
Achim Hennes

 HOT ’N’ NASTY : Dirt
HOT ’N’ NASTY
Dirt
hot-n-nasty.de
(Sonic Revolution/Soulfood BM17C2282)
15 Tracks, 58:47 , mit engl. Texten u. Infos


Sie wurden 2009 nicht nur als beste Rhythm-and-Blues-Band, sondern auch für das beste Rhythm-and-Blues-Album ausgezeichnet. Auf ihrer neuen, der dritten Scheibe präsentieren Hot 'n' Nasty wieder satten Bluesrock und Delta Blues. Der Dortmunder Frontmann Malte Triebsch brilliert mit verschiedenen akustischen und elektrischen Gitarren, auch seine Musikerkollegen Robert Collins am Gesang, Jacob Müller am Bass und Dominique Ehlert am Schlagzeug überzeugen. Mit viel Gefühl interpretieren sie die „schmutzigen“ Titel „Take A Ride“ und „Daylight“, die der Produktion den Titel Dirt geben, aber auch langsamere Stücke wie „It’s Only Money“ und „Almost Like You’re Here“. Der Gesamtsound ist wunderbar warm und trotzdem druckvoll. Hier wird mit Herzblut gespielt, und es passt einfach alles zusammen. Als Gastmusiker hat die Band den Keyboarder Sascha Stiehler dabei, der sich vorbildlich einfügt. Auch das Grafikdesign von Jean-Karim König überzeugt. Dieses Album ist ohne Einschränkung zu empfehlen.
Annie Sziegoleit
 ANNETT KUHR: Sommerlandtraum
ANNETT KUHR
Sommerlandtraum
annettkuhr.de
(Annett Kuhr, Stimme & Musik)
13 Tracks, 46:34


Auf ihrem aktuellen Album nimmt Annett Kuhr den Hörer mit auf eine poetisch-musikalische Reise. Die Künstlerin hat diese mit erfrischend wachen, offenen Sinnen konzipiert. Das Unterwegssein beginnt mit einem Traum von den einfachen Dingen. Ein sonniger Bach, eine kleine Holzhütte, ein Tisch, ein Stuhl, Stift und Papier, vielleicht ein paar Blumen. Dann erwacht sie richtig, die Sehnsucht, „fort mit der Zeit zu schreiten“. Amsterdam ist das nächste Ziel. Es regnet, es ist windig. Es wird zu viel geredet. Zwischendurch eingestreute Gedanken von Christof Stählin, dem verehrten Lehrmeister der Künstlerin. Ein weiterer Regenspaziergang. Dann Hiddensee im Spätsommer, abends am Strand. Erinnerungen an einen Kindheitssommer, als es noch Bienen und Glühwürmchen gab. Eine Wanderung durchs Moor über einen hölzernen Plankenweg, als Metapher eines vorbestimmten Lebensweges. Und immer wieder Träume, Schiffe, Boote, Schlauchboote in wogenden Wellen, im Sturm. Die Sehnsucht nach sicherer Nähe. Abschließend singt Annett Kuhr a cappella ein Schlaflied von Stählin. Ein letztes Bild: ein kleiner Zirkuswagen auf einer sonnigen Wiese unter einem Baum. Sie werden dringend benötigt, die positiven Träume.
Kai Engelke

 LAUBE: Sanfte Rebellen
LAUBE
Sanfte Rebellen
laube-musik.de
(BSC Music)
14 Tracks, 63:43 , mit Fotos, Infos, standarddt. u. bair. Texten


Kann man vierzig Jahre lang Musik machen und erst dann ein Album herausbringen? Wahrscheinlich liegt die Antwort im Refrain des dritten Liedes: „Mir ham wirklich alles, bloß mir ham koa Zeit.“ Nun wurde es aber höchste Zeit, denn die ist reif. In Hohenschäftlarn, zwischen München und Starnberger See, ist das Trio aus Andreas Becker (Gitarren, Gesang), Christine Mayer-Lauingen (Gitarren, Flöte, Gesang) und Dominic Mayer-Lauingen (Bass, Gesang) daheim, welches mit seinem Debüt ein Meisterwerk mit unaufdringlicher, aber eindringlicher, sehr melodischer und poetischer Musik schuf. Auf Standarddeutsch und Bairisch erzählen sie selbstgeschriebene, nachdenkliche, liebevolle Geschichten über das Leben in all seiner Unvollkommenheit. Im Titellied geht es zum Beispiel um einen Mann, der kein Führer, kein Kämpfer ist, sondern einfach sein Leben ruhig und in Frieden leben will, aber gerade dadurch zum Rebell in einer Zeit des Konkurrenzkampfes und Wettbewerbs wird. In einem anderen Lied schlägt der Sänger das Angebot einer Fee aus, seine Lebensuhr zurückzudrehen, sodass er noch mal von vorn anfangen könnte, aber nicht aus Lebensverdruss, sondern weil ihm das, was er durch die Jahrzehnte geworden ist, dann verloren ginge. Eine magisch-philosophische Scheibe.
Michael A. Schmiedel
 THOMAS LINDER : Mei beschtes Häs
THOMAS LINDER
Mei beschtes Häs
thomaslinder.eu
(Tonteam Record)
12 Tracks, 50:07 , mit Fotos, standarddt. Infos u. schwäb. Texten


Thomas Linder ist Schnapsbrenner, Zimmermann, Maurer, Bauer, Maler, Dichter, Musiker und bewohnt einen Bauernhof bei Amtzell, nördlich vom Bodensee im westlichen Allgäu. Er ist auch Frontmann der Band Brekkie’s Inn, deren neues Album im „Kurzschluss“ dieser Ausgabe rezensiert ist und deren Mitglieder Moin Bothe (Akkordeon), Andieh Merk (Schlagzeug, Percussion, Saxofon, Tin Whistle), Uwe Rodi (Keyboards), Micha Wagner (E-Gitarre), Petr Hemmer (Geige) und Claudia Bertele (Gesang) auch hier mit von der Partie sind. Linder singt die Lieder vor allem in westallgäuisch-schwäbischer Mundart, spielt aber auch Gitarren, Cister, Klavier, Harfe und Bass und hat nun mit diesem vier Alben unter seinem Namen, drei mit Brekkie’s Inn und eines mit der Band Safran veröffentlicht. Die Musik dieser CD klingt nach Zirkus-, Jahrmarkts- und Straßenmusik, zugleich traumhaft schwebend und bodenständig. Die Texte handeln von recht skurrilen Gestalten, von denen eine der Teufel zu sein scheint, andere Feen sind, dann aber auch Menschen, die sich allesamt durch eine gehörige Portion unkonventionellen Eigensinns auszeichnen, so wie Linder wohl auch selbst: „Lauf halt môl anders rum, sei nit so dumm.“
Michael A. Schmiedel

 MELANIE MAU & MARTIN SCHNELLA: The Oblivion Tales
MELANIE MAU & MARTIN SCHNELLA
The Oblivion Tales
melaniemaumartinschnella.bandcamp.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 67:24


Liebhaber des sinfonischen Folkrocks der Siebziger finden in The Oblivion Tales einen Geheimtipp. Das Duo Mau/Schnella ist in Folkkreisen noch unbekannt. Die Progressive-Rock-Szene kennt das Duo aus vielen Projekten, zum Beispiel von den Ausnahmemetallern A Flaming Row. Einen ersten Folkausflug unternahm das Duo mit dem Livealbum Gray Matters und dessen unfassbar schönen akustischen Versionen von Pop- und Rockklassikern. Nun veröffentlichen Sängerin Melanie Mau und Gitarrist Martin Schnella erstmals Eigenkompositionen und verzaubern erneut. Vom herrlich altmodischen Cover bis zu den liebevollen Kompositionen ist The Oblivion Tales eine Hommage an die große Zeit der Konzeptalben. Den Folkanteil unterstreicht Gastmusiker Jens Kommnick, der „norddeutsche Kelte“, an irischen Flöten und Dudelsack. Die irischen Elemente sorgen bei aller Reminiszenz an die großen Folkrockalben für etwas Eigenständiges und Ungehörtes. Ebenfalls zu Gast übrigens Musiker von Spock's Beard. Als Höhepunkt – und nicht ohne Risiko – integriert das Duo zwei deutschsprachige Titel in der Art vertonter Balladen in das Album. Der Klang des vollständig in Eigenregie produzierten Albums begeistert auch audiophile Hörer.
Chris Elstrodt
 REEL BACH CONSORT: Bach, give us a Tune!
REEL BACH CONSORT
Bach, give us a Tune!
reel-bach-consort.de
(Eigenverlag 2017)
12 Tracks, 58:39 , mit ausführl. augenzwinkernden Konzeptinfos


Folkurgestein Tom Kannmacher (Uilleann Pipes u. v. a. Instrumente) macht seit weit über vierzig Jahren die deutsche Folkszene unsicher und hat dabei immer wieder horizontüberschreitende, skurrile und ungewöhnliche Impulse beigesteuert. Jetzt also die Fusion von irischer Musik mit Johann Sebastian Bach. In unnachahmlicher Art erscheinen vertraute Barockmelodien durch Instrumentierung mit zwei Uilleann Pipes, Fiddle und Tin Whistles in völlig neuem Licht. Bachs kunstvoll verwobene Stimmführung transzendiert unerwartet, aber stimmig, in pulsierende irische Tunes und deckt überraschende melodische Verwandtschaften auf. Dazu liefern Cembalo, Kontrabass, Harfe und Bodhrán ein sattes Fundament sowie authentische Konzertsaalatmosphäre. Der Tupfen auf dem i sind einige eingestreute Vokalbeiträge, die gekonnt mit deutschen und irischen Text- und Melodieelementen jonglieren. Wohlgemerkt, hier spielt keine hochglanzpolierte Formation à la Lunasa, sondern die Bonner Irish-Folk-Szene inklusive ihrer musikalischen „Youngster“, die dank der musikpädagogischen Arbeit von Kannmacher und Fiddlerin Sabrina Palm zu diesem charmanten, hochspannenden Programm zusammengeführt wurden. Fazit: großartiges Album. Die Arie aus der Orchestersuite Nr. 3, präsentiert mit Pipes und Orgel, schafft einen erhabenen Abschluss.
Johannes Schiefner

 LENNART SCHILGEN: Engelszungenbrecher
LENNART SCHILGEN
Engelszungenbrecher
lennartschilgen.de
(Tongue Twist Records)
19 Tracks, 75:44 , mit Texten


Ein Debütalbum, das Freude bereitet, wird von einem jungen Berliner Texter, Musiker und Entertainer vorgestellt, der einen unwiderstehlichen, mit schrägen Einfällen und musikalischer Raffinesse gepaarten Lausbubencharme besitzt. Gitarre und Klavier, Kalauer und gnadenlose Reime, abwegige Ideen und überraschende Pointen, Sinniges und Unsinniges, da planscht einer genüsslich im Kakao, durch den er sein Publikum zieht. Überraschend auch die Vielzahl seiner Themen. Versagergeschichten und ein bisschen Revolutionsattitüde kommen zu Gehör, der Mops von Ernst Jandl wird veräppelt, ein Song zur nächsten Fußball-WM versucht, Mitmachlieder für das erlauchte Publikum werden probiert und die – vergeigte – Liebe darf natürlich auch nicht fehlen. Blues, Rock ’n' Roll und Heavy Metal kommen zu zweifelhaften Ehren, Gedichte werden präsentiert. Seine größte Leidenschaft jedoch scheint es zu sein, den Tag zu verschlafen. Diesem unschuldigen Zeitvertreib widmet er gleich zwei seiner Lieder. Zum Abschied stänkert der multitalentierte Witzbold noch über Rauchen beziehungsweise Pupsen. So kann man auch mit Loserthemen erfolgreich werden. Aus der Sago-Zelle entwachsen manchmal schon lustige Früchtchen.
Rainer Katlewski
 MARKUS SEGSCHNEIDER: Earth Tones
MARKUS SEGSCHNEIDER
Earth Tones
markus-segschneider.de
(Acoustic Music Records/Rough Trade)
14 Tracks, 47:07


Die häufig geäußerte Sorge, reine Instrumentalalben seien auf Dauer langweilig, ist zumindest im Falle des Kölner Steelstringgitarristen völlig unbegründet. Die Vielfalt der musikalischen Themen, die meisterliche Spieltechnik und die akustische Perfektion der Aufnahme lassen nicht einen einzigen Wunsch übrig. Wichtiger ist neben diesen äußeren Faktoren allerdings etwas, das sich zwar erfahren, aber kaum beschreiben lässt. In Ermangelung besserer Begriffe gelingt eine Annäherung vielleicht über das Wort „beseelt“. Ein Musiker in nächstem Kontakt mit sich und seinem Instrument. Schnell und schön spielen können viele, uns ins Innere der Musik blicken lassen nur wenige. Das ist völlig genreunabhängig. Markus Segschneider ist in erster Linie Interpret seiner eigenen Werke. Umso erstaunlicher, wenn plötzlich und unvermutet ein klassischer Popsong wie Gilbert O'Sullivans „Claire“ auftaucht und sich lässig in den Reigen zeitloser Werke einreiht. Das mittlerweile fünfte Soloalbum Segschneiders demonstriert anschaulich, wie faszinierend und scheinbar unerschöpflich der Klangkosmos der akustischen Gitarre ist.
Rolf Beydemüller

Europa
 KARI BREMNES: Det Vi Har
KARI BREMNES
Det Vi Har
karibremnes.no
(Indigo CD15132-2)
11 Tracks, 46:54 , mit norw. u. dt. Texten


Kari Bremnes nun wieder auf Norwegisch, überzeugender und offenbar überzeugter und sicherer als bei ihren Ausflügen ins Englische, das hören wir aus ihrer souveränen Stimmbeherrschung. Alle Lieder dieses Albums stammen von ihr (oder ihren musikalischen Familienmitgliedern). Der Tonfall ist zumeist getragen, ein bisschen melancholisch oft, auch bei spöttischen oder witzigen Texten, zum Beispiel über Nachbarn mit Blockwartambitionen, deren Lebensmotto „Ordnung muss sein“ lautet. Das rhythmische Trommeln von Børre Flyen im Hintergrund sorgt für eine Art hypnotischen Effekt. Das Album und die Melodien gehen noch tagelang nicht aus dem Kopf. Bremnes' Talente als Liederschreiberin zeigen sich besonders deutlich beim ersten, einem Gedicht der polnischen Literaturnobelpreisträgerin Wislawa Szymborska nachempfundenen Lied, „Det Kunne Skjedd“, über Dinge, die nicht haben sein sollen. Befremdlich allerdings die im Beiheft abgedruckten deutschen Übersetzungen, die so ganz ohne Sprachgefühl entstanden zu sein scheinen, anders als bei früheren Alben, wo die Übersetzungen sich so mit dem Originaltext messen konnten wie Bremnes' Version sich mit dem von Wislawa Szymborska.
Gabriele Haefs
 DAGADANA: Meridian 68
DAGADANA
Meridian 68
dagadana.pl
(Jaro, 4339-2)
11 Tracks, 52,35 , mit engl. Texten u. Infos


Sie gelten zu Recht als innovative, erfrischende Elemente in der Weltmusikszene. Mit ihrer Offenheit für Musikstile und Kulturen zeigen Dagadana seit 2008, dass traditionelle Folkmusik modern und zeitlos sein kann. Treibende Kraft der preisgekrönten vierköpfigen Formation sind Daga Gregorowicz aus Polen und Dana Vynnytska aus der Ukraine. Auch auf ihrem dritten Album verwandeln die beiden studierten Musikerinnen traditionelle polnische und ukrainische Folksongs über das Leben auf dem Land, die Armut, Liebe und das Sterben – wie die Hymne der Maidan-Demonstranten, „A Duckling Swims Along The Tysa“ – durch Elektronik, Jazzstrukturen und zeitgenössische Rhythmikarrangements in ganz neue Klangkunstwerke. Unterstützt werden sie dabei vom Violinisten und Bassisten Mikolaj Pospieszalski sowie dem Schlagzeuger Bartosz Mikolaj Nazaruk, beide ebenfalls aus Polen. Durch mehrere Reisen nach China sind die beiden Bandleaderinnen tief in die für sie unbekannte asiatische Musiktradition eingetaucht. Ihre Faszination für die chinesische Kultur prägt ihre Arrangements, ihren Gesang und die Instrumentation auf Meridian 68. So setzen der chinesische Cellist Aiys Songs sowie der Mongole Hassibagen mit seinem Kehlkopfgesang und seinem Spiel der Pferdekopfgeige bedeutende Akzente.
Erik Prochnow

 DARLING WEST: While I Was Asleep
DARLING WEST
While I Was Asleep
darlingwest.no
(Jansen Records Jansen097CD/Membran)
10 Tracks, 37:01 , mit engl. Texten


Sie haben in den USA Anerkennung gefunden, etwa als Support für Lucinda Williams. Musikalisch fühlen sich Mari Sandvær Kreken, Tor Egil Kreken und Kjetil Steensnæs offenbar zu Hause in poppigem Country, Folkrock und Old-Time. Ihre Heimat Norwegen spielt da musikalisch kaum eine Rolle – es sei denn, die in sphärischen Hall gehüllte Stimme von Mari ginge als Hommage an die norwegische Natur durch. Textlich zumindest bleibt Platz für eine Geschichte aus dem achtzehnten Jahrhundert über den Gesetzlosen Eivind Fredlaus. Ansonsten drehen sich die Songs weniger um Outlaws als vielmehr um die ewigen Themen Liebe, Verlassenwerden, Neuanfangen. Etwa in „Rolling On“, wo es darum geht weiterzumachen, trotz aller Tiefschläge, „I've got no one to love / But I've got friends to lose.“ Bitter klingt auch die Ballade „Always Around“ nach: Sie und er hören ein Liebeslied, aber er achtet nicht auf die Worte, nur auf die Band. Das Titelstück changiert zwischen psychedelischem Sechzigerjahre-Folk und einem lässigen Countrygroove. Banjo, Pedal Steel, Gitarren und Drums zeichnen die musikalische Landschaft, die zeitweise ein wenig zu malerisch, zu verträumt wirkt. Aber die schönen Melodien entschädigen für manches.
Volker Dick
 RICHARD GRAINGER: Hard Road To Prospect Hill
RICHARD GRAINGER
Hard Road To Prospect Hill
richard-grainger.com
(Klondike Records KCD010)
12 Tracks, 71:23 , mit engl. Texten


Grainger als Urgestein der nordenglischen Folkszene zu bezeichnen, ist mit Sicherheit nicht falsch. Seit etwa vierzig Jahren schreibt der Gitarrist und Sänger aus der Nordseeküstenstadt Whitby seine Songs, und es verwundert nicht, dass nautische Motive ziemlich häufig auftauchen. Ein Singer/Songwriter der alten englischen Folkschule, wo der Text und die zu erzählende Geschichte wichtiger sind als instrumentelle Purzelbäume und die Stimme geradezu zum Zuhören einlädt. Was nicht ausschließt, dass verlässliche Begleiter wie Chris „Parky“ Parkinson (Akkordeon, Melodeon, Mundharmonika, Keyboards) ihre willkommenen musikalischen Farbtupfer setzen. Inhaltliche Themen und die Musik sind oft lokal und bodenständig, und in diesem Zusammenhang arbeitet Grainger ebenfalls an weiteren diversen konzeptionellen Projekten, von denen auch dieses Album profitiert. Es geht neben der immer präsenten See um die Arbeit in den Minen, um die Eisenbahn aus dem Dampfzeitalter, um die Stahlarbeiter oder um das, was letztendlich aus alledem resultiert, den Klimawandel. Es geht mit anderen Worten zumeist einfach um sehr verlässliches Handwerk, und genau so klingt dieses Album. Da weiß man, was man hat.
Mike Kamp

 ANGE HARDY: Bring Back Home
ANGE HARDY
Bring Back Home
angehardy.com
(Story Records STREC1701)
14 Tracks, 51:49 , mit engl. Texten u. Infos


„Folkmusik ist wie Familie. Es geht darum, Musik und Tradition mit anderen zu teilen.“ Wahre Worte auf dem sechsten Studioalbum der Engländerin Hardy. Bei der Folkmusik geht es aber auch um Liebe und nicht zuletzt um die Liebe zu genau dieser Musik. Hardys Album voller eigener Lieder ist dafür ein Paradebeispiel. Alles ist hier mit Liebe gemacht, die Songs, die die Tradition atmen, die musikalische Präsentation, die optische Gestaltung der kompletten CD – nichts, aber auch gar nichts ist hier beliebig, alles ist in sich stimmig und rund. Hardy hat die Songs nicht nur geschrieben, von ihr stammen auch die Arrangements und die Produktion. Selbst ein erfahrener Künstler wie der ehemalige Steeleye-Span-Fiddler Peter Knight ordnet sich diesem kompetenten Regiment unter. Harfe, Gitarre und Whistle sind Hardys Instrumente, hinzu kommen Fiddle, Bass, Percussion, Akkordeon, Flöte und Cello. Sie, die einst in Irland obdachlos auf der Straße lebte, ist die perfekte Geschichtenerzählerin mit Liedern und Themen aus vergangenen Jahrhunderten bis in die Gegenwart, teils mit einfacher und gradliniger Philosophie und (auch politischer) Botschaft, eingebettet in einschmeichelnde, sehr englische Melodien. Keine spektakuläre Musik, aber ein in seiner wohltuenden Selbstverständlichkeit und hohen Qualität beeindruckendes Album – eigentlich eine „Besondere“!
Mike Kamp
 MATTHEWS SOUTHERN COMFORT: Like A Radio
MATTHEWS SOUTHERN COMFORT
Like A Radio
ianmatthews.nl
(MIG-Music)
Promo-CD, 15 Tracks, 69:46


Wie viel Sinn macht es nach fast fünfzig Jahren, eine Band wiederzubeleben? Nicht als Oldieband, um mit alten Hits noch mal ein wenig Geld zu machen, sondern als ernsthafte Gruppe mit neuen, relevanten Liedern? Bei Ian Matthews Southern Comfort hält sich der Revivalfaktor allerdings in Grenzen, denn einzig Überlebender ist Chef und Namensgeber Ian Matthews, und der hat in den letzten Jahrzehnten nicht geschlafen, wie seine umfangreiche Diskografie beweist. Er suchte sich drei Kollegen, die Gitarre, Piano, Bass und Drums kompetent bedienen können und mit denen er auch die Harmonien zwischen britischem Folkrock und Americana erzeugen kann, seinerzeit eine Art Markenzeichen von Matthews Southern Comfort. Höhepunkt war der Superhit, ihre Interpretation von Joni Mitchells „Woodstock“. Doch, das kann man sich gut anhören, die Lieder machen Sinn und klingen keinesfalls abgestanden. Offensichtlich ist es keine dumme Idee, mit frischen, aber erfahrenen Musikern neue Songs zu interpretieren und dafür auf einen eingeführten Namen zurückzugreifen. Matthews Southern Comfort präsentieren ein sauberes Debüt, und so seltsam das auch klingen mag, nach all den Jahren muss man das wohl ein Debüt nennen.
Mike Kamp

 SARAH McQUAID: If We Dig Any Deeper It Could Get Dangerous
SARAH McQUAID
If We Dig Any Deeper It Could Get Dangerous
sarahmcquaid.com
(Shovel and a Spade Records SAASCD001)
12 Tracks, 45:10 , mit engl. Texten u. Infos


Im Beiheft spricht Produzent Michael Chapman vom Zusammentreffen von Spielern und Perfektionisten oder Planenden und Risikoliebhabern, und es ist nicht schwer zu erraten, wer davon Sarah McQuaid ist. Die in Cornwall lebende Internationalistin (Spanien, Frankreich, USA und Irland sind in dem Mix) präsentiert auch auf ihrem fünften Album ausgesprochen wohldurchdachte Songs und Melodien. Das ist subtile, feinsinnige und ausgetüftelte Arbeit, die durch McQuaids Honigstimme gleichzeitig den Hauch von Unwirklichkeit erhält. Aber Vorsicht, diese strategisch denkende Frau weiß eben auch zu überraschen. So spielt sie auf dem Album erstmals Piano und besonders gerne E-Gitarre (und bekanntlich liegt ihr Gitarrenspiel weit über dem Singer/Songwriter-Durchschnitt). Der angenehme Klang der meisten Lieder verführt dazu, die manchmal schrullig-philosophischen, manchmal sozialkritischen Texte etwas zu überhören, aber dafür gibt es ja das Beiheft. Und sollte der Eindruck entstehen, hier handele es sich um ein Album mit hohem akustischem Wohlfühlfaktor – falsch! Die gängigen Harmonien sind McQuaids Sache nicht. Selbst ein gregorianischer Gesang klingt ein wenig gegen den Strich. Wenn die harte Livearbeiterin demnächst in Ihrer Nähe gastiert: hingehen! Sie kann all das und noch viel mehr auch live.
Mike Kamp
 QUADRIGA CONSORT: Ships Ahoy! – Songs Of Wind, Water & Tide
QUADRIGA CONSORT
Ships Ahoy! – Songs Of Wind, Water & Tide
quadriga-consort.at
(Alpha 529)
19 Tracks, 70:21 , mit franz. u. engl. Infos


Ein erklärtes Ensemble für Alte Musik verschreibt sich der Liebe zur See und spielt ein Album mit internationalen Seemannsliedern ein. Was ist das? Songs Of Wind, Water & Tide ist schlichtweg Folk vom Feinsten, lässt man alle Etiketten außer Acht. So sauber gespieltes Instrumentarium war lange nicht mehr zu hören – und wer sollte sich dabei an einer Viola da Gamba stören, an einem Vibrandoneon oder einem Harpsichord. Die Musiker segeln in ihrem virtuellen Boot zwischen den Hebriden, England und Schottland hin und her, umkreisen offenbar besonders gern und ausdauernd Irland und sammeln dabei an musikalischem Beutegut ein, was ihnen gefällt. So landen Reels, Jigs und Airs in den Netzen, aber auch Shantys, die mit ihren oft schönen alten Melodien noch einen besonderen Reiz dadurch erhalten, dass sie nicht aus rauen Kehlen kommen, sondern Nachtigallen gleich klar aus der von Elisabeth Kalplan. Was diese Produktion neben aller vokalen und instrumentalen Virtuosität und der ungewöhnlich abenteuerlichen Titelauswahl jedoch wirklich zu einer besonderen macht, sind die Feinnervigkeit, die Eleganz und die unerhörte Musikalität der Arrangements von Nikolaus Newerkla, der damit klarstellt, welch einen Beitrag die Alte Musik für den modernen Folk geliefert hat.
Cathrin Alisch

 REBECKA TÖRNQVIST with JOHAN LINDSTRÖM: Home Secretary
REBECKA TÖRNQVIST with JOHAN LINDSTRÖM
Home Secretary
rebeckatornqvist.se
(Moule Records, Moule004CD/Broken Silence)
11 Tracks, 34:06


Björk-Fans aufgepasst, die Konkurrenz aus Schweden veröffentlicht ihr neuestes Album. Die Rede ist von Rebecka Törnqvist, die immerhin seit 1993 respektable Scheiben veröffentlicht. Eher aus Hilflosigkeit wird die Künstlerin als „Jazz-Pop-Sängerin“ bezeichnet. Zugegeben ist der Vergleich mit Björk ähnlich willkürlich, man könnte ebenso Laurie Anderson oder Tori Amos heranziehen. Törnqvist ist schlichtweg eine dieser seltenen Künstlerinnen, die sich über Genregrenzen hinwegsetzen und einen völlig eigenen wie eigenwilligen Sound entwickeln. Das funktioniert auf Home Secretary so gut, dass sie guten Gewissens Stammhörern der verschiedensten Musikfarben empfohlen werden kann. Dem Folkmusiker werden die behutsamen akustischen Arrangements zwischen Harfe und Piano gefallen. Die Kompositionen lassen das Herz des Progressivrock-Hörers à la Peter Gabriel höherschlagen, die Samples passen perfekt auf ein experimentelles Elektronikfestival, zwischendurch ein wenig Pop zwischen Churches und Sally Oldfield und jederzeit Neugier auf den nächsten Track. Die Künstlerin verzichtet dabei gänzlich auf Dissonanzen und sorgt damit trotz aller Experimente für eine extrem gute Hörbarkeit.
Chris Elstrodt



Nordamerika
 ROBERT FINLEY: Goin’ Platinum!
ROBERT FINLEY
Goin’ Platinum!
robertfinleymusic.com
(Easy Eye Sound 7559-79343-6/Warner Music)
10 Tracks, 31:40


Was für ein Klischee: Im Hauptberuf Schreiner, war Robert Finley Zeit seines Lebens als semiprofessioneller Musiker in Louisiana vornehmlich am Wochenende aktiv. Nun ist er mit 68 Jahren fast erblindet, als auf einem seiner sonntäglichen Straßenkonzerte ein Besucher namens Dan Auerbach dem Publikum angehört. Der ist von Robert Finley absolut begeistert, und gut trifft es sich, dass Auerbach als Kopf der Black Keys gleichzeitig auch Musikproduzent ist. Der Weg ins Studio ist somit nicht weit, und auch, wenn diese Platte wohl kaum Platinstatus erreichen wird, handelt es sich doch um ein ganz außergewöhnliches Exemplar an „schwarzer Musik“. Der Sound wirkt wie aus der Zeit gefallen. Finley hat eine große, röhrende, vor Selbstbewusstsein strotzende Soulstimme, und Auerbach tat gut daran, die Produktion möglichst alt und somit authentisch klingen zu lassen. „Lo-Fi“ nennt sich das dann wohl. Und so gibt es hier Soul und Rhythm and Blues wie frisch aus den Sechzigern oder Siebzigern, mit manchmal schepperndem, übersteuertem Sound, doch stets grandios gesungen.
Achim Hennes
 DAVE GOODMAN : Cut To The Chase
DAVE GOODMAN
Cut To The Chase
dave-goodman.info
(Acoustic Music Records/Rough Trade 319.1577.2)
11 Tracks, 46:11 , mit engl. Texten u. Infos


Der kanadische Gitarrist, Komponist und Sänger Dave Goodman präsentiert auf höchstem Niveau zeitlosen Blues und Rockmusik. Von der akustischen bis zur elektrischen Gitarre zeigt er sein ganzes Können. Auch auf Lapsteel- und Resonatorgitarre fühlt sich Goodman zu Hause. Alle Stücke sind von ihm selbst komponiert und überzeugen ab der ersten Note. Seine Stimme ist wunderbar eindringlich. Als sparsamen und auch eleganten Gastmusiker lud er Chris Minh Doky am Kontrabass für zwei Titel ein; bei jeweils fünf Songs spielen Oliver Spanuth und Martin Röttger das Schlagzeug und erweitern die Songs mit dezenter Percussion. Den Rest spielt, singt und zaubert Goodman selbst im Hamburger Studio. Titel wie „You Must Be In Love“ und „Make My Day“ überzeugen durch viel Gefühl. Die intensive und ausgezeichnete Produktion, die im Dezember 2017 veröffentlicht wurde, ist für mich eine der besten Platten des vergangenen Jahres.
Annie Sziegoleit

 MÉLISSA LAVEAUX: Radyo Siwèl
MÉLISSA LAVEAUX
Radyo Siwèl
facebook.com/melissalaveauxoff
(No Format!/Indigo)
Promo-CD, 12 Tracks, 40:32


Erneut betört die aus Montreal stammende, in Ottawa aufgewachsene Singer/Songwriterin und Gitarristin mit ihrem sehr eigenen, rauchig-hohen Gesang und ebenso eigenwillig anmutenden, sich lässig zwischen Indierock und -pop sowie Folk ausstreckenden Songs. Das dritte Album versammelt nicht eigene, sondern mit viel Charisma zu eigen gemachte Lieder Haitis, des Heimatlandes ihrer Emigranteneltern. Das bereiste die 33-jährige Wahlpariserin 2016 nach über zwanzig Jahren erstmals. Doch statt wie geplant Songs ihres Idols, der international renommierten Schriftstellerin, Musikerin und Bürgerrechtlerin Martha Jean-Claude zu covern, verlegte sie sich auf Folksongs, teils uralte Traditionals, die thematisch weitestgehend vom Unabhängigkeitsstreben und Widerstandsgeist der Haitianer zusammengehalten werden. Dabei entstanden statt braver Adaptionen quasi neue, vom Esprit modernen Songwritings und von verschiedensten urbanen Einflüssen durchsetzte Songs, die Laveaux’ bunte Patchworksozialisation zwischen Neuer und Alter Welt spiegeln. Das gelungene Album ist nicht zuletzt ein Schmankerl für Gitarrenfans, tat sich doch die talentierte Gitarristin mit dem vielseitigen Saitenmagier und Kopf der Band Kobo Town, Drew Gonsalves aus Trinidad zusammen.
Katrin Wilke
 MAVIS STAPLES: If All I Was Was Black
MAVIS STAPLES
If All I Was Was Black
mavisstaples.com
(Anti- 7557-2/Indigo)
10 Tracks, 34:41


Ein Album der großen Soulsängerin, mit dem sie eine andere Seite der dann doch großartigen Idee „Amerika“ zeigt. Zeitlos schöne Musik, intelligente, hinterfragende Texte – ja, und auch Stil, Eleganz und sogar Selbstkritik. Bewusst setzt Mavis Staples damit ein musikalisches Gegengewicht zur derzeit herrschenden politischen Ausrichtung. Klar, jemand der bereits in den Sechziger- und Siebzigerjahren mit den Staple Singers den Soundtrack zur schwarzen Bürgerrechtsbewegung mitgeliefert hat, kann heute nicht lange still bleiben. Treibend und mit stoischem Beat klingt „No Time For Crying“ dann auch wie ein Stück aus ebendieser Zeit, die Stimme wie gewohnt warm, schmeichelnd und mit wunderbarer Tiefe, dabei in den Worten unmissverständlich und hart ins Gericht gehend. Jeff Tweedy, Sänger und Gitarrist der Band Wilco, hat das Album produziert, die meisten Texte geschrieben und spielt auch Gitarre. Ein fantastischer Gegensatz zur Stimme von Staples, der immer wieder Reibung erzeugt. „We Go High“, ein weiteres grandioses Stück, setzt die denkwürdige Rede Michelle Obamas und deren Worte „When they go low, we go high …“ als musikalisches Statement fort. Das andere Amerika eben.
Achim Hennes

Afrika
 TOTO BONA LOKUA: Bondeko
TOTO BONA LOKUA
Bondeko
facebook.com/toto.bona.lokua
(No Format! NF39/ Indigo)
11 Tracks, 41:04


Bondeko, „Freundschaft“ oder „Brüderlichkeit“ in Lingala, ist nach dem Debüt 2004 tatsächlich erst das zweite Album der drei Ausnahmemusiker. Und, um es vorwegzunehmen: Es verdient überschwängliches Lob, und es fällt schwer, sich nicht in Superlativen zu verlieren, auch wenn es ein Wermutstropfen bleibt, dass die CD nur 41 Minuten dauert. Alle Stücke klingen souverän und vollkommen natürlich, als hätten Gerald Toto, Richard Bona und Lokua Kanza die dreizehn Jahre seit Erscheinen des ersten Albums damit verbracht, gemeinsam zu musizieren. Damals schon schufen die drei Musiker, die sich in der afrikanischen Diaspora kennenlernten, einen neuen panafrikanischen, weltoffenen Sound. Toto mit karibisch-kreolischen Wurzeln, Kanza aus dem Kongo und Bona aus Kamerun schöpfen noch immer aus den Quellen ihrer Heimatländer, auch wenn der Klang des Werks an Alben von Bobby McFerrin erinnert. Jeder der drei Musiker bringt seine individuelle Farbe gleichberechtigt ein. Sehr schön ist dies in die Gestaltung des Covers mit klaren Farben eingeflossen. Zusammen klingt das kosmopolitische Trio wie füreinander geschaffen, vielfältig und doch mit einer Vision: Freundschaft, Brüderlichkeit, bondeko.
Christoph Schumacher



Australien/Ozeanien
 TIM HART: The Narrow Corner
TIM HART
The Narrow Corner
timhart.com.au
(Nettwerk/Warner ADA)
Promo CD, 13 Tracks, 49:14


Kaum zu glauben, dass man Tim Hart bislang hauptsächlich nur als Schlagzeuger kennt – auch wenn es für die preisgekrönte australische Folkrockband Boy & Bear ist. Was in dem Allroundmusiker alles steckt, ist nun auf seinem zweiten Solowerk zu hören. Die dreizehn Eigenkompositionen sind Songwriting und Storytelling auf höchstem Niveau. Mit seinem warmen Tenor singt Hart über Aufstieg, Fall, Verlust und Liebe in zwischenmenschlichen Beziehungen. In der Tradition von Simon & Garfunkel und Crowded House überzeugt er dabei nicht nur durch tiefgehende Texte, sondern auch hervorragende Arrangements, die durch ihre Einfachheit und Melodie- sowie Akkordführung bestechen. Häufig werden seine eingehenden Fingerpickings von Streichern, Klavier, Horn oder bei den schnelleren Stücken von groovigen Drumparts und Gitarrensounds unterstützt. Die meisten Instrumente spielt Hart selbst. Komponiert hat er seine Songs während der Tour mit Boy & Bear. Man kann dem Australier nur wünschen, noch lange unterwegs zu sein, denn dann werden wir wahrscheinlich noch mehr musikalische Perlen von ihm hören.
Erik Prochnow



International
 CONSTANTINOPLE & BELEM: Horizons Lointains
CONSTANTINOPLE & BELEM
Horizons Lointains
constantinople.ca
didierlaloy.be
(Constantinople CON1703/ Galileo MC)
7 Tracks, 44: 02 , mit frz. u. engl. Infos


Vor gut zwei Jahren treffen sich zwei Frauen und zwei Männer zu einem Konzert unter dem Dach der Chapelle des Jésuites à Québec und erspielen für sich und ihre Hörer einen Klangraum, der nicht nur die Grenze zwischen Orient und Okzident in Frage stellt, sondern darüber hinaus die Begrenzung des eigenen Horizonts und dazu einlädt, eben jenen zu erweitern. Selbst der Livemitschnitt ist noch atemberaubend schön, weil sich mit den zwei Duos vier exzellente Virtuosen begegnen, die über ihre Instrumente souverän in ihrer eigenen Klangtradition verwurzelt sind. Wie etwa Didem Basar am Kanun oder Kathy Adam am Cello, die von dieser Basis aus scheinbar mühelos tonale Brücken bauen und betreten können. Bereits mit dem ersten Titel wird die ganze Palette an hörbaren Aromen ausgebreitet, der Hörer über ein Zwiegespräch zwischen der Setar, der von Kiya Tabassian gespielten persischen Langhalslaute und dem Kanun virtuell auf einen orientalischen Markt geführt, bis der Atem von Didier Laloys Akkordeon Ruhe gebietet, die das wunderbar gespielte Cello in einer Tiefe übernimmt und nur noch von dem darauf folgenden Unisono aller vier Instrumente in ihrer Wirkung überboten wird. Was für ein Statement in unserer Zeit – vielleicht in dieser Intensität überhaupt nur möglich durch Musik.
Cathrin Alisch
 GABACHO MAROC: Tawassol
GABACHO MAROC
Tawassol
gabachomaroc.com
(10h10-Music, 10H-18/Sony Music)
10 Tracks, 40:20


Sie zelebrieren ein Fest der Musik. Nach ihrem hochgelobten Debütalbum und unzähligen gefeierten Liveauftritten weltweit präsentiert die achtköpfige Band jetzt den Nachfolger. Tawassol bedeutet auf Arabisch „Verbindung“. Genau das könnte das Leitthema der energetischen Musik von Gabacho Maroc sein. Die aus Marokko, Algerien und Frankreich stammenden Musiker haben einen Stil entwickelt, der die Musik Nordafrikas und der traditionellen Gnawakultur mit arabischen und westlichen Einflüssen, mit Jazz, Afro und Elektrobeats vereint. Ob in Französisch oder Arabisch bestechend gesungen, sprengen die zehn Eigenkompositionen und traditionellen Arrangements jede Grenze. Tin Whistle trifft auf feine Brassstrukturen, Saxofonimprovisationen harmonieren mit afrikanischen Rhythmen, und Synthesizer, Ud und Gembri stehen im kreativen Dialog mit E-Gitarren. Alle Stücke verbreiten eine wahre Freude an der Musik, voller spannender Ideen sowie Klangfarben, und der Körper steht niemals still. Kein Wunder, dass die Konzerte der studierten Musiker meist in einer ausgelassenen Party enden.
Erik Prochnow

WIEDERVERÖFFENTLICHT
 AKSAK MABOUL: Un Peu De L’Âme Des Bandits  AKSAK MABOUL: Before And After Bandits (Documents 1977-1980, 2015)
AKSAK MABOUL
Un Peu De L’Âme Des Bandits
aksakmaboul.bandcamp.com
(Crammed Discs cram002LP/Indigo)
Promo CD, 9 Tracks, 43:39 (auch als Vinyl)


AKSAK MABOUL
Before And After Bandits (Documents 1977-1980, 2015)
aksakmaboul.bandcamp.com
(Crammed Discs cram002.1/Indigo)
10 Tracks, 78:40 , Beiblatt mit Besetzungslisten


Was für ein Album! 1980 veröffentlicht und immer noch Avantgarde – oder zumindest Lichtjahre entfernt von jeglichem Mainstreamgedaddel. Die Band aus unserem Nachbarland Belgien bestand zu jener Zeit aus den Multiinstrumentalisten Marc Hollander, Frank Wuyts, Dennis van Hecke und Michel Berckmans sowie Gastsängerin Catherine Jauniaux. Als weitere Gäste hatten die Belgier zwei „Brüder im Geiste“ aus dem UK eingeladen, Fred Frith und Chris Cutler, die mit Henry Cow Anfang der Siebziger bereits ähnliche Musikwege beschritten hatten. Noch halb im Progrock jener Jahre zu Hause, begab sich das Ensemble auf teils komponierte, teils frei improvisierte Klangfelder, wobei sie von Punk, Klassik, Musique Concrète, Free Jazz bis hin zu den traditionellen Klängen der Kontinente alles miteinbrachten, was ihnen während des Spielens durch den Kopf ging. Auch 38 Jahre später hat diese Musik weder Staub noch Moos angesetzt, und so bildet diese Wiederveröffentlichung eine perfekte Gelegenheit, dieses legendäre Album wieder- oder neu zu hören, denn es gehört zu den großen Werken des Rock, damals wie heute. Und wer immer Bonustracks haben muss – die zweite CD ist randvoll mit unveröffentlichtem (Live-)Material.
Walter Bast
 FELA KUTI: Fela – Vinyl Box Set 4, Compiled By Erykah Badu
FELA KUTI
Fela – Vinyl Box Set 4, Compiled By Erykah Badu
fela.net
(Knitting Factory Records)
Promo-CD, 193:49, 14 Tracks


Nun also ein weiteres Boxset für „Die-hard“-Fans des „Black President“, natürlich auf Vinyl mit den Originalcovern der nigerianischen Pressungen: Yellow Fever (1976), No Agreement (1977), J. J. D. (Johnny Just Drop) (1977), V. I. P. (1979), Coffin For Head Of State (1980), Army Arrangement (1984) und Underground System (1992). Die Aufnahmen wurden remastert und zum Teil restauriert. Über die Lichtgestalt Fela als Mastermind des Afrobeat, als unangepasster und aufmüpfiger politischer Aktivist in seinem Heimatland wurde alles Wesentliche, auch im Folker, schon formuliert. Die Schattenseiten des gewiss genialen Musikers und Sängers wurden oft nur gestreift – angesichts der #MeToo-Debatte sollten sein ausgelebter Sexismus, seine Frauen- und auch Schwulenverachtung nicht bagatellisiert werden. Kuratiert wurde die Box von der US-Soul-Queen Erykah Badu, die in dem zwanzigseitigen Booklet (das dem Rezensenten nicht vorlag) offenkundig ihre Begeisterung für Kuti beschreibt und dem bekennenden Chauvinisten gegenüber eher milde gestimmt zu sein scheint. Kein Zweifel, eine gelungene LP-Auswahl mit dynamischem Afro-Jazzrock und den erwartbar aufrührerischen Texten. Ob die 3-CD-Promo auch regulär veröffentlicht wird, ist unklar.
Roland Schmitt

 PENGUIN CAFE ORCHESTRA: Union Cafe
PENGUIN CAFE ORCHESTRA
Union Cafe
penguincafe.com
(Erased Tapes)
Promo-CD, 16 Tracks, 74:10, auch als Vinyl


Exakt zwanzig Jahre nach dem Tod von PCO-Mastermind Simon Jeffes ist das letzte Album des Orchesters auf Initiative seines Sohns Arthur am 1.12.2017 wiederveröffentlicht worden. 1993 als CD und MC herausgekommen, gibt es dieses musikalische Kleinod nun erstmals auch auf Doppelvinyl. Das hätte wohl auch dem Klangästheten Jeffes gefallen.
Walter Bast



Onlinerezensionen
ALL THE LUCK IN THE WORLD
A Blind Arcade
facebook.com/alltheluckintheworld
(Rough Trade)
Promo-CD, 11 Tracks, 45:51


Die Songs von A Blind Arcade sind wirklich trendy, erreichen bei Youtube ausreichend Fans, und für einen Auftritt auf dem Haldern-Pop-Festival hat es für die drei Iren von All the Luck in the World ebenfalls gereicht. Die Popfolk-Kompositionen sind jedoch zu vergleichbar mit denen der unzählbaren anderen Alternative-Folk-Bands. Etwas mehr Wiedererkennungswert wäre schön.
ce
ASP
Zutiefst
aspswelten.de
(Trisol/Soulfood)
11 Tracks, 71:12, Bonus-Disc 14 Tracks, 76:23


ASP kehren nach den Konzeptalben Verfallen zum Erzählzyklus Fremder zurück, zu dem bisher die Alben Fremd und Masken-Haft gehören. Im dritten Teil geht es um die unergründlichen Tiefen der menschlichen Seele, die in zum Teil schauerlichen Geschichten, aber meist recht melodisch umgesetzt werden. Gothic Novels mit viel Kraft, aber auch Melancholie. Das Album gibt es in sieben Editionen auf CD und Vinyl.
pp

BERND BEGEMANN
Die Stadt und das Mädchen
bernd-begemann.de
(Popup-Records/Soulood)
12 Tracks, 32:33


Aus einem Liederfundus von dreißig Jahren schöpft der Altmeister der Hamburger Schule, arrangiert neu und trägt sie, nur zu Klavierbegleitung von Kai Dorenkamp, mit neuem, gekünsteltem Ton vor. Lieder junger Frauen aus der Stadt, mit Aufbrüchen, Hoffnungen, Träumen, Ängsten und Katastrophen.
rk
DAN BILLU
Speech Bubbles
danbillu.bandcamp.com
(IMU Records, DBSB002/H’art)
9 Tracks, 40:01


Der 34-jährige israelische Singer/Songwriter knüpft auf seinem zweiten Album an die gute Kritik für den Vorgänger New Haircut an. Der in Berlin lebende Multiinstrumentalist präsentiert neun ruhige Songs, die sich geprägt von elektronischen Sounds zwischen Folk, Psychedelic Pop und Alternativer Musik bewegen. Alles nett anzuhören, aber es fehlt irgendwie der Pep.
ep

MATTEA DIAMANTI
Rain & Shine
mattea-diamanti.de
(Eigenverlag)
Promo-CD, 9 Tracks, 40:21


In bester Tradition von Emmylou Harris oder Charlie Dore veröffentlicht Mattea Diamanti ein Americana-Juwel für die Freunde weiblicher Liedermacher. Die Künstlerin stammt allerdings nicht aus Nashville, sondern aus Deutschland. Mit Ausflügen in den Reggae oder in die Popmusik gestaltet die Sängerin ein abwechslungsreiches Album.
ce
GUITAR2VOICE
From The Well
guitar2voice.de
(Acoustic Music Records 3191576.2/Rough Trade)
12 Tracks, 50:38


Dem Duo gehören die Sängerin Melanie Bartsch und der virtuose Akustikgitarrist und Sänger Jens Filser aus Nordrhein-Westfalen an. Sie interpretieren sieben Klassiker und ergänzen diese mit fünf sensiblen Eigenkompositionen Filsers. Dabei bewegen sie sich zwischen Blues, Jazz und Pop. Als Gastmusiker bei einem Stück ist Ralf Grottian an der Mundharmonika dabei.
asz

BETH HART & JOE BONAMASSA
Black Coffee
hartandbonamassa.com
(Provogue/Rough Trade)
Promo-CD, 10 Tracks, 44:50


Auf dem vierten gemeinsamen Album haben sich die Bluesrocksängerin Hart und der Bluesrockgitarrist Bonamassa eine Auswahl von Soulklassikern vorgenommen und diese, der eigenen Stilistik gemäß, neu vertont. Und natürlich wird hier grandios gesungen, exzellent Gitarre gespielt und mit erlesenen Musikern begleitet – wenn man Bluesrock mag.
ah
DAS KUBINAT
Alles Oan
daskubinat.de
(Lass Los Productions)
12 Tracks, 45:40


„Dahoam in Minga“, zu Hause in München ist dieses Quartett, das sein bairisch-urbanes Heimatgefühl in moderne Rockmusik verpackt. Hinter dem deftig-rhythmischen Klangraum aus E-Gitarren, Chapman Stick und Schlagzeug transportieren mal leise, mal kräftig, mal mehrstimmig gesungene Mundarttexte kritische Perspektiven auf Leben, Beziehungen und Gesellschaft.
mas

MR. LIF & BRASS MENAŽERI
Resilient
therealmrlif.com
(Waxsimile Productions)
Promo-CD, 10 Tracks, 41:29, auch als Vinyl


Dass zeitgenössischer Hip-Hop – bei aller textlichen Relevanz – häufig an recht öder musikalischer Umsetzung leidet, ist kein Geheimnis. Also tat sich der Bostoner Rapper Mr. Lif mit einer Balkan Brass Band aus San Francisco zusammen, und plötzlich swingt das Ganze, dass einem die Ohren wegfliegen. Die Alternative zu Beatbox, Scratches & Samples.
wb
VAN MORRISON
Versatile
vanmorrison.com
(Caroline International LC03261)
Promo-CD, 16 Tracks, 68:28


Gerade noch hat Van Morrison ein fantastisches Bluesalbum veröffentlicht, schon legt er eines mit Jazzstandards nach. Und auch dieses gelingt ganz wunderbar. Elegant und geschmeidig, allerdings ohne Ecken und Kanten. Van Morrison kann in eigentlich jedem Genre auf die besten Musiker zugreifen, und das Ergebnis ist fehler- und makellos.
ah

ILYA PORTNOV
Strong Brew
ilyaharmonica.com
(CD Baby)
9 Tracks, 40:50


In einem Vorort Moskaus aufgewachsen, hat sich der 1989 geborene Mundharmonikavirtuose mittlerweile in Los Angeles angesiedelt. Auf seinem Debüt präsentiert er eine große Vielfalt instrumentaler Stücke, in erster Linie Eigenkompositionen. Die Bandbreite reicht von Surfrockartigem bis zu einem Reverend-Gary-Davis-Cover. Langweilig klingt anders.
vd
SONS OF SETTLERS
Daily Rituals
sonsofsettlers.com
(Eigenverlag)
6 Tracks, 31:00


Sechs Songs, darunter einen Longtrack mit Bonus und eine vierminütige Einleitung, veröffentlichen die Sons of Mumford, Verzeihung, die Sons of Settlers auf ihrer neuen EP. Von den berühmten britischen Kollegen kaum zu unterscheiden, spielen die Südafrikaner einen mainstreamtauglichen Folkrock. Wem die einen gefallen, dem gefallen auch die anderen.
ce

SYMPÉRA
After 20 Years Of Travelling
sympera.net
(Eigenverlag)
Promo-CD, 9 Tracks, 43:28


Der Gelsenkirchener Gitarrist, Multiinstrumentalist und Komponist Norbert Strauß und seine Ehefrau Uschi als Sängerin präsentieren ihr Debütalbum. Es ist ein Mix aus akustischer Rock- und Singer/Songwriter-Musik. Als Gastmusiker (Bass/Trompete) ist Ingmar Handreg zu hören. Eine hörenswerte Produktion, die optische Ausstattung lässt allerdings zu wünschen übrig.
asz
TORPUS & THE ART DIRECTORS
We Both Need To Accept That I Have Changed
torpus.de
(Grand Hotel van Cleef)
12 Tracks, 44:24


Die vier nordfriesischen Wahlhamburger wollen in einem (für so junge Männer) retrohaften Stil rocken und folken, wie es gefällt, dass also der Popsound der Sechziger durchschimmert, aber auch Ähnlichkeiten zur US-Folkrockband Wilco anklingen. Vielschichtiger Gesang und variantenreiche Gitarre gehen in meist fröhlichen, manchmal melancholischen Songs ab durch die Mitte.
is

Kurzrezensionen
 ALASH: Achai
ALASH
Achai
alashensemble.com
(Smithsonian Folkways SFW CD 40578/Galileo MC)
13 Tracks, 57:53


Einer, der den tuwinischen Kehlgesang Khöömii im Westen bekannt gemacht hat, war der 2013 verstorbene Kongar-ool Ondar. Das Trio Alash widmet diesem musikalischen „Vater“ (tuw. achai) sein aktuelles Album, das einen überaus gelungenen Bogen von den traditionellen zu den zeitgenössischen Spielarten (Yat-Kha u. a.) schlägt. Wie immer – Faszination pur.
wb
 KARIM BAGGILI: Apollo You Sixteen – Part 2
KARIM BAGGILI
Apollo You Sixteen – Part 2
karimbaggili.be
(Take The Bus)
10 Tracks, 45:55


Das Sequel des belgischen Flamencogitarristen und Udspielers mit jordanisch-jugoslawischen Wurzeln knüpft genau da an, wo Part I endete. Eine sehr persönliche Vision und Fusion verschiedenster musikalischer Stile, die von Klassik über Flamenco bis zum Rock reicht. Schillernd, voller überraschender Wendungen und auf hohem Energielevel.
rb

 BASTIAN BANDT: Alle Monde
BASTIAN BANDT
Alle Monde
bastian-bandt.de
(Raumer Records RR 20717)
14 Tracks, 56:10


Liedpoet aus dem Brandenburgischen mit – passend zum schlicht in Schwarz gehaltenen Cover – zumeist leisen, melancholischen Songs zur Gitarre oder mit einer kleinen Studioband. Lieder über Liebe, Wolken, Wiesen, Regenbogen, aber auch sinnbildhaft über die gesellschaftlichen Veränderungen in den ländlichen Regionen seiner märkischen Heimat.
rps
 ALEX BASS & THE SAME SONG BAND: Bassically
ALEX BASS & THE SAME SONG BAND
Bassically
alexbassmusic.com
(Kasbah Music KM00517/Galileo MC)
12 Tracks, 43:35


Der junge Reggaesänger aus Badalona, nahe Barcelona, hat sich in wenigen Jahren einen Namen in der Szene gemacht und nach einigen EPs nun zwischen Barcelona und Kingston einen Longplayer in Eigenregie produziert. Mit smart-hohem Gesang begibt er sich – durchweg auf Englisch – in Reggae- und Rocksteadygefilde. Solide, ohne dabei freilich das Rad neu zu erfinden.
kw

 KEVIN BREIT: Johnny Goldtooth & The Chevy Casanovas
KEVIN BREIT
Johnny Goldtooth & The Chevy Casanovas
kevinbreit.com
(Stony Plain Records SPCD 1397/H’art)
11 Tracks, 37:39


Ein schräges, abgedrehtes Album, auf dem der kanadische Gitarrist Kevin Breit die fiktive Figur des Johnny Goldtooth nach 41-jähriger, ungeklärter Abwesenheit von der Bühne wieder zum Leben erweckt. Dieser spielt dann mit seiner Band The Chevy Casanovas des Nachts im Keller von Kevin Breit elf twangige, blueslastige Songs ein – oder so ähnlich …
ah
 BREKKIE’S INN: Transit
BREKKIE’S INN
Transit
brekkies-inn.com
(Tonteam Record)
14 Tracks, 63:37


„Schwäbisch-alemannischer Zigeunerfolk und andere Weltmusik“ nennt das Quintett um Thomas Linder (siehe auch Rezension unter „Deutschland“) seine Musik. Tatsächlich ziehen sie quasi heimatlos, aber gut gelaunt vom Klezmer über walisische und galicische Musik bis zum Cajun und zu Stücken diverser Folkkomponisten wie Christoph Pelgen. Man möchte mitreisen mit ihrem feuerroten Spieltransit.
mas

 NICO BRINA: Boogieful
NICO BRINA
Boogieful
brina.ch
(Stormy Monday Records MO81456)
14 Tracks, 44:39


Auf seinem inzwischen dreizehnten Album präsentiert sich der Schweizer Nico Brina erstmals als Solist. Bei fünf Titeln singt er auch. Als Boogie-Woogie-Klavierspieler ist er seit dreißig Jahren unterwegs in Sachen Blues und überzeugt beim Tempo ebenso wie durch Feingefühl bei leisen Titeln.
asz
 Chico Buarque: Caravanas
Chico Buarque
Caravanas
chicobuarque.com.br
(Biscoito Fino DM5285-02/Galileo MC)
9 Tracks, 28:00


Schon länger klingt der brasilianische Sänger Chico Buarque im Vergleich zu seinen frühen Aufnahmen besinnlicher. Bei dem auch als Schriftsteller tätigen Musiker entsteht der Eindruck eines halb gesungenen Textvortrags mit dezenter musikalischer Untermalung. Weder rhythmisch noch melodisch bleibt da allerdings viel hängen.
hjl

 CADANSE: Zeitenwanderin
CADANSE
Zeitenwanderin
cadanse.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 53:00


Sie nennen es Poetic Folk und bezeichnen sich als die Barden von heute, nun ja. Die Arrangements der Balladen, Lieder der Romantik und irischen Songs sind akustisch und traditionell angelegt. Viele sind Eigenwerke von Friederike Weyrauch. Die klassische Art des Soprangesangs mit den leichten Koloraturen wird allerdings für den einen oder anderen Folkhörer gewöhnungsbedürftig sein.
pp
 DAISY CHAPMAN: Good Luck Songs
DAISY CHAPMAN
Good Luck Songs
daisychapman.com
(Songs & Whispers SW89/Broken Silence)
9 Tracks, 44:20


Was für eine Stimme! Die Engländerin, die mit den American Songbirds durch Deutschland tourte, ist das absolut komplette Singer/Songwriter-Paket – ausladende Melodien für Piano und Streicher, intelligente Texte und eben dieser Gesang, der von Schmeicheln bis Donnern alle Register spielend leicht ziehen kann. Beeindruckend.
mk

 ARTHUR CORMACK: Buanas
ARTHUR CORMACK
Buanas
gaelicmusic.com
(Macmeanmna SKYECD58)
13 Tracks, 51:17


Nach fast dreißig Jahren darf man mal wieder ein Soloalbum veröffentlichen, zumal Cormack eine der sympathischsten Stimmen der schottisch-gälischen Musikszene hat. Aufgenommen mit einer Reihe von Freunden, zum Teil von seiner Heimatinsel Skye, ist das Album eine wunderbare traditionelle und zeitgenössische Reise durch den meist melancholischen gälischen Liedkosmos.
mk
 THE DAD HORSE EXPERIENCE: I Am A Stranger Here Below
THE DAD HORSE EXPERIENCE
I Am A Stranger Here Below
dad-horse-experience.com
(Sacred Flu Production SFP-05)
10 Tracks, 31:02


Alles wie gehabt beim Bremer Kellergospelmusiker, Schrammelbanjo im Rumpelsound und schlechtes Englisch bleiben die Markenzeichen. Aber da! In „Ich steig in die Bahn“ singt er deutsch! Warum macht der Schrat das nicht dauernd? Die Freunde des Schrägen kämen auch so voll auf ihre Kosten. Die Zukunft von Dad Horse Ottn liegt in der Muttersprache.
vd

 DANCEPERADOS OF IRELAND: Whiskey You're The Devil!
DANCEPERADOS OF IRELAND
Whiskey You're The Devil!
danceperadosofireland.ie
(Magnetic Music Records MMR CD 004)
13 Tracks, 52:45


Wie der Name schon erahnen lässt, handelt es sich um eine der zahllosen Riverdance-Folgeshows aus Irland, diesmal ist Whiskey das Thema. Trotz durchaus hochwertiger instrumentaler Besetzung plus zwei Trad-Gesangsstimmen und auch einigen schönen unbekannteren Tunes und Songs kann das Ganze nicht richtig begeistern. Vielleicht besser als Liveact?
js
 DIKANDA: Devla Devla
DIKANDA
Devla Devla
dikanda.com
(Kaprol Music)
11 Tracks, 47:18


Zu ihrem zwanzigjährigen Jubiläum begab sich das preisgekrönte achtköpfige Ensemble aus Stettin auf eine musikalische Reise in die Sahara. Von dort brachte es ruhigere und mit afrikanischen Rhythmen durchzogene Songs mit. Zudem zeigen sie sich einmal mehr als Könner erstklassiger Weltmusik, die Balkanfolk sowie auch arabische und indische Klänge vereint.
ep

 AL DI MEOLA: Opus
AL DI MEOLA
Opus
aldimeola.com
(Ear Music/Edel)
11 Tracks, 58:50


Jazzrocklegende Di Meola hat sich seit Jahren als Kenner der lateinamerikanischen Musik etabliert und häufig die E-Gitarre gegen die akustische eingetauscht. Sein neuestes Werk ist äußerst vielgestaltig, gespickt mit aufregenden rhythmischen und harmonischen Wendungen und glücklicherweise nicht so lieblich wie mancher Vorgänger. Ein sehr ausgereiftes Opus.
rb
 ALICE DiMICELE: One With The Tide
ALICE DiMICELE
One With The Tide
alicedimicele.com
(Alice Otter Music AO 114)
9 Tracks, 34:41


DiMicele ist Umweltaktivistin und Musikerin. Ihre Songs handeln häufig von Umweltthemen, von der reinen Natur und von starken Frauen. Ihre Stimme hat viel Soul, die Band unterstützt sie mal aufdringlicher, mal zurückhaltend, sodass der Gesang immer im Mittelpunkt ihrer souligen Folksongs steht. Am Ende gibt es noch das hauchzarte akustische Cover des John-Lennon-Songs „Imagine“.
mf

 DIRTMUSIC: Bu Bir Ruya
DIRTMUSIC
Bu Bir Ruya
dirt-music.bandcamp.com
(Glitterbeat GBCD 055/Indigo)
Promo-CD, 7 Tracks, 42:15, auch als Vinyl


Chris Eckman und Hugo Race (Gitarren, Gesang) sowie als Gast Murat Ertel, Sänger und Sazspieler der türkischen Folk-Psychedelic-Band Baba Zula und fertig ist die Besetzung für Dirtmusics fünftes Album, das sich nach den Blues-, Country- und Afrikaausflügen von Eckman & Race diesmal, dank Herrn Ertel, dem gepflegt psychedelischen Krach widmet. Brillant!
wb
 DIVERSE: Classic Delta And Deep South Blues
DIVERSE
Classic Delta And Deep South Blues
folkways.si.edu
(Smithsonian Folkways SFW CD 40222/Galileo MC)
Promo-CD, 20 Tracks, 67:32


Ein Sampler, in dem steckt, was der Titel verrät: Songs von Big Bill Broonzy, Son House, Mississippi Fred McDowell und weiteren. Alle im Original, digital aufbereitet und somit auch nach heutigen Maßstäben von guter Tonqualität. Dies hier ist der Ursprung, und es tut immer wieder unbeschreiblich gut, diesen oftmals vergessenen Giganten zuzuhören.
ah

 DIVERSE: Fonó World Music Selection 2017
DIVERSE
Fonó World Music Selection 2017
fono.hu
(Fonó Music Hall/Fonó Music Hall)
CD 1: 9 Tracks, 50:28, CD 2: 10 Tracks, 53:16


Auch nach achtzehn Jahren ist die private ungarische Institution Fonó aktiver denn je. Bekannt durch viele Festivals und Konzerte, hat die Folkmusikinitiative unter ihrem Label bereits mehr als 250 Alben herausgebracht. Das vergangene Jahr war von so vielen Neuerscheinungen geprägt, dass Fonó gleich zwei Jahressampler veröffentlichte. Darauf findet sich erneut eine breite Mischung der auf dem Label vertretenen Genres Weltmusik, Folk, Jazz und Ethnojazz aus Zentraleuropa. Künstler wie Mihály Dresch, Félix Lajkó, Oláh Gipsy Beats oder Gyula Ács präsentieren ein großes Spektrum von traditionellen ungarischen Tänzen über Balladen, Folkrock, Modern Jazz bis hin zu Balkanpop.
ep
 DIVERSE: Levanta Poeira
DIVERSE
Levanta Poeira
jazzandmilk.com
(Jazz & Milk JMLP003/Kudos Records)
9 Tracks, 37:53


Vom brasilianischen Sammler und DJ Tahira erstellte Kompilation, auf der rhythmusbetonte Kleinode afrobrasilianischer Musik aus vierzig Jahren für den Dancefloor neu abgemischt wurden. Keine Beimischung von programmierten Beats, sondern eine dezente Bearbeitung der Originale von Gilberto Gil bis zu unbekannten Cocobands. Da kann man durchaus fündig werden.
hjl

 DIVERSE: Republicafrobeat Vol. 4 – Mujeres
DIVERSE
Republicafrobeat Vol. 4 – Mujeres
djfloro.net
(KasbaMusic KM00817)
12 Tracks, 54:26


Gleich zwölf sehr unterschiedliche Sängerinnen (u. a. Oumou Sangare), die sich vom Afrobeat eines Chauvis, wie Fela Kuti nun mal einer war, inspirieren ließen. Genau, Trennung von Leben und Werk! Ausgewählt hat die Stücke erneut der Spanier DJ Floro, allesamt extrem dancefloortauglich, mit Hip-Hop- und Technoanleihen, dabei sozialkritischen Texten.
rs
 DIVERSE: Stomo’s Artist Collection – Blues & Boogie Vol. 10
DIVERSE
Stomo’s Artist Collection – Blues & Boogie Vol. 10
(Stormy Monday Records MO81448)
19 Tracks, 73:58


Zum zehnjährigen Jubiläum erscheint der Sampler mit Blues- und Boogiemusik von internationalen Tasten- und Saitenkünstlern. Das Label veranstaltet einmal im Jahr in Ludwigsburg eine Bluesnacht. Mit dabei unter anderen Thomas Scheytt, Steve „Big Man“ Clayton, Gottfried Böttger & Henning Pertiet, Crazy Hambones, Nico Brina, Al Jones, Albert Koch und Little Willie Littlefield.
asz

 DRESCH VONÓS QUARTET: Forrásból
DRESCH VONÓS QUARTET
Forrásból
dreschquartet.hu
(Fonó Music Hall FR 400-2)
10 Tracks, 49:35


Ein Nebenprojekt des ungarischen Jazzsaxofonisten Mihály Dresch ist das Vonós Quartet, mit dem er Ausflüge in die osteuropäische Folklore unternimmt. Hierfür nutzt er gerne einen „fuhun“ genannten Nachbau einer transsylvanischen Hirtenflöte, deren Tonerzeugung allerdings ständiges Überblasen erfordert. Wen so was nicht stört, unbedingt anhören!
wb
 DUO DE SCHEPPER-SANCZUK: Perron 12
DUO DE SCHEPPER-SANCZUK
Perron 12
ddss.be
(Appel Rekords APR 1382)
12 Tracks, 52:48


Instrumentalmusik, komponiert von zwei studierten Klassik- und Jazzmusikern und auf Geige und Gitarre eingespielt. Im Spannungsfeld von französischer Musette, Irish Folk, brasilianischem Choro und Balkanmusik entfalten sich verträumt mäandernde, wunderschöne Melodien. Immer inspiriert, mit überraschenden Arrangementwendungen und keine Sekunde langweilig.
uj

 RONNIE EARL & THE BROADCASTERS: The Luckiest Man
RONNIE EARL & THE BROADCASTERS
The Luckiest Man
ronnieearl.com
(Stony Plain Records SPCD 1396/Continental/H’art)
12 Tracks, 70:25


Sein 25. Album hat der US-Bluesgitarrist und Produzent Ronnie Earl einem Freund, dem kürzlich verstorbenen Bassisten Jim Mouradian gewidmet. Die Band besteht aus Dave Limina (Piano), Diane Blue (Gesang), Forrest Padgett (Schlagzeug) und Paul Kochanski (Bass). Dazu kommen zwölf Gastmusiker.
asz
 EUROPA: Neue Leichtigkeit – Best of
EUROPA
Neue Leichtigkeit – Best of
neueleichtigkeit.eu
(Turbo Music/Timezone)
CD 1: 11Tracks, 43:03, CD 2: 13 Tracks, 58:07, CD 3: 99 Tracks, 74:02


Eine Schweizer Band, vier Mann, die irgend so etwas wie Schlagermusik machen, aber so ironisch gebrochen, mit spielerischer Freude an Kitsch, Parodie, Provokation, Chaos und Soundschnipseln, dass keine Schublade passt. Es ist also nicht so einfach zu verstehen, zumal für hochdeutsche Ohren – drei CDs, aufwändig gestaltet, man muss sich einfach drauf einlassen.
rk

 BRIAN FLANAGAN: Where Dreams Are Made
BRIAN FLANAGAN
Where Dreams Are Made
brianflanaganmusic.com
(Stockfisch)
11 Tracks, 41:57


Ein so schönes, in Text, Melodie und Arrangement ergreifendes Singer/Songwriter-Album ist dem Rezensenten selten untergekommen. Der Ire Brian Flanagan trägt seine Lieder mit einer recht hohen, weichen Stimme vor und lässt sich von Gastmusikern wie Jens Kommnick begleiten. Er singt über den Tod, eine Ballerina, die Fülle des Lebens und anderes. Texte im Booklet.
mas
 FRÄNDER: Fränder
FRÄNDER
Fränder
frander.se
(Mad King Production)
9 Tracks, 47:47


Drei schwedische Geschwister und eine Estin formierten sich 2015 zur Gruppe Fränder („Verwandte“). Auch die traditionellen Lieder auf diesem Debütalbum enthalten immer wieder Ausflüge in Weltmusikalisches. Bei den Instrumentalstücken „Isen Som Brast I Skratt“ und „Gnistan“ machen die Musiker einen großen, sehr gelungenen Schritt zur modernen Folkmusik.
bk

 BRITT PERNILLE FRØHOLM: Nordfjord
BRITT PERNILLE FRØHOLM
Nordfjord
froholm.com
(Mere Records)
15 Tracks, 42:42


Sie gilt als eine der Besten in Norwegen und erhielt 2014 den norwegischen Meistertitel für Sologeige und Hardingfele. Die traditionellen Melodien dieses Albums stammen aus alten Notensammlungen, speziell aus der Region um den Nordfjord. Etwas Besonderes sind die Stücke „Fjelljom“ mit viel Pizzicato und das sehr berührende „Farvel Til Nordfjord“.
bk
 THE FUGITIVES: The Promise Of Strangers
THE FUGITIVES
The Promise Of Strangers
fugitives.ca
(Westpark Music WP 87366/Indigo)
11 Tracks, 44:11


Brendan McLeod ist ein kanadischer Aktivist und Poet, der hinter den Fugitives steckt. Schreibt er hauptsächlich akustische Songs, bei denen das Schlagzeug nicht fehlen darf, ist The Promise Of Strangers auch ein künstlerisches Statement, auf dem er vielen Persönlichkeiten (wie Leonard Cohen, Sarah Mannig, aber auch „the victims and survivors“ oder „our moms“) die Ehre erweist.
mf

 GANKINO CIRCUS: Die Letzten ihrer Art
GANKINO CIRCUS
Die Letzten ihrer Art
gankinocircus.de
(Beste Unterhaltung)
14 Tracks, 42:49


Fränkische Volksmusik aus Dietenhofen, westlich von Nürnberg, aufgepeppt mit allerhand Ungeradem aus Bulgarien, pendelnd zwischen Osteuropa und Rock ’n’ Roll, und dann doch immer wieder fränkisch- oder bayerisch-gemütlich. Freche Texte – alle mitlesbar – transportieren jugendlichen Übermut und frohe Partylaune.
mas
 PETE GAVIN: Berlin Swamp Music
PETE GAVIN
Berlin Swamp Music
petegavin.de
(Redox Records 1103-17)
13 Tracks, 51:43


Bereits seit den Sechzigern ist Pete Gavin musikalisch aktiv, damals als zentrale Figur der Londoner Folk-Blues-Szene. Es folgten einige Jahre als Musiker on the road, und auch im nun eigentlich gesetzteren Alter klingt in seiner Musik immer noch die Authentizität und oft auch der „Schmutz der Straße“ durch. Musik mit Ecken und Kanten.
ah

 THE GREAT MALARKEY: Doghouse
THE GREAT MALARKEY
Doghouse
thegreatmalarkey.com
(Batov Records BTR022)
10 Tracks, 35:13


Das Oktett aus London wirft auf seinem Zweitling mutig Folk, Punk, Ska und Balkanklänge zusammen und sorgt durch die Bläsersektion für zusätzliche Funkelemente. Aus diesem sympathischen akustischen Chaos entsteht eine meist höchst tanzbare Melange. Still sitzen bleiben geht nicht!
mk
 MEGAN HENWOOD: River
MEGAN HENWOOD
River
meganhenwood.com
(Dharma Records DHARMACD30)
12 Tracks, 48:06


Wasser spielt eine große Rolle auf dem dritten Album der englischen Singer/Songwriterin. Weniger Folk, mehr Pop, aber nicht von der Sorte, wo man mitsummen kann. Dafür gibt es zu viele Widerhaken in den Songs, die mit fast geheimnisvoller Stimme interpretiert werden. Erwachsen und sehr persönlich.
mk

 PÄIVI HIRVONEN: Alku – The Beginning
PÄIVI HIRVONEN
Alku – The Beginning
(Nordic Notes NN102, paivihirvonen)
7 Tracks, 46:34


Hirvonen ist ein finnisches Multitalent, spielt Geige und Jouhikko, eine mit Bogen gestrichene Leier, und hat eine Vorliebe für lange Balladen. Sie hat fast alle Lieder des Albums selbst getextet und komponiert. Dabei variiert sie eine Menge Stile und Einflüsse: finnisch, Joik, Woody Guthrie. Sehr abwechslungsreiche und überraschend.
gh
 HOLLER MY DEAR: Steady As She Goes
HOLLER MY DEAR
Steady As She Goes
hollermydear.com
(Traumton Records)
16 Tracks, 62:44


Dominiert von der selbstbewussten, starken Stimme Laura Winklers, prescht diese internationale Band aus Berlin auf ihrem zweiten Album entschlossen und hymnenhaft nach vorn – und klingt ebenso nach großem Musiktheater wie nach den Bausteinen, wie zum Beispiel Balkanakkordeon, Jazztrompete und Discorhythmus. Das ergibt eine folkgründige Popmusik mit viel Glamour.
is

 JOSHUA HYSLOP: Echoes
JOSHUA HYSLOP
Echoes
joshuahyslop.com
(Nettwerk/ADA)
Promo-CD, 11 Tracks, 38:40


Der Indiefolk-Liedermacher aus dem kanadischen British Columbia legt sein drittes Album vor, mit elf vom Leben inspirierten Songs voller Empathie und positiver Ausstrahlung. Ansprechende Melodien in aufwendigem Americanasound und eine samtene, modulationsfähige Stimme, die unter die Haut kriecht.
uj
 CHRIS JAGGER: All The Best
CHRIS JAGGER
All The Best
chrisjaggeronline.com
(BMG 538264480)
CD: 16 Tracks, 59:03, DVD: 41:06


Eine Retrospektive: zwanzig Jahre Jaggers amerikanisierter, vorwärtstreibender und optimistischer Rootsrock, auch mal mit Fiddle oder Akkordeon, vor allem aus Cajun- und Bluesquellen persönlich von Jagger destilliert. Passend dazu eine DVD-Dokumentation, in der der berühmtere Bruder und seine Combo auch eine Rolle spielen – und zwar auf Augenhöhe.
mk

 MAIMU JÕGEDA: Pühendus
MAIMU JÕGEDA
Pühendus
facebook.com/maimumusic
(Eigenverlag)
11 Tracks, 33:39


Estnische Akkordeonspielerin mit reinem Instrumentalalbum, alle Stücke wurden von ihr selbst komponiert, sie mischt virtuos die Stile, klassisch, traditionell estnisch, mit Abstechern in die umliegenden Länder und einer Menge schwungvoller Walzer.
gh
 ERIN K: Little Torch
ERIN K
Little Torch
erinkmusic.com
(T3 Records T3 0032-2)
10 Tracks, 33:07


Als „quirky“ bezeichnen Engländer die Art, wie die eingemeindete Amerikanerin Erin K ihre Lieder schreibt, kleine, sonderbare Melodien, meist akustisch, auch mal poporientiert. Und dazu verschrobene Texte etwa in der ganz trockenen, aber realistischen Art wie „I Just Ate Shit“ oder den „Dum Dadum Song“, sozusagen ein Leben in unter drei Minuten.
mk

 MARTIN KÄLBERER: Baltasound
MARTIN KÄLBERER
Baltasound
martinkaelberer.com
(Jazzhaus Records/In-akustik)
10 Tracks, 47:57


Hebridenreisen haben den Chiemgauer Multiinstrumentalisten Martin Kälberer zu diesen durchweg sehr sanften und reich instrumentierten Klangbildern inspiriert. Ab und an klingt es ein wenig nach den wunderbaren ersten musikalischen Erkundungen eines Pat Metheny. Komplexität und Einfachheit halten Kälberer und Kollegen in einer zauberhaften Schwebe.
rb
 KALÁSZ BANDA: Dúzs 2017
KALÁSZ BANDA
Dúzs 2017
(Fonó Music Hall, FA 397-2/Fonó Music Hall)
8 Tracks, 67:58


Auf ihrer ersten Veröffentlichung präsentiert die Band um den Geiger Máté Kalász Neuinterpretationen traditioneller ungarischer Folkmusik aus den unterschiedlichsten Regionen wie Szatmár, Szék oder dem transsylvanischen Buza. Ob instrumental oder gesungen, Kalász führt die Kompositionen unter anderem des Geigers Micu, von Halmos Attila oder der Palatka Band mit eigenen Fantasien in die Gegenwart.
ep

 MARI KALKUN: Ilmamõtsan
MARI KALKUN
Ilmamõtsan
marikalkun.com
(Nordic Notes NN103/Broken Silence)
12 Tracks, 51:24


Die estnische Künstlerin veröffentlicht ihr neues Album nun ohne ihre finnischen Kollegen von Runorum. Das ermöglicht der Künstlerin, sich noch persönlicher in ihren Kompositionen auszudrücken. Für den Liebhaber nordischer Folklore ist dieses Album ein Pflichtkauf. Neue Hörer werden sich an der besonderen Intimität der Songs vielleicht stoßen.
ce
 PETER KARP: Blue Flame
PETER KARP
Blue Flame
peterkarp.com
(Rose Cottage Records)
13 Tracks, 52:53


Zwischen Blues und Americana bewegt sich Peter Karp. In diesem Genre ist Blue Flame ein herausragendes Beispiel für exzellentes Songwriting und Musikalität. Neben der prägnanten Stimme ist es vor allem die elektrisch verstärkte Resonatorgitarre, die, mit Slide gespielt, die Songs trägt. Gastmusiker wie Mick Taylor und Kim Wilson tun ein Übriges.
ah

 EDWIN KIMMLER: That Keeps Me Walking
EDWIN KIMMLER
That Keeps Me Walking
edwin-kimmler.de
(Eigenverlag)
15 Tracks, 46:14


Zum vierzigjährigen Bühnenjubiläum präsentiert der Landshuter Gitarrist, Sänger und Pianist fünf eigene Titel und Coverversionen sowie einige Instrumentalstücke aus der großen Folk- und Blueswelt. Auf den verschiedenen akustischen Gitarren und dem Boogie-Woogie-Klavier ist er ein Könner.
asz
 DOROTHÉE KREUSCH-JACOB: Sonne, Mond und Abendstern
DOROTHÉE KREUSCH-JACOB
Sonne, Mond und Abendstern
dorotheekreusch-jakob.com
quintbuchholz.de
(Argon-Verlag)
24 Tracks, 59:49


Mutter/Oma Kreusch-Jacob singt Lieder zum Einschlafen und „mit dabei ist auch die ganze Kreusch-Family“, also Carolina Camilla, Caira, Cornelius Claudio und Johannes Tonio Kreusch. Zu hören ist eine gereifte Frauenstimme in diversen vokalen und instrumentalen Begleitungen. Wirklich schön sind die Bilder von Quint Buchholz.
ca

 ANDY MAY TRIO: About Time
ANDY MAY TRIO
About Time
andymaytrio.com
(Ashwood Records ASH002)
11 Tracks, 41:41


Ein versiertes Instrumentaltrio aus dem englischen Nordosten: Sophy Ball (Fiddle), Ian Stephenson (Gitarre, Melodeon, Kontrabass) und natürlich Andy May (Northumbrian Small Pipes, Piano, Harmonium). Die Tunes kommen meist aus Northumberland, manches ist selbst komponiert, und eine Melodie stammt von der belgischen Gruppe Wör. Schwungvoll und stimmig.
mk
 KEVIN MEISEL: Bring It To Light
KEVIN MEISEL
Bring It To Light
kevinmeisel.com
(Brambus Records 201892-2)
17 Tracks, 72:39


Die bislang unveröffentlichten Demos und Songs des Singer/Songwriters aus Michigan, mit spärlicher akustischer Instrumentierung im Heimstudio eingespielt, klingen intim, direkt und gelegentlich etwas roh. Sie zeigen Meisels Qualitäten als poetischer Songwriter, dem kleine Gemmen mit Ohrwurmcharakter gelingen. Ein stilles Meisterwerk.
uj

 MR ŽARKO: Balkan Herbal Clinic
MR ŽARKO
Balkan Herbal Clinic
mrzarko.com
(Kick The Flame KTFO241CG/Broken Silence)
13 Tracks, 50:55


Balkanbrass mit Crossover zu Pop und Funk, gut gespielt, aber nicht neu. Neben diversen Herren aus diversen Herkunftsländern wie Bulgarien, Rumänien, Russland, Serbien und der Türkei, die sich als Blechbläser, am Megafon, Xylofon und Spielzeugpiano betätigen, erklingt eine erfrischend authentische weibliche Stimme.
ca
 MZE SHINA: Odoïa
MZE SHINA
Odoïa
mzeshina.fr
(Buda Musique 6706563/Universal)
24 Tracks, 72:47


So klingt Georgien. Sehr schöner polyfoner Gesang, adäquate Begleitung auf historischen Lauten (Tschonguri/Panduri), feines traditionelles Repertoire. Zwar stammen die vier Interpretinnen und Interpreten aus dem extremen Westen Georgiens, nämlich aus Frankreich, aber trotzdem gilt: Wer so tief in diese komplexe Musik eingetaucht ist, hat alles richtiggemacht.
wb

 NANA & ABÉE: Liquid Words
NANA & ABÉE
Liquid Words
liquid-words.de
(Highdive Records)
7 Tracks, 55:54


Die beiden Hannoveraner nennen sich selbst Welt-Literatur-Musiker. In ihren Kompositionen weben sie eigene Texte und Gedichte etwa von Goethe, Kierkegaard oder Neruda in vielschichtige Klangwelten. Lyrikliebhaber können hier die Kraft der Worte durchaus in einem neuen Gewand erleben, auch wenn einige Ideen des Duos angestrengt wirken.
ep
 NEPOMUK: Vote & Vomit
NEPOMUK
Vote & Vomit
npmk-music.de
(Eigenverlag)
10 Tracks, 40:36


Folkpunk bedeutet bei Nepomuk mehr Punk als Folk. Der Sänger singt mit angerauter oder klarer Stimme, wie Punks eben singen. Leider landet das filigrane Gitarrenspiel dadurch zu weit im Hintergrund. Von Pogues-Klonen unterscheiden sich Nepomuk deutlich durch ihren leichten Countrytouch. Die gelungenen Kompositionen können es auch mit Songs der Levellers aufnehmen.
ce

 OMID: Finally At Home
OMID
Finally At Home
omidbahadori.com
(DMG Records/Broken Silence)
22 Tracks, 78:01


Der in Deutschland lebende persische Gitarrist Omid Bahadori, der auch mit seiner Band Seeda, die mongolische und orientalische Musiktradition verbindet, erfolgreich tourt, legt mit seinem dritten Album ein Werk vor, das scheinbar kaum eine weltmusikalische Disziplin auslässt. Bei dieser ambitionierten Reise unterstützt ihn eine große Zahl an illustren Gästen.
rb
 OTROS AIRES: Presents: Balkan Airs
OTROS AIRES
Presents: Balkan Airs
otrosaires.com
(Galileo MC GMC078/Galileo MC)
13 Tracks, 48:39


Die Erfolgsgeschichte von Elektrotango und Balkanhype scheint zumindest hierzulande etwas auserzählt. Da will es der Argentinier Miguel Di Genova mit seinen alten Tracks und exzellenten Musikern Bulgariens noch mal wissen. Wer diese zwei Musikwelten mag, die sich hier mehr oder weniger viel zu sagen haben, kann zu einer eleganten Gypsy-Milonga schwofen.
kw

 NAI PALM: Needle Paw
NAI PALM
Needle Paw
naipalm.com
(Masterworks 88985422662/Sony Music)
13 Tracks, 57:24


Die Sängerin, Gitarristin und Produzentin der Gruppe Hiatus Kaiyote aus Australien ist eine Future-Folk-Singer/Songwriterin. Auf ihrem ersten Soloalbum sind als Gastmusiker unter anderem Jason Guwanbal Gurruwiwi (Gesang, Percussion) sowie Laura Christoforidis, Alejandro Abapo, Jace Excell und Raneen Younane als Hintergrundsänger dabei.
asz
 ROD PICOTT: Out Past The Wires
ROD PICOTT
Out Past The Wires
rodpicott.com
(Welding Records)
Do-CD, CD 1: 11 Tracks, 39:20, CD 2: 11Tracks, 39:57


Lieder von der arbeitenden Bevölkerung, über Verlust und kleine Siege. Das neunte Album des Singer/Songwriters mit der rauen Stimme ist ein reinrassiges, erstklassig produziertes Americana-Album, mal zart-verhalten, mal rockig zupackend, mal laid back im Countrystil, eingespielt mit einer Riege einschlägig vorbelasteter Gastmusiker.
uj

 QUIET LANE: When Dust Dances On A Quiet Lane
QUIET LANE
When Dust Dances On A Quiet Lane
quietlane.com
(Eigenverlag)
14 Tracks, 51:32


Hannes Liewald und Simon Bartfelder sind zwei ausgezeichnete Singer/Songwriter und Gitarristen, deren Vokalharmonien gelegentlich an die Milk Carton Kids erinnern. Eine Riege Gastmusiker haben ihre folkigen Lieder mit Bass, Schlagzeug, Mandoline, Pedal Steel, Piano, Violine und Cello veredelt. Tolle, abwechslungsreiche Arrangements. Chapeau.
uj
 DIE RABENBRÜDER: Das Beste aus dem Neste
DIE RABENBRÜDER
Das Beste aus dem Neste
die-rabenbrueder.de
(Eigenverlag)
16 Tracks, 76:22


Nach zehn Jahren Bandbestehen und vier Alben nun ein Best-of als Reminiszenz. Die Rabenbrüder aus Rabenstein im Fläming haben sich einen Namen mit frechen Gesängen, Trinkliedern, Minnestücken und brachialem Dudelsacksound gemacht. Weitgehend selbst geschrieben, sind die Songs geprägt durch Humor, Mitsingrefrains und historische Instrumente.
pp

 INDRA RIOS-MOORE: Carry My Heart
INDRA RIOS-MOORE
Carry My Heart
indrariosmoore.com
(Impulse Records/Universal)
Promo-CD, 11 Tracks, 42:44


Ein ruhiges, fast schon meditatives Album ist der Jazzsängerin Indra Rios-Moore hier gelungen, sehr sparsam und geschmackvoll instrumentiert und meist auf akustischen Instrumenten begleitet. Ihre sanfte Stimme erinnert an Lizz Wright, und alleine schon die Interpretation des Stücks „I Can See Clearly Now“ ist aller Ehren wert. Unbedingt zuhören.
ah
 ROSEMARY & GARLIC: Rosemary & Garlic
ROSEMARY & GARLIC
Rosemary & Garlic
rosemaryandgarlic.com
(Nettwerk/Warner ADA)
Promo CD, 10 Tracks, 39:34


Auch wenn sie Nick Drake, Patrick Watson oder Sufjan Stevens als musikalische Vorbilder angeben, erinnern Gesang und Arrangements eher an Enya. Mit seinen ruhigen, melancholischen Liedern scheint das niederländische Duo jedenfalls den Nerv der Folkgemeinde im Internet zu treffen. Aufgrund der hohen Streamzahlen gelten sie als populärste heimische Band im Nachbarland.
ep

 HOLGER SAARMANN: Gestern ist auch noch ein Tag
HOLGER SAARMANN
Gestern ist auch noch ein Tag
holger-saarmann.de
(Silberblick Musik)
12 Tracks, 59:05


Der Liedermacher und Gitarrenlehrer vom Prenzlauer Berg in Berlin träumt sich ein wenig weg von der Hektik und dem Trubel, hin zu beschaulicheren, besinnlicheren Orten und Verhältnissen. Dementsprechend sind es ruhige, nachdenkliche Lieder geworden, die er mit seinen Gastmusikern eingespielt hat, wenngleich auch manche Symbolik ein wenig zu schlicht geraten ist.
rk
 BAO SISSOKO, MOLA SYLLA, WOUTER VANDENABEELE: Tamala
BAO SISSOKO, MOLA SYLLA, WOUTER VANDENABEELE
Tamala
tamalatrio.bandcamp.com
(Muziekpublique 09/Galileo MC)
12 Tracks, 65:20


Die drei Musiker aus Senegal und Belgien nehmen uns als Reisende (tamala) in eine Klangwelt mit, die zuweilen von kontemplativer Ruhe gekennzeichnet ist. Den Weg zwischen Realität und Traumwelt begleiten Gesang, Zupfinstrumente und Percussion. Im Booklet finden sich Informationen in Französisch, Englisch und Niederländisch. Weltmusik mit Seele.
cs

 SKALD: Jaanipäev
SKALD
Jaanipäev
skald-music.de
(Bluebird Café Berlin Records)
12 Tracks, 74:34


Ihr geografisches Zuhause ist irgendwo in Deutschland, ihr musikalisches in Irland, Skandinavien, der Bretagne, Galicien, der Türkei und, und, und. Euro-Bordunmusik mit zentral eingesetzten Uilleann Pipes, urigen, vertrackten Rhythmen und Verschmelzungen verschiedener Provenienzen in einem Stück als Markenzeichen. Mitreißend.
mas
 THE STONED CHERRIES: Baked In A Pie
THE STONED CHERRIES
Baked In A Pie
dgand2.wixsite.com/thestonedcherries
(Eigenverlag)
14 Tracks, 58:27


Eine Dame und drei Herren gesetzteren Alters fast aus der Mitte Englands singen alle und spielen Gitarre, Mandoline, Mandola, Bass und Whistle. Die Songs sind größtenteils Eigenkompositionen. Gut vorstellbar, dass diese Musik in der entspannten Atmosphäre eines Folkclubs stimmig rüberkommt, auf Tonträger hätte den Stücken ein fähiger Produzent geholfen.
mk

 GAVIN SUTHERLAND: Wireless Connection
GAVIN SUTHERLAND
Wireless Connection
gavinsutherland.net
(MIG-Music MIG 01962 CD)
12 Tracks, 41:49


Sutherland (genau, der von den Brothers and Quiver) ist Schotte, u. a. verantwortlich für Megahits wie „Sailing“, und klingt trotz Herkunft ziemlich amerikanisch. Hier entschleunigt er und geht zurück zu den Zeiten, wo das Radio im Zentrum eines jeden Haushalts stand. Ja, das gab es tatsächlich mal. Einfühlsam und unaufdringlich.
mk
 TALCO: And The Winner Isn't
TALCO
And The Winner Isn't
talco-punkchanka.com
(Long Beach Records/Brokensilence)
Promo-CD, 17 Tracks, 43:17


Talco ist eine der populärsten Punkrockbands Italiens. Wer ihre Lieder hört, merkt, dass sie den Folkpunk aus dem keltischen Raum kennen. Die sechs Männer spielen, was das Zeug hergibt, immer geradeaus, volle Pulle. Balladen und ruhigere Passagen – Fehlanzeige. Live kann man zu diesem Rock von links einen Abend lang toll abtanzen.
mst

 TALES OF NEBELHEYM: Chapter 2 – The Way Ahead
TALES OF NEBELHEYM
Chapter 2 – The Way Ahead
nebelheym.com
(Pangalactic Records)
13 Tracks, 53:58


Die sieben Stuttgarter nennen ihre Musik „Steam Folk“. Es geht um das Dampfmaschinenzeitalter in einer fantastischen fiktiven Welt. In englischer Sprache mit Geige, Akkordeon und Akustikgitarren erzählen sie Geschichten, Balladen und Tavernenlieder. Am interessantesten ist aber vielleicht der deutsche Bonustrack „Und sie tanzten“ mit Piano und Frauenstimme.
pp
 MAJA TAUBE: Treibgut
MAJA TAUBE
Treibgut
maja-taube.de
(label 11)
14 Tracks, 48:20


Eine Soloharfe sucht auf feine Weise neue Wege durch eine überlaufene Klanglandschaft, wagt dabei Reduktion, Improvisation und vor allem Experiment. Das Ergebnis ist unbedingt hörenswert – zumal exzellent gespielt und sehr sensibel aufgenommen. Sowohl Melodik, Harmonik als auch Rhythmus führen dabei wie zufällig, ja wundersam, an und über die Grenzen europäischer Hörgewohnheiten.
ca

 GORDIE TENTREES & JAXON HALDANE: Grit
GORDIE TENTREES & JAXON HALDANE
Grit
tentrees.ca
jaxonhaldane.bandcamp.com
(Greywood Label Services/Timezone)
Promo-CD, 12 Tracks, 44:25


Nach 500 Shows in mehr als elf Ländern kommen Tentrees und Haldane nunmehr dazu, ihre einzeln geschriebenen oder gemeinsam verfassten Songs in ein Album zu packen. Live aufgenommen natürlich. Mit Dobro, Gitarre, Banjo und Fiddle stecken die beiden tief im alten Country und Folk und präsentieren selbst verfasste Songs, die von Alltäglichkeiten und sozialen Problemen handeln.
mf
 TERES AOUTES STRING BAND : Lo Rock 'n' Roll De La Montagna
TERES AOUTES STRING BAND
Lo Rock 'n' Roll De La Montagna
facebook.com/Teres-Aoutes-String-Band-625071237688643
(Eigenverlag)
Promo-CD, 12 Tracks, 34:45


Das Quartett aus dem Westen des Piemonts gibt nicht viel von sich preis. Der Mandolinist und Bandleader Mario Poletti spielt auch bei Lou Dalfin, was auf rockige Töne schließen ließe. Doch weit gefehlt. Er spielt mit seinen Mitmusikern an Gitarren, Bass und Violine zum Tanz auf. Gesungen wird auf Okzitanisch und in provenzalischem Französisch.
mst

 TERRA GUITARRA: Spirit Wheel
TERRA GUITARRA
Spirit Wheel
terraguitarra.com
(Earthsign Records)
10 Tracks, 63:53


Gitarrist Bruce Hecksel und Sängerin/Rhythmusgitarristin Julie Patchouli bilden das Projekt Terra Guitarra. Nuevo Flamenco, weltmusikalische Klänge und eine gehörige Portion New Age verbinden sich zu einer leicht verdaulichen Melange. Die Dominanz der Rhythmusmaschinen und die allzu beliebigen Themen hinterlassen leider einen zwiespältigen Eindruck.
rb
 THOM AND THE WOLVES: The Gold In Everything
THOM AND THE WOLVES
The Gold In Everything
thomandthewolves.com
(Solaris Empire/Indigo)
10 Tracks, 39:31


Kaminfeuerwarm knistert die Akustikgitarre, bevor die Stimme von Thom einsetzt, sparsam begleitet u. a. durch Bass oder Cello. Die Emotionalität erinnert ein wenig an Damien Rice. Erfahrungen und Inspirationen sammelte der Mittzwanziger und Autodidakt als Straßenmusiker in den USA und Europa. Regelmäßig spielt er im Monbijoupark in seiner Wahlheimat Berlin.
is

 RIIKKA TIMONEN & SENNI ESKELINEN: Perillä!
RIIKKA TIMONEN & SENNI ESKELINEN
Perillä!
rikkamusic.fi
facebook.com/sennieskelinenartist
(Westpark Music, WP 83741)
10 Tracks, 36:05


Gesang und Kantele, wobei die Stimme bisweilen wie ein Instrument eingesetzt wird und Stimme und Kantele einander perfekt ergänzen. Alle Lieder wurden von Timonen geschrieben, die Komponistin Milla Viljamaa lieferte die Melodien. Vieles klingt wie finnische Weltmusik, anderes wie uralter Tradition entsprungen.
gh
 TIR NAN OG From The Gallows: Prosodia
TIR NAN OG From The Gallows
Prosodia
14 Tracks
(tirnan.org)
47:54


In Eichstätt ansässig ist diese siebenköpfige Celtic-Folkrock-Band, die auch in Album Nr. fünf eine fetzige, rockige, kraftvolle, aggressive Musik bietet, die an Fiddler's Green, Garden of Delight oder auch an Fabula erinnert, aber mit weiblicher Frontstimme. Leider etwas eintönige Arrangements, aber im Gegensatz zum letzten Album (siehe Folker 4/2015) nun mit Texten im Beiheft.
mas

 TOOTARD: Laissez Passer
TOOTARD
Laissez Passer
tootard.com
(Glitterbeat, GBCD 054)
10 Tracks, 51:30


Eine mitreißende Mischung aus Wüstenrock, Blues, arabischer und nordafrikanischer Musik. Ohne Nationalität, nur mit den Passierscheinen „Laissez Passer“ ausgestattet, nimmt das in den besetzten Golanhöhen lebende fünfköpfige palästinensische Ensemble den Zuhörer mit auf eine musikalische Reise durch ihren von vielen Beschränkungen bestimmten Alltag.
ep
 ISMAIL TÜRKER, DURMUSTÜRKER: Sevdali Köy Türküleri
ISMAIL TÜRKER, DURMUSTÜRKER
Sevdali Köy Türküleri
acoustic-music.de
(Acoustic Music Records 319.1579.2/Rough Trade)
11 Tracks, 50:22


Der in Osnabrück lebende Musiker Ismail Türker interpretiert auf diesem Album die Gedichte seines Onkels Durmus. Die Lieder handeln vom anatolischen Landleben in all seinen Facetten. Türker begleitet seinen kunstvollen Gesang mit virtuosen Arabesken auf der Langhalslaute Baglama (aka Saz). Als Gast mit dabei: Martina Binnig an Violone und Traversflöte.
wb

 TUOMAS A. TURUNEN: Ornaments Of Time
TUOMAS A. TURUNEN
Ornaments Of Time
tuomasturunen.fi
(Skip Records/Soulfood)
12 Tracks, 52:03


Auch wenn der finnische Jazzpianist folkloristische Weisen seiner Heimat und aus Schweden intoniert, ist der musikalische Kosmos des in Südfrankreich lebenden Musikers grenzen- und zeitlos. So könnte dieses intime Album den Klassikfreund wie den Jazzer und natürlich auch den Liebhaber von Folkmusik in gleichem Maße berühren.
rb
 UNLIMITED CULTURE: Get Ready
UNLIMITED CULTURE
Get Ready
unlimited-culture.com
(Unlimited Culture/Soulfire/Galileo MC)
16 Tracks, 68:52


Das Regensburger Quintett um Sänger Lenny Souljah hat sich mit seinem Debütalbum direkt in die Champions League europäischer Reggaebands katapultiert. Musikalisch vielschichtig (von Marley bis Seeed), politische Texte (gelegentlich auch auf Bayerisch) und eine immense Spielfreude lassen den Zuhörer erahnen, zu was die Band noch imstande sein wird.
wb

 WALDGEIST: Hexenwerk
WALDGEIST
Hexenwerk
waldgeist-kartell.de
(Prosodia)
13 Tracks, 52:20


Das Trio um den Liedermacher Benno Waldherr scheint in Hamburg zu Hause zu sein. Seine schräge, irgendwie gebrochene Stimme singt sinnvoll-kritische standarddeutsche Lieder über den Schein, durch Medien informiert zu werden, über Klischees, denen man auch selbst unterliegt, und anderes. Die Reime sind indes oft eher so ungefähre. Positano-Fans zu empfehlen.
mas
 WILD PONIES: Galax
WILD PONIES
Galax
wildponies.net
(Gearbox Records GB1540/Edel)
10 Tracks, 40:02


Im Grunde ein Duo aus Doug und Telisha Williams, haben sich die beiden für ihre Songs zwischen Bluegrass und Old-Time Gastmusiker dazu geholt. Das Album zeigt eine herbe Tönung in melancholischer Grundstimmung, live im Studio aufgenommen und überzeugend eingespielt. Da geht es um die bitteren Seiten des Lebens – in Stücken voller Atmosphäre.
vd

 MARLON WILLIAMS: Make Way For Love
MARLON WILLIAMS
Make Way For Love
marlonwilliams.co.nz
(Dead Oceans/Cargo Records)
11 Tracks, 39:09


Die Stimme des Neuseeländers steht beim Marketing des Künstlers im Vordergrund. Einzigartig ist die Klangfarbe nun nicht, aber zumindest außergewöhnlich. Manche werden dahinschmelzen, manche genervt die CD wechseln. Abseits der Stimme erwartet uns ein solider Singer/Songwriter, der als Straßenmusiker oder in Folkclubs eine gute Figur macht.
ce
 : rezi-legende
Cathrin Alisch (ca), Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Bernd Kuenzer (bk), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (ps), Martin Steiner (mst), Annie Sziegoleit (asz), Katrin Wilke (kw)


Bücher
 Leipziger Liederszene – der 1980er Jahre:
Leipziger Liederszene – der 1980er Jahre

loewenzahn-verlag.com
(Leipzig : Löwenzahn-Verl., 2018. – 60 S. : mit Fotos, DVD und CD), 20,00 EUR


Das Medienpaket besteht aus einem Buch mit DVD und CD und kann als einzigartiges Dokument der DDR-Kulturgeschichte gewertet werden. Möglicherweise war die Liedszene Leipzigs nicht ganz so populär wie die Folkszene der Stadt, trotzdem zeichnete sie eine beeindruckende Vielfalt aus. Dieter Kalka schreibt über die Solidarität der Künstler miteinander, die nach der Wende verschwand und aus manchen Freunden Konkurrenten machte. Der Dichter Andreas Reimann berichtet über die Anfänge der Szene, Hubertus Schmidt über Liedermacherwerkstätten, Harald Pfeifer über das Haus der Volkskunst, und Jürgen B. Wolff, der auch Cover und Buch gestaltete, über die DDR-Chansontage in Frankfurt/Oder. Dazu jede Menge köstliche Anekdoten, beispielsweise wie Werner Bernreuther als Dozent die flatterhaften Barden mit Disziplin traktierte oder wie die Liedermacherin Maike Nowak zur russischen Chansondiva Adriana Ljubowa mutierte. Den Hauptteil nehmen in lexikalischer Form von A bis Z Kurzbiografien der Akteure ein. Den witzigen Sprachstil von Jürgen B. Wolff kennt der Folkfan aus den Rudolstadt-Programmheften. Zur Vielfalt der Szene gehört auch, dass sie bis hin zu Folk, Rock, Skiffle, Kabarett, Literatur und Schauspielerei reicht. Es gab und gibt skurrile Charaktere wie Jens-Paul Wollenberg, Willy Keindorf oder Schütz mit uns, bekannte wie Duo Sonnenschirm und Jörg Kokott oder eher unbekannte wie Christa Mihm, José Perez oder Akram Mutlak. Zahlreiche Annoncen illustrieren diese spannende Zeit. Neben der CD mit zwanzig Titeln beeindruckt ganz besonders die DVD mit historischen Aufnahmen aus den Jahren 1986 bis 1993 aus dem Sächsischen Staatsarchiv, zusammengetragen von Stefan Gööck, mit Konzertmitschnitten und einem Interview mit Ex-Organisator Odwin Quast über Hintergründe und Zusammenhänge. Den Autoren und dem Verlag ist damit wirklich ein großer Wurf gelungen.
Reinhard "Pfeffi" Ständer
 BARBARA: Es war einmal ein schwarzes Klavier : unvollendete Memoiren / hrsg. von Andrea Knigge ; aus d. Franz. von Annette Casasus.
BARBARA
Es war einmal ein schwarzes Klavier : unvollendete Memoiren / hrsg. von Andrea Knigge ; aus d. Franz. von Annette Casasus.
wallstein-verlag.de
(Göttingen : Wallstein, 2017. – 200 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-3-8353-3076-4 , 18,90 EUR


2017 war der vierzigste Todestag von Monique Andrée Serf, die unter dem Namen Barbara eine der bekanntesten Chansonsängerinnen Frankreichs war. Anlässlich dieses Jahrestages erschien in Zusammenarbeit mit Institutionen aus Göttingen ein kleiner Band mit unvollendeten Memoiren aus dem Nachlass der Künstlerin. Das Lied „Göttingen“ – 1964 entstanden nach einem schwierigen Auftritt in der niedersächsischen Universitätsstadt – verhalf ihr nicht nur in Deutschland zu großer Bekanntheit. Wie es zu diesem Auftritt und darauffolgend dem Lied kam, schildert sie in dem Buch. Sie war eine anspruchsvolle und komplizierte Künstlerin, die ihre Auftritte sehr genau vorbereitete und mit den Jahren immer perfektionistischer wurde. Ihre Anfänge waren eher chaotisch, getrieben von dem Wunsch, auf der Bühne zu singen. Die Musik war der Fluchtpunkt, der ihr den Ausweg aus einem strapaziösen politischen und familiären Umfeld wies. Dies alles findet sich im Buch, mehr oder weniger deutlich beschrieben, und fand Eingang in ihre Lieder. Barbara hatte erst einige Monate vor ihrem Tod angefangen, an dem Buch zu arbeiten. Sie hätte vieles noch verändert, ergänzt, überarbeitet oder hinzugefügt. Doch es ist trotz des unfertigen Zustands ein sehr lesenswertes Dokument einer außergewöhnlichen Künstlerin entstanden.
Rainer Katlewski

 MATS MELIN: One with the Music : Cape Breton Step Dance Tradition and Transmission.
MATS MELIN
One with the Music : Cape Breton Step Dance Tradition and Transmission.
cbupress.ca
(Sydney, NS : Cape Breton Univ. Pr., 2015. – XIV, 423 S. : mit Abb.)
ISBN 978-1-77206-028-7 , 27,95 CAD


Der Stepptanz kam nach Cape Breton wie die Fiddlemusik – mit den Einwanderern aus Schottland. Während sie im Mutterland bis vor Kurzem so gut wie vergessen war, blieb diese tänzerische Ausdrucksweise auf Cape Breton immer populär und entwickelte sich eigenständig, also unabhängig vom Stepptanz, zum Beispiel im Ottawa Valley oder in Quebec. Mats Melin ist ein schwedischstämmiger, tanzbegeisterter Akademiker, der intensiv mit irischem und schottischem traditionellem Tanz gearbeitet hatte und 1992 auf dem gälischen College auf der Isle of Skye erstmals mit dem Stepptanz aus Cape Breton in Berührung kam. Seine professionelle Neugier führte ihn zu unzähligen Besuchen auf der Insel im Osten Kanadas, um mehr über die Wurzeln und Ausprägungen dieses Tanzes zu erfahren. Irgendwann entschied er sich, über diesen Stepptanz und besonders seine Weitergabe zu promovieren. Dieses Buch ist im Kern seine Dissertation. Das sollte man wissen, um zu verstehen, dass es hier sehr häufig akademisch-trocken zugehen muss. Das macht das Lesen stellenweise nicht einfach. Ein wenig Durchhaltevermögen jedoch wird belohnt. Hinter den vielen notwendigen tanztechnischen Erläuterungen tut sich ein faszinierender Einblick in die Traditionen und sozialen Strukturen von Cape Breton auf, die Rolle der Kitchen Partys für traditionelle Musik und Tanz, die Parish Picnics und Schoolhouse Dances, die Tatsache, dass Squaredance auf Cape Breton nichts mit Country & Western zu tun hat, bis schließlich im Zentrum der Solostepptanz steht. Wer tanzt diese Fußpercussion wie und warum – eine erstaunlich vielschichtige Welt tut sich auf. Stepptanz ist unendlich viel mehr als Fred Astaire. Die anschaulichsten Kapitel sind folglich auch zum einen die fünfzig Seiten mit biografischen Bemerkungen über diverse Tänzer und -innen und zum anderen Melins intensive persönliche Reflektion über einen seiner Solostepptänze. Für Stepptanzinteressierte ein Muss, für Freunde der traditionellen Kultur Cape Bretons sehr empfehlenswert.
Mike Kamp
 STEFFEN RADLMAIER [Hrsg]: Mein Song : Texte zum Soundtrack des Lebens – Friedrich Ani, Thommie Bayer, Zsuzsa Bánk u.a. / Hrsg. von Steffen Radlmaier. – 1. Aufl., Ausg. basiert
STEFFEN RADLMAIER [Hrsg]
Mein Song : Texte zum Soundtrack des Lebens – Friedrich Ani, Thommie Bayer, Zsuzsa Bánk u.a. / Hrsg. von Steffen Radlmaier. – 1. Aufl., Ausg. basiert
arsvivendi.com
(Cadolzburg : Ars Vivendi, 2017. – 148 S.)
ISBN 978-3-86913-886-2 , 25,00 EUR


Der erste Eindruck: ein handwerklich ansprechend gemachtes Buch. Quadratisches Format, schwarzes Vorsatzpapier, Lesebändchen, fester Einband. Der zweispaltige Satz ist geeignet, die Lesefreundlichkeit auch dann noch zu gewährleisten, wenn durch das Fehlen von Illustrationen einmal Bleiwüsten entstehen. Insgesamt einundsiebzig Musiker, Schriftsteller und Musikjournalisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben aufgeschrieben, welcher Song, welches Lied, welches Musikstück in ihrem Leben eine prägende Rolle spielte. Die genannten Beispiele betreffen nahezu alle musikalischen Genres. Alte Musik wird ebenso genannt wie Opernarien, Chansons, Schlager, Rock ʼnʼ Roll oder Filmmusik, Pop, Metal oder Avantgarde. Der am häufigsten genannte Musiker ist übrigens Bob Dylan. Für den Kabarettisten und Liedermacher Franz Hohler symbolisierte „Die Winterreise“ (Wilhelm Müller/Franz Schubert) und hier besonders „Am Brunnen vor dem Tore“ über viele Jahre hinweg die starke Verbindung zwischen ihm und seinem Vater. Der Song „Substitute“ von The Who bedeutete für den Schriftsteller Fitzgerald Kusz so etwas wie eine Lebenswende, „zu Musik gewordene Revolte, Auflehnung gegen alles, was hinter mir lag“. Esther Bejarano erzählt, wie ihr in Auschwitz der Schlager „Bel Ami“ buchstäblich das Leben rettete. Neben vielen anderen kommen zu Wort: Achim Amme, Thommie Bayer, Georg Danzer, Heinz Rudolf Kunze, Udo Lindenberg, Manfred Maurenbrecher, Wolfgang Niedecken, Rafik Schami, Stefan Stoppok, Herman van Veen, Wim Wenders und Roger Willemsen. Etliche Statements machen Lust, den einen oder anderen Song nach langer Zeit wieder einmal anzuhören.
Kai Engelke

 SPUNK: Die Abenteuer von Ukulelo und Ukulala  - eine besondere Ukulele-Schule
SPUNK
Die Abenteuer von Ukulelo und Ukulala - eine besondere Ukulele-Schule
spunk-musik.de
(Musik für Grundschule und Kindergarten.)
Cölbe : Spunk, o.J. – 52 S. + CD , 19,80 EUR


Ein neues Ukuleleheft? Ja, aber ganz anders. Das Konzept von punk (alias Kinderliedermacher Gerd Müller aus Hessen) unterscheidet sich von anderen Ukuleleschulen. Er verspricht einen leichten Einstieg in die Liedbegleitung. Adressaten sind Kinder ab fünf Jahren, Erzieherinnen, Lehrer und Eltern, denn der Inhalt besteht aus einer Geschichte in sieben Kapiteln, in die über zwanzig Lieder eingebunden sind und die allesamt von Bildern von Gerd Müller stammen. Über das Vorlesen erfahren Kinder zusätzlich Zuwendung, und es wird Gemeinsamkeit gefördert – genau das ist Spunks Absicht. Die Lieder sind sowohl zum Begleiten mit der Ukulele gedacht als auch zum Spielen, Bewegen und Tanzen – sie bieten viele Möglichkeiten zur Gestaltung. Die Lieder sind ansprechend und transparent mit Ukulele und anderen Instrumenten arrangiert. Ukulele spielen zu lernen durch Lieder mit einem oder mehr Akkorden, wird umrahmt von einer spannenden Geschichte, die an mehreren Tagen (vor-)gelesen werden kann, gut eingeteilt in Kapitel und die Spannung haltend. Die beiden Protagonisten Ukulelo und Ukulala meistern alle Abenteuer mit Hilfe von Freunden, Solidarität und viel Musik – Kinderliedermachen in bester und staubfreier Tradition, die sinnreich und warmherzig auf die Fantasie von Kindern eingeht. Ukulelen sind handlich und samt Heft ideal zum Beispiel im Urlaub und für alle, die gern musikalisch mit Kindern arbeiten. Sehr empfehlenswert!
Rainer Wenzel
 FRED MORIERTY: Ventry Seaside : The Fred Morierty Series Bd. 1.
FRED MORIERTY
Ventry Seaside : The Fred Morierty Series Bd. 1.
amazon.de
(o.O. : Eigenverl., 2017. – 209 S. )
ISBN 978-154960869-8 , 9,90 EUR


Fred Morierty schreibt in sehr südlich geprägtem Deutsch in Ich-Form über seinen gleichnamigen Helden, der 1981 nach London geht, mit Bob Geldof zusammenarbeitet und bei Band Aid mitmacht. Dann besinnt er sich auf seine irischen Wurzeln, begibt sich nach Dingle, findet die große Liebe seines Lebens und macht mit ihr gewaltig Karriere in der Folkszene. Der Autor bezeichnet sein Buch als „work of fiction“, aber es liest sich größtenteils wie eine Dokumentation. Das liegt daran, dass seitenweise aus Fernsehkommentaren und Erinnerungen an den Osteraufstand 1916 zitiert wird, aber auch daran, dass er keinerlei Versuch macht, seinen Personen Persönlichkeit zu geben oder für Lokalkolorit zu sorgen. Die Menschen bleiben Pappfiguren. Und die Orte? Nicht einmal Ventry, mitten in einem irischsprachigen Gebiet gelegen, wo Musik, Literatur und Theater eine Blütezeit erleben – was der „Fred Morierty“ des Buches aber offenbar gar nicht merkt – wirkt hier wie ein lebendiger Ort. Es ist eigentlich eine Qual, das Buch zu lesen. Das liegt aber nicht an der Handlung, sondern daran, dass auf Rechtschreibung und vor allem Zeichensetzung keinerlei Wert gelegt worden ist. Ein verschachteltes Nebensatzgefüge zu entwirren, das sich über mehrere Zeilen hinzieht und in dem kein einziges Komma verrät, was sich nun worauf bezieht, ist schon eine Leistung. Der Autor kündigt eine Fortsetzung an. Die erscheint dann hoffentlich in einem Verlag, der ihm hilft, ein richtiges Buch daraus zu machen.
Gabriele Haefs

 JOHANNES OERDING: Songbook : f. Klavier, Gitarre u. Gesang.
JOHANNES OERDING
Songbook : f. Klavier, Gitarre u. Gesang.
bosworth.de
(o.O. : Bosworth Music, 2017. – 96 S. : nur Noten u. Akk. + Texte ; mit s/w-Fotos)
ISBN 978-3-86543-974-1 , 25,95 EUR


Bosworth veröffentlicht ein Songbook von Johannes Oerding, Singer/Songwriter aus Hamburg, zudem Fred-Jay-Preisträger 2017 – eine Auszeichnung, die all denen zuteilwird, die mit ihren Texten „in hohem Maße zur Entwicklung des deutschen Liedguts und der deutschsprachigen Musikkultur beigetragen“ haben. Das Buch enthält sechzehn Songs aus den bis dato erschienen Alben des Künstlers. Und wie Songbooks so sind, finden sich Klaviersatz, Melodie und Text sowie Akkordsymbole für den Gitarristen und vier großformatige Fotos des Musikers.
Rolf Beydemüller
 THEODOR STORM/DRAGSETH TRIO (HÖRBUCH): Der Schimmelreiter / gelesen von Hans-Peter Bögel, musikal. begleitet von Dragseth.
THEODOR STORM/DRAGSETH TRIO (HÖRBUCH)
Der Schimmelreiter / gelesen von Hans-Peter Bögel, musikal. begleitet von Dragseth.
atelier-knortz.de
(Witzwort : Eigenverl., 2017. – Do-CD : 144:36), 20,00 EUR + 3,00 EUR Versand


Nachdem das Dragseth Duo bereits Texte von Theodor Storm gesungen hat (auf dem Album Es ist ein Flüstern), hat das gerade erst gegründete Dragseth Trio sich ebenfalls des Autors angenommen. Anlässlich des zweihundertsten Geburtstags Storms hat der Schauspieler, Regisseur und Sprecher Hans-Peter Bögel unter musikalischer Begleitung des Dragseth Trios eine Bearbeitung des Schimmelreiters als Hörbuch auf CD veröffentlicht. Mit diesem Programm eröffneten sie erfolgreich auch die diesjährigen Storm-Tage auf Husum. Einfach schön. Und für Literaturfans auch ein schönes Geschenk.
Doris Joosten

Besondere
HANNES WADER
Macht’s gut! – Das Abschiedskonzert 2017
hanneswader.de
(Universal Music)
Promo-CD, 17 Tracks, 75:05


Weg ohne Wiederkehr – nun hat er tatsächlich seine letzte Tournee beendet. Im ausverkauften Berliner Tempodrom gab Hannes Wader im vergangenen November nach fünfzig Bühnenjahren sein Abschiedskonzert. Noch einmal ließ der 75-Jährige sein über Jahrzehnte gewachsenes Publikum teilhaben an den vielen Facetten seiner Liedkunst, inhaltlich angesiedelt zwischen Zorn und Zärtlichkeit, kämpferischem Engagement, tiefer Melancholie und beißender Ironie. Wader hat nicht nur maßgeblich an der Entstaubung und Wiederbelebung deutscher Volkslieder mitgewirkt, er hat darüber hinaus selbst etliche Lieder verfasst, die zu Volksliedern wurden. Zum Beispiel „Schon so lang“ oder „Heute hier,  HANNES WADER: Macht’s gut! – Das Abschiedskonzert 2017 morgen dort“ und „Gut wieder hier zu sein“, mit dem er fast jedes Konzert eröffnete. Das Programm seines Abschiedskonzertes beinhaltet – wie sollte es auch anders sein – neben Liedern, die das Älterwerden thematisieren („Damals“, „Schwestern, Brüder“, „Schön ist das Alter“, „Dass wir so lang leben dürfen“), auch solche, die Waders unbeugsames Eintreten für eine menschenfreundlichere Welt symbolisieren („Das Bürgerlied“, „Es ist an der Zeit“, „Bella ciao“, „Sag mir, wo die Blumen sind“). Typisch für Waders Arbeitsweise ist neben Liedern ausschließlich aus seiner Feder das schöpferische Bearbeiten bereits bestehender Songs – meistens aus dem anglo-amerikanischen Bereich –, denen er seinen ganz persönlichen Stempel aufdrückte und sie auf diese Weise zu typischen Wader-Liedern machte. Heute hier, morgen fort? Nein, zum Glück nicht. „Sei sicher: Deine Lieder leben für immer!“, sagt Freund Reinhard Mey, und Konstantin Wecker fügt hinzu: „Du hast die Idee einer besseren und gerechteren Welt am Leben erhalten mit deiner Poesie und deiner Haltung.“ Waders auf CD gepresstes Abschiedskonzert 2017 ist zu gleichen Teilen Dokument und wirklich ausdrucksstarker Livemitschnitt. Mach’s gut, Hannes!
Kai Engelke
ENSEMBLE MINISYM
Moondog New Sound
facebook.com/ensemble.minisym
(Bongo Joe Records 021/Broken Silence)
Vinyl, 15 Tracks, 42:09 , mit engl. u. dt. Texten u. Infoblatt


In seiner Kindheit erblindet Louis Hardin durch einen Sprengstoffunfall. Er kommt auf eine Blindenschule, die vor allem Musik unterrichtet. In den Dreißigerjahren lernt er bei Sonntagsausflügen in Indianerreservate die Musik der US-amerikanischen Ureinwohner kennen. Sie beeindruckt ihn tief. Als Erwachsener zieht Hardin nach New York, nennt sich „Moondog“ und wird Straßenmusiker, der sich an die immer gleiche Stelle setzt, um dort mit Percussioninstrumenten Musik zu machen. Er verdient damit so viel, dass er seine nebenher komponierte, in Braille notierte Musik in ordentlichen Tonstudios aufnehmen und auf seinem eigenen Label herausbringen kann. Als Straßenmusiker wird er zur Legende. Dort besucht ihn auch Janis Joplin, die seinen  ENSEMBLE MINISYM: Moondog New Sound Song „All Is Loneliness“ für ihr erstes Album aufnimmt. In den Siebzigern wird Moondog für eine Konzerttournee nach Deutschland eingeladen. Hier gefällt es ihm so gut, dass er bleibt. Jeden Tag spielt er in der Fußgängerzone von Münster. Eine Familie nimmt sich seiner an. Wenngleich in dieser Zeit nur wenig neue Alben von ihm erscheinen, komponiert er unermüdlich – bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1999. Das französische Ensemble Minisym hat sich nun einer ganzen Reihe noch unveröffentlichter Kompositionen Moondogs angenommen und diese zum ersten Mal eingespielt. Die Formation ist mit Gitarre, Geige, Harmonium, Percussion, Hurdy-Gurdy, Cello und Bratsche musikalisch breit aufgestellt. Wie seltsam mittelalterliche Folklore klingen die Stücke von Moondog, wie eine Mischung aus Bach und indianischer Percussion. Neben vielen „Songs“ hat er auch an die fünfzig Sinfonien komponiert. Nur sehr wenige davon sind bisher aufgeführt worden; dies sicher, weil sie praktisch in gar kein Repertoire passen. „Barn Dance“ oder „Elf Dance“, die auf diesem Album zu hören sind, fordern praktisch dazu auf, zu seiner Musik zu tanzen. Und wer kann sich schon vorstellen, dass in einem Konzertsaal das Publikum die Sitzreihen verlässt, um mit leicht schwebenden Schritten durch die Reihen zu tanzen? Janis Joplin hätte dies sicher getan.
Michael Freerix

FJARILL
Kom Hem
fjarill.de
(Butter & Fly Records/Indigo)
11 Tracks, 49:46 , mit originalen u. dt. Texten u. Infos


Es gibt nicht viele Musiker, die in ihrem Schaffen regelrechte Sprünge machen. Den beiden Schmetterlingen (fjarill auf Schwedisch) Aino Löwenmark und Hanmari Spiegel ist dies mit ihrem siebten Album nun eindrucksvoll gelungen. Dabei stand das schwedisch-südafrikanische Duo vor zwei Jahren fast vor dem Aus, als Sängerin und Pianistin Löwenmark erstmals auf Solopfaden wandelte. Nach dreizehn Jahren mit Hunderten von Konzerten, hervorragenden Kritiken und mehreren Preisen wussten Fjarill nicht mehr, wohin ihre gemeinsame Reise einfühlsamer Weltmusik gehen sollte. Durch Löwenmarks Ausflug scheint der Knoten geplatzt zu sein, und nicht nur eingefleischte Fans können sich über ein Album voller Energie, kreativer Ideen und  FJARILL: Kom Hem tiefsinniger Texte freuen. Es scheint, als ob die über Jahre gewachsene musikalische Freundschaft mit der Sängerin und Violinistin Spiegel erst jetzt das volle Potenzial der beiden hervorbringt. Nicht von ungefähr lautet der Titel ihres Albums übersetzt „Komm nach Hause“, was für die in Hamburg lebenden Musikerinnen gleichzeitigt Aufbruch bedeutet. Dieses intensive Gefühl des Sich-auf-die-Reise-Machens, sich von alten Vorstellungen und Gewohnheiten zu verabschieden, um anzukommen, zieht sich durch das ganze Album. Schon im zweiten Song, dem Titellied, brillieren Fjarill mit einer ungewohnten Dynamik, die vor allem vom Schlagzeuger des Tingvall Trios und Produzenten des Albums, Jürgen Spiegel, getragen wird. Auch die Freiheitshymne „Inkululeko“, die sie mit dem befreundeten Liedermacher Stefan Stoppok eingespielt haben, reißt sofort mit. Fjarill haben aber nicht nur ihren Gesang, ihr Instrumentalspiel und ihre Rhythmik weiterentwickelt. Selbst bei ihren wieder einmal berührenden Balladen „Vingslag“, „Resan“ oder „I Can Hear You“ erzeugen sie ungewohnte Reibungen und Dissonanzen in ihren Klängen – „punkig und schräg“, wie Löwenmark es nennt –, die ihren Liedern eine ganz neue Qualität geben. Mit seiner außerordentlichen positiven Kraft ist das Album ein Lichtblick in chaotischen Zeiten.
Erik Prochnow



DVD/Filme
 KONSTANTIN WECKER: Poesie und Widerstand – live
KONSTANTIN WECKER
Poesie und Widerstand – live
wecker.de
(Sturm & Klang/Alive)
3 DVDs, 275:00


Einen runden Geburtstag galt es zu feiern, und Konstantin Wecker hat seinen Siebzigsten im Frühjahr 2017 mit einem außergewöhnlichen Konzertereignis begangen, natürlich in seiner Heimatstadt München. Im festen Wintersitz des Circus Krone wurde drei Tage lang dem Liedermacher und großen Musiker gehuldigt. Er hat ja einiges erlebt und angestellt in seinem Künstlerleben, und gerade für seine Lebenslust, seine politische Haltung, sein Engagement, aber auch seine Krisen hat ihn das Publikum stets geschätzt. All das fließt auch in seine Lieder ein, die immer im prallen Leben angesiedelt sind und zudem mit starker Bühnenpräsenz von ihm interpretiert werden. Dass er einer Familie entstammt, in der er früh mit klassischer Musik in Berührung kam, lässt seine Konzerte zu einem besonderen musikalischen und sinnlichen Erlebnis werden, das in seiner Zunft seinesgleichen sucht. Die 3-DVD-Box des Bayerischen Rundfunks, die die Geburtstagskonzerte dokumentiert, bildet den ganzen Reichtum dieses Ausnahmekünstlers ab: Leben, Songs, Poesie, Künstlerfreunde und -kollegen, politische Statements, seinen intensiven Kontakt zum Publikum, das Entstehen und Umfeld solch eines Großereignisses und Musik, Musik, Musik – welch ein Genuss!
Rainer Katlewski



Deutschland
 PETER AUTSCHBACH & RALF ILLENBERGER: Zero Gravity
PETER AUTSCHBACH & RALF ILLENBERGER
Zero Gravity
autschbach-illenberger.de
(Timezone Records/Timezone)
8 Tracks, 41:24


Was 2012 (No Boundaries, Ears Love Music) als Hommage an das legendäre Kolbe-Illenberger-Duo begann, hat mittlerweile ein munteres Eigenleben entwickelt, und so ist Autschbach-Illenberger heute ein modernes Gitarrenduo mit eigener Klangfarbe und Sprache. Peter Autschbach hat sich einen Namen als Jazzgitarrist gemacht, hat Lehrbücher geschrieben, leitet Workshops und widmet sich erfreulicherweise zunehmend der akustischen Gitarre. Jazzvokabular sucht man auf dieser Veröffentlichung vergeblich. Es dominieren feine harmonische Schönheiten, die den Hörer fast automatisch in einen Schwebezustand versetzen. Große, weite Landschaften entstehen vor dem inneren Auge, möglicherweise inspiriert durch Sedona, Arizona, wo Ralf Illenberger seit vielen Jahren beheimatet ist. Die fruchtbare transatlantische Zusammenarbeit besticht durch lückenlos verzahnte Harmonieflächen, weitschwingende melodische Bögen und das völlige Fehlen solistischer Egomanien. So ist kaum auszumachen, wer hier was macht. Das dritte Album des Duos vermittelt eine Leichtigkeit, die dem Titel des Albums mehr als gerecht wird.
Rolf Beydemüller
 CARA: Live
CARA
Live
cara-music.com
(Artes-Records)
13 Tracks, 73:52 , mit Fotos, engl. Infos u. Texten


Was ist das Besondere an einem Livealbum im Vergleich zu einem, das im Studio aufgenommenen wurde? Es sind vor allen Dingen die Aufnahmebedingungen während eines Konzertes, was bedeutet, dass die Musiker wirklich zusammenspielen, während im Studio häufig jeder einzeln aufgenommen wird und die einzelnen Stimmen dann zu einem Bandsound zusammengemischt werden. Man hört zudem den besonderen, im Vergleich zum Studio typischen Klang des Raumes heraus, das eine oder andre „Hep!“ eines Musikers und den Applaus am Ende jedes Stückes. Hier fehlen allerdings Ansagen oder witzige Anmerkungen. Davon abgesehen hat man mit diesem Album erstklassige irische traditionelle und Folkmusik von einer der besten deutschen Irish-Folk-Bands, beginnend mit der im Artikel über Cara im Folker 2/2018 erwähnten Air „There Will Be Fog“, und im Folgenden eine Zusammenstellung schöner Lieder und Instrumentals aus verschiedenen Konzerten. Neue Stücke sind es also nicht, aber die Band liefert eine gelungene Kompilation zu ihrem fünfzehnjährigen Jubiläum.
Michael A. Schmiedel

 GREGOR HILDEN ORGAN TRIO: First Take
GREGOR HILDEN ORGAN TRIO
First Take
gregorhilden.de
(Acoustic Music Records 319.1585.2/Rough Trade)
12 Tracks, 73:23


Gregor Hilden, Gitarrist aus Münster, hatte die Idee zu diesem Format. Gemeinsam mit Wolfgang Roggenkamp an der Orgel und dem Schlagzeuger Dirk Brand war das Trio komplett. Alle drei spielen hier auf erlesenen Vintage-Instrumenten. Im Fall des Gitarristen Hilden sind das edle Gitarren der Marke Gibson aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Dirk Brand trommelt an ebenso kleinem wie feinem Besteck; Wolfgang Roggenkamp bedient eine Hammondorgel aus dem Jahr 1938 mit angeschlossenem Leslie-Cabinet. Gleichzeitig sorgt er durch Bedienung der Fußpedale auch für die Bassbegleitung. Was musikalisch geschieht, wenn ausgewiesene Könner und Klangästheten zu Werke gehen, ist hier eindrucksvoll bewiesen. Schön, mit viel Wärme und Volumen, so klingt es. Hildens Gitarrenspiel ist wunderbar phrasiert, immer absolut „laid back“, mit viel Raum und Luft. Jeder Ton ist handgeformt und wie gemalt. Herrlich wummert dazu Roggenkamps Orgel, dennoch sind die Töne akzentuiert und nicht verwaschen, und tolle Bassläufe (mit den Füßen!) gibt es inklusive. Dirk Brand gibt dazu das treibende, manchmal etwas vorauseilende Element, und alles fügt sich ganz wunderbar zusammen – eine musikalische Wohltat!
Achim Hennes
 TIM „DOC FRITZ“ LIEBERT: Überlandfahrt
TIM „DOC FRITZ“ LIEBERT
Überlandfahrt
docfritz.de
(Prosodia)
11 Tracks, 51:49 , Texte


In Bewegung sein, unterwegs sein, reisen, das ist das große Thema beim Thüringer Folkmusiker Tim Liebert alias Doc Fritz. Er hat schon in vielen Folkgruppen mitgewirkt, hier gönnt er sich ein Soloprojekt mit Liedern, die sich über die Jahre so angesammelt haben. Es ist ein vielfältiges Album geworden, mit Geschichten vom Treibenlassen, der Elbe, vom Bahnhof in Tanna, einer Zugfahrt nach Brašov in Siebenbürgen und der Vorbereitung auf die letzte große Reise, die wir alle antreten müssen. Abschiede verschiedener Art und Gedanken aus der Ferne gehören natürlich ebenfalls zum Reisen. Eine Thüringer Waldzither und die Mundharmonika begleiten ihn auf diesen Fahrten sowie eine Gruppe von Musikerinnen – zum Beispiel seine Töchter – und Musikern, mit denen er auch schon bei anderen Projekten zusammengespielt hat. So vielfältig seine Umtriebigkeit auf dem Album ist, so vielschichtig ist auch die Musik. Schlichte, reduzierte, melancholische Songs, mitreißende Rhythmen, bei denen man das Tempo der Eisenbahn erlebt, und irische und andere wilde Klänge sind zu hören. Ein Album, das Lust an der Entdeckung und der Neugier vermittelt und Freude beim Hören macht.
Rainer Katlewski

 WOLFGANG MÜLLER: Die sicherste Art zu Reisen
WOLFGANG MÜLLER
Die sicherste Art zu Reisen
mueller-musik.de
(Fressmann/Indigo)
11 Tracks, 33:46


Gut, dass Wolfgang Müller sich hat überzeugen lassen. Nach fünf Alben, ein paar Kinderliedern und Beiträgen auf Samplern war er, eine Eminenz unter den aktuellen Hamburger Liedermachern – erstmal – mit allem durch, und man hörte nichts. Doch sein Freund, der Gitarrist Dinesh Ketelsen, bekannt von den Hamburger Formationen The Jeremy Days und Nationalgalerie, riet ihm, weiterzumachen, aber anders. Und zwar größer. Zu Müllers Stimme, angenehm leicht heiser und kratzig, und intimer Gitarre gibt es nun Klavier, Streicher, Querflöten, Saxofon, Orgeln und Chor. Trotz der orchestralen Ausweitung wirkt nichts aufgesetzt, sondern rund, heiter und intelligent mit originell platzierten Instrumenten. Die Texte zeugen – wie schon vorher – von einer empathischen Haltung der Welt gegenüber, in der Müller vieles sieht und Allgemeinplätze vermeidet. Gleichzeitig bieten sie durch poetische Freiräume genug Platz für eigene Deutungen – und Überraschungen. Im Titelsong entwirft er eine Lebenshaltung und vergleicht sie mit einem „Schwarzer-Block-Schlager“. Oder singt in „Brachland“: „… auf einmal merkst du: Elefant reimt sich auf elegant.“
Imke Staats
 PINHAN TRIO: Hidden Songs Of Anatolia
PINHAN TRIO
Hidden Songs Of Anatolia
facebook.com/pinhantri
(Seyir Muzik Records 2GN004/Galileo)
10 Tracks, 42:39 , mit türk. Texten, engl. Übers. u. engl. Infos


Das muss man erst einmal fertigbringen, fünf Jahre bei einem Meister zu wohnen, nahezu besitzlos, für ihn einzukaufen und zu kochen, nur um ihm die Geheimnisse seines Instruments zu entlocken. Das klingt vielleicht nach passionierten Indern und ihrem Ustad, doch die, von denen hier die Rede ist, sind zwei Deutsche aus Osnabrück. Der Lehrer ist der Türke Talip Özkan, das Instrument die Langhalslaute Bağlama und der Ort des Geschehens Paris. Inzwischen haben Malte und Benjamin Stueck allerdings eine Schule für anatolische Musik in Hamburg eröffnet und zusammen mit Maltes Frau Nilgün Aksoy dieses feine Album eingespielt. Auf dem intonieren sie ernsthaft, authentisch und abwechslungsreich Melodien aus den verschiedenen Teilen Anatoliens sowie aus Thrakien und Aserbaidschan. Gastauftritte haben Ertan Tekin (Duduk), der umtriebige und äußerst kreative Oğur Önür (Kemane), Emre Gültekin (Tanbur) sowie der Vater der Stueck-Brüder, Ernst Poets (Klavier). Ob sich der Wunsch der Musiker erfüllt, mit dem Werk viele Menschen für die anatolische Musik zu begeistern, ist nicht ausgemacht. Doch diejenigen, die sie bereits lieben, fühlen sich in ihrer Liebe sicher bestätigt.
Ines Körver

 STARING GIRL: In einem Bild
STARING GIRL
In einem Bild
staring-girl.de
(Kombüse)
12 Tracks, 54:01


Zuerst ein bisschen Stimmung, Melodie und Rhythmus, gern leicht melancholisch. Dann erzählt Stefan Nibbes Stimme beiläufig von alltäglichen Gefühlen und Beobachtungen, die man so macht, die jeder kennt in der Stadt, Leute auf der Straße, der Blick vom eigenen Balkon, im eigenen Badezimmer, wo noch die gemeinsame Zahnbürste steht, „allein im Zahnputzbecher und spricht von Zweisamkeit“ (in „Viertel vor Nichts“). Dann setzen die zum Teil ungewöhnlichen Instrumente nach (zum Beispiel Vibrafon, Klarinette, Flügelhorn, Posaunen) und machen den Alltag zum emotionalen Erlebnis. Doch wie Nibbes Stimme, die meist auf einem Level verharrt, bleibt es norddeutsch maßvoll, eher beobachtend und nachdenklich als pathetisch überwältigend. Eine bewegt-ruhige Platte. Der Sound changiert zwischen etabliertem alternativem Songwritertum, Americana und Rock. Die Fünf-Mann-Band aus dem Dunstkreis von Gisbert zu Knyphausen nahm In einem Bild über Jahre auf, zum Teil in einem nordfriesischen Dorf, mit vielen Gästen. Herausgekommen ist ihre erste Platte nach vier Jahren Pause bei Kombüse, dem Label der Hamburger Küchensessions, welche seit Jahren Singer/Songwriter in kleinen Musikvideos im Netz präsentieren.
Imke Staats
 THOMAS STRAUCH : Unten auf dem Gerstenberg
THOMAS STRAUCH
Unten auf dem Gerstenberg
thomasstrauch.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 41:58 , mit Texten


Als Liedermacher kann man wirklich nichts Neues mehr erfinden, oder? Irrtum. Ein Künstler wie Thomas Strauch ist vermutlich ohne Vergleich. Die Art des Gesangs – Reinhard Mey? Nein, Hannes Wader, nein, Grebe, nein, auch nicht. Thomas Strauch klingt nach Thomas Strauch, nach sonst niemandem. Was für die Klangfarbe gilt, gilt ebenso für die Songs. Ist das nicht ähnlich wie Schobert und Black? Nein, eher Stoppok, oder? Da klingt doch Ougenweide durch. Nein, irgendwie ist es doch Thomas Strauch und sonst nichts. Die musikalische Besetzung mit Mandoline und Dudelsack hat dementsprechend konsequent keinerlei keltische Elemente und klingt eher nach guter alter ostdeutscher Folklore. Die Balladen berühren Wiegenlieder und Pfadfinderliedgut. Sogar die Instrumentals klingen nach Liedermacher. Strauch versucht auch nicht, künstlich originell zu sein. Unten auf dem Gerstenberg hätte so, wie es ist, auch in den Siebzigern veröffentlicht werden können – oder eben heute, denn das Album klingt durchgängig zeitgemäß. Ein reinrassiges Liedermacheralbum mit neuen Impulsen? Hier. Man kann dem Künstler gar nicht genug danken dafür.
Chris Elstrodt

 TOKUNBO: The Swan
TOKUNBO
The Swan
tokunbo.de
(Yoruba Girl Record TO-005/Soulfood)
11 Tracks, 45:14 , mit Texten


Warum wir beim Eurovision Song Contest seit Jahren Mittelmaß ins Rennen schicken, bleibt wohl ein ewiges (kommerzielles) Geheimnis. Dabei ist es gar nicht so schwer, große Künstler in diesem Land zu finden, Tokunbo zum Beispiel. Die ersten Gehversuche unternahm die Sängerin als Teil der Soultruppe Tok Tok Tok. Dem Acoustic Soul ist Tokunbo auch auf ihrem zweiten Soloalbum The Swan treu geblieben. Bereits der Opener begibt sich in gute Nachbarschaft zu Bands wie Friend N Fellow. Die ersten Klänge eines akzentuierten Gitarrenspiels bauen eine Spannung auf, die durch die warme Klangfarbe der Künstlerin aufgelöst wird. Im weiteren Verlauf des Albums steigt der Serotoninpegel des Hörers stetig. Jede einzelne Komposition wurde sorgfältig geschliffen und behutsam in Szene gesetzt, wie man es mit Edelsteinen macht. Alles an diesem Album ist pure Schönheit – die Stimme der Sängerin, die Texte, die filigranen Kompositionen, die überragende Tonqualität und das perfekte Zusammenspiel der Musiker. Der Fokus liegt dabei weniger auf der Produktion exponierter Hitsingles als vielmehr auf einem abgestimmten Hörerlebnis des ganzen Albums. Dadurch wird The Swan zu einem Werk, das man mehrfach vollständig genießt, das das Vertraute vertieft und bei dem man jedes Mal Neues entdeckt.
Chris Elstrodt
 WENDRSONN: Ondrwägs live
WENDRSONN
Ondrwägs live
wendrsonn.de
(Brother Records)
16 Tracks, 78:58 , mit Fotos u. dt. Infos


Und noch ein Livealbum, das sich denselben Fragen stellen muss wie das von Cara weiter vorne. Und auch hier die gleichen Antworten: Zusammenspiel der Musiker, Raumklang der Halle, Applaus des Publikums und zusätzlich die eine oder andere Anmoderation eines Stückes, wenn auch nicht durchgängig. Der Mitschnitt beginnt nicht wie das im Artikel über Wendrsonn im Folker 2/2017 erwähnte Konzert mit „Dorfdisco“, sondern wie das Album Geile Zeit (siehe Rezension in Folker 2/2016) mit „Honey“. Hier gibt es ein paar neue Stücke, aber leider auch keine Texte im Beiheft, dafür eine Menge Bandfotos. Es ist vielleicht in erster Linie ein Album für die, die schon Fans dieser schwäbischen Mundart-Rock-Country-Blues-Folk-Band sind und die Stimmung eines Konzertes ein wenig nachempfinden wollen. Wer sich mit den interessanten, oft lustigen, oft auch nachdenklichen Texten auseinandersetzen will, greife lieber zu den Studioaufnahmen. Wie auch bei Cara bietet das Erlebnis eines Konzertes mit lebenden Musikern vor sich auf der Bühne den höchsten Musikgenuss, den Livealben zwar widerspiegeln, aber nie erreichen. Auf jeden Fall macht diese Scheibe Lust auf das nächste Konzert von Wendrsonn und somit gute Werbung.
Michael A. Schmiedel

Europa
 BAYOU SIDE: Unbound
BAYOU SIDE
Unbound
bayou-side.com
(Three Saints Records 170401)
12 Tracks, 47:46 , mit engl. Infos


Akustischen Blues aus Österreich spielen Hubert Dorigatti (Gesang, Gitarre, Mundharmonika), Klaus Telfser (Bass, Gesang) sowie Christian Unterhofer (Schlagzeug, Percussion, Gesang). Es ist erst die zweite Produktion der Südtiroler Musiker und schon eine sehr gelungene und zeitgemäße. Präsentiert wird sie im schönen Digipack mit frischem Design. Als Gastsängerinnen sind Marion Feichter, Laura Willeit und Irmi Amhof dabei. Unterstützung bei einem Titel gibt Giulio Brouzet an der Mundharmonika. Die meisten Texte stammen von Volker Kinast, die Musik von Hubert Dorigatti, ein Titel von Blind Lemon Jefferson. Das Trio überzeugt mit gefühlvoller Resonatorgitarre und warmen Stimmen. An dem Mix aus Mississippi Blues, Jazz, Shuffle und Swing muss man einfach Freude haben. Auch live dürften die drei Herren eine Entdeckung sein und deshalb eine Reise wert. Im Juli sind sie auch in Deutschland bei Festivals unterwegs. Also hinfahren, zuhören und genießen.
Annie Sziegoleit
 KRISTOFFER BOLANDER: What Never Was Will Always Be
KRISTOFFER BOLANDER
What Never Was Will Always Be
de-de.facebook.com/kristofferbolander
(Tapete TR400/Indigo)
Promo-CD, 12 Tracks, 42:51


„Was kommt als Nächstes?“, ist vermutlich die meistgestellte Frage beim ersten Durchlauf von What Never Was … Wie ein Zauberer zieht der Schwede bei jedem Track neue Überraschungen aus dem Hut, gleichbleibend lediglich seine einzigartig hohe und zugleich samtweiche Stimme. Kristoffer Bolander galoppiert einmal quer durch den Indie-Folk-Kosmos. Mancher Song erinnert an die melancholische Welt von Cigarettes After Sex, der nächste Song folgt dem Spannungsaufbau eines Coldplay-Songs. Wieder ein anderes Stück lässt Arcade Fire durchscheinen, und nicht zuletzt finden sich Countryrockelemente, die auch Tom Petty gut gestanden hätten. Schwere Rockballaden werden nur durch den gesanglichen Einsatz des Künstlers zu Popperlen. Elektropopelemente verdichten die musikalische Atmosphäre, bis der Hörer glaubt, die Songs greifen zu können. Der Zauberer Bolander dirigiert Musik und Publikum, wie es ihm beliebt. Das Album wirkt bei aller Vielfältigkeit der einzelnen Kompositionen in sich geschlossen und einer geheimen Choreografie folgend, wie ein Film ohne Bilder. Ob wuchtige Soundwände oder leise Balladen, jeder Song befindet sich genau am passenden Platz, und wie es bei Zauberern so üblich ist, sind das eben selten die erwartbaren Plätze.
Christian Elstrodt

 DANNY BRYANT: Revelation
DANNY BRYANT
Revelation
dannybryant.com
(Jazzhouse Records JHR148/In-Akustik)
9 Tracks, 48:17


Ein Freund bescheidenen Auftretens war Danny Bryant noch nie, und zu seiner im Bluesrock gründenden, sehr energischen Spiel- und Singweise würde das auch nicht passen. Allerdings lässt das in Schwarz- und Weißtönen gehaltene Booklet des Albums schon erahnen, was durch den Inhalt bestätigt wird. „Dieses Album widme ich in immerwährender Liebe meinem Vater Ken“, heißt es dort. So gibt es denn nachdenkliche Töne, und textlich verarbeitet der Sänger eine Vielzahl an Erinnerungen und Emotionen. Rein musikalisch stellt dieses Album einen großen Schritt in der Entwicklung Bryants dar, der stete Wechsel zwischen Bluesrockgitarre und Piano (Richard Hammerton) gelingt vortrefflich. Immer wieder greifen Trompete, Posaune oder Saxofon die Melodielinien auf oder setzen einen markanten Gegenpart zu Bryants Gitarrenspiel und Gesang. Bereits auf seinem letztjährigen, hochgelobten Livealbum Big begann die Zusammenarbeit mit einer Bläsersektion, die nun hier ihre Fortsetzung findet. Es scheint so, als hätte Danny Bryant damit seinen Sound gefunden. Vor allem bei den Mid-Tempo-Bluesnummern gelingen ihm so wundervoll runde, volle und emotionsgeladene Songs mit sehr starkem Ausdruck.
Achim Hennes
 JOSIENNE CLARKE & BEN WALKER: Seedlings All
JOSIENNE CLARKE & BEN WALKER
Seedlings All
josienneandben.com
(Rough Trade RTRADCD898/Beggars Group/Indigo)
11 Tracks, 39:21 , mit engl. Texten


Da landet das englische Duo mit seinem letzten Album bei einem größeren Label, das Budget erlaubt einen aufwendigeren Sound, die Kritiken sind auch nicht übel (siehe Folker 1/2017) – wohl aber die Verkäufe. Warum ist das so, und was kann man machen? Während der erste Teil der Frage schwer zu beantworten ist, waren für die Songschreiberin Josienne Clarke die Konsequenzen klar. Sie macht die ganze Schizophrenie des Musikerdaseins zum Thema des aktuellen Werks. Heute Zugaben ohne Ende, morgen Null Besucher beim Konzert – ist das wirklich den ganzen Einsatz wert? Fazit: „Make your peace with failure, a lesson that you learn …“, ein Zitat aus dem Popsong „Chicago“. Der Rest ist so nebelverhangen, swingend und atmosphärisch wie üblich, mit filigranen Streicherarrangements von Ben Walker, alles allerdings insgesamt stimmiger als zuvor. „All Is Myth“ hat sogar dezente Spuren von „Sounds Of Silence“. Und über allem Clarkes bemerkenswerter Gesang. Für diese Musik muss es doch ein Publikum geben.
Mike Kamp

 RAY COOPER: Between The Golden Age & The Promised Land
RAY COOPER
Between The Golden Age & The Promised Land
raycooper.org
(Westpark Music 87368/Indigo)
10 Tracks, 47:05 , mit Texten u. dt./engl. Infos


Das dritte Soloalbum des ehemaligen Oysterband-Cellisten, und es ist sonnenklar, der Mann hat seinen eigenen Stil. Während bei den beiden Vorgängern noch befreundete Musiker aushalfen, macht Cooper hier musikalisch alles alleine, bis auf das Mixing und Mastering, da hilft Ex-Oyster-Kollege Al Scott aus. Aber ansonsten sitzt Cooper in seinem Studio in Schweden mit dem schönen Titel The Love Shack und werkelt mit Piano, Gitarren, Cello, Mandoline, Mundharmonika, Bass und Percussion vor sich hin. Plus Gesang natürlich, denn das hier sind acht eigene Songs und zwei Traditionals. Diese Konstellation ergibt schon fast zwangsläufig einen eigenständigen, in gewisser Weise kargen Sound. Bei den Themen und ihrer Bearbeitung bleibt Cooper auch abseits populärer Pfade. Ob es um die Lage der Flüchtlinge oder seine Töchter geht, um einen unbeschwerten Sommer gleich nach dem letzten Schultag, um Venedig oder die unbekannten Soldaten, die natürlich auch Namen hatten, fast immer findet Cooper ungewöhnliche und spannende Blickwinkel. Und nicht nur das, auch die musikalischen Bearbeitungen und Themen sind eingängig und, ja, eigen. Ein ganz klares Kompliment.
Mike Kamp
 THE DEAD BROTHERS : Angst
THE DEAD BROTHERS
Angst
deadbrothers.com
(Voodoo Rhythm Records VRCD106/Cargo)
Promo-CD, 13 Tracks, 38:49


Die Dead Brothers sind so eine Art Zirkuskapelle ohne Zirkus. Man könnte sich gut vorstellen, wie sie ihre Musik spielen, während in der Manege waghalsige Dressuren gezeigt werden. Doch bisher ist ein derartiger Zirkus, in dem die Dead Brothers spielen dürften, noch nicht erfunden, und so erklingt ihre eigenbrötlerische Musik, in der Chanson, Blues, Punk, Folk, Stubenmusik und Jazz zu einem einzigartigen Amalgam vermischen – obendrein gesungen auf Englisch, Französisch oder Schweizerdeutsch – an all jenen Orten, wo man sie lässt. Gespenstisch klingt ihre Musik, wozu sicher auch die Instrumentierung ihrer Songs (oder Lieder?) mit Klimperklavier, akustischer Gitarre, Tuba, Trompete, Akkordeon, Geige oder auch Dudelsack beiträgt. Die Dead Brothers sind Troubadoure, die eine archaische, gesamteuropäische Folklore als ihren Nährboden betrachten, um eine moderne Hillbillymusik zu erschaffen. Nun, die Dead Brothers sind aus der Schweiz, und manchmal schimmern in ihrer Musik tatsächlich Alpenmelodien hindurch, nur wird daraus bei ihnen eben Blues. Ein in Schweizerdeutsch gesungener Blues.
Michael Freerix

 XABIER DÍAZ & ADUFEIRAS DE SALITRE: Noró (Algunhas Músicas Do Norte)
XABIER DÍAZ & ADUFEIRAS DE SALITRE
Noró (Algunhas Músicas Do Norte)
xabierdiaz.com
(Músicas de Salitre/Galileo MC)
13 Tracks, 56:06 , galic. Texte + Infos


Kürzlich auf recht großer Deutschlandtour ist der exzellente Sänger, Percussionist und Folkloreforscher mit seinem Ensemble aus Percussionistinnen und Sängerinnen sowie den Brüdern Gutier und Javier Álvarez (Drehleier, Geige, Akkordeon, Piano) nun erneut auf einem Album zu belauschen. Diese zweite Studiozusammenarbeit ist wieder rundum geglückt und vor allem beglückend wie sein ebenso hervorragender Vorgänger The Tambourine Man von 2015, an den dieses Album stilistisch anknüpft. Eine Hommage an den Norden wird schon im Titel verkündet – vermutlich an den Spaniens, der soziokulturell so viel enger mit Portugal und anderen lusofonen Welten assoziiert ist als mit dem Rest des Landes. Bei aller sachkundigen Traditionsverbundenheit atmet Díazʼ Musik auch stets etwas Zeitgenössisches, ja, Zeitloses, wie zum Beispiel gleich der titelinspirierende Opener „O Baile De Noró“ oder die fast jazzig anmutende Folkballade „Ronda Dos Amores“. Als ein Seelenverwandter von Kollegen wie Eliseo Parra entpuppt sich der Galicier im „Pasodobre Dos Olvidados“. Ein Hochgenuss für alle Freunde moderner, luftdurchlässiger Folkmusik.
Katrin Wilke
 PHILIPP FANKHAUSER : I’ll Be Around – The Malaco Session
PHILIPP FANKHAUSER
I’ll Be Around – The Malaco Session
philippfankhauser.com
(Funk House Blues Productions 92117000002/Membran)
15 Tracks, 67:55 , mit engl. Texten u. Infos


In einem herausragend gestalteten Digipack präsentiert der Schweizer Blues- und Soulmusiker, Gitarrist und Songschreiber eine Perle des Blues. Der 54-Jährige ist nicht nur auf den Bühnen Europas, sondern auch als Musikjournalist und im Fernsehen als Jurymitglied und Coach in der Gesangscastingshow The Voice of Switzerland aktiv. Die Titel seines neuen, bereits fünfzehnten Albums, auf dem die ganze Breite seiner musikalischen Qualitäten voll zur Geltung kommt, wurden im Juli 2017 in Jackson, Mississippi, aufgenommen. Produzenten sind Dennis Walker und Wolf Stephenson. Zusammen mit Fankhauser haben sie exzellente Songs ausgewählt, darunter „Horse Of A Different Color“ und „Catch Up With The Blues“, die ebenso wie „I’ll Be Around“ und „My Dog And Me“ starke Akzente setzen. Auch alle Bandmitglieder stellen perfekt ihr Können unter Beweis: Marco Jencarelli (Gitarre), Hendrix Ackle (Klavier und Orgel), Angus Thomas (Bass), George Lwarence (Schlagzeug), Tom „Bones“ Malone (Posaune, und er ist für die Arrangements der Bläserfraktion verantwortlich), Vinnie Ciesielsky und Steve Herrmann (Trompete), Doug Moffat, Jim Horn und Dennis Solee (Saxofon) und als Sängerinnen The Shoals Sisters. Eine rundum gelungene Produktion.
Annie Sziegoleit

 FERD: Music Without Borders
FERD
Music Without Borders
grappa.no
(Heilo HCD7324/Galileo Music)
12 Tracks, 57:00 , mit engl. Texten u. Infos


Hier erklingt Weltmusik im wahrsten Sinne des Wortes. 52 Musiker aus 18 Ländern haben in drei Jahren ein einzigartiges Album mit einer weltumspannenden musikalischen Sprache erschaffen. Ausgangspunkt sind die bis heute meist mündlich überlieferten Melodien und Gesangsstile des südnorwegischen Setesdal. Ferd ist daher auch nicht Name einer Gruppe, sondern bezeichnet auf Norwegisch den „Prozess“ dieser künstlerischen Reise. Das an der Universität in Kristiansand initiierte Forschungsprojekt sollte herausfinden, wie andere Kulturen auf die musikalische Tradition Norwegens antworten. Dazu wurden die vier einflussreichsten Kenner der Folkszene Setesdals, die Sängerin Kirsten Bråten Berg, die Virtuosen auf der achtseitigen Hardangerfiedel Hallvard Bjørgum und Gunnar Stubseid sowie der Maultrommelspieler Sigurd Brokke engagiert. Diese sendeten Video- und Audioaufnahmen von zwölf traditionellen Stücken an Künstler in Asien, im Nahen Osten, im Kaukasus, in Persien und Europa. Das Ergebnis des Austausches über Internet, in persönlichen Treffen und Workshops ist atemberaubend, oft weit entfernt von dem Originalmaterial, mit eigenen Rhythmen und Klängen – einfach Musik ohne Grenzen.
Erik Prochnow
 ARNAUD FRADIN & HIS ROOTS COMBO: Steady Rollinʼ Man
ARNAUD FRADIN & HIS ROOTS COMBO
Steady Rollinʼ Man
rootscombo.com
(Blues Productions BPCD17-001/Broken Silence)
12 Tracks, 55:50


Den Franzosen wird nachgesagt, kein Englisch zu können. Und wenn einer doch über einen guten Wortschatz verfügt, spottet die Betonung jedem Sprachlabor. Soweit das Klischee. Bei Arnaud Fradin (voc, g) handelt es sich allerdings um einen Franzosen, der alle Spötter zum Schweigen bringen kann. Seine Stimme klingt so authentisch wie die Musik, die er mit seiner dreiköpfigen Rootscombo vorträgt. Dabei handelt es sich in erster Linie um den Blues der alten Meister. Stücke von Robert Johnson, Muddy Waters und Skip James hat er beispielsweise ausgewählt. Dazu kommen neuere Kompositionen wie „Donʼt Let Nobody Drag Your Spirit Down“ von Eric Bibb und „Good Morning Love“ von Luther Allison. Und mit Dylans „Donʼt Think Twice Itʼs All Right“ wagt sich das Quartett aus Folkreich auch ins Frankreich vor – oder umgekehrt. Mit Thomas Troussier glänzt ein erstklassiger Harpspieler, und die Rhythmussektion aus Igor Pichon (b) und Richard Housset (perc) versteht ihr Geschäft blendend. So ist etwa in Buddy Guys „Donʼt Leave Me“ die Schwärze mit Händen zu greifen, da Fradin und Kollegen das Stück in Zeitlupe und extrem zurückgenommen angehen. Kein Zweifel – ein Bluesalbum voll tief empfundener Musikalität.
Volker Dick

 LATIN QUARTER: Pantomine Of Wealth
LATIN QUARTER
Pantomine Of Wealth
latinquartermusic.com
(Westpark Music/Indigo)
13 Tracks, 39:02 , mit Texten


Wenn es je eine Band und einen Sänger gegeben hat, die tanzbare, hitverdächtige Musik mit explizit politischen Aussagen in den Lyrics spielt, dann sind das die 1983 gegründeten Latin Quarter. Der charismatische Sänger und Gitarrist Steve Skaith, dessen Stimme gelegentlich an Al Stewart erinnert, bringt mit seiner Formation handgemachten akustischen Rock und Folkpop auf die Bühne. „Radio Africa“ (vom 1983 veröffentlichten Album Modern Times) war der große Hit der Band, die in den Neunzigerjahren weg vom Fenster war, sich 2011 wieder zusammenfand und seitdem vier Alben einspielte. Die aktuelle Besetzung besteht neben Skaith aus Steve Jeffries (Keyboard, Gesang), Richie Stevens (Drums), Yo Yo Buys (Bass) und Mary Carewe (Gesang). Die Songs des aktuellen Albums wurden mehrheitlich von Skaith geschrieben, zwei Lieder steuerte das frühere Bandmitglied Mike Jones bei. Mit den ausgetüftelten, immer wieder überraschenden Arrangements sowie Melodien, die ausnahmslos Ohrwurmqualität aufweisen, zeigen Latin Quarter, dass eingängige Musik und politischer Klartext sich nicht ausschließen müssen. Auch nicht, wenn es um den Drogenkrieg in Mexico geht oder um die Angst vor Bombenanschlägen in London.
Ulrich Joosten
 MODUS QUARTET: Facing East
MODUS QUARTET
Facing East
facebook.com/ModusQuartet
(CLP-Music CLP 021/Broken Silence)
9 Tracks, 46:16 , mit engl. Texten u. Infos


Wer gegen Jazz allergisch ist, sollte um dieses Album einen großen Bogen machen. Alle anderen freilich werden reich belohnt. Gleich in den ersten Takten wird klar, wofür das Herz der syrisch-armenischen Sängerin Houry Dora Apartian schlägt. Es ist ein vokaler Jazz, der die unterschiedlichsten Gefühle zu transportieren vermag und bei dem Melodie und Improvisation zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen. Apartian scattet erst einmal die Skalen rauf und runter – ein bisschen wie Aziza Mustafa Zadeh, nur weniger hektisch –, um dann fast unbemerkt in ein armenisches Volkslied einzumünden. Damit gibt sie die Richtung vor in eine hochvirtuose imaginäre Folklore, die mit dem Etikett „Oriental Jazz“ nur unzureichend beschrieben ist. Das liegt sicher auch daran, dass ihre Mitmusiker alle beachtliche eigene musikalische Expertise mitbringen, als da wären: der Italiener Antonello Messina am Akkordeon, der Schweizer Lorenz Beyeler am Bass und der Israeli Omri Hason an diversen orientalischen Percussioninstrumenten sowie bei zwei Stücken am Hang. Da scheinen mal die Tangoerfahrung Messinas, mal Fetzen von Jazzklassikern durch, und immer wieder entsteht ein Flow wie bei Pat Metheny in seinen besten Zeiten.
Ines Körver

 PIERINO E I LUPI: Pierino E I Lupi
PIERINO E I LUPI
Pierino E I Lupi
pierinolupi.ch
(Narrenschiff NAR2017121)
20 Tracks, 71:00


Bei Sergei Prokofjew rettet Peter den Wolf vor den Jägern. Was aber, wenn die Wölfe im Rudel den Kleinen anschleichen? Keine Angst, die Lupi („Wölfe“) sind liebenswerte Tiere, die ihn aus dem Klangwald retten möchten. Doch wie soll das gehen, wenn Isegrim Simone Mauri zum Auftakt im „Angstholz“ eine hübsche Volksweise auf der Klarinette anstimmt und seine Freunde ihn dauernd mit jazzigen Einsprengseln stören? Auf dem Weg erbeuten Mauri mit dem Leitwolf und Komponisten Peter Zemp (Akkordeon, Piano) und dem Percussionisten Santo Sgrò ein Füllhorn an Musikstilen: Musette, Klezmer, Volksmusik, und, je länger das Album dauert, immer mehr Jazz. Für die Aufnahmen hat sich das Tessiner Trio mit Clara Zucchetti (Vibrafon), Zeno Gabaglio (Cello) und Giancarlo Nicolai (elektrische Gitarre) zusammengetan. Pierino ist hingerissen vom Zauberwald der Klänge. Beim östlich angehauchten „Paprika“, das sich zur „Orgia A“ auswächst, weiß er nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. Und wenn zum Schluss in Nino Rotas „Amarcord“ von weitem eine Stimme „Voglio Una Donna“ heult, ist es um ihn geschehen. Jetzt weiß er, dass ungewöhnlich orchestrierte Stücke mit unbekanntem Ausgang viel mehr Spaß machen als Absehbares.
Martin Steiner
 PLANXTY: One Night in Bremen
PLANXTY
One Night in Bremen
mig-music.de
(Made In Germany Music Gmbh, licensed by Radio Bremen, MIG02062CD)
12 Tracks, 60:40


Ironischerweise liegt dieses Album auf meinem Schreibtisch, als die Nachricht von Liam OʼFlynns Tod eintrifft. Der legendäre Uilleann Piper, der weltweit die Spieler dieses Instruments inspirierte und alle anderen, die irische Musik hören, mit seiner brillanten Tongebung und Emotionalität begeisterte, starb mit 72 Jahren (siehe Rurik „Halbmast“ auf Seite 17 dieser Ausgabe). Die Band Planxty, von der neben den prägenden Uilleann Pipes Donal Lunny an der Bouzouki, Andy Irvine an der Mandola und Sänger Christy Moore heute gleichermaßen Ikonenstatus haben, wird in der Geschichte des neueren Folkrevivals ein Meilenstein bleiben, von dem noch lange die Rede sein wird. Radio Bremen veröffentlicht jetzt die Aufnahme eines Livekonzerts in der Unimensa Bremen, wo Planxty 1979 zusammen mit Flötist Matt Molloy gastierten und ein grandioses Konzert ablieferten. Das Ganze kommt in sehr guter, warmer Live-Audio-Qualität, mit allen kleinen Stimmungenauigkeiten und eingestreuten Kommentaren der Musiker daher. Elektrische Atmosphäre und Begeisterung bei Publikum wie den Musikern ist spürbar. Wunderschön, ein Muss für Planxty-Fans und auch eine sehr geeignete Einstiegsdroge für die Band, falls man sie tatsächlich noch nicht kannte.
Johannes Schiefner

 ETTA SCOLLO: Il Passo Interiore
ETTA SCOLLO
Il Passo Interiore
ettascollo.de
(Jazzhaus Records JHR151/in-Akustik)
11 Tracks, 46:30 , mit Texten u. dt. Übersetzungen


Il Passo Interiore, „der innere Schritt“, ist für die Sizilianerin „die Reise des inneren Monologs, das individuelle, ganz subjektive Fühlen der Realität einer und eines jeden“. Der innere Schritt bestimmt, wie die Menschen äußeren Einflüssen begegnen. Dabei greift Etta Scollo auf geschichtliche Ereignisse und literarische Zeugnisse zurück. Die Themen: die Gefühle von Hinterbliebenen der Opfer eines Grubenunglücks, die innere Migration des ungarischen Komponisten Ligeti während der sowjetischen Besatzung, die Gedanken des Holocaustüberlebenden Shlomo Venezia oder die Ansprache von Giusi Nicolini, der ehemaligen Bürgermeisterin von Lampedusa. Starker Tobak? Zweifelsohne. Das Album ist ein Appell an die Menschlichkeit. Das Wort und die Stimme stehen im Vordergrund der kammermusikalischen Produktion. Neben Scollo, die auch Gitarre spielt, prägt vor allem das Cello von Susanne Paul das Klangbild. Weiter mit dabei sind Cathrin Pfeifer (Akkordeon), Hinrich Dageför (Saiteninstrumente, Percussion), Ferdinand von Seebach (Klavier) und weitere Gäste. Cécile Kempenaers (Sopran), Matthias Jahrmärkte (Bariton) und Tom Heiß (Bass) bereichern das eher zurückhaltende Klangbild mit Chorsequenzen.
Martin Steiner
 WINDSTREKEN: Folies
WINDSTREKEN
Folies
windstreken.wordpress.com
(MW Records CUP8065/Galileo Music)
13 Tracks, 59:56 , mit engl. u. niederl. Texten u. Infos


Bereits seit vierzehn Jahren spielt das niederländische Ensemble Jazz und Weltmusik auf höchstem Niveau. Auch auf ihrem fünften Werk präsentieren die sieben Musiker, die sich zu Deutsch „Windrichtungen“ nennen, vorwiegend eigene Stücke. Ob an Trompete, Saxofon, Flügelhorn, Klavier, Harmonium, Cello, Ud, Flöte oder Percussion, Folies ist eine Demonstration erstklassigen Könnens und tiefgehender musikalischer Improvisationen. Besonders hervorzuheben sind die einfühlsamen Beiträge der klassisch ausgebildeten Sopranistin Nicole Jordan. Für seine Kompositionen greift das Ensemble auf eine große Bandbreite an Einflüssen zurück. So basiert zum Beispiel das Stück „Prelude“ auf dem „Wohltemperierten Klavier“ von Johann Sebastian Bach während „Barq“, die Vertonung eines Gedichtes von Ibn Al-Muʼtaaz aus dem neunten Jahrhundert ist und „Lamma Bada Yatathanna“ arabische und andalusische Musik vereint. Auf dem Album finden sich aber auch afrikanische Rhythmen kombiniert mit Jazzstandards, Socagrooves, Reminiszenzen an den Komponisten Henrich Reinis aus dem achtzehnten Jahrhundert oder sogar der Versuch eines Popsongs. Ein exzellentes Album für das man sich Zeit nehmen sollte, um es zu entdecken.
Erik Prochnow

Nordamerika
 TIM EASTON: Paco & The Melodic Polaroids
TIM EASTON
Paco & The Melodic Polaroids
timeaston.com
(Campfire Propaganda Records CPLP005)
10 Tracks, 32:32


Warum sollten Gitarren keine Namen tragen? Man muss ja nicht B. B. King heißen, um sein Instrument taufen zu dürfen. Die Bezeichnung Gibson J-45 klingt jedenfalls ziemlich nüchtern, „Paco“ dagegen nach einem Kumpel, mit dem man durch dick und dünn geht. So nennt der Singer/Songwriter Tim Easton aus Nashville seine schwarze Sechssaitige, die ihn rund um die Welt begleitet und ihre Robustheit in so mancher Fußgängerzone bewiesen hat. Zum Dank bleibt Paco nun im Titel des Albums verewigt, das Easton mit museumsreifer Technik in Mono aufgenommen hat, nur ein RCA-Mikrofon von 1940 zur Abnahme des Signals, das dann live auf Lackfolie mitgeschnitten wurde. Keine Korrekturen möglich. Der Künstler meistert das mit der ganzen Routine des Straßenmusikers. Seine Songs leben von Blues, Bluegrass, Folk und traditionsreichem Country. Ob er eine Hommage an Elmore James singt, Jimmie Rodgers covert oder Eigenes vorträgt – er bleibt authentisch, mit prägnanter Stimme, erdiger Gitarrenbegleitung und ausdrucksstarkem Mundharmonikaspiel. Tim Easton kündet von schmerzlichen Erfahrungen. Dennoch scheint er jemand zu sein, der eher nach vorn schaut: „I left my home in 92 / And I never cross a river twice.“
Volker Dick
 BUFFY SAINTE-MARIE: Medicine Songs
BUFFY SAINTE-MARIE
Medicine Songs
buffysainte-marie.com
(True North Records TND681/Alive)
13 Tracks, 49:15 , mit engl. Texten


In ihrer fünfzig Jahre langen Karriere hat Buffy Sainte-Marie unzählige Lieder geschrieben, die Krieg, Unterdrückung, Klimawandel, Ungleichheit und das Schicksal der nordamerikanischen Ureinwohner zum Thema haben. Einige von ihnen, darunter Klassiker wie „My Country ʼTis Of Thy People Youʼre Dying“, „Universal Soldier“ und „Soldier Blue“ hat Sainte-Marie hier mit zeitgemäßer Instrumentierung eingespielt, um ihnen aus heutiger Perspektive ein neues Leben zu geben. Hinzu kommen zwei neue Songs. Der Titel Medicine Songs beschreibt das Motto des Albums sowie von sieben Downloadextras. Die Kanadierin will nicht nur protestieren, sondern Ermutigung gegenüber dem Zynismus unserer Zeit bieten. „You Get To Run (Spirit of the Wind)“, eine Gemeinschaftskomposition mit der Inuitsängerin Tanya Tagaq, ist einer der beiden neuen Songs. Es geht um die Überwindung von Widerständen, allen Widrigkeiten zum Trotz. Das Lied wird von treibenden indianischen Trommelschlägen und Hintergrundgesängen sowie von Sainte-Maries und Tagaqs Gesang getragen. Der zweite neue Titel ist die Vertonung des Gedichts „The War Racket“ – eine beißende Kritik an den Bushs, den Saddams und den Bin Ladens, die aus Konflikten Profit schlagen, im Namen des Patriotismus oder der Religion.
Michael Kleff

 JOHNNY TUCKER: Seven Day Blues
JOHNNY TUCKER
Seven Day Blues
blindraccon.com
(High John Records Highjohn 007/Blindraccoon)
Promo-CD, 15 Tracks, 57:03


Als Schlagzeuger ist Johnny Tucker bereits seit den Sechzigern unterwegs – und begleitete als solcher Größen der schwarzen Musikszene wie Phillip Walker, Johnny Otis, Floyd Dixon oder Robert Cray. Sein Talent als Sänger kam dabei eher selten zum Tragen, und umso mehr ist nun diese Aufnahme zu feiern. Auf den fünfzehn selbst komponierten Stücken zeigt sich Tucker als Bluesshouter der alten Schule. Vergleiche mit Howlin’ Wolf sind durchaus angebracht. Produzent und gleichzeitig Gitarrist der in Form von mehreren Sessions abgehaltenen musikalischen Treffen war Big John Atkinson. In einem alten Aufnahmestudio kamen die Musiker zusammen, spielten gemeinsam in einem großen Raum, wodurch eine Liveatmosphäre entstand. Aufgenommen auf historischem, analogem Equipment und aufgrund der Räumlichkeiten mit natürlichem Raumklang versehen, klingen die Aufnahmen dann auch spontan, direkt, authentisch. Sicher bewegt sich Johnny Tucker dabei auf der Grenze zwischen Blues, RnB, Gospel und frühem Soul. Eigentlich ist es kaum möglich, sich dem Vintagecharme dieses Albums zu entziehen – und das gilt nicht nur für Bluesliebhaber.
Achim Hennes
 RUPERT WATES: The Lights Of Paris
RUPERT WATES
The Lights Of Paris
rupertwatesmusic.com
(Bite Music Ltd, BR12113)
11 Tracks, 37:49 , mit Texten


Was für eine Stimme! Wer den aus England stammenden und mittlerweile in Amerika ansässigen Künstler mit dem samtigen Bariton noch nicht kennt, hat eine echte Entdeckung vor sich. Wates ist seit den späten Neunzigern als Singer/Songwriter unterwegs, zog 2001 nach Paris und 2006 in die USA, lebt heute in New York City und in Colorado. Seit seinem Umzug nach Amerika hat er dort inzwischen über vierzig Auszeichnungen eingeheimst. Seine Songs, die nachdenklich-melancholische Texten kunstvoll mit eingängigen Melodien verweben, wurden mit denen Gordon Lightfoots verglichen. Watesʼ neuntes Album enthält elf lyrische Kunstwerke, die Geschichten erzählen von „Gefahren, Desillusionen und Grausamkeiten der heutigen Welt, in der die Lichter von Paris ein Symbol der Liebe, Schönheit und Hoffnung anbieten“. Die Lieder – wie etwa „Fields Of America“ – sind dabei durchaus politisch. Das aktuelle Album ist sparsam instrumentiert und wurde in nur zwei Tagen im Studio live eingespielt. Watesʼ treibendes Rhythmusgitarrenspiel oder (je nach Songerfordernis) subtiles Fingerpicking wird von Adrianna Mateo an der Violine und Brian Sanders am Cello veredelt, in Arrangements des für einen Grammy nominierten John Guari.
Ulrich Joosten

Lateinamerika
 Camarão: The Imaginary Soundtrack To A Brazilian Western Movie, 1964-1974
Camarão
The Imaginary Soundtrack To A Brazilian Western Movie, 1964-1974
(Analog Africa No. 25 AACD 085)
16 Tracks, 37:14


Von den großen Meistern des nordostbrasilianischen Forró ist außer Luiz Gonzaga hierzulande kaum jemand bekannt. Den Akkordeonspieler Camarão sollte man jedoch dazu zählen. Seine weitgehend instrumental vorgetragene Musik ist sehr treibend und repetitiv. Hätte der Mann Anfang der Sechziger schon einen Sequenzer gehabt, er hätte vielleicht Techno erfunden. Punktgenauer Beat mit der Basstrommel, flirrender Rhythmus mit dem Triangel, ein wildes Akkordeon und einfache Melodien genügten ihm dazu. Tanzbar war das sowieso. Ende der Sechziger riet man ihm, den Forró zu erneuern, da nahm er Bläser dazu, ersetzte die Trommel durch eine E-Gitarre, die Band legte die folkloristischen Kostüme ab und warf sich in poppige Showanzüge. Das klang dann allerdings nicht mehr ganz so aufregend. Als die Militärdiktatur dafür sorgte, dass der brasilianische Musikmarkt mit ausländischer Musik überschwemmt wurde, war die Forrówelle dann Mitte der Siebziger vorbei. Die Kompilation hat ein ausführliches Booklet mit einem Foto der geköpften Häupter der Bande des Räuberhauptmannes und Musikers Lampião, dessen Uniform von den meisten Forróspielern gerne übernommen wurde, weil er als Robin Hood des brasilianischen Hinterlandes galt.
Hans-Jürgen Lenhart



Asien
 DIVERSE: Une Anthologie Du Khöömii Mongol
DIVERSE
Une Anthologie Du Khöömii Mongol
routesnomades.fr
(Routes Nomades/Buda Musique 4790383/Universal)
Do-CD, 43 Tracks,153:52 , 48-seitiges Hochformatbooklet mit franz., engl. u. mongol. Infos


Seit es Tonträger und Tonaufzeichnungsgeräte gibt, ist es vorbei mit der Musik als „flüchtiger Kunst“. Musikalische Tätigkeit kann seitdem lückenlos dokumentiert und für alle Ewigkeiten konserviert werden. Doch was den einen Verdruss bereitet – Celibidache lehnte zu Lebzeiten Tonträger vehement ab, und Keith Jarrett beklagte vor Jahren in einem Interview, sein Köln Concert von 1975 verkaufe sich immer noch mehr als seine aktuellen Werke – feiern die anderen als einzige Chance, aussterbende Kultur vor dem Vergessen zu bewahren. Auch Khöömii, der obertonreiche Kehlgesang der Mongolen, steht wohl auf dieser „Roten Liste“. Zwar gibt es zahlreiche junge Bands aus Tuva, doch ihre Sänger setzen den Khöömii oft als bloße Klangfarbe in eher konventionellem Rockkontext ein. Traditionelle Instrumente wie die Pferdekopfgeige und spezifische Lauten kommen eher selten vor. So war es sicher keine schlechte Idee von Johanni Curtet, Khöömii-Sänger im französisch-persischen Trio Meïkhâneh, bei seinen Reisen durch Tuva mobiles Aufnahmegerät mitzunehmen und konsequent alles aufzunehmen, was ihm vor die Ohren kam. So entstand diese einmalige Kompilation mit vielen wundersamen Gesängen und Klängen. Magisch.
Walter Bast



International
 BROADWAY LAFAYETTE: Subway Zydeco
BROADWAY LAFAYETTE
Subway Zydeco
houndgawd.com
(Hound Gawd! Records HGR-019/Broken Silence)
11 Tracks, 32:32


Es kommen zusammen: ein Sänger aus Detroit mit Garagenrockvergangenheit, ein musikalisches Paar aus New York und ein Cajuntrio aus Genf. Gemeinsam schaffen sie ihre eigene Soundwelt, die zwar immer irgendwie nach Zydeco klingt, aber auf eine rauere, rockigere, hingerotzte Art. Die sechs musizieren oft unbeschwert drauflos wie weiland Camper van Beethoven, gestatten sich einen Schuss Naivität, der an Jonathan Richman erinnert, und setzen Energie frei nach Art von The Clash. Liegt es an Sänger Mick Collins, der mit seiner Band The Dirtbombs aus der schrammeligen Ecke kommt, oder an den New Yorker Großstadtpflanzen Matt Verta-Ray (g) und seiner Frau Rocio (keys)? Vielleicht sind es aber auch die Groove-Alligatoren von Mama Rosin aus den Schweizer Sümpfen. Müßig. Die Songs bieten gespürten Sixties-Soul in „Precious“, fernöstliche Melodielinien mit Rumpelschlagzeug in „Girl De Hong Kong“ und Karibikflair in „Limpiar“. Doch selbst wenn das Sextett mit „Ou Es-Tu?“ beim Punk ankommt, scheint trotzdem noch das louisianische Vorbild durch. Dies alles lässt sich mit Begeisterung vom Wohnzimmersessel aus verfolgen, weckt aber vor allem eins: den Wunsch, diese Band live zu erleben.
Volker Dick



Kurzrezensionen
 3MA – BALLAKÉ SISSOKO, DRISS EL MALOUMI, RAJERY: Anarouz
3MA – BALLAKÉ SISSOKO, DRISS EL MALOUMI, RAJERY
Anarouz
drisselmaloumi.org
(Mad Minute Music/Galileo-MC)
Promo-CD, 10 Tracks, 47:20


Sie sind wieder da, zehn Jahre nach ihrem Debütalbum – Ballaké Sissoko aus Mali, Driss El Maloumi aus Marokko und Rajery aus Madagaskar. Das panafrikanische Trio hat sein kongeniales Saitenspiel auf der Kora, der Ud und der Valiha weiter perfektioniert. Die meist instrumentalen Stücke mit anspruchsvollen, zugleich eingängigen Melodien harmonieren auf betörende Weise.
rs
 AÄLMA DILI: Pour Une Poignée De Dinars
AÄLMA DILI
Pour Une Poignée De Dinars
aalmadili.com
(Vlad)
Promo-CD, 16 Tracks, 54:15


Die vierköpfige Gang, die sich in der Sprache der Roma „Die Seele der Dummköpfe“ nennt, begibt sich auf einen außerordentlichen Ritt. Im Stile der Spaghettiwestern vereinnahmt sie den Zuhörer mit einer ungeheuren Kraft aus Balkan-, Gypsy- und griechisch-türkischen Klängen. Dabei bleiben sie immer französisch, mit einer großen Portion Humor am Abzug.
ep

 AFRICAN CONNECTION: Queens And Kings
AFRICAN CONNECTION
Queens And Kings
africanconnectionband.com
(Sounds of Subterrania SoS176/Cargo Records)
9 Tracks, 45:29


Ein weiteres solide und kompetent agierendes Ensemble, mit Musikern aus Ghana, Dänemark und den USA, das sich von Fela Kuti inspirieren ließ und dessen Afrobeat mit Highlife, Reggae und Funk kombiniert. Die Stücke sind sehr rootsorientiert, innovative Elemente eher Fehlanzeige. Im Booklet wäre Platz für die dort fehlenden sozialkritischen Texte gewesen!
rs
 ALTIN GÜN: On
ALTIN GÜN
On
facebook.com/altingunband
(Bongo Joe Records BJR025CD/Broken Silence)
Promo-CD, 10 Tracks, 39:12


Altin Gün klingen nach den frühen Siebzigern, leben und arbeiten aber im Amsterdam der Gegenwart. Neben die türkische Sängerin und den Sazspieler gesellen sich vier holländische Musiker, das ganze klingt aber nach Afropop mit persischem Touch. Konsequenterweise findet sich eine Coverversion von „Goca Dünya“, ein Song der Rocklegende Erkin Koray, auf diesem Album.
mf

 GEM ANDREWS: North
GEM ANDREWS
North
gemandrews.co.uk
(Market Square Music MSMCD200)
11 Tracks, 31:28


Sie kommt ebenso wie viele ihrer Themen aus dem englischen Norden, wohnt mittlerweile in Berlin, musikalisch jedoch geht die Reise mit ihrer fünfköpfigen Band (plus Gäste) eindeutig in Richtung Country mit Pedal-Steel-Gitarre, Mandoline oder Fiddle. Das resultiert oft in einem interessanten Gegensatz zwischen locker-flockiger Musik und dunklen Inhalten.
mk
 ANDURIL: Atlanterra
ANDURIL
Atlanterra
anduril.band
(Eigenverlag, Rockwerk Records)
14 Tracks, 68:50


Highlandmusic aus dem Bergischen Land. Das 2001 auf der Isle of Skye gegründete Lindlarer Sextett hat sich Runrig zum Vorbild genommen und so neben einer DVD nun schon Album Numero drei seit 2007 eingespielt. Die Musik klingt ernst, rockig, deftig. Die hauptsächlich von der Seefahrt handelnden Texte sind im Beiheft mitlesbar.
mas

 ANGELINA: Vagabond Saint
ANGELINA
Vagabond Saint
angelinagrimshaw.com
(A Wonderful Sound WSD31CD)
11 Tracks, 34:10


Debüt der jungen Singer/Songwriterin von der Isle of Wight. Mutter Chinesin, Vater Maler (hat auch das Cover geschaffen). Rupert Brown produzierte ein oft schlagzeuglastiges, kühl klingendes, ungewöhnliches Countryalbum, das von Magazinen wie Mojo, Uncut oder Q Bestnoten erhielt. Der Gesang ist dunkel, intensiv und mit Soulreferenzen. Zeitgemäß.
mk
 ASA-I-VIATA: A(ch)a-I-Viat(s)a
ASA-I-VIATA
A(ch)a-I-Viat(s)a
asa-i-viata.com
(Vlad)
11 Tracks, 46:56


Spannendes Album der französischen Band Asa-i-Viata. Sie kommt von der osteuropäischen Musik, unterlegt diese mit Elekrobeats und arbeitet diesmal vor allem mit Hip-Hoppern zusammen.
chr

 KRISTIN ASBJØRNSEN: Traces Of You
KRISTIN ASBJØRNSEN
Traces Of You
kristinasbjornsen.com
(Øra Music/Global Sonics GS001/18/Rough Trade)
11 Tracks, 38:33


Die vielfach ausgezeichnete norwegische Sängerin und Komponistin veröffentlicht ihr fünftes Album und stellt es mit einer Tour durch Europa vor. Sie überzeugt durch ruhige Intensität beim Vortrag vertonter Gedichte. Begleitet wird sie von Olav Torget (Gitarre), Andreas Engen (Percussion), Monica Ifejilika (Gesang) und Suntou Susso (Kora und Gesang).
asz
 A.T.A.: Acoustic Tarab Alchemy
A.T.A.
Acoustic Tarab Alchemy
facebook.com/acoustictarabalchemy
(Odradek ODRCD701/In-Akustik)
10 Tracks, 43:33


Sufigesänge zu einem klar vom Jazz geprägten Trio, bestehend aus Piano, Bass und Percussion – kann das gut gehen? Oh ja, das tunesisch-italienische Quartett um Houcine Ataa schafft eine wunderbare Synthese. Die Musik ist elegant, intim und gleichzeitig luftig leicht. Die lauen Sommerabende können kommen.
ink

 RAY AUSTIN & FRIENDS: A Piece Of Heaven
RAY AUSTIN & FRIENDS
A Piece Of Heaven
ray-austin.de
(Wonderland Records WR 9083/Rough Trade)
17 Tracks, 66:38


Zum 75. Geburtstag gönnt der Freiburger Singer/Songwriter, Gastwirt und Moderator mit der markanten Stimme sich und uns ein wunderbares Album überwiegend mit Coverversionen. Eine ganze Riege befreundeter Musiker schneiderte den Songs ein höchst abwechslungsreiches Klangkleid aus Country, Folk und Blues. Sehr hörenswert.
uj
 ALI FUAT AYDIN & CENK GÜRAY: Öte – For The Memory Of Tanburi Cemil Bey
ALI FUAT AYDIN & CENK GÜRAY
Öte – For The Memory Of Tanburi Cemil Bey
cenkguray.com
(Felmay Records fy 8242)
14 Tracks, 39:04


Nach dem Maßstäbe setzenden Album Bir haben sich die beiden Koryphäen erneut zusammengetan, um auf diversen Varianten der Langhalslaute Bağlama im Wesentlichen Zeybeks, also westanatolische Melodien vorzutragen. Unter den Gastmusikern ist der vielseitige und stets grandiose Kemençespieler Derya Türkan.
ink

 JOAN BAEZ: Whistle Down The Wind
JOAN BAEZ
Whistle Down The Wind
joanbaez.com
(Proper Records/H’Art)
Promo-CD, 10 Tracks, 39:11


In der Kürze liegt die Würze, muss sich die 77-Jährige gesagt haben. Die zehn Coverversionen aus der Feder unter anderem von Tom Waits, Mary Chapin Carpenter, Eliza Gilkyson, Josh Ritter, Anohni und Produzent John Henry sind durchgängig mit dunkler gewordener Stimme gesungen, ruhig instrumentiert und geprägt von Bilanz ziehenden und eher traurigen Texten.
mkl
 JEB BARRY AND THE PAWN SHOP SAINTS: Texas, etc…
JEB BARRY AND THE PAWN SHOP SAINTS
Texas, etc…
jebbarry.com
(Dolly Rocker Recordings DR-2018-01)
CD 1: 10 Tracks, 30:59; CD 2: 9 Tracks, 28:14


Auf der einen CD das volle Brett mit Band, auf der anderen sparsam gestaltete Songs. Beide haben ihre eigenen Reize. Der Künstler aus Neuengland erzählt von Kleinstadttristesse, unerwiderter Liebe und vergeblichen Träumen. Ein klassisches Songwriteralbum mit akustischen Instrumenten im Mittelpunkt. Nachrichten von der dunkleren Seite des Lebens.
vd

 MARY BATTIATA & LITTLE PINK: The Heart, Regardless
MARY BATTIATA & LITTLE PINK
The Heart, Regardless
littlepinktheband.com
(NW 14)
14 Tracks, 51:45


Die frühere Reporterin der Washington Post überzeugt mit einem schönen Album aus dem Genre Alternative Country, wobei die Songs häufig ein Touch Bluegrass auszeichnet. Was auch an Gastmusikern wie dem Banjovirtuosen Mike Munford liegt. Die Songschreiberin aus Virginia schreibt aber ebenso packende Balladen, etwa das folkige „Tall Timbers“.
vd
 MICKE BJORKLOF & BLUE STRIP: Twentyfive Live – At Blues Baltica
MICKE BJORKLOF & BLUE STRIP
Twentyfive Live – At Blues Baltica
mickebjorklof.com
(Hokahey Records HHR1801/H’Art)
Do-CD, CD 1: 11 Tracks, 48:05; CD 2: 10 Tracks, 43:07


Hier ist der Name doppeltes Programm. Zum 25-jährigen Jubiläum gab die finnische Band ein Konzert beim jährlich stattfindenden (im Übrigen höchst empfehlenswerten) Festival Blues Baltica in Eutin. Über neunzig Minuten pralle Spielfreude und toll wiedergegebene Liveatmosphäre – eine dicke Empfehlung sowohl für Micke Bjorklof als auch für das Festival.
ah

 BLOWZABELLA: Two Score
BLOWZABELLA
Two Score
blowzabella.co.uk
(Eigenverlag)
12 Tracks, 54:34


Auch im vierzigsten Jahr klingt die englische Kultband mit ihrer treibenden Mischung aus Songs, traditioneller europäischer Tanzmusik und Eigenkompositionen auf diversen Borduninstrumenten plus Akkordeon, Geige, Bass, Saxofonen und Klarinette kraftvoll, originell und unverbraucht. Musik, die sich sofort in den Gehörgängen einnistet. Umwerfend gut.
uj
 CLAUS BOESSER-FERRARI & ADAX DÖRSAM: The Winnetou Tapes – A Tribute To Martin Boettcher
CLAUS BOESSER-FERRARI & ADAX DÖRSAM
The Winnetou Tapes – A Tribute To Martin Boettcher
boesser-ferrari.de
adax-doersam.de
(Acoustic Music Records 319.1584.2/Rough Trade)
16 Tracks, 52:25


Da werden zumindest bei den älteren Semestern Erinnerungen wach: Winnetou, Old Shurehand ... Martin Böttcher ist der Schöpfer jener Melodien, die sich in die vielen Kinderseelen gesenkt haben, die mit den Karl-May-Verfilmungen aufgewachsen sind. Kindlicher Spieltrieb und höchstprofessionelle Musikalität haben zu dieser erstaunlichen Gitarrenhommage geführt.
rb

 KYLE CAREY: The Art Of Forgetting
KYLE CAREY
The Art Of Forgetting
kyleannecarey.com
(Riverboat Records TUGCD1109, Harmonia Mundi, Promo-CD)
12 Tracks, 54:38


Isle of Skye meets the Appalachians. Keltische bzw. gälische Americana, ziemlich fett produziert mit einem ganzen Rudel höchstkarätiger Gastmusiker, darunter die Sängerinnen Rhiannon Giddens und Liz Simmons sowie Sam Broussard (Gitarre) und John McCusker (Fiddle). Carey singt warmherzige traditionelle und eigene Songs mit einer Stimme, die unter die Haut kriecht. Großartig.
uj
 FRED CHAPELLIER & THE GENTS feat. DALE BLADE: Set Me Free
FRED CHAPELLIER & THE GENTS feat. DALE BLADE
Set Me Free
fcandthegents.com
(Dixiefrog Records DFGCD8802/H’Art)
13 Tracks, 59:04


Ein ausgefuchster Blues- und Bluesrockgitarrist ist der Franzose Fred Chapellier, der hier mit Dale Blade einen fantastischen Sänger aus Louisiana zu Gast hat. Zusammen mit den Gents, der eingespielten Band Fred Chapelliers, gibt es vom Soul durchdrungenen Blues. Sehr schöne Akzente setzt immer wieder die Harp von Pascal „Bako“ Mikaelian.
ah

 COCONUT KINGS: Coconut Kings
COCONUT KINGS
Coconut Kings
facebook.com/Coconut-Kings-146828458739690
(Off Label Records OLR-72/Timezone)
15 Tracks, 45:29


Zwischen Blues, Rhythm and Blues und Rock ’n’ Roll verortet sich die Musik der Coconut Kings. Gespielt wird auf überwiegend akustischen Instrumenten, und dabei kommen neben Kontrabass und akustischer Gitarre auch eine Nasenflöte und ein Kazoo zum Einsatz. Alles ist bewusst im Retrostil gehalten – und macht auch beim Zuhören mächtig viel Spaß.
ah
 DAVID CROSBY: Sky Trails
DAVID CROSBY
Sky Trails
davidcrosby.com
(BMG/Warner/Another Dimension)
Promo-CD, 10 Tracks, 50:42


Soul, Jazzrock und einige an vergangene CSN-Zeiten erinnernde Folkklänge. Das ist die Mixtur eines eher ruhigen, mit Gitarre, Piano, einigen Streichern und Bass sowie Sohn James Raymond an den Keyboards eingespielten Alterswerks. Eine Coverversion – Joni Mitchells „Amelia“ – und neun mit Partnern geschriebene Songs bieten nachdenkliche Selbstbetrachtung und – wie mit „Capitol“ – Kritik am politischen Washington.
mkl

 CÚL NA MARA: The World Is Colourful
CÚL NA MARA
The World Is Colourful
culnamara.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 40:47


Deftige Irish-&-Scottish-Folkrock-Musik aus Schwaben mit Flute, Whistle, Pipes, Gitarren, Schlagzeug. Der Titelsong plädiert für eine vielfältige, bunte, nicht schwarzweiße Gesellschaft, wobei dem religiösen Pluralismus eine ganze Strophe gewidmet ist. Das Lesen der ernsten Texte auf der Website lohnt sich. Die Refrains der letzten beiden Songs nerven.
mas
 DIVERSE: I’m Not Here To Hunt Rabbits
DIVERSE
I’m Not Here To Hunt Rabbits
piranha.de
(Piranha Records & The Vital Record PIR3165/Indigo)
Promo-CD, 11 Tracks, 43:11


Die afrikanischen Countrybluesmeister aus Botswana spielen die Gitarre auf ihren Knien liegend. Sowohl die Grifftechnik, von oben über den Hals wie auch die Stimmung der meist nur vier Saiten sind ungewöhnlich. Für unsere Ohren gewöhnungsbedürftig, aber ob der Einzigartigkeit eine exotische Perle, zumindest für die Fans von gezupften Saiten.
cs

 SUPRIYO DUTTA & FEDERICO SANESI: Passionate Voice
SUPRIYO DUTTA & FEDERICO SANESI
Passionate Voice
supriyodutta.com
federicosanesi.com
(Felmay Records fy 8244)
4 Tracks, 52:03


Begleitet von Federico Sanesi (Tabla), Debashis Adhikari (Harmonium) und Umesh Mishra (Sarangi), hat der Hoffnungsträger hindustanischer Vokalmusik eine halbstündige Version des Raga Bihag und zwei kurze Versionen von Raga Kedar und Raga Mishra Danasri im Programm, die er in gewohnt hoher Qualität vorträgt. Klassik geht vor Bollywood. Wie schön.
wb
 EL FLECHA NEGRA: Tropikal Passport
EL FLECHA NEGRA
Tropikal Passport
elflechanegra.com
(Eigenverlag/Kontor New Media)
13 Tracks, 52:46


Seit 2014 hat auch Freiburg seine Mestizofiliale mit diesem multinationalen Quintett (anfangs Trio), das vor allem auf Spanisch seine durchweg tanzbare, vertraut klingende Patchangamixtur kredenzt, versetzt mit den üblichen Polit- und Spaßparolen. „Die schwarze Pfeil“ oder „El Bosque Negro“ hätten als Bandname auch gepasst.
kw

 SINAN CEM EROĞLU & MUHLIS BERBEROĞLU: Hemdem
SINAN CEM EROĞLU & MUHLIS BERBEROĞLU
Hemdem
sinancemeroglu.com
facebook.com/muhlisberberogluoffical
(Ahenk Müzik)
13 Tracks, 66:20


Der in Ankara geborene Gitarrist und Multiinstrumentalist Sinan Cem Eroğlu verbindet auf Hemdem die traditionelle türkische Musik mit dem Maqam des Mittleren Ostens und greift hie und da auch zur rockig verzerrten E-Gitarre. An der Tanbur, dem Divan und der elektrischen Bağlama steht ihm Landsmann Muhlis Berberoğlu höchst virtuos zur Seite.
rb
 FEE: Ein Zimmer Küche Bad
FEE
Ein Zimmer Küche Bad
feemusik.de
(O-Tone/Edel)
Promo-CD, 12 Tracks, 41:19


Eine Frau mit akustischer Gitarre und gelungenen deutschen Texten voller Humor und Gefühl singt ihre Eigenkompositionen irgendwo zwischen Liedermacher und Pop. Wer denkt da nicht an die Kleingeldprinzessin? In der Tat drängt sich ein Vergleich von Fee, vormals Frontfrau von Neoh, mit Dota auf. Das schadet in diesem Fall nichts, denn wer die eine mag, wird die andere lieben.
ce

 FLATS AND SHARPS: King Of My Mind
FLATS AND SHARPS
King Of My Mind
flatsandsharps.co.uk
(Move Your Hands MYHCD002)
14 Tracks, 41:38


Eigentlich ist es Bluegrass, aber der kommt aus der Grafschaft Cornwall und wird zelebriert von fünf wilden Herren, die gerade mal um die zwanzig Jahre alt sind. Also ist klar, dass auch andere Einflüsse in ihre Musik gelangen, wie zum Beispiel einfach ein paar Reggaebeats zwischendurch. Das ist schnell, das ist gekonnt, und das macht unheimlich viel Spaß.
mk
 SUE FOLEY: The Ice Queen
SUE FOLEY
The Ice Queen
suefoley.com
(Dixiefrog RecordsDFGCD 8803/H’Art)
12 Tracks, 53:19


Die kanadische Bluesgitarristin und Sängerin spielt auf ihrem fünfzehnten Album zusammen mit Billy Gibbons (ZZ Top), Chris Layton und Jimmie Vaughan, mit denen sie auch auf Tournee geht. Als Gastmusiker sind unter anderem Chris Maresh (bass), Kyle Thompson (perc), Mike Flanigin (organ), George Rains (drums) und Elias Haslanger (sax) dabei.
asz

 DAVID FRANCEY: The Broken Heart Of Everything
DAVID FRANCEY
The Broken Heart Of Everything
davidfrancey.com
(Laker Music LAKR 1012)
11 Tracks, 31:53


Einer der großen kanadischen Singer/Songwriter, dreifacher Juno-Gewinner, legt sein neues –leider recht kurzes – Album mit warmherzigen Liedern vor, das nach lupenreinem American Folk und Country klingt, eingespielt von einer glänzend aufgelegten Musikerriege mit Banjos, Mandoline, Bouzouki, Fiddle, Gitarren und Dobro. Tolle Stimme, glänzendes Album.
uj
 GAITEIROS DE LISBOA: A História
GAITEIROS DE LISBOA
A História
facebook.com/gaiteirosdelisboa
(Uguru 026)
20 Tracks, 75:06


Dudelsackbläser aus Lissabon, der Stadt des Fado? Ja sicher, die Gaiteiros lassen die Gaitas krachen. Daneben tröten sie in alles Beblasbare ˗ und wenn sie den gewünschten Klang nicht finden, bauen sie die Instrumente selbst. Die sechs Männer sind aber auch hervorragende Sänger und Percussionisten ˗ und schreiben tolle Stücke. Der Hammer!
mst

 BRANKO GALOIĆ & FRANCISCO CORDOVIL: One With The Wind
BRANKO GALOIĆ & FRANCISCO CORDOVIL
One With The Wind
branko-galoic.com
(Galileo-MC)
9 Tracks, 33:01


Der in Zagreb geborene Singer/Songwriter, Komponist und Gitarrist Branko Galoić hat sich für diese Produktion mit dem Saitenseelengefährten Francisco Cordovil zu einem schlichten Gypsygitarrenduo zusammengetan. Ein wenig rau, im besten aller Sinne, werden hier Melodien virtuos und mit Herz interpretiert, die irgendwo zwischen Frankreich, Brasilien und dem Balkan beheimatet sind.
rb
 THE GLOAMING: Live At The NCH
THE GLOAMING
Live At The NCH
thegloaming.net
(Real World Music/Rough Trade)
Promo-CD, 6 Tracks, 64:54


Das superlative Projekt der Irish-Trad-Geiger Martin Hayes und Caoimhín Ó Raghallaigh und der elegischen Stimme von Iarla Ó Lionáird mit einem Livemitschnitt. Komplexe Strukturen, Suiten von Jigs und Reels in Martins bewährter Accelerando- und Crescendo-Technik. Nach initialer, fast meditativer Ruhe stieben am Schluss die Funken. Eklektisch, virtuos, sehr besonders.
js

 PK GREGORY: Honkabilly Blues
PK GREGORY
Honkabilly Blues
pkgregory.com
(Blue Betty Records)
Promo-CD, 13 Tracks, 55:50


Nicht nur musikalisch, sondern auch aufnahmetechnisch wandelt der Mann auf den Pfaden des frühen Country, Rockabilly und Honkytonk. Live im Studio lässt er seine Ein-Mann-Band aus E-Gitarre und Fußpercussion erklingen. Die Texte blühen vor Witz und bitterer Ironie, etwa wenn er fröhlich singt: „My soul is a wasteland of pain and death.“ Spaßvogel!
vd
 HÉCTOR GUERRA: Desde El Infierno
HÉCTOR GUERRA
Desde El Infierno
hectorguerra.net
(Kasba Music/Galileo-MC)
18 Tracks, 52:10


Der biografisch zwischen Spanien und Lateinamerika siedelnde MC vermittelt seit Langem mit Soundsystems zwischen Elektronik und diversen, gerne indigenen Musiktraditionen. Einige trotz Turbo schwächelnde, aus Cumbia, Reggaeton und anderem gespeiste Latin-Dancetunes werden unterbrochen durch Schamanengesänge. Mitunter könnte so fast ein elektrifizierter Manu Chao klingen.
kw

 HARP & A MONKEY: Harp & A Monkey
HARP & A MONKEY
Harp & A Monkey
harpandamonkey.com
(Moonraker Records)
10 Tracks, 37:26


Ein ganzes Album voller Songs über den Ersten Weltkrieg, kann man sich das anhören? Sollte man, denn die moderne musikalische Bearbeitung des englischen Trios hat die Wurzeln klar in der Tradition, und die Texte stellen die grausame Realität des Krieges deutlich, selten wertend und unter diversen Aspekten dar. So werden viele Interviews mit Zeitzeugen benutzt.
mk
 Hermanos Herrera: Sones Jarochos Y Huastecos Y Más
Hermanos Herrera
Sones Jarochos Y Huastecos Y Más
hermanosherrera.com
(Smithsonian Folkways Recordings SFW 40580/MC Galileo)
12 Tracks, 48:50


Die Geschwistergruppe klingt im ersten Moment aufgrund der dominanten Harfe, als käme sie aus den Anden, aber man hört hier mexikanischen Son Huasteco und Son Jarocho. Gespielt wird auf Saiteninstrumenten (Veracruz Harp, Huapanguera, Jarana-Gitarre, Huasteca-Violine), und die Musik ist vibrierend mit schnellem Tempo.
hjl

 HISS: Südsee, Sehnsucht & Skorbut
HISS
Südsee, Sehnsucht & Skorbut
hiss.net
12 Tracks
44:45
(Eigenverlag/HʼArt)


Stefan Hiss liebt Globetrotterlieder. Wenn er schon überall war, wo seine Lieder spielen, zwischen Sansibar und Santa Fe, bleibt nicht mehr viel übrig. Hier geht es um die Seefahrt, deren Klischees vom Rumtrinken bis zum Mädchen in jedem Hafen kräftig bedient werden, mal im Tango-, mal im Reggaetakt. Santiano- und Pulveraffenfans mögen getrost zugreifen.
mas
 POL HUELLOU & FRIENDS: The Lost Agenda
POL HUELLOU & FRIENDS
The Lost Agenda
artforpeace@wanadoo.fr
(Goasco Music Production GM1705)
11 Tracks, 40:58


Musikalisch weltweit agiert der Bretone mit der rauen und emotionalen Stimme, der zum Beispiel durch die Zusammenarbeit mit dem Harfenisten Myrdhin bekannt ist. Die große Anzahl von Freunden, wie der Gitarrist Giles Le Bigot oder die Sängerin Michèle Kerhoas, sowie eine stilistische Mischung aus Keltischem, Chanson, Bretonischem und Swing ist ebenso überzeugend wie überraschend.
mk

 ANDREW D. HUBER: Mockingbird Gallows
ANDREW D. HUBER
Mockingbird Gallows
geckoclub.com
(Non Light Records NLR014)
Promo-CD, 12 Tracks, 44:30


„Akustischer Folkrock mit einer keltischen Note“, so beschreibt Huber seine Musik. Obendrein spielt er neben Gitarre, Mandoline, Banjo und allerlei anderen Instrumenten alles selbst. Er ist ständig auf Tour, um seine druckvollen Songs zu spielen, nur leider nicht in Deutschland. Live ist er sicher ein Ereignis.
mf
 IʼM WITH HER: See You Around
IʼM WITH HER
See You Around
imwithherband.com
(Rounder 00888072040724)
12 Tracks, 40:10


Drei Künstlerinnen, jede eine Multiinstrumentalistin und seit frühester Jugend vertraut mit Bluegrass und Country, beschließen nach einem Festivalauftritt, gemeinsam als Countrytrio aufzutreten. Ein Glückstag für die Countryszene, denn der perfekte Satzgesang, den Iʼm With Her auf ihrem Debütalbum abliefern, bewegt sich auf allerhöchstem Niveau.
ce

 SADIE JEMMETT: These Days – Live At The Green Note
SADIE JEMMETT
These Days – Live At The Green Note
sadiejemmett.com
(Mama’s Music Recordings)
10 Tracks, 54:33


Eine tolle englische Singer/Songwriterin, die in einem stimmungsvollen Londoner Club ihre bemerkenswerte Stimme live erklingen lässt. Ob es allerdings eine gute Idee war, die Ansagen auf dem Album zu belassen, und zwar vor den Tracks, zusammen mit den richtig guten Liedern, an denen man sich nicht satthört, wohl aber an den Ansagen?
mk
 REIDAR JENSEN: Life Songs
REIDAR JENSEN
Life Songs
reidarjensen.com
(Eigenverlag, kosmopolit records)
4 Tracks, 17:21


An Reidar Jensen ist alles gewöhnungsbedürftig, die Stimme, das Gitarrenspiel, das Songmaterial. Ist man dem ursprünglich aus Norwegen stammenden Folkmusiker wohlgesonnen, kann man Tom Waits als Vergleich heranziehen. Ist man es nicht, hört man die EP am besten noch einmal. Die sperrigen akustischen Folksongs von Jensens verdienen Aufmerksamkeit.
ce

 LENA JONSSON: Places
LENA JONSSON
Places
12 Tracks
47:53
(playingwithmusic.se, lenajonsson.com)


Lena ist eine junge, dynamische schwedische Fiddlerin. Bereits mit 22 wurde sie als Riksspelman ausgezeichnet. Sie beherrscht verschiedene Stile, die sie sich bei längeren Auslandsaufenthalten erarbeitet hat, insbesondere am Berklee College in Boston, wie auch in England und Australien. Dieses Album ist quasi ein Reisetagebuch mit eigenen Kompositionen.
bk
 JOHANNA JUHOLA: Diivan Jäljet
JOHANNA JUHOLA
Diivan Jäljet
johannajuhola.net
(Westpark Music/Indigo)
10 Tracks, 43:34


Auf ihrem vierten Soloalbum brennt die finnische Akkordeonvirtuosin ein humorvolles Feuerwerk ab, das zwar im Tango und finnischer Volksmusik wurzelt, aber auch moderne Elemente und Spontaneitäten ungezwungen einbezieht. Exemplarisch dafür der Gastauftritt des Rappers Tommy Lindgren im ansonsten textfreien Set. Eingespielt wurde es durch ihre drei Bands.
is

 LENNON KELLY: Malanotte
LENNON KELLY
Malanotte
lennonkelly.com
(Indieboxmusichall IBX060)
12 Tracks, 42:23


„Folk Rock & Rural Punk“ nennen die sieben Männer aus Cesena ihre Musik. Das trifft den Nagel auf den Kopf. Schön dabei, dass sie sich und ihre Landsleute gerne auf die Schippe nehmen. Wer die Levellers oder die frühen Celtas Cortos liebt, ist hier richtig. Anspieltipp: „Mio Fratello“, der Lokalpolitiker, der keines seiner Versprechen einhält.
mst
 KENT CODA: Bir Balık Olsam
KENT CODA
Bir Balık Olsam
kentcoda.com
(Quasilectric QL151245/H’Art)
13 Tracks, 45:01


Gitarre, Bass, Darbuka und engagierter Gesang auf Türkisch – das weitgehend akustische Indietrio mit reichlich Festivalerfahrung klingt auch auf seinem zweiten Album, wie man sich klassischerweise nette, unkomplizierte Straßenmusik vorstellt.
ink

 Edmony Krater: An Ka Sonjé
Edmony Krater
An Ka Sonjé
edmonykrater.com
(Heavenly Sweetness/Broken Silence)
Promo-CD, 9 Tracks, 38:09


Der aus Guadeloupe stammende Sänger, Trompeter und Percussionist Edmony Krater bietet eine tanzbare Mischung aus den Rhythmen seiner Heimat, eingängigen Melodien und treibendem Fusion Jazz. Die Musik tendiert manchmal zu anderen Stilen wie Salsa, Zouk oder der nigerianischen Juju Music. Überraschend abwechslungsreicher, karibisch orientierter Jazz.
hjl
 STEPHAN KRAWCZYK: Wenn die Wasser Balken hätten
STEPHAN KRAWCZYK
Wenn die Wasser Balken hätten
stephan-krawczyk.de
(Dermenschistgut Musik – dmighh 11/Nova MD)
18 Tracks, 53:31


Der frühere DDR-Bürgerrechtler und Liedermacher legt hier eine Audiografie mit seinen wichtigsten Songs aus dreieinhalb Jahrzehnten vor, vom „Lied vom Clown“ aus der Liedehrlich-Zeit bis zum „Wieder stehen“. Bemerkenswert: Alle Titel wurden neu aufgenommen, wobei Krawczyk sämtliche Instrumente von Bandoneon über Gitarren und Bass bis zur Waldzither selbst spielt.
rps

 DUO EMILIA LAJUNEN & SUVI OSKALA: Piilokisa
DUO EMILIA LAJUNEN & SUVI OSKALA
Piilokisa
facebook.com/duoemiliasuvi
(Nordic Notes NN 106)
13 Tracks, 55:10


Zwei experimentierfreudige Geigerinnen aus Finnland haben sich zusammengetan, es beginnt mit einem schmissigen Galopp, aber sie können auch melancholisch, verführerisch; manchmal klingt es fast sakral. Jede spielt vier Stücke solo, die übrigen fünf sind Gemeinschaftswerke.
gh
 LʼALBA: A Parulluccia
LʼALBA
A Parulluccia
l-alba.com
(Ma Case Records/Absilone)
10 Tracks, 38:15


Das dritte Album der korsischen Band enthält nur wenig polyfonen Männergesang. Meist steht der italienische Sänger Enza Pagliara mit seiner leicht schmachtenden Stimme im Vordergrund. Dazu gibt es abwechslungsreichen Adult-Folk-Pop.
chr

 CONOR LAMB, BRENDAN MULHOLLAND, DEIRDRE GALWAY: Music In The Glen
CONOR LAMB, BRENDAN MULHOLLAND, DEIRDRE GALWAY
Music In The Glen
musicitg.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 46:07


Schöne Aufnahme eines jungen irischen Trios mit geschmackvollen, Top-of-the-range-Versionen von altem und neuem irischem Tunematerial. Conor Lamb – sehr offen und rhythmusfest spielender Uilleann Piper – zusammen mit Brendan Mulholland (Flute) und Deirdre Galway (Gitarre) lassen keine Fragen offen, wie modern aufgefasste irische Musik heute klingen soll.
js
 KORBY LENKER: Thousand Springs
KORBY LENKER
Thousand Springs
korbylenker.com
(Soundly Music)
Promo-CD, 12 Tracks, 41:26


Lenker hat diese Songs in neun verschiedenen US-Staaten aufgenommen, mit permanent wechselnden Gastmusikern, unter denen sich auch die wunderbaren Anna Tivel und Molly Tuttle befinden. Trotzdem klingt dieses Album wie aus einem Guss, Bluegrass findet sich als Einfluss, Country und Western, Folk, und gelegentlich macht Lenker auch einen Schwenk in Richtung Countryrock.
mf

 MARKKU LEPISTÖ: Solos
MARKKU LEPISTÖ
Solos
markkulepisto.com
(Rapusaari Records)
8 Tracks, 41:09


Das fünfte Soloalbum des bekannten finnischen Komponisten neuer nordischer Akkordeonmusik vereint in seinen eigenen Werken diverse Folkstile aus Finnland und der Region Österbotten mit zeitgenössischen Klängen und modernen Mischeffekten, unter anderem Stimmen und Vogelzwitschern. Das hörenswerte Ergebnis ist vielfältig, bewegt und besinnlich.
is
 LIO: Lio Canta Caymmi
LIO
Lio Canta Caymmi
smarturl.it/Lio_Canta_Caymmi
(Crammed Discs cram 280P/Indigo/Pias)
Promo-CD, 12 Tracks, 43:28


Die legendäre belgische Sängerin Lio singt mit zarter, leicht rauchiger Stimme Lieder der 2008 verstorbenen brasilianischen Legende Dorival Caymmi. Lio wurde in Lissabon geboren und hat so einen Bezug zur portugiesischen Sprache. Insgesamt sind ihre Versionen irgendwo zwischen Chanson und Barjazz anzusiedeln. Es gibt intensivere Interpretationen von Caymmi.
hjl

 LIONA & SERENA STRINGS: Sefarad
LIONA & SERENA STRINGS
Sefarad
lionamusica.com
(Rock CD Records RCDR 1879/Galileo-MC)
12 Tracks, 41:57


Neben diversen anderen Projekten veröffentlichte Liona Hotta (voc) in dieser Besetzung, hier mit Oscar Bergillos Sánchez (g), Maria Pilar López (v, voc) und Juan Díaz Perros (vc, voc), ihr zweites Album mit Texten auf Hebräisch und Ladino, teils mit Eigenkompositionen („Hotta“, „Díaz Porras“), teils mit traditionellen Weisen, die alle auf das mittelalterliche Spanien zurückgehen.
mg
 LUNAR CAPE: Lunar Folk Tales
LUNAR CAPE
Lunar Folk Tales
lunar-cape.ru
(ArtBeat Music AB-CD-01-2018-128)
8 Tracks, 38:59


Verträumt, regional nicht zu verorten, und irgendwie aus der Zeit gefallen ist die dreiköpfige russische Band um Olga Scotland. Das zweite Album kommt gleich mit drei CDs daher. Die Musik auf den drei Silberlingen ist nahezu identisch, allerdings einmal instrumental, einmal mit russisch und einmal mit englisch gesprochenem Text.
ink

 The Lynnes: Heartbreak Song For The Radio
The Lynnes
Heartbreak Song For The Radio
thelynnes.com
(Eigenverlag MAPL TLR 2018/01)
10 Tracks, 38:09


Gitarrenlastiger, beschwingter Alternative Country mit eingängigen Melodien und sehnsüchtigen Slidegitarrensoli. Die zwei Sängerinnen namens Lynn und Lynne wirken manchmal wie eine Countryversion von Fleetwood Mac, aber auch Ry Cooder klingt an. Geht recht gut ins Ohr.
hjl
 KEEGAN McINROE: A Good Old Fashioned Protest
KEEGAN McINROE
A Good Old Fashioned Protest
keeganmcinroe.com
(Eigenverlag)
9 Tracks, 28:06


Der Songwriter aus Texas versteht sein Album als „Protest against war“. Minimalistisch eingespielt auf akustischer Gitarre und nur gelegentlich von Gast Taylor Tatsch musikalisch aufgehübscht, kommen die Kompositionen genauso rau und direkt rüber wie die gelegentlich „Parental Advisory“ erfordernden Texte („Bombing for peace is like fucking for virginity“). Archaisch, aber ehrlich.
uj

 MEΪKHÂNEH: La Silencieuse
MEΪKHÂNEH
La Silencieuse
meikhaneh.com
(Buda Records 5754744/Universal)
11 Tracks, 59:37


Heterogenissimo: Zwei Franzosen mit starkem Hang zur Musik Tuvas, dazu ein Percussionist mit persischen Wurzeln, vertonen Texte aus ungarisch-mongolisch-persisch- französischer Provenienz, teils im Original, teils in einer eigens kreierten Fantasiesprache. Für solche Musik wurde einst der Begriff „Folklore imaginaire“ erfunden. And that’s what it is!
wb
 MONSIEUR DOUMANI: Angathin
MONSIEUR DOUMANI
Angathin
monsieurdoumani.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 54:32


Das dritte Album der zypriotischen Folkband seit 2014 bringt wieder flotte, freche Lieder in zypriotisch-griechischer Sprache, deren englische Übersetzungen man mitlesen kann. Es geht gegen Korruption, Rassismus und Ungerechtigkeit. Musikalisch sind außer Gesang, Gitarre und Flöte auch Posaune, Sipsi und Tsoura zu hören sowie Percussion und Elektronik.
mas

 MORIARTY: Echoes From The Borderline
MORIARTY
Echoes From The Borderline
moriartyland.net
(Air Rytmo/Broken Silence)
Do-CD, CD 1: 14 Tracks, 59:06; CD 2: 12 Tracks, 57:08


Moriarty ist eine französische Band, die amerikanische Rootsmusik spielt. Jetzt hat sie ein Doppelalbum mit Liveaufnahmen und „Auto-Bootlegs“ veröffentlicht. Die Stimmung ist erdig und bluesig, aber immer eigenständig. Im Mittelpunkt steht die unverwechselbare kehlig-warme Stimme von Rosemary Standley. Als Zugabe gibt es ein 48-seitiges Booklet mit vielen Reisefotos der Band.
chr
 DAVID MUNYON: Planetary Nights
DAVID MUNYON
Planetary Nights
davidmunyon.de
(Mobile Home Records MHR 012)
16 Tracks, 68:18


Schon seit einiger Zeit lebt der aus Alabama stammende 65-Jährige in Deutschland, die Songs wurden in Chemnitz aufgenommen und von Gitarrist Biber Herrmann veredelt. Ansonsten geht es um einen Mann und seine Gitarre, der mit leicht brüchiger Stimme Botschaften zu Frieden, Zusammenleben und Freiheit singt. Die DVD gibt Einblicke in Demosessions.
vd

 SACHA NEMMAR: Horizon
SACHA NEMMAR
Horizon
facebook.com/sachnemmar
(Choza Records)
11 Tracks, 55:45


Gitarre und Kontrabass, ab und an eine Violine sowie eine Begleitgitarre, mehr braucht es nicht, um die ganze Welt des Gypsy Swing zum Leben zu erwecken. Interessant ist, dass der französische Künstler dabei auch auf Themen von George Brassens, Michel Fugain oder Gershwin zurückgreift. Ein Gruß aus der Jazz-Manouche-Szene der Normandie.
rb
 OKRA PLAYGROUND: Ääneni Yli Vesien
OKRA PLAYGROUND
Ääneni Yli Vesien
okraplayground.fi
(Nordic Notes NN105/Broken Silence)
10 Tracks; 40:43


Das junge finnische Ensemble lässt neben kehligem finnischem Frauengesang, Akkordeon, Fiddle, Bass, Synthesizer und Drums eher düstere und Wall-of-Sound-orientierte Songs hören. Bisweilen stilistisch und energetisch in die Nähe von Gothic und Metal driftend, gibt es auch wunderbare zarte Kantele-unterlegte Rhythmen. Wer Värttinä und etwas dunklere Klangfarben mag, sollte hinhören!
js

 OLMAR: East & West
OLMAR
East & West
olmarmusic.com
(DMG Records 00642/Broken Silence)
8 Tracks, 30:10


Seit 2008 machen die Sängerin Maren Beljan und der Gitarrist Oliver Jahn bereits Musik. Auch auf seinem dritten Album präsentiert das Duo zerbrechliche Eigenkompositionen, die vom feinen Gitarrenspiel getragen werden. Neben Texten von Beljan vertonen sie vor allem Gedichte von Thich Nhat Hanh und Rabindranath Tagore, die sie diesmal inspiriert haben.
ep
 OPAS DIANDL: X
OPAS DIANDL
X
opasdiandl.com
(Three Saint Records THS 180101)
15 Tracks, 53:38


Alpenländischer Gesang mit Banjo-, Gitarren- und Geigenklängen und einer zupackenden Rhythmusgruppe. Beim instrumentalen „Sarnthein Schwing“ landet man zwischen Landler und Gypsy Swing. Dominierend aber ist mehrstimmiger Dialektgesang, der über die Banalität des Gesungenen hinwegzutäuschen versucht und das Ganze im Banalen verortet.
jus

 PLANTEC: Festival Interceltique De Lorient – Live
PLANTEC
Festival Interceltique De Lorient – Live
plantec.fr
(Fury Breizh/Broken Silence)
12 Track + DVD, 68:54


Das bretonische Trio Plantec hat einen Auftritt beim Festival Interceltique in Lorient dokumentiert. Mit Bombarde, Gitarre und DJ erzeugen sie zwar viel Wucht. Auf CD wirkt das aber schnell anstrengend. Wegen der massiven Videoshow erschließt sich der Reiz des Konzerts besser auf der DVD.
chr
 POEMS FOR LAILA: Dark Timber
POEMS FOR LAILA
Dark Timber
nikolaitomas.de
(Baboushka Records/Broken Silence)
12 Tracks, 50:02


Schlicht und schön kommen die Veteranen daher. Auf dem elften Album in dreißig Jahren sind weniger Instrumente, mehr Stille. Ruhe mit Drama. Die englischen Texte singen Nikolai Thomas und Joanna Gemma Auguri, besonders schön klingen sie zusammen. Die refrainbetonten Balladen erinnern, wenn Auguri singt, etwas an PJ Harvey, das schadet der ostfolkigen Melancholie nicht.
is

 MEHMET POLAT TRIO: Ask Your Heart
MEHMET POLAT TRIO
Ask Your Heart
mehmetpolat.net
(Home Records 4446174/Edel)
11 Tracks, 72:36


Die musikalischen Geschichtenerzähler Mehmet Polat (Ud), Sinan Arat (Ney) und Dymphi Peeters (Kora) binden traditionelle Klänge von Balkan, Afrika und Mittelmeer in sanft swingende, jazzige Kompositionen ein, die ihnen genug Platz für ausgedehnte Improvisationen lassen. Zeit für spannende Erzählungen, die auch gerne schon mal etwas abschweifen dürfen.
wb
 MARTHA PRIMAVESI: Von der Freundlichkeit der Welt
MARTHA PRIMAVESI
Von der Freundlichkeit der Welt
martha-primavesi.com
(Intrepid Records/Galileo-MC)
12 Tracks, 35:36


Anlässlich des 120. Geburtstages von Bertolt Brecht und Hanns Eisler in diesem Jahr hat sich Martha Primavesi aus Köln vor allem dieser beiden angenommen und weniger bekannte Lieder aus deren gemeinsamem Schaffen ausgewählt. Einige eigene Vertonungen und zudem Texte von Hikmet, Peter Altenberg und Heine ergänzen die Auswahl. Eine ruhige und hörenswerte Hommage, die eine erfreuliche Entdeckung ist.
rk

 PULSAR TRIO: Zoo Of Songs
PULSAR TRIO
Zoo Of Songs
pulsartrio.de
(T3 Records 0034-2/Galileo-MC)
10 Tracks, 44:54


Wie schön, dass ein Jazztrio auch mal aus Sitar, Klavier und Schlagwerk bestehen kann. So hören wir Sitarist Matyas Wolter, der auch noch die Basssitar Surbahar bedient, Pianistin Beate Wein und Drummer Aaron Christ auf ihrem dritten Album in einem perfekten Mix aus jazziger Improvisation und dem Klangfarbenreichtum des indischen Subkontinents.
wb
 QNTAL: VIII – Nachtblume
QNTAL
VIII – Nachtblume
qntal.de
(Drakkar Records/Soulfood)
12 Tracks, 51:37


Die beiden Kreativkräfte vom Münchener Ensemble Estampie, Michael Popp und Sigrid „Syrah“ Hausen, haben sich wieder ihrem Elektronikprojekt Qntal gewidmet. Historische Texte werden mit schwebendem Clubsound bestückt – entspannte interessante Musik für die Chillout-Lounge. Die Texte lieferten diesmal unter anderem Eichendorff, Yeats, die Carmina Burana, Lord Byron, Chaucer und Walther von der Vogelweide.
pp

 ZACHARY RICHARD: Gombo
ZACHARY RICHARD
Gombo
zacharyrichard.com
(RZ Records RZ2017-1)
15 Tracks, 59:32


Wenn ein Album nach einem Eintopf benannt wird, lässt sich ahnen, was einen erwartet: ein Mix aus Cajun, Zydeco und Blues. Auf Richards 21. Studioproduktion herrschen gedeckte Farben vor. Das ist keine Gute-Laune-Party, sondern oft eine ernsthafte Auseinandersetzung mit sozialen und politischen Problemen – überwiegend in französischer Sprache.
vd
 KIM RICHEY: Edgeland
KIM RICHEY
Edgeland
kimrichey.com
(Yep Roc Records CD-YEP-2569/HʼArt)
12 Tracks, 42:51


Die besten Studiocracks aus Nashville an ihrer Seite, liefert die Grammy-nominierte Sängerin und Songschreiberin melodiöse Stücke, die vor allem im alternativen Country fußen und Platz bieten für Mandoline, Fiddle und Banjo. Das Ganze veredeln prominente Gesangspartner, etwa Chuck Prophet auf „Whistle On Occasion“. Klingt nach einem reifen Album.
vd

 SALAMANDER: Como La Rosa
SALAMANDER
Como La Rosa
salamandermusic.eu
(Liljans Antikvariat HB SALAM002)
13 Tracks, 59:33


Das 2010 gegründete Trio hat sich im Laufe der Jahre immer mehr auf sephardische Musik konzentriert, die auch auf dem zweiten Album im Vordergrund steht. Allerdings machen Marita Johansson, Jonas Liljeström und David Ödlow auch musikalische Ausflüge – diesmal zum Klezmer, in die Niederlande, nach England, Schottland und Frankreich.
ink
 SCHRAMMEL & SLIDE: Best Of
SCHRAMMEL & SLIDE
Best Of
adax-doersam.de
hansreffert.de
(Acoustic Music Records 319.1583.2/Rough Trade)
24 Tracks, 76:59


Kaum ein Gitarrenduo hat es verstanden, derart lustvoll, skurril, witzig und wild drauflos zu musizieren wie Hans Reffert und Adax Dörsam. Sieben Alben haben sie in rund siebzehn Jahren veröffentlicht. Nach dem frühen Tod Refferts 2016 kann nun jeder nachholen, was er längst hätte tun sollen: Bekanntschaft zu schließen mit einem der originellsten Zwei-Mann-tausend-Saiten-Orchester der Welt.
rb

 SEYIR TRIO feat. TCHA LIMBERGER: Seyir Trio
SEYIR TRIO feat. TCHA LIMBERGER
Seyir Trio
seyirtrio.com
tchalimberger.com
(Seyir Muzik 2GN002/Galileo-MC)
17 Tracks, 64:14


Klassik goes Folk. In vier Suiten unterteilt, decken die Werke der hier vertretenen türkischen Komponisten einen Zeitraum von gut 250 Jahren ab. Die Improvisationen und Arrangements für Ud, Geige, Bass und die Kelchtrommel Doholla, die das belgische Seyir Trio hier ausgewählt hat, verleihen den klassischen Stücken eine zeitlos-folkloristische Seele.
wb
 OLAF SICKMANN: Annie’s Waltz
OLAF SICKMANN
Annie’s Waltz
facebook.com/olafsickmann
(Timezone/Timezone Distr.)
11 Tracks, 48:08


Für die Freunde sensibler akustischer Gitarrenmusik ist Olaf Sickmanns neues Album gleich in mehrfacher Hinsicht ein Leckerbissen. Auf der CD befinden sich neben den Audiodateien gleich alle elf Tunes in Notenschrift und Tabulatur plus Hintergrundinfos. Zarte, meditativ-fließende, keltisch-inspirierte Musik für die Stahlsaitige, auf „Annie’s Waltz“ zudem Gattin Annie an der Violine.
rb

 SIMON & JAN: Halleluja – Live
SIMON & JAN
Halleluja – Live
simonundjan.de
(Sofa Sounds/Alive)
19 Tracks, 71:11


Zwei ehemalige Lehrerstudenten aus Oldenburg, die, als Engelchen verkleidet, jede Menge Unsinn im Kopf haben und den auch auf der Bühne in Liedern von sich geben. Das machen sie kalauernd, frech, mit überraschenden Gags und klugen und hinterlistigen Absurditäten, zu freundlicher Musik und scheinbar unschuldiger Miene. We are amused.
rk
 CHRIS SMITHER: Call Me Lucky
CHRIS SMITHER
Call Me Lucky
smither.com
(Signature Sounds CD-SIG-2093/H’Art)
Promo-CD, 16 Tracks, 60:46


Seit fünfzig Jahren genießt er höchstes Ansehen unter seinen Musikerkollegen, hat Songs für Bonnie Raitt, Emmylou Harris und viele weitere Stars der amerikanischen Rootsmusik geschrieben. Exzellentes Fingerpicking an der Gitarre, dezente Fills von Fiddle und Piano – bestünde dieses Album auch nur aus dem Stück „Maybelline“, der Kauf wäre mehr als gerechtfertigt.
ah

 JYOTSNA SRIKANTH, MATS EDÉN, DAN SVENSSON & PÄR MOBERG: Nordic Raga
JYOTSNA SRIKANTH, MATS EDÉN, DAN SVENSSON & PÄR MOBERG
Nordic Raga
nordicraga.st
(Riverboat Records TUGCD1108/Harmonia Mundi)
7 Tracks, 39:11


Die indische Geigerin Srikanth und ihre drei schwedischen Mitstreiter Edén (Viola d’amore), Moberg (sax, fl, m-harm, didgeridoo) und Svensson (perc) gehen herrlich unvoreingenommen mit dem traditionellen Erbe ihrer Länder um. So dauert es manchmal nur einen Taktstrich, und aus Raga wird Polska. Und umgekehrt. Ein Hörvergnügen allererster Güte.
wb
 MONIKA STADLER: Song Of The Welsh Hills
MONIKA STADLER
Song Of The Welsh Hills
harp.at
(Galileo Music GMV073)
13 Tracks, 57:31


Die höchst erfahrene österreichische Konzertharfenistin stellt bei ihrer neuen Produktion walisische Themen in den Mittelpunkt, ohne jedoch zum Beispiel den Tango, bretonische Weisen oder das eine oder andere Experiment auszuschließen. Bei etwa der Hälfte der Tracks reichern Mitmusiker den Klang dezent an. Für Harfenfreunde ein Muss.
mk

 JO STRAUSS: Der blinde Fleck
JO STRAUSS
Der blinde Fleck
jo-strauss.at
(Donnerwetter Musik DWM 0078/Cargo Records)
10 Tracks, 45:47


Ein Witz? Leider ernst gemeint. Jo Strauss singt mit verstellter Geröllstimme zwischen Darth Vader, Tom Waits und Sesamstraßenmonster. Die Texte im Wiener Dialekt holpern von einem banalen Schwarze-Romantik-Klischee zum nächsten, die Musik mit brachialer Rockgitarre und Drumgepatscher ist voraussagbar langweilig. Kein guter Witz.
jus
 SUDEN AIKA: Sisaret
SUDEN AIKA
Sisaret
sudenaika.com
(Laika Records, 3510358.2/Rough Trade)
12 Tracks, 48:44


Suden Aika sind vier finnische Sängerinnen, die seit fünfzehn Jahren zusammenarbeiten. Sie lieben allerlei Musikstile, bevorzugen sehr dezente Instrumentierung, aber die Betonung liegt natürlich auf den Stimmen. Und doch, Kantele, Harfe, irisch inspirierte Flöte, das alles unterstreicht den faszinierenden Gesang aufs Feinste.
gh

 THE SWEET SORROWS: Celticana
THE SWEET SORROWS
Celticana
thesweetsorrows.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 34:31


Das irisch-australische Ehepaar Sammy und Kylie Horner liefert mit vier Mitmusikern ein deftiges, rhythmisches und zugleich melodisches Celtic-Americana-Country-Folk-Album mit Anklängen an die australische Countrymusik. Weltweit reisend, präsentieren sie damit eine globale Musik mit Wurzeln im europäischen Nordwesten. Texte im Booklet.
mas
 JESSE TERRY: Natural
JESSE TERRY
Natural
jesseterrymusic.com
(Jackson Beach Records, JBR003)
12 Tracks, 47:05


Americana zwischen Folk und Country. Terry verfügt über eine recht hohe, aber angenehme Stimme. Die zwölf Songs wurden abwechslungsreich instrumentiert und arrangiert, klingen aber insgesamt etwas gleichförmig, zumal jedes einzelne Lied mit hochkarätig besetzten weiblichen Harmoniegesängen (zum Beispiel von Dar Williams) versehen wurde. Schön, aber nicht gut für den HbA1c-Wert.
uj

 TRANSGLOBAL UNDERGROUND feat. NATACHA ATLAS: Destination Overground – The Story Of TGU
TRANSGLOBAL UNDERGROUND feat. NATACHA ATLAS
Destination Overground – The Story Of TGU
transglobalunderground.net
natachaatlasofficial.com
(Mule Satellite Records MULE13/Galileo-MC)
12 Tracks, 61:50


Wiederhören macht Freude. In den Neunzigern gehörte die Formation um Sängerin Natacha Atlas neben Fun-Da-Mental oder Cornershop zu den britischen Bands, die es aus der World/Ethno-Nische heraus in die „regulären“ Charts geschafft hatten. Für alle Spätgeborenen gibt’s nun diesen Sampler mit teils remixtem, teils unveröffentlichtem und teils brandneuem Material.
wb
 TROJKA: Dschabba
TROJKA
Dschabba
trojka-musik.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 50:37


Fünf Jahre musste gewartet werden, bis dieses Trio sein nun zweites Album herausbrachte. Eigentlich ursprünglich aus dem Klassischen kommend, spielen Matthias Hübner (vc), Albrecht Schumann (p) und Rico Wolf (g) im Wesentlichen Eigenkompositionen – wobei alle drei als Komponisten fungieren – in meist leichtem Swing.
mg

 AD VANDERVEEN: Denver Nevada (Still Life)
AD VANDERVEEN
Denver Nevada (Still Life)
advanderveen.com
(Continental Song City CSCCD 1147/HʼArt)
11 Tracks, 46:58


Der niederländische Singer/Songwriter liebt offenbar die stilistische Vielfalt. Es klingt nach Folk und Country und Blues, aber dank der eingesetzten Bläser gelegentlich auch nach Jazz, wie in „Backroads Of Hope“. Eine melancholische Stimmung zieht sich durch das Album, dessen Songs um tiefe Gefühle kreisen. Da klingt selbst eine Amsel traurig.
vd
 LAURA VEIRS: The Lookout
LAURA VEIRS
The Lookout
lauraveirs.com
(Bella Union Records/Rough Trade)
Promo-CD, 12 Tracks, 40:31


Zuletzt machte Laura Veirs gemeinsam mit Neko Case und K. D. Lang ein Trioalbum und tourte ausgiebig mit den beiden Kolleginnen. Nun ist sie wieder ganz bei sich, wobei ihre weiche Stimme manchmal in der modernen Produktion ertrinkt. Doch ist sie nur an der akustischen Gitarre zu hören, gehen ihre Songs gleich ins Ohr. Moderner Folk, tief verwurzelt in der Tradition, modern zubereitet.
mf

 SIDI WACHO: Bordeliko
SIDI WACHO
Bordeliko
sidiwacho.com
(Blueline/flowfish/Broken Silence)
12 Tracks, 42:32


Das zwischen Lille und Santiago de Chile, entsprechend auf Französisch und Spanisch und etwas Arabisch agierende Quintett knüpft haargenau an das Werk seiner Mestizobrüder vor zwanzig Jahren an. Ein wenig aktualisiert und flottgemacht für die heute noch immer für diese party- und sozialkritisch ambitionierte Mixtur zu begeisternde jüngere Generation.
kw
 BASTIAN WADENPOHL: Abgrundtief überflüssig
BASTIAN WADENPOHL
Abgrundtief überflüssig
de-de.facebook.com/bastianwadenpohl
(Retap Verlag/Timezone)
12 Tracks, 44:26


Bastian Wadenpohl aus Wuppertal, der schon als Tetzlaffs Tiraden unterwegs war, hat den Blues. Mit rauchiger Stimme und spannenden, kritischen, melancholischen und auch geheimnisvollen Texten schafft er auf seiner zweiten Studioplatte atmosphärisch dichte Songs, die auch beim mehrfachen Hören neue Facetten zeigen.
rk

 PAUL WALKER & KAREN PFEIFFER: The Whole Charade
PAUL WALKER & KAREN PFEIFFER
The Whole Charade
paulwalkermusic.co.uk
(Crazy Moose Records CM03)
13 Tracks, 46:08


Ein Engländer und eine Deutsche beweisen eindrucksvoll, wie viel feine Musik auch unter dem gut informierten Radar fliegt. Mit zwei grandiosen Stimmen – einzeln und gemeinsam – interpretieren sie Eigenes und Songs wie „Caledonia“ oder „The L&N Don’t Stop Here Any More“. Wohl arrangiert und trotzdem livetauglich. Rundum erfreulich.
mk
 WHITHERWARD: The Anchor
WHITHERWARD
The Anchor
whitherward.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 13 Tracks, 51:00


Abwechslungsreich kommt dieses Folkduo aus den USA daher. Mit Mandoline, akustischem Bass, elektrischer Gitarre und Fiedel ist dieses Album ein Streifzug durch die Bereiche Folk, Country, Jazz und Bluegrass, ohne sich auf eines der Genres allzu sehr festlegen zu wollen. Songs, in denen jegliche Arten von Sehnsucht im Vordergrund stehen, gespielt und gesungen von sehr versierten Musikern.
mf

 HAYWARD WILLIAMS: Pretenders
HAYWARD WILLIAMS
Pretenders
haywardwilliams.com
(Why River Records)
Promo-CD, 10 Tracks, 42:37


Hayward Williams ist ein Songschreiber aus Milwaukee, Wisconsin, der mit weicher Stimme Geschichten aus seinem Leben erzählt. Balladen sind sein Metier, passen auch gut zu seinem Stimmvermögen. Die Begleitband spielt dezent und akkurat, alles fügt sich harmonisch ineinander.
mf
 BETH WIMMER: Bookmark
BETH WIMMER
Bookmark
bethwimmer.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 10 Tracks, 43:17


Eine kleine Verbeugung vor David Bowie macht Beth Wimmer auf diesem Album mit einer durch und durch folkigen Coverversion seines „Starman“. Einfach weil er starb, während sie diese Songs aufnahm. Ansonsten orientiert sich Beth Wimmer kaum an ihm, sondern macht akustische Songschreibermusik mit viel Gitarre sowie Texten über aufblühende und vergehende Liebe.
mf

 LEVENT YILDIRIM: Doholla Tarang
LEVENT YILDIRIM
Doholla Tarang
leventyildirim.net
(Seyir Muzik Records 2GN003)
12 Tracks, 55:22


Der türkischstämmige Percussionist Levent Yıldırım spielt virtuos auf diversen arabischen Trommeln, vor allem auf der obertonreichen Doholla, einer Bassversion der ägyptischen Darbuka. Bemerkenswert hierbei ist das melodiöse Spiel, welches an die indische Tabla Tarang erinnert. Doholla Tarang ist absolut hörenswert, nicht nur für Schlagwerkliebhaber.
cs
 ŸUMA: Poussière D’Étoiles
ŸUMA
Poussière D’Étoiles
yumathewebsite.com
(Innacor Records INNA21715/Broken Silence)
13 Tracks, 50:40


Ein Großteil der Songs von Sabrine Jenhani (voc) und Ramy Zoghlami (voc, g) beginnt als Zwei-Stimmen-plus-Gitarre-Folksong und steigert sich dann in ein opulent programmiertes und instrumentiertes Rock-Pop-Arrangement hinein. Das Rollenmodell hierfür stammt von Peter Gabriels frühen Real-World-Produktionen. Wohlklingende Spätfolgen gibt’s jetzt hier.
wb

 : rezi-legende
Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (jus), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Michael Kleff (mkl), Ines Körver (ink), Bernd Künzer (bk), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (chr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel, (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps),Martin Steiner (mst), Annie Sziegoleit (asz), Katrin Wilke (kw)




Onlinerezensionen
HOURIA AÏCHI
Chants Mystiques DʼAlgérie
facebook.com/HouriaAichi
(Accords Croisés AC 175/Pias)
9 Tracks, 54:23


Houria Aïchi, eine der bedeutendsten Sängerinnen Algeriens, meldet sich nach vier Jahren mit einem neuen Album zurück. Diesmal ist die Instrumentierung auf das Nötigste beschränkt, sie geht kaum über Gesang, Percussion und klatschende Hände hinaus. Beseelte Musik für Puristen.
ink
TOM ASTOR
Gegen den Strom
tom-astor.de
(Telamo 405380430761/Warner)
15 Tracks, 51:10


Kürzlich ist Tom Astor 75 Jahre alt geworden. Seit Jahrzehnten gehört er zur deutschsprachigen Musikszene, und angesichts dessen, was da gerade an Pathos mit heimischer Zunge vorgetragen wird, wirken diese Texte erfreulich schlicht. Schlager? Dafür klingt die von Nashville-Profis eingespielte Musik zu knackig. Stimmt ein, gebt dem Mann eine Chance!
vd

BACKTRACK BLUES BAND
Make My Home In Florida
backtrackbluesband.com
(Harpo Records/HʼArt)
CD + DVD, 9 Tracks, 49:28


Der Sänger und Mundharmonikaspieler Sonny Charles spielt zusammen mit Kid Royal (Gitarre, Gesang), Little Johnny Walter (Gitarre), Joe Bencomo (Schlagzeug) und Stick Davis (Bass) dynamischen Blues.
asz
THE KRIS BARRAS BAND
The Divine And Dirty
krisbarrasband.com
(Mascot Label Group/Rough Trade)
Promo-CD, 11 Tracks, 46:31


Der britische Gitarrist und Sänger legt seine dritte Platte vor. Mit großer Band spielt er in erster Linie Blues und Rockblues. Mit Elliott Blackler (Bass), Will Beavis (Schlagzeug) und Josiah J. Manning (Keyboards) überzeugt er auch im Quartett.
asz

RETO BURRELL
Shampoo Or Gasoline
retoburrell.ch
(Turbo Music/Timezone)
12 Tracks, 45:13


Die zehnte Studioplatte des Komponisten, Gitarristen und Sängers aus der Schweiz bietet Blues und Rockblues mit Tiefgang. Zur Band gehören Ewald Heusser (E-Gitarre), Thomas Kull (Klavier, Orgel), Toby Bachmann (Bass) und Chris Filter (Schlagzeug).
asz
LELLE DAHLBERG
These Words Are True
lelledahlberg.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 12 Tracks, 46:37


Recht entspannt lässt es der Schwede Dahlberg auf diesem Album angehen, mit akustischer Gitarre und harmonisch-entspanntem Backgroundgesang. Dann wird es auch etwas rockiger, doch bleibt Dahlberg seinem Singer/Songwriter-Genre mit einer leicht countryesken Note treu. Gelegentlich schweift er auch in den Honky-Tonk ab, doch insgesamt klingt These Words Are True nach solidem, amerikanischem Songschreibertum.
mf

DRY DUDES
Memories
drydudes.de
(Timezone TZ1513)
12 Tracks, 40:17


Ed Sheeran, Amy McDonald, Dry Dudes – was in den Charts als Folk verkauft wird, sind schlichtweg gute Popsongs im semiakustischen Gewand. Zugegeben, die Dry Dudes finden sich noch nicht in den Charts, aber dort gehören sie hin. Jeder Song des Emsländer Duos klingt gefällig und überzeugt mit hohem Wiedererkennungswert und Mitsingfaktor.
ce
EMEL
Ensenity
facebook.com/e.mathlouthi
(Partisan Records)
Promo-CD, 9 Tracks, 48:19


Emel Mathlouthi entfernt sich zunehmend von ihren akustischen Anfängen. War das zweite Album Ensen schon ziemlich elektronisch, so lassen die Remixe auf Ensenity die Ausnahmestimme der Tunesierin leider manchmal zu sehr in den Hintergrund treten. Eher was für Clubgänger.
ink

MAX FUSCHETTO
Mother Moonlight
maxfuschetto.eu
(Italian World Beat IWB001/Indigo)
16 Tracks, 38:24


Eigentlich ist der Neapolitaner Oboist und Saxofonist. Bei seinen Kompositionen des Albums Mother Moonlight steht aber das Klavier im Mittelpunkt. Neben Enzo Oliva am Flügel setzen diverse Musiker an Geige, Elektrogitarre, Bass und Blasinstrumenten Akzente. Entstanden ist ein ruhiges, atmendes Werk, dessen Klänge in nahe und ferne Welten entführen.
mst
SERVAIS HAANEN & ENSEMBLE
Akkordeonale Compositions
akkordeonale.de
(Eigenverlag)
16 Tracks, 68:59


Die immer im April durch Deutschland tourende Akkordeonale bringt Akkordeonspieler und je zwei Akteure mit anderen Instrumenten vieler Musikkulturen zusammen. Tourchef Haanen komponiert auch immer eigene Stücke und spielt sie mit den jedes Jahr wechselnden Teilnehmern ein. Heraus kommt akkordeonale Kammermusik zum stillen Zuhören und Träumen.
mas

SCOTT KIRBY
Chasing Hemingway’s Ghost
scottkirby.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 10 Tracks, 42:03


In Nashville produziert, hat die Musik von Scott Kirby doch mehr mit den frühen Eagles als mit der gegenwärtigen Countryszene zu tun. Seine Songs sind professionell durcharrangiert, mit vielen Chören im Hintergrund, einem dezenten Schlagzeug hier und da. Seine Songs verbreiten die Atmosphäre eines einsamen Segelturns auf hoher See.
mf
JUHA KUJANPÄÄ
To Where My Wings Will Take Me
juhakujanpaa.com
(Eclipse Music/Galileo-MC)
8 Tracks, 51:51


Ein Instrumentalalbum mit Geige als Hauptinstrument und Popsongattitüde? Finnen dürfen das. Ob Polska oder schmachtige Zirkusmusik, ob Stromgitarrensolo oder New-Age-Sound, irgendwie verzeiht man dem Künstler einfach alles, hört mit heimlicher Begeisterung den Geigenmainstream und hofft, dass niemand diese CD neben David Garrett einsortiert.
ce

SUSKA LaSUSKA
Debut Devotional
suskalasuska.com
(Plattenbau Records)
4 Tracks, 14:47


Die gebürtige Rostockerin, mit bürgerlichem Namen Suska Ihracky, arbeitet seit 2016 in Berlin mit dem japanischen Produzenten Chikara Aoshima zusammen. Mit heller, klarer Stimme singt sie eigene deutschsprachige Lieder von „gigantischem Gedankengewühl“ – also überwiegend der Liebe – zu eingängigem, von Keyboards dominiertem Pop.
rps
LOW ANTHEM
The Salt Doll Went To Measure The Depth Of The Sea
lowanthem.com
(Joyful Noise JNR225/Cargo Records)
Promo-CD, 12 Tracks, 30:53


Müde von den frühen Anfangserfolgen und nach einem schlimmen Autounfall, der die Band ins Krankenhaus beförderte, erfindet sich Low Anthem hier völlig neu. Noch sind ihre melodischen Folkwurzeln deutlich zu hören. Doch die zwölf zum Teil sehr kurzen Songs sind diesmal sehr sparsam, fast nackt, nur mit Stimme, Gitarre und elektronischen Elementen arrangiert.
ep

DEVA MAHAL
Run Deep
devamahal.com
(Pias UK/Motema/Rough Trade)
12 Tracks, 46:31


Als Sängerin mit großer Soulstimme debütiert Deva Mahal mit diesem Album. Dabei öffnet sie sich auch hin zu „modernen“ Stilistiken, und so wandern die Stücke über Gospel, Indiepop bis hin zum Hip-Hop. Textlich verarbeitet sie dabei eigene Erfahrungen und einen stetigen Wechsel zwischen Stärke und Verletzlichkeit. Ein authentisches, kraftvolles Debüt.
ah
MALASAÑERS
Footprints
malasaners.com
(Eigenverlag)
13 Tracks, 40:00


Celtic-Folk-Hardrock aus Bamberg, mit aus Spanien stammendem Frontmann. Die Musik klingt viel düsterer, martialischer als beim Vorgängeralbum Spanish Eyes von 2014. Schlagzeug, singende E-Gitarren, Keyboards, Fiddle, punkiger Gesang mit einem Slang wie von englischen Hooligans, kurzum etwas für Fans von Pogues bis Mahones.
mas

SCOTT MATTHEW
Ode To Others
scottmatthewmusic.com
(Glitterhouse GRCD939)
10 Tracks, 41:54


Der schönste Grund für einen Selbstmord ist immer noch ein Album von Scott Matthew. Auf seinem neuen Album klingt er, zugegeben, fröhlicher als jemals zuvor. Mit seiner Ukulele als Hauptinstrument simuliert er in einigen Songs sogar hawaiianische Leichtigkeit. Dennoch, Matthew bleibt auch mit Ode To Others ein treuer Begleiter für die dunklen Stunden im Leben.
ce
MEADOW CREEK
ʼTil Death Do Us Part
meadowcreekmusic.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 37:40


Das schwedische Duo Linda und Peter Dahl ist nicht nur musikalisch, sondern auch privat ein Paar. Seit über zwanzig Jahren schreiben sie sehr erfolgreich Songs für eigene Bands und Kollegen. Auf ihrem Duodebüt präsentieren sie vor allem Eigenkompositionen zwischen Country, Pop und Folk. Manchmal klingen die Stücke etwas nah am Kitsch.
ep

FRIEDE MERZ
Denmark Street
friedemerzmusic.com
(Spray Can Records)
5 Tracks, 17:37


Die Hamburgerin legt hier ihr Debüt im Stil einer Singer/Songwriterin vor. Zu hören sind hauptsächlich saubere bis leicht angezerrte Gitarrensounds. Dazu kommen Bass, Drums und hie und da ein Tupfer Keyboards, Flügelhorn oder Geige. Die englischen Texte wirken mit ihrer unaufgeregten Altstimme insgesamt stimmig, und die Lieder haben insgesamt Anklänge an Country und Jazz.
is
MR. IRISH BASTARD
The Desire For Revenge
mririshbastard.com
(Reedo Records/Rough Trade)
Promo-CD, 12 Tracks, 47:33


Fünftes Album der Münsteraner irischen Bastarde. Irish-Speed-Punk-Hard-Folk-Rock von der grellsten und deftigsten Sorte. Man weiß oft nicht, ob da jemand singt oder sich übergibt. Wären da nicht die mitreißenden Akkordeonriffs im Zwischenspiel, wäre es eher Krach als Musik. Schönheit aber liegt in den Ohren des Hörers.
mas

MEGAN NASH
Seeker
megannash.ca
(Acronym Records/Timezone)
11 Tracks, 45:17


Mit dem Song „Bad Poetry“ eröffnet die Singer/Songwriterin aus dem kanadischen Saskatchewan ihr zweites Album mit wuchtig-fetten Arrangements. Die Aufnahmen ihrer Songs entstanden in Kollaboration mit der Ambient/Alt-Rock-Band Bears in Hazenmore. Schöne Americanasongs und eine tolle Stimme, die leider im Mix oft nicht weit genug im Vordergrund steht.
uj
THE NUTTY BOYS
Got Your Dancing Shoes?
nuttyboys.de
(Hfb-records 008/Galileo-MC)
11 Tracks, 49:16


Hier steht wirklich kein Bein still. Das sechsköpfige Ensemble aus Deutschland, Australien, Japan und den USA präsentiert hervorragend swingende Eigenkompositionen zwischen Jazz, Ska und Reggae. Vorbild ist der Sound Jamaikas. Besonders die Stücke mit Gastsängerin Anja Lehmann überzeugen. Gute-Laune-Musik, die den grau-nassen Winterblues vertreibt.
ep

SOUL RETURN
Soul Return
soulreturnband.com
(Dixiefrog Records DFGCD8801/H’Art)
12 Tracks, 46:13


Blues und Bluesrock aus Los Angeles, Kalifornien, dazu jeweils eine Prise Funk, Soul, Jazz und Swing. Getragen wird diese brodelnde Mixtur durch Kellie Ruckers raue, charismatische Stimme und ihr pointiertes Harpspiel und natürlich durch JJ Holidays hervorragend gespielte Slidegitarre. Dritter im Bund ist der Schlagzeuger Michael Barsimanto.
ah
MIKE SPINE
Donʼt Let It Bring You Down
mikespine.com
(Global Seepej Records GSR 115)
11 Tracks, 34:36


Solider West-Coast-Rock aus den USA mit Anleihen bei Neil Young, Steve Earle und Lucinda Williams. Die Eigenkompositionen zeigen, dass der Musiker aus Seattle sein Handwerk versteht. Allerdings präsentiert er wenig Überraschendes, und auch bei seinen Coverversionen ist man geneigt, lieber zum Original zu greifen.
ep

ARTURO STÀLTERI
Low & Loud
arturostalteri.wixsite.com/arturostalteri
(Felmay fy7056)
12 Tracks, 61:25


Keith Richards, Johann Sebastian Bach, Johann Pachelbel – Arturo Stàlteri kennt keine Berührungsängste. Wer genau reinhört, spürt die Vorbilder des römischen Pianisten zwischen den perlenden Klavierkaskaden heraus. Neun der zwölf Stücke sind Eigenkompositionen.
mst
THE STANFIELDS
Limboland
thestanfields.ca
(Rookie Records/Indigo)
Promo-CD, 11 Tracks, 45:21


Eigentlich ist es Hardrock oder Punk, was die fünf Herren aus Nova Scotia produzieren. Die Gitarren heulen, der Sänger röhrt, und in den Texten geht es gegen Nationalismus und den Idioten weiter südlich. Aber die Jungs spielen auch die Bouzouki und die Violine, und so schleichen sich ab und zu Folkelemente ein, und einmal gehtʼs gar in Richtung Gospel.
mk

THE WILLOWS
Amidst Fiery Skies
thewillowsband.co.uk
(Elk Records ELK013)
11 Tracks, 48:11


Schon gute drei Jahre alt, das Werk, aber der Folkpop (mit Betonung auf Ersterem) der mittlerweile sechs Briten ist es absolut wert, auch verspätet erwähnt zu werden. Banjo, Fiddle, Gitarre, Mandoline, Bass und Drums sorgen für die Basis, auf der sich die leicht heisere Stimme der Jade Rhiannon ausbreiten kann. Und diese Harmonien! Britisch und Americana.
mk
Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Mike Kamp (mk), Ines Körver (ink), Erik Prochnow (ep), Michael A. Schmiedel, (mas), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps),Martin Steiner (mst), Annie Sziegoleit (asz)


Bücher
 PIPPO POLLINA: Verse für die Freiheit : Mein Leben, meine Lieder / aus dem Ital. von Andrea Briel. – 1. Aufl.
PIPPO POLLINA
Verse für die Freiheit : Mein Leben, meine Lieder / aus dem Ital. von Andrea Briel. – 1. Aufl.
rotpunktverlag.ch
(Zürich : Rotpunktverl., 2018. – 390 S. : mit zahlr. Fotos )
ISBN 978-3-85869-770-7 , 42,00 EUR


Nach der Biografie über ihn von Franco Vassia aus dem Jahr 2011 (siehe „Bücher“ in Folker 4/2011) hat der seit über dreißig Jahren in der Schweiz lebende sizilianische Liedermacher Pippo Pollina nun ein selbst geschriebenes Buch vorgelegt. Neben rund 150 Liedtexten mit jeweiliger Übersetzung ins Deutsche enthält es zahlreiche Fotos sowie autobiografische Passagen, die seine persönlichen, vor allem aber die gesellschaftspolitischen Umstände schildern, die zur Entstehung seiner Lieder und Alben führten. Bleibt Privates weitgehend außen vor und dürfte das ein oder andere einem bereits aus Vassias Werk bekannt vorkommen, wird hier noch einmal besonders deutlich, dass Pollina es eigentlich bis heute nicht verwunden hat, seine Heimat verlassen zu haben. Ein Dorn im Auge waren und sind ihm dabei immer wieder die Unfähigkeit der italienischen Politiker und die scheinbar nie enden wollenden Machenschaften und Gräueltaten der Mafia. Doch neben einer Art Zeitreise durch die unstete und aus seiner Sicht traurige Geschichte Italiens der letzten vier Jahrzehnte ist das Buch auch ein Blick des Migranten auf seine neue Heimat Schweiz und zugleich Zeugnis einer grenzübergreifenden europäischen Identität. Von all dem sind auch seine Lieder geprägt, deren Übersetzungen eine lyrische, stark metaphorisch geprägte Sprache offenbaren und sich eher wie mit starken Bildern arbeitende Gedichte lesen. Zwei Dinge vielleicht: Obwohl klar ist, dass zwar der Großteil, nicht aber alle der abgedruckten Texte allein von Pollina stammen, fehlen zu den Abdrucken der einzelnen Liedtexte Angaben, wer daran möglicherweise beteiligt gewesen ist. Schade ist zudem, dass die Gelegenheit zu einer ausführlichen Diskografie mit Auflistung der jeweiligen Tracks verpasst wurde. Insgesamt bietet das Buch jedoch einen aufschlussreichen Einblick in das Werk und die Gedankenwelt eines Künstlers, der sich seit Jahrzehnten politisch und kulturell engagiert und dabei wunderbare Lieder schafft.
Stefan Backes
 JULIANE BALLY: Looking for Oriental Jazz : Porträts u. Perspektiven.
JULIANE BALLY
Looking for Oriental Jazz : Porträts u. Perspektiven.
goethehafis-verlag.de
(Bonn : Goethe & Hafis, 2018. – 102 S. : mit Fotos u. Abb. – (Edition Pyjama))
ISBN 978-3-940762-45-0 , 14,90 EUR


Dieses Buch hat auf ganzer Linie verwirrt. Zunächst war da die Frage: Ist Oriental Jazz nun Weltmusik oder ist es Jazz und müsste eher von einer Jazzredaktion besprochen werden? Die Entscheidung: Das Werk fällt ins Ressort dieses Magazins, denn es behandelt auch Weltmusik. Die nächste Verwirrte war die Rezensentin. Zum einen, weil der Band trotz hochwertigen Papiers und schönem Layout anmutet wie ein Prospekt, was vermutlich am fast quadratischen Format, der überschaubaren Seitenzahl und dem Kartoneinband liegt. Zum anderen, weil trotz formal stringenter Gliederung des Buches in sieben Porträts von zweifelsohne würdigen Vertretern des Genres – Ensemble Fisfüz, Transorient Orchestra, Neckarganga, Haz'art Trio, Modus Quartet, Michel Godard, Trio Nihaylard – mit abschließenden Statements und Kurzbiografien der Musiker sämtliche Texte im gleichen äußerst sprunghaften Stil geschrieben sind. Die logisch und grammatikalisch fragwürdigen Bezüge hätte ein beherzter Lektor in ein, zwei Tagen leicht korrigieren können. Schade, dass dies nicht gemacht wurde, denn es stecken viele interessante Informationen im Text, wenngleich keinerlei Versuch unternommen wurde, zu erklären, was Oriental Jazz denn nun eigentlich ist und seit wann es ihn überhaupt gibt. Im Vorwort verweist die Autorin lediglich darauf, dass dies aus den sieben Porträts mittelbar hervorginge, was es aber nicht wirklich tut. Ebenso rätselhaft bleibt die Auswahl der hübschen Zeichnungen von Musikern und ihren Instrumenten, die den Band beschließen. Warum wird beispielsweise eine Darbuka dargestellt, aber keine Rahmentrommel? Warum sieht man einen Sarodspieler, wenn Shyam Rastogi von Neckarganga doch Sitar spielt? Fazit: Die Anschaffung lohnt sich wohl nur für Musiker, die in ähnlichen Projekten arbeiten und wissen wollen, wie die Kollegen mit Themen wie Repertoireauswahl, Vierteltönen und der Jazzifizierung/Harmonisierung orientalischen Liedmaterials umgehen.
Ines Körver

 ROSIE MacGREGOR: Angela Remembered – The Life of Angela Gradwell Tuckett.
ROSIE MacGREGOR
Angela Remembered – The Life of Angela Gradwell Tuckett.
watermarx.co.uk
(Wiltshire : Watermarx, 2015. – 84 S. : mit zahlr. Fotos.)
ISBN 978-0-9570726-3-3 , 7,50 GBP


Es ist schon interessant. Wenn man sich mit den Protagonisten des englischen Folkrevivals beschäftigt, dann stellt man sehr schnell fest, dass viele Mitglieder oder zumindest Sympathisanten der kommunistischen Partei (CP) waren. Ewan MacColl, A. L. Lloyd oder Karl Dallas sind nur drei prominente Beispiele. Verwunderlich ist es indes nicht, dass sich Folkmusik und CP trafen, stellten doch beide auf unterschiedliche Art die einfachen Leute ins Zentrum ihres Interesses. Auch Angela Tuckett (1906-1994) war als folkinteressierte Kommunistin, Journalistin und Dichterin eine bemerkenswerte Frau. Ihr Wirkungsgebiet war mit London und dem englischen Südwesten eher lokal begrenzt. Ihr Arbeitsschwerpunkt lag auf ihren zahlreichen Aktivitäten und ihrem grenzenlosen Einsatz für Menschen, die Hilfe brauchten. Ihre folkloristischen Aktivitäten spielen in dem Zusammenhang eher eine Nebenrolle. Angela Tuckett war in Sachen Folkmusik ein Teil der Basis, jemand, die mit ihrer Konzertina als sogenannter „floorsinger“ im lokalen Folkclub den Abend mit ein paar Songs eröffnete oder die politischen Aktionen mit Lieder begleitete. Politisch ebenso wie musikalisch zeigte Tuckett einen großen Enthusiasmus, der manchmal in Sachen Singen vielleicht übergroß war, wie die Autorin nicht verschweigt. Als geradlinige und stolze Person mit Überzeugung ignorierte sie in späteren Jahren wohl oft die Tatsache, dass ein Vortrag auch mal zu einem Ende kommen muss und hinterließ eine genervte Zuhörerschaft. Das Büchlein liest sich flüssig und ist randvoll mit interessanten Fakten. Tuckett war ganz gewiss eine außergewöhnliche Frau, die diese knappe Biografie verdient hat. Es müssen ja nicht immer die Stars der Szene sein.
Mike Kamp
 DANIEL WOLFF: Grown-up Anger : The Connected Mysteries of Bob Dylan, Woody Guthrie, and the Calument Massacre of 1913
DANIEL WOLFF
Grown-up Anger : The Connected Mysteries of Bob Dylan, Woody Guthrie, and the Calument Massacre of 1913
(New York, NY : Harper Collins, 2017. – 354 S. )
ISBN 978-0-06-245169-9 , 26,99 USD


Der vorliegende Titel wird vielfach auch als zweifache Biografie über Bob Dylan und Woody Guthrie bezeichnet. Der Autor Daniel Wolff hörte im Alter von dreizehn Jahren erstmals einen Dylan-Song im Radio, der ihn so sehr beeindruckte, dass er sich intensiv mit dem Musiker auseinandersetzte – und dadurch fast zwangsläufig auch mit Woody Guthrie. Bei der Beschäftigung mit diesen beiden Musikern lernte er auch Guthries Song „1913 Massacre“ kennen, einen Song über einen Streik in Calumet, Michigan, und eine gewerkschaftliche Weihnachtsfeier, die tragisch mit dem Tod von 73 Menschen endete. Wolff beschreibt die Geschichte der Stadt Calumet in der frühen Zeit der Industrialisierung Amerikas ebenso wie die Kämpfe der Besitzlosen. Er berichtet, was damals geschah, und er berichtet über die Art und Weise, wie Dylan und Guthrie in ihrer Wut über die wirtschaftliche Not der Arbeiter versuchten, mit ihren Songs etwas an dieser Situation zu verändern. Ergänzt wird der Band neben einem recht gewöhnlichen Index durch einen umfangreichen Anmerkungs-/Quellenangabenteil nach Kapiteln sowie eine Auswahlbibliografie. Für Dylan und Guthrie-Fans sicher ein Must-have.
Doris Joosten

DVD/Filme
 CHARLES ESTEN, CLARE BOWEN, SAM PALLADIO, JONATHAN JACKSON, CHRIS CARMAC: Nashville In Concert At The Royal Albert Hall
CHARLES ESTEN, CLARE BOWEN, SAM PALLADIO, JONATHAN JACKSON, CHRIS CARMAC
Nashville In Concert At The Royal Albert Hall
eagle-rock.com
(Eagle Rock 50345 0413207 8/Universal Music)
28 Tracks, 193:00


Auch die Countrymusik hat jetzt ihre Boy/Girl-Group. Vier Schauspieler und eine Darstellerin aus der erfolgreichen amerikanischen TV-Soap Nashville über das Leben fiktiver Countrystars waren letztes Jahr für drei Tage bei einer Europatour als Sänger in der Londoner Royal Albert Hall zu erleben. Das Konzept, eine TV-Serie zum Hit- und Musikstarlieferanten werden zu lassen, funktioniert so gut, dass Fans, die vor einiger Zeit vielleicht noch auf Justin Bieber standen, jetzt also Country hören. Allerdings hat man dabei das Gefühl, dass hier Modeltypen singen und sich zu einer Musik bewegen, bei der Country nur noch Beigabe ist, das Schaulaufen der Stars mit Küsschen im Publikum aber das Eigentliche ist. Die Kritiken halten die Serie zum Musikerleben in Nashville zwar für durchaus authentisch, wenn Mainstream-Country heute aber derart glatt und austauschbar daherkommt, darf es nicht wundern, dass man die singenden Schauspieler zuletzt auch in Helene Fischers Weihnachtsshow gebucht hatte. Dieser Nashville-TV-Soap-Sound verhält sich zu Countrymusik wie überzuckerter Orangensirup zum Saft einer echten Orange. In Deutschland ist Nashville auf dem Sender Fox auf Deutsch zu sehen.
Hans-Jürgen Lenhart



Besondere
MERCEDES PEÓN
Déixaas
mercedespeon.gal
(Altafonte/Galileo MC)
11 Tracks, 43:59 , galic. u. engl. Texte u. Infos


Acht Jahre ließ die charismatische Folkvisionärin seit ihrem letzten Album verstreichen. Nicht verwunderlich, setzt die singende Multiinstrumentalistin und Elektrotüftlerin aus der Provinz A Coruña doch weniger aufs Veröffentlichen denn aufs Musizieren und Komponieren selbst. Ihr Wagemut, mit dem sie mittels einer ungemein kreativen Klangsprache zwischen Tradition und Moderne vermittelt, sucht – auch über Spanien hinaus – seinesgleichen. Er setzt sich unbeirrt fort auf diesem immerhin fünften Album in achtzehn Jahren, das u. a. mit markant-metallischen Sounds operiert. Sie wurden in den emblematischen, einst auch in die Kriegsrüstungsindustrie verwickelten Schiffswerften im galicischen Ferrol aufgenommen und sind die  MERCEDES PEÓN: Déixaas symbolträchtige Crux des Albums. Die „Björk Galiciens“ verstört mit dem titelgebenden Opener oder dem Track „Plataforma“ womöglich so manchen Hörer. Dominieren hier rockig-derbe und maschinelle Sounds, so birgt der Rest des Albums durchaus sanftmütigere Momente. Quasi alle Kompositionen enthalten ein sozialkritisches, politisches Moment. Wie stets in Peóns Arbeit, werden u. a. auch feministische Belange mehr oder weniger subtil thematisiert; allein schon der „weibliche“ Albumtitel („Lass sie“) lässt es erahnen. Auch scharte die Galicierin diesmal an erster Front Frauen um sich. Die beiden, wie sie selber Tamburin spielenden, singenden Landsfrauen bilden mit ihr das ebenfalls Déixaas genannte Trio, welches derzeit auch das neue Repertoire live präsentiert. Im Heimstudio in Peóns ländlichem Zuhause waren noch weitere Musikerfreunde als Gäste geladen. Der interdisziplinäre Ansatz, das Interagieren mit Literatur oder Tanz, welches vielen Musikern Galiciens liegt, macht auch Mercedes Peóns Arbeit aus. Neben dem mit einer zeitgenössischen Tänzerin gestalteten Clip zu „Plataforma“ fußt z. B. das mit deutschen und galicischen Sprachfetzen gespickte Stück „Linguas Elementais“ auf dem Text einer tamilischen Dichterin. Ein kritisches Statement zum Eurozentrismus und den damit verbundenen buchstäblichen Wortführern.
Katrin Wilke
FATOUMATA DIAWARA
Fenfo – Something To Say
fatoumatadiawara.com
(Wagram/Indigo)
Promo-CD, 11 Tracks, 42:00


Nach ihrem Debüt vor sieben Jahren legt Fatoumata Diawara nun ein deutlich gereiftes Album vor, ohne ihre Herkunft zu verleugnen. In Abidjan geboren, kam sie im Alter von zwölf Jahren nach Bamako zu ihrer Tante, einer Schauspielerin. Durch sie bekam Diawara Zugang zum Theatermilieu. Der Filmemacher Cheick Oumar Sissoko engagierte sie 1997 für seinen Film La Genèse, in dem sie an der Seite von Salif Keita die weibliche Hauptrolle spielte. 2006 spielte sie die weibliche Hauptrolle in der Opéra du Sahel, der ersten Oper, die in Bamako uraufgeführt wurde. Bevor sie ihr erstes Album unter eigenem Namen aufnahm, war sie schon mit Dee Dee Bridgewater, Oumou Sangare und Herbie Hancock zu hören. Ihre weiteren  FATOUMATA DIAWARA: Fenfo – Something To Say musikalischen Aktivitäten klingen wie das Who's who der modernen afrikanischen Musik, für das sie in Würzburg 2013 mit dem Africa Festival Award ausgezeichnet wurde. Parallel setzte sie auch ihre Karriere als Schauspielerin fort, unter anderem in den Filmen Timbuktu (2014) und Mali Blues (2015). Ihr aktuelles Album Fenfo, produziert in ihrer Wahlheimat Frankreich, spielte sie mit Musikern in Mali, Burkina Faso, Barcelona und Paris ein. Unter anderem sind der Cellist Vincent Ségal, der Koraspieler Sidiki Diabaté und der Musiker und Koproduzent Matthieu Chedid zu hören. Der Titel Fenfo bedeutet „etwas zu sagen“, und das hat die malische Ausnahmekünstlerin. Sie singt, meist in ihrer Muttersprache Bambara, von Migration, Respekt, Demut, Liebe, Familie und davon, wie man eine bessere Welt für Kinder schaffen kann. Zentrales Element der Stücke ist Diawaras starke Stimme, die in einen modernen Sound gebettet ist, ohne die afrikanischen Einflüsse zu leugnen. Elektrische Gitarren sind mit Kora und Ngoni, Schlagzeugsamples mit den zeitlosen Rhythmen der traditionellen Percussion verbunden. Nach eigenem Bekunden klingt sie so, wie sie sich fühlt, mutig experimentell und doch respektvoll gegenüber ihren Wurzeln, stolz auf ihr Erbe und mit einem optimistischen Blick in die Zukunft.
Christoph Schumacher

Deutschland
 FREDMAN: Woikngsichta – Wolkengesichter
FREDMAN
Woikngsichta – Wolkengesichter
Schriftkunst.de/fredman
(Eigenverlag)
12 Tracks, 40:44 , mit dt. Infos


Der Tegernheimer Liedermacher und Sänger oder – wie er sich nennt – Klangpoet sowie Musikpädagoge Manfred Lill alias Fredmann bietet auch auf seine, vierten Album eine Mischung teils auf Oberpfälzisch, teils auf Standarddeutsch zur Gitarre und teils zum Akkordeon gesungener Lieder, denen die frankofonen Vorbilder deutlich anzuhören sind, auch wenn das „Vagantenlied“ melodisch an das irische „The Star Of The County Down“ erinnert. Dabei wird er von Maria Wild auf dem Krummhorn, bei einigen anderen Liedern auf dem Hackbrett oder mit Gesang begleitet. Er thematisiert das menschliche Leben in seiner Vielfalt und Buntheit, aber auch, was die Freude am Leben verdirbt, wie Angst, Neid und Ausländerfeindlichkeit. Dann doch lieber das Interesse aneinander, miteinander zu sein und die Vergänglichkeit des Daseins nicht alleine aushalten zu müssen. Es ist eine zärtliche Liebe zum Leben, die da durchscheint, und dabei keine Schönfärberei, sondern das Leid im Blick und aushaltend. Schön wäre ein Beiheft, um die Texte mitlesen zu können.
Michael A. Schmiedel
 THE GREEN APPLE SEA: Directions
THE GREEN APPLE SEA
Directions
greenapplesea.bandcamp.com
(K&F Records/ Broken Silence)
11 Tracks, 40:42 , mit engl. Texten


Viertes Album der Nürnberger Gruppe um den Songwriter Stefan Prange. Der Chef wollte eigentlich gar keine Musik mehr machen. Doch dann setzten sich seine guten Songideen doch über alle Widerstände hinweg und fruchteten auf einer alten Höfner-Gitarre und engagiertem Bandboden. So entstand nun, acht Jahre nach dem Debüt Northern Sky/Southern Sky ein rundum angenehm hörbares Album. Wüsste man es nicht besser, hielte man es für das Werk einer amerikanischen Retro-Indieband, die den Folk liebt. Dabei wirkt hier nichts anbiedernd oder abgeguckt. Elf ganz unterschiedliche Songs sind es, jeder für sich stimmig und intensiv, unterstützt durch eine Band, die teilweise aus Mitgliedern anderer toller deutscher Amerikana-Bands wie Missouri oder Smokestack Lightninʼ besteht, sowie durch den Gesang von Lena Dobler. Die englischen Texte sind einigermaßen ungewöhnliche und tiefsinnige Betrachtungen der Welt des talentierten Songwriters.
Imke Staats

 DIE GRENZGÄNGER: Die wilden Lieder des jungen Marx
DIE GRENZGÄNGER
Die wilden Lieder des jungen Marx
die-grenzgänger.de
(Feinste Musikkonserven/Broken Silenc)
14 Tracks, 47:54, , mit Texten


Zweihundert Jahre alt wäre der Herr in diesem Jahr geworden, seine blauen Bände zieren noch manches Bücherregal, werden gelegentlich noch gelesen und diskutiert, doch die hohe Zeit seiner Popularität scheint vorbei zu sein. Aber als Popstar könnte es jetzt noch etwas werden, denn man kann was Neues vom alten Marx hören, nämlich Gedichte, die er als junger Mann geschrieben hat. Im Vormärz entstanden, spiegeln seine Texte schon etwas von den sich zuspitzenden Konflikten und seinem aufsässigen Geist. Für den heutigen Sprachgebrauch sind sie zwar etwas sperrig, aber die Grenzgänger haben sich dieser Jugendgedichte angenommen und sie höchst originell und sensibel auf moderne Weise in Lieder umgesetzt. Ein Liebeslied an seine Jenny von Westphalen eröffnet den Reigen, weiter geht es mit der Verspottung des deutschen Publikums im Biedermeier, der Musiker, der teuflisch spielt, wird besungen, die Zerrissenheit und die widersprüchlichen und aufbegehrenden jugendlichen Empfindungen werden beschrieben. Musikalisch haben Michael Zachcial und Felix Kroll das sehr breit und abwechslungsreich umgesetzt. Folk, Chanson und Rap, von Cello und Akkordeon unterstützt, und zum Abschluss gibt es noch ein proletarisch-musikalisches Medley als Geburtstagsständchen.
Rainer Katlewski
 IGNAZ NETZER & WERNER ACKER: Saitenzauber
IGNAZ NETZER & WERNER ACKER
Saitenzauber
ignaznetzer.de
werner-acker.de
(Catmusic Production)
13 Tracks, 56:43 , mit dt. Infos


Der wunderbare Klang zweier Akustikgitarren und einer Stimme ist auf dem Livealbum des Bluesduos aus Schwaben zu hören. An einem unüblichen Ort, mitten in einem Möbelhaus, präsentieren Netzer und Acker dreizehn Titel von Blind Lemon Jefferson, Brownie McGhee, Fred McDowell und Lead Belly, aber auch traditionelles Liedgut und zwei Eigenkompositionen sind zu hören. Mit warmen jazzigen Klängen brilliert der ausgezeichnete Saitenspieler Werner Acker, rhythmisch und witzig geht es auf eine Bluesreise mit Ignaz Netzer, der mit rauchiger und tiefer Stimme den Ton angibt und mit der Mundharmonika für Abwechslung sorgt. Die beiden Vollblutmusiker bilden ein perfektes Team und können auch beim Klassiker „Summertime“ und bei Balladen wie „Send Me Someone To Love“ voll überzeugen. Für künftige Produktionen ist allerdings zu wünschen, dass das Design der Verpackung einem Grafiker anvertraut wird.
Annie Sziegoleit

 JOBARTEH KUNDA: Teriya
JOBARTEH KUNDA
Teriya
jobarteh-kunda.de
(Aimland Records ARJK 73912)
11 Tracks, 51:59 , mit engl. Infos


Puristen mögen Probleme damit haben, wenn deutsche Musiker wie der in München aufgewachsene „weiße Griot“ Tormenta Jobarteh in eine völlig andere Kultur eintauchen, sich über viele Jahre hin handwerkliche Fertigkeiten (u. a. das Erlernen der Kora) aneignen und sich auch mental auf „fremdartige“ Musiktraditionen einlassen. Mag die oft vielbeschworene „Authentizität“ fehlen, so ist es dem Bandleader sehr wohl gelungen, in rund zwanzig Jahren mit über tausend Konzerten und diversen Tonträgern im besten Sinne Weltmusik auf hohem Niveau zu produzieren, die auch international bestehen kann. Zum runden Bandjubiläum legen Jobarteh nebst Tochter Yasmina (voc, perc) und den langjährigen Mitstreitern Humphrey Cairo (dr, b), Felix Occhionero (g, b) und Gerhard Wagner (sax, fl) ein viertes Studioalbum vor, das abwechslungsreich instrumentiert und arrangiert ist, auf kongeniale Weise Musik der Mandinge, Afrobeat, Reggae, Calypso und Latin zusammenführt. Als Gäste wirken u. a. Roman Bunka (oud) und Sir Lancelot Scott (steel pan) mit, der für das Karibikflair sorgt. Die Songinhalte sind vielfältig, auch kritisch wie in „White Bubu“, eine Abrechnung mit dem gambischen Diktator Jammeh.
Roland Schmitt
 ORANGE: Zen Zero
ORANGE
Zen Zero
orangevibes.de
(36 Music CD 36076/Broken Silence)
11 Tracks, 78:57


Zugegeben, ich weiß nicht, ob es in Ulan Bator Drei-Tage-Nonstop-Raves oder liebesparadenähnliche Umzüge gibt, aber wenn die fünf Musiker Tuwiner wären, dann wären sie dort Megastars! Definitiv. Doch auch hierzulande sind Rainer von Vielen (voc, electronics), Stefan Wöhrle (conga, perc, synth), Wolfgang Wahl (djembe, perc.fx), Marcus Wichmann (didgeridoo, perc.fx) und Jürgen Schlachter (dr, sounddesign) mit ihrem neuen Album auf klarem Kurs in Richtung Szenestars. Wie beim Blick auf die Instrumente zu erkennen, dominieren Schlagwerke und Elektronik, die eine perfekte Basis für von Vielens Khöömii-Gesang bilden, jenen aus kehligen Bordunen gebildeten Obertongesang, der so typisch für die Musik Tuwas ist. Die Polyrhythmik aus analogem Schlagwerk und elektronischen FX-Percussionspedalen, verbunden mit Didgeridoo und Gesang, erzeugen beim Hören eine mitreißende, fast hypnotische Grundstimmung. Lediglich bei „Nimm dich mit“ wird’s eine Spur besinnlicher. Fanta 4s And.Ypsilon ergänzt das Team, und von Vielens deutscher Khöömii-Textgesang klingt plötzlich wie ein verschnupfter Till Lindemann. Doch – kein Missverständnis, Orange machen alles richtig und Zen Zero ist ein grandioses Werk.
Walter Bast

 RASGARASGA: Hafen Fleur
RASGARASGA
Hafen Fleur
rasgarasga.de
(Fuego 2824/Jaro & Zebralution)
12 Tracks, 47:24 , mit dt., engl., franz., span. Texten u. Infos


Man weiß gar nicht, wohin man zuerst hören soll. Das dritte Album von RasgaRasga aus Köln ist ein Feuerwerk musikalischer Einfälle. Angeführt von der ausdrucksstarken Stimme Franziska Schusters und einer immer wieder kraftvollen Brassbegleitung, eröffnet jedes der zwölf Lieder eine völlig neue Welt. Das unterstreichen nicht nur tiefsinnige Texte über die Herausforderungen des Lebens in Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch. Auch die weiteren instrumentalen Arrangements mit Akkordeon, Violine, Trompete, Gitarre, Banjo sowie Schlagzeug demonstrieren eine Musik jenseits aller Grenzen. Der Neustart der sechs Musiker 2016 scheint eine Initialzündung gewesen zu sein. Denn obwohl sich alle bereits seit der Schulzeit kennen und seit 2007 als Band auftreten, entfalten sie auf Hafen Fleur ein großes Potenzial des Worldbeats voller Dynamik und Emotionen. Mit ihren anspruchsvollen Kompositionen verbreiten sie nicht nur eine ausgelassene Stimmung, sondern nehmen den Hörer mit auf eine Reise durch unterschiedlichste Klangkulturen, die die Fantasie beleben und durchaus hitverdächtig sind. Von RasgaRasga wird man bestimmt noch hören.
Erik Prochnow
 SCHLAGSAITE: Vom Mond
SCHLAGSAITE
Vom Mond
schlagsaite.de
(Bonn Boom Music BBM044)
13 Tracks, 43:23 , mit Texten


Die Könige der Straßenmusik legen mit Vom Mond ihr mittlerweile viertes Album vor. Die Zutaten sind die gleichen wie bei den Vorgängern, aber die Rezeptur wurde verfeinert. So klingt der Mix aus Gypsy Swing und Akustikfolk noch charmanter. Teils herrlich altmodisch in der Art der Siebzigerjahre-Liedermacher („Nur kurz vor die Tür“), teils in modernem Reggae-Groove („Schon morgen“) verbinden die großen Kleinkünstler mit spielerischer Leichtigkeit die verschiedensten Musikstile zu einem großen Ganzen. Mit „Ich war nicht dabei“ klingen Schlagsaite wie Element of Crime auf Speed, bei „Am Meer“ vermutet man einen unveröffentlichten Hannes-Wader-Song. Dass bei aller Varianz jedes Stück nach Schlagsaite klingt, unverwechselbar und stilsicher, macht das Genie der Band aus. Hört man Vom Mond, stellt man sich Schlagsaite beim Konzert in der Fußgängerzone vor, ein Vorbeigehen ist unmöglich, hypnotisiert bleibt man stehen oder, noch wahrscheinlicher, fängt an zu wippen und zu tanzen und alle dringenden Termine werden auf einmal weniger wichtig. Schlagsaite ist das Paradebeispiel einer Band, für die eine Zeitschrift wie der Folker einst gegründet wurde.
Chris Elstrodt

 SHEEVÓN : Thirtyfive Live
SHEEVÓN
Thirtyfive Live
sheevon.com
(Errigal Records)
13 Tracks, 59:40 , mit dt. Infos


Wir rätselten in der Redaktion, ob Sheevón aus Duisburg wohl die älteste existierende deutsche Irish-Folk-Band sei, kamen aber zu keinem endgültigen Schluss. Viele sind es nicht, die diesen Job über 35 Jahre machen, durch die Aufs und Abs der Beliebtheit von Folk generell und Irish Folk im Besondern hindurch. Elf Tonträger sind es jetzt. Sie sind ihrem etwas rockigen, aber zugleich auch gediegenen Sound treu geblieben. Interessant klingt so etwas wie ein Xylofon in „Pastures Of Plenty“, das in der Besetzungsliste nicht erwähnt ist: Eva Silvia Fechner (lead voc), Conny Lesón (v), Eva Pauline Krause (fl, keys), Bernd Herrmann (b), Claud de Crau (lead voc, g), Harald Jüngst (bodhrán, cajon, handpan, keys) sowie als Gäste Hans-Gerd de Crau (p) und Dave Tchorz (sax). Auch die Trommeln in „Toss The Feathers“ werden nicht erwähnt. Die Jigs, Reels und dergleichen schnellen Stücke kommen recht zackig daher, während die ruhigeren und die Lieder sehr weit und sphärisch klingen, ähnlich mancher Filmmusik aus den Siebzigern, Achtzigern. Elf der Aufnahmen entstanden live beim Geburtstagskonzert am 6. April 2017 in der Klinikkultur in Duisburg-Buchholz, zwei im Studio.
Michael A. Schmiedel
 MALTE VIEF & HEAVY CLASSIC ENSEMBLE: Kammer
MALTE VIEF & HEAVY CLASSIC ENSEMBLE
Kammer
heavyclassic.de
(Eigenverlag, Housemaster Records)
14 Tracks, 39:59 , mit Infos


Wow, wer bzw. was ist das denn? Mit schönstem Ungestüm brettert einem da ein klassisch anmutendes Kammerensemble entgegen. Das, was so groß klingt, ist eigentlich ganz klein – Gitarre, Mandoline, Cello. Ein Trio, das in manchen Momenten wie ein ganzes Orchester klingt. Breitwandig cinemaskopisch, dann plötzlich fokussiert rockig. Dem zutiefst leidenschaftlichen emotionalen Gestus der Musik kann man sich einfach nicht entziehen. Das zweiteilige „Nocturne“, bestehend aus den Sätzen „Eis“ und „Trauer“, scheint nicht von dieser Welt, beginnend mit schlichten absteigenden Linien, die bisweilen an die introspektive Kunst eines Arvo Pärt erinnern. Bremen, Hamburg und Dresden sind die Stationen des studierten Gitarristen und Komponisten Malte Vief, der den Begriff „Heavy Classic“ für seine kraftvolle Melange aus Folklore und Klassik auf hohem Energielevel geprägt hat. Im Begleittext spricht der Musiker offen von sehr persönlichen Erfahrungen, Familiengründung und Trennung. In der Musik des Ensembles, dem Jochen Roß (mand) und Matthias Hübner (cello) angehören, scheinen allerdings in erster Linie Schönheit und Freude bewahrt. Und diese Erfahrung möchte man einem großen Zuhörerkreis sehr ans Herz legen.
Rolf Beydemüller

 KATJA WERKER: Magnolia
KATJA WERKER
Magnolia
katja-werker.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 45:12 , mit Texten u. Infos


Nach einem weiteren Abend, der nach Tauschkonzert, Superstar und ESC mit schlechter Laune endete, möchte man rufen: „Kann nicht endlich jemand Katja Werker verpflichten?“ Oder könnte man zumindest jeden Produzenten nötigen, zwei Alben dieser Künstlerin zu hören, die neueste zum Beispiel, Magnolia? Noch deutlicher kann man nicht zeigen, wie intelligente, gut hörbare Popmusik klingen muss. Ein Album mit elf Hits, und für keinen einzigen muss man sich schämen. Im Gegenteil, man möchte sich zwanzig Alben auf Vorrat anschaffen, um als geschmackssicherer Musikliebhaber passende Weihnachtsgeschenke für jede Zielgruppe greifbar zu haben. Katja Werker ist ein Wunder. Musikalisch irgendwo zwischen Chanson, Americana und Schlager angesiedelt, kommt sie bei Hippies genauso gut an wie bei Punks, dank akustischer Instrumentierung und heftigem Geigeneinsatz auch bei Folkies beliebiger Couleur. „Nur den Moment“ klingt wie Edo Zanki zu seinen besten Zeiten. Bei der Ballade „Nur dir allein“ beschleicht den Hörer das Gefühl, der Song wäre wirklich für ihn persönlich geschrieben. „Zorn in meinem Kopf“ würde sogar auf einem Peter-Gabriel-Album passend klingen. Magnolia hinterlässt glückliche Musiker und Hörer. Danke, Katja.
Chris Elstrodt



Europa
 DIVERSE: Nordic Notes Vol. 5: Folk From Estonia
DIVERSE
Nordic Notes Vol. 5: Folk From Estonia
nordic-notes.de
(Nordic Notes #5)
17 Tracks, 63:34 , mit Infos


Ein neuer Länderschwerpunkt beim Rudolstadt-Festival und passend dazu ein neuer Ländersampler des umtriebigen Labels Nordic Notes. Warum sollte man auch nicht die Gelegenheit nutzen, auf die bunte Musikszene des Ausnahmelandes hinzuweisen. Statt den sicheren (und billigen) Weg zu nehmen, leicht hörbare Tracks aus dem bestehenden Programm auszuwählen, versucht das Label tatsächlich ein Kaleidoskop des Landes zu präsentieren. So beginnt der neue Sampler sperrig mit dem Duo Malva & Pricks, das auch auf einem Independent-Rock-Sampler gut aufgehoben wäre. Überhaupt finden sich vermehrt Rock- und Popelemente in den Songs dieser Labelkollektion, wodurch die estnische Musik wie eine kraftvolle und erdverbundene Melange ihrer finnischen und polnischen Verwandten wirkt. Für die Folkpunks bietet Svjata Vatra den passenden Anlass zum Pogo. Mit Maultrommelspielerin Cätlin Mägi finden die Folkfundamentalisten ihr Glück, und beim Estonian Folk Orchestra wird das traditionelle Polkatanzbein geschwungen. Die bekannteren estnischen Vertreter TradAttack! und Estbel sind ebenfalls am Start und runden die gelungene Zusammenstellung ab.
Chris Elstrodt
 FOURTH MOON: Ellipsis
FOURTH MOON
Ellipsis
fourthmoonmusic.com
(Eigenverlag)
9 Tracks, 51:51


Seit man an der Uni Limerick Irish Trad studieren kann, hat das Institut zahlreiche junge Profimusiker hervorgebracht. Neu ist, dass jetzt Blow-ins anderer Kulturherkunft, definitive Nicht-Iren, auch in dieser Riege mitspielen. So empfehlen sich David Lombardi (Fiddle, Italien), Géza Frank (Flute, Whistle, Uilleann Pipes, Österreich), Jean Amei (Gitarre, Frankreich) und Mohsen Amini (Konzertina, Schottland) mit einem paneuropäischen Quartett irisch-schottischer Prägung. Von Anklängen an vergangene groovige Bands des Genres bis zur staccatierten Technik von Whistle-Ikone Brian Finnegan hören wir einen maximal geschliffenen Sound, das Ton-für-Ton-Zusammenspiel der vier ist fast unheimlich präzise. Zwischen den etwas ruhigeren Momenten kulminiert die gemeinsame Steigerung der Spielenergie dann immer wieder in höchster Virtuosität und Tempo bis hin zu Triolenpassagen, die fast unspielbar klingen. Respekt! Das Programm besteht fast durchweg aus Originals, die relativ kopflastig mit vertrackten rhythmischen Gimmicks komponiert sind. Es braucht daher mehrfaches Hinhören, bis alles wirklich ankommt! Fazit: Diese schiere Virtuosität und explosive Spielfreude will gehört werden!
Johannes Schiefner

 ELENA LEDDA: Làntias
ELENA LEDDA
Làntias
facebook.com/elenaleddaofficial
(Sard Music SARDCD00333)
12 Tracks, 49:13 , mit sard., ital. u. engl. Texten


Sieben Jahre nach Undas meldet sich die Stimme Sardiniens mit einem neuen Soloalbum zurück. Es gibt zwei Möglichkeiten, das Album zu hören. Man kann einfach dem wunderbaren Gesang lauschen und in die tief melancholische und doch lebenspralle Musik eintauchen. Man kann staunen, wie brillant die Mitmusiker Mauro Palmas und Marcello Peghin (diverse Saiteninstrumente), Silvano Lobbina, Bassist und Produzent des Albums, Andrea Ruggeri (Percussion) und Simonetta Soro (Gesang) neben Gästen wie dem Klarinettisten Gabriele Mirabassi und Luigi Lai (Launeddas) spielen. Man sollte aber auch den Texten von Mariela Gabriela Ledda Aufmerksamkeit schenken. Die Schwester der Sängerin stellt die Kraft der Poesie Themen wie Krieg, Flüchtlingselend und Frauenmord gegenüber. Làntias, sardisch für Lichter, Laternen, ist ein passender Titel für das Werk. Dank der überragenden Stimme und Texten mit Raum für Lichtblitze verströmt das Album trotzdem Zuversicht. „Für jedes Übel gibt es eine Abhilfe“, antwortet der Neapolitaner Enzo Avitabile in „De Arrùbiu“ auf die tieftraurigen Worte der Sardin. Schade nur, dass die holprigen Englischübersetzungen kaum zum besseren Verständnis der Texte beitragen.
Martin Steiner
 LEVELLERS: We The Collective
LEVELLERS
We The Collective
levellers.co.uk
(OTF Recordings OTFCD029/Rough Trade)
Promo-CD, 10 Tracks, 39:02


Seit ziemlich genau dreißig Jahren sind die Levellers aus dem englischen Brighton unterwegs, und zwar als harte Punkrocker mit etlichen Folkeinflüssen und politisch eindeutig linken Texten. Eigentlich haben sie schon so ziemlich alles probiert und ausgereizt. Wie also soll und kann man die dreißig Jahre denn jetzt noch als das besondere Jubiläum feiern, was es nun mal ist? Nun, die Levellers begaben sich mit einem Streichensemble und Produzent John Leckie in die berühmten Abbey Road Studios und spielten acht alte Singles wie „England My Home“ oder „Hope Street“ und zwei neue Stücke akustisch, sozusagen im Sitzen ein. Mark Chadwicks rauchige Stimme und die besänftigende Wirkung der Streicher – welche Gegensätze! Und das Resultat ist dann auch … anders! Dreißig Jahre raue Energie in Streicherarrangements zu transformieren, das ist zum einen nicht einfach und zum anderen nicht jedermanns/-fraus Sache. Da wird es sehr persönlich. Nach dem dritten Hören klingt alles folgerichtig und stimmig und … anders! Die geneigte Hörerschaft muss wohl oder übel individuell entscheiden, wie sie mit diesen ungewohnten, anderen Levellers umgehen möchte.
Mike Kamp

 LOXANDRA ENSEMBLE: In Transition
LOXANDRA ENSEMBLE
In Transition
loxandra.gr
(Dalit Music DM-CD001/Soulfire)
11 Tracks, 51:48 , mit engl., dt. u. griech. Infos


Lange fünf Jahre, inklusive einer erneuten kurzzeitigen Selbstauflösung, hat es gedauert, bis das aus Thessaloniki stammende und jetzt in Athen beheimatete Ensemble ein drittes Album auf den Markt gebracht hat. Doch das Warten hat sich gelohnt, denn die acht Musiker strotzen nur so vor Spielfreude. Außerdem stecken sie einen weiteren musikalischen Rahmen ab als bislang. Hatte sich der Erstling Shedon Opos Palia aus dem Jahr 2006 vornehmlich mit tradierter Musik aus Izmir und Istanbul beschäftigt, so konzentrierte sich das zweite Album Meyhane – Kafe Aman komplett auf Lieder aus Istanbul, allerdings mit einer beachtlichen Schar an Gastmusikern, darunter Sokratis Sinopoulos, Brenna MacCrimmon und Ria Ellinidou. Auf der aktuellen Scheibe sind nun griechisch, türkisch und arabisch anmutende Stücke zu hören, die auch mal mit etwas Jazz, Swing und Latin gewürzt werden. Ria Ellinidou ist übrigens mittlerweile zur Leadsängerin avanciert und überzeugt mit einfühlsamen Interpretationen der traditionellen und modernen Lieder. Zu letzteren gehören erstmalig auch Eigenkompositionen.
Ines Körver
 JOHAN MEIJER: Heute! Hier!
JOHAN MEIJER
Heute! Hier!
nederossi.com
(Nederossi NOP 180206)
16 Tracks, 68:25 , mit dt. Texten u. Infos


Seit vielen Jahren bereichert der holländische Liedermacher mit seiner verdienstvollen, preisgekrönten Europeana-Reihe, in der er bekannte und seltene Songs aus ganz Europa interpretiert, die Liedszene. Auf dem neuen Album in deutscher Sprache stehen nicht wie gewohnt geschichtliche Themen im Vordergrund, sondern das Hier und Heute. „Dort wo wir hofften, dass alte Gegensätze überwunden werden, tun sich neue Gräben auf“ (Johan Meijer). Hörbar ist dies besonders in den Liedern, die Flüchtlingsthemen aufgreifen, „African Tour“ von Francis Cabrel oder „Ebano“ von den Modena City Ramblers. Herausragende Lieder dürften „Nebenan“ von Georg Leitenberger, der auf diesem Album die Mundharmonika spielt, und „Gerardo Staubwolke“ im Duett mit Manfred Maurenbrecher über den Tod eines ausgebeuteten süditalienischen Arbeiters sein. Ein weiteres Thema ist das Reisen – Flugzeuge, Autobahnen, eine Tramperin oder der isländische Vulkan Eyjafjallajökull, der 2010 den Flugverkehr über halb Europa behinderte. Musikalisch besticht die Vielfalt der Stile durch ein gutes Dutzend holländischer und russischer Studiomusiker, allen voran Loek Schrievers an Bouzouki, Dobro und anderen Saiteninstrumenten.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 FINN OLAFSSON : Acoustic Guitar 3
FINN OLAFSSON
Acoustic Guitar 3
finnolafsson.com
(Olafssongs/Acoustic Music Records)
11 Tracks, 47:25 , mit Infos


Ein stilles Album aus dem Land der glücklichen Dänen. Aus der Zeit gefallen scheint die Musik, die uns Finn Olafsson zu seinem 65. Geburtstag schenkt, und sie macht einmal mehr deutlich, wie nah und selbstverständlich Schönheit, Stille und eine gehörige Portion sehnsuchtsvoller Melancholie miteinander verbunden sind. Ganz unaufgeregt, in nahezu meditativer Gelassenheit präsentiert der ehemalige Progressive-Rock-Gitarrist auf dem dritten Album seiner Acoustic-Guitar-Reihe Kompositionen für Steelstring. Dabei greift er wiederum auf eine Reihe von Kostbarkeiten aus seiner erlesenen Gitarrensammlung zurück. Manche Stücke, insbesondere die dem Gitarristen John Williams gewidmete Suite, weisen eine ausgesprochen klassische Klangsprache auf und könnten ebenso gut aus der Feder eines John Dowland stammen. Verlust und Einsamkeit sind die Themen, die Olafssons Musik deutlich färben und die vorwiegend langsamen Tempi erklären. Klanglich ist die CD ein echter Hochgenuss, und man lauscht dem großen Saitenpoeten, als würde man denselben Raum teilen. Wie auch bei den vorangegangenen Teilen der Trilogie kann der interessierte Hörer und Gitarrist die bestens editierten Notenausgaben im Handel erwerben.
Rolf Beydemüller
 THE SHEE: Continuum
THE SHEE
Continuum
theshee.com
(SHEE4)
10 Tracks, 50:57 , mit engl. Texten u. Infos


Die sechs schottischen Damen (naja, zumindest fast, zwei Ehren-Schottinnen sind dabei) betreiben ihre Band seit über zehn Jahren, obwohl sie mittlerweile allesamt mit anderen Projekten mehr als ausgelastet sind. Aber mit The Shee (ein Begriff aus der keltischen Mythologie) hat eben alles angefangen, und zum Jubiläum haben sich die Damen um Rachel Newton und Shona Mooney etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Sie baten ihre jeweiligen Lieblingsfolkmusiker wie Karine Polwart, Chris Wood, Martin Simpson oder Kathryn Tickell, speziell für The Shee einen Song oder eine Melodie zu schreiben. Diese vier Songs und zwei Instrumentals haben es ebenso in sich wie die Eigenkompositionen, erfreulicherweise jeweils mit sehr aussagekräftigen Texten. Die angesprochenen Künstler fühlten sich hörbar geehrt und bewiesen besondere Kreativität. Flöte, Fiddle, akustische und Elektroharfe, Mandoline, Gitarre, Akkordeon und nicht zuletzt zwei ausdrucksstarke Gesangsstimmen kommen fantasievoll zum Einsatz. Doch, das ist schon ein überzeugendes Jubiläum eines Könnerinnensextetts.
Mike Kamp

 SKIPINNISH: The Seventh Wave
SKIPINNISH
The Seventh Wave
skipinnish.com
(Skipinnish Records SKIPCD26)
14 Tracks, 62:00 , mit engl. Texten


Ähnliche wie Tidelines (Folker 1/2018, Seite 83) sind auch Skipinnish eine Band im Fahrwasser von Runrig. Interessant ist hier das Band-Bäumchen-wechsel-dich-Spiel der Leadsänger. Robert Robertson wechselte zu Tidelines und Norrie MacIver von Mànran zu Skipinnish. Teils wechseln aber auch die Songs. Da Robertson der Texter von Skipinnish war, hat er Songs wie „Walking On The Waves“ gleich mitgenommen, was Skipinnish nicht davon abhält, den Song weiter im Repertoire zu halten, schließlich stammt die Melodie von Gründungsmitglied Angus MacPhail. Haben Sie noch den Überblick? Insgesamt haben Skipinnish mit MacIver den ausdrucksstärkeren Sänger, der als gälischer Muttersprachler keine Probleme mit dem Runrig-Song „Alba“ hat. Überhaupt scheint The Seventh Wave Bilanz und Ausblick zugleich zu sein. Einige Bandklassiker werden neu arrangiert (sieben Songtexte stammen noch von Robertson), es gibt ein paar neue Songs und natürlich die obligatorischen Tunes mit der Kraft der doppelten Pipes. All das kommt hymnisch oder frisch und frei rockend im schottischen Westcoastsound rüber, der bei jedem Festival die Kehlen aktiviert und die Schottlandfahnen fliegen lässt. Großartig!
Mike Kamp
 SARAH-JANE SUMMERS: Solo
SARAH-JANE SUMMERS
Solo
sarah-janesummers.com
(Daisy Dell Records DELL008)
11 Tracks, 45:55 , mit engl. Infos


Was Albumveröffentlichungen angeht, ist die Schottin Sarah-Jane Summers sehr systematisch: 2016 eine mit Ehemann Juhani Silvola, 2017 ein Solowerk mit improvisierter Fiddlemusik (und zwischendrin auch eines mit den Fiddledamen von RANT), und nun geht die in Oslo lebende Künstlerin mit der schottischen und der Hardangerfiedel zurück zu ihren Wurzeln. Das Album ist u. a. eine Hommage an ihren Lehrer Donald Riddell, von dem auch zwei Stücke stammen. Der Rest ist entweder traditionell (einmal norwegisch) oder eine kurze Eigenkomposition. Unbegleitete Fiddlemusik, aufgenommen in einer norwegischen Kirche, das muss doch eine ziemlich trockene Angelegenheit sein, oder? Nur bei oberflächlichem Hören kann dieser Eindruck entstehen. Tatsächlich jedoch legt Summers unendlich viel Ausdruck und Interpretation in diese Melodien, macht sie allesamt unverkennbar zu ihren Stücken. Voraussetzung ist natürlich, dass man etwas mit Fiddlemusik anfangen kann. Dann jedoch hört man hier eine absolute Könnerin, deren expressives Spiel eine Freude ist.
Mike Kamp

 TĘGIE CHŁOPY: Wesele!
TĘGIE CHŁOPY
Wesele!
tegiechlopy.pl
(Sderpent)
19 Tracks, 58:08 , mit poln. u. engl. Texten u. Infos


In Zeiten, in denen Familien, Gesellschaften und Nationen immer weiter auseinanderzudriften scheinen, ist es wichtig, einen anderen Weg aufzuzeigen. Die polnische Band Tęgie Chłopy hat sich dem verschrieben. Mit einer unbändigen Frische und Lebendigkeit beschwört sie mit einem mitreißenden Album den Zusammenhalt zwischen den Menschen. Ihr Thema ist die traditionelle Musik der südpolnischen Kielce-Region anlässlich von Hochzeitszeremonien. Die bewegenden Tänze, Polkas und Balladen, gesungen oder instrumental, entwickelt das neunköpfige Ensemble vor allem mit Fiddles, Akkordeon, Klarinette, Trompete und Tuba. Die Band tut dies mit einer Leidenschaft und Ausgelassenheit, dass der Zuhörer das Gefühl hat, unmittelbar an dem Fest teilzunehmen und mittanzen zu wollen. Das unterstreicht das liebevoll und ungewöhnlich gestaltete Cover. In Polnisch und Englisch präsentiert das Ensemble eine Fülle von Geschichten, Eigenarten und Geheimnissen einer glücklichen Ehe aus der Hochzeitstradition in Kielce. Hier gibt es nicht nur viel zu schmunzeln. Gemeinsam mit der Musik verströmt Tęgie Chłopy eine Stimmung, die das Leben und die Gemeinschaft feiert.
Erik Prochnow



Nordamerika
 ANNA & ELIZABETH: The Invisible Comes To Us
ANNA & ELIZABETH
The Invisible Comes To Us
annaandelizabeth.com
(Smithsonian Folkways Recordings SFW 40229/Galileo-MC)
11 Tracks, 43:12 , mit engl. Beiheft


Anna Roberts-Gevalt und Elizabeth LaPrelle stammen aus Vermont bzw. Virgina. Sie trafen auf das Archiv der Musikethnologin Helen Hartness-Flanders, die seit Beginn der Dreißigerjahre bis zu ihrem Tod 1972 über die Dörfer reiste und mit portablem Tonequipement Feldaufnahmen in vielen Dörfern hauptsächlich in Vermont machte. Zu dieser Zeit hörten die Menschen bereits auf, die alten Lieder zu singen, weil das Radiohören zur Mode wurde. Hartness-Flanders arbeitete gegen das Vergessen an und trug ein Archiv an Aufnahmen von schier unerschöpflichem Wert zusammen. Zwar ist das Material, mit dem Anna und Elizabeth auf ihrem dritten Album umgehen, tatsächlich originalgetreu, aber sie gehen damit nicht puristisch um. Die Texte sind die der Originalaufnahmen, die Musik wird jedoch neu interpretiert. So sind z. B. Mellotron, Eufonium oder gelegentlich Schlagzeug zu hören und spielen in den Songs sogar Soli, sodass die Songs einerseits altertümlich wirken und doch neuzeitlich klingen. Das Ganze entwickelt eine leichte, durchscheinende Atmosphäre. Sicher auch, weil Roberts-Gevalt und LaPrelle ausgezeichnete Sängerinnen sind, die bereits seit Jahren miteinander musizieren und aufeinander eingespielt sind.
Michael Freerix
 RY COODER: The Prodigal Son
RY COODER
The Prodigal Son
rycooder.com
(Caroline International/Universal)
Promo-CD, 11 Tracks, 49:57


Sechs Jahre ohne neues Album, so groß waren die Abstände zwischen Cooders Veröffentlichungen bisher selten, wenn man von den Neunzigern absieht, in denen er sich auf Filmmusik konzentrierte. The Prodigal Son ist nun Cooders Kommentar zur Wahl von Donald Trump. Schon immer war der Musiker in seinem Werk Fürsprecher der Unterdrückten und an den Rand Gedrängten. Dies setzt er nun mit der Songauswahl für The Prodigal Son fort, zu denen drei Eigenkompositionen gehören. Dabei ist er kein Prediger, der die Aussage über die gute Musik setzt. Die Songs klingen recht unterschiedlich, teilweise angeraut, teilweise ätherisch, und trotzdem ist alles miteinander verbunden, aus einem Guss. Sicher ist Cooder auf The Prodigal Son der versierte Musiker, der seinen Sound hat und sein Material zu beherrschen weiß, aber er klingt, wie bereits auf den vergangenen drei, vier Alben, überhaupt nicht eingefahren oder abgenutzt. Sicher auch, weil er sich Zeit lässt und schaut, was wozu passt und nicht unbedacht handelt. Interessant ist, wie er sich in „Jesus And Woody“ an Woody Guthrie wendet und bezweifelt, dass Musik wirklich etwas gegen den Faschismus ausrichten kann, wie Guthrie behauptet hat. Nun, The Prodigal Son könnte der Soundtrack zu einer Revolte sein, falls sich irgendwo in den USA eine anbahnt.
Michael Freerix

 STEVE DAWSON : Lucky Hand
STEVE DAWSON
Lucky Hand
stevedawson.ca
(Black Hen Music BHCD0088)
10 Tracks, 45:23


Manches Album eines Gitarristen strotzt vor Virtuosität und verbreitet doch nur Langeweile. Die Ansprüche des in Nashville lebenden Steve Dawson sind offenbar andere. Er breitet zwischenzeitlich Klangteppiche aus, betreibt Soundmalerei, für die nur wenige Noten erforderlich sind. Technisch hat er erkennbar alles drauf, das Spiel an der National-Steel- genauso wie an der Weissenborn-Slide-Gitarre, Fingerstylesolostücke wie das Musizieren im Ensemble. Da ragen besonders die fünf Stücke heraus, die mit Streichquartett aufgenommen worden sind. Arrangeur Jesse Zubot unterlegt dabei die Gitarre nicht mit süßlicher Begleitung, sondern setzt zuweilen abenteuerliche Kontraste oder unterstreicht die Ideen Dawsons. Der hatte sich im Vorfeld mit der Arbeit von Van Dyke Parks beschäftigt und diese mit Zubots Hilfe für seine Zwecke interpretiert. Außerdem glänzt Dawson auch als Duopartner, nimmt sich zurück, wenn er etwa mit dem Mundharmonikakönner Charlie McCoy zusammenspielt oder in „Little Harpeth“ mit Mandolinenvirtuose John Reischman zu einer Einheit wächst. Ry Cooder, John Fahey, Leo Kottke – Dawson reiht sich ein in die Riege großer Gitarristen, der er neue Impulse hinzufügt.
Volker Dick
 TERESA JAMES AND THE RHYTHM TRAMPS: Here In Babylon
TERESA JAMES AND THE RHYTHM TRAMPS
Here In Babylon
teresajames.com
(Jesi-Lu/CD Baby)
7 Tracks, 52:49 , mit engl. Infos


Es ist bereits das zehnte Album der Komponistin, Sängerin und Klavierspielerin aus Houston, Texas, die mit vielen Musikgrößen (Neil Diamond, Eric Burdon, Spencer Davis, Randy Newman und Walter Trout) zusammengearbeitet hat. Jetzt ist sie in Los Angeles zu Hause, die Produktion wurde im kalifornischen Saugus aufgenommen. Wichtigster Begleitmusiker ist Jamesʼ langjähriger Partner, der Bassist Terry Wilson. Zur grandiosen Band der fantastischen Sängerin gehören Billy Watts (Gitarre), Jay Bellerose (Schlagzeug), Mike Finnegan (Orgel), Joe Sublett (Saxofon) und Darrell Leonard (Trompete). Für mich ist dies die Platte des Jahres.
Annie Sziegoleit

 VIVIAN LEVA: Time Is Everything
VIVIAN LEVA
Time Is Everything
vivianleva.com
(Free Dirt Records DIRT-CD-0085/Trade Root Music Group LLC)
10 Tracks, 39:10 , mit engl. Texten u. Infos


Dass Vivian Leva in Lexington, Virginia, aufgewachsen ist, hört man recht schnell auf Time Is Everything. Ihre glasklare, bisweilen etwas schüchterne Countrystimme verzaubert einen, ehe man sich versieht. Das Album beginnt mit klassischem Fünfzigerjahre-Honky-Tonk-Instrumentarium – akustische Gitarre, elektrische Leadgitarre, Pedal Steel, Geige, Bass und Schlagzeug. Und gleich zu Beginn stellt Leva unter Beweis, dass sie ein Händchen für poppige Countrymelodien und herzzerreißende Texte hat, die im Ohr bleiben. Man sieht den Trauring buchstäblich zur wimmernden Pedal Steel ins Glas sinken. So etwas glaubt man in dieser Ausführung nur Amerikanern. Das sind die großen Bilder, und wer hier pauschal Kitsch schreit, macht es sich zu einfach. Die Musiker auf diesem Werk sind alle exzellent und setzen Levas Songs perfekt in Szene. Im Verlauf des Programmes kommen auch archaischere Instrumente der Countrytradition wie Banjo oder Mandoline zum Einsatz. Besonders stechen dann eben die Songs hervor, die ohne Schlagzeugset und elektrische Gitarre auskommen. Das Album beweist wieder, dass Amerika für immer eine Heimat für gute Musiker und inspiriertes Songwriting sein wird.
Ferdinand Kraemer
 LOREENA McKENNITT: Lost Souls
LOREENA McKENNITT
Lost Souls
loreenamckennitt.com
(Quinlan Road/Edel)
9 Tracks, 48:02 , mit engl. Texten u. Infos


Sie hat es endlich getan! Seit zwölf Jahren wartet man auf ein neues Studioalbum der kanadischen Sängerin. Nun ist es da – ein musikalischer Bilderteppich aus Keltischem, Orientalischem, Pop, Mystik, Folk und Weltmusik. Das ist die Richtung, in der sie sich ihren eigenen unverwechselbaren Mikrokosmos geschaffen hat – ruhige Instrumentalmusik, sphärische Klänge, Gesang über mehrere Oktaven. Dargeboten von McKennitt (voc, p, harp, acc), ihrer hervorragenden Cellistin Caroline Lavelle, dem langjährigen Mitstreiter Brian Hughes (synth) und vielen exzellenten Gastmusikern wie Nigel Eaton (drehl.) oder Daniel Vasares (g). Es sind Vertonungen nach Texten von John Keats (1795-1821) und W. B. Yeats (1865-1939) dabei, neue Werke, liegengebliebene Stücke aus der The-Visit-Ära 1990 und das Traditional „Manx Ayre“. Vom sonnigen Opener über spanische Gitarren und nächtliche Plätze, die traurige Ballade vom Fuchsjäger sowie über Sonne, Mond und Sterne geht es zum komplexen Finale, dem Titelsong. In „Lost Souls“ wird erklärt, dass wir, je mehr wir von unseren moralischen Grundsätzen abweichen, unsere eigene Seele verlieren. Aufgenommen wurde in Kanada und in den Real World Studios von Peter Gabriel in England.
Piet Pollack

 THE MILK CARTON KIDS: All The Things That I Did And All The Things That I Didn’t Do
THE MILK CARTON KIDS
All The Things That I Did And All The Things That I Didn’t Do
themilkcartonkids.com
(Anti/Indigo)
Promo-CD, 12 Tracks, 51:30


Das vierte Album der Singer/Songwriter Joey Ryan und Kenneth Pattengale stellt in mehrfacher Hinsicht einen Neuanfang dar. Die veränderten politischen Verhältnisse in den USA („Mourning in America“) und einschneidende persönliche Umbrüche haben Spuren in den Songtexten hinterlassen. Ryan wurde zweifacher Vater, Pattengales Beziehung endete nach sieben Jahren („You Break My Heart“) und er überlebte eine Krebserkrankung. Musikalisch gehen die Kids neue Wege, mit einer deutlichen Veränderung des Sounds. Lag ihr Fokus bislang auf zwei Stimmen in perfektem Harmoniegesang, untermalt lediglich durch zwei virtuose Fingerpickinggitarren, haben sie dieses Mal eine Band ins Studio gebeten. „Wir wussten, dass wir die Platte mit einer größeren akustischen Palette aufnehmen wollten. Es war befreiend zu wissen, dass wir nicht jeden Song mit nur zwei Gitarren tragen mussten.“ Eine Reihe hochkarätiger Sessionmusiker wie Russ Pahl (pedal steel), Paul Kowert (b), Pat Sansone (p, mellotron, hammond), Nathaniel Swift (cello) und Jay Bellerose (dr) liefern das perfekte Americana-Backup, das den Gesang und die akustischen Gitarren der beiden Hauptprotagonisten perfekt ergänzt.
Ulrich Joosten



Lateinamerika
 Calypso Rose: So Calypso!
Calypso Rose
So Calypso!
calypso-rose.com
(Because Music/Caroline International)
Promo-CD, 12 Tracks, 45:42


Nach dem Cumbia-Hype scheint nun der Calypso auf der Liste wiederzuentdeckender Stile oben zu stehen. Dass dabei die 77-jährige Sängerin Calypso Rose aus Tobago ungeahnte Erfolge feiert, ist nicht verkehrt. Bei näherer Betrachtung muss man sie sogar für eine Art Miriam Makeba der Karibik halten. So sorgte sie 1970 mit dem Lied „No Madame“ für einen Aufstand der Hausangestellten in Trinidad und setzte sich 1975 als erste Komponistin im männerdominierten Karneval mit dem meistgespielten Song durch. Auf ihrem neuen Album ehrt sie Musiker, die sie beeinflusst haben. Dementsprechend hört man nicht nur Calypso, sondern auch Soul, Ska oder Reggae. Während sie gerade im Reggae regelrecht aufblüht, klingen ihre leicht jazzigen Balladen und manche Calypsos zu ausdruckslos. Höhepunkt ist jedoch der „Wa Fu Dance“, den sie einst mit Manu Chao schrieb, ein fröhlich swingender afrikanischer Song, der in die Beine geht. Die inzwischen zur „Calypso Queen“ ernannte Sängerin nicht nur auf Calypso festzulegen, sondern mit moderner Produktion ihr Potenzial auszureizen, hat der karibischen Diva schon seit einiger Zeit zu einer späten internationalen Karriere verholfen.
Hans-Jürgen Lenhart



International
 PLAYING FOR CHANGE: Listen To The Music
PLAYING FOR CHANGE
Listen To The Music
playingforchange.com
(Motéma Music/PIAS)
Promo-CD, 12 Tracks, 52:39


Es gab hierzulande mal einen Kanzler, der meinte, wer Visionen habe, müsse dringend zum Arzt. Okay, eine Möglichkeit. Man könnte aber auch einen visionären Song schreiben, der die menschliche Vorstellungskraft piesackt. Man stelle sich vor, es gäbe keine Länder, keine Religion und keine Besitztümer, und schon wäre Frieden auf der Welt! Hm, schön, aber schwierig. Aber das mit den Songs ist ein guter Ansatz. Man könnte nämlich auch – wie der Musikproduzent Mark Johnson und der Filmemacher Whitney Kroenke – eine transkontinentale Big Band aus Profi- und Straßenmusikern, Kinder- und Erwachsenenchören, Tanzgruppen und einer Vielzahl stimmgewaltiger Sänger und Sängerinnen ins Leben rufen. Die nimmt man dann als eine Art audiovisuellen Kettenbrief in ihren jeweiligen Heimatländern auf, mischt das Ergebnis zu faszinierenden Videoclips zusammen, stellt diese auf einen eigens gegründeten Tube-Kanal und fördert mit den generierten Einnahmen Schulen und andere Bildungseinrichtungen rund um den Globus. Das vorliegende Album ist die vierte Folge des Projekts „Playing For Change“, und wer bei „Skin Deep“, „All Along The Watchtower“ oder dem Titeltrack keine Gänsehaut bekommt, der muss wirklich mal zum Arzt …
Walter Bast
 STEREO NAKED: Roadkill Highway
STEREO NAKED
Roadkill Highway
stereonaked.com
(Eigenverlag)
11 Tracks, 32:19 , mit engl. Texten u. Infos


Stereo Naked, das sind die klassisch ausgebildeten Musiker Julia Zech und Pierce Black. Von bisweilen etwas steif in der Hüfte wirkenden klassischen Musikern ist hier aber nichts zu hören. Im Gegenteil, die deutsch-neuseeländische Kollaboration groovt mit Banjo, Kontrabass, mehrstimmigem Gesang und einigen Gastmusikern ganz gewaltig. Man könnte die beiden zum geschmackvollen, modernen Country und Folk zählen, wobei auch Popelemente ihren Platz haben, und doch wirkt hier nichts aufgesetzt, gewollt oder überladen. Stereo Naked verstehen es, viel Raum in ihren Songs zu lassen – eben das, was auch die alten Meister im US-Country und -Blues ausgezeichnet hat. Virtuosität wird zugunsten atmender Arrangements sympathisch hintangestellt. Aber Moment, technisch gesehen wissen sie sehr wohl, was sie tun. Da wird mal ein Song im 5/4-Takt gespielt, da wird gejodelt, da werden astreine Harmonien gesungen, da wird der Bass auch mal gestrichen, da legt der Gast an der Mandoline ganz nebenbei ein feuriges Bluegrasssolo hin. Und das Ganze ist auch grafisch ganz wunderbar gestaltet und organisch aufgenommen. Man kommt ihnen einfach nicht aus. Soll man auch nicht. Mehr davon.
Ferdinand Kraemer

 TRACK DOGS : Kansas City Out Groove
TRACK DOGS
Kansas City Out Groove
trackdogsmusic.com
(Mondegreen Records MGR0218)
11 Tracks, 36:52 , mit engl. Texten


Treffen sich zwei Iren, ein Engländer und ein US-Amerikaner in Madrid. Nein, so beginnt kein Musikerwitz, sondern die Geschichte der Track Dogs. 2011 war das, und nun legen die vier ihr viertes Album vor. Dafür werfen sie nicht nur Musikstile ihrer Herkunftsländer zusammen, sondern lassen sich auch von ihrer spanischen Umgebung und Lateinamerikanischem befruchten. Am offensichtlichsten wird dies durch die Trompete, die den roten Faden durch die Stücke zieht. Ansonsten bietet das Quartett eine aufregende Mixtur, in der beispielsweise in „Gonna Get My Way“ Bluegrass auf Highspeed-Folk trifft und die Band The Barefoot Movement aus Nashville gastweise vom Leder zieht. Nicht, dass die Track Dogs Verstärkung nötig hätten. Ihre teilweise vierstimmigen Vokalsätze vermitteln stimmliche Kraft; Banjo, Mandoline, Gitarre und Bass kolorieren die Songs. Darunter gibt es frischen Pop mit „Born In Love“, den stimmungsvollen Walzer „A Lucky Man In Kansas City“ und „Everything Went South“, das wie der Soundtrack zu einem Italo-Western beginnt. Mancher mag dabei an Calexico denken, besonders, wenn Melancholie durchscheint. Wie auch immer – so macht Grenzen überschreiten Spaß.
Volker Dick



Kurzrezensionen
 AALLOTAR: Ameriikan Laulu
AALLOTAR
Ameriikan Laulu
aallotarmusic.com
(Nordic Notes/Broken Silence)
8 Tracks, 36:00


Die Geigerin Sara Pajunen und die Akkordeonistin Teija Niku haben die US-Auswanderung ihrer finnischen Familien zum Thema gemacht. Sie spürten die gemeinsamen Traditionen auf und setzen diese in klingende Dialoge mit der Moderne. Pajunen lebt in Minnesota, Niku in Finnland. Mit klarem Gesang streifen sie durch Geschichten und beleben das Alte neu. Großartig!
is
 AMSTERDAM KLEZMER BAND & SÖNDÖRGO: Szikra
AMSTERDAM KLEZMER BAND & SÖNDÖRGO
Szikra
amsterdamklezmerband.com
sondorgo.hu
(Vetnasj Records CTC-2990893)
12 Tracks, 73:40


Nur zufällig trafen sie aufeinander, die ungarische Band Söndörgo, die die traditionelle Musik des Balkan gewissermaßen erneuerte, und die seit 22 Jahren bestehende Amsterdam Klezmer Band. In jedem der dreizehn im Studio eingespielten Stücke spürt man den Funken, auf Ungarisch eben szikra – wobei kein Zuhörer mehr wirklich still stehen bleiben kann.
mg

 AN RÍNN: 25 Years Home
AN RÍNN
25 Years Home
anrinn.de
(Eigenverlag)
15 Tracks, 49:52


Keine 35 wie Sheevón, aber 25 Jahre steht diese Osnabrücker Irish-&-Scottish-Folk-Band nun auf der Bühne und präsentiert zum Jubiläum ihren neunten Tonträger. Wieder sind es die getragenen Lieder, Balladen und Shantys, die ihr Markenzeichen sind, auch wenn der derzeitige Hit „Galway Girl“ mit dabei ist, den sie doch gediegener als Ed Sheeran und Beoga darbieten.
mas
 AULI AND TAUTUMEITAS: Lai Masina Rotajas!
AULI AND TAUTUMEITAS
Lai Masina Rotajas!
auli.lv
tautumeitas.lv
(CPL-Music/Broken Silence)
13 Tracks 47:46


Zwei große lettische Ensembles haben dieses Album gestaltet, das in Lettland als bestes Weltmusikalbum 2017 ausgezeichnet wurde, Auli mit zahlreichen Dudelsäcken und Trommeln, Tautumeitas mit kraftvollem polyphonem Gesang, Geige und Akkordeon. Trotz der Gegensätzlichkeit von Schlagwerk und der sehr melodiösen Singweise ergänzt sich ihre Musik, wie man es bisher kaum gehört hat.
bk

 BAD TEMPER JOE: Ain’t Worth A Damn
BAD TEMPER JOE
Ain’t Worth A Damn
badtemperjoe.com
(Timezone TZ1567/Timezone Distribution,)
9 Tracks, 45:13


Bei Ain’t Worth A Damn handelt es sich um einen Livemitschnitt eines Solokonzertes. Die Songs des Singer/Songwriters Bad Temper Joe lehnen sich stilistisch an modernere Bluesklänge an – nur eben komplett akustisch eingespielt. Open Tunings auf der Slidegitarre und Fingerpicking, gepaart mit rauem Gesang, sind die Mittel der Wahl.
fk
 BAGHDADDIES: Bykerumba
BAGHDADDIES
Bykerumba
baghdaddies.com
(Eigenverlag)
9 Tracks, 50:58


Seit über zwanzig Jahren sind die fünf Baghadaddies die Inselspezialisten für Balkan, Brass, Ska, Klezmer etc., alles in glorreicher Anarchie. Wie der Name vermuten lässt, ist eine Menge Spaß im Spiel, und dennoch schaffen sie die erstaunliche Balance, in ihren Texten ernsthafte und kritische Inhalte zu transportieren. Ideal für Festivals wie Rudolstadt.
mk

 BARCELONA GIPSY BALKAN ORCHESTRA Avo Kanto (Satélite K/Galileo-MC, bgko.org, 10 Tracks, 53:38):
BARCELONA GIPSY BALKAN ORCHESTRA Avo Kanto (Satélite K/Galileo-MC, bgko.org, 10 Tracks, 53:38)



Im noch mit Katalonien liierten Spanien verbindet man Gypsymusik vor allem mit Flamenco. Doch liebt der fiestafreudige Spanier auch sehr die Balkanmusik. Die dieser multinationalen Band poltert aber nicht derb bläserlastig. Eher feinnervig, sind die neuinterpretierten Traditionals vom Balkan, Mittleren Osten und Mittelmeer doch kaum mit der Heimstatt der Band assoziierbar.
kw
 BASSA: Ahewáuwen
BASSA
Ahewáuwen
bassa-welt.de
(flowfish.music FF0117/Broken Silence)
19 Tracks, 38:40


Die deutsche Tangoband Bassa vertonte dezent ein Märchen aus Feuerland mit kammermusikalischem Tango. Die nur zehn Minuten dauernde Geschichte (bei 28 Minuten Musik) sollte man wegen ihrer Kürze entweder nur mit Kindern zusammen hören oder als kleines Liebesgeschenk nutzen. Die Erzählung vom verliebten Seelöwen Ahewáuwen kann dabei gut funktionieren.
hjl

 FAUSTO BECCALOSSI, CLAUDIO FARINONE, ELIAS NARDI, MAX PIZIO: Aktè
FAUSTO BECCALOSSI, CLAUDIO FARINONE, ELIAS NARDI, MAX PIZIO
Aktè
facebook.com/faustobecalossimusic
claudiofarinone.info
eliasnardi.com
maxpizio.com
(Visage Music VM 3016/Galileo-MC)
9 Tracks, 52:28


Das Quartett wartet mit fünf Eigenkompositionen, einem Gurdjeff-Stück, zwei mazedonischen Liedern sowie einer katalanischen Melodie auf. Mit Akkordeon, Gitarre, Oud und Bassklarinette beziehungsweise Saxofon erinnern die Arrangements, die Spielfähigkeit und die Atmosphäre bisweilen stark an die Weltmusikgiganten von Oregon.
ink
 JAAN BOSSIER QUARTETT: Klezmenco
JAAN BOSSIER QUARTETT
Klezmenco
jaan-bossier.com
(Eigenverlag)
18 Tracks, 66:05


Jaan Bossier (cl), Gwen Cresens (acc), Florian Peelman (v), Axel Ruge (b) und Amparo Cortés als Gastsängerin vermischen Melodiepartikel aus Volksliedern mit sephardischen Klangelementen. Weit entfernt von traditionellem Klezmer prallen unterschiedliche Kulturen aufeinander, um sich dann doch wieder zu vereinigen.
mg

 CRISTINA BRANCO: Branco
CRISTINA BRANCO
Branco
o-tonemusic.de
(O-Tone-Music/Edel LC30913)
Promo-CD, 12 Tracks, 41:06


Die Portugiesin wurde im deutschsprachigen Raum als Fadosängerin bekannt. Nach Menina bringt sie mit Branco bereits ihr zweites Album heraus, das sich nur noch stilistisch an Fado anlehnt. Aus zwölf portugiesischen Popsongs und Raps formte sie mit ihrem Quartett elf akustische Kunstlieder und zum Schluss einen Fado. Hörenswert.
mst
 THE CACHE VALLEY DRIFTERS: Vintage Drifter – Live In Los Angeles, 1979
THE CACHE VALLEY DRIFTERS
Vintage Drifter – Live In Los Angeles, 1979
facebook.com/thecachevalleydrifters
(Ranch Recording RR11260)
14 Tracks, 44:41


Im Herbst 1979 aufgenommen, aber nie auf Tonträger erschienen. Jetzt liegt dieser Livemitschnitt des legendären Westcoast-Quartetts erstmals vor. In McCabe's Guitar Shop in Santa Monica zeigte sich die Band auf dem Höhepunkt ihres Könnens und frönte zwischen Bluegrass, Western Swing und Jazz ihrer Meisterschaft an Gitarren, Mandoline und Bass.
vd

 ALLYSEN CALLERY: The Song The Songbird Sings
ALLYSEN CALLERY
The Song The Songbird Sings
allysencallerymusic.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 10 Tracks, 29:10


Einfach nur Gitarre und Gesang, die US-Amerikanerin Allysen Callery präsentiert sich sehr spartanisch. Ihre Wurzeln liegen deutlich hörbar im britischen Folk, und trotzdem covert sie, recht erratisch, Gordon Lightfoot, was dem Ganzen eine schöne Würze verleiht.
mf
 LILY DAHAB: Bajo Un Mismo Cielo
LILY DAHAB
Bajo Un Mismo Cielo
lilydahab.com
(Herzog Reords)
11 Tracks, 53:33


Erneut nimmt sich die Wahlberlinerin aus Buenos Aires mit großer, facettenreicher Sangeskraft diverser, meist prominenter Latin- und Brasilklassiker an. Die dritte Liedsammlung ist klug, zum Teil originell arrangiert von Dahabs Pianisten und Lebensgefährten und entstand zusammen mit überwiegend hierzulande lebenden exzellenten Instrumentalisten aus aller Welt.
kw

 BARBARA DANE: Hot Jazz, Cool Blues & Hard-Hitting Songs
BARBARA DANE
Hot Jazz, Cool Blues & Hard-Hitting Songs
barbaradane.net
(Smithsonian Folkways SFW CD 402237)
Do-CD, CD 1: 18 Tracks, CD 2: 75:33, 20 Tracks, 78:48


Umfassende, sechzig Jahre umspannende Retrospektive der Aktivistin und Folk-, Blues- und Jazzsängerin, über die das Time-Magazin schrieb: „Die Stimme ist rein, reich, selten wie ein 20-Karat-Diamant“. Man hört Dane zusammen mit u. a. Doc Watson, Pete Seeger, Memphis Slim, Willie Dixon und vielen anderen. Unverzichtbar!
uj
 DIVERSE: Pfingstbergblues
DIVERSE
Pfingstbergblues
pfingstbergschule-mannheim.de
(Grand Cru Records/In-akustik)
17 Tracks, 72:46


Seit sechs Jahren findet im Mannheimer Red House eine Blueskonzertreihe statt. Das Livealbum ist eine Zusammenstellung zugunsten von Schülerprojekten. Mit dabei sind unter anderen Ignaz Netzer und Thomas Scheydt, Peter Karp, Timo Gross, Michael „Kosho“ Koschorreck, Jörg Teichert und die acht Musiker der Pfingstberg Blues Allstars.
asz

 DIVERSE: Scotland’s Voices
DIVERSE
Scotland’s Voices
(Greentrax Recordings CDTRAX400)
16 Tracks, 53:54


Sandy Moffat schuf ein Gemälde mit dem Titel Scotland’s Voices, mit Hamish Henderson und Künstlern des schottischen Revivals wie Belle Stewart, Jean Redpath oder Willie Scott. Und die Samplerspezialisten von Greentrax stellten eine begleitende Kompilation zusammen, wie üblich mit vorbildlichem Beiheft. Eine Hommage an die alten Meister und Meisterinnen.
mk
 DUO DORADO: Sweet Biel-Bienne
DUO DORADO
Sweet Biel-Bienne
guitarfestival.ch/wordpress
(Acoustic Music Records/Rough Trade,)
14 Tracks, 37:53


Eine außergewöhnliche Vater-Sohn-Beziehung dokumentiert das bereits zweite Album des Vibrafon-Akustikgitarren-Duos mit argentinischen Wurzeln. Musikalisch weben Vater und Sohn einen heiter-sonnigen Klangteppich, in dem sich die väterliche Heimat Buenos Aires wie der jetzige Lebensmittelpunkt Biel in der Schweiz gleichermaßen ausmachen lassen.
rb

 DUO SYSTRAMI: När Isen Går
DUO SYSTRAMI
När Isen Går
facebook.com/duosystrami
(Nordic Notes NN 108/Broken Silence,)
10 Tracks, 40:03


Die noch blutjungen Zwillinge Klara und Fanny Källström (Cello und Violine) verblüffen durch ihre musikalische Reife. Ihre abwechslungsreich arrangierten Eigenkompositionen sind von nordschwedischem Folk inspiriert, gemahnen aber mitunter an Kammermusik. Einziger Kritikpunkt: Das Englisch im Booklet ist recht fehlerhaft.
ink
 ENKEL: We Are Enkel
ENKEL
We Are Enkel
enkelband.com
(Nordic Notes NN112)
7 Tracks, 42:10


Zweites Album der vier finnischen Damen, die schnelle Wechsel lieben. Es geht los mit wunderbar lieblicher Bratsche (die anderen Instrumente sind Handorgeln und Kantele), doch die temporeichen Stücke überwiegen, denn die Liebe der Band gehört der Polka. Zwischendurch verfallen sie in eine Art Sprechgesang, können aber auch sehr melodisch singen, und dann kommen ihre Stimmen richtig zum Ausdruck.
gh

 ERDMÖBEL: Hinweise zum Gebrauch
ERDMÖBEL
Hinweise zum Gebrauch
erdmoebel.de
(Jippie 011/Rough Trade)
10 Tracks, 39:21


Mit dem neuen Album beweisen Erdmöbel einmal mehr, dass sie die witzigere Alternative zu Element of Crime sind, vermutlich auch die unverständlichere. Es macht einfach Spaß den verschrobenen Gedanken folgen zu wollen. Mit einem Gefühl von „Keine Ahnung“ (auch im Songtext zu finden) bieten Erdmöbel erneut etliche politisch uncoole, aber immer höchst sympathische Ideen.
ce
 MOLLY EVANS: Deep Time And Narrow Space
MOLLY EVANS
Deep Time And Narrow Space
mollyevansmusic.com
(Eigenverlag)
EP, 6 Tracks, 22:21


Die junge Dame aus der englischen Grafschaft Cheshire hat sich der Gedichte und Geschichten des lokalen Schreibers Alan Garner angenommen und mit ihrer Konzertina und der Hilfe von Jack Rutter (Gitarre, Bouzouki, Banjo) und Archie Churchill-Moss (Melodeon) in traditionell klingende kleine Preziosen verwandelt. Eine sehr ausgeprägte neue Stimme!
mk

 FÄHRMANN: Neunzig Liter und mehr
FÄHRMANN
Neunzig Liter und mehr
faehrmann-lieder.de
(DMG Records 54.218191.2)
10 Tracks, 50:16


Hinter Fährmann verbergen sich der Berliner Liedermacher Alexander Bärike und sein Musikerkollege Karl Neukauf, die neben Gitarren auch alle anderen Instrumente spielen. Zu sanft-rauchiger Stimme gibt es poetische Songs mit gesellschaftskritischen Zwischentönen, irgendwo zwischen Folk, Blues und bester Chansontradition.
rps
 GÉZA FRANK & JEAN DAMEI: Event Horizon
GÉZA FRANK & JEAN DAMEI
Event Horizon
eventhorizonproject.com
(Type 2 Records,)
10 Tracks, 55:49


Zusammen mit Fiddler David Lombardi sind in diesem Irish-Trad-Fusion-Projekt Dreiviertel von Fourth Moon tätig. Handgemachte hochvirtuose Klänge gegenüber abgezirkelten, sehr digital daherkommenden Flächen und Percussionlinien vom PC – auch wenn man Fusion mag, gerät dies sehr in die Nähe von kommerziellen, Dancefloor-orientierten Popklängen. Einfach Probehören!
js

 FRANUI: Ständchen der Dinge
FRANUI
Ständchen der Dinge
franui.at
(Col Legno WWE 1CD 20440/Harmonia Mundi)
22 Tracks, 78:55


Das österreichische, mittlerweile zehnköpfige Qualitätsensemble ist seit genau 25 Jahren hochkarätiger Garant für eine anspruchsvolle Mischung aus Klassik, Jazz, Volksmusik und Kammermusik. Auf dem Jubiläumsalbum finden sich bislang unveröffentlichte Liveaufnahmen und bekannte Reminiszenzen an Schubert, Brahms und den österreichischen Tanzboden.
jus
 DOBET GNAHORÉ: Miziki
DOBET GNAHORÉ
Miziki
dobetgnahore.com
(LA Café CD3356572/Indigo)
Promo-CD, 12 Tracks, 42:50


Auf dem fünften Album, jetzt bei einer neuen Plattenfirma, komponiert und textet die ivorische Sängerin Dobet Gnahoré in bester Manier einer Chansonnière ihre zeitlos arrangierten Lieder selbst und singt in ihrer Muttersprache Bété über Afrika und die afrikanischen Frauen. Mit der Produktion beauftragte sie den Elektro-Swing-Pionier Nicolas Repac.
cs

 STEFAN GRASSE: Entre Cielo Y Tierra
STEFAN GRASSE
Entre Cielo Y Tierra
(Xolo/Galileo-MC)
12 Tracks, 64:12


Das vielleicht bislang schönste Album des Nürnberger Gitarristen. Warme Farben herrschen vor, Klarinette und Vibrafon ergänzen in perfekter Weise die klassische Gitarre. Eine leichte, mediterrane Stimmung durchzieht den gesamten Bilderreigen, der auch Kompositionen von Satie, Brubeck und Chopin enthält. Chillout auf höchstem musikalischem Niveau.
rb
 HADRIAN’S UNION: Aural Borderalis
HADRIAN’S UNION
Aural Borderalis
hadriansunion.co.uk
(Eigenverlag)
12 Tracks, 52:50


Ein Quintett aus der englisch-schottischen Grenzregion mit scheinbar wechselnder Besetzung und einem attraktiven stilistischen Repertoire aus Folk, Rock, Ska, Blues, Punk etc. Neben den Standardinstrumenten Gitarre, Bass und Drums setzen Melodeon, Violine und Bouzouki die Akzente. Der „Union Song“ ist ein Gewerkschaftslied, passt aber auch auf den Brexit.
mk

 HELLO EMERSON: Above The Floorboards
HELLO EMERSON
Above The Floorboards
helloemerson.com
(K & F Records/Broken Silence,)
10 Tracks, 45:47


Der Folk von Sam Emerson Bodary und seinen zwei Mitstreitern schließt die elektrische Gitarre und Geigenarrangements nicht aus und schlenkert manchmal ein klein wenig Richtung Jazz, doch ist das Ganze balladesk und einfühlsam, still und persönlich, wie Briefe eines Unbekannten an Fremde, die Freunde werden könnten.
mf
 HELSINKI-COTONOU ENSEMBLE: We Are Together
HELSINKI-COTONOU ENSEMBLE
We Are Together
helsinkicotonouensemble.com
(Bafe's Factory MBA021,)
10 Tracks, 44:10


Dritter Studiostreich des finnisch-beninischen Oktetts um den Gitarristen Janne Halonen und den Sänger/Percussionisten Noël Saïzonou. Letzterer versprüht mit seiner kraftvollen Stimme Lebensfreude pur. Das spiegelt sich auch in etlichen Songtexten wider; nachdenkliche Momente gibt es aber auch. Der Mix aus Afrobeat, Funk und Reggae begeistert also nicht nur live.
rs

 HISZTORY: Harlekin 2069
HISZTORY
Harlekin 2069
hisztory.de
(Tonfall)
16 Tracks, 79:27


Der Leipziger Liedermacher ist vor allem bekannt für seine links engagierten, balladenhaften Songs, in denen zumeist die kleinen Leute im Mittelpunkt stehen. Es geht um Kindheitserlebnisse, Weihnachten im Knast oder den Krieg in Tschetschenien 1996. Country-folkig wird Hisztory begleitet von Hartmut Schill und André Fritzsch.
rps
 ARCHIE LEE HOOKER AND THE COAST TO COAST BLUES BAND: Chilling
ARCHIE LEE HOOKER AND THE COAST TO COAST BLUES BAND
Chilling
archieleehooker.com
(Dixiefrog Records DFGCD8804/H’Art)
17 Tracks, 62:02


Der Neffe des großen John Lee Hooker zeigt hier mit fantastischer vierköpfiger Band die musikalische Entwicklung des Blues von der akustischen Folkvariante bis zum modernen Bluesrock auf. Archie Lee Hookers schöne, schwarze Stimme, die oft verschleppt oder im Sprechgesang verharrt, stellt einen tollen Kontrast zur vitalen Spielweise der Band dar.
ah

 HÒ-RÒ: Hò-Rò
HÒ-RÒ
Hò-Rò
musichoro.com
(Eigenverlag)
10 Tracks, 44:27


Und noch eines der zahllosen jungen schottischen Quartette (aktuell übrigens zum Sextett angewachsen), die musikalisch extrem gut ausgebildet sind. Gitarre, Akkordeon, Pipes, Whistle, Fiddle und weiblicher Gesang, Instrumentals und Songs gleichmäßig verteilt. Das ist richtig gute Musik, die man aber so oder ähnlich schon mehrfach gehört hat.
mk
 STEFAN JOHANSSON: 65° Nord
STEFAN JOHANSSON
65° Nord
stefan-johansson.de
(Eigenverlag)
11 Tracks, 43:26


Nachdem er mit seiner (deutschen) Gruppe Strömkarlen nicht wirklich einen schwedischen Klang produziert hat, ist ihm das mit seinem neuen Soloalbum dann doch besser gelungen. Die Bandbreite reicht von Rock bis Folk und Pop inklusive ihrer Verflechtungen. Einige Stücke klingen nach der Frühzeit der schwedischen Rockavantgarde, einige sind Folksongs.
bk

 JEFF JOHNSON & BRIAN DUNNING: Eirlandia
JEFF JOHNSON & BRIAN DUNNING
Eirlandia
arkmusic.com
(ARK)
8 Tracks, 33:26


Die Herren Johnson (keys, perc) und Dunning (flutes) bieten sehr entspannte melodiöse Instrumentalmusik, inspiriert von Steven Lawheads Celtic Fantasy Novel In The Region Of The Summer Stars – Book 1 Of The Eirlandia Series. Mit verschiedenen Gastmusikern entstand ein wunderschönes meditatives Album, welches irische Tradition mit Filmmusik mischt.
pp
 ANNE-MARI KIVIMÄKI: Ilja
ANNE-MARI KIVIMÄKI
Ilja
annemarikivimaki.fi
(Nordic Notes NN107)
9 Tracks, 40:56


Dieses Album ist sozusagen ein Beifang zu Kivimäkis Dissertation, für die sie in Archiven über den karelischen Komponisten und Akkordeonspieler Ilja Kotikallio (1894-1961) geforscht hat. Darauf finden sich schmissige Tanznummern, aber auch melancholische Stücke, wie sie typisch waren für die karelische Tradition. Einige Male ist im Hintergrund aus ferner Vergangenheit Ilja Kotikallios Stimme zu hören.
gh

 KONGERO: Kom
KONGERO
Kom
kongero.se
(Dimma)
13 Tracks 30:47


Die seit 2005 bestehende schwedische A-cappella-Gruppe hat 2017 ihr viertes Album eingespielt. Die vier Damen sind neben ihren Tourneen bei vielen Festivals in Europa und im Ausland aufgetreten. Die lange gemeinsame Zeit hat zu großer Perfektion geführt, ohne zu routiniert zu wirken. Neben schwedischen Liedern sind Songs aus Finnland, Norwegen und Estland zu hören.
bk
 REBECA LANE: Obsidiana
REBECA LANE
Obsidiana
rebecalane.com
(Flowfish Records/Edel Kultur)
8 Tracks, 29:04


Die beherzte Rapperin, Sängerin sowie Menschen- und Frauenrechtlerin aus Guatemala gäbe eine wahrlich gute volksnahe Politikerin ab. Doch weniger kompromittiert und wohl auch ungefährdeter schlägt sich die Künstlerin mit ihrer auf nunmehr sechs Alben versammelten eindringlichen Musik durch, in- und außerhalb ihres von Bürgerkrieg und Femizid gebeutelten Heimatlandes.
kw

 SEBASTIEN LEMOINE: Chanson Française
SEBASTIEN LEMOINE
Chanson Française
facebook.com/sebastienlemoineofficiel
(Electrola/Universal,)
14 Tracks, 49:18


Ein ausgebildeter, vielseitiger französischer Opernsänger, der eine Liebe für das Chanson hegt und als Komponist eigene Lieder vorstellt. Léo Férré, Barbara, Gilbert Bécaud und vor allem Jaques Brel werden zeitgemäß aufgepeppt. Für die Aufnahmen und seine eigenen Lieder hat er mit den Leipzigern René Möckel und Evelyn Fischer eng zusammengearbeitet.
rk
 LUCIBELA: Laço Umbilical
LUCIBELA
Laço Umbilical
lucibela.com
(Lusafrica 762562)
13 Tracks, 50:16


Sanft und beschwingt pluckert die Musik, darin eingebettet Lucibelas Stimme. Sie singt über die Gefahren, denen eine junge Frau vom Hinterland in der Stadt ausgesetzt ist, und darüber, dass sie ihre Nabelschnur („Laço Umbilical“) nie durchtrennen darf. Wieder eine dieser bezaubernden Stimmen der Kapverden, die Fernweh verursacht.
mst

 MANE: Von Wegen
MANE
Von Wegen
mane-musik.de
(Eigenverlag)
13 Tracks, 63:23


Die Musikerin Mane Stelzer veröffentlicht mit ihrer Doppel-EP ein Acoustic-Folk-Album für alle Freunde von Dota und Co. Als Duo mit dem Musikerkollegen Dennis Lapp klingt die Künstlerin in ihren Songs noch berührbarer als zu alten Bandzeiten. Teils auf Deutsch, teils auf Englisch erzählt Mane wärmende kleine Geschichten für große Herzen.
ce
 MELLOW MOOD: Large
MELLOW MOOD
Large
mellowmoodmusic.com
(La Tempesta Dub/Soulfood)
Promo-CD, 12 Tracks, 43:50


Gut, die Musiker hatten gewarnt: Wenn eine Band sich Mellow Mood nennt, dann darf der Kritiker ihr nicht vorwerfen, dass ihm ihre Musik gelegentlich allzu „mellow“ daherkommt. Ansonsten liefern die italienischen Brüder Jacopo und Lorenzo Garzia ein grundsolides Reggaealbum ab, und textlich vermeiden sie jede Banalität. So soll es sein.
wb

 REINHARD MEY: Mr. Lee Live
REINHARD MEY
Mr. Lee Live
reinhard-mey.de
(Electrola/Universal)
Promo-Do-CD, CD 1: 13 Tracks, 79:11, CD 2: 13 Tracks, 75:04


Zweieinhalb prallgefüllte Stunden Reinhard Mey auf einer Doppel-CD. Eine Stimme, eine Gitarre, intensive Geschichten, vertraute Melodien – und eine Riesenportion Charisma. Die hervorragende Aufnahmequalität rundet den absolut positiven Eindruck ab. Zwei, drei Lieder, die einfach nicht fehlen dürfen, ansonsten viel Neues. Und über allem die Frage: Wer ist Mr. Lee?
ke
 GIULIA MILLANTA: Conversation With A Ghost
GIULIA MILLANTA
Conversation With A Ghost
guiliamillanta.com
(Ugly Cat Music UCM 05,)
Promo-CD, 12 Tracks, 37:04


Die italienischstämmige Texanerin singt ihre ruhigen und beseelten Songs zur E-Gitarre und mit Band in mehreren Sprachen. Man könnte das als Americana mit europäischen Einflüssen bezeichnen oder auch als jazzigen Folk. Bei zwei Stücken sitzt Avantgitarrist Marc Ribot an der Gitarre. Musik mit ausgefeilten Arrangements und intimem Charakter
hjl

 ZEKI MIN: Here
ZEKI MIN
Here
zekimin.com
(Gunner Records/Broken Silence)
12 Tracks, 37:43


Der Bremer, Sohn türkisch-südkoreanischer Eltern tobte sich im Punk und Rock 'n' Roll aus, bis er die E- mit der akustischen Gitarre tauschte. Auf dieser schlägt er Töne von zart bis rockig-forsch an. Fans von Damian Rice oder Billy Bragg werden Vertrautes raushören. Da gibt’s viel Geige, auch mal Papiertüte oder Fußball. Die vierte Platte ist, trotz poppiger Anteile, sehr folkig.
is
 MYSTERIES OF THE NIGHT: Alive Inside The Tank
MYSTERIES OF THE NIGHT
Alive Inside The Tank
facebook.com/mysteriesofthenight1
(Silver Wave Records SWR-960,)
15 Tracks, 58:47


Das US-Duo James Marienthal und Sarah Gibbons zelebriert Flöten-, Gesangs- und Percussionkompositionen sowie Improvisationen im Stile der Ureinwohner Amerikas, wie man sie noch nicht gehört hat. Live aufgenommen in einem ausgemusterten Wassertank in Colorado, demonstrieren sie, weshalb Töne erst in Kombination mit der Stille zu einem tiefgehenden Sinneserlebnis werden.
ep

 IRISH MYTHEN: Irish Mythen
IRISH MYTHEN
Irish Mythen
irishmythen.com
(Eigenverlag)
7 Tracks, 26:36


Geboren in Irland, wohnhaft auf Prince Edward Island, Kanada, ist Mythen die wiedergeborene Folkversion von Janis Joplin. Sie ist mit einer unglaublichen Stimme gesegnet, die dieses Album schon ganz gut wiedergibt. Aber live ist die Dame schlicht umwerfend. Am besten mal ihre Version von „The Auld Triangle“ auf Youtube antesten.
mk
 FANTASTIC NEGRITO: Please Don’t Be Dead
FANTASTIC NEGRITO
Please Don’t Be Dead
fantasticnegrito.com
(Cooking Vinyl COOKCD705/Sony Music)
Promo-CD, 11 Tracks, 38:40


Nach eigener Aussage ist es „black roots music for everyone“ bzw. „blues with a punk attitude“. Wie auch immer, authentische, aus dem Leben gegriffene Beobachtungen und Befürchtungen werden in eine bluesgetränkte, von modernen Sounds durchdrungene Collage projiziert. Lässt sich nur schwer einordnen, ist aber ungemein interessant und spannend.
ah

 MANI ORRASON: I Woke Up Waiting
MANI ORRASON
I Woke Up Waiting
maniorrason.com
(Guesstimate gue 001/Zebralution)
9 Tracks, 34:12


Erst zwanzig Jahre alt ist dieser isländische Künstler und bereits jetzt schwermütig wie Leonard Cohen und Jeff Buckley in einer Person. Als interessanter Gegenpunkt zum depressiven, anklagenden Gesang treibt die Musik irgendwo zwischen Americana und Alternative Folk nach vorne. So wird Tanzen eine gute Alternative zum Selbstmord.
ce
 ALESSANDRO QUARTA: Plays Astor Piazzolla
ALESSANDRO QUARTA
Plays Astor Piazzolla
alessandro-quarta.de
(IAN Productions/Eigenvertrieb)
Promo-CD, 11 Tracks, 55:48


Der klassisch ausgebildete italienische Violinist überzeugt mit seinen Piazzolla-Interpretationen durch dynamische Bandbreite zwischen leisestem Spiel und energetischen Ausbrüchen, tanzendem Violinbogen und virtuosem Tempo. Zum noch genaueren Hinhören gibt es die Aufnahmen auch auf Blu-Ray in neuen Audioformaten wie Auro-3D 11.1.
hjl

 BEN REEL: Land Of Escape
BEN REEL
Land Of Escape
benreel.com
(Eigenverlag)
12 Tracks, 48:57


Wunderbar leger beginnt Ben Reels mittlerweile achtes Studioalbum. Mit Flöte, Rhodes-Klavier und Slide-Gitarre erinnert der irische Künstler an das Flair alter Rockpalast-Open-Air-Festivals. Auch wenn die Songs den Siebzigern mit Künstlern wie The Band entsprungen sein könnten, ist Land Of Escape auch 2018 ein guter Begleiter für eine Session in der Hängematte.
ce
 PIPPA REID-FOSTER: Driftwood Harp
PIPPA REID-FOSTER
Driftwood Harp
pippareidfoster.com
(Eigenverlag)
9 Tracks, 44:48


Debütalbum der jungen schottischen Harfenistin, deren abgeklärtes Spiel ihren Jahren deutlich voraus ist. Das gilt auch für ihre atmosphärischen und fantasievollen Kompositionen, die weit über gewohnte Klänge der Clarsach hinausgehen. Kein Wunder, das Studium der Komposition am Royal Conservatoire absolvierte sie mit einem Masterabschluss.
mk

 BREEZY RODIO: Sometimes The Blues Got Me
BREEZY RODIO
Sometimes The Blues Got Me
breezyrodio.com
(Delmark Records DE853/The Orchard)
Promo-CD, 17 Tracks, 66:02


Chicago Blues mit weiteren Einflüssen von T-Bone Walker bis B. B. King, so ist die Musik des Gitarristen und Sängers Breezy Rodio vielleicht am treffendsten zu beschreiben. Und das macht er über die Maße gut, streut noch etwas Jump Blues und eine Prise Big-Band-Sound mit ein – sehr kurzweilig und schön anzuhören.
ah
 RODRIGO ROMANÍ TRIO: Fios De Ouro No Ár
RODRIGO ROMANÍ TRIO
Fios De Ouro No Ár
rodrigoromani.pro
(Altafonte/Galileo-MC)
10 Tracks, 47:06


Der u. a. Harfe spielende Sänger nahm das Album mit einer weiteren Harfenistin und einer Percussionistin auf, nebst einem eingeladenen Streichorchester. Der galicische Folkpionier erweist sich erneut als geschmackssicher bei der Neuinterpretation vokaler und instrumentaler Traditionals, geprägt von der Klangwelt der diatonischen bzw. sogenannten keltischen Harfe.
kw

 RABBIA ROSA: Tributo A Rosa Balistreri
RABBIA ROSA
Tributo A Rosa Balistreri
rabbiarosa.com
(Eigenverlag)
7 Tracks, 29:44


Mit heiligem Zorn sang Rosa Balistreri gegen die an ihr und ihren Landsleuten begangenen Ungerechtigkeiten an und wurde im Folkrevival zur Ikone. Entdeckt wurde die Sizilianerin einst in Florenz, wo nun eine vierköpfige Band mit einer Mischung aus traditioneller Musik und experimentellem Rock ihre Lieder ins Heute versetzt. Vielversprechend!
mst
 SACKVILLE STREET: Sackville Street
SACKVILLE STREET
Sackville Street
sackvillestreet.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 53:47


Der Klang des Gelsenkirchener Irish-&-Scottish-Folk-Trios besticht vor allem durch die sehr expressive Stimme Nina Heinreichs, zu der die Christian Donovans eher leise im Kontrast steht. Hella Luzinde Hanes Harfe klingt dann wieder sehr markant und durchdringend. So liefern sie eine volltönende, treibende und teils auch ruhig verträumte Sammlung an Liedern.
mas

 SALAMANDER: Como La Rosa
SALAMANDER
Como La Rosa
salamandermusic.eu
(SALAM002 2018)
13 Tracks, 59:33


Die vor acht Jahren gegründete Gruppe aus Schweden präsentiert mit ihrem zweiten Album vor allem sephardische Lieder in der Besetzung Marita Johansson (voc, g), Jonas Liljeström (voc, g) und David Odlöw (mandolin) sowie Emil Pernblad (g) als Gastmusiker, nachdem das langjährige Bandmitglied Kristofer Yffén (acc, fl) die Gruppe verließ.
mg
 SALT HOUSE: Undersong
SALT HOUSE
Undersong
salthousemusic.com
(Make Believe Records MBR7CD)
10 Tracks, 44:38


Auch als Trio gehören Salt House zu den unterschätzten kreativen Gruppen Schottlands. Leise kommen ihre Songs meist daher. Vornehmlich Fiddle (Lauren MacColl), Gitarre und Mandoline sowie der Gesang von Jenny Sturgeon und Ewan MacPherson sorgen für eine entspannte und doch hochkonzentrierte Musik, aufgenommen in einer Kirche auf der Insel Berneray.
mk

 THE SANDBOX JOSEPHS: Dig
THE SANDBOX JOSEPHS
Dig
sandbox-josephs.com
(Digiton Records)
13 Tracks, 53:53


Die Sandkastenfreunde Josev, Josef und Joseph gehen mit viel Elan zur Sache. Düster, euphorisch, wild, sanft. Das Album Dig strotzt vor Spielfreude und Abwechslung. Vom aufwendig produzierten Booklet zum Soundspektrum mit akustischer Lap-Steel-Gitarre, Banjo, Gitarre und charakteristischem Gesang macht hier alles Laune.
fk
 SCHÄNG BLASIUS FLÖNZ RAKETE: Tweede Striek
SCHÄNG BLASIUS FLÖNZ RAKETE
Tweede Striek
floenzrakete.jimdo.com
(Eigenverlag)
16 Tracks, 47:41


Happy-Losgeh-Folk mit Mundartliedern und Tänzen aus Krefeld und vom Niederrhein. Geigen, Quetsch, Decke Trumm, Bass, Gebläse und Schlagwerk sowie jede Menge Gastmusiker sorgen für einen vollen Kirmessound (im positiven Sinne) bei Walzer, Schottisch und Polka, eingespielt mit unbändiger Spielfreude. Uff-Ta-Taah!
uj

 SCHNAPS IM SILBERSEE: Synapsensylvester
SCHNAPS IM SILBERSEE
Synapsensylvester
schnapsimsilbersee.de
(Prosodia)
13 Tracks, 42:14


Der Bandname lässt es schon erahnen, dass es hier nicht so ernst zugeht. Der Unsinn, der Tiefsinn und der Blödsinn feiern fröhliche Urständ. Sie machen sich lustig über Alkohol und Depression, Sexismus und Trennungen, also korrekt ist das alles nicht, was die fünf mit ihren illustren Gästen da abliefern, aber flott und recht witzig.
rk
 DIKNU SCHNEEBERGER TRIO: Feuerlicht
DIKNU SCHNEEBERGER TRIO
Feuerlicht
diknuschneeberger.com
(O-Tone Music/Edel Kultur,)
13 Tracks, 54:14


Dass der gerade mal 28-Jährige bereits sein zehntes Bühnenjubiläum feiert, erstaunt dann eben doch nicht mehr. Wer Gypsy Jazz in derartiger Perfektion zu Gehör bringt, muss als Kind in den Zaubertrank gefallen sein. Eine Geschichte rasanter Reife auf dem Boden eines hochmusikalischen Familienerbes. Django Reinhardt, Edward Grieg und eben Schneeberger. Tolles Album!
rb

 THE SHIRES: Accidentally On Purpose
THE SHIRES
Accidentally On Purpose
theshiresmusic.com
(Decca/Universal Music)
12 Tracks, 41:22


Achtung, Popalarm! Das britische Duo nennt es Countrypop, und das mag auch ob diverser akustischer Sequenzen und dem Aufnahmestudio in Nashville, Tennessee, die treffendste Bezeichnung sein. Aufnahmetechnisch auf dem höchsten Stand. Tatsache ist, dass die Musik extrem eingängig und daher auch kommerziell sehr erfolgreich ist. Kann man durchaus mögen.
mk
 SILVERHANDS: Satellites
SILVERHANDS
Satellites
7 Tracks
26:15
(silverhandsmusic.com)


Jeder Tag hält eine Lektion, eine Erfahrung bereit. Davon singt Mikel McDermott in ruhigen, sparsam arrangierten Songs. Der ansonsten bei der Joy Mills Band tätige Songschreiber mit Wohnsitz Seattle rückt Gitarre und Stimme in den Vordergrund und erzählt übers Unterwegssein, das Verliebtsein und Getrenntsein. Ein gelungener Alleingang.
vd

 THE SLOCAN RAMBLERS: Queen City Jubilee
THE SLOCAN RAMBLERS
Queen City Jubilee
slocanramblers.com
(SloMusic)
14 Tracks, 48:32


Auf seinem dritten Album liefert das Quartett aus dem kanadischen Toronto Bluegrass erster Güte. Die vier jungen Männer stecken offenbar mit ihren Seelen tief in der Tradition, transformieren sie aber virtuos in die Jetztzeit. Der Fokus liegt auf Eigenkompositionen, die häufig mit Elementen aus der Old-Time Music versetzt sind. Eine reife Arbeit.
vd
 SOLJU: Odda Áigodat
SOLJU
Odda Áigodat
solju.fi
(Nordic Notes/Broken Silence)
11 Tracks, 36:01


Ein samisches Mutter-Tochter-Duo geht musikalisch neue Wege (das Album heißt nicht ohne Grund „Neue Zeiten“). Joik und Motive aus der finnischen Tradition sind natürlich vertreten, dazu gibt es tschechische Streicher, China-Pop-Elemente und sogar eine zornige Trollstimme im Hintergrund. Ihre klare Aussprache macht einmal mehr klar, was Samisch für eine klangvolle Sprache ist.
gh

 SOUSOU & MAHER CISSOKO: Made Of Music
SOUSOU & MAHER CISSOKO
Made Of Music
sousoumaher.se
(Jaliya JALICD02/Broken Silence,)
10 Tracks, 46:11


Eine schwedische Liedermacherin und ein senegalesischer Griot schaffen mit ihren Songs Verbindungen zwischen Ländern und Menschen. Ihre Lieder handeln von Spiritualität, Liebe und dem Leben aus der Musik. Gesungen wird in fünf verschiedenen Sprachen. Im englischsprachigen Booklet finden sich neben Informationen auch die Übersetzungen der Liedtexte.
cs
 BRANCO STOYSIN: Above The Clouds
BRANCO STOYSIN
Above The Clouds
brancostoysin.co.uk
(Sun Recordings)
10 Tracks, 48:00


Auf seinem bereits achten Album präsentiert der gebürtige Serbe Branco Stoysin seelenvolle Musik für akustische Gitarre(n). Themen der ex-jugoslawischen Heimat, jazzige Improvisationen und melancholische Impressionen beherrschen den Kosmos des in London ansässigen Gitarristen. Auf „Interlude With Birds“ hört man ihn im Dialog mit 33 verschiedenen Vogelstimmen.
rb

 JENNY STURGEON: From The Skein
JENNY STURGEON
From The Skein
jennysturgeonmusic.com
(Tamarach Records)
12 Tracks, 44:02


Die neue Sängerin der Gruppe Salt House (s. o.) ist auch eine profilierte und selbstbewusste Songschreiberin in Eigenregie. Durch die Aberdeen-Connection mit Jonny Hardie oder Davy Cattanach ist die Folkverbindung gewährleistet, aber die Lieder sind von Inhalt und Attitüde her wohltuend zeitgenössisch. Wenn denn ein Vergleich hilft: Karine Polwart.
mk
 EBO TAYLOR: Yen Ara
EBO TAYLOR
Yen Ara
facebook.com/ebotaylorghana
(Mr Bongo/Harmonia Mundi)
Promo-CD, 8 Tracks, 40:56


Unfassbar, was „der alte Mann“ (mit seinen 82 Jahren) noch gesanglich draufhat. Der Grandseigneur des ghanaischen Highlifes liefert mit seiner Saltpond City Band ein wahres Feuerwerk für den Dancefloor ab. Daran hat Produzent Justin Adams (u. a. Tinariwen) gewiss seinen Anteil. Starke Songs, die dank deutlicher Afrobeatanleihen hervorragend grooven.
rs

 TICKET TO HAPPINESS: All Aboard
TICKET TO HAPPINESS
All Aboard
facebook.com/ticket.to.happiness
(Eigenverlag)
12 Tracks, 36:55


Debütalbum des Sieger- und Münsterländer Quartetts, das seine Musik „New Folk“ nennt, englischsprachig, sehr amerikanisch beeinflusst (Country, Bluegrass, Folk), aber auch irisch und anderswie. Ein voller Bandsound, markante Instrumentalklänge von Banjo und Geige, teils treibende, teils vertrackte Rhythmen und gute, mitlesbare Geschichten. So sollte Folk sein!
mas
 TRAILHEAD: Keep Walking
TRAILHEAD
Keep Walking
trailheadmusic.com
(Requa Records 201801)
12 Tracks, 46:58


Trailhead ist im Wesentlichen der Berliner Tobias Panwitz. Auf seinem Konzeptalbum Keep Walking beschäftigt er sich intensiv mit dem Reisen und dem Aspekt des Zu-Fuß-Gehens. Panwitz ist Songwriter, Multiinstrumentalist und Grafiker in Personalunion, mit lediglich ein paar Mitstreitern im Studio. Folkpop mit wunderbaren Melodien.
fk

 TRIXIE AND THE TRAINWRECKS: 3 Cheers To Nothing
TRIXIE AND THE TRAINWRECKS
3 Cheers To Nothing
facebook.com/trixietrainwrecknomanband
(Voodoo Rhythm Records)
Promo-CD, 13 Tracks, 43:42


Mit achtzehn Jahren verließ die Gitarristin, Sängerin und Komponistin San Francisco und wurde in Berlin heimisch. Zusammen mit dem Blues-Mundharmonikaspieler Charlie Harpoon, dem Gitarristen Paul Seacroft und dem Schlagzeuger Bruce Brand spielt sie modernen Folkblues; als Gast ist außerdem Ed Deegan dabei.
asz
 TRUE NORTH: Open Road, Broken HeartEigenverlag, truenorthband.com, 12 Tracks, 43:43)
TRUE NORTH
Open Road, Broken HeartEigenverlag, truenorthband.com, 12 Tracks, 43:43)


Es sind vor allem die Songs von Sängerin Kristen Grainger, die das vierte Album des Akustikquartetts aus dem Nordwesten der Vereinigten Staaten prägen. Sie wandern musikalisch zwischen Folk und Bluegrass, und manchmal gibt's auch gospelähnlichen Harmoniegesang wie in „Mighty Bourbon“, das eindringlich Dämon Alkohol thematisiert. Der Norden warnt.
vd

 JOE VICKERS: Notes For The Wood Burning Stove
JOE VICKERS
Notes For The Wood Burning Stove
joevickersmusic.com
(Gunner Records/Broken Silence,)
12 Tracks, 44:56


Vickers lebt im Sommer als Farmhelfer und zieht im Winter mit seiner Gitarre von Dorf zu Dorf, Stadt zu Stadt, um in Kneipen seine Songs zu spielen. Er lebt ein spezielles, beinahe altertümlich anmutendes Leben, das sich in seinen Songs spiegelt, indem die akustische Gitarre nur von einer Pedal Steel begleitet wird.
mf
 ALEXANDER von ROTHKIRCH: Free
ALEXANDER von ROTHKIRCH
Free
facebook.com/avrothkirch
(Bassstadt/Soulfood)
12 Tracks, 42:04


Der Hamburger strahlt eine positive Grundstimmung aus. Entspannt und lässig, ein wenig wie Jack Johnson, selbst wenn er davon singt, „Alone“ zu sein oder einen Blues hinlegt. Seine Stimme ist angenehm dunkel, seine rhythmusorientierte Gitarre lässt er unter anderem von Orgel und Schlagzeug begleiten.
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 CANAN UZERLI: Içten Gelen Ses
CANAN UZERLI
Içten Gelen Ses
cananuzerli.com
(Canan Uzerli Music)
15 Tracks, 53:32


Die ausgebildete Sängerin präsentiert vornehmlich selbst geschriebene Stücke. Die Arrangements sind geschmackvoll und bieten den Instrumentalisten die Gelegenheit, sich zu entfalten, ohne die elegante Stimme Uzerlis platt zu machen. Die schönen, teils philosophischen türkischen Lyrics sind auch in deutscher Übersetzung abgedruckt.
ink
 MEG WILLIAMS: Maybe Someday
MEG WILLIAMS
Maybe Someday
megwilliamsmusic.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 6 Tracks, 19:47


Die junge Gitarristin, Sängerin und Komponistin Meg Williams aus New York überzeugt mit ihrem kantigen Blues. Die Platte wurde in Nashville eingespielt. Als Bandkollegen sind Dan Wecht (Gitarre), Greggory Garner (Bass) und Kyle Law (Schlagzeug) sowie drei Gastmusiker dabei.
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 WITTHÜSER & WESTRUPP: Der Jesuspilz – Live!
WITTHÜSER & WESTRUPP
Der Jesuspilz – Live!
westrupp.de
(Sireena Records, SIR 2183/Broken Silence info@sireena.de)
7 Tracks, 39:21


Der Jesuspilz – Live! basiert auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1971. Ein historisches Tondokument des legendären Duos Witthüser & Westrupp, die dem so genannten Acid Folk zugerechnet wurden. Mit Gitarre, Harp, Ukulele, Kazoo, Harmonium und Glockenspiel versuchten die beiden Essener Barden, die Bibel neu zu interpretieren: „Im Anfang war der Brösel …“ Oha!
ke
 WÖR: Sssht
WÖR
Sssht
wearewor.com
(XSteeplejack Music SJCD019)
13 Tracks, 46:05


Groovige Tanzmelodien wechseln sich mit elegischen Breitwandsounds ab. Die flandrische Band Wör mit fünf Musikern zelebriert auf beste Blowzabella-Manier belgische Tanzmusik aus alten Manuskripten des achtzehnten Jahrhunderts. Saxofon, Fiddle, Akkordeon, Gitarren und Dudelsäcke in höchst modernen Interpretationen, die Virtuosität mit Spielfreude in cleveren Arrangements vereint. Ohrenschokolade!
uj

 CECILIA ZABALA: The Color Of Silence
CECILIA ZABALA
The Color Of Silence
ceciliazabala.com.ar
(Acoustic Music Records/Rough Trade,)
14 Tracks, 42:31


Eine introvertierte Reise in einen hochindividuellen Klangraum erwartet den Hörer auf dem Debüt der Gitarristin und Sängerin Cecilia Zabala. Die Argentinierin verbindet Folklore, jazzige Kantilenen und aparte Harmonik in erstaunlicher, ungewohnter Weise. Die Ideen scheinen nur so zu sprudeln – von betörender Leichtigkeit!
rb
 : rezi-legende
Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Kai Engelke (ke), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (jus), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Ines Körver (ink), Ferdinand Kraemer (fk), Bernd Künzer (bk), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Martin Steiner (mst), Annie Sziegoleit (asz), Katrin Wilke (kw)


Onlinerezensionen
STEINAR AADNEKVAM
Freedoms Trio II
freedomstrio.com
(Losen Records/In-Akustik)
9 Tracks, 53:36


Das Trio des Gitarristen Aadnekvam fegt dem Freund von latinorientiertem Akustikjazz mächtig die Gehörgänge frei. Norwegen, Brasilien, Mozambique – ein dreikontinentales instrumentales High-Speed-Unternehmen, virtuos, melodisch und nur so strotzend vor Spielfreude. Ein grandioser Liveact, der auch im Studio überzeugt.
rb
AALKREIH
Schietegol
facebook.com/aalkreih
(Gunner Records/Broken Silence)
4 Tracks, 15:37


Plattdütscher Rock eines Quintetts aus Flensburg, das sich selbst eher dem Indiefolk-Country zuordnet. Aggressiv und doch auch melodiös rufen sie ihre Botschaften hinaus, immer wieder angetrieben durch den stampfenden Rhythmus der Lap Steel.
mas

DAVE ALVIN AND JIMMIE DALE GILMORE
Downey To Lubbock
davealvin.net
jimmiegilmore.com
(Yep Roc Records/H’Art)
Promo-CD, 12 Track, 52:56


Mit verwitterten Gesichtern schauen einem Alvin und Gilmore vom Cover an. Mit ihrem Stilmix aus Country, Rock, Blues und Tex-Mex kreisen ihre Songs um altbekannte Themen. Es ist Musik, die zu machen sicher Spaß macht, aber wirklich notwendig scheint an diesem Album nichts zu sein.
mf
KETIL BJØRNSTAD, ANNELI DRECKER
A Suite Of Poems By Lars Saabye Christensen
ketilbjornstad.com
annelidrecker.no
(ECM 2440)
13 Tracks, 55:02


Jeden seiner Texte hat der vielgereiste Autor Lars Saabye Christensen nach einem anderen Hotel genannt, es geht um Aufbruch, Heimweh, Sehnsucht, Abenteuerlust. Passend zu jeder Stimmung vertont von seinem genialem Landsmann Ketil Bjørnstad, vorgetragen von der klassisch beeinflussten Sängerin Anneli Drecker zu Bjørnstads wie immer virtuoser Pianobegleitung.
gh

MARC BROUSSARD
Easy To Love
marcbroussard.com
(Big Lake Music/Rough Trade)
Promo-CD, 14 Tracks, 55:08


Eine wunderbare Baritonstimme hat er, dazu ist er ein versierter Gitarrist und begnadeter Songschreiber. Zwischen Soul, Country, Blues und Pop changiert der Singer/Songwriter. An Marvin Gayes Klassiker „Mercy Mercy Me“ muss man sich auch erst einmal heranwagen – so leicht, selbstverständlich und mit Tiefe intoniert, das ist über jede Kritik erhaben.
ah
MAX CLOUTH CLAN
Kamaloka
maxclouth.com
(L+R Records/Bellaphon)
12 Tracks, 49:09


Mahavishnu lässt grüßen. Der Frankfurter Jazzgitarrist tingelt gerne zwischen Indien und Deutschland. Musikalisch hat das tiefe Spuren hinterlassen. Die Verbindung gelingt mühelos, komplexe Jazzrockkompositionen, traditioneller nordindischer Gesangsstil und treibende Rhythmik machen das transkontinentale Projekt zu einer extrem sinnlichen Erfahrung.
rb

ULTAN CONLON
Last Days Of Night Owl
ultanconlon.com
(Dark Side Out Records)
12 Tracks, 45:26


Der Ire Ultan Conlon spielt auf seinen zwölf Songs immer die akustische Gitarre. Schlagzeug, Lap-Steel und Geige begleiten ihn dabei, und das Ganze klingt unaufdringlich amerikanisch.
mf
DA HANS UND SEINE SAITENREISSER
Sch(m)erzbefreit
dahans.at
(7us Media Group,)
19 Tracks, 67:14


Südsteirische Kleinkunstmusik von Johann Schwarzinger und Angelika Pudmich aus Weinitz bei Graz, mit Gitarre, Klavier und Mundartgesang. Themen quer durchs Leben, mal schlagermäßig, mal bluesig, mal volkstümlich dargebracht.
mas

MELANIE DEKKER
Secret Spot
melaniedekker.com
(Elephant Ears Entertainment)
10 Tracks, 31:35


Die Kanadierin Melanie Dekker schreibt süße bis rockige Popsongs. Erwähnenswert ist, dass auf einigen Songs auf Secret Spot der langjährige Gitarrero des Rockstars Bryan Adams namens Keith Scott in die Saiten greift. Solide eingespieltes Material, bei dem allerdings hier und da die Kanten und der Wiedererkennungswert fehlen.
fk
DR. WOGGLE & THE RADIO
Drop Bombs To Lose
drwoggle.de
(Dr. Woogle/Galileo-MC)
14 Tracks, 51:45


Das Septett aus Mannheim befreit sich peu à peu aus eindeutig klassifizierbaren Musikschubladen und experimentiert sehr gekonnt mit den möglichen Mischformen aus Reggae, Ska, Rocksteady, dezenten Punkeinsprengseln und Anleihen aus den Bereichen Jazz und Easy Listening. Da bekommen Puristen Pickel, und der Kritiker freut sich ein Loch in den Bauch!
wb

Eleanor Dubinsky
Soft Spot Of My Heart
eleanordubinsky.com
(Eigenverlag)
Promo-CD, 10 Tracks, 39:26


Die New Yorker Sängerin hat sich in ihren an Joni Mitchell erinnernden Songs von den sanften Klängen der Musik der Kapverden und Portugals, insbesondere denen von Sara Tavares inspirieren lassen. Das verhilft ihren doch etwas gleichförmigen Liedern zu einer eleganten Stimmung. Aber erst der Schlusstitel überzeugt mit einem gehörigen Schuss Funk.
hjl
EASY OCTOBER
Tangled Up In Black
easyoctober.com
(Adore)
11 Tracks, 48:16


Die besten amerikanischen Roadsongs schreiben immer noch die Schweden. Easy October zum Beispiel komponieren ihre Songs im besten Stil von Jackson Browne und Fleetwood Mac. Leichte Rocknummern, perfekt für Fahrten mit dem Cabrio geeignet, werden mit etwas Folk garniert. Jeder Song ist radiotauglich, ohne in Banalität abzugleiten.
ce

BILL FRISELL
Music Is
billfrisell.com
(Okeh Records/Sony Music)
16 Tracks, 58:46


Die Eminenz der amerikanischen Jazzgitarrenszene präsentiert sich solo. Der unermüdlich schaffende Frisell entzieht sich einmal mehr der Kategorisierung. Ja, was ist denn Musik? Alles, was einem offenen, kreativen Geist zur Gestaltung zur Verfügung steht, und das ist im Falle eines echten musikalischen Kosmopoliten nahezu grenzenlos.
rb
CASE GARRETT
Aurora
casegarrett.com
(Suitcase Records)
Promo-CD, 8 Tracks, 32:16


Hörbar gemächlich scheint das Leben von Case Garrett zu sein, von dem er in seinen Songs erzählt. Zwischendurch erklingt auch die Coverversion eines Stückes von J. J. Cale, der deutlich hörbar Vorbildcharakter für ihn hat.
mf

HORSE FEATHERS
Appreciation
horsefeathersband.com
(Kill Rock Stars CD-KRS-643/H'Art)
10 Tracks, 34:53


Es ist das fünfte Album der vierköpfigen US-Band um Frontmann Justin Ringle aus Oregon. Mit seinen eingängigen Geschichten und seiner warmen Tenorstimme verströmt Ringle eine große Leichtigkeit, von Soul über Americana und Countrypop bis RnB. Die von Violine, Gitarre und Keyboard getragenen Songs sind ideale Begleiter für lange Autofahrten.
ep
KARUSSELL
Erdenwind
karussell-rockband.de
(Monopol Records 941373)
11 Tracks, 40:38


Mit Peter „Cäsar“ Gläser oder dem Song „Als ich fortging“ schrieb die Leipziger Band einst DDR-Musikgeschichte, auch als heimlicher Nachfolger der verbotenen Gruppe Renft. Schnörkellose, liedhaft-rockige Songs über die Themen dieser Welt, vom Geben und Nehmen, vom Woher und Wohin und über ihre Heimatstadt.
rps

NIGEL KENNEDY
Kennedy Meets Gershwin
facebook.com/nigelkennedyofficial
(Warner Classics/Warner, )
10 Tracks, 63:05


Vivaldis Vier Jahreszeiten haben ihn berühmt gemacht und nicht zuletzt sein punkiges Gebaren und Outfit im miefigen Klassikbetrieb. Ein Enfant terrible ist er geblieben. Nun also Gershwin. Aber so haben wir ihn eben auch noch nicht gehört. Gypsy Swing und nackte, fast rohe Aufnahmetechnik. Aufregend ist das, im allerbesten Sinne.
rb
KMET
Smiling Eye
kmet.klingt.org
(Konkord 103)
13 Tracks. 42:03


Wer auf poppige Songs mit Groove und melodischen Hooklines steht, gesungen in englischer Sprache und mit einer Entspanntheit, die eines J. J. Cale würdig wäre, begleitet von einer Gitarre, Bass und Keyboardklängen, wen Allerweltsweisheiten nicht stören, liegt mit diesem vom Österreicher Florian Kmet im Alleingang eingespielten Album richtig.
jus

NITISH KULKARNI
Listen
nitishkulkarni.com
(Eigenverlag)
14 Tracks, 40:34


Was Mussorgskij die „Promenade“ war, ist Kulkarni das Titelstück, das er wahlweise auf Mbira, Oud, Erhu und Theorbe intoniert und so eine inhaltliche Brücke zu den restlichen Kompositionen schlägt. Die sind in ihren besten Momenten nahe an skandinavischem Jazz à la Molvaer, in ihren schlechten aber auch nahe an belanglosem New-Age-Gedengel.
wb
CHEIKH NDIGÜEL LÔ
Né La Thiass
cheikhlomusic.com
(World Circuit Records WCV046/Indigo,)
Vinyl, 7 Tracks, 35:40, incl. Download 9 Tracks, 46:29


Die erste Version des Debütalbums Lôs wurde 1995 auf Kassette veröffentlicht, ein Jahr später für den Weltmarkt auch auf CD, und nun, wieder produziert von Youssou N’Dour, gekürzt auf sieben Stücke als 180g-Vinyl. Klanglich unterscheiden sich die angebotenen Fassungen nicht von der CD. Ein Highlight für alle Fans afrikanischer Musik, in welcher Fassung auch immer.
cs

LUCKY BONES
Matchstick Men
luckybonesmusic.com
(Lucky Bones Promotions LBCD005)
8 Tracks, 34:18


Ein weiterer talentierter Musiker aus dem unerschöpflichen Reservoir irischer Singer/Songwriter. Als Lucky Bones präsentiert Eamonn O'Connor einen rockigen Sound mit viel Gefühl, der immer wieder die Einflüsse der Waterboys oder von Ryan Adams erkennen lässt. An den US-Musiker erinnert er auch in seinen melancholischen Texten über das Auf und Ab in Beziehungen.
ep
MUIRSHEEN DURKIN AND FRIENDS
11 Pints & 3 Shots
muirsheen-durkin.de
(Eigenverlag)
14 Tracks, 45:36


Feuchtfröhlicher Irish & Scottish Folk aus Arnsberg im Sauerland. Die elfköpfige Band (plus neun Freunde) ist mitreißend wie die Pogues, melodischer als manche Punkfolkband, aber auch klischeefördernd bis zum Gehtnichtmehr. Ideale Pub- und Partymusik!
mas

STEPHANIE NEIGEL
In Sachen Du
stephanieneigel.de
(O-Tone/Soulfood)
Promo-CD, 12 Tracks, 51:12


Mit einem Song, welcher Suzanne Vega zur Ehre gereichen würde, beginnt Stephanie Neigel ihr Album. Eine fetzige Soulnummer folgt, und so hangelt sich die ausdrucksstarke Sängerin durch die verschiedensten Varianten der Popmusik. Da wird jeder Song für sich zum kleinen Kunstwerk, auch wenn das Gesamtwerk zerrissen klingt.
ce
OPAL OCEAN
Lost Fables
opalocean.com.au
(Flowfish Music/Broken Silence)
11 Tracks, 42:19


Zwei neuseeländische Heavy-Metal-Gitarristen haben dem Strom abgeschworen. Nun wird unplugged gerockt, was das Zeug hält. Das erinnert bisweilen an die rohe, expressive Energie des mexikanischen Duos Rodrigo y Gabriela. Feurige Latin-Akustik-Gitarrengewitter, Gypsy Kings auf Speed.
rb

ERWIN R.
Anaseits
erwin-r.com
(Eiffelbaum Records EBOO65)
14 Track, 43:27


Austropop, ein Rückschlag für die Musik Österreichs. Während deutsche Kollegen abrockten, drifteten Ösis mit der Freiheit des Rockinstrumentariums in Schlagersentimentalitäten ab. Neuer Beleg: Erwin R. zeigt plakativ die Fender-Gitarre auf dem Cover, doch dann folgen Musik im Popmodus und weinerlicher Dialektgesang mit Texten auf Schlagerniveau.
jus
JULIAN SAS
Feelin' Alive
juliansas.com
(Cavalier Recordings)
9 Tracks, 51:08


Kompakter Gitarrensound prägt dieses Blues-Livealbum des Niederländers Julian Sas und seiner Band. Aufgenommen wurde die Produktion – die insgesamt achte neben DVDs und Studio-CDs – während seiner „Coming-Home“-Tour im Jahr 2016.
asz

SHANTI POWA
Til Insanity
shantipowa.com
(Shanti Powa Records/Galileo-MC)
14 Tracks, 65:03


Ein sehr heterogenes Werk. Das zwölfköpfige Musikkollektiv aus Norditalien lotet alle Bereiche und Stile der Black Music aus, von Rap bis Reggae, von RnB bis Soul. Der Münchener Toningenieur Philip Winter leistete feine Aufnahmearbeit (nicht einfach bei zwölf Personen) und steuerte zum Schluss noch zwei Dubremixe unter seinem Pseudonym Umberto Echo bei.
wb
MARC SINAN, OGUZ BÜYÜKBERBER
White
marcsinan.com
oguzbuyukberber.com
(ECM Records/ECM 2558)
10 Tracks, 40:20


Die Kompositionen des deutsch-türkisch-armenischen Gitarristen und des türkischen Klarinettisten haben alle einen revolutionären Anspruch. Allein fünf von ihnen dekonstruieren Lieder armenischer Kriegsgefangener. Wer expressive und atonale Musik mit dezenter Elektronikverstärkung liebt, ist mit diesem Album gut bedient.
ink

JARLE SKAVHELLEN
The Ghost In Your Smile
jarleskavhellen.com
(Nettwerk 067003114929/Warner,)
10 Tracks, 32:45


Der norwegische Alternative-Folk-Musiker löst bereits in den ersten Sekunden einen Kaufreiz beim Hörer aus. Das ist auch notwendig, denn dem alles überragenden Titeltrack folgen gute, aber durchschnittliche Folkballaden, die nicht nur wegen der Klangfarbe des Künstlers an die Balladen von R.E.M. Erinnern.
ce
ADAM JAMES SORENSEN
Dust Cloud Refrain
(Continental Song City CSCCD1150/ H’Art)
9 Tracks, 36:13


Wieder einer, der sich auf Woody beruft, inklusive Dust-Bowl- und Steamtrain-Romantik. Sehr angenehme Stimme, tolle Instrumentierung mit Dobro-, Cello- und Pianofarbtupfern und eingängigen Melodien, denen leider die ein oder andere prägnante Hookline abgeht. Schöne Songs, die man schnell wieder vergessen hat. Schade.
uj

RALPH VALENTEANO
Devachan
valenteano.com
(Zeitart Records – Art Orient Records AOCD0003/Membran)
CD 1: 13 Tracks, 56:43, CD 2: Tracks, 68:07


Die Sprache ist sein Metier. Auf seinem Doppelalbum weiß der etablierte Musiker allerdings auch musikalisch zu überzeugen, vor allem mit seinen Instrumentalstücken. Valenteano vereint unterschiedlichste Stilrichtungen mit herausragenden Musikern wie Dominic Miller. Besonders überzeugend seine deutschen Versionen der Sting-Songs „Shape Of My Heart“ und „Lullaby To An Anxious Child“.
ep
VERONIKA'S NDIIGO
Fly
veronika.stalder.ch
(NRW Records, Promo-CD)
11 Tracks, 47:40


Das dritte Album der Schweizer Singer/Songwriterin Veronika Stalder entfernt sich weiter vom Jazz, die einschmeichelnden Melodien sind noch eingängiger. Ihre wundervolle Stimme weckt Assoziationen zur jungen Joni Mitchell. Mit dem aus dem Senegal stammenden Koravirtuosen und Sänger Prince Moussa Cissokho kreiert das Quintett feinen Worldpop.
rs

Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (jus), Ines Körver (ink), Ferdinand Kraemer (fk), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Erik Prochnow (ep), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Annie Sziegoleit (asz)




Bücher
 ANDREAS LEUSINK [Hrsg.]: Gundermann : Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse...  Poesiealbum 338 : Gerhard Gundermann.
ANDREAS LEUSINK [Hrsg.]
Gundermann : Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse...
christoph-links-verlag.de
(Berlin : Links-Verl., 2018. – 184 S. : mit zahlr. Farb- u. s/w-Fotos)
ISBN 978-3-96289-011-7 , 20,00 EUR


Poesiealbum 338
Gerhard Gundermann.
maerkischerverlag.de
(Wilhelmshorst : Märkischer Verl., 2018. – 32 S. : mit Grafiken)
ISBN 978-3-943-708-38-7 , 5,00 EUR


Beide Publikationen erschienen anlässlich des zwanzigsten Todestages Gundermanns und der Premiere des Spielfilms. Das Lesebuch von Andreas Leusink vereint unterschiedliche Artikel, Briefe, Interviews, Erinnerungen und Dokumente von Weggefährten des Liedrockpoeten und von den Dreharbeiten zum Film. Ingo „Hugo“ Dietrich berichtet über die Zeit mit dem Liedtheater Brigade Feuerstein. Lutz Kerschowski, der neben Gundermann auch mit Rio Reiser eng befreundet war, schreibt über Aufbrüche im Ostrock und intensive Momente in der Zusammenarbeit mit Gundi. Tina Powileit und Mario Ferraro äußern sich über die Jahre mit der Seilschaft. Einblicke in die Arbeit am Film gewährt Drehbuchautorin Laila Stieler, und Hauptdarsteller Alexander Scheer bekennt: „So eine Rolle kriegst du kein zweites Mal.“ Regisseur Andreas Dresen kritisiert Filme über die DDR, wie Das Leben der Anderen, und stellt fest, „dass man von denen, die im Osten gelebt haben, erwartet, sie sollten sich gefälligst für ihre Biografie entschuldigen“. Oder sagt: „Meine Erfahrung mit diesem System ist aber eine völlig andere.“ Komplettiert wird das Buch durch reichlich Fotos von den Dreharbeiten und aus dem Film sowie aus dem Leben Gundermanns.
Das Poesiealbum ist eine beliebte Lyrikreihe aus der DDR, die seit über fünfzig Jahren erscheint und in Nummer 338 nun eine repräsentative Auswahl der besten Liedtexte Gerhard Gundermanns veröffentlicht.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer
 ECKHARD JOHN: Brüder, zur Sonne, zur Freiheit : d. unerhörte Geschichte eines Revolutionsliedes.
ECKHARD JOHN
Brüder, zur Sonne, zur Freiheit : d. unerhörte Geschichte eines Revolutionsliedes.
christoph-links-verlag.de
(Berlin : Links, 2018. – 208 S.: mit Abb. u. Notenbeisp. + CD)
ISBN 978-3-96289-016-2 , 15,00 EUR


Hermann Scherchen ist manch einem als engagierter und couragierter Dirigent und Förderer moderner Musik ein Begriff. Dass er aber auch eines der bekanntesten und zugleich vergessenen Arbeiterlieder nach Deutschland gebracht hat, ist weniger bekannt. „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“, ein Lied, dessen Rezeptionsgeschichte exemplarisch für den Gebrauch und Missbrauch populärer politischer Lieder steht und auch für ihre Bedeutungswandel im Lauf der Zeiten. Hermann Scherchen hatte als Kriegsgefangener in Russland die Revolution miterlebt und kam 1918 mit zwei Liedern von dort zurück, für die er Texte auf Deutsch schrieb und deren Melodien er – fast unverändert – aufschrieb. Diese Lieder wurden 1920 erstmalig aufgeführt, von einem Chor, den Scherchen dirigierte. Die Lieder, der „Trauermarsch der Revolutionäre“ und das zunächst als „Russischer Rotgardistenmarsch“ betitelte „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“, wurden schnell in der Arbeiterbewegung populär. Da der Text trotz des markigen Titels „Rotgardistenmarsch“ eher etwas vage gehalten ist, gab es früh die ersten Umdichtungen. Eckhard John versteht es, sowohl Entstehungsgeschichte als auch Wirkungsgeschichte des berühmten Liedes nachzuzeichnen – seine internationale Verbreitung, aber auch die Tragik der Übernahme des Liedes durch die Nazis in die eigenen Liederbücher, nicht nur von Umdichtungen, nein, auch des Originaltextes. In der DDR bekam das Lied, wie auch der Trauermarsch, einen zutiefst staatstragenden Charakter. Eine CD mit neunzehn vor allem historischen Aufnahmen ergänzt den Informationsgehalt des aufschlussreichen Textes.
Rainer Katlewski

 THOMAS BROOMAN: My Festival Romance.
THOMAS BROOMAN
My Festival Romance.
tangentbooks.co.uk
(Bristol : Tangent Books, 2017. – 382 S. : mit Fotos)
ISBN 978-1-910089-58-3 , 12,00 GBP


Wenn man zu den Erfindern der legendären WOMAD-Festivals gehört („World of Music, Arts and Dance“), dann reicht es wahrscheinlich nicht aus, lediglich ein Musikenthusiast zu sein. Es sollte zusätzlich eine gewisse Obsession hinzukommen. Thomas Brooman erfüllt diese Voraussetzungen spielend. Aber reicht das bereits für eine Autobiografie? Als Jahrgang 1954 kam er gerade rechtzeitig für Beatles und Simon & Garfunkel. Ein paar (nicht gerade glückliche) Jahre in Buenos Aires, weil des Vaters Job es erforderte, öffneten das Ohr für lateinamerikanische Klänge und besonders deren Rhythmen. Schnell kam das Bedürfnis nach Livemusik (als 13-Jähriger in Bristol zu Jimi Hendrix!) und das Interesse an Festivals (1969, Bath Festival of Blues). Es folgten ein Englischstudium in Oxford, Jahre als Drummer in diversen Rock- und Punkbands und die Gründung des Labels Bristol Recorder. All das erzählt Brooman in einem amüsanten und teils amüsierten Ton, bevor es dann um die Vorbereitung des ersten WOMAD-Festivals 1982 in Shepton Mallet geht und die Rolle, die Peter Gabriel dabei spielte. Was folgt, sind rund 270 Seiten, die Broomans 26-jährige WOMAD-Karriere behandeln: die unterschiedlichen und ungewöhnlichen Veranstaltungsorte weltweit und die Logistik, die immer wieder neu geschaffen werden musste, die internationalen Künstler und ihre Eigenarten, teils haarsträubende Erlebnisse – und ein unfassbares Land namens Finnland. Interessantes Nebendetail im Zusammenhang mit der Änderung des Folker-Untertitels: Brooman zählt auch zu den Erfindern des Marketingbegriffs „World Music“, den er aber ziemlich schnell als eine ungenaue, lieblose XXL-Schublade empfand und am liebsten wieder abgeschafft hätte. Brooman schreibt locker, flockig, unterhaltsam, aber faktenreich. Dennoch ist der Tenor immer persönlich, obwohl sich das Buch weitestgehend aus dem nichtmusikalischen Leben des Autors raushält. Das ändert sich lediglich gegen Ende, als er auf seinen kaum begründeten Rauswurf aus der Organisation 2008 zu sprechen kommt, Anlass für einige sehr persönliche Reflexionen und die Erkenntnis, dass der Rauswurf retrospektiv wohl doch eher ein Segen war. Für Musikliebhaber jedweden Genres durchaus so was wie eine Ferienpflichtlektüre.
Mike Kamp
 MANFRED MILLER: Um Blues und Groove : Afroamerikan. Musik im 20. Jh.
MANFRED MILLER
Um Blues und Groove : Afroamerikan. Musik im 20. Jh.
heupferd-musik.de
(Dreieich : Heupferd Musik-Verl., 2017. – 451 S. – (Song-Bücherei))
ISBN 978-3-923445-18-9 , 34,00 EUR


Eine Warnung vorweg: Dieses Buch ist nicht kurzweilig. Es ist kein Roman, ist nicht einfach zu lesen, und der Autor schlägt mitunter große Bögen, um seine Ansichten und Thesen zu begründen. Folgt man ihm jedoch bei den Erklärungsversuchen dessen, was Groove, Swing und eben Blues definiert, dann ist es ein ganz wunderbares und erleuchtendes Werk. Manfred Miller war viele Jahre lang Jazzredakteur bei Radio Bremen, dem NDR, Südwestfunk und Süddeutschen Rundfunk. Der Mitbegründer des Bluesfestivals in Lahnstein ist selbst praktizierender Musiker. Somit weiß er ganz genau, dass die rein analytische Erklärung, also die exakte Notation von Groove und Swing nicht funktionieren kann. Denn Groove und Swing sind das Gegenteil von Exaktheit, Metrik, Zählzeit. Hier setzt er an, gibt Beispiele und Herleitungen, die bis in die Antike reichen. Er stellt den Zauber (bzw. die Wirkung) der Musik, die wir (fälschlicherweise?) Blues nennen, in einen universellen, umfassenden soziokulturellen Zusammenhang. Dabei schöpft er aus seinem enormen Fundus an Erfahrung aus den Begegnungen und Gesprächen mit Musikern über die Jahrzehnte, die er immer wieder als kurze Zitate oder Textpassagen einfließen lässt. Songtexte werden treffend übersetzt, ihre Inhalte interpretiert. Es empfiehlt sich, dieses Buch langsam zu lesen, immer wieder kurze Abschnitte, vielleicht auch einmal ein ganzes Kapitel. Und dann: Selbst nachdenken, die zitierte Musik hören, und schon öffnet sich Raum für neue Sichtweisen.
Achim Hennes

DVD/Filme
 LEO BUD WELCH: Late Blossom Blues – Die unglaubliche Geschichte des Leo Bud Welch
LEO BUD WELCH
Late Blossom Blues – Die unglaubliche Geschichte des Leo Bud Welch
(Hoanzl), DVD, mit dt. Infos


Der Blues in seiner Urform war einst so vielfältig wie kaum ein anderes traditionelles Genre. Davon ist hier leider nichts mehr zu spüren. Es wird der kürzlich verstorbene Leo Bud Welch aus Mississippi porträtiert. Bei allem Respekt vor diesem Leben, welches so viele arme Menschen in den Südstaaten hatten und haben, kann man Welch trotzdem nicht beim Musizieren zuhören. Er röchelt ins Mikrofon, spielt seine „drei“ Licks auf einer notorisch verstimmten Gitarre. Sein Repertoire besteht weitgehend aus bekannten Blueshits und Phrasen. Von den Ursprüngen des Blues ist das alles weit entfernt, und der Mann hätte unter Musikern wie Muddy Waters, Lightnin’ Hopkins oder John Lee Hooker (auf welche er sich bezieht) keinen Song überstanden. Das gerät hier vor lauter Bluesromantik in Vergessenheit. Bluesfans seien die Filme von Les Blank oder The Land Where The Blues Began (Alan Lomax) und Out Of The Blacks Into The Blues (Robert Manthoulis) ans Herz gelegt. Visuell nicht so brillant produziert, aber dafür voller großartiger Musik. Es ist nahezu würdelos, Leute wie Welch auf eine Bühne zu setzen, um dann zu behaupten, noch eine Blueslegende entdeckt zu haben.
Ferdinand Kraemer



Besondere
HAZELIUS HEDIN
Jorland
hazeliushedin.com
(Gammalthea), mit engl. Infos


Kurz nach seiner Januar-Tournee in Deutschland, bei der ein Konzert von Deutschlandfunk Kultur aufgezeichnet wurde, veröffentlichte das schwedische Duo im April sein drittes, sehr umfangreiches Album Jorland (Spieldauer: 65:20). Für ihr erstes Werk Om Du Ville Människa Heta von 2011 waren die beiden bei der Manifestgala 2012 als beste Folkgruppe des Jahres ausgezeichnet worden. Als Musiker oder Produzenten sind sie neben ihren eigenen Gruppen an unzähligen Projekten anderer Musiker beteiligt. Hedin gründete 1996 das innovative Trio Bazar Blå und das Folk-Barock-Ensemble Silfver. Hazelius spielte in der Band von Sofia Karlsson und ist Mitglied der schwedischen Irish-Folk-Bands Quilty  HAZELIUS HEDIN: Jorland  und Eitre. Das Zusammenspiel von Esbjörn Hazelius (Cittern, Fiddle, Gitarre, Flöte) und Johan Hedin (Nyckelharpa, Mandoline) ist eigentlich schon auf überirdischem Niveau, wie das schwedische Musikmagazin Lira schreibt, steigert sich aber dennoch von Jahr zu Jahr, vergleichbar mit kleinen Formationen in der klassischen Musik. Zusammen mit Hazeliusʼ warmer Baritonstimme nähern sie sich dem perfekten Klang, den große Musiker anstreben. Die Bedeutung des Texts scheint dabei nicht mehr so wichtig zu sein. Bei einigen Stücken ist aber das genaue Gegenteil der Fall, wie etwa bei „Emigrantens Farväl“ über die schwedischen Emigranten Mitte des 19. Jahrhunderts oder dem „Göingasaung“, einem von Christer Lundh vertonten Gedicht von Olle Bernhoff im Dialekt der Grenzregion zwischen Småland und Skåne von 1950, als man nach einem besseren Leben strebte, sowohl materiell als auch geistig. Oder auch „Sven-Erik Lundin“, das mit einem neuen Text zu Paul Bradys „Arthur McBride“ versehen ist und Hazeliusʼ Liebe zum irischen Folk offenbart. Die Auswahl der Stücke zeigt, wie sehr das Duo mit den Traditionen verbunden ist. Auch die eigenen Kompositionen verleugnen diese nicht, und so klingt das Album mit einer altmodischen Melodie, dem „Bärentanz“ aus.
Bernd Künzer
VICTORIA HANNA
Victoria Hanna
(Greedy for Best Music), mit hebr. u. engl. Texten


In Jerusalem in eine orthodox-chassidische Familie geboren, der Vater ein Rabbiner aus Ägypten, die Mutter aus Persien, musste Victoria Hanna, um ihre Familie zu schützen, den Namen wechseln und benannte sich der Einfachheit halber nach ihren beiden Großmüttern. Zum einen, um den unorthodoxen Weg eines Ausstiegs aus dem beengenden Familienerbe zu versuchen. Zum anderen jedoch auch, um ihrer in die Wiege gelegten Spiritualität treu zu bleiben, nämlich religiöse Gebete und Texte, selbstverständlich in hebräischer Sprache, als Basis ihrer recht unkonventionellen Lieder zu wählen. Während ihre eigenen Eltern aus religiösen Gründen noch niemals eines der Konzerte ihrer Tochter besucht hatten (da die Singstimme einer Frau auf Männer möglicherweise verführerisch wirkt, gilt sie als  VICTORIA HANNA: Victoria Hanna „unrein“), waren die Besucher des Rudolstädter Festivals 2008 gewissermaßen in einer privilegierteren Position. Gelten die das Album einleitenden „Hoshana Aleph Bet“ sowie „Esrim U-Shtaim Otiyoth“ bereits seit einigen Jahren gewissermaßen als Geheimtipp dieser charismatischen Sängerin, so mag der Titel „Shekhakhoreth“, das fünfte, in fünf Gespräche (dibbur) und Stimmen (kol) aufgeteilte Lied der CD, als Prototyp ihres Gesamtschaffens aufgefasst werden. „Mein Verlangen ist es, eine perfekte Prinzessin zu sein: Seht mich nicht an, denn ich bin geschwärzt, gebräunt hat mich die Sonne; schwarz bin ich, doch anmutig …“, ein Zitat aus dem Hohelied, Verse 5-6 – auch wenn hier zumindest für die zweite Hälfte des Liedes die Angabe des Komponisten, namentlich des in Warschau gebürtigen Emanuel Amiran-Pougatchov (1909-1993), übersehen wurde. Es mag bezeichnend sein, dass Victoria Hanna erst nach über fünfzehn Jahren öffentlicher Auftritte ihr erstes Album herausbringt, eine nachweisbare Dokumentation sollte bis dato einfach vermieden werden. Letztendlich aber erkämpfte sie sich ihren Zugang zur Welt außerhalb der Religion, obschon die jüdisch-orthodoxe Tradition nach wie vor die Basis der Inspiration zu ihrem Schaffen bildet. Dass ihre Stimme durchweg gegenwärtig blieb, nach wie vor eigentlich etwas Verbotenes, lässt für sie den Gedanken an eine Sünde bis heute mitspielen.
Matti Goldschmidt

YIDDISH GLORY
The Lost Songs Of World War II
(Six Degrees Records), mit russ. u. engl. Texten u. Infos


Mitten in den Wirren des Zweiten Weltkrieges entdeckte eine Gruppe von Wissenschaftlern um den Ethnomusikologen Moisei Beregovsky (1892-1961) eine Sammlung von Liedern, verfasst von jüdischen Soldaten der Roten Armee, Flüchtlingen oder Überlebenden der von den Nazis eingerichteten jüdischen Gettos in der Ukraine. Im Zuge der von Stalin initiierten antijüdischen Säuberungsaktionen um 1950 wurden die Arbeiten allerdings konfisziert und unmarkiert in der Wernadskyj-Nationalbibliothek in Kiew hinterlegt, während die Wissenschaftler im Gulag „verschwanden“. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der Neunziger wurden die Unterlagen wiederentdeckt und archiviert. Darauf stieß etwa eine Dekade später, eher zufällig, die in Toronto beheimatete Professorin für  YIDDISH GLORY: The Lost Songs Of World War II jiddische Sprache, Anna Shternshis, und führte sie einer wissenschaftlich Behandlung zu, indem sie die brüchig gewordenen, teils handschriftlichen, teils getippten Dokumente konservierte. Bei den Texten handelt es sich meist um Augenzeugenberichte aus erster Hand von Gewaltverbrechen der Deutschen an den Juden. Es geht um den Kampf gegen den Faschismus, und sie sprechen nicht nur von reiner Verzweiflung, sondern auch über Hoffnung, Widerstand oder Rache. Der Musiker Psoi Galaktionowitsch Korolenko analysierte schließlich die Texte, um zusammen mit dem Violinisten des Trios Loyko, Sergey Erdenko, die passenden Melodien zu finden. Mit einer Anzahl von weiteren klassisch ausgebildeten Musikern wie Artur Gorbenko (p, v), Mikhail Savichev (g), Alexander Sevastion (acc), Shalom Bard (cl) und David Buchbinder (tr) sowie den Sängerinnen Sophie Milman und Sasha Lurje konnte nach drei Jahren intensiver Arbeit das vorliegende Album veröffentlich werden. Wenn eine 28-jährige Schneiderin an ihren Ehemann an der Front schreibt: „Bring sie alle um, bis der Letzte tot ist. Nicht ein einziger Deutscher soll zurückkehren. Erst dann werden wir wieder frei leben können.“ – dann hört die Öffentlichkeit zum ersten Mal die Stimmen der sowjetischen Juden (parallel zu einem umfangreichen und vorbildlichen Beilageblatt), die letztlich auch durch die Schergen unter Hitler und Stalin nicht zum Schweigen gebracht werden konnten.
Matti Goldschmidt



Deutschland
 AUGUSTIN: Colors
AUGUSTIN
Colors
(Motor)


Manchmal kann man sein Glück kaum fassen. Zum Beispiel, wenn man seine neue Lieblings-Indiefolk-Band entdeckt und merkt, dass sie nicht aus Austin oder Sydney stammt, sondern aus dem Chiemgau. Wunderschöne Songs, mal gesungen von Gastsängerin Jana Iris, mal von Frontmann und Komponist Michael Regner, berühren direkt das Herz des Hörers. Da spielen Augustin mit Leichtigkeit Musiker wie Frank Turner oder Of Monsters and Men an die Wand, produzieren Soundtracks zu deutschen Kunstfilmen (303), leihen sich Songideen von McCartney und reformieren nebenbei noch die Irish-Folk-Szene. Die Songs sind luftig leicht, die Kompositionen intelligent und fordern gleichzeitig zum Mitsingen auf. Colors, das dritte Album der Band, enthält zwölf grundverschiedene Songs, und jeder einzelne ist dazu geeignet, persönlicher Favorit zu werden. Augustin wären Stars, kämen sie aus England oder Island. Dank Majorlabel klappt es vielleicht auch mit bayerischem Hintergrund. Kommerziell bedienen Augustin jedenfalls eine hochinteressante Klientel, zum Beispiel Besucher von Veranstaltungen wie Haldern Pop oder Reeperbahn-Festival. Drücken wir den Chiemgauern die Daumen.
Chris Elstrodt
 BOBO + HERZFELD: Blick in den Strom
BOBO + HERZFELD
Blick in den Strom
(Traumton Records), mit Texten


„Hoch auf dem gelben Wagen“. Jüngere werden das Lied oft nicht mehr kennen (und verstehen), Ältere schmettern es im Geiste vielleicht noch mit Walter Scheel mit. Als der das Lied im Westen populär machte, waren die Sängerin Christiane „Bobolina“ Hebold alias Bobo und der Musiker und Komponist Sebastian Herzfeld aus Halle/Saale noch sehr jung und weit weg. Sie präsentieren mit dem Akkordeonisten Yegor Zabélov aus Belarus heute eine ganz andere, moderne Version dieses „Volksliedes“ und mehrerer romantischer Gedichte. Es ist die dritte Produktion dieser Art der beiden (Lieder von Liebe und Tod, 2008, Liederseelen, 2013) und sie besticht wieder durch ihren völlig eigenen Ton. Bobo singt mit ihrer glockenklaren Stimme, wispert geheimnisvoll oder summt und die Musik liefert Sphärenklänge dazu, auch rhythmische Passagen, drängt sich aber nie in den Vordergrund, sondern unterstützt die Sängerin. Trotzdem muss man sich in die Texte reinhören, ein ungewohnter Stil eben. Goethe, von Eichendorff, Nikolaus Lenau, Friedrich Halm, Rilke und auch Dichter, die heute nicht mehr Allgemeingut sind, werden so neu interpretiert und vielleicht einem jüngeren Publikum wieder nähergebracht.
Rainer Katlewski

 EVA CROISSANT: Einfach du Sein
EVA CROISSANT
Einfach du Sein
(Eigenverlag), mit dt. Texten und Infos


Eigentlich gehört dieses Album nicht in den Folker, denn Eva Croissant, manchen vielleicht noch aus The Voice of Germany bekannt, spielt lupenreinen Pop im Stil von Bands wie Silbermond. Und dennoch, wenn man Folker-relevanten Musikerinnen wie Dota oder Alin Coen lauscht, wäre dort das Label Pop nicht ebenfalls angebracht? Der Grat zwischen Folk, Singer/Songwriter und Pop ist schmal geworden, erst recht, wenn Künstler ihre Eigenkompositionen mit akustischer Gitarre begleiten. Die Zeiten, in denen Liedermacher nur auf politischen Festivals, Straßenmusiker nur auf der Straße und Popstars in der Hitparade zu finden waren, sind vorbei. Und so sind Künstlerinnen wie Eva Croissant vielleicht Prototypen einer neuen Denkweise. Musikalisch ist es Popmusik, na und? Es sind Lieder, die von Herzen kommen, es ist genau die Art von Musik, für die die Künstlerin einsteht und die sie grundsympathisch alternativ angehaucht gestaltet. Sie präsentiert ihr Album im Baumhaus, gibt Konzerte in Wohnzimmern, unterstützt durch CD-Verkäufe ein Baumpflanzprojekt und finanziert ihre CD selbst. Das Label Folk ist durchlässig geworden und wir können Künstlern wie Eva Croissant nicht genug dafür danken. Eigentlich gehört gerade diese CD in den Folker.
Chris Elstrodt
 JOYOSA: Un Milagro
JOYOSA
Un Milagro
(Eigenverlag), mit Texten u. dt. Infos


Seit 2015 gibt es Joyosa. Auf altspanisch heißt das „freudig“. Dirk Kilian, Silke Marquardt (Gesang, Percussion, Tanz) und der Percussionist Reza Samani erwecken un milagro („ein Wunder“) zum Leben. Es geht um die Musik des mittelalterlichen Al-Andalus, wo verschiedene Religionen über Jahrhunderte weitgehend friedlich zusammenlebten. Der Kultur- und Wissenschaftsaustausch funktionierte zwischen Christen, Mauren und Juden. Zu hören ist christliche Musik aus den Cantigas de Santa Maria (13. Jh.) und dem Libre Vermell de Montserrat (14. Jh.), sephardische Romanzen und Eigenkompositionen im arabisch-andalusischen Stil. Der Multiinstrumentalist Dirk Kilian spielt die Melodien und Rhythmen auf Nyckelharpa, Gaita, Schäferpfeife, Oud, Ney, Duduk, griechischer Laute und Citole. Aufgrund der dürftigen Quellenlage (Texte und nur teilweise Noten aus dem 8. bis 15. Jh.; christliche Stücke in Mensuralnotation; zum Teil nur mündliche Überlieferung) ist das Album eine gelungene Mischung aus Rekonstruktion und Interpretation.
Piet Pollack

 DIRK MAASSEN: Avalanche
DIRK MAASSEN
Avalanche
(Maassen Music)


Der preisgekrönte und im Internet millionenfach gestreamte deutsche Pianist geht neue Wege. Bislang bekannt durch seine einfühlsamen melodischen Solo-Piano-Kompositionen, wird der 48-jährige Musiker nun sinfonischer. Gemeinsam mit dem Komponisten und dem Deutschen Filmorchester Babelsberg hat er ein wunderschönes Album eingespielt. Die zehn abwechslungsreichen Stücke präsentieren nicht nur Maassens typische Art des Klavierspiels. Sie wechseln zwischen meditativen, besinnlichen Klängen, schnellen Rhythmen und Jazzelementen bis hin zu fadoartigen Sequenzen. Dabei dominiert immer das Nachdenkliche. Maassen erzählt Geschichten, die jeden betreffen und sich nicht in Worte kleiden lassen. Von seinem auf Improvisationen basierenden Spiel geht eine Sehnsucht nach tiefergehenden Antworten aus, ein Wunsch nach einer umfassenden, magischen Erfahrung. Mit seiner aktuellen Kombination aus Piano-Minimalismus und sinfonischer Orchestrierung berührt er vom ersten Ton an. Maassens Musik ist wie ein sanfter Klangregen, in dem es wie im Leben mit jedem neuen Hören etwas Neues zu entdecken gibt.
Erik Prochnow
 ALEXANDER SCHEER UND BAND: Gundermann – Die Musik zum Film
ALEXANDER SCHEER UND BAND
Gundermann – Die Musik zum Film
(Buschfunk)


Regisseur Andreas Dresen ließ die Songs für seinen Spielfilm von einer Band, die lange Jahre mit Gisbert zu Knyphausen zusammenarbeitete, neu einspielen. Mit Alexander Scheer, dem Gundermann-Darsteller, am Mikrofon, unterstützt von Anna Unterberger, die im Film Gundis Frau spielt. Die Lieder, mit angenehm rauchiger Stimme vorgetragen, klingen durch ihre modernen Arrangements sowohl vertraut als auch ungewohnt. Dabei dominieren Gitarren, besonders in den herausragenden Titeln „Brigitta“ und „Brunhilde“. Was einige Gundi-Fans sicher vermissen werden, ist das Folkloristische. Es gibt weder Dudelsack noch Tin Whistles. Das fällt besonders beim beliebten „Und musst du weinen“ auf, dem hier die urwüchsige Kraft fehlt. Immerhin ist, wenn auch in nur geringem Maße, Andy Wieczorek, der Saxofonist der Seilschaft beteiligt. An den Gitarren überzeugen Gunnar Ennen und Jens Fricke, am Bass Frenzy Suhr, dazu Sebastian Deufel an Schlagzeug und Flügel. Für Freunde von Gundermanns Musik stellt das Album eine sinnvolle Ergänzung ihrer Sammlung dar. Neulingen kann man die Originalalben empfehlen, die im gleichen Verlag erschienen sind. Zudem ist ein Gundermann-Hörbuch, ebenfalls mit Alexander Scheer, bei Buschfunk geplant. Der Folker wird es nach Erscheinen vorstellen.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 TRADTÖCHTER : Liebeslieder im Rahmen der Möglichkeiten – Neue Geigenmusik
TRADTÖCHTER
Liebeslieder im Rahmen der Möglichkeiten – Neue Geigenmusik
(Eigenverlag), mit Fotos u. dt. Infos


Die TradTöchter – mit großem T mitten im Wort – sind Vivien Zeller (Geige, Gesang), auch bekannt von Bands wie Malbrook oder Kwart, Ruth-Preisträgerin 2005 und 2010, sowie Ursula Suchanek (Quinton, eine Kreuzung von Violine und Viola, und Gesang), Mitglied bei Drei Liter Brandwein, Two on a Park Bench und Slightly in Tune. Das Album ist eine etwa einstündige Mischung aus neun in deutscher und skandinavischer Tradition stehenden Instrumentals und drei deutschsprachigen Liedern. Eigene Kompositionen und Traditionals halten sich in etwa die Waage. Dabei strahlen sowohl Gesang als auch Geigenspiel eine Art trotzige Frechheit aus oder auch Stärke und gesundes Selbstbewusstsein. Sie schämen sich nicht ihrer Sehnsucht nach dem Geliebten, sind aber auch bereit, ihn vor die Tür zu setzen, wenn er untreu war. So umarmen sich moderner Feminismus und traditionelle Musikkultur. Das Geigenspiel ist eher hart und etwas kratzig, gewissermaßen rustikal, was einer Volksmusik nicht schlecht anmutet. Nein, es sind keine lieblich-femininen Feenwesen, die da musizieren, sondern Frauen, die wissen, wo der Hammer hängt.
Michael A. Schmiedel
 Trio ELF & Marco Lobo: The Brazilian Album
Trio ELF & Marco Lobo
The Brazilian Album
(Yellowbird), mit engl. Infos


Das deutsche Jazztrio Elf hat sich schon länger mit dem brasilianischen Percussionisten Marco Lobo zusammengetan und davon profitieren beide Seiten, wie auch von den fünf brasilianischen Gastsängerinnen. Die Qualität des Albums lebt aber vor allem von der Kombination klarer, betörender Melodien mit sehr passenden Jazzimprovisationen abseits von Bossa-Nova-Klischees sowie einigen dezenten Electronica-Einflüssen. Das Trio gerät weder zu einer Begleitband der Sängerinnen noch verdrängt es diese mit seinen Improvisationen. Oft haben die Stücke einen besinnlichen Anfang, dann steigt die Sängerin ein und erst in der Mitte verstärkt sich der Jazzanteil, der allerdings immer dem Stück verhaftet bleibt und nie zur Virtuositätsschau wird. Am Ende vereinen sich dann die musikalischen Linien. Bei einigen Stücken entstehen Steigerungen mit funkigen Beats oder Dub-Effekten. Percussionist Lobo sorgt für eine subliminal wirkende Atmosphäre, die die Rhythmen und Klänge der spirituellen Musik Bahias einbaut. Neben Margareth Menezes sind auf dem Album noch Virginia Rodrigues, Maria Gadú, Marlene De Castro und Jussara Silveira zu hören.
Hans-Jürgen Lenhart

 BURKHARD WEGENER: Es ist ein Flüstern – Burkhard Wegener singt Theodor Storm
BURKHARD WEGENER
Es ist ein Flüstern – Burkhard Wegener singt Theodor Storm
(Eigenverlag), mit Texten


Sich eines norddeutschen Dichters zu erinnern, der vor gut zweihundert Jahren geboren wurde, als der letzte Romantiker gilt, gegen Preußen ebenso wie gegen Dänemark eintrat, schon für Blut und Boden herhalten musste und dessen pädophile Neigungen sich in seinen Werken niederschlugen – also, Gedichte von Theodor Storm zu vertonen, ist schon ungewöhnlich. Dass dies kein Husumer macht, sondern ein Liedermacher aus Essen, ist noch überraschender. Die Gedichte, die Wegener ausgewählt hat, sind stimmungsvoll und von einfacher Klarheit, versetzt mit poetischen Bildern und Codes, und Wegener „tauchte sie in Melodie“. Sie haben kein zu starres Reimschema oder Versmaß, sodass sie sich gut und natürlich zu schnörkelloser Gitarrenbegleitung singen lassen. Naturbilder, Landschaften und die melancholischen Stimmungen dienen als Beschreibung der menschlichen Lebensabschnitte. Diesen Lebenskreislauf vollzieht Wegener in den Liedern nach. Es beginnt in der Nacht mit einem nicht ganz eindeutigen Flüstern, „Morgens“ wird das (noch sehr) junge Mädchen besungen, es geht über den Sommer, den Herbst auf den „Beginn des Endes“ zu. Ein Album für den eher besinnlichen Herbstabend.
Rainer Katlewski



Europa
 CARDBOARD FOX: Topspin
CARDBOARD FOX
Topspin
(Eigenverlag)


Die Zwillingsschwestern Charlotte und Laura Carrivick sind schon seit mehr als zehn Jahren feste Größen in der europäischen Bluegrassszene. Als Carrivick Sisters verzauberten sie ihr Publikum regelmäßig durch ihr instrumentales Können an diversen Instrumenten und ihren perfekten Harmoniegesang. Den Zauber üben die beiden aus dem englischen Devon auch im Quartett Cardboard Fox aus. Dabei stehen ihnen mit Joe Tozer ein Magier an der Mandoline und John Breese eine Groovebank am Kontrabass zur Seite. Gemeinsam spielen sie einen modernen Bluegrass, der auf ausgefeiltes Songwriting und feine Arrangements setzt, was nicht heißt, dass die vier ihre Virtuosität verstecken, sie bleibt aber der Musik dienlich und wird nicht zur Zirkusnummer. Die Stücke bewegen sich zwischen Bluegrass, Pop, Jazz und folkigen Versatzstücken ihrer eigenen Tradition. Bereits der Opener „Empty Skies“ kann Tränen der Rührung freisetzen, ebenso das Instrumental „Nelly“. Dass sie aber nicht ausschließlich auf Schönklang setzen, zeigt „Right Swiper“, das ruppig wie ein New-Wave-Zappler daherkommt, aber ein akustisches Gewand trägt. Dieses zweite Album der Band darf rückhaltlos bejubelt werden.
Volker Dick
 CLANNAD: Turas 1980
CLANNAD
Turas 1980
(MIG Music)


Radio Bremen holt erneut aus: Veröffentlichung eines Livekonzert-Mitschnitts von Clannad aus der Bremer Uni-Mensa von 1980. Das Ensemble gilt als einer der Wegweiser des Irish-Folk-Revivals, zeitgleich agierend mit Planxty und der Bothy Band. Im Gegensatz zu letzteren, von Virtuosität in der Beherrschung der Melodieinstrumente und Rasanz geprägten Formationen, hatte Clannad einen anderen Fokus. Stimmungsvolle mehrstimmige Gesangssätze von gälischen Songs ihrer Heimat Donegal vor dem Hintergrund filigraner, aber grooviger Gitarren/Kontrabass-Arrangements waren das Markenzeichen der Band, die sich damals zwischen gälischer Liedtradition, Acoustic-Jazz-Elementen und einer luftigen, gitarrenlastigen, entfernt an Pentangle erinnernden Klangästhetik bewegte, bevor sie dann später eher in einen Softpop mit irisch-gälischen Wurzeln abdriftete. Das Vermächtnis dieser Band wird ihre entwicklungsfreudige Frühphase sein, die Alben und Crann Ull gehören zu den Kleinoden dieser Zeit. Obwohl live die spielerischen Schwächen der Band sehr viel deutlicher herauskommen als in den polierten Studioproduktionen, kann man doch mit einer gewissen Wehmut noch einmal alle großen Songs genau dieser lang vergangenen Ära hier versammelt hören. Großen Applaus vor allem für Máire Brennans Lead Vocals und für Ciarán Brennans integrativen Bass!
Johannes Schiefner

 DIVERSE: Young Trad Tour 2017
DIVERSE
Young Trad Tour 2017
TMSA
(Traditional Music & Song Association of Scotland), mit engl. Infos


In Schottland vergibt die TMSA seit vielen Jahren in Ausscheidungs- und Finalmanier die Young Trad Awards. Nachher gehen die Sieger gemeinsam mit den meisten Besiegten auf Tour und spielen auch ein Album ein. Die 2017er-Version erschien dieses Jahr und beweist, wenig überraschend, auf welch hohem Niveau die Talente musizieren. Songs und Tunes wechseln sich ab. Das Album, übrigens hervorragend produziert von Anna Massie, zeigt aber auch, dass sich der Nachwuchs keineswegs aus schüchternen Anfängern im Folkgeschäft zusammensetzt. Konzertina-Ass Mohsen Amini etwa spielt in erfolgreichen Bands wie Ímar und hat bereits weitere Awards kassiert. Die gälische Sängerin Kim Carnie hat eine EP produziert und Iona Fyfe tourt mit eigener Band und hat bei den diesjährigen Celtic Connections ihre erste CD vorgestellt. Apropos Fyfe, seit diesem Jahr dürfen sich die deutschen Schottlandfans über eine eigene Young-Trad-Tour freuen, und die Fortsetzung im Februar 2019 steht bereits fest. Mit dabei vom vorliegenden Album u. a. Charlie Stewart (Fiddle) und eben jene Iona Fyfe.
Mike Kamp
 EURASIANS UNITY: Eurasians Unity
EURASIANS UNITY
Eurasians Unity
(Yellowbird/Enja), mit engl. Texten u. Infos


Fünf Sprachen, sieben Länder, acht Musiker – damit bewirbt die Formation um die Saxofonistin Caroline Thon ihren Erstling. Das ist zwar richtig, doch Multikulturalität ist heutzutage wahrlich kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Spannend ist diese CD aber dennoch aus mindestens zwei Gründen. Erstens hat jeder Musiker des Albums hörbar verinnerlicht, dass es auch ein wertvoller Beitrag zur Musik sein kann, einmal ein halbes, dreiviertel oder gar ganzes Stück lang nicht zu spielen (beziehungsweise zu singen) und stattdessen jemand anderen sich entfalten zu lassen. Deutlich wird dies exemplarisch an den sparsam instrumentierten Intros, bei denen unterschiedliche Musiker im Vordergrund stehen. Zweitens hat nahezu jedes Stück – zumindest gefühlt – epische Dimensionen, und man hat keine Garantie, dass die Musiker einen am Schluss wieder dort absetzen, wo sie einen abgeholt haben. Mal ist es abgeklärt, mal lieblich, mal ist es eingängig, mal so schräg oder geräuschig, dass es fast nervt – aber immer bleibt es über stolze 71 Minuten hinweg so interessant, dass man wissen will, wie diese Collage aus Jazz und Ethnoklängen weitergeht.
Ines Körver

 MATTI KALLIO : Waltz For Better Times
MATTI KALLIO
Waltz For Better Times
(Marjatta & Kaisa)


Akkordeonmusik aus Finnland – aber kein finnischer Tango. Matti Kallio ist ein Tipp für alle Akkordeonfans, die mal was Neues entdecken möchten. Der 42-jährige in Island lebende Musiker ist in der Szene etabliert. Als Multiinstrumentalist ist er Mitglied der finnischen Folkband Värttinä, er arbeitete mit Björk und spielte für die finnische Rock/Pop-Band Hector. Als vielseitiger Musiker, Komponist und Produzent ist er an über hundert Alben beteiligt. Mit diesem ersten Soloalbum ist ihm gleich etwas Besonderes gelungen. Sein frisches Spiel auf dem Knopfakkordeon hat eine ganz eigene Stimme und seine Kompositionen haben einen eigenen Stil. Die acht packenden Instrumentalstücke strahlen vor Lebensfreude und tänzerischer Leichtigkeit. Wichtig sind seine musikalischen Partner. Petri Hakala lenkt auf der Gitarre oder Mandoline die Musik schon mal ein bisschen in Richtung amerikanischen Bluegrass oder nahe an irischen Folk. Hannu Rantanen gibt dem mitreißenden Akustiktrio einen geerdeten und rhythmischen Gesamtklang. Die Musik ist exzellent aufgenommen. Das wunderschöne Debütalbum von Matti Kallio bietet Spiel- und Hörfreude von der ersten bis zur letzten Sekunde.
Udo Hinz
 RICHARD KOECHLI & BLUE ROOTS COMPANY: Parcours
RICHARD KOECHLI & BLUE ROOTS COMPANY
Parcours
(Fontastix), mit engl., dt., frz. Texten u. Infos


Solch ein abwechslungsreiches Album gibt es nun wirklich nicht oft. Der Schweizer Gitarrist und Sänger Richard Koechli brilliert hier als Musiker ebenso wie als Songschreiber. Musikalisch werden so gut wie sämtliche Spielarten des Blues geboten, mal elektrisch, mit und ohne Slide, dann wieder auf der akustischen Gitarre und mit schönem Fingerpicking. Und dann auch die Texte – einfühlsam, klug, trotz mancher Schwermut lebensbejahend und immer authentisch singt Richard Koechli auf Englisch, Französisch oder Schwyzerdütsch. „Of em gliche Grond schtah“ ist ein wunderschöner, bedächtiger Slow Blues, mit dem er seinen Eltern ein herzliches Dankeschön sagt. Auch die musikalischen Vorbilder kommen nicht zu kurz. Hier sind in erster Linie zwei Slidegitarristen gemeint. Mit „The Unsung King“ gibt es einen fröhlichen Folkblues, der zu Ehren von Tampa Red geschrieben ist, und „Wing Ding Shuffle“ verwendet als elektrisches Pendant dazu das Riff von Elmore Jamesʼ „Dust My Broom“. Sogar ein irischer Folksong in Begleitung von Violine, Flöte und Uilleann Pipes wird mit „Irish Man“ geboten. Ergänzend zur musikalischen Tiefe bietet die Spielzeit der CD von knapp 80 Minuten viel Raum zur Entfaltung.
Achim Hennes

 MARIZA: Mariza
MARIZA
Mariza
(Warner Music), mit Texten


„Ich brauche ein Wunder, damit mein Herz wieder glücklich wird“, singt Mariza in „Quem Me Dera“. Die weltweit populärste Fadista wurde mit dem Wunder in Form ihrer Stimme beschenkt. Auch Matias Damásio, der angolanische Komponist des Liedes, konnte ihrem Gesang nicht widerstehen. Jedenfalls haben die beiden neben dem Beruflichen auch privat zusammengefunden. Eigentlich ist die Ballade „Quem Me Dera“ kein Fado. Erstaunlich ist, was Mariza aus Poptiteln und Fados altgedienter Größen wie Jorge Fernando herausholt, wie sie die Lieder zu ihren eigenen macht. Einen entscheidenden Anteil trägt auch Produzent Javier Limón mit seinem glasklaren Sound bei. Zusammen mit dem Gitarristen Pedro Jója, José Manuel Neto auf der portugiesischen Gitarre und dem brasilianischen Cellisten Jaques Morelenbaum sorgt er für einen Klang, der immer durchlässig und filigran bleibt. Fazit: Marizas Stimme hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Derjenige des Albums ist „Quem Me Dera“, da bleibt kein Auge trocken.
Martin Steiner
 REG MEUROSS: Reg Meuross
REG MEUROSS
Reg Meuross
(Stockfisch Records), mit engl. Texten


Reg Meuross aus dem englischen County Somerset ist alles andere als ein Neuling. Seit Jahrzehnten ist er als gut beschäftigter Singer/Songwriter unterwegs, hat eine treue Fangemeinde, zählt aber interessanterweise nicht zu den Namen, die ganz oben auf den Festivalplakaten auftauchen. Kein Wunder also, dass er für das deutsche Label Stockfisch eine Art Neuentdeckung war. Stockfisch hat sich mehr und mehr zu einem Spezialisten für anglophile Songwriter entwickelt und entschied sich, Meuross die Neueinspielung von zwölf seiner Songs zu ermöglichen. Damit steht dann auch die klangtechnische Qualität außer Frage, ebenso wie hochklassige, abwechslungsreiche Arrangements.
Aber was ist Meuross für einer? Jemand zwischen dem Interesse an sozialen Fragen wie Eric Bogle und der Poesie eines Allan Taylor vielleicht. Seine „weiche, hohe Stimme“ (Werbetext) gibt politischen Themen wenig Schärfe, als bescheiden wirkender Mensch dürfte er kaum auf Polarisierung aus sein. Deutlich überzeugender klingt Meuross bei persönlichen Songs wie „I Need You“. Ein erfahrener Songschreiber, der auch in Deutschland seine Fans finden wird, wenn er denn hier tourt. Zu wünschen wäre es.
Mike Kamp

 MİZGÎN: Lorîn
MİZGÎN
Lorîn
Müzik
(KOM), mit kurd. Texten, engl. Übers. u. Infos


Wer im kurdischen Hinterland geboren wird und mit zwei Jahren an Polio erkrankt, kann keine rosige Zukunft erwarten, zumal als Mädchen – es sei denn, man nimmt mutig das Schicksal in die eigene Hand. Das hat Mizgîn getan. Sie schlug sich zu ihrer Schwester nach Istanbul durch und nahm 1994 ihre erste Musikkassette auf, die zum Überraschungserfolg wurde. Viele Kurden hatten fortan ihr Poster in den Stuben hängen. Die Folge: Die Polizei hatte Mizgîn auf dem Kieker, verprügelte sie, kerkerte sie ein. Die Sängerin schlug sich mit einem Zehntagesvisum nach Dänemark durch, wo sie nun lebt und dieses abwechslungsreich instrumentierte Album aufgenommen hat, bei dem ihre kraftvolle, bisweilen opernmäßige Stimme manchmal sehr dominiert. Die Liste der Mitmusiker ist lang und teils beeindruckend. So machen etwa die in der Türkei sehr beliebten Kardeş Türküler sowie der Dudukspieler Ertan Tekin mit. Allerdings hätte man gerne genauer gewusst, wer auf welchem Track nun was spielt. Merken sollte man sich den Namen des Saxofonisten Anders Honoré, der drei Stücke extrem geschmackvoll und mit Schwerpunkt auf Streichinstrumenten arrangiert hat.
Ines Körver
 SAWDUST & RUST: Leaving A Memory
SAWDUST & RUST
Leaving A Memory
(Tutl)


Bereits bei den ersten Tönen dieses wundervollen altmodischen Folkrockalbums steigt die gute Laune des Hörers und analog dazu die Lautstärke der Heimanlage. Wer amerikanische Singer/Songwriter in der Spannbreite von Gerry Rafferty, Al Stewart und Tom Petty liebt, wird wohlig ein „Endlich!“ seufzen und die Anlage aufdrehen. Mit einem glasklaren Sound, der den häufigen Einsatz akustischer Instrumente besonders zur Geltung kommen lässt, und ausgesprochen gefälligem, intelligentem Songmaterial, insbesondere bei den ersten Songs, kann sich diese Scheibe mit den Klassikern der Siebziger messen. Zugegeben, gegen Mitte der CD klingt ein Song wie „Hurricane“ eher nach einer schmalzigen Scorpions-Ballade als nach Folkmusik. Wie so oft sind auch hier die begnadeten Americana-Künstler nicht aus Amerika, sondern skandinavischer Provenienz, in diesem Fall der Schwede Patrick Rydman und der Musiker Benjamin Petersen von den Färöern. Beide trafen sich auf Grönland, um ihre arktische Version des Soundtracks für eine Fahrt über den Highway Number One zu schreiben. Bei Noisetrade gibt es die starken ersten Tracks übrigens legal kostenlos.
Chris Elstrodt

 DIE STROTTERN: Waunsd woadsd
DIE STROTTERN
Waunsd woadsd
(Cracked Anegg Records)


Das mit Preisen prämierte Duo genießt in Wien Heimvorteil, und die Szenelieblinge haben sich für diese wunderbare Einspielung mit allseits geschätzten Musikern wie Matthias Loibner an der Drehleier, dem Trompeter Martin Eberle und dem Posaunisten Martin Ptak verstärkt. Jeder der dreizehn Titel wird im Booklet kommentiert, und so kann die Truppe mit Lust an skurrilen Geschichten vollends aufdrehen. Selbst für Dialektunkundige lohnt der Versuch, sich in diese Gegenwelt des Wiener Schmähs hineinzuhören. Belohnt wird er mit der Doppeldeutigkeit des Wiener Humors, auf den sich Die Strottern wie kaum jemand sonst verstehen. Also: „Bleib gesund, denke jeden Tag ans Sterben“, singt Klemens Lendl und lässt daraufhin ein Violinensolo folgen, das die Schwebe hält zwischen Trauer und Jauchzen. Da freut man sich schon auf den Zentralfriedhof.
Harald Justin
 RICCARDO TESI & BANDITALIANA: Argento  MAURIZIO GERI: Perle DʼAppennino
RICCARDO TESI & BANDITALIANA
Argento
(Visage Music)


MAURIZIO GERI
Perle DʼAppennino
(Visage Music), mit Texten


25 Jahre sind sie schon unterwegs, der toskanische Organettovirtuose Riccardo Tesi und seine Banditaliana. Das sind der Gitarrist und Sänger Maurizio Geri, der Saxofonist Claudio Carboni und, seit Rosas, der piemontesische Percussionist Gigi Biolcati. Nicht ganz rechtzeitig zum Jubiläum von 2017 haben die vier ein Album mit all ihren Stärken herausgebracht. Witzige Uptempo-Nummern zwischen Folk und Jazz wechseln sich ab mit wunderschön gesungenen Balladen und gefühlvollen Instrumentalstücken. Wie es sich für einen solchen Anlass gehört, tragen eine Reihe illustrer Gäste zum der Band eigenen Gesamtklang bei, so die Sängerinnen Elena Ledda, Luisa Cottifogli, Lucilla Galeazzi und Ginevra di Marco, der sardische Trompeter Paulo Fresu und Kepa Junkera am baskischen Percussioninstrument Txalaparta, um nur die bekanntesten zu nennen. Müsste der Rezensent unter dreizehn Juwelen zwei Stücke auswählen, würde er „Polvere Di Gesso“ des viel zu früh verstorbenen Bandfreundes Gianmaria Testa und Tesis Tochter gewidmetes Instrumental „Donna Tita“ wählen.
Wer von der warmen Stimme und den Liedern Maurizio Geris nie genug bekommt, sei Perle DʼAppennino ans Herz gelegt. In zehn poetischen Liedern beschreibt der Cantautore das Leben der Menschen und die Landschaften des Appennino Pistoiese. Mit dabei, neben anderen, sind natürlich die Kumpel der Banditaliana.
Martin Steiner

 DAN WALSH & ALISTAIR ANDERSON: Right At Home – Live At Mount Hooley
DAN WALSH & ALISTAIR ANDERSON
Right At Home – Live At Mount Hooley
(White Meadow Records), mit knappen engl. Infos


Zwei Generationen auf einer Hauskonzertbühne, der relativ jüngere Dan Walsh (Banjo, Gitarre, Gesang) und der relativ ältere Alistair Anderson (Konzertina, Northumbrian Pipes). Letzterer ist eine der großen und anerkannten Führungspersönlichkeiten der englischen Szene, der bereits Ende der Sechziger mit den High Level Ranters in Newcastle für Furore sorgte. Beiden Musikern ist gemein, dass sie keine stilistischen Grenzen kennen und das spielen, was ihr Interesse weckt. So auch hier bei dem Hauskonzert vor geschätzten dreißig bis vierzig Leuten, wo die rauen Ecken und die stürmischen Kanten dankenswerterweise nicht rauseditiert wurden. Ziemlich viel Americana für einen Musiker wie Anderson, der in der Musik Northumberlands wurzelt. Könnte man zumindest meinen, aber man genieße einfach mal nur Bela Flecks „Whitewater“, wo sich Banjo und Konzertina hörbar gegenseitig anfeuern. Das ist beiderseitige Spielfreude pur. Die Kombination Banjo und Konzertina mag ungewöhnlich sein, aber hier sind zwei am Werk, die sich was trauen, und das macht Spaß.
Mike Kamp
 LUCY WARD: retty Warnings
LUCY WARD
retty Warnings
(Betty Beetroot Records), mit engl. Texten


Es ist das vierte Album der immer noch ziemlich jungen Lucy Ward aus Derby in England, und sie ist auch ein Dokument ihres kontinuierlichen Reifeprozesses. Das merkt man in erster Linie an dem, was sie ihr Hauptinstrument nennt, am Gesang bzw. an ihrer bemerkenswerten Stimme. Folgende Attribute fallen sofort ein: expressiv, sensitiv, temperamentvoll, dunkel, geheimnisvoll, packend – und das ist nur eine Auswahl. All das war schon immer in ihrem Gesang zu hören. Wie sie jetzt jedoch all diese Facetten punktgenau einsetzt, das hat schon was. Aber auch die Songwriterin ist gereift. Clever, wie sie mit drei eigenen Songs einsteigt und dann mit drei nicht traditionell klingenden Traditionals punktet (großartig „Maria Martin“ in voller Bandbesetzung), um sich mit drei weiteren Eigenkreationen zu verabschieden. Die Band ist kraftvoll und Ward würde gerne häufiger mit ihr auftreten, wenn es denn die Finanzen erlauben würden. Aber eigentlich braucht sie mit Gitarre, Konzertina, Ukulele und besonders ihrem Gesang die Band nicht zwingend. Allerdings, was wäre „Lazy Day“ ohne die swingende Band? Das Stück ist schlicht die beste „Über-30-Grad-Hymne“ seit dem faulen Sonntagnachmittag der Small Faces!
Mike Kamp

Afrika
 TOURÉ KUNDA: Lambi Golo  : Live: Paris – Ziguinchor
TOURÉ KUNDA
Lambi Golo
(Soulbeats Records), mit frz. Infos u. Texten in Wolof, Mandinge, Soninke, Engl. u. Frz.



Live: Paris – Ziguinchor
(Impala Kingdom Records)


Die „Elefanten“ sind wieder zurück! Die senegalesischen (Halb-)Brüder Ismaïla und Sixu Tidiane Touré, beide Jahrgang 1950, wollen es im reifen Dickhäuteralter nochmal wissen („Touré Kunda“ bedeutet in der Soninke-Sprache „Elefantenfamilie“). In den Achtzigern zählten die Tourés (bisweilen durch weitere Brüder verstärkt) zu den Top Acts der Afro-Pop-Szene. Mitte der Siebziger hatten sie ihre Heimatregion Casamance in Richtung Paris verlassen. Mit ihrem sehr eingängigen Mix aus Mbalax, Reggae, Rumba und Pop, dem einschmeichelnden mehrstimmigen Gesang und einer exzellenten Backing-Band begeisterten sie weltweit, bespielten auch große Bühnen. Dann verlor sich der Zauber, es wurde still um das Brüderpaar. Für das Comeback-Album konnten die beiden nun viele Freunde ins Studio lotsen, darunter Manu Dibango, Kiddus I und Lokua Kanza. Das stilistische Konzept hat sich kaum verändert, die neuen Lieder gehen nach wie vor schnell ins Ohr. Gesungen wird in verschiedenen regionalen Sprachen, die Texte preisen Land und Leute. Eine Salsaversion des Megahits „Em’ma“ – mit Carlos Santanas vertrauten Gitarrensoli – fehlt auch nicht. Für den modernen „Anstrich“ sorgte als Koproduzent der renommierte ivorische Jazzdrummer Paco Séry (ex The Zawinul Syndicate).
Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität absolvierten Touré Kunda zum Jahreswechsel 1983/84 eine ausgedehnte Westafrika-Tournee, die sie auch in ihre Heimatstadt Ziguinchor (Hauptstadt der Casamance) führte. Ein Jahr zuvor war der bei einem Auftritt verstorbene älteste Bruder Amadou durch Ousmane Touré ersetzt worden. Das Doppelalbum – nunmehr wiederveröffentlicht – wurde seinerzeit als „eine der besten Live-LPs“ gefeiert.
Roland Schmitt



Nordamerika
 BEN CAPLAN: Old Stock
BEN CAPLAN
Old Stock
(Rhyme & Reason Records), mit engl. Texten u. Infos


Kaum ein Album passt besser in diese Zeit als das furiose neue Werk des kanadischen Folkmusikers. Der aus Halifax stammende Songwriter beschreibt mit einer großen Prise Humor die traurige, sich täglich vor unseren Augen abspielende Reise von Flüchtlingen in ein neues Land. Die Lieder im Stile jüdischer und osteuropäischer Traditionen wurden ursprünglich für das Musiktheater Old Stock: A Refugee Love Story komponiert. Das Stück, in dem Caplan die Hauptrolle spielte, erzählt die wahre Geschichte zweier jüdischer Flüchtlinge aus Rumänien, die 1908 nach Kanada auswanderten. Nach herausragenden Kritiken hat Caplan aus der Musik nun ein Konzertprogramm zusammengestellt. Mit seiner ausdruckstarken Baritonstimme singt der Mann mit dem Rauschebart über Ungerechtigkeit, Leid, Verlust, Liebe, Sexualität und die Suche der Flüchtlinge nach Wahrheit. Begleitet wird er dabei kraftvoll und einfühlsam von Violine, Piano, Akkordeon, Orgel, Klarinette, Schlagzeug und Gitarre. Im Sinne des Albumtitels „Alter Bestand“ will er daran erinnern, dass die Gründergeneration Kanadas selbst Fremde waren und die reiche Nation den Flüchtlingen heute mit mehr Empathie begegnen müsste. Allein deshalb sollten die unter die Haut gehenden Songs unbedingt auch in Europa Gehör finden.
Erik Prochnow
 NEKO CASE: Hell-On
NEKO CASE
Hell-On
(Anti-Records), mit engl. Texten u. Infos


Fünf Jahre nach der letzten Soloplatte liefert Case uns in ihrem gekonnt emotionalen, varianten- und bruchreichen Stil zwischen Folk und subtilem Punkrock einen besonders intensiven Flirt mit Katastrophe, Auslöschung und Ausbeutung. Mit Sätzen zwischen harter Realität und poetischen Bildern umkreist sie allgemeine wie persönliche Zustände und Krisen („Hell On“, „Bad Luck“), ohne jemals zu jammern. Bei ihr hat alles Energie, führt zu Neuem. Ein Unglück, welches sie während der Aufnahmen in Schweden ereilte, schlägt sich nieder (sie erfährt, dass ihr Haus in Kanada abgebrannt ist). Wie in den Texten macht sich das auch in der Covergestaltung (Fotos Marke Eigenbau) bemerkbar. Sie trägt eine Krone aus Zigaretten, ihr Haar brennt. Beteiligt an fast allen Stücken sind viele Kolleg/innen, wie K. D. Lang, Beth Ditto und Laura Veirs oder Langzeitkooperateure wie Kelly Hogan und Mark Lanegan sowie Joey Burns an diversen Instrumenten. Neben den meist dramatischen Klängen hebt sich der Song „Winnie“ in seiner romantischen Art mit Piano und Backgroundgesang ab.
Imke Staats

 CASSIE AND MAGGIE: The Willow Collection
CASSIE AND MAGGIE
The Willow Collection
(Eigenverlag)


Fiddle und Gitarre, viel mehr brauchten die Schwestern Cassie und Maggie aus der kanadischen Provinz Nova Scotia bislang eigentlich nicht. Das kann auch das Publikum des diesjährigen Irish Spring Festivals bestätigen. Ihr Material kommt dem Namen ihrer Provinz entsprechend häufig aus Schottland, aber auch Irland und England, nicht zu vergessen die spannenden Umwege über Bluegrass oder die Appalachian Music. Vorliegende CD ist jedoch etwas Besonderes, denn neun der elf Tracks sind diesmal Songs, die alle ein Thema haben, nämlich den in der traditionellen Musik sehr populären Weidenbaum. Gut recherchiert (da werden die bekannten „Salley Gardens“ in ihrer Version auch mal zu „Down In The Willow Garden“), aber noch besser gesungen. Weil den meisten Stücken ein ansteckender Stampfrhythmus innewohnt, ist die gute Festivallaune schon fast vorprogrammiert. Klingt durchaus modern, und dennoch nimmt man den Schwestern MacDonald die Liebe zur Tradition ohne Widerspruch ab. Das sympathische, komplett recyclebare Cover tut ein Übriges. Großartig!
Mike Kamp
 ELLA JOHN : Games & Borders
ELLA JOHN 
Games & Borders
(Eigenverlag), mit engl. Texten


Seit ihrem letztjährigen Debüt mit dem Minialbum Concert Next Door haben sich Magdalena und Aaron Jacob bei Games & Borders instrumental nicht unbedingt verändert. Alles rankt sich um die beiden – hauptsächlich akustischen – Gitarren, die sie spielen, doch klingt dieses Album verfeinert und stärker durchdacht. Die Songs sind getragen, balladesk und bauen eine starke Stimmung auf. Über allem schwebt der Gesang von Magdalena Jacob, der mehr einem Lautieren gleicht, das sich langsam über die Akkorde hinwegrollt. Die Songs sind reich an Atmosphäre, mit Texten, die introspektiv-entrückt vom Selbst und dessen Abgründen erzählen. Ursprünglich war Ella John ein Soloprojekt der Sängerin, was auf der ersten Veröffentlichung noch zu spüren war, doch mittlerweile haben sich Gesang, Komposition und die Arrangements aufeinander eingespielt und klingen wie aus einem Guss. Die beiden schildern sich als Reisende, die von Ort zu Ort, von Geschichte zu Geschichte treiben, und es steht die Frage im Raum, wohin sie sich noch entwickeln werden? Games & Borders regt zum Träumen an.
Michael Freerix

 Los Texmaniacs: Cruzando Borders
Los Texmaniacs
Cruzando Borders
(Smithsonian Folkways), mit engl. u. span. Texten u. Infos


Wer Tex-Mex-Musik in ihrer urtümlichen Art (ohne E-Gitarre) und wilde Akkordeonpolkas mag, ist hier goldrichtig. Los Texmaniacs bringen es auf den Punkt, was die amerikanisch-mexikanische Grenze trennen will. Hier existiert eine kulturelle Einheit. Entsprechend findet man neben der mexikanischen Conjunto Musik auch Songs von Woody Guthrie – wie sein „Deportee“ oder „Across The Borderline“, das schon Ry Cooder bekannt machte. Bandleader und Bajo-Sexto-Spieler Max Baca war vorher Mitglied bei den legendären Texas Tornados, bei denen mit Doug Sahm und Flaco Jiménez die Urväter der Tex-Mex-Musik spielten. 1997 gründete Baca die Texmaniacs, die nach dem Tod Doug Sahms die Tradition der Tornados fortsetzten. Neben der packenden Tanzmucke hat dieses Album aber auch eine deutliche politische Botschaft. Akkordeonspieler Josh Baca meint dazu, dass es ohne Immigranten gar keine amerikanische Musik geben würde. Er beobachtet aber in der mexikanisch-stämmigen Jugend Amerikas, dass das Bewusstsein des Beitrags mexikanischer Immigranten zur amerikanischen Kultur verloren gehe. Daher müsse seine Band zeigen, dass die mexikanische Musik schon länger in den USA ist, als die Grenzschließer es wahrhaben wollen.
Hans-Jürgen Lenhart
 WYNTON MARSALIS SEPTET: United We Swing – Best Of The Jazz At Lincoln Center Galas
WYNTON MARSALIS SEPTET
United We Swing – Best Of The Jazz At Lincoln Center Galas
(Blue Engine Records), mit Infos


Das Jazz At Lincoln Center ist eine Organisation, die am Sitz in Manhattan ein Gebäude mit Konzertsälen, Aufnahmestudios etc. unterhält. Ziel der Organisation ist es, den zeitgenössischen Jazz „erlebbar und erfühlbar“ zu machen, indem viele der dort angebotenen Konzerte und Workshops kostenfrei oder zumindest kostengünstig angeboten werden. Künstlerischer Leiter des Centers ist der weltbekannte Jazztrompeter Wynton Marsalis. Einmal im Jahr gibt es dann auch ein Konzert des Wynton Marsalis Septet, dessen Erlös in das Bildungsprogramm einfließt. Eingeladen ist jeweils ein „Stargast“ aus dem Bereich Jazz, Blues oder Rock. Diese CD stellt einige Konzertausschnitte aus den Jahren 2003 bis 2007 vor, und die hier dargebotene musikalische Qualität ist dann auch mehr als beeindruckend. Das musikalische Spektrum reicht von der A-Cappella-Gruppe der Blind Boys of Alabama über den (Blues?-)Gitarristen Eric Clapton bis zur fantastischen Sängerin Natalie Merchant. Das Genre Countrymusik ist mit Willie Nelson und Lyle Lovett ebenso vertreten wie der Rock mit Lenny Kravitz oder der Jazz- und Bluesgesang mit Carrie Smith – und das alles begleitet von einigen der besten zeitgenössischen Jazzmusiker.
Achim Hennes

 FLAV MARTIN & JERRY MAROTTA : Soul Redemption
FLAV MARTIN & JERRY MAROTTA 
Soul Redemption
(Eigenverlag), mit engl. Texten


Interessant, was für einen exponierten Status der ehemalige Peter-Gabriel-Trommler Jerry Marotta mittlerweile hat. Tatsächlich hat wohl seine rhythmische Arbeit einen wesentlichen Anteil an Gabriels Sound gehabt, doch weist ihn die Liste seiner Brotgeber mit Ani DiFranco, Carly Simon, Rory Block oder den Indigo Girls als versierten Handwerker aus, der sich gerne ganz und gar in den Dienst eines Musikers stellt. Auf Soul Redemption ist es der Songschreiber Flav Martin, der bereits um die dreißig Jahre in der Musikindustrie unterwegs ist, doch eher bescheidenen Erfolg vorweisen kann. Was schade ist, verfügt seine Musik doch über Qualitäten, die ein größeres Publikum ansprechen sollten. Balladen vor allem, aber eben mit einem gewissen Schwung. Überdies wird supersauber gespielt, die Arrangements sind vielseitig und abwechslungsreich und liegen trotzdem im Flow der Songs. Sogar ein ganz adäquater Sänger ist Martin. Musik für lauschige Sommerabende bei lauem Windspiel.
Michael Freerix
 MEAN MARY : Blazing
MEAN MARY
Blazing
(Woodrock Records), mit engl. Infos


Mary und Frank James haben hier den Soundtrack zu ihrem Buch Hell Is Naked produziert. Dies sind Popsongs mit akustischem Instrumentarium im – wie man heute zu so einigem ja sagt – Singer/Songwriter-Stil. Das Problem ist, dass es Bands wie diese wie Sand am Meer gibt. Sobald jemand also ein paar Lagerfeuergriffe auf der Gitarre oder gar dem Banjo kann – am besten als Arpeggios zerlegt, damit es interessant klingt – und mit bedeutungsvoller Stimme die großen Themen des Lebens besingt, regnet es Beifall. Die Zutaten sind einfach, was nicht bedeutet, dass gute Musik immer kompliziert sein muss. Aber der unbedingte Wille, eine Botschaft zu transportieren, sollte schon erkennbar sein, egal wie banal diese auch sein mag. Blazing plätschert dahin. Mal bedeutungsvoll, mal zaghaft-rockig, dann wieder harmlos einfühlsam. Und der interessante Punkt daran ist, dass das offenbar auch Leuten aus Alabama passiert und nicht nur den etwas biederen und weitgehend groovefreien deutschen Sänger/Songschreibern. Am feurigsten ist bei Blazing das Cover. Es erinnert etwas an das einer Bedienungsanleitung für einen edlen Grill. Vielleicht ist das Buch ja großartig.
Ferdinand Kraemer

 PETER V BLUES TRAIN: Running Out Of Time
PETER V BLUES TRAIN
Running Out Of Time
(Eigenverlag)


Das Foto auf dem Albumcover zeigt vier Herren, die in einem offenen amerikanischen Wagen cruisend die Fahrt genießen. Ein schönes Bild für das, was einen hier musikalisch erwartet: Entspannt, laid back, mit viel Ruhe und Kraft fließen Blues, Swing und Funk der Band dahin. Peter Veteska ist Kopf, Gitarrist und Sänger und bringt mit seiner Interpretation des „Worried Live Blues“ zum Ausdruck, dass exakte Metrik das eine, „Flow“ und „Groove“ aber die eigentlich unverzichtbaren Bestandteile eines guten Songs sind. Sehr gut gelungen ist auch das Instrumental „Time To Collect“. Jazz und Funk gehen hier Hand in Hand, verstärkt wird die Band um das von Danny Walsh gespielte Saxofon. Tolle Breaks und solistische Wechsel mit Peter Vs Gitarre und Aron Louis Gornishs Keyboard sorgen für Abwechslung. „Freedom“ zeigt mustergültig, wie ein Slow Blues gespielt wird: Wenige, lange Töne, schön gespielte Akkorde, ein gleichmäßig pulsierender Beat, ein sich langsam „durch die Lagen“ aufbauendes Gitarrensolo. Für das Bonnie-Raitt-Cover „Love Me Like A Man“ kommen dann zwei weitere Gäste hinzu. Die Sängerin Kelley Dewket und der Harpspieler Gary Neuwirth werden hier von Peter V an der akustischen Gitarre begleitet.
Achim Hennes
 WESTERN CENTURIES: Songs From The Deluge
WESTERN CENTURIES
Songs From The Deluge
(Free Dirt Records), mit engl. Texten


Wer sich heute mit Countrymusik befasst, gewinnt den Eindruck, dass der Mainstream alles mit sich gerissen hat. Doch nicht sämtliche Bands mögen beim großen Glattbügeln dabei sein. Zu dieser Kategorie gehört das Quintett Western Centuries, dem gleich drei Songwriter Charakter verleihen – durch ihre Stücke und ihren Gesang. Liegt ja nahe, dass derjenige singt, derʼs auch geschrieben hat. Also prägen Ethan Lawton, Cahalen Morrison und Jim Miller zu je einem Drittel das Album, auch was die Zahl der Liedbeiträge angeht. Wer jetzt meint, das Album würde deswegen in drei Teile zerfallen, sieht sich getäuscht. Alles passt organisch zusammen. Zu den drei Multiinstrumentalisten kommen Nokosee Fields am Kontrabass und Leo Grassl an der Pedal Steel. Gemeinsam bilden sie eine raue Truppe mit Ecken und Kanten sowie urbanem Einschlag. Morrison und Lawton kommen aus Seattle, Miller aus New York. Aufgenommen wurde von Grammy-Preisträger Joel Savoy in einem Studio in Louisiana. Und so taucht in zwei Songs auch mal ein Cajun-Akkordeon auf. Stilistisch vielfältig, gesanglich vorn und textlich voller Geschichten und Lebenserfahrung: Western Centuries haben eine Platte zum Durchhören vorgelegt.
Volker Dick

Karibik
 Orlando „Cachaito“ López: Cachaito
Orlando „Cachaito“ López
Cachaito
(World Circuit Records), LP, engl. Booklet, Download-Code


Die originalen Musiker des Buena Vista Social Club (BVSC) sind weitgehend verstorben. Bevor die für weltmusikalische Verhältnisse phänomenale Einnahmequelle endgültig zu versiegen droht, versucht sich deren Label an Wiederveröffentlichungen der damaligen Sessions. Von all diesen ist diejenige des BVSC-Bassisten Cachaito Lopéz es am ehesten wert, neu als 180g-Vinyl-LP herausgebracht zu werden. Sein 2001 aufgenommenes Album ragte als einziges im BVSC durch ein zukunftsweisendes Konzept heraus und lockte damit auch Hörer an, die das Son-Revival irgendwann zu modisch fanden. Die Stücke grooven unaufgeregt, aber dennoch packend vor sich hin. Cachaitos Bass und gleich vier Percussionisten bestimmen den Sound. In „Tumbaio No 5“ zeigt Cachaito seine Verehrung für Charles Mingus. Der experimentierfreudige, 2006 verstorbene Percussionist Miguel Angá Díaz liefert sich hier Duette mit Cachaito und Rafael „Jimmy“ Jenks spielt dazu einen inspirierten Saxofonpart. Doch bevor das Ganze zu sehr in Jazz abdriftet, sind im Album unerwartete Dub-Delays zu hören oder es wird gescratcht und gesampelt. Fast schon psychedelisch mit Hammondorgel und E-Gitarre klingt „Anais“. Insgesamt die ungewöhnlichste BVSC-Scheibe.
Hans-Jürgen Lenhart
 HAROLD LÓPEZ-NUSSA: Un Día Cualquiera
HAROLD LÓPEZ-NUSSA
Un Día Cualquiera
(Mack Avenue Records)


Der Pianist aus Havanna gehört mit seinem superben, facettenreichen Spiel aus Folker-Warte streng genommen eher in die Jazzecke. Doch kommt man mit derartigen westlichen Kategorisierungen just in der Musik Kubas oft nicht weit. Die Jazzer der Szene, mit dem Pianisten Chucho Valdés als einer Art Übervater, begeben sich ebenso in andere Populärmusikgefilde und in die Klassik. Von dort aus startete auch der solide ausgebildete 35-jährige mit dem in Kuba so klingenden Nachnamen. Der steht für eine Musikerdynastie reich an exzellenten und prominenten Instrumentalisten. Sein jüngster Bruder etwa ist Schlagzeuger und Percussionist in dem Trio, mit dem der Habanero gerade sein siebtes eigenes Album aufnahm. Die neun Eigenkompositionen und zwei Adaptionen von Klassikern des großen Landsmannes Ernesto Lecuona zeugen von Kreativität, vom Wissen um die eigene Tradition und die universale Sprache des Jazz. Ähnlich geschmeidig zwischen alten und modernen Musikwelten pendelnd, u. a. gut mit kubanischer Musik vertraut, ist der Brasilianer Swami Jr., der wie López-Nussa u. a. mit Omara Portuondo arbeitete. So wie für die Sängerin stand er nun auch für den jungen Kollegen am Studiopult.
Katrin Wilke

International
 DIVERSE: A Tribute To Punk – Compiled by Lucha Amada
DIVERSE
A Tribute To Punk – Compiled by Lucha Amada
(Jump Up Productions), mit engl. u. dt. Infos


Das mit alternativer, meist dezidiert politisch engagierter Rockmusik betraute Musikkollektiv bat im großen Mestizo-Netzwerk, vor allem in Spanien und Lateinamerika, in Italien, Frankreich und zu Hause in Deutschland Bands, ihren liebsten Punksong zu covern. Herausgekommen ist ein hochformatiges, informatives Doppel-CD-Buch mit 25 Tracks, die mehr oder weniger eigenwillig, mal mehr, mal weniger originalgetreu diverse Klassiker in die Gegenwart holen. Z. B. Emblematisches von The Clash nahm man sich da vor. Gerade die Londoner waren u. a. wegweisend für spätere, sogenannte Ethnopunkentwicklungen, die von Bands wie Mano Negra patentiert wurden. Die einstige Band von Manu Chao wiederum ist auch Coversonglieferant auf dem Sampler. Ihr ruppig-fröhliches „King Of Bongo“, hier recht kreativ upgedatet von Radici Nel Cemento aus Rom, kennen heutzutage viele ja sonst nur in Chaos späterer verschleppt-zurückgelehnter Fassung. Mal bleibt man in der heftigeren Gangart des Punkrock-Originals, mal entführt man es gen Cumbia oder Reggae, diese ohnehin von früh an mit dem Punk verbandelte Tradition. Auf 24 Seiten erzählen die Musiker ihre Verbindung zur Punkära und deren Einfluss auf ihr eigenes Schaffen.
Katrin Wilke



Onlinerezensionen
MIKE AIKEN
Wayward Troubadour
(Northwind Records)


Das Vorgängeralbum war für einen Grammy nominiert, und an Qualität mangelt es auch diesem, dem siebten Studiowerk von Mike Aiken, nicht. Aufgenommen mit erstklassigen Studiomusikern aus dem Dunstkreis Nashville, lädt Aiken ein zu einer Reise durch die Stile. Ob Western Swing, Country Rock nach Eagles-Art, Bluesrockiges, Chet-Atkins-Haftes und Bluegrass-Angehauchtes, der Mann und seine Band spielen alles authentisch. Wer will, darf nach Langeweile suchen – es wird vergeblich sein.
vd
RAHIM ALHAJ TRIO
One Sky
(Smithonian Folkways Recordings)


Der Iraker Rahim AlHaj (Oud), der Iraner Sourena Sefati (Santur) und der Palästinenser Issa Malluf (Percussion) teilen das Schicksal, aus Ländern mit schwieriger politischer Situation zu stammen. Das schweißt sie auch musikalisch in ihrer Wahlheimat New Mexico, USA, zusammen. Die Musiker verfügen über eine hohe Virtuosität, und AlHajs Kompositionen wirken unaufdringlich, nach innen gekehrt, durch die Santur fast schon etwas dieser Welt entrückt – aber ansprechend.
ink

ATTILA & FRIENDS
Identity
(Eigenverlag)


Wie Bluegrass aus Augsburg klingt? Beispielsweise so wie das, was Attila Tapolczai und seine musikalischen Freunde spielen. Alle sind fit an ihren Instrumenten und Attilas Texte zeugen immer wieder von politisch-kritischem Anspruch. Unter den Stücken sind Instrumentals wie das hübsche „A Sad Winter“ und das irisch angehauchte „Radio“ – die transatlantische Leitung steht. Etwas hölzern wirken allerdings Gesang und Produktion.
vd
BANDA OSIRIS
Funfara
(Felmay)


Die vier Bläser aus dem Piemont waren zusätzlich zu ihrer Blasmusik meist auch als Sänger aktiv. Nicht zufällig beruht ihr Name auf der Sängerin und Schauspielerin Wanda Osiris. Auf Funfara stehen erstmals Instrumentalstücke im Vordergrund. Mit Posaune, Saxofon, Tuba und Flöte zerlegen sie „Bella Ciao“ und kreieren ihre eigene, alternative Nationalhymne. Besonders live sind die vier Männer aus dem Piemont mit ihrer Mischung aus Klassik, Musikkabarett und den Evergreens Italiens ein Leckerbissen.
mst

KAI BECKER
The String Theory
(Hey! Acoustics)


Gitarrenmusik abseits ausgetretener Pfade. Kai Becker hat auf sechs- und zwölfsaitigen sowie klassischen Gitarren seine eigene Stilistik und Klangwelt erschaffen. Seine Instrumente sind zumeist in Open Tunings gestimmt. Die unbegleiteten Sologitarrenstücke sind mal spannungsgeladen, mal atmosphärisch. Dabei zitiert der Wuppertaler Musiker schon mal Johann Sebastian Bach oder gar die Scorpions. Das Album klingt sehr handgemacht und ungeschminkt – in Großbuchstaben steht auf dem Cover: keine Overdubs.
uh
BIG COUNTRY
Why The Long Face – Deluxe Edition
(Cherry Red Records)


Die schottischen (Folk-)Rocker sind seit einigen Jahren mit wechselnden neuen Sängern und ohne den einstigen Bassisten Tony Butler quasi als ihre eigene Coverband unterwegs. In regelmäßigen Abständen bringen sie remasterte und um Bonusmaterial erweiterte Boxeditionen ihrer mit dem 2001 verstorbenen Mastermind der Band, Stuart Adamson, entstandenen Albumklassiker der Achtziger und Neunziger heraus. Why The Long Face von 1995 war dabei vielleicht eines der meist unterschätzten Studioalben Big Countrys, ein knackig-rassiger Rocksound, der seine folkloristischen Elemente nicht leugnet und seiner Zeit womöglich voraus war. Zur 4-CD-Box ergänzt wird das Ganze um bisher teils unveröffentlichte alternative und/oder akustische Versionen u. a. von Klassikern, Demoaufnahmen sowie das komplette akustische Livealbum Eclectic aus dem Jahr 1996. Für Fans oder Menschen, die den Sound einer der prägnantesten Folkrockbands der Achtziger neu für sich entdecken wollen.
sb

IVAR BJØRNSON & EINAR SELVIK
Hugsjá
(Norse Music)


Mit einer Vielzahl von Instrumenten (selbst ein Bockshorn ist vertreten, was für den richtigen Wikingersound sorgt) und in einer künstlich archaisierten norwegischen Sprache wird hier der Entdeckungszug der frühen norwegischen Siedler die Küste Norwegens hoch geschildert. Mal Metal, mal Mönchsgesang, mal spätmittelalterliche Rundtänze, mal deutlich Ketil Bjørnstad zum Vorbild genommen – alles nett und interessant zu hören, auf die Dauer aber doch ein wenig eintönig.
gh
LUKA BLOOM
Refuge
(Pinorrekk Records)


Der sympathische Ire hört nicht auf, von seinem Traum einer besseren Welt zu singen. Refuge („Zuflucht“) ist Blooms ureigene Reaktion auf die international zunehmende Verrohung. Ruhige, nur mit Gitarre eingespielte Lieder, die Hoffnung geben, wo nötig, anklagen oder den Blick auf das Schöne lenken, für das wir das Gespür nicht verlieren dürfen. Kaum ein Lied bringt das friedliebende Wesen dieses Singer/Songwriters dabei wohl besser zum Ausdruck als „I Am Not At War With Anyone“. Und neben dem Folkklassiker „Wayfaring Stranger“ hat er eine neue Version des von ihm verfassten und von seinem Bruder Christy Moore weltberühmt gemachten, ewig aktuellen Auswanderersongs „City Of Chicago“ aufgenommen.
sb

LINCOLN BRINEY
Happens To Simon & Garfunkel – Homeward Bound
(Eigenverlag)


Das Album ersäuft in Harmonie. Harmonische Samba- und Bossa-Gitarre und -Percussion, säuselnde Keyboards, kuscheliges Flügelhorn … Nicht, dass Lincoln Briney ein schlechter Sänger wäre, aber wer die Originale kennt, wird ständig auf den engelsgleichen Harmoniegesang Art Garfunkels warten, der andauernd nicht einsetzt. Die zwar handwerklich soliden, aber leider weichgespülten Arrangements flutschen widerstandslos durch die Gehörgänge und hinterlassen keinen bleibenden Eindruck – nur den Wunsch, schnell ein Originalalbum von Simon & Garfunkel aufzulegen.
uj
WOLFGANG BUCK
Des Gwärch & des Meer
(C. A. B. Records)


Wenn man, wie der Liedermacher Wolfgang Buck, Franke ist und in diesem Dialekt auch singt, hat das Atmosphäre, ist aber für anders gewachsene Ohren schwer zu verstehen. Da hilft auch das Textheft wenig, was schade ist. Er singt nämlich nicht nur über Herz und Schmerz, sondern macht sich seine Gedanken über die Zeit, und er will es sich auch nicht zu leicht machen. Mehr Fragen stellen und Zweifel haben, als es ganz genau und besser zu wissen. Schöne Lieder zum Zuhören und Nachdenken.
rk

BOBBO BYRNES
Two Sides To This Town
(Songs & Whispers)


Wenn der vorige Song verklungen ist, scheint der nächste gerade da wieder anzusetzen. Die Stücke des Kaliforniers bilden eine Kette aus Geschichten. Musikalisch klingt das sehr ähnlich, angesiedelt irgendwo zwischen John Mellencamp und Bruce Springsteen, dem Mainstream nicht fern. Seinen Countryrock spielt Byrnes voller Energie, auf die gesamte Strecke des Albums gesehen wirkt es aber irgendwann ermüdend. Also besser in wohl abgewogenen Dosen zu sich nehmen.
vd
KIM CARNIE
In Her Company
(Eigenverlag)


Schottische Young-Trad-Award-Teilnehmerin mit Schwerpunkt auf gälischem Gesang. Dezent verraucht-samtene Stimme und ausgesprochen hochkarätige Mitmusiker wie Innes White, Euan Burton, Megan Henderson oder Siobhan Miller. Diese EP lässt vermuten, dass hier eine profilierte Künstlerin der Kategorie Julie Fowlis heranreifen könnte.
mk

CHALABAN
Gleimim
(Narrator Records)


Seit 1998 lebt Saïd Tichiti, der aus Südmarokko stammende Sänger und Musiker (er spielt vornehmlich die Gimbri, eine dreisaitige Kastenhalslaute), in Ungarn, wo er schon bald mit seiner vielköpfigen Band Chalaban zum Star in der Global-Music-Szene avancierte. Beim mittlerweile sechsten, seiner Heimatstadt Guelmim gewidmeten Album mischen auch seine Kinder Emma und Naïm mit. Die musikalische Basis bilden die typischen Gnawa-Rhythmen, angereichert mit Elementen aus Afrobeat, Desert Blues und Jazz.
rs
Cowboy Junkies
All That Reckoning
(Proper Records)


Ein neues Album von Kanadas Alternative-Country-Pionieren und Kritikerlieblingen. Von den einfachen, belanglos vor sich hinfließenden Songs mit gelegentlich psychedelischer Atmosphäre bleibt leider kaum etwas haften. Die wenigen krachigen Stücke überzeugen am ehesten, und ihre engagierten Texte wie „Ich fand den Teufel als Luft verkleidet, / Mit elektrischem Strom geladen. / Ich öffnete meinen Mund, / Er trat ein und sagte: / Du gehörst mir.“ („The Possessed“) würden da auch besser dazu passen.
hjl

CURLY STRINGS
Hoolima
(Jazzhaus Records)


Die Popularitätskurve der Band aus Estland zeigt steil nach oben. Mit ihrer Mischung aus Bluegrass und traditionellen Klängen ihres Heimatlandes faszinieren sie ein wachsendes Publikum. Das zweite Album erfüllt die Erwartungen und beweist ihre Songwriterqualitäten. Wer sich vom musikalischen Können überzeugen will, muss nur das Instrumental „Firebird/Kribu-Kribu-Polka“ hören, ein Stück mit funkigem Mandolinenintro. Produziert hat der für einen Grammy nominierte US-Fiddler Casey Driessen.
vd
CURSE OF LONO
As I Fell
(Submarine Cat Records)


Der Londoner Felix Bechtolsheimer hat sich mit seiner Band Hey Negrita über zehn Jahre lang ein kleines Publikum im Americana-Bereich erspielt, Curse of Lono ist die Fortsetzung des Gleichen mit anderen Mitteln. Zum großen Teil in Kalifornien aufgenommen, schwebt über diesem Album ein Hauch von Wüstenstaub, mit elektrischen Gitarren, die elegische Melodien produzieren, wozu Bechtholsheimer mit angenehmem Bariton singt. Er nennt es „Southern Gothic Rock“.
mf

DIVERSE
Epilogue – A Tribute To John Duffey
(Smithsonian Folkways)


Der Mandolinenspieler John Duffey und seine Band The Seldom Scene haben Maßstäbe gesetzt, was die Erneuerung des Bluegrass anging. Zahlreiche jüngere Musiker hat er inspiriert, und einige der namhaftesten erweisen dem 1996 gestorbenen Künstler mit diesen Aufnahmen die Ehre. Sam Bush ist darunter, Tim OʼBrien, Don Rigsby und David Grisman; ein gewisser Nils Lofgren taucht mit der Dobro auf. Das Repertoire besteht aus charakteristischen Duffey-Songs in neuem Gewand. Dazu gibtʼs ein üppiges Booklet.
vd
DIVERSE
Verbündet V
(Koka)


Der fünfte Durchgang dieser Kompilationsreihe geht mit 22 Titeln und Bands ins Rennen. Halb in Deutsch, halb in Englisch, ist das Album eine bunte Mischung aus Mittelalter (ja, auch Marktmusik mit Sackpfeifen und Trommeln ist dabei), Deutschfolk, Instrumentals, Akustischem und Rockigem sowie Steampunk. Nicht die Großen der Szene, sondern eher unbekannte, unverbrauchte Gruppen sind in sehr ordentlicher Produktionsqualität zu erleben. Interessante Zusammenstellung.
pp

ELISAPIE
The Ballad Of The Runaway Girl
(Yotanka Records)


Von der aus dem Eskimovolk der Inuk stammenden Musikerin wird man noch mehr hören. Die Singer/Songwriterin, Regisseurin und Aktivistin sprüht nur so vor Energie in ihren balladesken Songs, in denen ihre Kultur nicht nur im Gesang immer wieder durchschimmert. Vor allem aber weiß sie, Geschichten zu erzählen. Auf ihrem neuen Album besingt sie die Zerrissenheit ihres Volkes zwischen Moderne und Tradition. Was das heißt, hat sie selbst in Form von Adoption, Auswanderung nach Montreal und Diskriminierung als Frau erlebt. Entdeckenswert.
ep
HARRI ENDERSBY
Homes/Lives
(Eigenverlag)


Die junge Singer/Songwriterin Endersby (Gitarre, Violine) aus dem County Durham hat ihr Debut mit Ehemann Rich Marsh (E- und akustische Gitarre, Bass) und Koproduzent Curtis Wayne Pierce Jr. (Drums, Percussion, Synth) eingespielt und diese Besetzung weist deutlich auf ihre musikalische Richtung: Tradition und Gegenwart, akustisch und elektrisch. Cover wie Musik stellen den Bezug zur rauen nordenglischen Landschaft her – und ins Ohr gehen die Songs manchmal auch.
mk

FAINSCHMITZ
Fainschmitz Begins
(Three Saint Records)


Österreich ist klein, aber mit vielen musikalischen Talenten gesegnet. Während das deutsche Feuilleton sich noch über Wanda und Bilderbuch freut, ist das Nachbarland bereits wieder um eine musikalische Skurrilität reicher. Fainschmitz beginnt, wo es zu einem Max-Raabe-Salonorchester nicht reicht. Im nostalgischen Swing, mit Megafongesang und Nonsense-Texten macht man sich in Quartettbesetzung lustig. Zeitgemäßer Pop hört sich anders an, und das ist gut so.
jus
FANFARA STATION
Tebourba
(Agualoca Records)


Diese Combo klingt auf ihrem ersten Longplayer nach sehr viel mehr als nur drei Mann. Fette Bässe, einiges an Elektronik und Percussion, Trompete, Posaune und diverse orientalische Blasinstrumente sorgen für reichlich Abwechslung, ohne jemals den Groove aus den Augen (oder Ohren) zu verlieren. Partytaugliche und Laune steigernde Melange aus Balkan, Italien, Elektro und jeder Menge Nordafrika.
ink

ANNIKA FEHLING TRIO
In The Universe
(Rootsy Music)


Die schwedische Sängerin Annika Fehling kleidet ihre hauchende Stimme in ein jazziges Gewand und sorgt damit für einen interessanten Kontrast. Die Instrumentierung könnte durchaus auch zu den Ethno-Klängen einer Mari Boine passen. Durch die einzigartige Schlafzimmerklangfarbe der Künstlerin klingt jeder Song aber irgendwie nach Pop. So werden selbst die Balladen zu etwas wie „Britney Spears singt Simon & Garfunkel“. Das klingt überraschend gut, dennoch könnte der Effekt etwas dezenter eingesetzt werden.
ce
RAINHARD FENDRICH
Für immer a Wiener – live und akustisch
(RJF Musik)


Von allen Weichspülern des unglückseligen Austro-Pop ist es nun ausgerechnet Schwiegermutterschwarm Rainhard Fendrich, der sich heute mutig zeigt und seine Stimme gegen Fremdenhass und den regierenden Rechtspopulismus erhebt. Das aktuelle Konzertsouvenir überzeugt durch seine Unplugged-Atmosphäre, zu einer Zeit, wo es in Österreich schon ausreicht, sich zu einem (rotgrün-versifften) Wien und zum Menschsein mit Herz zu bekennen, um Hassmails zu ernten.
jus

RUDI GALL
Gall singt Sulke Vol. 2
(Heduda! Records)


Rüdiger Töpfer scheint im Ruhrpott eine umtriebige Natur zu sein. Neben seinem bürgerlichen Job ist er auch noch mit verschiedenen musikalischen Projekten unterschiedlicher Art beschäftigt. Damit die Marken auch unterscheidbar bleiben, tritt er jeweils unter anderem Namen an. Für die Lieder von Stephan Sulke ist er als Rudi Gall unterwegs. Es ist schon sein zweites Album mit Liedern dieses Schweizer Liedermachers mit dem sehr speziellen Humor. Und Rudi Gall hat Recht, die Lieder sind eine Neuauflage wert.
rk
JAMES PATRICK GAVIN
Chewing The Fat
(Sleight of Hand Records)


Ganz so dreckig und speckig wie das Cover ist die Musik auf dem zeitgenössisch-traditionellen Solodebüt des Fiddlers und Gitarristen nicht. Der Londoner widmet die mit vielen Kollegen eingespielten Songs und Tunes sehr hörbar seinen nordirischen Wurzeln. Zusätzlich mixt er Interviews mit seiner Großmutter plus diverse Soundcollagen in so gut wie jedes Stück. Das ist ganz gewiss interessant, stört aber auch ein wenig die Freude an der Musik.
mk

LUKE GASSER
The Judas Tree
(Blue Rose)


Der Rockmusiker, Filmemacher und Bildhauer aus der Innerschweiz ist ein Macher, der seinen Weg geht. Der Obwaldner liebt das Mystische, Archaische, den Kampf der Guten gegen die Bösen – nicht nur in seinen Filmen, sondern auch in der Musik. „Es ist nicht einfach, eine Frau zu lieben, die denkt, dass sie dem Mann überlegen ist“ (aus „Hard To Love You“). Seine Weltanschauung und der gerade, stampfende Rock, unterbrochen von karg instrumentierten Balladen, würden auch in ein Kaff des Bible Belt passen.
mst
JEZ HELLARD & THE DJUKELLA ORCHESTRA
D’rect From The Shire
(Djukella Records)


So muss man dieses Kraftwerk von einem englischen Sextett tatsächlich aufnehmen: live vor nicht allzu großem Publikum, denn etwas Intimität tut der Atmosphäre gut. Sänger, Gitarrist und Mundharmonikaspieler Hellard sucht sich die richtigen Songs aus, Gavin (Fiddle, Rezension seines Soloalbums weiter oben) und Henderson (Uilleann Pipes etc.) sind für Geschwindigkeit zuständig plus Bass und Akkordeon als Basis. Das ist der Beweis, dass Good-Time-Music durchaus auch eine politische Komponente haben kann!
mk

ÁGNES HERCZKU
Hozomány
(Fonó Music Hall)


Das ist nicht nur ein Album für Ethnologen und an Musikgeschichte Interessierte. Ágnes Herczku, eine der führenden Folkmusikerinnen Ungarns, hat sich auf der Suche nach den musikalischen Wurzeln Transsilvaniens in das Dorf Visa begeben. Auf ihrem aktuellen Doppelalbum präsentiert die Sängerin und Tänzerin mit ihrer Band die reiche Tradition der Volksmusik der Mezőség-Region sowie ihre zeitgenössische Neueinspielung. Ihre Aufnahmen widmet sie dem in diesem Jahr verstorbenen Ethnografen Zoltán Kallós, der sein Leben der transsilvanischen Folklore verschrieben hatte und mit 15.000 Melodien die bislang wohl größte Sammlung dieser Musik zusammentrug.
ep
HER(T)Z(M)ACHT
Jetzt ist Jetzt
(Traumton Records)


Poppige Chansons am Klavier und am Synthesizer, mit eingängigen, klugen Texten über Menschen und ihre Beziehungen, Krisen, deren Nachwehen und Neuanfänge. Je nach Thema ist der Sound intensiv und voll oder einfühlsam verhalten. Der Bariton Michael Fiedlers hat eine eindrucksvolle Ausdrucksbreite. Musikalisch wird der gebürtige Nordhesse und ausgebildete Filmmusiker von Gitarre, Geige, Oboe und Schlagzeug unterstützt, was eine gelungene Mischung zwischen Pop, Schlager und Chanson ergibt.
rk

ROBERT JOHN HOPE
The Unravelling
(Musszo)


Zeitlose Songs im rockigen Gewand präsentiert die erste EP des in Berlin lebenden Musikers. Die vier Tracks würden auf jedem Album im Mainstreamfeld zwischen U2 Mitte der Achtziger und Bastille der heutigen Zeit eine gute Figur machen. Für den großen Durchbruch fehlt es noch an Wiedererkennungswert, die Songs und die sanfte Stimme des Künstlers sind noch zu austauschbar. So bleibt der Erstling in angenehmer Erinnerung, ohne Kaufreiz auszulösen. Für ein Debüt ist The Unravelling dennoch eine starke Leistung.
ce
THEA HOPKINS
Love Come Down
(Eigenverlag)


Die Singer/Songwriterin aus Boston legt ihr viertes Album (nun ja, mit nur sechs Songs eher eine EP) vor. Von der „Liebesballade bis zur Sozialgeschichte“ (Promo) reichen die Themen, verpackt in kraftvolle, bildhafte Lyrics, vorgetragen mit einer warmen Stimme irgendwo im Bereich von Mezzosopran und Alt, die gelegentlich an Kate Wolf erinnert. Die Arrangements changieren zwischen Folk und Pop, mit milden Jazzeinsprengseln von Tom Halter an Trompete und Flügelhorn sowie Gastgesang von Noel Paul Stokey (Peter, Paul & Mary). Nett.
uj

IMA KYO
Jetzt & Heute
(Exo10 Records)


Mit Jetzt & Heute präsentiert das Musikerquartett Ima Kyo den perfekten Soundtrack für die nächste Cocktailparty. Das rassige Jazzalbum besticht mit klugen Texten und einer ausdrucksstarken Sängerin, die perfekt die Lücke zwischen Alin Coen und Götz Alsmann zu schließen vermag. Die Songs sind auch für Folkies interessant, die weniger Jazz als vielmehr Singer/Songwriter auf ihrer Playlist haben. Ima Kyo spielt Musik, die ihren Platz auf einem Kultursommer-Open-Air und im Theatercafé findet.
ce
IʼM KINGFISHER
Transit
(Kite)


Die besten amerikanischen Singer/Songwriter kommen bekanntlich gar nicht aus Amerika, sondern aus Schweden. So ist auch Iʼm Kingfisher, der entspannt Neil Young Konkurrenz machen könnte, aus Stockholm. Indie-Pop heißt das Zauberwort, in diesem Fall garniert mit einer charmanten Dosis Psychedelic Folk. Erinnerungen an die Incredible String Band werden wach. Transit klingt gleichzeitig altmodisch und modern. Diverse Gastmusiker, unter anderem Christian Kjellvander, sorgen für Abwechslung. Das Album bleibt so bis zum letzten Track spannend.
ce

INYAL
Inyal
(Eigenverlag)


Ein schottisches Quartett, Fiddle und Uilleann Pipes repräsentieren den traditionellen Teil plus (leider viel zu selten) weiblicher gälischer Gesang. Drums und Percussion sorgen für die modernen Rhythmen und Gitarre plus diverse Elektronika vermeiden eventuelle Rockklischees. Das passt bestens und hat dennoch Entwicklungspotential. Spannend!
mk
JUURI & JUURI
Korpin Marssi
(Nordic Notes)


Das neue Album des finnischen Duos ist größtenteils instrumental, es gibt ein buntes Gemisch aus finnischer Pelimanni-Musik, viele Walzer, dazu Märsche. Einer heißt „Rabenmarsch“ und ist das Titelstück, denn der Titel des Albums lautet „Korpin Marssi“, „Der Marsch der Raben“. Er ist aus der höfischen schwedischen Tradition übernommen, sogar ein Menuett. Und das alles ist so schön, lebhaft oder auch einschmeichelnd gespielt, dass man beim Walzer gleich die nächstbeste Person auf die Tanzfläche locken möchte.
gh

GABRIEL KARAPATAKIS, HUB HILDENBRAND, ZACHARIAS SPYRIDAKIS
Nenemia
(Ears Love Music)


Ein Zypriot am bundlosen Bass, ein Kreter an der Lyra und ein Deutscher an der Gitarre. Meditative, fein pulsierende Musik, die sich hörbar aus folkloristischen Quellen speist und in großräumigen Improvisationen tonal gebunden dahinfließt. Musik, die den Geist still werden lässt und ganz unaufdringlich auf den Raum zwischen den Klängen verweist. Übrigens: Bei Hippokrates ist nenemia „ein heiteres, ruhiges Wetter“.
rb
KINGS & BOOZERS
Still Got The Booze
(Slainte Records)


„Seven Paddies In Berlin“ heißt einer der Songs, doch sie stammen aus Leverkusen. Im Fahrwasser der Pogues bringen die Rheinländer irisch-feucht-fröhliche Stimmung in dreizehn Tracks dem Publikum nahe. Ob Trinklieder, ob Balladen, es hört sich alles gut, rund und voll an, mit den hellen Tönen der Tin Whistle über den Bässen und Drums, was doch der rockig-punkigen Musik erst so richtig ihre irische Stimmung verleiht. Besonderes Schmankerl: „Wild Rover“ zur Melodie von „Ghost Riders In The Sky“.
mas

RALF KLEEMANN
Finistère
(Eigenverlag)


Ralf Kleemann spielt Harfe und lebt in Niedersachsen. Sein viertes Album Finistère hat er nach einem bretonischen Departement benannt. Doch nur ein Stück hat einen erkennbar bretonischen Sound. Ansonsten klimpert die Harfe „keltisch“ vor sich hin.
chr
ANTONIO KOUDELE
Arriving
(ACS-Records)


Musik für den inneren Frieden. Der österreichische Gitarrist Antonio Koudele spielte für sein neues Album verträumte, ruhige Instrumentalstücke ein. Sein Spiel auf der klassischen Gitarre vereint die Gelassenheit des brasilianischen Bossa Nova mit der Freude an der Improvisation des Jazz und dem meditativen Fluss von New Age. Der Gitarrist ist Melodienfänger, dessen schöne Melodiebögen mit dezenter Percussion den Hörer in eine Klangoase der Entspannung führen – weit weg vom Alltagsstress.
uh

LIKE SNOW
Beauty & Fear
(Premium Records)


Zwölf Stücke voller Gefühle und Gemeinschaftssinn, von fünf jungen männlichen Freunden aus Norddeutschland eingespielt. Die englischen Texte handeln vom Verzagen an der Welt und der Überwindung desselben. Gemeinsam geht Zuversicht noch besser, was sich an einer Vorliebe für lautmalerische Refrains, die alle mitsingen können, unterstützend zeigt. Die Anmutung liegt zwischen poppigem Folk und Mehrzweckhallen-Rock. Das Stadion ist schon angepeilt.
is
LONESOME GEORGE
Flat As The Earth
(Eigenverlag)


Benannt nach einer langlebigen Schildkröte, spielt sich das junge Quartett durch meisterlich geschriebene Songs und Tunefragmente. Feine, sehr gut austarierte und kompakte Arrangements zwischen Flöte, Bouzouki, Gitarre und sehr wohlklingender, geschmackvoller Bodhrán lassen Raum für vielschichtige Melodieschleifen und pointierte Lyrics aktueller Zeitthemen. Schöner Gesang von Gabriel Campbell-McArdle, hoher Spielstandard, intelligente, packende Musik. Einfach sehr, sehr gut!
js

KIM LOWINGS & THE GREENWOOD
Wild & Wicked Youth
(Eigenverlag)


Viertes Album der jungen englischen Sängerin, die Dulcimer und Piano spielt. Das Trio Greenwood trägt mit Gitarre, Bouzouki, Bass und Percussion plus Gäste mit Violine und Melodeon zum vollen Sound der selbst geschriebenen Songs bei. Die beziehen sich oft auf traditionelle Melodien. Das größte Plus jedoch ist Lowings klare, kräftige Stimme, die sofort gefangen nimmt und die Lieder dominiert.
mk
PAULO TATO MARINHO
Gaitas De Fole Em Portugal – Bagpipe Music From Portugal
(Eigenverlag)


Der 1964 in Lissabon geborene Dudelsackspieler, -bauer und –forscher ist eine Schlüsselfigur in der iberischen Folk-, insbesondere Gaita-Szene. Nach unzähligen zwischen Folk und Rock wechselnden Arbeiten und Projekten zu Hause und in Galicien betreibt der Multiinstrumentalist nun auf seinem ersten eigenen Album ganz klar Wurzelpflege. Unter den mit Percussionisten und Sängern eingespielten 15 Tracks – fast nur Traditionals – sind auch vereinzelt Neukompositionen, zum Beispiel von Rodrigo Leão (Ex-Madredeus).
kw

ELIZABETH MITCHELL & SUNI PAZ
Tú Eres Mi Flor – Songs For Children En Español
(Smithsonian Folkways Recordings)


35 Liedminuten warten hier, begleitet von einem üppigen, zweisprachigen, in guter Smithsonian-Manier liebevoll gestalteten Booklet auf Kinder zwischen drei und zehn Jahren (offizielle Empfehlung). Die singenden Kinderliedexpertinnen – die eine aus den USA, die andere dorthin vor langem aus Argentinien ausgewandert – verbleiben mit den 17 durchweg spanisch intonierten, rhythmisch wie gesanglich einfach gestrickten Songs musikalisch eher im Norden Amerikas, vor allem in den Gefilden von Folk und Americana.
kw
MUHNIKS
Sunnawind
(Dr. Music Records)


Wie der Bandname bereits suggeriert, treten auf Sunnawind einige bekannte Gesichter der Münchner Musikszene in Erscheinung, wie zum Beispiel Meisterdrummer Manfred Mildenberger, Otto Schellinger oder auch jüngere Gesichter wie die umtriebige Bassistin Julia Hornung. Sie und noch einige Musiker mehr setzen die bayrisch-sphärischen Popsongs von Michael Flossmann in Szene. Gesungen werden die Werke abwechselnd von drei wunderbaren Frauenstimmen – Irmi Haager, Julia Schröter und Veronika Zunhammer.
fk

NAKED
Yes
(Narrator Records)


Goran Milosevic (Drums), Branislav Radojkovic (Bass) und Djordje Mijuskovic (Geige) haben sich auf ihrem vierten Album mit Rastko Uzonovic (Saxofon, Klarinette) zusammengetan. Sie dokumentieren erneut, dass man Balkanklänge, Klezmer, Funk, Jazz, Dub, Afro und Latin nahtlos verschmelzen und dabei völlig ohne Akkordinstrumente auskommen kann. Auf den letzten drei Stücken bezaubert die israelische Sängerin „Tula“ Tal Ben Ari mit ihrer coolen und gleichzeitig warmen Stimme.
ink
LENNY NAPIER
Life Sketches
(Die Traumwerkstatt)


Der in Liverpool geborene und aufgewachsene Singer/Songwriter wohnt jetzt in Süddeutschland. Erfahrung hat er genug, auch interessante Ideen, die er mit Freunden abwechslungsreich arrangiert und umsetzt. Wenn bei so viel Einsatz und Herzblut für eine Produktion das Ergebnis – trotz empfohlener höherer Lautstärke – nur bedingt packend rüberkommt, dann kann das eigentlich nur an den Ohren des Rezensenten liegen.
mk

RICHARD NOLL
Peaceful Being
(Singing Heart Productions)


Nicht selten löst die Blöckflöte bei vielen nur ein mildes Lächeln aus. Doch wenn man das Instrument beherrscht, kann man ihm wundervolle Musik entlocken. Ein Meister darin ist der Amerikaner Richard Noll, der die Blockflöte in der indianischen Tradition spielt. Seit mehr als zwanzig Jahren begleitet der über sechzigjährige seine Frau Shaina auf ihren Plattenproduktionen. Nun hat er erstmals ein eigenes Album mit acht tiefgehenden Stücken veröffentlicht, die er meist in der Natur komponierte. Musik, die mit dem gesamten Körper gehört werden will.
ep
OI DIPNOI
Pontos
(Narrator Records)


Wie hat die sizilianische Musik wohl einst geklungen? Dieser Frage ging Valerio Cairone, der Bandleader des Trios aus Catania, auf den Grund. Fündig wurde er bei Schafhirten, Bauern und Fuhrleuten, die mit dem Dudelsack durch die Dörfer zogen. Cairone (Dudelsack, diatonisches Akkordeon), Marco Carnemolla (Bass) und der Percussionist Mario Gulisano erzeugen archaische, zuweilen hypnotische Klänge. Sie entwickeln ihre eigene Klangwelt, indem sie stilistische und geografische Grenzen überschreiten.
mst

Lindi Ortega
Liberty
(Shadowbox Music)


Dark Country, dazu eine engelsgleiche, hauchende Stimme mit viel Hall und zittrigem Vibrato. Die Dame mit dem umwerfenden Outfit à la Schneewittchen als Cowgirl hat sich musikalisch nach eigenen Angaben an Ennio Morricones Western-Filmmusik orientiert. Oft wirkt sie auch wie das weibliche Pendant zu Wüstenrocker Brian Lopez (Xixa, Giant Sand). Alles sehr geschmackvoll, sinnlich, leicht düster und mit der vollen Gefühlsdosis mexikanischer Rancherosängerinnen. Umwerfend!
hjl
JIM PATTON & SHERRY BROKUS
The Hard Part Of Flying
(Berkalin Records)


Das Ehepaar aus Austin, Texas, legt zehn Songs in bester Americana-Tradition aus der Feder Pattons vor, wobei die Arrangements zwischen elektrisch und akustisch changieren. Zu Pattons Akustikgitarre und Gesang gesellen sich unter anderem Fiddle, Cittern, Dobro, Bass, Piano, Cello und Percussion, wobei die Arrangements dankenswerterweise die markanten Stimmen der beiden und damit die Aussage der Songs immer die Hauptrolle spielen. Ein solides, hörenswertes Album.
uj

TOM PETERSON
Black Hills Gold
(MoonHouse Records)


Verschmitzt schaut Peterson auf dem Albumcover drein und verschmitzt ist seine Musik, die zwischen Songschreibertum, Honky-Tonk und Songs mit leicht souliger Note schwankt. Als passabler Sänger lässt der Musiker seine Musik von Chris Gage sehr sauber produzieren und spielen, und seltsam ist, wie er irgendwo dazwischen uralte Folksongs zitiert und plötzlich ernst und ganz und gar traurig wirkt. Sehr abwechslungsreich.
mf
KATELIJNE PHILIPS-LEBON
Les Spatz
(Timezone)


Katelijne Philips-Lebon ist eine flämische Chansonsängerin und Schauspielerin, die in Berlin lebt. Auf dem Titeltrack ihres (recht kurzen) Debütalbums besingt sie die Spatzen von Berlin. Die Musik ist eklektisch, überwiegend akustisch. Selbst geschriebene Texte singt sie mit selbstbewusster Stimme auf Französisch.
chr

POETESSʼ PLAY
Wandering Trees
(Eigenverlag)


Hinter der Gruppe mit dem verspielt-poetischen Namen steckt vor allem Franziska Pilz. Sie textet, komponiert und singt ihre emotionalen Stücke allesamt selbst. Dabei begleiten sie Musiker an Bass, Keyboard, Gitarre, Schlagzeug und Geige sehr harmonisch. Mit kleinen Extempori klingt das Meiste nach Americana-Folk, ist fast ein bisschen zu glatt produziert. Das interessanteste Stück ist der Hidden Track, auf dem zwei Stimmen übereinander singend etwas rauer aufgenommen sind.
is
RAVEN AND RED
We Rise Up
(Line Crossing Records)


Sie spielen auf ihrem Debütalbum nahezu ausschließlich eigenes Material, angesiedelt im Spannungsfeld zwischen Bluegrass, Country und Folk. Die jungen Musiker um Leadsängerin und Multiinstrumentalistin Brittany Lynn Jones sowie Leadsänger Mitchell Lane stammen aus Georgia und Pennsylvania. Ihre Spezialität scheinen Balladen zu sein, manche würden auch sagen – Schnulzen. Jedenfalls wirken viele Songs ein bisschen dick aufgetragen. Immerhin gekonnte Inbrunst.
vd

REA SOM
Arte Calma
(Unit Records))


Die Schweizer Sängerin Rea Hunziker hat das brasilianische Idiom und die Rhythmen jenes Landes verinnerlicht. Die Klangfarbe und das Register ihrer Stimme erinnern an Elis Regina. Ihre Band – Martin Schenker (Gitarre), Jonas Künzli (Bass), Samuel Messerli (Schlagzeug) und Alejandro Panetta (Percussion) – lehnen sich locker zurück und lassen die zehn Lieder nach Rio tönen. Zusammen mit den kontemplativen Texten passt die Musik eher in eine angenehm gekühlte Hotellounge als zum Karneval von Bahia.
mst
LULO REINHARDT feat. YULIYA LONSKAYA

(DMG Records)


Der virtuose Spross des (Django-)Reinhardt-Clans veröffentlicht in seiner Eigenschaft als Schirmherr der Caritas-Stiftung Rhein-Mosel-Ahr ein Album, das ungewöhnlich ruhige Momente enthält. Als Duopartnerin hat er die klassische Gitarristin Yuliya Lonskaya aus Weißrussland gewinnen können. Ganz wunderbar sind die meditativen Impressionen der Indienreise des Gypsygitarristen, die in absehbarer Zeit auch eine filmische Umsetzung erfahren sollen.
rb

RINGLSTETTER
Fürchtet euch nicht!
(Millaphon Records)


Nach Hannes Ringlstetters Debütalbum PNYA (siehe Folker 5/2016) war die Erwartung groß. Leider wieder nur eine Promo-CD ohne Beiheft. Auch der Inhalt enttäuschte. Zwar kommt des Niederbayern Stimme wieder celentanohaft-herb-männlich daher, was, gepaart mit der Mundart, einen rustikalen Charme hat, aber Texte und Melodien schwanken zwischen Volkstümelei, Schlager, Reggae, HipHop und Country und sind wohl mehr auf Marktkonformität als auf Originalität ausgerichtet. Dabei kann der Junge echt mehr!
mas
ROODS & REEDS
The Loom Goes Click
(Labelship)


Das Hamburger Duo hat sich nicht etwa nach seinen „falschen“ Wurzeln falsch benannt, sondern nach dem alten Tuchmaß, der Elle und dem Schiffchen, welches den Faden am Webstuhl durch die Kettfäden webt. Den roten Faden stellen hier die von Dagmar Lauschkes Stimme getragenen Balladen und deren instrumentale Untermalung durch Partner Leonard Poppe (Gitarre, Stimme), die mit Gästen an Akkordeon und Querflöte einen eigenen, zwischen Retrojazz und Irish Folk changierenden Sound schaffen.
is

THE ROUTES QUARTET
Windrose
(Routes Records)


Gut, aber ein wenig gewöhnungsbedürftig. Eine Instrumentalmischung aus Tradition und klassischem Streichquartett mit Cello, Violine und zwei Fiddlespielerinnen. Die drei Damen und der eine Herr aus Schottland, Irland und England interpretieren die oft eigenen Melodien sehr konzertant. Weniger Musik mit Guinness als Musik mit Krawatte.
mk
THE ROYAL HIGH JINX
Gone Gone Gone
(Eigenverlag)


Sie nennen es selbst Gypsy Dance Pop mit Latineinflüssen und Electro-Swing-Beats. Auf alle Fälle lassen sie das Tanzbein im Stile der Zwanziger- und Dreißigerjahre schwingen. Seit vier Jahren begeistern die vier Australier vor allem live mit ihren Eigenkompositionen, inspiriert besonders durch osteuropäische Musiktraditionen. Ihre Instrumente Violine, Gitarre, Mandoline, Piano und Schlagzeug sowie Gesang präsentieren sie nicht nur mit großer Intensität, sondern auch spielerischer Virtuosität. Mitreißend.
ep

SALTATIO MORTIS
Brot und Spiele
(Vertigo)


Das elfte Studioalbum der Karlsruher Mittelalterband präsentiert sich in der Deluxe-Edition als Doppelalbum mit sehr unterschiedlichen Inhalten. CD eins enthält zwölf neue Titel, teils mit aktuellen zeitkritischen Texten und im gewohnt wuchtigen Sound aus Rockgitarren, Schlagzeug, Trommeln und brachialen Dudelsackklängen. Auf CD zwei sind dreizehn teils akustische, noch unveröffentlichte Mittelalterstücke zu hören. Insgesamt ein spannendes, sich lohnendes Gesamtpaket.
pp
SANS
Kulku
(Cloud Valley Music)


Zwei Finninnen (Mutter/Tochter), zwei englische Multiinstrumentalisten und ein armenischer Dudukspieler – kann das gutgehen? Oh ja, sehr gut sogar, durch Gesang/Kantele deutlich finnlandlastig, aber eben nicht so ganz. Zusammengewebt wird dieser komplexe Sound vom Produzenten, dem schottischen Mastermind der Banda Europa, Jim Sutherland. Und der bringt dann auch noch eine dezente gälische Komponente in den Mix.
mk

SCHELPMEIER
Lass uns bleiben
(Fuego)


Der Ostwestfale Dirk Schelpmeier ist der Musik auf zweifache Weise verbunden, als Fotograf und Liedermacher. Als solcher findet er auch auf seinem vierten Soloalbum wieder eindringliche Sprachbilder, um auf poetische, aber doch lebensnahe Weise seine Liedergeschichten zu erzählen. Zwischen Liebe und Träumen, Enttäuschungen und Zweifeln kann, wenn man ganz euphorisch wird, Bad Salzuflen schon mal am Meer liegen. Ruhige, nachdenkliche Balladen, die überwiegend mit Gitarre zum Reflektieren einladen.
rk
MARKUS SCHLESINGER
Stories To Be Told
(Vienna 2day)


Akustische Gitarrenmusik aus Wien vom Mitbegründer des Vienna Fingerstyle Festivals. Da findet sich alles, was dem Steelstringer Spaß macht. Groovelastige Instrumentals, Ragtime, Blues, Coverversionen von Claptons „Layla“ oder Withersʼ „Ain’t No Sunshine“. Das Tappen kann bisweilen ein wenig nerven (weil zu eintönig), und mit 33 Minuten ist das Album auch nicht allzu üppig bemessen.
rb

SHARON SHANNON
Sacred Earth
(Celtic Collections)


Sharon Shannon, Ikone des Button Accordeon, hat mit ihrer feinsinnigen Ornamentierung und ihrem „infektiösen“ Rhythmus neue Maßstäbe gesetzt. Von Anbeginn an liebäugelte Shannon mit Multikulti-Klangexperimenten und suchte den Kontakt zu anderen Musiktraditionen außerhalb des irischen Horizonts. Hier nun ihre jüngste Kollaboration, afrikanische Einflüsse, cooler Pop mit Alyra Rose, Kitsch mit Finbar Furey, eine anmutige schwedische Slängpolska, fetzige Party-Reels. Shannons Sinn für Ohrwürmer, gepaart mit musikalischer Neugier, machen sie immer wieder hörenswert.
js
CIARA SIDINE
Unbroken Line
(MW Records)


Der erste Eindruck dieses vom ersten bis zum letzten Song fesselnden Albums ist: Was für eine Stimme! Modulationsfähig, mit jazzigem Timbre, mal sanft-zärtlich, dann wieder stahlhart. Ihre sozialkritischen, politischen Lieder beschäftigen sich mit Themen der irischen Geschichte, die sie interessanterweise nicht in Irish Folk, sondern in zupackende, songdienliche Americana- bzw. Country/Blues-Arrangements verpackt, unterstützt von einer Riege hervorragend aufspielender Studiomusiker. Exzellent!
uj

SON OF THE VELVET RAT
The Late Show
(Mint Records)


Das eingespielte Americana-Projekt eines österreichischen Musikers mit einem bescheuerten Bandnamen ging für das Vorgängeralbum tatsächlich ins musikalische Heimatland. Für dieses Livealbum mit Quartett wurden Konzertmitschnitte aus Österreich und Deutschland verwendet. Mit brüchiger Stimme schleppt sich der Rattenspross durch elf Songs, die im Vergleich zu den Vorbildern die Frage stellen: Wozu braucht es österreichische Americana?
jus
STRAY COLORS
Atomic Bombs & Pirouettes
(In Bloom Records)


Eine Leichtigkeit zieht sich durch das Debütalbum der bereits seit 2011 existierenden Band aus dem bayerischen Gauting. Die fünf Musiker präsentieren melodiösen Folkpop, bei dem kein Fuß stillsteht. Die Kombination aus zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und Trompete erinnert bisweilen an Fools Garden oder The Jeremy Days. Die beiden Songwriter Zlatko Pasalic und Rüdiger Sinn nennen vor allem die Beatles als großen Einfluss. Bei aller Qualität der Einspielung ihrer Songs fehlt aber irgendwie das wirklich Eigenständige.
ep

ADAM SUTHERLAND
Some Other Land
(Errogie Records)


Der Titel macht Sinn, denn die meisten der Tunes kamen dem erfahrenen Fiddler (Croft No. 5, Treacherous Orchestra, Session A9) im Schlaf oder besser gesagt im Traum. Umgesetzt werden die Melodien von einem zwar teils jungen, aber ebenfalls erfahrenen Sextett (zum Beispiel Iain Copeland, Drums, Hamish Napier, Keyboards, John Somerville, Akkordeon). Schottische Musik von heute mit Wurzeln im Gestern.
mk
SVÄNG
Plays Tango
(Galileo)


Das finnische Mundharmonikaquartett Sväng begibt sich auf ureigenes Terrain und widmet ein ganzes Album dem finnischen Tango. Der melancholische Schmerz dieses Musikstils zieht sich wie ein roter Faden durch die Aufnahmen, umfangreiche Infos im Booklet zu den einzelnen Tangos verstärken den Eindruck von Tiefe in der finnischen Gefühlswelt. Gleichzeitig wirkt Plays Tango skurril und erzeugt den typischen finnischen Humor mit ernsthaft wirkenden Künstlern und einem schmunzelnden Publikum.
ce

SVJATA VATRA
Muutused Zminy
(Nordic Notes)


Der Name scheint Programm. Auf Deutsch „Heiliges Feuer“ nennt sich die fünfköpfige Formation aus Estland und der Ukraine. Pulsierend, ungezähmt und wild geht es auch auf ihrem bereits sechsten Album („Veränderungen“) zu. Wenn charismatischer Gesang auf ukrainische Posaune und estnischen Dudelsack trifft und von Flöten, Maultrommel, Gitarre sowie Schlagzeug begleitet wird, entfaltet sich ein Folkrocksound mit ungeheurer Kraft. So modern und rockig hat man die traditionellen Volkslieder über Liebe, Krieg und Glaube wahrscheinlich noch nicht gehört.
ep
THABANG TABANE
Matjale
(Mushroom Hour Half Hour)


Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Stamm! Als anerkannter Percussionist (und Sänger) agiert der Sohn der (im Mai 2018 verstorbenen) südafrikanischen Gitarristenlegende Philip Tabane schon seit Jahren eher im Hintergrund. Nun hat er sein (der Großmutter Matjale gewidmetes) Solodebüt vorgelegt, das zum einen in der Tradition der von seinem Vater mit entwickelten Malombo-Musik steht, zum anderen diese zeitgemäß mit einem Trio (Gitarre, Bass, Percussion) umsetzt. Rau, ungeschliffen, betörend.
rs

THIS WILD LIFE
Petaluma
(Epitaph Records)


Auf ihrem dritten Album wollte das kalifornische Duo fröhlicher und rhythmischer klingen. Das ist Sänger und Gitarrist Kevin Jordan sowie seinem Leadsaiten-Kompagnon Anthony del Grosso gelungen. Doch ihr Akustikpop wirkt dadurch auch belangloser. Irgendwie hat man das Gefühl, alles inklusive Jordans hoher Stimme schon einmal irgendwo in den Charts gehört zu haben. Dennoch ein gut produziertes Album mit gefälligen Arrangements und durchaus anspruchsvollen Texten.
ep
STEVE TILSTON
Distant Days
(World Music Network/Riverboat Records)


Seit den Siebzigern ist Tilston einer der anerkanntesten Singer/Songwriter Großbritanniens, ohne jedoch jemals große Erfolge feiern zu können, obwohl etliche seiner Songs gerne von Kollegen übernommen werden. Sechzehn alte Eigenkompositionen hat er nur mit Gitarre, Banjo und Gesang erneut aufgenommen (plus drei unveröffentlichte Gitarreninstrumentals). Die Sammlung zeigt einen Künstler, der es bestens versteht, Instrument, Stimme und seine Kompositionen optimal einzusetzen.
mk

TORMIS QUARTET
Tormisele – Hommage To Veljo Torlos
(Nordic Notes)


Der 2017 verstorbene Veljo Tormis war mit 500 Chorkompositionen, 35 Filmmusiken und einer Oper einer der ganz Großen Estlands. Er brachte es fertig, gleichzeitig als Stimme des Widerstands gegen die Russen zu gelten und als „Volkskünstler der UdSSR“ vom Staatsapparat ausgezeichnet zu werden. Seinem von der ostseefinnischen Musik geprägten Werk haben zwei Sängerinnen sowie zwei Gitarristen ein Denkmal gesetzt. Leider fehlen Texte oder Erklärungen zu den einzelnen Stücken.
ink
TXARANGO
El Cor De La Terra
(Disc Medi)


Die 2010 in Barcelona formierte Band kultiviert gekonnt den mestizoüblichen, zwischen alter und neuer Welt agil umherreisenden, tanzbaren Stilmix in durchweg katalanisch gesungenen Songs. Als eine der wenigen Bands, wenn nicht gar einzige dieser weltoffenen, internationalen Szene machte sie 2017 ein explizites Statement in Liedform zugunsten der Unabhängigkeit Kataloniens. Womöglich teilen diese Haltung einige ihrer illustren Gäste nicht, neben Manu Chao unter anderem Jarabe de Palo und The Cat Empire.
kw

GIZMO VARILLAS
Dreaming Of Better Days
(Big Lake Music)


Mit seichten Sambaklängen, poppigen Sounds und sanfter Stimme entführt uns Gizmo Varillas per Flamenco, Cocktails, Tropicana und Bar in seine Version einer besseren Welt. Kein Wunder, dass er BBC-Liebling wurde und auch beim Reeperbahn-Festival abräumte. Das Rezept, kluge Popmelodien mit lateinamerikanischen Rhythmen zu paaren und in einem Indiefolk-Rahmen zu präsentieren, wirkt unheimlich anziehend. Bei fünf Millionen Hörern auf Spotify geht der Künstler wohl kaum noch als Folker-Geheimtipp durch.
ce
MICHAEL VEITCH
Wake Up Call
(Burt Street Music)


Ein fünfteiliger Songzyklus, gedacht als Weckruf (nicht nur) an die amerikanische Bevölkerung. Veitch startet beim „Veteran’s Day“, beschäftigt sich mit verpfändeter Loyalität, erinnert an die Weiße Rose und daran, dass die Stimmen jener alten Tage uns heute noch viel zu sagen und zu erklären haben, und schließt mit einer melancholischen Betrachtung des Unabhängigkeitstages 4. Juli. Veitchs ausdrucksvolle Stimme wird in geschmackvollen Arrangements von Kontrabass, Cello, Resonatorgitarre, Dobro, Fiddle, Percussion und dezenten Backing Vocals unterstützt.
uj

Mona Wallin
To Build A Fire
(Eigenvertrieb)


Die schwedische Folksängerin wirkt stimmlich mit leichtem Joan-Baez-Touch wie aus den Siebzigern gebeamt, doch insgesamt klingt sie weder zu verstaubt noch zu mainstreamig. Ihre Musik ist eine gute Kombination von akustischen und elektrischen Gitarrenklängen, amerikanischem Folk, Country und Rock, mal besinnlich, mal swingend oder düster.
hjl
WAYNE GRAHAM
Joy!
(K&F Records)


Bei Wayne Graham heißt niemand Wayne Graham. Die zwei Brüder Kenny und Hayden Miles aus den Bergen von Kentucky kreieren eine sehr interessante Mischung aus sixtiesbeeinflusstem Pop und etwas psychedelischem Rock dieser Epoche. Das Ganze kommt sehr frisch rüber. Sie komponieren ihre Songs geschickt und verstehen es, Harmonien lässig zu setzen. Hier und da jault auch mal eine E-Gitarre auf. Das Cover vermittelt zudem Understatement und passt sehr stimmig in den musikalischen Kontext.
fk

WHYSKER
In der Ferne
(Eigenverlag)


Der Dresdener Willi Papperitz tritt als Whysker (gesprochen „Weisker“) mit verschiedenen Programmen auf – Kinderprogrammen, Stimmungsprogrammen und mit eigenen Liedern als Liedermacher. Langhaarig, bärtig, mit rauer Stimme und Gitarre singt er mit Unterstützung einiger Musiker zehn Lieder über Freiheit, Einsamkeit, Unterwegssein, Kinderglück, Krisen in Beziehungen, alte Lieben und über das analoge statt des digitalen Lebens oder umgekehrt. Handgemachte urwüchsige Liedermacherei.
rk
WILDES HOLZ
Ungehobelt
(Holzrecords)


Was haben Falcos „Rock Me Amadeus“, Telemanns „Fantasie in C-Dur“ und der Deep-Purple-Klassiker „Smoke On The Water“ gemeinsam? Sie lassen sich, wie auch die restlichen Stücke dieses Albums, rasant auf der Blockflöte spielen. Das Konzept des Trios um Tobias Reisige am Gebläse, Ohrwürmer aus Pop, Rock, Folk und Klassik in mitreißend wilde und überraschende Arrangements mit der Blockflöte als Leadinstument, akustischer Gitarre und Kontrabass zu packen, scheint aufzugehen. Die vorliegende CD ist mittlerweile die zehnte. Muss man mögen …
uj

WILJALBA
Lost Valley
(Waterfall Records)


Auf Lost Valley bringen Wiljalba um den Berliner David Frikell einige exotische Instrumente zum Einsatz, die man eher aus älteren Stilen kennt, wie beispielsweise Kazoo, Waschbrett oder die Resonatorgitarre. Die Songs grooven poppig entspannt dahin und hier und da kommt auch mal eine verzerrte Gitarre zum Einsatz. Wiljalba beweist, dass sich akustisches und elektrisches Setting geschmackvoll mischen lassen. Gelungen ist auch die Covergestaltung mit haptisch angenehm rauer Oberfläche.
fk
YXALAG
Klezmer Tales – Fun Tashlikh
(Tales Music, GP Arts 009)


Als „junge Wilde“ hatten sie vor zehn Jahren begonnen, damals an der Lübecker Musikhochschule, neben Kayako Bruckmann, Juliane Färber sowie Nele Schmidt (alle v), Nicolas Kücken (g), Jakob Lakner (cl), Uli Neumann-Cosel (b) sowie Luka Stankovic (tb). Mit ihrem nun vierten Album sind daraus längst professionelle Musiker geworden, die sich auf diversen Musikfestivals – mit Anlehnungen an Klezmerklassiker wie Naftule Brandwein, Abe Schwartz, Dave Tarras und weiterhin jugendlichem Charme – längst zu gerne gesehenen Gästen entwickelt haben.
mg

Stefan Backes (sb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Christian Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Udo Hinz (uh), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (jus), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Ines Körver (ink), Ferdinand Kraemer (fk), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (chr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Imke Staats (is), Martin Steiner (mst), Katrin Wilke (kw)




Kurzrezensionen
 ANANDI BHATTACHARYA: Joys Abound
ANANDI BHATTACHARYA
Joys Abound
(Riverboat Records)


Natürlich ist die 22-jährige Tochter von Debashish Bhattacharya in klassisch-indischem Gesang ausgebildet. Dass sie zu ihren Einflüssen Radiohead, Ella Fitzgerald und Joni Mitchell zählt, ist wohl genetisch bedingt, denn auch ihr Slidegitarre spielender Vater blickt ja gerne über den Tellerrand hinaus. Ihr Debütalbum ist jedenfalls beides, traditionell und zeitgenössisch. Und dazu diese Stimme …
wb
 ZAKIR HUSSAIN: The Rough Guide To Zakir Hussain
ZAKIR HUSSAIN
The Rough Guide To Zakir Hussain
(World Music Network)


Mission impossible! Wie kompiliert man das CD-Porträt eines indischen Tablavirtuosen? Ein Fall für Folker-Mitarbeiter Ken Hunt! Er nahm aus den Archiven zwei Solostücke zu Sarangi-Begleitung (Sultan Khan) und je ein Duett mit Shivkumar Sharma (Santoor), Vilayat Khan (Sitar) und Alla Rakha, Ravi Shankars langjährigem Tablakompagnon und gleichzeitig auch Zakirs Vater. Mission gelungen? Aber ja!
wb

 RAVICHANDRA KULUR, REMBRANDT FRERICHS & HEIKO DIJKER: Out The Frame
RAVICHANDRA KULUR, REMBRANDT FRERICHS & HEIKO DIJKER
Out The Frame
(ZenneZ Records)


Der indische Flötist Kulur, der seine Kunst auf der Holzquerflöte Bansuri häufig in den Dienst stil- und genreübergreifender Musikprojekte stellt, hat mit seinen niederländischen Kollegen Frerichs (Klavier) und Dijker (Tabla) ein hinreißendes Album eingespielt. Die fünf Improvisationen über komponierten Themen lassen den drei Musikern Raum für Spielfreude und Virtuosität. Anhören und genießen!
wb
 I-OCTANE: Love & Life
I-OCTANE
Love & Life
(Conquer The Globe Productions)


Wenn die These stimmt, dass das Private auch politisch sei, so haben wir hier ein hochpolitisches Album. Der 34-jährige Jamaikaner Byiome Muir alias I-Octane reflektiert in den 17 Songs seines aktuellen Albums die Höhen und Tiefen von Liebesbeziehungen. Am Anfangs ist es „Passionate Love“, dann stellt man fest, dass man „Nothing In Common“ hat, und enden tut’s mit „Unfair Games“. Tja, so ist das Leben ...
wb

 PROTOJE: A Matter Of Time
PROTOJE
A Matter Of Time
(Mr. Bongo)


Oje Ken Ollivierre alias Protoje mag Reggaefans hierzulande durch Kooperationen mit Gentleman oder von Festivals (Summerjam, Chiemsee Reggae Summer) her bekannt sein. Auf seinem neuen Werk finden wir die bewährten Anlehnungen an die Klassiker des Genres, die ihn in seiner Heimat zu einer Leitfigur des Reggaerevivals werden ließen. Wer also feinen Rootsreggae schätzt, ist hier genau richtig.
wb
 REBELUTION: Free Rein
REBELUTION
Free Rein
(Easy Star Records)


Das kalifornische Quartett um Sänger Eric Rachmany leistet sich auf seinem sechsten Album einige moderate Abstecher in verwandte Musikgenres. So kommen etwa „Healing“ und „Constellation“ sehr folkig daher und „Trap Door“ hat gar ein leichtes Funkflair. Ansonsten dominiert der gute alte Reggae, und damit der auch perfekt klingt, engagierte die Band Erfolgsproduzent (und Protoje-Cousin) Don Corleon.
wb

 TRIBAL SEEDS: Roots Party
TRIBAL SEEDS
Roots Party
(Tribal Seeds Music)


Gelegentlich erlauben sich Reggaefans das hypothetische Gedankenspiel, wie denn die Wailers wohl heute klingen würden. Der Spaß sei ihnen hiermit verdorben – hier ist die Platte, die auf absoluter Ohrenhöhe mit den Altvorderen steht! Das Septett aus San Diego hat den wailerschen Reggae aufgesaugt, verinnerlicht und in die Gegenwart gebeamt. Tosh und Marley können weiter ruhen. Ihre Tradition lebt!
wb
 : rezi-legende
Walter Bast (wb)


Bücher
 FRANK SCHÄFER: Burg Herzberg Festival – since 1968 / Mit einem Nachwort von Ulrich Holbein.
FRANK SCHÄFER
Burg Herzberg Festival – since 1968 / Mit einem Nachwort von Ulrich Holbein.
verlag-reiffer.de
(Meine : Reiffer, 2018. – 270 S. : mit zahlr. Fotos)
ISBN 978-3-945715-68-0 , 39,90 EUR


1968: Love & Peace & Music. Bunte Klamotten, lange Haare, Auflehnung gegen Autoritäten und Spießertum. 1968: Beginn einer neuen Zeit? Vieles kam ins Rollen – es gab segensreiche, längst überfällige Entwicklungen, aber durchaus auch Irrwege. Ich war damals Internatsschüler in Marburg. Jedes Jahr feierten wir ein großes Beat-Fest. Meistens mit der Lokalband The Petards aus Schrecksbach. Das waren unsere Helden. „The Petards sind Mitte der 60er-Jahre der heißeste Scheiß im oberhessischen Schwalmgebiet“, schreibt Frank Schäfer in seinem Prachtband zur Geschichte der Burg-Herzberg-Festivals. Ehrgeizig wie sie waren, veranstalteten die Petards ein Rockfestival bei sich in Schrecksbach, das sie schon bald auf die Burg Herzberg bei Bad Hersfeld verlegten. Alles, was damals in Deutschland beatmäßig Rang und Namen hatte, trat dort auf: The Rattles, Can, Frumpy, Embryo, Guru Guru, Tangerine Dream, Amon Düül II, Floh de Cologne … Doch was 1968 so verheißungsvoll begann, war nach drei Festivals schon wieder beendet. The Petards lösten sich 1971 als Gruppe auf, womit die Veranstalter ausfielen. Erst zwanzig Jahre später hauchte der Plattenhändler Kalle Becker aus Fulda dem Festival auf dem Herzberg neues Leben ein. Und er beschränkte sich nicht allein auf deutsche Künstler, sondern gab „Europas größtem Hippie-Convent“ einen internationalen Anstrich, indem er zusätzlich Stars wie Jeff Beck, Pentangle, Pretty Things, Richie Havens, Country Joe McDonald oder Iron Butterfly verpflichtete. Angereichert mit zahlreichen Anekdoten und vielen aussagekräftigen Bildern schildert Schäfer die abwechslungsreiche Geschichte dieses „Bonsai-Woodstocks“, das mit neuer Mannschaft bis auf den heutigen Tag existiert. Ein wohltuend bunter Farbklecks innerhalb der oft moralinsauren Diskussion um die legendären Achtundsechziger!
Kai Engelke
 GINA PIETSCH: Mein Dörfchen Welt – Autobiografie.
GINA PIETSCH
Mein Dörfchen Welt – Autobiografie.
eulenspiegel.com
(Berlin : Verl. Neues Leben, 2017. – 271, XVI S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-3-355-01864-7 , 19,99 EUR


Den Freunden des Chansons und politischen Liedes besonders im Osten Deutschlands ist Gina Pietsch vor allem als herausragende Brecht-Interpretin bekannt. In ihrer Autobiografie schildert sie ihren künstlerischen Werdegang von der Schulzeit in Rudolstadt über ihr Pädagogikstudium in Leipzig und später an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin bei der großen Gisela May bis hin in unsere Zeit. Mit der Songgruppe Jahrgang 49 ist sie auf Tourneen erfolgreich – weltweit, auch im Westen. Sie arbeitet mit allen Größen der DDR-Liedszene zusammen: Reinhold Andert, Barbara Thalheim, Tamara Danz. Später beginnt sie eine Solokarriere, überwiegend in kleineren Klubs, begleitet von Stefan Körbel oder dem Jazzer Hannes Zerbe. Nach der Wende spielt sie auch Kabarett, singt Berliner Lieder, Tucholsky, Kästner und Theodorakis und wird Dozentin an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin. Offen gibt sie im Buch eigene Fehler zu wie ihre Zustimmung zur Ausbürgerung Biermanns oder schreibt über ihre Dreiecksbeziehung zu Ekkehard Schall. Sie spart nicht mit Kritik an der DDR-Zensur und am heutigen Kulturbetrieb, wo solide Ausbildung oft fehlt. Das Buch ist ein Stück DDR-Geschichte, glaubwürdig und humorvoll.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 HELEN HAHMANN: Wir singen nicht, wir sind die Jodler – Ethnologische Perspektiven auf das Jodeln im Harz.
HELEN HAHMANN
Wir singen nicht, wir sind die Jodler – Ethnologische Perspektiven auf das Jodeln im Harz.
waxmann.com
(Münster [u.a.] : Waxmann, 2018. – 187 S. : mit s/w-Fotos u. Notenbeisp. – (Inter)
ISBN 978-3-8309-3672-5 , 29,90 EUR


Jodler im Harz? Nach der Beschäftigung mit andinen Naturhörnern und peruanischer Musiktradition beschloss die Ethnomusikologin Helen Hahmann, für ihre Dissertation einen musikalisch-soziologischen Mikrokosmos im Harz zu untersuchen, den meist im Verein und auf Wettbewerben ausgeübten Brauch des Jodelns. Daraus entstand ein Buch, das man nur jeder Person ans Herz legen kann, die an den Fragen Brauchtumsgeschichte, Innenexotik, Identitätsentwicklung oder schlicht an den Erscheinungsformen des Jodelns interessiert ist. Durch eine Fragestellung zwischen Innenansicht und ethnologischem Draufblick, durch respektvollen, aber sachlichen Umgang mit dem Harzer Phänomen des Jodelns gelingt es Helen Hahmann, den Kreis zwischen Brauchtum und Ethnologie zu schließen und damit zu verdeutlichen, dass der Wert und der Gehalt von regionaler Heimatkultur in globalem Zusammenhang betrachtet werden muss. Trotz fachlicher, wissenschaftlicher Untersuchung klingt viel Persönliches durch, was das Buch noch glaubhafter und jenseits der Wissenschaft spannender macht.
Ulrike Zöller
 SIAVASH BEIZAI: Ansätze zu einer Harmonielehre der persischen Kunstmusik : zur Geschichte, Theorie, Entwicklung und Praxis.  MARKUS SCHMIDT: Prinzipien des Improvisierens in der nordindischen Kunstmusik : Empirische Untersuchungen der Unterrichts- und Aufführungspraxis.
SIAVASH BEIZAI
Ansätze zu einer Harmonielehre der persischen Kunstmusik : zur Geschichte, Theorie, Entwicklung und Praxis.
vwb-verlag.com
(Berlin : VWB-Verl., 2016. – 248 S. : mit zahlr. Notenbeisp. + CD. – (Intercultur)
ISBN 978-3-86135-651-6 , 42.00 EUR


MARKUS SCHMIDT
Prinzipien des Improvisierens in der nordindischen Kunstmusik : Empirische Untersuchungen der Unterrichts- und Aufführungspraxis.
vwb-verlag.com
(Berlin : WVB- Verl., 2018. – 232 S. : mit zahlr. Notenbeisp. + CD . – (Intercult)
ISBN 978-3-86135-653-0 , 43,00 EUR


Zwei musikwissenschaftliche Veröffentlichungen zu Themen, die den musikalischen Laien kaum interessieren dürften, zumal die Lektüre einiges an musiktheoretischem Wissen voraussetzt. Grundsätzlich kann man dennoch recht einfach beschreiben, was hier ausführlich und fundiert von Kennern der Materie erörtert wird. Markus Schmidt geht der Frage nach, wie viel Raum die Improvisation in der klassischen nordindischen Musik einnimmt. Das vorherrschende Prinzip der Imitation bestimmt den Unterricht, das heißt über Jahre spielt ein Schüler Note für Note nach, was ihm der Lehrer vorspielt oder -singt. Schmidt gelingt es, grundsätzlich den Blick für die Frage zu schärfen, was Improvisation ihrem Wesen nach überhaupt ist, bevor er sich anhand zahlreicher Beispiele bemüht, Prinzipien und Regeln eines eher intuitiv erworbenen Improvisationswissens herauszuarbeiten.
Siavash Beizai behandelt das Thema der Harmonielehre in der persischen Kunstmusik. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam die Idee der Harmonisierung durch die Begegnung mit der europäischen Musikkultur auf. Die Vierteltönigkeit in der persischen Musik macht neben der Notwendigkeit einer speziellen Notation bereits die Intervalllehre zu einer äußerst komplexen Angelegenheit. Dass eine angepasste Funktionsharmonik auf die Modi der persischen Kunstmusik möglich ist, zeigt Beizai an zahlreichen Beispielen, die durch Hörbeispiele auf der beigelegten CD nachvollzogen werden können.
Keine leichte Kost, trockene Fachsprache – allerdings richten sich diese Publikationen, wie zahlreiche andere des VWB, an ein gut unterrichtetes Fachpublikum oder Hörer mit sehr speziellen Interessen.
Rolf Beydemüller

 ULLI BÖGERSHAUSEN: Deutsche Volkslieder für Fingerstyle Guitar.
ULLI BÖGERSHAUSEN
Deutsche Volkslieder für Fingerstyle Guitar.
acoustic-music-books.de
(Wilhelmshaven : Acoustic Music Books, 2018. – 55 S. : Noten, TAB. – (AMB ; 3166))
ISBN 978-3-86947-366-6 , 16,90 EUR


Volkslieder, egal ob deutsch oder international, so zu arrangieren, dass sie auf einer Sologitarre nicht banal klingen, setzt große musikalische Erfahrung und klangliches Vorstellungsvermögen voraus. Darüber verfügt der Autor in reichem Maße, wie er auf zahlreichen Tonträgern bewiesen hat. Eine derartige Veröffentlichung fehlte im Grunde genommen schon seit langer Zeit. Mittlerer Schwierigkeitsgrad, ab und an wird die tiefe E-Saite auf D gestimmt. Sehr schöne Spielliteratur für den Deutschfolkfreund.
Rolf Beydemüller
 BILLIE RUBIN: Böse Barden – ein Nürnberger Festival-Krimi.
BILLIE RUBIN
Böse Barden – ein Nürnberger Festival-Krimi.
buchmedia.de
(München : Allitera-Verl., 2018. – 236 S.)
ISBN 978-3-96233-030-9 , 14,90 EUR


Das Nürnberger Bardentreffen als Schauplatz eines Krimis, der auch noch direkt vor dem Barrentreffen 2018 in Nürnberg präsentiert worden ist! Da ist es kein Zufall, dass das diesjährige Motto des Bardentreffens – „Poesie & Rhythmus/RAP“ – in der Person der Rapperin LeyLa im Buch Einzug hält. LeyLa hat arabische Wurzeln und soll beim Bardentreffen auftreten, aber sie erhält seit Monaten Drohbriefe und fremdenfeindliche Hassbotschaften. Deshalb wird Kommissarin „Charly“ Brown LeyLa während des Nürnberg-Aufenthaltes als Personenschützerin zugeteilt, was jedoch, je näher der Auftritt rückt, zunehmend schwieriger wird. Und dann wird kurz vor dem Auftritt eine junge Frau ermordet, die LeyLa nahestand. Vom Täter fehlt jede Spur. Der Auftritt rückt näher, und die Altstadt Nürnbergs wird voller und voller …
Doris Joosten

Besondere
VOLXTANZ
Live
(DMG Records), mit spärlichen engl. Infos


Wer wie die Rezensentin gerne im Sommer ins serbische Guča zum Trompetenfestival fährt, weiß, was gute Blasmusiker leisten können. Man muss nur einmal das kompakte, abwechslungsreiche Ederlezi-Arrangement hören, das Saša Kristić in diesem Jahr dort vortrug, dann hat man eine Ahnung, was geht. Offensichtlich geht aber noch einiges mehr. Das beweisen Volxtanz auf ihrem fünften Longplayer, der live eingespielt wurde. Endlich, möchte man sagen, denn wie ein Amazon-Käufer einmal zu einem von ihm mit fünf Sternen bewerteten Volxtanz-Album schrieb: „Live sind sie noch viel besser.“ In der Tat kombiniert der Mitschnitt aus dem Forum Mannheim die  VOLXTANZ: Live Soundqualität und Präzision einer Studioproduktion mit dem Druck und der Spielfreude, die die sieben Musiker bei Auftritten aufbauen. Dass es sich überhaupt um eine Liveproduktion handelt, bekommt man selten mit, denn das Klatschen des Publikums wurde weitgehend eliminiert. Umso mehr bleibt Raum, die Eigenkompositionen zu bewundern, die gleichzeitig hoch abwechslungsreich und extrem partytauglich sind. Empfindet man andere Blaskapellen irgendwann als limitiert in ihrem Instrumentarium, kommt dieser Verdacht bei Volxtanz nie auf. Das liegt zum einen daran, dass im Rahmen der Arrangements jeder Musiker immer noch die Möglichkeit wahrt, er selbst zu sein und nicht nur eine Rolle auszufüllen. Es hängt aber auch damit zusammen, dass die Stuttgarter Musiker um die Saxofonisten Steffen Dick und Heiko Giering Anleihen bei verschiedensten Traditionen wie Afrobeat, Balkan Brass und Jazz machen – sie selbst bezeichnen ihre Melange übrigens als „International World Beat“. Zurecht hat das Septett 2013 den Creole-Wettbewerb Südwest gewonnen und ist 2014 als Bundessieger aus dem Creole-Wettbewerb für Globale Musik hervorgegangen. Groove, Können, Stimmung – auf diesem Album passt absolut alles zusammen.
Ines Körver
DHAFER YOUSSEF
Sounds Of Mirrors
(Ante Prima Productions)


Wie so manche Dinge im Leben ist auch das Hören von Musik häufig eine Sache von Kopf und Bauch. Mal lauschen wir dem musikalischen Geschehen analytisch und relativ emotionslos, mal wirft uns das Gehörte gefühlsmäßig so in die Ecke, dass für klare Gedanken herzlich wenig Platz zu sein scheint. Ich muss gestehen, dass ich auch nach mehrmaligem Hören der neuen Platte des tunesischen Sängers und Oud-Virtuosen Dhafer Youssef eher der Analytikfraktion angehöre. Dabei sind Musik und Besetzung vom Feinsten. Der türkische Klarinettist Hüsnü Şenlendirici ist ein Gigant auf seinem Instrument, Zakir Hussain brennt wie gewohnt ein perkussives Feuerwerk auf seinen Tablatrommeln ab, und der  DHAFER YOUSSEF: Sounds Of Mirrors Norweger Eivind Aarset macht mit seinen Gitarren, Effektgeräten und Synthies das, was ihn auch im Molvær-Umfeld oder mit seiner eigenen Band auszeichnet: gepflegt ambientes Geräusch. Youssef selbst spielt eine brillante Oud und jagt seine Stimme vom tiefen Brummen ins extreme Falsett. Und doch bleib’ ich kühl – kein Gefühl. Nebenbei irritiert mich der Titel des Albums. Welche Klänge erzeugen Spiegel außer dem Klirren, wenn man sie zerdeppert? Möglicherweise hilft hier ein kleiner Abstecher in den Zen-Buddhismus, und man muss den Titel als Koan, als Rätsel sehen, vergleichbar mit Michael Endes „Was spiegelt sich in einem Spiegel, der sich in einem Spiegel spiegelt?“. In den Siebzigern hing in jedem zweiten deutschen Badezimmer ein Schränkchen mit einem Spiegeltryptichon, das uns nach Aufklappen der Seitenteile beim Hineinschauen eine kleine Ahnung von Unendlichkeit vermittelte. Ich werde mir Sounds Of Mirrors also von Zeit zu Zeit immer mal wieder auflegen, und wer weiß, vielleicht erwischt mich die Musik irgendwann einmal in einer Situation, in der sie mich völlig umhaut.
Nachsatz: Dhafer Youssefs neues Werk hat die Hervorhebung als besondere CD mehr als verdient, auch und gerade, weil der Rezensent an ihm gescheitert ist.
Walter Bast

WOLFGANG MICHELS
Erntezeit
(Glitterhouse), mit dt. Texten u. engl. Infos


Zwölf Lieder versammeln sich auf dem letzten Album, das Wolfgang Michels selbst gestalten konnte. Alle haben Tiefgang, enthalten Lebensweisheiten oder drücken die Freude am Leben aus. Lässig und selbstverständlich vorgetragen, ohne Pathos, ohne moralische Besserwisserei, sondern beiläufig treffsicher. „Genialer Tag“ oder „Eiskalt“ – jedes Stück hat Ohrwurmpotenzial. Michels, der am 14. September 2017, genau ein Jahr vor der Veröffentlichung starb, hat hiermit sein Vermächtnis geschaffen. Dass die „Erntezeit“ seines Lebens nahte, wusste er, seit er mit dem tödlichen Verlauf seiner unheilbaren Lungenkrankheit, die ihm die Stimme nahm, rechnen musste. Das Ende kam schneller als erwartet. Er konnte die  WOLFGANG MICHELS: Erntezeit Fertigstellung nicht mehr begleiten, hatte aber genau übermittelt, wie das Album werden sollte und verfügt, dass es beim Independent-Label Glitterhouse herauskommt. Diese Entscheidung basierte darauf, dass er zum Schluss noch einmal so klingen wollte, wie es sich für ihn authentisch anfühlte. Das richtige Händchen für diese pure Anmutung versprach er sich vom Label, das auch seine eigenen Idole wie Neal Casal und Butch Hancock herausgebracht hat. So geschah es. Der Delmenhorster, der schon mit sechzehn Jahren bei einem Soloauftritt von Alexis Korner, dem „Vater des britischen/weißen Blues“ entdeckt wurde, war ein unbekannter Star. Er hat eine hauptsächlich von Musikern und Kritikern hochangesehene Laufbahn als Solokünstler, viele Male Bandleader und sogar Label-Gründer (der ersten Virgin-Records) hinter sich. Er hatte Erfolg in Großbritannien, arbeitete eng mit Rio Reiser zusammen, tourte mit Neil Young. Michels spielt hier vor allem Gitarre und singt, versammelt viele Künstler, darunter fast in jedem Stück Bernt Köhler-Adams oder Jörn Heilbut, einst Mitglied der Jeremy Days. „Bald zu Hause“ hat er zusammen mit Rio Reiser geschrieben. Freude und Erkenntnis ziehen sich durch die Lieder. „Wenn ich mich so fühl wie heute, möcht ich gerne zweimal leben …“ singt Michels in „Wenn ich mich so fühl“.
Imke Staats
GECKO TURNER
Soniquete – The Sensational Sound Of Gecko Turner
(Lovemonk)


Spaniens Populärmusik birgt einige extravagante, sympathisch aus der Norm fallende und gerade dadurch beliebte Nerds. Einer dieser Musikerschelme ist der 1966 in Badajoz, der Hauptstadt der nahe der portugiesischen Grenze gelegenen Extremadura, einer der ärmsten Regionen Spaniens, geborene Gecko Turner. Der Singer/Songwriter mit dem spleenigen Künstlernamen ist eine eigenwillige Allianz aus modernem Troubadour und von kubanischen (unter anderem) Latin-Traditionen, Funk, Blues, Jazz und Rock und vielem mehr gespeistem (Afro-)Beatnik. Der Autodidakt begeisterte sich schon als Teenager für Beatles, Stones und Dylan, ließ dann zusammen mit Bands wie Perroflauta oder The Reverendoes schon seine eklektizistische Herangehensweise erkennen.  GECKO TURNER: Soniquete – The Sensational Sound Of Gecko Turner Kurzzeitig versuchte der Sänger und Gitarrist in den Achtzigern auch mal sein Glück auf den Straßen Londons. Fernando Gabriel Echave Pelaez, so sein bürgerlicher Name, ist nach wie vor ein hipper wie gut gehüteter Geheimtipp und nun mit diesem Best-of-Album verdientermaßen auch bei uns endlich ausführlicher kennenzulernen. Seine auf Spanisch und Englisch intonierten, quasi panamerikanisch-iberischen Songs versprühen ungeheuer viel Funkiness. Der „Afromeño“, wie er in den spanischen Medien genannt wurde, ist von seinem musikalischen Esprit her fürwahr der womöglich „schwärzeste“ Musiker der iberischen Halbinsel, der sich von jeher spielend leicht mit Musikern diverser Afrokulturen zusammentat. Die Kompilation versammelt vierzehn seiner markantesten und populärsten, mit verschmitzter Sozialkritik gespickten Songs aus seinen seit 2003 veröffentlichten Alben unter eigenem Namen. Zum Beispiel den lässig-zurückgelehnten Afrobeat „$45.000 (Guapa Pasea)“, die Samba „Un Limón En La Cabeza“ oder das afrokubanisch-verschmitzte, gut tanzbare „Toda Mojaíta“ (an dessen drolligem Videoclip Hundefreunde ihren Spaß haben werden). Der einzige neue Track („Cortando Bajito“) fällt in seinem funkigen Retrocharme eigentlich nicht groß auf, schon gar nicht als Novum. Gecko Turner zieht einfach entspannt weiter auf seinem guten Weg.
Katrin Wilke

Deutschland
 KAI DEGENHARDT: Auf anderen Routen
KAI DEGENHARDT
Auf anderen Routen
(Plattenbau), mit Texten


Ein einsamer Mensch steht auf einem Schiffsdeck, rundherum die offene See – so illustriert das Cover die neue Produktion von Kai Degenhardt, und so melancholisch und nachdenklich hört sie sich auch an. Sein letztes Album erschien vor sechs Jahren, und in seinem Leben und in der Welt hat sich seitdem viel verändert. Privat eine Trennung und politisch dreht sich die Erde auch nicht gerade linksherum, aber seine kritische Sicht auf die bestehende und die Träume von einer anderen, besseren Welt sind nicht aufgegeben. Er ist aber kein Agitator, seine Lieder sind klug, voller poetischer Bilder und versteckter Bezüge, verbunden mit zurückhaltend raffinierter Folkmusik. Ein besonderer Bezug besteht natürlich zu den Liedern seines Vaters, in dessen Tradition er sich stellt. Was bei dem die „Befragung eines Kriegsdienstverweigerers“ oder die „Arbeitslosigkeit“ war, ist beim Sohn die Werbetour für Auslandseinsätze der Bundeswehr bei Schülern. Auch die skurrilen Figuren, die schon Vater und Tante so anschaulich zu Papier brachten, fehlen bei ihm nicht. Im Untergangshotel Imperial Grand Übersee geben sie sich ein Stelldichein. Einblicke in sein privates Empfinden gibt er in mehreren einfühlsamen Liedern. Ein gelungenes, anspruchsvolles Album.
Rainer Katlewski
 LAURA HELLER: Travelling Further
LAURA HELLER
Travelling Further
(Eigenverlag), mit engl. Texten


Darf man eine Künstlerin „niedlich“ oder wenigstens „bezaubernd“ nennen? Die glockenhelle, jugendliche Klangfarbe erinnert an den Geruch von Lagerfeuer und Pfadfindergruppen. Dazu passt eine naiv klingende, jedoch unglaublich kluge Gitarrenbegleitung. Mit Studentenbrille und langen Haaren, dem eigenen Vater als Begleitmusiker und Katze auf dem Arm, so viel heile Welt kann man nicht erfinden. Wessen Herz sich von Laura Heller nicht erweichen lässt, der zertritt auch Gänseblümchen. Laura Heller komponiert ihre Songs – überwiegend auf ihren Reisen – selbst und das auf hohem Niveau. Die Lieder in englischer Sprache müssen sich vor Paul Simon oder Ane Bruns nicht verstecken. Der behutsame Einsatz von Ukulele und Akkordeon verursacht wohlige Gänsehaut. Die Stimme trifft nicht jeden Ton, aber immer ins Herz. Egal ob die Künstlerin sich entscheidet, sich selbst zu begleiten, mehrstimmig zu singen oder sich vom Vater unterstützen zu lassen, es ist immer die richtige Entscheidung, es klingt immer genau so, wie man es gehofft hat. Nach dem Hören des Albums verfällt man erst einmal in Ruhe, kein anderes Lied hat jetzt noch Platz. So viel Schönheit muss erst einmal verkraftet werden.
Chris Elstrodt

 MARION & SOBO BAND: Esprit Manouche
MARION & SOBO BAND
Esprit Manouche
(Acoustic Music), mit span., engl., dt. u. frz. Texten


Wunderbar, wie spielerisch leicht diese Band den Hörer bereits mit den ersten Tönen bezirzt. Man sieht förmlich die Straßenmusiker vor sich, vor einer Traube von Zuhörern, die alle ihre ach so wichtigen Termine kurz vergessen, um sich den französisch angehauchten Gypsy-Klängen hinzugeben. Zu Hause im Wohnzimmer wünscht man sich als Allererstes jemanden zum Mittanzen und Freuen, viel Platz zum Feiern und vielleicht ein gutes Getränk. Esprit Manouche bringt Lebenslust und Spielfreude in jeglichem Wortsinn in die vergrämte Welt und vieles von dem, was wir gerade so dringend brauchen: Hoffnung, Sinnlichkeit und ein befreiendes Lächeln. Über vierzehn Tracks hinweg schaffen Marion und ihre Bande, die gute Laune zu vertiefen. Das klingt nie langweilig und ist voller liebevoller Überraschungen. Gitarrist Sobo lässt Django Reinhardt auferstehen; Sängerin Marion bringt gleich in vier Sprachen die Gäste jeder Cocktailbar zum Erröten; die Geige klingt, als wäre sie in Bukarest gestohlen, und der Bass donnert weit kräftiger, als man es einem Begleitinstrument üblicherweise zugesteht. Wenn Antidepressiva nicht mehr helfen, Esprit Manouche gibt es rezeptfrei und ist absolut unwiderstehlich.
Chris Elstrodt
 DORIS ORSAN & JOHANNES TONIO KREUSCH: Tangos & Canciones
DORIS ORSAN & JOHANNES TONIO KREUSCH
Tangos & Canciones
(GLM)


Wie das Duo Orsan & Kreusch den Tango aufs Parkett legt, ist hinreißend. Ja, er prickelt, knistert und sprüht so vor Leidenschaft, dass man tanzbegierig und reiselustig rufen möchte: „Buenos Aires, ich komme!“ Es ist schon ein Drahtseilakt, wenn oft gespielte Repertoirestücke wie Piazzollas „Oblivion“, sein berühmtes „L’Histoire Du Tango“ oder die „Siete Canciones“ von de Falla zum wiederholten Male aufgenommen werden. Wenn das allerdings so leichthändig und aus reiner Spielfreude getan wird wie hier, ist von Drahtseilakt keine Rede mehr. Doris Orsan (Violine) und Johannes Tonio Kreusch (Gitarre) sind nicht nur ein Bühnenpaar, sondern auch privat miteinander liiert. Vielleicht liegt darin ihr Geheimnis, sich ganz intuitiv, fast selbstvergessen und mit großer Verve an das lateinamerikanisch-iberische Panorama der modernen Klassik zu wagen. Tulio Peramo Cabrera zählt zu den bekanntesten kubanischen Komponisten. Die viersätzige Tanzsuite „Cuatro Piezas“, die er extra für die beiden Interpreten geschrieben hat, und das dreisätzige „Tripticon Porteño“, ein weiteres Widmungsstück des Argentiniers Máximo Diego Pujol, sind als Weltersteinspielungen die Highlights dieses Albums.
Stefan Sell

 FUNNY VAN DANNEN: Alles gut, Motherfucker
FUNNY VAN DANNEN
Alles gut, Motherfucker
(Edition Tiamat)


Wie heißen denn diese lustigen Dinger, die man in Spielzeugläden bekommt und in denen man ständig wechselnde bunte Bilder beim Durchschauen sieht? Teleidoskope, genau das sind die Lieder von Franz-Josef Hagmanns-Dajka alias Funny van Dannen. Man nimmt immer wieder wechselnde Gedanken, kaum festzuhaltende Facetten der Wirklichkeit bei ihm wahr, Spinnereien, Fantasien, Wortspielereien, Pfiffiges, Kritisches und Weisheiten zu flotter Gitarrenmusik. Kurze, knappe Songs, ein paar knackige Gedanken, fertig ist das Lied. Wie soll man dem Wahnsinn unserer Zeit begegnen? Am liebsten ist er ja superglücklich, weil er sonst die vielen Eindrücke nur so schwer ertragen könnte. Doch es gibt auch noch die, die „waren zu dumm für das Glück“. Da hilft es auch nicht immer, in den Park zu gehen und den Hang hinunterzurollen, und selbst Engel dürfen Gott nicht alles fragen und nicht alles wissen. Andererseits singt keiner so locker lakonisch wie er und dennoch ernst und entschlossen gegen Rechtsradikalismus und religiösen Fanatismus. Er ist schon seine eigene Marke, er sitzt nicht zwischen den Stühlen, er tanzt eher mittendrin umher. „Wenn ihr die Geschichte nicht glaubt, denkt euch selbst eine aus.“
Rainer Katlewski
 RAINER WEISBECKER: Ranzereiße
RAINER WEISBECKER
Ranzereiße
(Schatzebobbes Records), mit Fotos u. dt. Infos


Rainer Weisbecker erzählt auf seinem sechsten Album laut Faltblatt „in 50 Minuten […] 15 Liedern und Blues seine schrägen Geschichten in Frankfurter Mundart, ohne auch nur einmal die Worte Äppelwoi, Bembel und Handkäs zu verwenden“. Ja, auch ohne diese Wörter ist Frankfurt am Main gemeint, nicht an der Oder. Die schrägste der bis auf zwei selbst geschriebenen Geschichten ist wohl die des Mannes, der sich eine „elektrisch Fraa“ bastelt, die dann mit seinem Kühlschrank fremdgeht. Weniger schräg, dafür familienhistorisch authentisch ist die Liebesgeschichte seiner Eltern in „De Unnergass“, die dann ihn als Nachwuchs hervorbrachte. Mal singt er seinen Blues mit „Gidarr“ und „Tequilla“ „am Küschetisch“, mal ein Lied über einen Schwarzbrenner, dessen „Schnäpsje“ dann sogar Petrus im Himmel überzeugt, mal eines über Leute, die nur „Ferz mit Kricke“ im Kopf haben. In Zeiten, in denen Mundarten innerhalb von zwei bis drei Generationen einfach verschwinden, weil sie im Alltag nicht mehr gesprochen werden, sind solche Aufnahmen zumindest Zeugnisse davon, wie die „Leit als gebabbelt habbe“, vielleicht aber auch Quellen für die, die sie wieder erlernen wollen.
Michael A. Schmiedel

 WE USED TO BE TOURISTS: The Benefit Of Doubt
WE USED TO BE TOURISTS
The Benefit Of Doubt
(Couch ’n’ Candle)


Manchen Veröffentlichungen kann eine Rezension einfach nicht gerecht werden. Das zweite Album der Kölner Independent-Folk-Truppe fällt vermutlich in diese Kategorie. Klar, es ist Folk, es ist Americana, es gibt viele akustische Gitarren, Banjos, Klavier und alles, was der Folkie so mag. Dann kann man auf den Selfmade-Charakter der Scheibe hinweisen, diese Mischung aus rauem Schliff, imperfektem Sound und begeisterten Musikern, die man im Allgemeinen mit dem Schlagwort „handgemachte Musik“ bewundert. Und man kann natürlich Vergleiche heranziehen. Hier klingt es nach Crosby, Stills & Nash, dort eher nach Giant Sand und ganz woanders auch mal nach Tocotronic. Aber alle Beschreibungen verblassen vor dem Eindruck von leuchtenden Augen, wenn man die Platte auflegt und zu seinem musikbegeisterten Freund sagt: „Hör mal, ich hab da etwas entdeckt.“ Die Kölner zählen zu den Gruppen, die irgendwann einmal Lieblingsband von Haldern-Pop-Festival-Besuchern werden. Die Songtexte sind genauso umwerfend wie die Kompositionen, abwechslungsreich, humorvoll und immer ins Herz treffend. The Benefit Of Doubt ist der Soundtrack zum Verlieben, in eine andere Person oder hilfsweise einfach in die Band.
Chris Elstrodt



Europa
 HILJA GRÖNFORS (& Latso Džinta): Katta Ame Aavaat
HILJA GRÖNFORS (& Latso Džinta)
Katta Ame Aavaat
(Global Music Centre), mit finn. Texten u. Zusammenfassungen auf Romanés


Hilja Grönfors ist eine finnische Romni und in ihrer Musik spiegeln sich beide Traditionen wider. Ihre frühen Jahre hat sie im Wohnwagen gelebt und zog mit ihrer Familie durch Finnland, heute ist sie aktiv als Sammlerin, um den Liedschatz der finnischen Roma zu dokumentieren und für die Nachwelt zu bewahren. Auf diesem Album gibt sie Einblick in die Vielfalt dieser Musik. Sie singt auf Finnisch, dem Finnisch der Roma, also durchsetzt mit Wörtern aus dem Romanés und teilweise anderer Aussprache als im „Standard“-Finnischen. Es geht los mit purem Gypsy Swing, es gibt finnischen Tango, es gibt Walzer und Melodien, die weite Reisen hinter sich haben. „Midnight In Moscow“ hören wir ebenfalls heraus, und schon sind wir bei weiteren Einflüssen, russische Seele in Hochform, und manches Lied wird als große Oper zelebriert. Mandoline, Gitarre, Akkordeon und vor allem Geige liefern die musikalische Begleitung, aber das Besondere an diesem wegweisenden Werk – denn in Finnland ist bisher viel zu wenig geschehen, um die Romakultur des Landes zu dokumentieren – ist die umwerfende Stimme von Hilja Grönfors.
Gabriele Haefs
 ÌMAR: Avalanche  TALISK: Beyond
ÌMAR
Avalanche
(Big Man Records)


TALISK
Beyond
(Eigenverlag/Talisk Records)


Der Titel passt! Die Musik auf dem zweiten Album der fünf Powermusiker kommt tatsächlich wie eine Soundlawine über die Zuhörerschaft. Die Auslöser der Lawine sind Konzertina, Bodhrán, Gitarre, Fiddle, Flöte, Uilleann Pipes, Whistle, Bouzouki und als Gast Donald Shaw am Piano. Die Tunes schreiben Amini, Callister und Murphy selbst, nur zum Schluss greifen sie zweimal auf Mr. Trad zurück. Das ist technisch einwandfreier Hochgeschwindigkeitsfolk, der wie bei „Afar“ oder „Be Thou“ auch mal ein wenig melancholisch werden kann. Auf Tonträger staunt man über die flinken Finger, live jedoch entfalten die Berserker ihren ganz besonderen Charme.
Das gilt besonders für Konzertinaspieler Mohsen Amini (siehe auch Beitrag in dieser Ausgabe auf Seite 28), der sein Instrument mit dem ganzen Körper spielt. Das macht er bei Ímar und beim Trio Talisk (plus Fiddle und Gitarre), wo er auf deren drittem Album neben Andrea Gobbi (ebenfalls Produzent von Ímar) als Koproduzent fungiert. Auch hier Instrumentalmusik, durchaus mal sehr schnell, aber ob der Fiddlerin nicht mit dem offensichtlichen Testosteronspiegel von Ímar. Das resultiert in teils diffizileren Arrangements und auch Amini zeigt seine gefühlvollere Seite. Ímar und Talisk, der Daumen geht zweimal deutlich nach oben.
Mike Kamp

 RURA: In Praise Of Home
RURA
In Praise Of Home
(Eigenverlag/Rura Music)


Eine gewisse Regelmäßigkeit kann man den vier Herren aus Schottland nicht absprechen. Das ist das dritte Album und es erscheint wie Nummer zwei im Abstand von drei Jahren zum Vorgänger. Rura weben ihre selbst komponierten Instrumentals auf der Basis der Tradition mit den fast schon üblichen Instrumenten Pipes, Whistle, Piano, akustische und E-Gitarre, E-Bass, Bodhrán, Flöte und Fiddle – aber wie sie das machen, das ist eben nicht üblich. Das hat zum einen etwas damit zu tun, dass sie zusätzlich einen Synthesizer einsetzen, aber auch damit, welchen Effekt sie mit ihrer Musik erreichen wollen. Ruras Musik ist nämlich nur bedingt für ein reines Konzertpublikum geeignet. Was Steven Blake, Adam Brown (spielt auch bei Ímar), David Foley und Jack Smedley produzieren, ist ganz eindeutige Bewegungsmusik. Es geht weniger um Tanzen im herkömmlichen Sinn als darum, den Körper oder zumindest Teile davon zu aktivieren, rhythmisch, hypnotisch, euphorisch. Dazu passen dann auch die Stimmen-Samples beim Titelstück und dem einfühlsamen „I’ll Never Forget“, die zwar Geschichten erzählen, aber den Fluss der Melodien nicht unterbrechen. Kraftvolle, vorwärtsweisende Musik.
Mike Kamp
 SCHËPPE SIWEN: Sprëtztour
SCHËPPE SIWEN
Sprëtztour
(Eigenverlag/Finest Noise), mit Texten auf Luxemburgisch


Das zweite Album der 2009 gegründeten Folkpunk-Rocker aus Luxemburg erschien dort bereits 2016, fand aber jetzt erst den Weg über die Grenze nach Deutschland. Stilistisch unterscheiden sich die dem Bandnamen („Pik Sieben“) entsprechend sieben Musiker (inklusive einer Musikerin) nicht wesentlich von ähnlichen deutschen Projekten wie Fiddler’s Green, stechen aber deshalb heraus, weil sie in ihrer Landessprache singen. Das scheint selbst in ihrer Heimat ungewöhnlich zu sein, ziert doch das Cover ein Hinweis im Stil des bekannten „Parental Advisory“: „Fro deng Mamm, si versteet ët“ („Frag deine Mutter, sie versteht’s“). Schëppe Siwen vereinen hier denn auch acht Titel auf Luxemburgisch, die durch vier teils traditionell irische Instrumentals sowie einen englischen Bonustrack aufgelockert werden. Reizvoll ist die Anreicherung der eher klassischen Folkpunk-Besetzung aus Akkordeon, Geige, E-Gitarre, Bass und Schlagzeug mit einer Bläsersektion, die den meist rockig-fetzigen Songs eine zusätzliche eigene Note verleihen. Die Texte in mitunter für das Genre typischer expliziter Wortwahl plädieren für ein respektvolles Miteinander und gegen Gewalt, erzählen von enttäuschten familiären Beziehungen, Begegnungen mit dem Teufel oder rufen zur Party auf.
Stefan Backes

 SOKRATIS SINOPOULOS: Under The Rose Tree – Tunes From The Greek Musical Traditions
SOKRATIS SINOPOULOS
Under The Rose Tree – Tunes From The Greek Musical Traditions
(Saphrane Records), mit engl. Infos


Der Lyraspieler Sokrates Sinopoulos ist vielen als einer der vier Köpfe hinter dem schönen, wenngleich etwas strengen Album Thrace (Sunday Morning Sessions) bekannt. Er ist aber auch seit 2011 Chef eines Quartetts, das mit Eight Winds im Jahre 2015 eine beachtliche Produktion bei ECM abgeliefert hat. Seit geraumer Zeit schreibt Sinopoulos, der in Thessaloniki als Musikdozent arbeitet, seine eigene imaginäre Folklore, in die er die vielen musikalischen Erfahrungen, die er im Laufe seines Lebens gemacht hat, integriert. Bis zur Vollendung gelernt hat er sein Instrument – und übrigens auch die griechische Laute – bei Ross Daly, dessen Gruppe Labyrinthos er im Jahr 1989 beitrat. Gespielt hat er aber auch mit Charles Lloyd, Maria Farantouri, Loreena McKennitt und anderen. Aus der Zeit vor der Hinwendung zu den Eigenkompositionen ist nun eine Live-Einspielung aus dem Tropentheater in Amsterdam von 2010 erschienen, mit Kyriakos Tapakis (Oud), Yann Keerim (Piano) und Dimitris Emmanouli (Schlagwerk). Bei dieser nehmen Sinopoulos und seine Mitmusiker griechische Folklore als Ausgangsmaterial für stimmungsvolle Arrangements und ausgedehnte Improvisationen.
Ines Körver
 STERZINGER – KOEHLDORFER – SCHADEN: Keuschheit und Demut in Zeiten der Cholera
STERZINGER – KOEHLDORFER – SCHADEN
Keuschheit und Demut in Zeiten der Cholera
(Bayla Records), mit dt. Texten.


Nie war er listenreicher, der alte Fuchs Stefan Sterzinger, das Wiener Liedermacherurgestein, als mit seinem aktuellen Album, das mit seiner Absage ans Liebsein in Zeiten des sozialen Heißlaufs sich erst einmal querstellt. Anstatt simpler Politspruchblasen gibt es mit dem Sinn für Sprache lautmalerische Vokalspiele, die dem Nonsens auf die Sprünge helfen; banale Liebeslyrik macht Platz für den Eigensinn in der Liebe und verstörende Liebesspiele, die nicht im Ehehandbuch stehen. Wiener Dialekt entzieht sich dem Allgemeinverständlichen, Sprachspiele führen in die Untiefen des menschlichen Verstehens. All das ist möglich im Zusammenspiel des Sängers und Akkordeonisten Sterzinger mit dem akzentuiert und konzentriert spielenden Gitarristen Edi Koehldorfer, dem Bassisten Jörg Schaden und dem versehentlich nicht genannten Schlagzeuger Jörg Mikulla. Musik zum Zuhören in allen Lebenslagen, nicht zum Mitklatschen. Musik zur Kultivierung des Eigensinns und des Muts zum Anderssein. Bravo.
Harald Justin

 THE TANNAHILL WEAVERS: Òrach – The Golden Anniversary Album
THE TANNAHILL WEAVERS
Òrach – The Golden Anniversary Album
(Compass Records)


Fünfzig Jahre! Da waren einige Leser*innen dieser Seiten noch nicht einmal geplant! Und trotzdem zeigt das schottische Quartett keinerlei Altersschwäche. Im Prinzip ist Òrach ein qualitativ starkes Tannahill-Weavers-Album wie jedes andere. Kraftvolle Instrumentals mit Pipes und Fiddle als führenden Instrumenten werden abgelöst von gefühlvollen oder schwungvollen Songs traditionellen oder zeitgenössischen Ursprungs. Aber natürlich haben es sich die Tannies nicht nehmen lassen, dieses außergewöhnliche Jubiläum auch auf Silberling zu feiern. Wie könnte man das besser machen als mit einem tollen Beiheft und vielen der Weggefährten der letzten fünf Dekaden, die sie erneut ins Studio luden, zum Beispiel Dougie MacLean, Ross Kennedy, John Cassidy, Hudson Swan, diverse Piper und die asturische Band Llan de Cubel. Wenn dann noch höchst erfahrene Sessionmusiker wie Aaron Jones ihr Talent einbringen, steht einer tollen Geburtstagsparty nichts mehr im Weg. Und wer mitfeiern will: Im November kommen die Tannahill Weavers für zehn Konzerte nach Deutschland (siehe Serviceseiten in der Heftmitte) – rauschende Stimmung garantiert!
Mike Kamp
 WE BANJO 3: Haven
WE BANJO 3
Haven
(Eigenverlag)


Wir wissen mittlerweile, dass die eingängige, melodiöse Musik des doppelten irischen Brüderpaars keineswegs vom Banjo geprägt ist, auch wenn das Instrument immer präsent ist. Wir wissen auch, dass die Stilistik des dynamischen Akustikquartetts immer zwischen Irland und den USA pendelt und sich ganz dezent gen Amerika neigt. Wir wissen ebenfalls, dass sich die Texte ausnahmslos um Liebe mit den schönen und nicht so schönen Konsequenzen drehen. Und seit dem letzten Album wissen wir, dass We Banjo 3 Gastmusiker eigentlich nicht brauchen, aber problemlos in ihren Sound integrieren können, ohne ihren ureigenen Klang zu verlieren – bis hin zu einer Bläsersektion. Daher wissen wir, dass auf die Musik von We Banjo 3 Verlass ist, was Harmonien und Ohrwurmfaktor angeht. Also wissen wir schlussendlich, dass es eigentlich kein schlechtes We-Banjo-3-Album geben kann. Und das ist in dieser unsicheren Welt gut zu wissen!
Mike Kamp

Afrika
 MANOU GALLO: Afro Groove Queen
MANOU GALLO
Afro Groove Queen
(Contre Jour), mit frz. u. engl. Texten u. Infos


Manou Gallo ist unbestreitbar die ungekrönte „Afro Groove Queen“, nicht nur an ihrem fünfsaitigen E-Bass. Das musikalische Spektrum der ivorischen Musikerin reicht von feinstem Jazzrock über Soul und HipHop bis zu afrikanischen Bluesballaden mit Tiefgang. Beigetragen zu diesem modern klingenden Album, das nun beim belgischen Label Contre Jour erschienen ist, haben auch illustre Gäste wie Manu Dibango, Chuck D. (Public Enemy), Sabine Kabongo (Zap Mama) und Bootsy Collins (James Brown), in dessen Studio das Album aufgenommen wurde. Die dreizehn Songs vermitteln als eine Art persönliche Bestandsaufnahme Biografisches aus Gallos Musikerinnenlaufbahn. So erfahren wir neben Lebenserinnerungen und Referenzen an Weggefährten auch Näheres zu ihrem Hörsturz vor sechs Jahren. Sie erklärt im letzten Song „Tinitus“, dass sie auf einem Ohr zu achtzig Prozent taub ist und auf dem anderen unter einer Geräuschüberempfindlichkeit leidet, dass sie trotzdem Musik macht und sie mit uns teilen möchte. Selbstbewusst, mit ihren Wurzeln stets verbunden, kombiniert Manou Gallo ihre musikalischen Ideen und mitreißenden Grooves zu einer wunderbaren Melange kraftvoller Musik. Da kommt Freude auf, nicht nur bei Bassisten.
Christoph Schumacher



Nordamerika
 KATE CAMPBELL: Damn Sure Blue
KATE CAMPBELL
Damn Sure Blue
(Large River Music), mit engl. Infos


Was sofort auffällt ist, dass Damn Sure Blue sehr fett und doch natürlich aufgenommen ist. Die audiophilen Zuhörer werden hier voll auf ihre Kosten kommen. Im Großen und Ganzen bewegt sich Kate Campbell im Spektrum und der Klangästhetik des Folk und der klassischen Rockmusik unter Einsatz allerlei akustischer und elektrischer Instrumente. Zum Glück werden solche Feststellungen immer schnell unwichtig, wenn wunderbare Songs aus den Boxen springen. Gleich zu Beginn zeigt Kate Campbell, dass sie weiß, wie man geschickt phrasiert und so mit einfachen Mitteln Musik zaubert, die im Ohr bleibt. Mit natürlicher Stimme und einfachen Harmonien überzeugt sie auf Damn Sure Blue durchweg. Auch politisch wird sie hier und da, wenn es um die Freiheit und den Frieden geht, aber nie pathetisch oder anstrengend moralisch. Unter den insgesamt vier Coversongs verdient die Nummer „The Great Atomic Power“ der Country-Brüder Louvin besondere Erwähnung, die lässig rockig und mit Harmoniegesängen vorgetragen ist. Alles an dieser Veröffentlichung kommt sehr ehrlich daher, und man spürt außerdem, dass diese Dame aus Tennessee nicht erst seit gestern Musik macht. Absolute Empfehlung.
Ferdinand Kraemer
 JOE FILISKO & ERIC NODEN: Destination Unknown
JOE FILISKO & ERIC NODEN
Destination Unknown
(Eigenverlag)


Filisko und Noden sind im Pre-War-Blues verankert und aus der Szene nicht wegzudenken. Noden fingerpickt und groovt auf der Gitarre wie ein Uhrwerk, und Filisko setzt auf der Harp (mal akustisch, mal durch den Verstärker verzerrt) vor allem archaische Stilistiken ein – auch sehr groovebetont und dennoch, ob seiner technischen Fähigkeiten, sehr virtuos. Nicht umsonst gilt er als Meister des Instrumentes, wenngleich sein Ton hier und da etwas mehr Kraft vertragen könnte. Der abgedroschenste Vergleich aus dem schwarzen Amerika für diese Duo-Formation ist hier, aufgrund der Instrumentierung, natürlich Sonny Terry & Brownie McGhee, welchen die beiden tatsächlich hier und da nahekommen, allerdings werden beileibe auch andere Einflüsse erkennbar. Bemerkenswert ist, dass sie – wenn auch klanglich tief verankert in der Tradition – ausschließlich eigenes Material aufnehmen. Ab und zu gibt es modernere Anleihen an spätere Formen des Folkblues, und auch Spirituals findet man auf Destination Unknown. Es ist immer wieder toll zu hören, dass diese ursprünglichen Spielweisen im Blues nach wie vor ihre Vertreter haben, die das Wissen darüber kreativ weitertragen. Ein gelungenes Werk.
Ferdinand Kraemer

 INDIGO GIRLS: Live With The University Of Colorado Symphony Orchestra
INDIGO GIRLS
Live With The University Of Colorado Symphony Orchestra
(Rounder Records)


In den USA sind Amy Ray und Emily Saliers seit 1985 eine Institution im Folk-Indie-Singer/Songwriter-Genre. Bekannt für sein starkes politisches Engagement, erhebt das aus Georgia stammende Duo nicht nur musikalisch immer wieder die Stimme für den Umweltschutz, die Rechte von Minderheiten wie den Indianern oder die Abschaffung der Todesstrafe. Schon früh outeten sie sich als lesbisch und gelten bis heute als eine treibende Kraft in der Bewegung für die Gleichstellung Homosexueller. Auf ihrem vierten Live-Album präsentieren die beiden Gitarristinnen 22 ihrer bekanntesten Songs erstmals in sinfonischem Gewand. Die Einspielung mit dem University of Colorado Symphony Orchestra demonstriert erneut, welch gute Songschreiber die Indigo Girls sind und wie zeitlos ihre Musik von bislang 15 Studioalben klingt. Während Saliers melodische Balladen wie „Virginia Woolf“ oder „Come A Long Way“ wie geschaffen sind für ein Orchester, gewinnen Rays rockigere, bisweilen sogar punkigere Kompositionen wie „Compromise“ oder „Go“ einen ganz neuen Ausdruck. Schade, dass die Texte der Doppel-CD nicht beiliegen. Dennoch bietet das Album einen wunderbaren Einblick in das Werk des kreativen Duos.
Erik Prochnow
 JIM LAUDERDALE: Time Flies   JIM LAUDERDALE & ROLAND WHITE: Jim Lauderdale & Roland White
JIM LAUDERDALE
Time Flies
(Yep Roc Records)


JIM LAUDERDALE & ROLAND WHITE
Jim Lauderdale & Roland White
(Yep Roc Records)


Gleich zwei neue Alben kommen derzeit von Jim Lauderdale auf den Markt, sein bisher unveröffentlichtes erstes und ein brandneues, das passenderweise „Wie die Zeit verfliegt“ heißt. Da drängt sich der musikalische Vergleich geradezu auf. Als sich Lauderdale in jungen Jahren nach Nashville aufmachte, um dort in die Musikszene einzusteigen, hatte er scheinbar einen Masterplan, denn er traf sich sogleich mit dem bekannten Musikproduzenten Roland White, um mit ihm ein sehr bluegrasslastiges Album voller traditioneller Songs einzuspielen. Die fertig gemixten Bänder gingen seinerseits, so die Legende, verloren und wurden vor Kurzem wiederentdeckt. Diese frischen und perligen, doch nicht unbedingt eigensinnigen Aufnahmen zeigen den jungen Lauderdale, der klar definierte Traditionen fortführen will. Sein neuestes Album hingegen ist in seiner höchst artifiziellen Verschmelzung von Folk, Rock, Blues, Country, Psychedelischem und einem kleinen Quäntchen Jazz das Werk eines eigensinnigen Songschreibers, der sich nimmt, was er braucht, um Musik voller Charme und Weltoffenheit hervorzubringen.
Michael Freerix 

 JENNIFER MAIDMAN: Dreamland
JENNIFER MAIDMAN
Dreamland
(Domino Publishing)


Mit sechzig Jahren kann sie auf eine sehr erfolgreiche Karriere und ein bewegtes Leben zurückblicken. Hierzulande wenig bekannt, ist Jennifer Maidman seit den Siebzigern eine gefragte internationale Musikerin, Produzentin und Texterin. In ihrem künstlerischen Schaffen arbeitete die Britin mit renommierten Musikern wie Van Morrison, Mark Knopfler, Joan Armatrading, Boy George, Bonnie Raitt oder Annie Whitehead zusammen. Mit den Shakespeare Sisters gewann die Multiinstrumentalistin Platin und mit den Proclaimers Gold. Geboren als Ian ist ihr Leben aber vor allem die Geschichte der Verwandlung in Jennifer, die in einem falschen Körper zur Welt kam. Das Thema Transformation ist konsequenterweise auch der rote Faden ihres ersten Soloalbums. Mal funkig, mal jazzig, rockig oder einfach balladesk erzählt Maidman mit ausdrucksstarker Stimme Geschichten darüber, welche Energien der Mensch freisetzt, wenn Geist und Körper eine wirkliche Einheit bilden. Unterstützt wird sie von renommierten Kollegen wie Schlagzeuger Jerry Marotta, Gitarrist David Torn oder Posaunistin Annie Whitehead, die auch Maidmans langjährige Lebenspartnerin ist. Ein intensives Album mit vielen unerwarteten Wendungen.
Erik Prochnow
 MARLA & DAVID CELIA: Daydreamer
MARLA & DAVID CELIA
Daydreamer
(Elite Records), mit engl. Texten


In letzter Zeit scheint es immer mehr singende Pärchen zu geben, die durch die Clubs tingeln und dabei zeigen, dass gute Songs nicht unbedingt eines großen Aufwands bedürfen. Das kanadische Duo Marla & David Celia erinnert an manche folkige Popgrößen der Sechziger, wie Melanie Safka, The Mamas & The Papas oder die New Seekers. Ihre Songs sind einfach, geradlinig und griffig. Sie verführen zum Mitwippen, und obwohl ihr Gesang dezenter wirkt als man das von früheren Zeiten her kennt, spürt man immer eine angenehme Beschwingtheit in den Stücken. Auch ihr Satzgesang ist beeindruckend, etwas für Fans von Crosby & Nash. Und der Track „Brave New Land“ hätte auch Roy Orbison gutgestanden. Dass die meisten solcher Songs ausgerechnet während einer Russland-Tour in der transsibirischen Eisenbahn entstanden sein sollen, mag man kaum glauben. Am ehesten kann man das im „Luddite Blues“ mit seinem jiddisch klingenden Refrain nachvollziehen. Die beiden sind jedenfalls ein guter Beleg dafür, dass in der Alternative-Folk-Szene derzeit noch am ehesten echte Talente zu entdecken sind.
Hans-Jürgen Lenhart

 PUNCH BROTHERS: All Ashore
PUNCH BROTHERS
All Ashore
(Nonesuch Records), mit engl. Texten


Die Punch Brothers sind noch nie angetreten, um Hörerwartungen zu erfüllen. Das Line-up einer klassischen Bluegrassband führt nahezu vollständig in die Irre – das Quintett hat auch auf den bisherigen vier Alben immer die Möglichkeiten dieser Besetzung ausgelotet. Mit All Ashore geht es einen weiteren Schritt hin zu komplexen Kompositionen und verwirrenden Arrangements. Elemente aus Jazz, Folk und Bluegrass kommen ebenso vor wie Versatzstücke aus zeitgenössischer klassischer Musik und Prog-Rock. So tönen Lautmalereien, die man einem solchen Instrumentarium nicht zutrauen muss. Textliche, dynamische, stilistische Sprünge kennzeichnen die Stücke, Atonales wartet gleich um die Ecke. Dazwischen erlauben kleine melodiöse Inseln ein Durchatmen vor der nächsten Herausforderung. „Jumbo“ beispielsweise startet wie ein Klassiker der Swingära, das Instrumental „Jungle Bird“ wie Highspeed-Bluegrass; Tempo- und Stimmungswechsel führen dann doch auf fremdes Gebiet. Chris Thiles Gesangslinien verlaufen unvorhersehbar, seine Mandoline reicht überall hin, wie auch die Instrumente der Kollegen. Alles an Land? Mag sein, aber der Boden unter den Füßen schwankt über dem akustischen Experiment.
Volker Dick
 MARC RIBOT: Songs Of Resistance 1942-2018
MARC RIBOT
Songs Of Resistance 1942-2018
(Anti-Records), mit engl. Texten u. Infos


Fay Victor, Tom Waits, Steve Earle, Sam Amidon, Meshell Ndegeocello – Marc Ribot hat einige namhafte Musiker um sich geschart, um sozusagen das „definitive“ Anti-Trump-Album zu machen. Die Person Trump ist für Ribot der moderne Typ des Faschisten, der die Welt nur noch in Bezug auf sich selbst sehen kann. Und Marc Ribot ist als Teil einer Familie, die viele Mitglieder in Konzentrationslagern verloren hat, ganz besonders sensibel für dieses Thema. Songs Of Resistance ist eine Sammlung von Liedern in diesem Sinne, viele traditionelle finden sich darunter, aber auch einige wenige Eigenkompositionen. Musikalisch bewegt sich die Reise zwischen Jazz, Folk und sogar Latin hin und her, bildet also eine breite Palette ab, für die der Gitarrist bekannt ist. Wobei er diese unterschiedlichen Musikwelten auf seinen vorherigen Alben immer sehr gut zu trennen wusste. Die Songs Of Resistance stellen ein buntes Potpourri dar und stehen eher nebeneinander, was durch die vielen mitwirkenden Musiker noch betont wird. Ribot ist ohne Zweifel ein toller Gitarrist mit einer schier unüberschaubaren Fülle an hervorragenden Alben. Songs Of Resistance ist eher ein Album mit einer deutlichen Haltung, weniger der musikalischen Stringenz.
Michael Freerix 

Lateinamerika
 ALBOROSIE MEETS THE WAILERS UNITED: Unbreakable
ALBOROSIE MEETS THE WAILERS UNITED
Unbreakable
(Greensleeves Records)


Für sein neues Album ist dem gebürtigen Sizilianer mit albanischen Wurzeln Alberto d’Ascola (aka Alborosie) in seiner jamaikanischen Wahlheimat ein brillanter musikalischer Coup geglückt, gelang es ihm doch, eine Backing-Band aus Mitgliedern der legendären Wailers zusammenzustellen. Und so feiern wir hier ein Wiederhören mit Gitarrist Junior Marvin, Keyboarder Tyrone Downie, Bassist Aston „Family Man“ Barrett und dessen Sohn Aston Barrett jr. am Schlagzeug. Sieht man einmal von Letzterem ab, der seinen ermordeten Onkel Carlton ersetzt, finden wir hier also im Wesentlichen das Line-up von Marleys Exodus aus dem Jahr 1977 wieder. Ergänzt wird das Ensemble durch Gitarrist Valter Vincenti, zwei Percussionisten, eine vierköpfige Bläsersektion sowie Nicole Burt, Carol Dexter und Sandy Smith als Backgroundsängerinnen, quasi die aktuelle Ausgabe der I-Threes. Für fünf der vierzehn Tracks hat sich Meister A. zudem vokalen Beistand durch Raging Fyah, Jah Cure, Chronixx, Beres Hammond und J Bogg geholt. Herausgekommen ist ein wundervoll entspanntes Album, von Track eins (einem Metallica-Cover!) bis zum ausklingenden Dub auf Track vierzehn. Guter klassischer Reggae ist eben nicht kleinzukriegen.
Walter Bast
 Bixiga 70: Quebra Cabeça
Bixiga 70
Quebra Cabeça
(Glitterbeat Records)


Das Cover dieses Albums wirkt wie ein falsch zusammengesetztes Puzzle einer afrikanischen Maske, allerdings nicht ohne Grund. Die derzeit interessanteste brasilianische Jazzband Bixiga 70 bemüht sich bewusst um eine Aufarbeitung der Verbindung Brasiliens mit dem Afrika aus den Zeiten der Sklaverei. Dementsprechend hört man vor allem afrikanische Rhythmik in ihren Stücken, und auch die Bläsersätze orientieren sich am Kollektivklang afrikanischer Gruppen der Achtziger, nur mit dem Unterschied, dass nach eigenen Angaben der Bläserpart quasi den Sänger ersetzt. Dies führt zu einem etwas ungewohnten Eindruck bezüglich der Melodik dieser zur neuesten Generation zählenden brasilianischen Jazzband. Im Grunde klingen die Stücke wie Titelmelodien von Siebzigerjahre-Fernsehserien, aber mit afrikanischen Grooves. Eigentlich keine schlechte Idee, dennoch wirken die Melodien etwas hausbacken, wiederholen sich zu oft, es sind kaum Soli vorhanden, weshalb dramatische Höhepunkte fehlen. Die Truppe zeigt ihr Talent eher im Arrangieren. Oft wird die Melodie mit wechselndem Instrumentarium wiederholt, wobei gerade die altmodischen Elektroniksounds am Erfrischendsten wirken.
Hans-Jürgen Lenhart

 Anthony Joseph: People Of The Sun
Anthony Joseph
People Of The Sun
(Heavenly Sweetness)


Zur Musik aus Trinidad fallen einem oft nur Klischees ein. Meist weiß man gerade mal, dass dort Steel Drums gespielt werden, und vielleicht noch, dass dort der Rapso herkommt. Dass man daraus auch mehr machen kann, zeigt ausgerechnet der einheimische Dichter Anthony Joseph. Er vereint auf seinem Album stilistisch und generationsmäßig recht unterschiedliche Musiker und präsentiert einen Mix aus Spoken Word, Funk, Jazz, afrikanischer Rhythmik, Streichern, Orisha-Gesängen und der traditionellen Steel-Drum-Musik. Auch rockige Arrangements und eingeflochtene Raps von Brother Resistance tauchen auf. Der Vortrag der Gedichte erinnert zudem an den souligen Sprechgesang auf manchen Alben von Isaac Hayes. Das ist alles sehr tanzbar und hoch energetisch wie auch überraschend, denn derartige Klänge hat man aus Trinidad noch nicht gehört. Leider stellt sich bald ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, denn die Stücke ähneln sich zu sehr. Die Musik wirkt oft zugetextet und die Bläser dominieren zu stark. Auch hätte man mehr Spielraum für Soli einbauen können und ausgerechnet die Steel Drums gehen in der Klangdichte meist unter. Insgesamt aber eine engagierte Hommage an Trinidad & Tobago mit innovativer, gut groovender Musik.
Hans-Jürgen Lenhart
 GRUPO MONO BLANCO: ¡Fandango! Sones Jarochos De Veracruz por Grupo Mono Blanco
GRUPO MONO BLANCO
¡Fandango! Sones Jarochos De Veracruz por Grupo Mono Blanco
(Smithsonian Folkways Recordings/Galileo MC), mit engl. u. span. Infos


Kaum zu glauben, dass sich hinter diesem so frischen wie traditionsverbundenen Bandsound eine vierzigjährige Geschichte verbirgt. Bereits 1977 formierte der Jarana- und Panderospieler, Sänger und Tänzer Gilberto Gutiérrez Silva diese heute personell verjüngte, aktuell fünfköpfige Formation. Zu jenem Zeitpunkt war der im mexikanischen Veracruz verankerte, heute national populäre Son Jarocho ins Hintertreffen geraten. Der aus einer Son-Familie stammende Musiker fand erst in der Ferne, bei einem Aufenthalt in der Hauptstadt, zurück zu seinen Wurzeln und machte sich daran, mittels der originalen Instrumente diese reichhaltige Tradition wiederzubeleben, die heutzutage Musiker anderer Genres, etwa des Rock beeinflusst. Mit diversen Jarana- und anderen Gitarrentypen, Harfe, diverser Percussion, unter anderem dem Pandero und der Quijada (dem schnarrenden Eselskiefer, den man auch aus der afroperuanischen Musik kennt) versieht man farbenprächtig die mal flotten, mal zurückgelehnter-melancholischen Weisen von Liebesleid und -freud, welche häufig die ursprünglich ländliche Verankerung des Son Jarocho illustrieren. Der kann aber auch sozialkritisch sein, wie im letzten, zwölften Lied zu hören, das sogar mit einem kleinen Rap endet.
Katrin Wilke

International
 BOKANTÉ + METROPOLE ORKEST: What Heat
BOKANTÉ + METROPOLE ORKEST
What Heat
(Real World)


Bei dieser Produktion der Superlative zelebrieren die Musiker auf höchstem Niveau ihre ureigene Mischung aus Groove, Melody und Soul. Bokanté bedeutet „Austausch“ auf Kreolisch, der Muttersprache der Sängerin Malika, durchaus passend für die fünfköpfige internationale Gruppe, deren musikalische Identität sich zu einer Musik verbindet, die den Blues von seinen Wurzeln in Afrika und der arabischen Welt durch die Diaspora in einen modernen Kontext zieht. Dazu spielt das niederländische Metropole Orkest unter der Leitung von Jules Buck, bestehend aus einer Big Band mit erweiterter Streicherformation. Es hebt die Musik, bildlich gesprochen, auf eine große Leinwand. Die Produktion in den Real World Studios in England unterstützt dieses große Kinoformat klangtechnisch hervorragend. Bei all diesen akustischen Highlights geht leider ein wenig von den ab und an – und doch zu wenig – aufblitzenden, authentischen Stückchen einfacher Musik verloren. Die Herausforderung des Produzenten bestand offenbar auch darin, den verschiedenen musikalischen Akteuren genügend Platz einzuräumen. Nach 52 Minuten ist der Hörgenuss schon zu Ende. Trotzdem auf jeden Fall ein gelungenes Stück „Filmmusik“ für das Kopfkino.
Christoph Schumacher



KLANGWELTEN
 TERJE ISUNGSET: Suites Of Nature
TERJE ISUNGSET
Suites Of Nature
(All Ice Records)


Der renommierte norwegische Jazzmusiker und international gefragte Percussionist hat sich längst auch zu einem innovativen Klangkünstler entwickelt. Sein aktuelles Werk ist dem Leben auf der Erde und den verschiedenen Elementen gewidmet. Mit Steinen, Schiefer, Holz, Hörnern, Tierglocken, Trommeln, Mundharfen und selbst entwickelten Schlaginstrumenten entwirft der Künstler faszinierende Klangcollagen.
Erik Prochnow
 PERNILLA KANNAPINN: South Of Inski Pinski
PERNILLA KANNAPINN
South Of Inski Pinski
(Exo10 Records)


Sie treibt die Sehnsucht nach neuen Horizonten. Deswegen hat sie in den vergangenen Jahren Jazzgeige und Weltmusik studiert und ihr Debütalbum voll ungewöhnlicher Klangreisen komponiert. Getragen von weinendem Geigenspiel, einer fast vergessenen Art zu pfeifen und experimentellem Gesang, zum Teil in erfundenen Sprachen, fordert die Berlinerin die Hörer zum musikalischen Träumen auf.
Erik Prochnow

 MANTRA NOVA: Mantra Nova
MANTRA NOVA
Mantra Nova
(Eigenverlag)


Der menschliche Gesang gilt schon seit alters her als eine Quelle der inneren Kraft. Nicht nur in Indien erfreuen sich Mantras, sogenannte Silben- und Wortklänge, bis heute großer Beliebtheit. Die Kölner Yogalehrerin und Sängerin Catharina Schlüter hat mit dem Musiker Alexander Meyer-Köring zehn jahrtausendealte Mantras auf traditionellen Instrumenten wie etwa dem indischen Harmonium vertont.
Erik Prochnow



NEUE SCHWEIZER VOLKSMUSIK
 LANDSTREICHMUSIK: Asphalt  PFLANZPLÄTZ: Wildwuchs
LANDSTREICHMUSIK
Asphalt
(Narrenschiff)


PFLANZPLÄTZ
Wildwuchs
(Narrenschiff)


Wenn Schweizer einen „Pflanzplätz“, ein Pflanzenbeet bewirtschaften, reißen sie Neophyten und Unkraut systematisch aus. Ganz anders das Trio gleichen Namens um die Schwyzerörgeli-Spieler Thomas Aeschbacher und Simon Dettwiler sowie den Bassisten und Gitarristen Jürg Nietlispach. Sie beweisen eindrücklich, dass Wildwuchs spannender ist als Monokultur. Eröffnet wird der Reigen mit einem rauen Ländler für Schwyzerörgeli (diatonisches Akkordeon) von Thomas Aeschbachers Vater. Doch der Frieden trügt. Unversehens befinden wir uns im hohen Norden, in Lateinamerika, auf dem Balkan oder in der französischen Schweiz. Appenzell liegt nur ein paar Töne von Paris entfernt. Kaum fühlt man sich in einer Ecke des Gemüsebeets heimisch, springt einem eine schräge Kadenz um die Ohren, wechselt der Rhythmus. Doch keine Angst, Django Reinhardt und Jimi Hendrix rauben der Schweiz ihre Identität nicht. Im Gegenteil, es ist, als würden die Schweizer Tänze zu ungewohntem Leben erweckt. Volksmusik, immer mit einem Augenzwinkern komponiert und gespielt, feinfühlig, hochmusikalisch, spannend.
Ganz anders der Asphalt der Landstreichmusik, deren Album geografisch an der Zürcher Langstraße zu orten ist. Wo man in Zürich nicht nur Kochbananen aus Kolumbien kaufen kann, wo Sexshops, Zuhälter und Spekulanten sich um Höchstrenditen streiten, wuchern andere Pflanzen. Aber gerade dort verlieren sich auch ab und an Appenzeller, werden melancholisch und heimwehkrank. Matthias Lincke (Geige, Cello, Dobro, E-Gitarre, E-Zahnbürste), Christine Lauterburg (Gesang, Geige, Bratsche), Dide Marfurt (E-Gitarre, Drehleier, Maultrommel), Simon Dettwiler (Schwyzerörgeli), Elias Menzi (Hackbrett), Matthias Härtel (Kontrabass, E-Bass) und Gäste spielten ein Album ein, das zwischen psychedelischem Alt-Folk und bodenständiger Volksmusik pendelt. Den Elf-Minuten-Titel „De Dunkelschti Stern“ hat die Band von der Technoband Depeche Mode übernommen. Mit Drum-Machine-Loops, Samples und repetitiven Mustern schaffen sie eine oszillierende, magische Atmosphäre. Der Ohrwurm „Langstrass“ tönt ein wenig wie Kraftwerk im Gemüsebeet. Von dort, vom Pflanzplätz, stammt ja auch ihr Schwyzerörgeler Simon Dettwiler.
Pflanzplätz und Landstreichmusik sprengen mit ihrer Musik stilistische und geografische Grenzen. Sie verdienen es, auch außerhalb ihrer Heimat ein Publikum mit offenen Ohren zu finden.
Martin Steiner



BLUES
 DOYLE BRAMHALL II: Shades
DOYLE BRAMHALL II
Shades
(Provogue)


Länger als zehn Jahre war er der Gitarrist an der Seite von Eric Clapton, gleichzeitig Studiogitarrist für Roger Waters, Gregg Allman, T-Bone Burnett und auch Produzent zum Beispiel für die Alben von Sheryl Crow. Auf seinem eigenen Werk kommt all dies zusammen, ein musikalischer Mix aus modernem Blues, Jazz, Soul und Rock. Ein begnadeter Gitarrist, hervorragender Sänger und geschmackvoller Arrangeur.
Achim Hennes
 RUSS GREEN: City Soul
RUSS GREEN
City Soul
(Cleopatra Records)


Aus Chicago kommt der Sänger und Harp-Spieler Russ Green und seine Auffassung von Soul und Blues spiegeln das Tempo und die Urbanität der „Windy City“ wider. So treibend, wie es mit „First Thing Smokin“ beginnt, so magisch und hypnotisch geht es mit „Believe In Love“ weiter. Toll gesungen, stoisch von der Band begleitet, um dann in einem tollen Harp-Solo aufzubrechen. Ein grandioses Debütalbum!
Achim Hennes

 BUDDY GUY: The Blues Is Alive And Well
BUDDY GUY
The Blues Is Alive And Well
(Silvertone)


Mit 82 Jahren ist er eigentlich der letzte der großen, elektrischen Chicago-Blues-Gitarristen. Bittet er im ersten Stück noch um „A Few Good Years“, so zeigt er in deren weiterem Verlauf ein ums andere Mal, wie man elektrischen Blues standesgemäß spielt und singt. Ein paar „Jungspunde“ wie Mick Jagger, Keith Richards und Jeff Beck dürfen ihn dabei begleiten. Beeindruckend, zeitlos, einfach nur gut.
Achim Hennes
 TOM HAMBRIDGE: The Nola Sessions
TOM HAMBRIDGE
The Nola Sessions
(Superstar Records)


Der Sound von New Orleans – die moderne, zeitgenössische Variante hat der Produzent, Songschreiber und Schlagzeuger Tom Hambridge hier vertont. Ist sein gesangliches Duett mit dem Pianisten Allen Touissant eher traditionell geprägt, so sind die Stücke mit dem fantastischen Slidegitarristen Sonny Landreth auf der rockigen Seite des Spektrums verortet. Und Voodoo-Vibes gibt es mit „Whiskey Ghost“ ebenfalls.
Achim Hennes

 JOHNNY & THE HEADHUNTERS: That’s All I Need
JOHNNY & THE HEADHUNTERS
That’s All I Need
(Eigenverlag)


Mit einem schönen Magic-Sam-Cover eröffnet Johnny Ticktin sein Album, und das bedeutet viel Hall in der ansonsten „clean“ gespielten Gitarre. Blues, RnB, etwas Funk und Mambo fließen hier als Zutaten zusammen, die Musik der Fünfziger und Sechziger bildet die Grundlage. Neben Link Wray lässt auch der frühe Albert Collins grüßen, und Johnny Ticktin spielt und singt all das so lässig, wie es nur ein ganz Großer kann.
Achim Hennes



WEIHNACHTEN
 DIVERSE: Won’t Be Home For Christmas
DIVERSE
Won’t Be Home For Christmas
(Hemifrån)


Für das Album hat Peter Holmstedt achtzehn Künstler*innen zusammengetrommelt. Im Mittelpunkt stehen die einsamen Momente der Weihnachtszeit, die besonders ins Gewicht fallen, da Familie und Geselligkeit zelebriert und beworben werden. Die Stücke sind schwermütig und voller Sehnsucht. Elliott Murphy ist dabei und My Darling Clementine. Der Titelsong kommt von Citizen K. Vor allem Americana sind vertreten, mit einem Schuss Pop und Rock.
Sarah Fuhrmann
 ENGELRAUSCH: Fröhliche Stille Nacht
ENGELRAUSCH
Fröhliche Stille Nacht
(Personality Records)


Liest man die Titel dieses Albums, dann denkt man, dass dies wohl die obligatorische Weihnachts-CD mit den Klassikern der Volksmusik ist. Dann startet man das Album, und eines ist sicher: Mitsingen kann man nicht. Hinter dem Namen Engelrausch verbirgt sich das Tango-Jazz-Trio Tango Transit. Die Interpretationen sind funkig-jazzig und eine ganz eigene Art, die Adventszeit zu begehen.
Sarah Fuhrmann

 KATIE GARIBALDI: Home Sweet Christmas
KATIE GARIBALDI
Home Sweet Christmas
(Living Dream Music)


Ein bisschen Country, ein bisschen Gospel, zuckersüß wie heißer Gingerbread-Latte einer bekannten amerikanischen Kaffeehauskette – das ist das Weihnachtsalbum von Katie Garbaldi. Mit heller, mädchenhafter Stimme präsentiert die Songwriterin ihre romantische Vorstellung der winterlichen Festtage, inklusive „Stille Nacht“ und einem Wiegenlied für Jesus.
Sarah Fuhrmann
 GFRASTSACKLN: Ze Pest For Ze Phest
GFRASTSACKLN
Ze Pest For Ze Phest
(Rauschfrei Records RR2412)


Das österreichische Duo Gfrastsackln besteht aus Mandana Nikou und Andreas Fasching. Ihr Name ist Programm: „Schlawiner, Schandmaul“. Das ist österreichische Mundart, Country-Rock-Blues und Konsumkritik. Leider sind die Texte nicht dabei und auch online nicht zu finden. Für Nicht-Österreicher lässt sich die Tiefe der Texte nur erahnen. Es geht um Weihnachtseinkäufe, den „schwoazza Weihnachtsmau“ und den „Zwetschgenkrampus“.
Sarah Fuhrmann

 JULVISOR: Vinternatt
JULVISOR
Vinternatt
(Housemaster Records)


In Dresden hat sich die Weihnachtsband Julvisor zusammengefunden. Die fünf Musiker treten seit 2010 zusammen in der Adventszeit auf mit einem Programm aus Volksweisen und vertonten Gedichte aus Skandinavien. Auch der Titelsong aus einer bekannten norwegischen Vorweihnachtsserie ist dabei. Virtuos und mit viel Spielfreude spielen sie unaufdringliche, fröhliche Klänge mit einem Hauch von Weltmusik und Jazz.
Sarah Fuhrmann
 SOFIA TALVIK: When Winter Comes
SOFIA TALVIK
When Winter Comes
(Makaki Musik)


Es beginnt mit unverfälschtem Americana-Sound, dabei kommt Sofia Talvik aus Schweden. Auch auf dem Weihnachtsalbum hört man die Sonne untergehen. Mit ihrem glasklaren Timbre scheint sie immer direkt an die Gefühlswelt anzuknüpfen. Die Melodien sind vertraut, aber nicht langweilig. Ausflüge in den Pop und die skandinavische Heimat sind auch dabei.
Sarah Fuhrmann

 WILDES HOLZ: Alle Jahre wilder
WILDES HOLZ
Alle Jahre wilder
(Holz Records)


Da kommen technisches Können, Spielfreude und Humor zusammen. Das Trio Wildes Holz besteht hier aus Markus Conrads (Kontrabass, Mandoline, singende Säge), Tobias Reisige (Blockflöte) und dem am 15. August verstorbenen Anto Karaula (Gitarre). Wie auch der Titel des Albums sind die Tracktitel humoristisch abgewandelt. Aus dem John-Fogerty-Hit „Down On The Corner“ und dem deutschen Weihnachtslied „Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen“ wird „Down On The Weihnachtsbaum“. Das amüsiert, ist aber nie albern oder respektlos, weil es eine Verwandtschaft aufzeigt, die man sonst nie erahnt hätte.
Sarah Fuhrmann
 ROLF ZUCKOWSKI trifft MARTIN TINGVALL: Wär uns der Himmel immer so nah
ROLF ZUCKOWSKI trifft MARTIN TINGVALL
Wär uns der Himmel immer so nah
(Musik für Dich)


Wie könnte es anders sein? Zu Rolf Zuckowski gehören der Kinderchor, Gitarre, Klavier und der Synthesizer. Der schwedische Pianist Martin Tingvall fügt sich mit gefälligen, weichen Klavierklängen gut in die Heile Welt ein. Wer Zuckowski kennt, wird auf dem Winter-Weihnachtsalbum genau das hören, was er oder sie erwartet.
Sarah Fuhrmann

Onlinerezensionen
REINI ADELBERT
Memories Of Rain
(Laika Records)


Der Bluesmusiker Reini Adelbert singt seinen Acoustic Blues mit einer Klangfarbe zwischen Mark Knopfler und Bob Geldof, was kann da schon schiefgehen? So zelebriert der Künstler mit gut gelaunten Mitmusikern seine zeitlosen Songs. Dabei lässt der Gitarrist seinen Kollegen angenehm viel Raum, das Akkordeon, die Bluesharp oder der Bass sind zum Teil so präsent, dass von „Begleitmusik“ nicht mehr die Rede sein kann. Der Lohn ist ein abwechslungsreiches, spannungsgeladenes Album.
Chris Elstrodt
ALBERT AF EKENSTAM
Hundred Miles
(Moondog)


Ausschließlich digital veröffentlicht der schwedische Künstler seine neuen Tracks. Es sind gerade mal vier Songs, die hier als EP zusammengefasst werden. Das junge Zielpublikum lernte Albert af Ekenstam vermutlich bei einem der großartigen Festivalauftritte kennen. Die Songs sind stilistisch identisch mit denen des Erstlings Ashes und wären auch als Bonustracks durchgegangen. Wer keine Überraschungen mag, erhält hier also vier Songperlen für einen melancholischen Herbst.
Chris Elstrodt

AIRU
Mosaik
(Eigenverlag)


Airu ist ein Duo aus Deutschland, das eher ruhige Bal-Folk-Musik spielt. Eigentlich wollten sie deutsche Tanzmusik aus alten Notenhandschriften für heutige Bälle tanzbar machen. Doch dann haben sie so viel selbst komponiert, dass unter den elf Stücken dieses Albums acht Eigenkompositionen sind. Rick Krüger spielt Dudelsack und (gelegentlich) Konzertina, Björn Kaidel ist an Gitarre, Bouzouki und Nyckelharpa zu hören. Unterstützung kam von der belgischen Band Snaarmaarwaar: Jeroen Geerinck hat das Album produziert, Ward Dhoore das Layout gestaltet. Schönes Debüt.
Christian Rath
GAYE SU AKYOL
İstikrarlı Hayal Hakikattir


Nach Develerle Yaşıyorum (2014) und Hologram Imperatorluğu (2016) legt Gaye Su Akyol wieder eine feine, diesmal vielleicht etwas weniger sperrige Produktion vor, die zeigt, dass türkische Populärmusik erheblich mehr sein kann als die bekannten Tarkan-Hits. Die studierte Sozialanthropologin ist von Nirvana, Nick Cave, Joy Division, Surfbands und Psychedelika genauso geprägt wie von Selda Bağcan und Müzeyyen Senar. Man beachte das schöne Barış-Manço-Cover „Hemşerim Memleket Nire“.
Ines Körver

ALBA GRIOT ENSEMBLE
The Darkness Between The Leaves
(Riverboat Records)


Da hatten der schottische Weltenbummler Mark Mulholland, Gitarrist und Singer/Songwriter, und der malische Ngoni-Virtuose und Sänger Yacouba Sissoko eine grandiose Idee, nachdem sie sich 2014 begegnet waren: ein Akustikquartett, das keltischen Folk und Mandinge-Musik mit Jazz-, Blues- und Rockelementen verknüpft. Fest dabei ein weiterer schottischer Gitarrist, Craig Ward, und ein Kontrabassist, der Danny Thompson mag; dazu als Gäste Drummerlegende Tony Allen und Kora-Star Toumani Diabate.
Roland Schmitt
ANDERES HOLZ
Fermate
(STF-Records)


Sie nennen es „von Hippie-Punk durchtränkten Progressive Folkrock“, was immer auch damit gemeint ist. Was auf dem Waschzettel steht, ist nur zu unterstreichen: „Schönheit und Dissonanz“ in einem Wechselbad der Anhörgefühle. Einerseits bemühter, angestrengter Gesang, der das Zuhören erschwert. Die eingeschränkten Möglichkeiten der Besetzung Schlagzeug, Bass und Waldzither wiederum werden gut und mit vielen Effekten genutzt. Dazu auffälliges Artwork mit Gruselmotiven.
Piet Pollack

AUA AUA
Alles gut
(Viel Erfolg mit der Musik)


Erfolglosigkeit als Konzept ist mal etwas Neues. Der Leipziger Musiker bleibt sich treu, und das verkauft sich nicht so leicht. Mit eigenem Label und der Hoffnung, dass die Hörer Alles gut stärker honorieren als das Musikbusiness, startet Jan Frisch sein neues Projekt Aua Aua. Textlich und musikalisch ausgesprochen sperrig, braucht es vielleicht einen Frank-Zappa-Fan, um Kunst von Krempel zu unterscheiden. Wer furchtlos auch gewagte Experimente hört, findet mit dieser Veröffentlichung Beschäftigung.
Chris Elstrodt
AVEC
Heaven/Hell
(Earcandy Recordings)


Die oberösterreichische Senkrechtstarterin mit internationalem Niveau überzeugt auch mit ihrem zweiten Album. Mit 23 Jahren strahlt Miriam Hufnagl alias Avec bereits eine Professionalität aus, als ob sie seit Jahren in der Musikszene zu Hause sei. Ihre melancholischen Songs über die Liebe und Beziehungen klingen stimmlich sowie musikalisch ein wenig wie Amy Macdonald. Auch wenn einige der von E-Gitarren-Melodien und Synthesizern getragen Lieder tanzbar sind, dominieren die ruhigeren Töne. Anspruchsvoll gemachte Popmusik.
Erik Prochnow

MARTIN BALTSER
The Wasteland Incident
(Backseat)


Schwer angesagter Slow-Pop aus dem schwer angesagten Skandinavien, dieses Mal aus Dänemark statt aus Island. Das wird den von Sigur Rós begeisterten Melancholiker nicht stören. Martin Baltsers Kompositionen sind eine sichere Bank und klingen exakt so, wie man sie sich auf einer herbstlich-nordischen Indie-Scheibe wünscht. Die eingängigen Songs bieten wenige Experimente und viel akustisch untermalte Atmosphäre. Sie laden ein, die Scheibe vor einem brennenden Kamin wieder und wieder durchlaufen zu lassen.
Chris Elstrodt
TAMARA BANEZ
Ecken und Kanten
(Sturm & Klang)


Wer Sehnsucht nach der guten alten Ina-Deter-Ulla-Meinecke-Zeit hat, findet mit Tamara Banez vielleicht eine würdige Nachfolgerin. Das Wort „Feministinnen-Folk“ drängt sich beim Hören der Texte auf, mit klaren, einfachen Botschaften. Mit einer wandelbaren Stimme und angenehmen Popkompositionen im akustischen Gewand führt die Künstlerin durch ihr Werk. Dabei bewältigt Tamara Banez Ausflüge in die Rockmusik ebenso souverän wie Balladen am Klavier.
Chris Elstrodt

BAUL MEETS SAZ
Namaz
(Seyir Muzik Records)


Baul nennt man in Bengalen musikalisch-religiöse Gemeinschaften oder Familien, die ihre Künste als umherziehende Musikanten darbieten. Die Sängerin Malabika Brahma und der Gitarrist/Percussionist Sanjay Khyapa haben sich für dieses Album mit dem famosen belgisch-türkischen Sazspieler Emre Gültekin zusammengeschlossen, der sich seinerseits ausgiebig mit der Tradition der Asiklar beschäftigt hat, jener anatolischen Barden, die ebenfalls von Dorf zu Dorf zogen, um ihre Musik zu präsentieren. Passt perfekt.
Walter Bast
BEN BEDFORD
The Hermit’s Spyglass
(Cavalier Recordings)


Auf seinem mittlerweile fünften Studioalbum setzt der Singer/Songwriter aus Illinois allein auf die Kraft seiner Poesie, seine angenehme Baritonstimme und seine Gitarre, die er rhythmisch zur Begleitung der sechs Songs und differenziert gepickt bei den fünf Instrumentalstücken einsetzt. Ben, sein Kater Darwin und der Himmel am Rande der Prärie in einer einsamen Hütte, darum geht es inhaltlich in den Songs, die letztlich doch vielleicht zu schön vor sich hinplätschern, um allzu lange im Gedächtnis zu bleiben.
Ulrich Joosten

GISELA BERNDT & BAND
Nach Norden
(Mons Records)


Die Kölnerin bevorzugt die leisen Töne, erzählt keine glatten Geschichten, sie singt eher nachdenkliche Assoziationsketten, die sich nicht unbedingt gleich beim ersten Hören erschließen. Die atmosphärischen Mosaikbilder ziehen an einem vorüber und nehmen einen mit auf die gedankliche Reise der Reflexionen. Sie wird von ihrem Pianisten Gero Koerner musikalisch mit dezenten, angenehmen jazzigen Melodien begleitet, Kontrabass (Werner Lauscher) und Schlagzeug (Benedikt Hesse) untermalen die fast meditative Stimmung.
Rainer Katlewski
LUKA BLOOM
Sometimes I Fly … – Live In Bremen 2001
(MIG/Radio Bremen)


MIG bewahrt ein weiteres Juwel aus den Archiven Radio Bremens vor dem Verstauben. Der Künstler selbst erinnerte sich kaum noch an den Mitschnitt, war aber so überrascht von der enormen Klangqualität, dass er einer Veröffentlichung zustimmte. Zu hören sind Klassiker aus dem umfangreichen Repertoire des Iren, wie „Diamond Mountain“, „Gone To Pablo“ oder „Gabriel“, aber auch seltener Gespieltes wie das Kris-Kristofferson-Stück „Please Don’t Tell Me How This Story Ends“. Klanglich exzellente Momentaufnahme eines beeindruckenden Singer/Songwriters.
Stefan Backes

CELTIC COWBOYS
Qualified Celtic Cowboys
(Liekedeler Musikproduktionen)


Countrymusik aus Hamburg? Da sind die Fußstapfen groß, in die die Celtic Cowboys treten. Anders als bei Truck Stop liegt hier der Schwerpunkt auf englischsprachigen Songs, neben denen es aber auch deutschsprachige gibt, und wie der Name schon vermuten lässt, gibt es Irish-Folk-Einsprengsel. Manches erinnert auch an populäre Musik aus den Fünfzigern und Sechzigern. Dass es schon ihr sechstes Album ist, lässt auf erfolgreiche Kreativität schließen. Handfeste Musik für echte Männer – und solche die es sein wollen.
Michael A. Schmiedel
DUNCAN CHISHOLM
Sandwood
(Copperfish Records)


Chisholm ist einer der profiliertesten Fiddler Schottlands. Nach seiner großartigen Strathglass-Triologie und Live At Celtic Connections widmet er sich erneut konzeptionell einer ebenso einsamen wie wunderschönen Bucht im äußersten Nordwesten Schottlands, der Sandwood Bay. Entsprechend fallen seine Kompositionen aus – lyrisch verträumt bis mitreißend rockig. Chisholm war nicht umsonst der Kopf der Highland-Folkrocker Wolfstone. Ein Meister!
Mike Kamp

THE ANDREW COLLINS TRIO
Tongue/Groove
(Eigenverlag)


Im Grunde handelt es sich um ein Doppelalbum, auch wenn die CDs in verschiedenen Covers stecken. Eine CD haben die drei Kanadier instrumental eingespielt, eine bietet klassisch Vokales. Auf Tongue sind es vor allem bluegrassige Interpretationen von Songs anderer Autoren wie Nick Drake, Graham Nash und Roger Miller. Da steht Witziges neben bewegenden Balladen. Groove stellt die angejazzte Virtuosität des Trios noch weiter in den Vordergrund – und die Fähigkeiten von Andrew Collins als Komponist.
Volker Dick
CUB & WOLF
How To Keep Caring
(Backseat Records)


Die Schweden werfen auf ihrem Zweitwerk zehn rockige Titel mit bratzigen Gitarren zu ungeschliffenem Harmoniegesang aus. Kernig, zupackend, emotional, mal pathetisch und immer mit einer lässigen Selbstverständlichkeit bieten sie Neunziger-Sound ohne große Überraschungen. Wie so oft bei Skandinaviern kommt dazu noch ein Sinn für griffige Melodien. Prima geeignet zum Mitwippen und Bier trinken.
Imke Staats

KAT DANSER
Goin’ Gone
(Black Hen Music)


Die kanadische Musikerin vereint auf ihrem neuen Album Goin’ Gone allerlei traditionelle Stilistiken und Instrumente und schafft so eine atmosphärische musikalische Landkarte. Leider wirkt sie oft im Gesang bemüht und etwas ungelenk, und so geraten die Songs etwas steif und letztlich austauschbar. Besondere Erwähnung verdienen allerdings Dansers teilweise exzellente Musiker, wie der Pedal-Steel-Spieler und Produzent des Albums Steve Dawson. Man wünscht sich dennoch mehr Entschlossenheit.
Ferdinand Kraemer
DES LIONS POUR DES LIONS
Derviche Safari
(Maaula Records)


Vier Musiker aus Angers in Frankreich, nicht mehr ganz jung, aber sehr experimentierfreudig. Der Sound ist roh, aber bis ins Letzte durchdacht. Am auffälligsten ist die kraftvoll geschlagene Trommel von Cedric Momojee Maurel; Posaune und Sax von Alain Boochon Lardeux und Elisabeth Herault tragen meist die Melodien. Die Gitarre Freddy Boisliveaus ergänzt Riffs, Slidetupfer oder Industrielärm. Auch sporadischer Gesang trägt zum Gesamtkunstwerk bei. Komplexe Indiemusik mit leichtem Weltmusik-, Blues- und Calypso-Appeal.
Christian Rath

DIVERSE
Istanbul – Between Orient And Occident
(Winter & Winter)


An Istanbul haben sich schon viele abgearbeitet. Nun sind auch Mariko Takahashi und Stefan Winter der Faszination der europäisch-asiatischen Metropole erlegen. Zwei Monate haben sie typische Stadtgeräusche aufgezeichnet und sich insbesondere von dem Akkordeonisten Muammer Ketencoğlu Musiker vermitteln lassen, die für sie im März im Stadtteil Kadıköy – konzentriert und mit viel Seele – Melodien in Kleinstbesetzungen oder solo eingespielt haben. Eine atmosphärische Soundcollage.
Ines Körver
DON THE TIGER
Matanzas
(Crammed Discs)


Vielleicht nicht direkt ein Fall für den Folker, so doch, dank der Unklassifizierbarkeit, einer für alle mit Neugier auf Grenzgänge. Der Spanier, der zuvor in Barcelonas, seit 2011 in Berlins Underground nahezu unbemerkt klangtüftelt, liefert den Soundtrack für die wieder längeren Nächte. Wie gemacht für die Dunkelheit sind diese Klangarchitekturen, getragene Instrumental- wie Vokalstücke voller subtiler Echos alter Latin- oder Klassiktraditionen. Eine Variante imaginärer, urbaner Folklore des 21. Jahrhunderts?
Katrin Wilke

DOSCA
Meridian
(Eigenverlag)


Ein weiteres Nachwuchssextett (alles Männer) aus der extrem gut ausgebildeten schottischen Folkszene präsentiert sein Debüt. Während sich die dicht arrangierten Instrumentals mit Fiddle, Pipes, Flute, Gitarre, Bouzouki, Bass und Drums (teilweise mit Bläserarrangements) der Hörerschaft sofort erschließen, brauchen die zwei Songs ein wenig, um zu wirken. Es bleibt abzuwarten, ob die Band bei der großen Konkurrenz einen der vorderen Plätze unter den schottischen Gruppen erreichen kann.
Mike Kamp
DOTA
Die Freiheit
(Kleingeldprinzessin Records/Broken Silence)


Dota Kehr seziert mit ihrer bestens eingespielten Band wieder einmal sprachlich versiert und mit feiner Ironie die privaten und gesellschaftlichen Phänomene der Gegenwart. Vom Fluchtversuch der Eliten vor den Problemen der Zeit in „Raketenstart“ bis zur Frage nach dem persönlichen Umgang mit Rassismus in „Zwei im Bus“. Mit „Für die Sterne“ ist auch ein schön interpretierter Song des Mannheimer Liedermachers Stefan Ebert dabei, ein Plädoyer dafür, wie Kindheit eigentlich sein sollte.
Stefan Backes

DREAMERS’ CIRCUS
Rooftop Sessions
(GO’ Danish Folk Music)


Das dritte Album des dänisch-schwedischen Trios ist wirklich zum Träumen. Eine sehr harmonische und ruhige Musik, wie sie erst nach vielen Jahren des Zusammenspielens entstehen kann. Die drei Musiker Ale Carr, Rune Sørensen und Nikolaj Busk haben sich 2009 gefunden und seitdem die skandinavische traditionelle Musik mit vielen Ideen weiterentwickelt. Dass sie alle mehrfach ausgezeichnete Multiinstrumentalisten sind und auch in diversen anderen Formationen spielen, versteht sich bei diesem hohen Niveau von selbst. Die elf Stücke (39:41) sind Eigenkompositionen überwiegend von Busk. Man sollte sich Zeit nehmen für diese Klänge.
Bernd Künzer
TOLGA DURING & OTTOMANI
Gelibolu
(Visage Music)


Tolga During ist in der Türkei geboren. Seine Kompositionen sind durchdrungen von der Musik des östlichen Mittelmeerraumes. Der Gitarrist spielt berührend schön auf einer Gitarre mit zwei Griffbrettern, einem mit Bünden und einem bundlosen – ideal für die orientalischen Verzierungen. Seine Band OttoMani schafft eine mystische Atmosphäre, tiefe Bassklarinette und weich gezupfter Kontrabass verschmelzen mit komplexen Rhythmen der Rahmentrommel. Das ist Folk genauso wie Jazz.
Udo Hinz

ALEJANDRO ESCOVEDO WITH DON ANTONIO
The Crossing
(YepRoc Records)


Die Migrationsthematik des neuen Albums des Texaners mit mexikanischen Eltern ist brandaktuell. Hauptakteure sind zwei junge Punkrocker, ein Mexikaner und ein Italiener, die in den Achtzigern auf der Suche nach ihrem American Dream eine bittere Enttäuschung erleben. Natürlich ist das auch ein wenig die Geschichte von Alejandro Escovedo – und vielleicht auch die von Antonio Gramentieri, der mit seiner Band Don Antonio den Texaner begleitet. Das Album pendelt zwischen geradem Rock und Americana.
Martin Steiner
FAIRYTALE
Autumn’s Crown
(Magic Mile Music)


Auf ihrem zweiten Studioalbum lässt die Band aus Hannover wiederum ein Zauberreich aus Elfen, Naturmystik und Magie entstehen. Ausschließlich eigene Kompositionen und Texte in Englisch und Deutsch werden akustisch und mit dezentem Schlagzeug zelebriert. Angenehm der Zusammenklang von Geige und Cello mit den beiden Frauenstimmen und Oliver Oppermanns Gitarre. Luftige, manchmal etwas glatte Arrangements in der Spannbreite von Irish Folk bis Pagan Folk und leichter Popattitüde.
Piet Pollack

IAN FISHER
Idle Hands
(Ian Fisher Music)


Er ist ein Weltenbummler. In Missouri, USA, geboren, in Europa aufgewachsen, hatte er seinen Lebensmittelpunkt lange Jahre in Wien, bevor er jetzt nach New York weiterzog. Sein bereits siebtes Album nahm er in einem kleinen Studio im Ostberliner Plattenbau auf. Der Songwriter, der nach eigenen Angaben bereits über tausend Lieder verfasst hat, besticht durch tiefgründige Texte, die aus einer globalen Perspektive persönliche Erlebnisse mit den aktuellen sozialen und politischen Entwicklungen verschmelzen. Musikalisch bewegt sich Fisher dabei zwischen Folkrock, Country und Blues.
Erik Prochnow
ALINE FRAZÃO
Chuva
(Jazzhaus Records)


Die junge Singer/Songwriterin aus Angola, schon jetzt eine große, ausdrucksstarke Stimme der Lusofonie, ging – wie schon beim Vorgänger – erneut in ein anderes Land zum Aufnehmen. In Rio wurde ihr mehrheitlich selbst komponiertes Material entsprechend imprägniert, etwa durch Bossa Nova wie in zwei der elf Songs. In einem davon wirkt Jaques Morelenbaum, Brasiliens Pop-Jazz-Cellist Nummer eins mit. Souverän und wie schon zuvor reif und charismatisch, klingt diesmal doch alles abgeklärter, weniger experimentierfreudig.
Katrin Wilke

THE FRIEL SISTERS
Before The Sun
(Frielmusic)


Talentverteilung ist selten eine faire Sache. Die drei irischstämmigen Friel Sisters aus Glasgow haben davon jedenfalls eine überdimensionale Dosis erhalten. Nicht nur sind sie brillante Instrumentalistinnen (Flute, Tin Whistle, Uilleann Pipes, Fiddle), sie sind obendrein auch hervorragende Sängerinnen. Das Material stammt zumeist aus dem County Donegal, der Heimatprovinz der Familie. Das ist traditionelle Musik vom Feinsten, kompetent, unaufdringlich und ohne jeden Firlefanz.
Mike Kamp
GARDA
Odds
(K&F Records)


Eigentlich passt die Indieband aus Chemnitz, Dresden und Leipzig so gar nicht ins Profil des Folker. Hörenswert ist sie trotzdem. Sänger Kai Lehmann erinnert an frühe Alben von David Bowie. Die Soundstrukturen sind vielschichtig, mit großem Instrumentarium wie Streicher und Bläser (kurios: eingespielt von den Oederaner Blasmusikanten!), und klingen mitunter wie Genesis oder die Pet Shop Boys. Gesungen wird auf Englisch, unter anderem vom Verlassen ihrer sächsischen Heimat.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

DAVID GERALD
N2U
(David Gerald Enterprises)


Eine elektrische Gitarre und eine Stimme mit viel Soul – mehr braucht David Gerald nicht, um zu begeistern. Der schwarze US-Amerikaner, der alle Lieder selbst komponiert, präsentiert mit eigener Band RnB sowie Rockblues. Begleitet wird er von Ronald Thielemann am Bass und Geoff Kinde am Schlagzeug.
Annie Sziegoleit
GROUNDATION
The Next Generation
(Baco Records)


Neues von Harrison Stafford. Knapp vier Jahre nach dem letzten Album A Miracle ist der Sänger und Texter aus Kalifornien wieder mit seiner angestammten Band am Start. Die nächste Generation mag sich durch ein paar personelle Umbesetzungen manifestieren – was Staffords textliche Sozialkritik und seine immerwährende Liebe zu Reggae und all seinen Varianten betrifft, bleibt alles beim Alten. Ob Kriege, Flucht, Profitsucht oder Raubbau an der Natur, Staffords Mahnungen sind klar, direkt und eindeutig.
Walter Bast

PETRI HAKALA & PIIA KLEEMOLA
Field Trip
(Kihtinäjärvi Records)


Neuer Standard für die Fiddle-Musik Finnlands. Violinistin Piia Kleemola und Gitarrist Petri Hakala sind zu den Quellen gegangen und haben zweihundert Jahre alte Archivquellen studiert. Entstanden ist ein Duoalbum, das puristisch und authentisch klingt. Die Instrumentalmusik ist kein leichtes Brot, doch sie lohnt sich. Die Musiker tauchen emotional in die Fiddlemelodien ein, spielen mit kammermusikalischer Akribie und gönnen sich improvisierte Nuancen. I-Tüpfelchen: Der Sound des Albums ist hervorragend.
Udo Hinz
MALCOLM HOLCOMBE
Come Hell Or High Water
(Gypsy Eyes Music)


„That black bitter moon hangs over my head.“ Diese Textzeile scheint das Lebensgefühl des Songschreibers aus North Carolina perfekt zusammenzufassen. Auf seinem dritten Album versammelt er packende Songs, vorgetragen mit seiner narbenübersäten Stimme. Es geht auf eine Reise in die Tiefen der menschlichen Existenz, mit aller Intensität. Beispielsweise in „I Don’t Wanna Disappear“, ein Duett mit der Sängerin Iris Dement. Das Lied eines Mannes, der sich nicht mehr verstecken will. Gut so.
Volker Dick

STEVE HOWELL & THE MIGHTY MEN feat. KATY HOBGOOD RAY
Good As I Been To You
(Out Of The Past Music)


Beim Aufschlagen des Digipacks fällt auf, dass Steve Howell sehr interessante blueshistorische Hintergründe zu jedem Song verfasst hat, ganz in der Tradition guter Reissue-Labels. Und auch musikalisch ließ er sich nicht lumpen und hat elf teils bekannte, teils eher obskure Songs mit seiner Band und Gastsängerin Katy Hobgood Ray eingespielt. Stilistisch reicht Howells Repertoire von der musikalisch interessantesten Ära des Blues vor dem Zweiten Weltkrieg bis in die Fünfzigerjahre.
Ferdinand Kraemer
JERUSALEM IN MY HEART
Daqa’iq Tudaiq – Minutes That Bother
(Constellation Records)


JIMH ist ein Projekt des Komponisten Radwan Ghazi Moumneh und des Filmemachers Charles-André Coderre. Ausgehend von der Idee, der Komposition „Ya Garat Al Wadi“ des ägyptischen Komponisten Mohammad Abdel Wahab (1902-1991) ein zeitgemäßes musikalisches Outfit zu verpassen, organisierten JIMH im Dezember 2017 in Beirut eine Live-Performance mit einem fünfzehnköpfigen Ensemble. Das Album enthält den Mitschnitt dieses grandiosen Konzerts. Für Hörer, die weder mit traditioneller arabischer Musik noch zeitgenössischer Klassik vertraut sind, könnten es allerdings – siehe Titel – 45 lange Minuten werden.
Walter Bast

Karen Jonas
Butter
(Eigenverlag)


Interessanterweise wirkt die US-Country-Sängerin am überzeugendsten, wenn sie ihren angestammten Stil verlässt. Da gibt es Ausflüge in jazzigen Blues, den Manouche-Swing oder einen mexikanisch anhauchten Walzer, der plötzlich in musicalartigen Jazz umschlägt. Stimmlich und stilistisch kommt sie dabei wie eine Reinkarnation von Sängerin Dani Klein von der belgischen Pop-Swing-Band Vaya Con Dios („Nah Neh Nah“) rüber, während ihre Countrystücke eher Durchschnitt sind.
Hans-Jürgen Lenhart
SIROJIDDIN JURAEV
Sirojiddin Juraev
(Aga Khan Music Initiative)


Die zweisaitige Dutar wird in Tadschikistan noch mit Seiden- und nicht etwa mit Metall- oder Synthetiksaiten bespannt und klingt daher völlig anders als ähnliche Langhalslauten. Der usbekisch-tadschikische Großmeister und Universitätsdozent Sirojiddin Juraev stellt sie – flankiert von Tanbur, Sato und Setar – in den Mittelpunkt seines auch für weniger Ethnophile gut hörbaren Albums. Leider sind die sehr informativen Texte wegen des Musters im Font des Beihefts schwer zu entziffern.
Ines Körver

ALI AKBAR KHAN
The Rough Guide To Ali Akbar Khan
(World Music Network)


folker präsentiert:

Ist allein die Erstellung einer kompletten Diskografie des Sarod-Meisters Ali Akbar Khan (1922-2009) schon eine halbe Doktorarbeit, so ist eine Reduktion derselben auf obligate siebzig CD-Minuten eine weitere Sisyphusarbeit. Kompilator Ken Hunt hat einen gangbaren Mittelweg zwischen kurzen und langen Musikstücken beschritten, stellt dreiminütigen Schellacks zwanzigminütige LP-Stücke gegenüber und wirft so ein repräsentatives Streiflicht auf die Kunst eines großen Meisters der indischen Klassik.
Walter Bast
DAWN LANDES
Meet Me At The River
(Yep Roc Records)


Es läuft gut für Dawn Landes. Nach Kooperationen mit Musikern wie Justin Townes Earle und Will Oldham sind ihre Songs auch in zahlreichen US-amerikanischen TV-Filmen untergekommen. Witzigerweise wird ihre Musik dort in der Regel als Indie-Rock bezeichnet, obwohl Country- und Folkbezüge deutlich im Vordergrund stehen und auch ihr Gesang sehr traditionell orientiert ist. Zumal sie hauptsächlich Balladen singt, die ihrer Stimme und ihrem musikalischen Temperament sehr entgegenkommen. Landes singt über familiäre Sachen, die große Liebe im Leben und das Verlangen, treu bis in den Tod sein zu dürfen. Sehr romantisch das Ganze und sehr zu Herzen gehend.
Michael Freerix

NANNA LARSEN
Downstream Livin’
(Divine Records)


Wer auf ein neues Album von Stevie Nicks hofft, kann sich vielleicht mit Nanna Larsen trösten. Lupenreine Popsongs im besten Americanastil bietet die sympathische Sängerin aus Kopenhagen auf ihrem bereits dritten Album. Schon der Opener „Thelma & Louise“ qualifiziert sich durch eine mitreißende Melodie und einen Text, in dem sich jeder wiederfindet, zur Hitsingle. Die folgenden Tracks sind von ähnlicher Qualität und dabei so variantenreich, dass Langeweile nicht aufkommen mag.
Chris Elstrodt
Michelle Lewis
All That’s Left
(Eigenverlag)


Die amerikanische Singer/Songwriterin bevorzugt einen betont luftigen Folk, in dem dezent schwebende Klänge um ihr Fingerstyle-Gitarrenspiel uns auf sanfte Wolken davontragen. Rhythmik spielt hier kaum eine Rolle. Country-Folk mit Ambient-Touch könnte man sagen. Ihre Texte sind allerdings voller Tiefgang und reißen einen durchaus aus den Träumen. Sie handeln zum Beispiel von ausgezehrtem Leben und sozialem Abstieg.
Hans-Jürgen Lenhart

LIRAZ
Naz
(Dead Sea Records)


Nach der Revolution im Jahr 1979 änderte sich das politische und kulturelle Leben der Iraner radikal. So durfte die stilprägende Gesangsikone Googoosh nur noch vor Frauen auftreten und ist schließlich emigriert. Derartige Schicksale haben die in Israel aufgewachsene persisch-jüdische Schauspielerin und Sängerin Liraz zu ihrem Album inspiriert, auf dem mit „Hava Bavar“ auch ein Googosh-Cover zu hören ist. Netter Pop mit Siebzigerjahreanleihen und einem Schuss Elektrobeats.
Ines Körver
LONG TALL JEFFERSON
Lucky Guy
(Red Brick Chapel)


Als wäre die Zeit stillgestanden. Live intoniert der Luzerner Simon Borer alias Long Tall Jefferson neben Eigenkompositionen auch Songs von Bob Dylan, Jackson C. Frank oder Joni Mitchell. Das passt. In „Broken Spare Parts“ singt er, wie er in den Flieger steigt. Beim Abheben merkt er, dass dieser nur aus Ersatzteilen besteht. Doch das ist nur eine Metapher für eine Liebe, die droht, im Höhenflug auseinanderzubrechen. „Lucky Guy“, das Titelstück, glänzt mit Ironie. Der Mann ist ein Geschichtenerzähler.
Martin Steiner

LOW LILY
10,000 Days Like These
(Mad River Records)


Auf seinem Debütalbum zeigt das Trio aus Vermont ziemlich viel: erstklassige instrumentale Fähigkeiten, perfekten Harmoniegesang und Arrangements auf hohem Niveau. Die Musik mischt Bluegrass mit Folk und öffnet den Horizont auch in andere Richtungen, etwa in der Ballade „Dark Skies Again“, wo Piano und Cello den Sound aus Gitarre, Bass und Violine bereichern. Und bei der Coverversion von „Brothers In Arms“ legen die drei den Kern frei und machen Knopflers Stück zu ihrem eigenen.
Volker Dick
DENNIS B. MARKHEIM
Man sieht sich
(Prosodia)


Der junge Mann aus dem brandenburgischen Oderbruch, der sich in einem seiner Songs selbst als Hippie sieht, bietet auf seinem ersten Album Liedermacherei ohne große Überraschungen. Begleitet von Gitarre, Ukulele, Klavier, Geige und Mundharmonika – ob allein oder mit anderen Musikern bleibt unklar – gibt es melancholische Liebeslieder und Alltagsproblemchen, aber auch Kneipenromantik und Augenzwinkerndes wie in „Kind, Frau und Bier“.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer 

MARUJA LIMÓN
Más De Ti
(Kasba Music/Galileo MC)


Die Frauenband Las Migas hat es vorgemacht und die Männerdomäne des Flamencos mit Schwung und Einfallsreichtum aufgemischt. Ähnliches hat wohl nun auch dieses ebenfalls aus Barcelona kommende Quintett vor, bestehend aus zwei Sängerinnen, einer Percussionistin, einer Gitarristin und einer Trompeterin. Ein charmanter erster Schritt, dem getrost noch ein kleiner, feiner Reifeprozess folgen darf. Den Hispano-interessierten Hörer in unseren Breiten wird dieses farbenfrohe Album mit vor allem eigenen Stücken allemal erfreuen.
Katrin Wilke
MATTHEWS SOUTHERN COMFORT
Bits And Pieces
(MIG Music; Limitierte EP auf weißem Vinyl)


Iain Matthews hat seine Band Southern Comfort einer personellen Verjüngungskur unterzogen und Anfang 2018 sein fabelhaftes neues Album Like A Radio aufgenommen. Zwei Songs davon, „Bits And Pieces“ sowie „Thought Police“ finden sich auf der A-Seite dieser EP, die Rückseite enthält einen alternativen Mix von „Woodstock“ und eine Coverversion von Neil Youngs „I Believe In You“. Musik und Klangqualität sind über jeden Zweifel erhaben, aber zirka 20 Euro für vier Songs, das ist mehr als happig. Fans und Extremsammler kaufen das streng auf 500 Exemplare limitierte Teil ohnehin.
Ulrich Joosten

WINSTON McANUFF & FIXI
Big Brothers
(Chapter Two Records)


Reggae-Urgestein Winston McAnuff hat sich seit einer EP und einer CD mit dem Keyboarder und Akkordeonisten Francois-Xavier Bossard (aka Fixi) zusammengetan, der früher in der schrägen französischen Rap-Combo Java zugange war. Die auch auf ihrem zweiten gemeinsamen Album häufig dominierende Klangfarbe des Akkordeons mag für Reggae-Puristen ungewohnt sein, aber wer sich dem Ungewohnten nicht von Zeit zu Zeit aussetzt, dem wird auch das Gewohnte irgendwann fad werden. Also: Anhören und Erkenntnisse gewinnen!
Walter Bast
OTTO MENNER & JOHANNES HETTRICH
Koboldstanz
(Eigenverlag)


Ein Album für Freunde feiner, ruhiger Gitarren- und Bouzoukimusik mit Kontrabassbegleitung. Auf der Plattenhülle steht: „Betriebsanleitung: Hören … sich mitnehmen lassen … genießen … entschleunigen.“ Ja, das passt besser als der Titel Koboldstanz, der etwas Wilderes erwarten lässt. So aber schließt man am besten die Augen und lässt sich auf zugleich sanften und doch zum Teil druckvollen Rhythmen davontragen. Die Heimat der Musiker ist Blaubeuren.
Michael A. Schmiedel

FRIEDE MERZ
Daisy Lane
(Spray Can Records)


Die Hamburgerin hat es mit Straßennamen. Hieß ihr Debüt noch Denmark Street, wandelt sie nun auf der Daisy Lane. Das neue Gässchen ist luftiger und aufgeräumter als zuvor. Auch die Einflüsse, die von Country über Alternative Rock bis zum Jazz reichen, verzahnen sich jetzt noch selbstverständlicher. Die sechs Titel bilden eine stimmige Einheit unter dem Etikett Gitarrenpop.
Imke Staats
ANDREW MILL & FRIENDS
Wandering Albatross
(Brechin All Records)


Ein junger Mann aus Edinburgh zieht nach Glasgow, um sich der amerikanischen Musik zu widmen, und vertont Gedichte eines schottischen Poeten, dessen Themen oft in den USA angesiedelt sind. Musikalisch sparsam und geschmackvoll arrangierte Songs (plus ein gefühlvolles Instrumental), interpretiert mit einer trockenen, ungewöhnlichen Stimme. Viele Musiker arbeiten mit fremden Kulturen, aber seltsam ist das Album irgendwie schon, und das liegt nicht nur an der Rezitation des Poeten von „Pissing In The Sink“.
Mike Kamp

MILLADOIRO
Atlántico
(Cormorán Produccions/Galileo MC)


Die spanischen Folkveteranen erfinden nach vierzigjähriger Bandgeschichte das Rad nicht wirklich neu. Seine Pionierarbeit hat das Sextett aus Santiago de Compostela längst geleistet, auf mittlerweile um die 25 Alben längst seinen ganz eigenen Schulterschluss hergestellt zwischen galicischen und keltischen Traditionen. Dem Albumnamen gemäß, richtet sich der Blick diesmal aufs naheliegende, historienträchtige Meer, das gerade mit dem Schicksal der Galicier eng verbunden ist.
Katrin Wilke
PABLO MIRÓ
Courage
(Sturm & Klang)


Der familiengeschichtlich zwischen Deutschland und Argentinien sozialisierte, in Córdoba geborene Gitarrist und Liedermacher legt sein fünftes, mit beiden Sprachen operierendes Album vor. Das erscheint beim Label Konstantin Weckers, mit dem er auch das emblematische „Gracias A La Vida“ aufnahm. Mirós Stimme bleibt etwas blass neben der charismatischen seines Kollegen und auch sonst Geschmackssache; durchaus meisterhaft dagegen sein Gitarrenspiel, im Verbund mit exzellenten Wahlberliner Latino-Instrumentalisten.
Katrin Wilke

MISS ZIPPY & THE BLUES WAIL
Cool Beans
(Nettwerk)


Die Band aus Frankfurt/Main um die Sängerin Linda Krieg, die auch die Mundharmonika bläst, spielt rhythmischen Südstaatenblues. Das Repertoire umfasst Titel von Ray Charles über Chris Whittley bis Tom Waits und Willie Dixon. Mit dabei sind Peter Lehmler (Gitarre und Gesang), Steve Dawson (Bass), Larry „Doc“ Watkins (Gesang) und Ernesto Richioso (Schlagzeug).
Annie Sziegoleit
BRENDAN MONAGHAN
Unbroken
(Brambus Records)


Der nordirische Sänger mit dem wohlklingend-sanften Stimmtimbre mit einer neuen Sammlung eigener Songs. Wer im Folk die Nähe zu Schlager und kommerzieller Melodik sucht, mag hier hineinhören. Sehr viel vorhersagbares, zeitweise kitschig anmutendes Songmaterial. Schade, konnte den Rezensenten nicht erreichen.
Johannes Schiefner

NELE NEEDS A HOLIDAY
Love Yeah
(Compagnie Cornelius)


Bloß nicht zu viel Romantik. Mit witzigen, ironischen Texten aufgrund genauer Beobachtungen gewinnt die vielseitige Belgierin Nele van den Broeck dem strapazierten Thema Liebe frische, uneitle Aspekte ab. Die Musik changiert auf dem zweiten Album zwischen Pop- und Weltmusikzitaten, beginnt mit fröhlich-karibischen Klängen und hat dann besinnliche bis dramatische Momente. Macht Spaß, wenn man zuhört.
Imke Staats
OLD MAN LUEDECKE
One Night Only! Live At The Chester Playhouse
(True North Records/Alive)


Quasi ein Live-Heimspiel des Singer/Songwriters aus der Provinz Nova Scotia. Luedecke, der noch immer kein alter Mann ist und mit Vornamen eigentlich Chris heißt, schreibt diese leisen, manchmal ironischen Songs zu Banjo und Gitarre selbst, und was an ihm fasziniert, ist die Selbstverständlichkeit, mit der er die kleinen Dinge des Lebens sozusagen feiert. Dass dabei etliche Ohrwürmer wie „Little Bird“ oder „The Early Days“ herauskommen, ist fast schon selbstverständlich. Großartig!
Mike Kamp

David Olney
This Side Or The Other
(Black Hen Music)


Der amerikanische Country-Rocker fällt mit ungewöhnlichen Arrangements und gruseligem Cover auf. Er baut ein ständig wechselndes Instrumentarium wie Xylofon, Maracas, E-Piano, Vibrato-, Slide- und Lapsteel-Gitarre ein, was seinen begrenzten Stimmumfang etwas ausgleicht. Immerhin, er wagt einiges, hat hier sogar eine Art Konzeptalbum geschaffen, das sich dem Thema „Mauern“ widmet. Auch seine sehr sanfte Version vom Zombies-Klassiker „She’s Not There“ zeigt Individualität.
Hans-Jürgen Lenhart
THE O’REILLYS & THE PADDYHATS
Green Blood
(Metalville)


Manchmal nützt es, sich ein Booklet zu wünschen, wie geschehen in der Rezension ihres letzten Albums in Folker 2/2017. Alle Texte zum Mitlesen, zudem gute Schwarz-Weiß-Porträts der westfälischen Irish-Folk-Rocker aus Schwelm. Sehr schön! Und auch die Musik ist wieder mitreißend, rockig, markig, die Texte sind ernst, düster, voller grünem Blut der Leprechauns und voller Lebensweisheit: „Don’t gamble with the devil, you cannot win!“
Michael A. Schmiedel

ORIONS BELT
Mint
(Jansen Records)


Drei norwegische Rockmusiker verwirklichen sich ihren Traum. Der Gitarrist Øyvind Blomstrøm, Bassist Chris Holm und Drummer Kim Åge Furuhaug schufen eine Instrumentalmusik mit einer Weite, die nach Texas klingt. Dieser Psychedelic Rock ist durch das Texas-Trio Khruangbin inspiriert. Wer eine Alternative zu Gitarristen wie Ry Cooder oder Bill Frisell sucht, wird hier fündig. Gitarrist Blomstrøm spielt sehr expressiv mit ganz eigener Stilistik. Das ist Freestyle Rock jenseits jeden Klischees.
Udo Hinz
MILIAN OTTO
Wahnwitz und Gelegenheit
(Tap-Water-Records)


Milian Zerzawy alias Milian Otto, jahrelanges Ensemblemitglied am Schauspielhaus Zürich, ist gerade dabei auf ganz spartanische Art, geradezu altmodisch, seine Lieder dem Publikum nahezubringen. Die Produktion, mit einer analogen Bandmaschine im Schlafzimmer aufgenommen, nur er mit Gitarre, gradlinige Texte, engagierte Statements, ernsthafte Gedanken, die er sich macht über sich, den Menschen und die Welt. Mit gutem Sprachgefühl gelingen ihm eindringliche Lieder, die anregen sollen ohne Agitation.
Rainer Katlewski

OUT OF NATIONS
Quest
(Riverboat Records)


Die Saxofonistin Lety ElNaggar ist als in den USA aufgewachsener ägyptisch-mexikanischer Mischling selbst schon die verkörperte Multikulturalität. Mit ihrem Sextett, dessen Mitglieder alle unterschiedliche Pässe haben, hat sie nun ein Album mit teils wuchtigen, aber immer schönen Eigenkompositionen eingespielt, das an Vielseitigkeit kaum zu überbieten ist. Souverän verflechten die Musiker Mainstream-Jazz, arabische Gesänge, Latin Sounds, Funk, Klassik und Spoken Word.
Ines Körver
HENRI PARKER AND THE LOWERED LIDS
Mourning Routine
(Eigenverlag)


Auf grünem Vinyl und mit humorvoll-verträumtem Artwork kommt Mourning Routine der Kieler Truppe Henri Parker and the Lowered Lids daher. Dieses Stimmungsbild transportiert auch die vom Irish Folk inspirierte Musik. Allerdings mischt sich einiges an Wehmut und Nachdenklichkeit bei, wie der Titel bereits erahnen lässt. Sie erfinden das Rad nicht neu, aber tun auch nicht so, und das macht das Ganze sehr sympathisch. Würden sie diese Herren in ihrem Wohnzimmer spielen lassen? Sofort.
Ferdinand Kraemer

PIGEONS ON THE GATE
Chasing Suns
(Greywood Records)


Das Schweizer Sextett aus Winterthur hat sich dem irischen Folkpop verschrieben. Man vermeint, die Lieder so oder ähnlich schon mal gehört zu haben, doch alle elf Stücke sind Eigenkompositionen. Chasing Suns ist ein professionell eingespieltes, geradeaus produziertes Album mit einem guten Verkaufspotenzial. Das Album ist radiotauglich.
Martin Steiner
PINK LINT
Don't Pull The Rug From Under Your Horse
(Listenrecords))


Man stelle sich vor, eine Grungeband wie Dinosaur Jr. produziert ein Liedermacheralbum. Das Ergebnis könnte wie Pink Lint klingen, wären da nicht zusätzlich wundervoll schräge Hippieanleihen, wilsoneske Balladen und ein bisschen Paul-Roland-Pathos. Definitiv ist Don’ Pull The Rug From Under Your Horse kein Album für zwischendurch, man muss sich auf die verschrobene Welt des Künstlers bewusst einlassen. Humorbegabten Menschen schenkt Pink Lint dafür ein Universum voller kleiner Juwelen.
Chris Elstrodt

HERBERT PIXNER PROJEKT
Lost Elysion
(Geco Tonwaren)


Der Bandleader Herbert Pixner aus Meran (Steirische Harmonika) macht sich mit Manuel Randi (E-Gitarre), Werner Unterlercher (E-Bass) und der Harfenistin Heidi Pixner auf, das Elysium, die Insel der Seligen zu finden. Entstanden ist ein episches Konzeptalbum mit ruhigen und recht opulenten Sequenzen. Wer den progressiven Rock der Siebziger mit Schwerpunkt auf akustischen Passagen mag, wird hier fündig.
Martin Steiner
DOMINIK PLANGGER
Decennium – Das Beste aus 10 Jahren
(Cargo Records)


Decennium beinhaltet neben bekannten Liedern des Südtirolers viel Unbekanntes. Alle Titel hat er sparsam instrumentiert neu eingespielt. Planggers warme Stimme zieht einen sofort in den Bann. Mit einfachen, einfühlsamen Worten nimmt er seine Zuhörer mit auf eine Reise in seine Heimat. Besonders schön sind „Mit Dir“, ein Liebeslied an seine Tochter, und die deutsche Version des Allan-Taylor-Songs „Los Compañeros“. Kritische Heimatliebe, die Plangger auch schon Morddrohungen eingebracht hat.
Martin Steiner

LISA MEDNICK POWELL
Blue Book
(Cicada Sounds Records)


Die Gesangsstimme von Lisa Mednick Powell wird von Kritikern immer wieder negativ wahrgenommen. Sicher, ihr rauer, leicht brüchiger Gesang ist so gar nichts Gewöhnliches, wenngleich er an den frühen Bob Dylan erinnert, der eben anfänglich gerade auch wegen seines Gesanges kritisiert wurde. Mednick Powell schreibt allerdings andere Songs als Dylan, indem sie Country, Folk, leichte Anflüge von Jazz und Blues zu einer Melange verdichtet, die ganz gut zu ihrer Stimme passt. Teilweise hat sie sich als Gesangspartnerin Victoria Williams gesucht, die ähnlich eigenwillig klingt. Sie sind sozusagen „Partners in Crime“, Außenseiter mit einem zarten Talent, das nicht den gängigen Ansprüchen entspricht.
Michael Freerix
KARIN RABHANSL
Tod & Teufel
(Donnerwetter Musik)


Aus den Tiefen des Bayerischen Waldes stammt diese Sängerin, genauer aus Trautmannsdorf, und die Schatten des Waldes nehmen in ihrer Musik und der ihrer Band unheimliche Gestalt an, zumindest auf diesem ihrem vierten Album. Ernste bairische und standarddeutsche Texte zu rockiger Musik bilden eine Mischung, die an Garmarna aus Schweden erinnert, mit Karin Rabhansl als deutscher Emma Härdelin. Die Texte sind allesamt mitlesbar, was das Verständnis erleichtert. „Finstra Woid, Liachtal gloa. / Heast as ned, fiachst de ned?“
Michael A. Schmiedel

LOUIS RIVE
The Cheap Part Of Town
(Eigenverlag)


Selten ein so deprimierendes Album gehört, und trotzdem ist das Werk empfehlenswert. Der Mann aus Edinburgh landet über einige Umwege wie zum Beispiel London in Barcelona und entscheidet sich dort, ernsthaft Musik zu machen. Ernsthaft heißt auf seinem Debüt: Nur Rives Gesang und seine Saiteninstrumente mit der Ausnahme einer Fiddle beim Titelstück. Mit seiner Punkattitüde geht es hier ausschließlich um die Verlierer, die Hoffnungslosen, die da unten. Das klingt nicht schön, aber authentisch.
Mike Kamp
Amber Rubarth
Wildflowers In The Graveyard
(Make My Day Records)


Ja, es gibt sie noch, Sängerinnen, die sich schlicht zur Gitarre begleiten und sonst nichts an nennenswerten Zutaten dazunehmen. Unprätentiös, aber sinnlich trägt Amber Rubarth ihre Folksongs vor. Starker Sechziger-Touch, starke Melodien. Kein Wunder, dass sie jüngst die Hauptrolle in einem Film spielte, der American Folk heißt und demnächst bei uns anlaufen wird.
Hans-Jürgen Lenhart

RUNWAY 27, LEFT
Triple Story
(Music Dish Edelweiss)


Der Österreicher Erich Brandl, der dreißig Jahre lang als Automechaniker gearbeitet hat, kann im Ruhestand endlich sein leidenschaftlich ausgeübtes Hobby ausleben und tourt als Gitarrist mit eigenen Songs durch Europa. Auf seinem dritten Album im Duo Runway 27, Left mit Anthony Kammerhofer spielt er akustischen Blues.
Annie Sziegoleit
YUSUF SAHILLI
Atoms & The Void
(Musszo Records)


Es ist schon lästig, wenn die Presse sich bei einem Künstler namens Yusuf auf die Herkunft stürzt. Bleiben wir bei der Musik: Im Spagat zwischen Americana und Pop überzeugt der Künstler durch brillantes Songmaterial. „No Way Out“ könnte von McCartney persönlich stammen, für den Satzgesang in „Ghost“ würden sich auch die Eagles nicht schämen, und „Hold On“ klingt wie eine Hitsingle von Muse. Alte Songstrukturen treffen auf moderne Arrangements und machen damit Atoms & The Void zum Album für Hörer jeden Alters.
Chris Elstrodt

LOTTA-MARIA SAKSA
You’re The Cream In My Coffee
(Acoustic Music Records)


Eine echte Überraschung liefert die finnische Gitarristin Lotta-Maria Saksa. Ausgefallenes Repertoire ist Gold wert. Umso mehr, wenn es derart gut ins Ohr geht und so kraftvoll und überzeugend interpretiert wird. Die Walzen selbstspielender mechanischer Pianos, die Anfang des 20. Jahrhunderts en vogue waren, hat die virtuose Musikerin als Grundlage für ihre Transkriptionen von Salonmusik, Jazzstandards und alten Schlagern genommen. Zwei Gitarren sind zu hören, da beim Eindampfen auf eine Gitarre zu viel an Material verloren gegangen wäre. Eine charmante musikalische Zeitreise.
Rolf Beydemüller
SHAKESPEARE AND THE BIBLE
Please Keep To The Left
(Plattenbau)


Das vierte Studioalbum der Hamburger Band um den Waliser Owen P. Jones beschert uns vierzehn Titel zwischen Folk- und Pubrock, inklusive einer Interpretation eines Robyn-Hitchcock-Titels. Der Wechsel zwischen Männer- und Frauengesang sowie folktypische Instrumente (Geige, Akkordeon, Flöte) lockern die gefälligen Melodien auf. Die Musiker*innen beherrschen ihr Fach, doch ein paar mehr Ecken und Kanten täten gut.
Imke Staats

Andrew Sheppard
Steady Your Aim
(Eigenverlag)


Der Sänger mit der leicht knarzigen Stimme ist irgendwo zwischen Southern Rock und Country anzusiedeln. Auch eine Western-Ballade und eine Rockabilly-Nummer verirren sich in sein Repertoire. Das könnte was für Leute sein, die die frühen Little Feat im Regal haben. Wie aus jener Zeit gefallen wirkt zumindest auch das Cover.
Hans-Jürgen Lenhart
SLIGHTLY STOOPID
Everyday Life, Everyday People
(Stoopid Records)


Neuntes Studioalbum des Septetts aus San Diego. Und was für eine Gästeliste: Alborosie, Yellowman, G.Love (ohne Special Sauce), Sly Dunbar, Ali Campbell (UB40), Don Carlos (Black Uhuru) und, und, und … Musikalisch ist natürlich der Reggaefluss nebst aller Seitenarme der Ausgangspunkt für alle Törns in artverwandte Gewässer wie HipHop, Folk oder Tex-Mex. So manches erinnert an David Lindleys feine Achtziger-Aufnahmen mit El Rayo-X. Ein rundum gelungenes Album voller kleiner Songperlen. Fußwippen garantiert.
Walter Bast

STELLA SOMMER
13 Kinds Of Happiness
(Affairs Of The Heart)


Irgendwo zwischen Nico und Lydia Lunch bewegt sich die Liedermacherin Stella Sommer. Man weiß nicht genau, ob die Künstlerin sich selbst ernst nimmt, vielleicht ist das Augenzwinkern auch gut getarnt. Die Texte zumindest werden auf dem Wave-Gothic-Festival eher Anklang finden als im Theaterabo. In überwiegend englischer Sprache erleben wir Songs wie „I Had No Idea“ oder „We Love You To Death“. Musikalisch verlässt sich die Künstlerin auf die Klangfarbe ihrer Stimme.
Chris Elstrodt
JOHN STEAM JR.
Anywhere But Here
(Eigenverlag)


Fluch und Segen der neuen Technik. Heutzutage kann absolut jede Person eine CD mit eigenem Material aufnehmen. Künstler wie John Steam Jr. wären der Welt ansonsten wohl verborgen geblieben. Mit akustischer Gitarre und engagiertem Gesang werden die Eigenkompositionen wie auf der Straße oder in der Kneipe vorgetragen. Das Songmaterial ist ausgezeichnet, hier gibt es für offene Ohren Wertvolles zu entdecken.
Chris Elstrodt

ROGER STEIN
Alles vor dem Aber
(Sturm & Klang)


Der Deutsch-Schweizer, der mit Sandra Kreisler das Duo Wortfront bildet, zeigt auch mit seinem zweiten Soloprogramm, was in ihm steckt: ein origineller Geist, ein guter Texter und Musiker. Kluge Gedanken („Alles vor dem Aber ist nicht wichtig“), Liebevolles, Kritisches oder Boshaftes beim Hochzeitslied und immer rein ins Klischee bei den Rentnerliedern. Die enttäuschten Erwartungen des banalen Alltags geben ihm reichlich Stoff für seine humorvollen Lieder am Klavier.
Rainer Katlewski
PERRY STENBÄCK & DEKADANSORKESTERN
Just Nu
(GO’ Danish Folk Music)


Der schwedische Multiinstrumentalist Perry Stenbäck spielt Blues, Folk, Roots, Jazz, Country, Rock und auch Klassik. Er ist daher ein vielgefragter Begleitmusiker, der 2009 in Dänemark als bester Instrumentalist ausgezeichnet wurde. Bei der vorliegenden CD (43:07) lässt Stenbäck alle erwähnten Genres anklingen. Das Album enthält neben fünf eigenen Songs sieben weitere Texte bzw. Kompositionen von anderen Komponisten wie Hovland, Myhre und Cornelis Vreeswijk, der es verstand, auch sozialkritische Inhalte in eingängige Musik zu verpacken. Insgesamt also eine bunte Mischung. Auch dies gehört zur skandinavischen Liedtradition, wie sie von Bellmann, Evert Taube und eben Vreeswijk verkörpert wird.
Bernd Künzer

STEPHAN SULKE
Die Box 1976-1986
(Electrola)


Was soll man dazu sagen? Eine Box mit zehn Alben aus zehn Jahren von einem großen, leicht nuschelnden Könner der Leichtigkeit, angesiedelt zwischen Liedermacherei, Schlager und Chanson. Stephan Sulke, ein umtriebiger Künstler mit einer ungewöhnlichen Biografie, dessen damalige Lieder man heute wieder neu entdecken kann, abseits jeden Hitparadendrucks. Melancholisches, Atmosphärisches, Freches, Kindliches, Nachdenkliches, Verträumtes, Alltägliches, Komisches und Uschi.
Rainer Katlewski
ROBERT „ROBI“ SVÄRD
Alquimia
(Asphalt Tango Records)


Schon vor zwei Jahren sorgte der schwedische Flamencogitarrist Robert „Robi“ Svärd für Aufsehen in der Szene, und zwar nicht nur in der schwedischen. So kommt es, dass auf Alquimia auch bedeutende spanische Vertreter des gegenwärtigen Flamencos zu hören sind. Ein deutlich gereifter Svärd dürfte sich mit diesem Wurf einen Platz unter den bedeutenden Flamencomusikern der Gegenwart erobert haben.
Rolf Beydemüller

TOPETTE!!
C’est Le Pompon …


Nicht verwunderlich, wenn einem beim Abhören des Debüts des englisch-französischen Quintetts Vergleiche mit Blowzabella kommen, spielt doch das englische Kontingent Andy Cutting (Knopfakkordeon) und Barnaby Stradling (akustischer Bass) bei eben jener Formation. Hinzu kommen Julien Cartonnet (Dudelsack, Banjo), James Delarre (Violine) und Tania Buisse (Bodhrán), und schon erklingt eine Tanzmusik, die aus ähnlich paritätischen englisch-französischen Quellen stammt wie die Besetzung. Geht gut ab!
Mike Kamp
GÉRALD TOTO
Sway
(No Format!)


Mit Lokua Kanza und dem Afrojazzer Richard Bona hatte Toto zwei beachtliche, auch kommerziell erfolgreiche Alben eingespielt. Seine Eltern stammen von der Insel Martinique, aufgewachsen ist er in Frankreich. Nun ein weiteres Soloalbum, dessen Titel (im Sinne von „Schwingung“) die relaxte, dabei experimentelle Mischung aus Jazz & Blues, Folk & Pop auf den Punkt bringt. Zarte, melodische, von akustischen Gitarren dominierte Klänge, mit einschmeichelndem Gesang veredelt.
Roland Schmitt

THE UNDUSTER
The Red Album
(The Unduster)


Verehrte Musikliebhaber, wenn Sie das aktuelle Unduster-Album im Plattenladen sehen, bewahren Sie Ruhe, kaufen Sie das Teil und machen Sie sich entspannt auf den Heimweg. Sie brauchen weder einen Ishihara-Test beim Augenarzt noch ein Update Ihrer Englischkenntnisse, denn Sie haben richtig gesehen: Das rote Album ist grün! Genießen Sie also den hinterfotzigen Humor der Jungs aus Simbach am Inn, ihre messerscharfen Texte und ihre angenehm weitschweifige Auslegung des Reggae-Genres. Wohl bekomm’s!
Walter Bast
MICHAEL van MERWYK
Songster
(Timezone)


Der Gitarrist und Sänger hat sein akustisches Coveralbum live im Bielefelder Studio eingespielt. Mit sparsamen Arrangements, aber viel Herzblut interpretiert Michael van Merwyk insgesamt 17 Titel unter anderem von U2, Johnny Cash, John Lee Hooker und Dr. John. Seit fast 35 Jahren hat sich der Musiker und Geschichtenerzähler landauf, landab eine große Fangemeinde erspielt – auch mit eigenen Kompositionen. An der Mundharmonika begleitet ihn Steve Baker, an Schlagzeug und Kontrabass Michael Maas. Ein gelungenes Digipack-Design rundet die Produktion ab.
Annie Sziegoleit

Loudon Wainwright III
Years In The Making
(StorySound/Proper)


Das Doppelalbum des amerikanischen Singer/Songwriters mit 42 Songs und 60-seitigem Booklet dürfte seine Fans aufhorchen lassen. Jedoch handelt es sich hier um ein Sammelsurium von bislang unveröffentlichten Livemitschnitten in oft schlechter Tonqualität, Demos, Album-Outtakes, ein paar Folkklassikern, von denen es weitaus bessere Versionen gibt, und Gesprächen. Bei solchen Zusammenstellungen für die absoluten Fans bleibt meist nur ein geringer verwertbarer Rest an erbaulichem Songmaterial.
Hans-Jürgen Lenhart
A. C. WEIR
This Has Been Me Since Yesterday
(Greentrax Recordings)


Da schreibt ein Mann aus Glasgow Lieder, einfach so für sich, und nimmt sie zwischen den Sechzigern und den Neunzigern auf einem Tonband auf. Seine beiden ebenfalls musizierenden Söhne denken: Viel zu gut für das private Archiv. Und sie überreden den Vater, im reifen Alter von 77 Jahren ins Studio zu gehen. Resultat: Tolle Songs im Folk-Rock-Pop-Gewand, die vor Jahren mit einer überzeugten Plattenfirma im Rücken größere oder kleinere Hits hätten werden können. Immerhin schön, dass wir Weirs Musik nun genießen können.
Mike Kamp

NICK WYKE & BECKI DRISCOLL
The Songs Of Edward Capern – The Postman Poet
(Eigenverlag)


Das versierte Duo aus Devon spielt unter anderem Fiddle, Gitarre, Piano oder Tin Whistle und hat sich der Gedichte von Edward Capern angenommen, die jener in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf seinen Runden als Briefträger durch das ländliche Devon schrieb. Romantisch, naturbezogen, philosophisch und sozialbewusst – ein in sich stimmiges Projekt.
Mike Kamp



Bücher
 JÜRGEN TREYZ: D-Trad Gitarre : traditionelle dt. Tanzmusik arrangiert f. Flatpicking-Gitarre in DADGAD.
JÜRGEN TREYZ
D-Trad Gitarre : traditionelle dt. Tanzmusik arrangiert f. Flatpicking-Gitarre in DADGAD.
fingerprint-verlag.de
(Osnabrück : FingerPrint, 2018. – 53 S. : überw. Noten u. TAB ; mit Abb. + CD. – )
ISBN 978-3-945190-28-9 , 19,80 EUR


Man kennt Jürgen Treyz als mitreißenden Flatpicking-Gitarristen der Irish-Folk-Band Cara und als Duopartner der Violinistin und Sängerin Gudrun Walther im Deutschfolkduo Deitsch. Treyz ist demnach sowohl im Irish Folk als auch im Deutschfolk zu Hause und weiß wie kaum ein Zweiter, den „keltischen“ DADGAD-Gitarrenstil auch an deutsches Folkrepertoire zu adaptieren. Schön, dass er für sein Spielbuch nicht auf das naheliegende (möglicherweise auch besser verkäufliche) irische Repertoire zurückgreift, sondern auf deutsche Volkstanzmusik. Zwölf der insgesamt fünfzehn geschmackvoll ausgewählten Stücke stammen aus der vor nicht allzu langer Zeit entdeckten Dahlhoff-Sammlung, die in der Bordun- und Volkstanzszene derzeit eine Renaissance erlebt. In langsam steigenden Schwierigkeitsgraden von leicht bis anspruchsvoll erläutert Treyz zunächst das Spiel einfacher Melodien, entwickelt unter Einbeziehung offener Saiten und gegriffener Bassnoten polyfones Spiel. Im Laufe des Buches erklärt er verschiedene Verzierungstechniken, wie Hammer-on, Pull-offs und Muted Triplets sowie das Umspielen einer Melodie mit Variationen. Alle Stücke sind auf der beiliegenden CD sowohl im Originaltempo zu hören als auch in einer langsameren Fassung; zu jedem Tanz gibt es eine Duettversion von Hauptstimme und Akkordbegleitung (die man über die Stereokanalauswahl einzeln einblenden kann). Außerdem gibt es Aufnahmen der Verzierungen. Selbstverständlich liegen die Stücke nicht nur in Noten-, sondern auch in Tabulaturschrift vor, die außerdem die Griffdiagramme für die Begleitung enthalten. Das Buch ist keine explizite DADGAD-Schule, sondern eher ein Spielheft, das Anfänger und Fortgeschrittene Schritt für Schritt an diese faszinierende Stimmung heranführt. Eine lohnenswerte Lektüre für jeden, der sich mit diesem Open Tuning beschäftigen möchte.
Ulrich Joosten
 KEN PERLMAN: Couldn’t have a Wedding without the Fiddler : the Story of Traditional Fiddling on Prince Edward Island.
KEN PERLMAN
Couldn’t have a Wedding without the Fiddler : the Story of Traditional Fiddling on Prince Edward Island.
kenperlman.com
utpress.org
(Knoxville : Univ. of Tennessee Pr., 2015. – XXVIII, 463 S. : : mit s/w-Fotos u. )
ISBN 978-1-62190-097-9 , 39,95 USD


Es ist problemlos nachvollziehbar, dass es Länder gibt, in denen ein Instrument lange Zeit im Zentrum der traditionellen Musik stand: die Pipes in Schottland, die Harfe in Wales oder die Kantele in Finnland. In den östlichen, sogenannten kanadischen Atlantikprovinzen wie Nova Scotia oder Prince Edward Island (PEI) nimmt die Fiddle diese Position ein. Wie zentral dieses Instrument im Leben der Menschen zumindest bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts war, überrascht dann doch. Der US-Banjospieler Ken Perlman sammelte über 400 Fiddle-Tunes auf PEI, die er auf CD und in Buchform veröffentlichte, und kam so auf die Idee, sich mit der Fiddle-Geschichte auf der Insel zu befassen. Bei zwei ausführlichen Besuchen Anfang der Neunziger und 2006 interviewte er etwa 150 Fiddler und entdeckte eine Musiktradition, die international bis in die Neunzigerjahre ignoriert wurde. Angefangen hat die Entwicklung wie so oft in dieser Gegend mit den schottischen Einwanderern ab der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts. In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts erreichte die Popularität der Fiddler den Höhepunkt. Kaum ein sozialer Anlass war ohne sie – und es waren immer Männer – und ihre Musik denkbar, obwohl sie interessanterweise als Menschen nicht sonderlich geachtet waren. Diese zentrale, lokale Rolle änderte sich erst mit erhöhter Mobilität durch ein Straßennetz sowie Medien wie Radio oder TV und die dadurch verbreitete Rock- und Popmusik. Nach etlichen Jahrzehnten des Niedergangs wurde das Revival von der PEI Fiddlers Society und ganz besonders dem kommerziellen Erfolg von zum Beispiel Natalie MacMaster oder Ashley MacIsaac von der Nachbarinsel Cape Breton begünstigt. Ebenfalls erleichterte die 1997 eröffnete, 13 km lange Confederation Bridge den Austausch mit dem kanadischen Festland. Heute ist PEI mit Bands wie Vishtèn oder The East Pointers auf der internationalen Musiklandkarte vertreten. Das Buch ist wissenschaftlich fundiert verfasst und glänzt mit einem umfangreichen Anhang (Tunes, Quellen, Index etc.). Sprache und Stil sind verständlich und gut lesbar. Ohne Frage ein definitives Werk!
Mike Kamp

 RICHARD FARIÑA: Been Down So Long It Looks Like Up To Me / Mit e. Vorw. v. Thomas Pynchon ; aus d. Amerikan. von Dirk van Gunsteren.
RICHARD FARIÑA
Been Down So Long It Looks Like Up To Me / Mit e. Vorw. v. Thomas Pynchon ; aus d. Amerikan. von Dirk van Gunsteren.
steidl.de
(Göttingen : Steidl, 2018. – 392 S.)
ISBN 978-3-95829-428-8 , 28,00 EUR


Über fünfzig Jahre hat es gedauert, bis jetzt endlich – Steidl sei Dank – eine deutsche Übersetzung von Fariñas 1966 erschienenem Roman vorliegt. Der Folker-Leserschaft wohl eher als Teil des Folkrock-Duos mit Ehefrau Mimi bekannt, liefert der Autor mit seinem Protagonisten Gnossos Pappadopoulos ein in mehrfacher Hinsicht wichtiges Buch. Für die Literaturfreunde finden sich in der in weiten Teilen in Slang geschriebenen Geschichte gleich mehrere literarische Stile – von den Beatniks über die Anfänge der Popliteratur bis hin zur Postmoderne eines Thomas Pynchon, der das Vorwort zur US-amerikanischen Neuausgabe 1983 lieferte. Inhaltlich spielt sich das Geschehen auf einem Campus ab – mit den Atomtests in der Wüste von Nevada, mit ersten revolutionären Aktivitäten auf Kuba und frühen Anzeichen der Hippierevolte in den Sechzigern als historischem Hintergrund. Wobei die Revolte des Gnossos Pappadopoulos eine gänzlich unpolitische ist. Mit hemmungslosem Drogenkonsum und wilden Sexabenteuern zeigt er seine Ablehnung der biederen US-Nachkriegsgesellschaft und der prüden sowie hierarchischen Ordnung auf dem Campus. Pappadopoulos studiert nicht, aber er ist auf der Suche. Verweigerung bedeutet ihm Freiheit. Diese Art von rauschhafter Befreiung lässt das, was wenig später mit Gegenkultur und Bürgerrechtsbewegung über die USA hereinbrach, nur erahnen. Dieses „Panoptikum gegenkultureller Ideologien, Strömungen und Figuren“, wie Moritz Scheper im Nachwort schreibt, bietet aber auf jeden Fall gerade angesichts des tagtäglich Lügen und Unsinn verbreitenden Twitter-Präsidenten Trump eine erfrischende Lektüre.
Michael Kleff
 LEVI HENRIKSEN: Wer die Goldkehlchen stört : Roman / aus d. Norweg. von Gabriele Haefs.
LEVI HENRIKSEN
Wer die Goldkehlchen stört : Roman / aus d. Norweg. von Gabriele Haefs.
randomhouse.de
(München : btb, 2018. – 349 S.)
ISBN 978-3-442-71680-7 , 10,00 EUR


Ein Roman voller Musik, in dessen Verlauf Jim, ein verkrachter Produzent, drei alte Geschwister singen hört und denkt: Das ist es, das rettet meine Karriere! Buena Vista auf Norwegisch! Jim kann auch EPs ausfindig machen, die die drei vor fünfzig Jahren eingespielt haben, nur haben sie danach ihre Karriere an den Nagel gehängt. Wie kann er sie dazu bringen, noch mal anzufangen und ein Album aufzunehmen? Doch die Senioren sind nicht so einfach zu überzeugen. Henriksen, selbst auch Musiker, erzählt eine schöne Geschichte über Musik, Hoffnung und Menschlichkeit.
Doris Joosten

 KETIL BJØRNSTAD: Die Welt, die meine war : die sechziger Jahre ; Roman / aus d. Norweg. von Gabriele Haefs…
KETIL BJØRNSTAD
Die Welt, die meine war : die sechziger Jahre ; Roman / aus d. Norweg. von Gabriele Haefs…
osburg-verlag.de
(Hamburg : Osburg, 2018. – 832 S.)
ISBN 978-3-95510-163-3 , 26,00 EUR


Ein weiterer, diesmal autobiografischer Roman eines norwegischen Musikers, der trotz seines Umfangs erst den ersten Teil des Lebens von Bjørnstad darstellt. In diesem Wälzer geht es um die Kindheit des Musikers, als er noch dick war und ein Wunderkind, das klassische Musik spielte. Der Autor schreibt darüber, wie er in den Sechzigern, während der großen Ereignisse der Weltgeschichte (Kubakrise, Beatles, Kennedy-Morde, Rassenunruhen in den USA und Mord an Martin Luther King) langsam seine Kindheit hinter sich lässt und seinen eigenen Kampf mit den Eltern, der Gesellschaft und seinem musikalischen Talent kämpft. Man darf gespannt auf den nächsten Band sein, der die Siebzigerjahre und ihre Musik behandelt.
Doris Joosten
 HARTMUT KÖNIG: Warten wir die Zukunft ab : Autobiografie. – 2. Aufl.
HARTMUT KÖNIG
Warten wir die Zukunft ab : Autobiografie. – 2. Aufl.
eulenspiegel.com
(Berlin : Verl. Neues Leben, 2018. - 558 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-3-355-01866-1 , 24,99 EUR


Hartmut König, ein früher Protagonist der DDR-Singebewegung, der es vom Oktoberklub bis zum ZK-Mitglied der SED und stellvertretenden Kulturminister brachte, beschreibt sein Leben und Werden in einer gut lesbaren und umfangreichen Autobiografie. Zufallsbekanntschaften ebneten ihm den Weg in die Liedermacherei, der in den FDJ-Apparat mündete und ihn bis zur Wende zu einem Nachwuchskader in Partei und Regierung werden ließ. Es ist ein interessantes Buch, weil König neben seinen Überzeugungen auch Zweifel und Brüche benennt, seinen Glauben, seine Anpassungen und Feigheiten schildert: „Unsereins würgt an seinen Fehlern.“ Daneben stehen aber immer wieder eine hymnisch-belehrende Schreibweise und politische Abhandlungen, vieles in seinen Verkürzungen schwer hinnehmbar. Er erzählt locker und oft mit vielen Details, um dann bei heiklen, unangenehmen Themen in einen blumig-euphemistischen Stil abzutauchen. „Sag mir wo du stehst und welchen Weg du gehst“, lautete in naiver Schlichtheit der Refrain eines seiner bekanntesten Lieder und sein eigenes Leben belegt den Schlingerkurs von festen Glaubensgrundsätzen zu Orientierungslosigkeit. Ausblendungen, Selbstkritik, Rechtfertigungen und Schilderungen über Funktionäre und das Funktionieren der inneren DDR-Zirkel, alles drin.
Rainer Katlewski

Besondere
MARIACHI REYNA DE LOS ANGELES
Mariachi Reyna De Los Angeles
(Smithsonian Folkways Recordings)


In der Mariachi-Musik gerade dieses weiblichen Ensembles wird gejauchzt und gelacht, dass es eine pure Freude ist. Dabei hatten Frauen es in diesem Genre immer schwer, sich durchzusetzen. Erst ab den Siebzigerjahren zogen sie in die oberste Reihe des Mariachi-Musizierens ein. Wenn Frauen in Ensembles mitspielten, wurde ihnen nicht der entsprechende Respekt entgegengebracht. Kein Wunder, dass sie sich daher selbst zusammenschlossen. Vor allem in den USA gibt es inzwischen mehr Frauengruppen als in Mexiko. Daher ist das Grammy-nominierte Ensemble Mariachi Reyna de Los Angeles im Bereich der traditionellen lateinamerikanischen Musik ein echtes Kleinod. Die Truppe wurde 1994  MARIACHI REYNA DE LOS ANGELES: Mariachi Reyna De Los Angeles gegründet und zeigt auch die bei uns wenig bekannte Verbreitung der Mariachi-Musik in den USA. Sie hatte nicht nur einen enormen Einfluss als Wegbereiter und Vorbild für Frauen in dem von Männern dominierten Genre, die Gruppe vermittelt vor allem, wie kunstvoll dieser Stil überhaupt ist. Im Jahr 2011 hat die UNESCO den Mariachi entsprechend zu ihrer repräsentativen Liste der immateriellen Kultur der Menschheit hinzugefügt. Erst durch den Erfolg der Band entwickelte es sich zur Selbstverständlichkeit, dass Musikerinnen im Mariachi auch Trompete oder Bass spielten. Die vielen Trompetenspielerinnen und Geigerinnen musizieren hier perfekt synchron und schaffen die kompliziertesten Läufe. Die verwendeten Harmonien sind auf die weibliche Stimmlage ausgerichtet. Die Arrangements sind abwechslungsreich, manchmal wird man kurz leise, dann schnell wieder laut. Einige Stücke wirken fast wie ein Medley, so unterschiedlich sind ihre Teile und Tempi. Mariachi ist stark emotional und eine hohe Sangeskunst mit lang gehaltenen Tönen, glucksenden Überschlägen und perfektem Satzgesang. Selbst schuld, wer bei dieser Musik nicht in höchste Verzückung gerät. Dem Album liegt ein informatives 44-seitiges Booklet in Englisch und Spanisch bei.
Hans-Jürgen Lenhart
VLADIMIR MARTYNOV, HUUN HUUR TU
Children Of The Otter
(Jaro)


Für gewöhnlich werden die Kernthemen unseres Magazins unter U-Musik subsummiert. Von Zeit zu Zeit kommt es aber auch immer einmal zu Begegnungen mit dem E-Bereich. Stellvertretend hierfür genannt seien Shaun Daveys Suite für Uillean Pipes und Orchester (The Brendan Voyage), Ravi Shankars Konzerte für Sitar und Orchester (unter André Previn und Zubin Mehta), verschiedene Kompositionen von Goran Bregovic (u. a. Balkanica) oder einige Werke zeitgenössischer chinesischer Komponisten, bei denen der Part der Violinen von den zweisaitigen Er’hu-Geigen übernommen wurden. Der russische Komponist Vladimir Martynov (*1946), der im Westen u. a. mit seinen Kompositionen für das Kronos Quartet (The  VLADIMIR MARTYNOV, HUUN HUUR TU: Children Of The Otter Beatitudes) bekannt wurde, hat auf der Basis eines Gedichts seines Landsmanns Velimir Chlebnikov (1885-1922) das Stück „Children Of The Otter“ geschrieben, eine Suite für tuwinisches Vokal- und Instrumentalensemble, Kammerorchester, gemischten Chor und Klavier. Die Uraufführung fand 2009 im russischen Perm statt. Die Teilnehmer: Huun Huur Tu, das Kammerorchester Opus Posth unter Leitung der Geigerin Tatjana Gridenko, der Permer Chor Mlada unter Leitung von Olga Vyguzova sowie der Pianist Michail Stepanitch. Der etwas skurril anmutende Titel beruht auf dem Chlebnikov-Gedicht „Die Kinder des Fischotters“, das wiederum seinen Ursprung in einigen sibirischen Legenden hat, in denen der – vermutlich weibliche – Fischotter als die „Mutter aller Menschen“ verehrt wird. Martynov mischt in seinem Werk die „Traditionals“ mit durchweg minimalistischem Material und sorgt damit für einen hypnotischen Beat, der Ohrenzeugen der Uraufführung nicht zu Unrecht an Steve Reich oder Philip Glass denken ließ. Und doch ist Children Of The Otter keine schwere Kost. Jedenfalls nicht schwerer als – sagen wir – Atom Heart Mother von Pink Floyd. Wer sich also neugierig und unvoreingenommen auf das Werk einlässt, wird mit fast achtzig Minuten wundersamer Klangkaskaden und rasanter Stimmakrobatik belohnt.
Walter Bast

KONSTANTIN WECKER
Sage Nein! – Antifaschistische Lieder 1978 bis heute
(Sturm & Klang)


Als sei die Schrift an eine Häuserwand gesprüht, jeder Vorübereilende soll hinschauen, die rot-schwarze Farbgebung verstärkt die Eindringlichkeit: „Sage Nein!“ Das aktuelle Album von Konstantin Wecker – Poet und Pianist, Liedermacher und Lebemann, Kämpfer und Künstler – gleicht einem Aufschrei gegen den wieder grassierenden Nazi-Irrsinn und gegen damit verbundene Angst und Ratlosigkeit. Wecker will ermutigen, sich einzumischen, sich eben nicht ins Bockshorn jagen zu lassen, stattdessen den Mund aufzumachen gegen rechte Gewalt, Fremdenhass und Hetze. Dabei ist Wecker bekanntermaßen alles andere als ein platter Agitator, er ist und bleibt ganz offensichtlich ein wacher Mensch voller Lebenslust und  KONSTANTIN WECKER: Sage Nein! – Antifaschistische Lieder 1978 bis heute nie versiegender Freude an der Musik. Seine Texte vermitteln auf sehr direkte, kompromisslose Weise Beobachtungen, Erlebnisse, Schlussfolgerungen. Seine Kompositionen kommen voller Zorn und Zärtlichkeit, Wut und Zuwendung daher. Sage Nein! präsentiert natürlich wieder eine aktualisierte Fassung von Weckers Kultlied „Willy“, daneben ist aber auch – quasi zum Vergleich – die ursprüngliche Version zu hören. Anrührend, die Zwiesprache zwischen Vater und Sohn, darüber, was der richtige Weg sei („Vaterland“); erschreckend, wenn die Ewiggestrigen schon wieder meinen, die Oberhand gewinnen zu können („Sturmbannführer Meier“); erhellend die Satire zum Thema Spießbürger, Kleingeister, Bigotterie („Stilles Glück“). Einige der bereits zuvor veröffentlichten Lieder zum Thema Antifaschismus wurden neu eingespielt („Empört euch“, „Ich habe Angst“ u. a.). Wecker lässt es zwischendurch auch gern mal richtig rockig krachen („Anna R. Chie“ oder die Liveversion von „Das macht mir Mut“). Herrlich die von Jo Barnikel arrangierte Version von „Bella Ciao“. „Das Leben will lebendig sein“ ist ein bisher unveröffentlichtes Lied auf dem Album; darin findet sich der Satz: „Wer mit dem Leben tanzen will, muss ungehorsam sein!“ So ist es wohl.
Kai Engelke
OMAR SOSA & YILIAN CAÑIZARES
Aguas
(MDC)


Der seit Langem außerhalb seiner Heimat Kuba, aktuell in Barcelona lebende renommierte Worldjazz-Pianist Omar Sosa ist ein sehr agiler, neugieriger Künstler mit vollem Tourplan und extrem hohem kreativem Output. Zumeist veröffentlicht er mehrere Alben jährlich, mit teils immer neuen seelenverwandten Spielgefährten wie nun der aus Havanna stammenden, seit Längerem von Lausanne aus agierenden Geigerin und Sängerin Yilian Cañizares. Für sie ist ihr achtzehn Jahre älterer Landsmann Vorbild und musikalische Orientierungshilfe. Als sie im Vorprogramm eines seiner Konzerte auftrat, war dieser umgekehrt fasziniert von ihrer besonderen Bühnenpräsenz und vor allem von der geglückten ausdrucksstarken Allianz zwischen Gesang  OMAR SOSA & YILIAN CAÑIZARES: Aguas und Spiel seiner klassisch ausgebildeten Kollegin. Es gäbe aus seiner Sicht nicht viele singende kubanische Geigerinnen. Das titelgebende, lebensessenzielle Wasser – schon zuvor Thema in beider Arbeiten – verbindet die zwei Diaspora-Kubaner u. a. auch durch ihre Nähe zur afrokubanischen Santería, ihrer starken Spiritualität überhaupt. Die manifestiert sich in dieser Aufnahme vielfach und hält die Begegnung dieser charismatischen Künstler und Menschen zusammen. Elf überwiegend kontemplative, im Duo komponierte Stücke kamen dabei heraus, eingespielt mit dem in Paris lebenden, mit viel Geschick und Behutsamkeit musizierenden kubanischen Percussionisten Inor Sotolongo. Bezüge zu den diversen ihnen nahen Orishas aus der Yoruba-Tradition werden direkt oder mittelbar hergestellt, die diversen Backgrounds und Interessen von Sosa und Cañizares klingen durch: Jazz, auch mal Echos von Tango-Melancholie. Dazwischen Stimmensamples wie die von Neruda gesprochenen Verse; die Großmutter der Geigerin, Martí rezitierend; Yoruba-Gebete des Sängers Lázaro Ros, des Übervaters der afrokubanischen Tradition. Aguas zeigt auch, dass nicht nur das Piano eine wichtige Rolle in der kubanischen (Populär-)Musik spielt, sondern z. B. auch die Geige, ohne die weltbekannte Genres wie der Cha-Cha-Cha nicht auskämen.
Katrin Wilke

DER ODENWÄLDER SHANTYCHOR
Dorscht
(Wolkenstein)


DIE BLOWBOYS
Die Blowboys
(Puls Audio)


Kaum zu glauben, dass der Odenwälder Shantychor nun schon seit gut dreißig Jahren mit dem „Ourewellerschen“ Nationalhelden Schann Scheid von Fränkisch-Crumbach aus über die sieben Weltmeere segelt. Nachdem die Sänger und Sängerinnen (jawohl, bei den Odenwäldern sind Frauen in der ansonsten Männern vorbehaltenen Domäne eines Shantychores erlaubt!) in ihrem vorigen Programm dem „Geist, der aus der Kelter kam“ nachspürten, widmen sie sich nun dem Durst. In ihrem zehnten Programm spüren sie der etymologischen Übereinstimmung der Begriffe „Dorsch“ und „Dorscht“ nach und gehen den Höhepunkten maritimer Kneipenkultur in erstaunlich spekulativer Spelunkenkunde auf den Grund. Die musikalische Auswahl ist  DER ODENWÄLDER SHANTYCHOR: Dorscht  DIE BLOWBOYS: Die Blowboys gewohnt exquisit. Es findet sich mit dem schmissigen „Lettre À Durham“ zum Beispiel ein Song der kanadischen Band Le Vent du Nord im Programm und fügt sich wie die weiteren Lieder dank der intelligent-humorvollen Moderation nahtlos in die Setliste ein. Neben dem „Alabama Song“ von Brecht und Weill etwa, dem irischen Traditional „Sally Brown“ bis hin zu einem Lennon/McCartney-Hit, der auf ourewellerisch „Wonn’d wu hi wid, laaf“ heißt. Shantys sind das nicht, aber wie immer kompetent für ein Folkensemble arrangierte und für gemischten Chor gesetzte Songs. Ein Hochgenuss, der zum dreißigjährigen Jubiläum der Band endlich mal auf einer DVD festgehalten werden sollte.
Einen Weg wie der OSC hat der junge Shantychor Die Blowboys (der sich natürlich nach dem Refrain aus dem „Hamborger Veermaster“ benennt) von der deutschen Ostseeküste erst noch vor sich. Die vierzehn Sänger und Instrumentalisten und ihre Gastmusiker glänzen in hörenswerten, unkonventionellen und mit wunderbaren Stimmen gesungenen Chorsätzen. Sie bieten eine geschickt zusammengestellte, touristenkompatible Mischung aus traditionellen Shantys („Randy Dandy O“, „Haul Away, Joe“) und publikumswirksamen Liedern à la „La Paloma“, „Dat du min Leevsten büst“ oder „Över de stillen Straten“.
Ulrich Joosten



Deutschland
 17 HIPPIES: Kirschenzeit
17 HIPPIES
Kirschenzeit
(Hipster Records), mit dt. u. franz. Texten u. Infos


Musikalisch sind sie eine Bank. Auch auf ihrem 23. Album trägt das über zwanzigjährige Zusammenspiel in fast immer gleicher Besetzung wortwörtlich Früchte. Die Arrangements, ihre tiefsinnigen Texte und vor allem ihr exzellentes musikalisches Spiel sind erneut ein Hörgenuss. Doch das Gefühl von Aufbruch will sich nicht einstellen. Genau das wollen die 17 Hippies aber mit ihrem Titel Kirschenzeit vermitteln. Der Begriff entstand in Frankreich in den Revolutionstagen von 1871 und verkörpert in unserem Nachbarland bis heute den Neuanfang in schwierigen Zeiten. Das Album der 17 Hippies ist jedoch ein sehr nachdenkliches geworden. Es verbreitet vielmehr Melancholie, mitunter sogar Resignation über die Veränderungen in der Welt. Vielleicht ist es auch nur die Müdigkeit, die sich nach all den Jahren im harten Musikbusiness ausdrückt. Allein in dem groovigen Lied „Gold“ ist so etwas wie Aufbruch zu spüren. Aber das Besinnen auf das, was man gut kann, und die Flucht in die Zweisamkeit sind keine ausreichende Antwort – geschweige denn ein Aufbruch – in einer Welt, in der zunehmend jeder macht, was er oder sie will.
Erik Prochnow
 FRED APE: Es gibt immer eine richtige Seite
FRED APE
Es gibt immer eine richtige Seite
(Ruhrfolk)


Nach vierzig Jahren auf der Bühne mit an die dreitausend Konzerten und achtzehn Alben darf man den Dortmunder mit Fug und Recht als „Liedermacher alter Schule“ bezeichnen, ohne dieses Prädikat negativ auszulegen. Sein letztes Soloalbum Flaschenpost erschien erst 2017, da legt er nun schon nach, mit Songs, die gut auf die vorige CD gepasst hätten. Lieder, die sich quasi von selbst schrieben, inspiriert von nicht abreißenden „Bildern von in Syrien ermordeten oder im Mittelmeer ertrunkenen Kindern, Überbevölkerung und Hungerkatastrophen aufgrund nie geglaubter Klimaszenarien“ (Booklet). Apes Lieder möchten dem Gefühl, nicht hinschauen zu wollen, etwas Positives entgegensetzen. Die elf Songs des neuen Werks zeigen auf: „Es gibt immer eine richtige Seite“, die es zu betrachten lohnt. Musikalisch zwischen Folk, Rock und Country angesiedelt, ließ Ape sein kompetentes Gitarrenspiel und den Gesang von dem alten Weggefährten Guntmar Feuerstein an Klavier, Synthesizer, Gitarre, Bass, Percussion, Mandoline, Banjo und Glockenspiel begleiten. Die Lieder sind immer songdienlich arrangiert. So entfalten die satirischen Texte – wie in „Hier kommt Trump“ (im Original Johnny Cashs „Walk The Line“) – musikalisch abwechslungsreich ihre Wirkung.
Ulrich Joosten

 DIETER HUTHMACHER: Vogelmund
DIETER HUTHMACHER
Vogelmund
(Doppelfant), mit Texten


Der Pforzheimer Bildkünstler, Liedermacher und Kabarettist Dieter Huthmacher ist seit bald fünfzig Jahren mit Liedern unterwegs, einst mit seiner Frau, heute auf Solopfaden. Die Zeit hat ihn grau gemacht, seine Lieder sind heute ruhiger, nachdenklicher und melancholischer geworden. Sie haben etwas Zartes, Poetisches, und sein zurückhaltender Gesang zur Gitarre unterstreicht diese Atmosphäre. Er besingt Freundschaften, die Freude an Kindern, alte und neue Lieben, und zum guten Schluss gibt es noch eine Hommage an seinen toten Vater. Die „Sachliche Romanze“ von Kästner dient ihm als Vorlage für einen eigenen Text über die Flüchtigkeit der Liebe, in anderen Liedern kann man Bezüge zu Kollegen erahnen. Was ist ein richtiges Leben, wie sieht man andere Menschen? Er bekennt sich zur Verantwortung dafür, dass die Fremdenfeindlichkeit bekämpft wird, beklagt aber auch die Hilflosigkeit angesichts des anschwellenden Rechtstrends. Sein Lied über die Heimat ist allerdings sehr romantisch gefärbt. Huthmacher, der auch mit Mundartkabarett auftritt, zeichnet hier eine Idylle, die wohl selbst in der Pforte zum Schwarzwald nicht existiert. Ein schönes Album voller Altersmilde und -weisheit.
Rainer Katlewski
 SEBASTIAN KRÄMER UND DAS METROPOLIS ORCHESTER BERLIN: Vergnügte Elegien
SEBASTIAN KRÄMER UND DAS METROPOLIS ORCHESTER BERLIN
Vergnügte Elegien
(Reptiphon), mit Texten


Einen wunderbaren, charmanten Tief- und Unsinn liefert mal wieder am Klavier der ausgezeichnete Sebastian Krämer ab, der schon seit vielen Jahren seine ganz eigene Spur durch die Liedermacherlandschaft zieht. Vom Metropolis Orchester Berlin unterstützt, schmeichelt er sich uns mit süßen, süffigen Melodien ins Ohr, um uns mit seinen Texten Unerhörtes, Abstruses, Sonderbares und Gruseliges unterzujubeln, Texte und Inhalte, die normalerweise nicht liedfähig sind. Als da wären: der schwere Alltag eines Drachentöters, das spießige Leben der einstmals wilden Dolo, das unberührte Zimmer vom toten Patrick, der Tod eines Zuschauers namens Max oder wie die vergessene Sprechpuppe über Nacht das Lachen verlernte. Seine Berliner Wahlheimat karikiert er mit der „Knorrpromenade 9“ und der Beschwerde, dass im Wackelpudding noch das Kokain bzw. Nitroglyzerin fehle. Kannibalen-Kochrezepte, ein Schickiwiki-Eintrag und sein Deutschaufsatz über Max Brod und Kafka bilden den Höhepunkt des eigentlich Unsingbaren und Unliedbaren. Aber er kann es machen, perfekt in Text, Musik und Vortrag, und als Bonus gibt es noch fünf Walzer aus seiner Feder. Ein ganz klassischer Hörgenuss, geistvoll, anregend und originell.
Rainer Katlewski

 NO SNAKES IN HEAVEN: Blue Sky
NO SNAKES IN HEAVEN
Blue Sky
(Focus)


Wer erinnert sich noch an die frühen Neunziger, in denen das Label BSC-Music mit Independentperlen wie Sacco und Mancetti, Arts & Decay oder The Run frischen Schwung in die damals öde deutsche Poplandschaft brachte? Nun scheint die Qualität im Popsektor erneut bedroht, und so sattelt das Label erneut die Pferde, um die Musik zu retten. Der Ritter ist diesmal eine Ritterin in Gestalt von Ex-The-Run-Sängerin Micha Voigt, die unter dem Namen No Snakes in Heaven mittlerweile vier Alben, davon zwei in Bandbesetzung eingespielt hat. Das neue Album Blue Sky klingt so, wie ein reifer Wein schmecken muss. Jeder einzelne Schluck respektive Song wird zum Fest, das langsam genossen eine stärkere Kraft entwickelt als im schnellen Konsum. Micha Voigt ist eine gestandene Frau, die keinem hippen Trend mehr folgen muss. Sie weiß genau, wie sie ihre Ausnahmestimme einzusetzen hat, wie in den Textpassagen die Gefühle durchscheinen können und wie Gitarre und Cello auf den Punkt gebracht darüber entscheiden, ob ein Song so lala oder ein Meisterwerk wird. Gitarrist Matthias Haupt, seit fünfzehn Jahren bei der Band, steuert erstmals vier eigene Songs bei, die sich perfekt in das Album eingliedern.
Chris Elstrodt
 SHORT TAILED SNAILS: Kopfsalat
SHORT TAILED SNAILS
Kopfsalat
(Eigenverlag), mit Fotos u. dt. Texten u. Infos


Trotz des englischen Bandnamens singt Frontsängerin Regina Schmidt hauptsächlich auf Deutsch, und zwar Lieder aus mehreren Jahrhunderten – acht laut Website. So manches Lied kennt man von Mittelaltermärkten und -festen, aber auch Volkslieder sind dabei. Mit von der Partie sind Bert Brückmann (Gitarre, Cister und Bass), Ines Hartig-Mantel (diverse Flöten, Drehleier, Percussion, Gesang) und Ismael Redríguez Bou (Percussion). Auch das eine oder andere Borduninstrumentalstück ist dabei, was man eventuell sogar als willkommene Erholungspause zwischen den von Schmidts hoher Stimme bestimmten Liedern wahrnehmen kann. Im Großen und Ganzen ist die Performance eher ruhig und gediegen, den Texten ist gut zu folgen und mitlesen kann man sie obendrein. Dann merkt man auch, dass sie oft ernsten Inhaltes sind. So wird der Tod von Rittern und Blumen besungen; Teufel, Spitzbübin und Schlangenköchin reichen sich die Hand. Leider spiegeln sich diese dunklen Texte nicht in musikalischer Dramatik wieder, wie man sie von Doppelbock, Garmarna oder Karin Rabhansel kennt. Wie die Heidelberger Band auf ihren Namen und den des Albums kam, wird nicht verraten. Vielleicht muss man ein Konzert besuchen, um das zu erfahren.
Michael A. Schmiedel

 HANS SÖLLNER: Genug
HANS SÖLLNER
Genug
(Trikont)


Als Hans Söllners erste LP veröffentlicht wurde, war er 26 Jahre alt. Wer bei Genug allerdings immer noch den rotzfrechen Politiker beleidigenden, Ganja lobpreisenden bajuwarischen Rasta sucht, ist hier definitiv auf der falschen Baustelle. Mit seinen 62 Jahren ist Söllner reflektiver geworden, nachdenklicher, ohne jedoch in präsidiale Altersmilde zu verfallen. In „Rassist“ kotzt er sich den ganzen Frust angesichts rechtsradikaler Dumpfbacken von der Seele, klagt in „Untersberg II“ die wachsende Naturzerstörung an, macht sich in „McMörfi“ über depperte Gesetzeshüter lustig und gibt in „Biff Baff“ dem aktuellen bayerischen Ministerpräsidenten noch eins mit. Demgegenüber stehen stille persönliche Lieder („Lotta“, „A kloans Herz“) und Lieder voller Empathie für die, die es in unser Land verschlagen hat („Flucht“, „Macht euch schön“). Söllners Lyrik ist immer noch voller Wut und Trauer über den Zustand von Staat und Planet. Dennoch deutete er kürzlich an, dass dies definitiv sein letztes Album gewesen sei. Die Gründe dafür lägen teils im musikalischen, teils im privaten Bereich. Doch vielleicht nimmt sich der Reichenhaller ja einen Song seines Kollegen Wecker als Motto für künftige Taten: „Genug ist nicht genug“. Denn auf einen wie Söllner können und wollen wir nicht verzichten!
Walter Bast
 WENZEL: Wo liegt das Ende dieser Welt
WENZEL
Wo liegt das Ende dieser Welt
(Matrosenblau), mit Texten


Es ist immer wieder erstaunlich, welch herausragendes Niveau Wenzels Lieder abseits des Mainstreams haben. Das neue Album pendelt gekonnt zwischen melancholischer Poesie, zartem Liebeslied, Abschiedsstimmung und bissigen politischen Themen. Da heißt es beispielsweise: „Warum hat der eine nichts zu essen, warum schmeißt der andre so viel fort?“ Oder: „Von oben sieht ein Überwachungssatellit, was wir so tun mit unsern Stunden.“ Eine grandiose Metapher auf unsere heutige Zeit der fehlenden Utopien, wie es weitergehen soll mit dieser Welt, stellt das Shanty „Kein Land in Sicht“ dar: „Selbst der Steuermann weiß nicht, wohin wir fahrn ... warum träumen wir nicht?“ Eine fröhliche maritime Untergangsstimmung mit Schifferklavier und Ohrwurmpotential. Wenzels Band wird unterstützt von Trompete, Posaune, Fagott und Tuba, die Musik ist leicht und locker mit liedhaftem Rock und Klängen zwischen Folk und Jazz. Beliebt sind bei Wenzel vor allem diejenigen Lieder, die Sentimentalität mit Lebensfreude verbinden: „Der Wein trieb die Welt an, sich schneller zu drehn.“ Dieses Album genießt man am besten wie einen guten Wein. Es lohnt sich.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

Europa
 CESARE DELL’ANNA – GIRODIBANDA: Guerra  BANDADRIATICA: Odissea
CESARE DELL’ANNA – GIRODIBANDA
Guerra
(11/8 Records)


BANDADRIATICA
Odissea
(Finisterre), mit Texten


In Salento, am Stiefelabsatz Italiens, ist das Meer allgegenwärtig. Die Menschen dort leben von ihm, sterben darin, die Migranten überqueren es und erhoffen sich in Europa ein besseres Leben. „Die ganze Welt befindet sich im Krieg, unsere Strände, unser Meer“, sagt Cesare dell’Anna, Sänger und Bandleader von Girodibanda. Folgerichtig nennen sie ihr neues Album Guerra, „Krieg“. Doch es gibt Abhilfe. Madonnen spenden Trost gegen Unbill aller Arten, wie im Beiheft abgebildet. Dann feiert man Feste. Dazu gehört die Blasmusik, und die tritt in Salento lustvoll, frech und sozialkritisch auf. Eine Banda ist auch eine Band mit Leadsänger. Girodibanda nehmen alles aufs Korn. Musikalisch reicht die Palette von der Pizzica über den Bolero von Ravel und Ska zu Italopop.
Bandadriatica und ihr Leadsänger Claudio Prima holen sich ihre musikalischen Einflüsse mit ihrem Segelboot an den Häfen des Mittelmeers, wo sie auftreten, Musiker treffen und deren Einflüsse in ihren funkig-souligen Sound einfließen lassen. Auf Odissea sind neben jazzigen Passagen vor allem nordafrikanische Rhythmen und Balkanbeat präsent. Die Migration ist für die Banda ein Austausch, eine Bereicherung. Dafür stehen sie ein. Zwei starke Truppen mit charismatischen Sängern und dem Herz auf dem richtigen Fleck.
Martin Steiner
 DIVERSE: Folk & Great Tunes From Latvia
DIVERSE
Folk & Great Tunes From Latvia
(CPL-Music), mit engl. u. dt. Infos


Nach Estland folgt nun der Lettland-Sampler vom umtriebigen Label CPL-Music. Labelchef und Skandinavienexperte Christian Pliefke war erneut auf Trüffelsuche im Baltikum. Der erste Höreindruck bestätigt die Vermutung, dass die geografische Lage Lettlands sich auch in der Musik widerspiegelt. Skandinavische Einflüsse beherrschen die Melodien, ebenso Musik aus Polen. Tatsächlich klingt die typische lettische Komposition wie eine Melange aus beidem. Sowohl Liebhaber osteuropäischer als auch Liebhaber nordischer Klänge können also mit diesem Sampler auf Entdeckungsreise gehen, der in jeder Dimension üppig ist. Auf insgesamt 41 Tracks stellt CPL-Music hier noch wenig bekanntes musikalisches Terrain auf einem Doppelsilberling vor. Dabei klingt erstaunlicherweise die erste CD wie aus einem Guss. Mit Schwerpunkt auf weiblichem Gesang und traditionellen Instrumenten könnten die meisten Tracks auch von einer einzigen Band stammen. Auf CD 2 wird es dann experimenteller, aber auch hier liegt der Schwerpunkt auf gut hörbaren, folkfankompatiblen Tunes. Dadurch hört man den Sampler gerne mehrfach, man spürt aber wenig Kaufanreiz, die Scheiben bestimmter Einzelinterpreten zu erwerben.
Chris Elstrodt

 FARA: Times From Times Fall
FARA
Times From Times Fall
(CPL Music), mit engl. Texten u. Infos


Mit dem Debüt gleich eine Vierteljahresbestenlisten-Auszeichnung des Preises der deutschen Schallplattenkritik gewonnen! Wie können die vier Damen von den Orkney-Inseln das toppen? Es scheint, als sei das nur bedingt ihre Intention, denn die drei Fiddlerinnen und Vokalistinnen plus die immens wichtige Pianospielerin begeben sich eher auf die verdienstvolle Suche nach ihrem ureigenen Sound. Selbstverständlich dominiert weiterhin die Fiddle, aber die Melodien und Lieder sind diesmal selbst geschrieben. Als studierte Musikerinnen mit deutlichen Wurzeln in der Orkney-Tradition gelingt ihnen der delikate Spagat zwischen Althergebrachtem und dezent neuen Elementen im wahrsten Sinne des Wortes spielend. Auch die vier Gesangsstücke können ihre Herkunft nicht verleugnen, zumal Fara bei den Texten gerne auf Poeten ihrer Heimat wie Edwin Muir oder George Mackay Brown zurückgreifen. Vielleicht kommt die Power der Fara-Musik nicht mehr so überraschend rüber wie beim Erstling, aber der Nachfolger ist ein nicht minder kraftvolles, jedoch reiferes Werk.
Mike Kamp
 HOT GRISELDA: Sunbox
HOT GRISELDA
Sunbox
(TradRecords)


Hot Griselda bleiben nach zehn Jahren ihrem keltischen Bal-Folk-Sound kompromisslos treu. Der Kopffaktor bei vielen Tunes hat im Vergleich mit den Vorläuferalben eher noch zugenommen, die sensationell groovende Gitarre von Jeroen Geerinck befindet sich noch häufiger im elektrifizierten Modus, was den Sound schon mal mittenlastig und anstrengend macht. Kaspar Laval erfindet maximal komplexe Gegenrhythmen – thrilling. Die beiden Pipes-Protagonisten Stijn van Beek und Toon van Mierlo haben sich noch deutlich öfter für Uilleann-Pipes-Duette entschieden, das ist kondensierter als früher. Virtuoses, modernes Piping, von beiden empathisch aufeinander bezogen gespielt. Soundmäßig etwas überschlank komprimiert dargeboten, klingen doch die Pipes-Passagen einfach umwerfend, weil so gut gespielt. Und für den Grundsound kann auch der Erbauer der Instrumente – Evertjan t’Hart – mit seiner hervorragenden Arbeit nicht hoch genug gelobt werden. Insgesamt ein wirklich „abgefahrenes“ Album, das man obligat mehrmals hören muss, bevor es das Herz wirklich erreicht. Der Lieblingstrack des Rezensenten ist das süß-versöhnlich startende „Broken Doll“. Aber das ist nur eine von zwölf großartigen, sehr außergewöhnlichen Tunes.
Johannes Schiefner

 TERJE ISUNGSET: Beauty Of Winter – Ice Music Live
TERJE ISUNGSET
Beauty Of Winter – Ice Music Live
(All Ice Records)


Der norwegische Percussionist Terje Isungset widmet dem gefrorenen Aggregatzustand des Wassers seit vielen Jahren sein beinahe gesamtes musikalisches Schaffen. Wie klingt Eis? Und welche Instrumente lassen sich aus Eis herstellen? Und was ist das für eine Musik, die Isungset den „eisigen“ Instrumenten entlockt? Man hört zumeist völlig Unvertrautes: Eis, das knirscht, geschlagen und, man glaubt es kaum, geblasen wird. Es gibt ganz irdische Klänge wie Kratzen, Schaben, Streichen oder Klopfen. Die aus Eis geformten Mallets, marimbafonartige Schlagwerke, wiederum klingen beinahe überirdisch. Fließendes Wasser, plötzlich ein Horn, ein Eis-Horn (!), das einem durch Mark und Bein geht, dazu gesellt sich die ätherisch schöne Stimme von Maria Skranes. Hecheln, lautes Aus- und Einatmen, das an den Gesang der Inuit erinnert – immer bleibt die Musik aus dem Eis den Elementen ganz nah, man möchte fast sagen hautnah, so direkt sind einzelne Klänge aufgenommen. Und was noch wunderbarer anmutet: Diese „Schönheit des Winters“ wurde bei Livekonzerten aufgezeichnet. In Zeiten des Klimawandels muss man befürchten, dass Isungset zum Klangchronisten eines Elementes wird, das dem Untergang geweiht ist.
Rolf Beydemüller
 JAUNE TOUJOURS: Europeana
JAUNE TOUJOURS
Europeana
(Choux de Bruxelles)


Die Idee zum Titel dieses Albums entstand auf einer Kanada-Tournee. Die Zuhörer empfanden die Musik der bekannten Brüsseler Band als irgendwie europäisch, aber nicht genau zuordenbar. Man könnte den Stil ja Europeana nennen – auch in Entsprechung zu Americana (alternativer US-Country Music). Nette Idee, aber so richtig passt sie nicht. Bisher steht der Begriff Europeana für das gemeinsame europäische Erbe. Die Musik von Jaune Toujours steht aber eher für die Gegenwart der Metropole Brüssel. Neben europäischen Einflüssen – belgisch-französischer Folk, Balkan-Brass und spanischer Mestizo-Rock – gibt es auch arabische und afrikanische Einwirkungen. „World of Mishmash, dancing muslims“ heißt es passend in „Funky Brussels“. Musikalisch ist das Album über weite Strecken enttäuschend, viele Riffs, wenig Melodien. Am besten sind die Offbeat-Nummern „Question/Réponse“, „Alles Normaal“ und „Save Le Monde“. Die mehrsprachigen Texte sind oft parolenhaft. Am interessantesten ist „End Of Season“, wo das Ende des Festivalsommers mit dem Ende einer erfreulichen Weltepoche verbunden wird. Geht es jetzt zurück in den Kalten Krieg? Jaune Toujours begleitet die Kämpfe der Zeit dennoch gut gelaunt.
Christian Rath

 BRUNO LE TRON: Initium
BRUNO LE TRON
Initium
(Bizis Productions)


Bruno Le Tron ist einer der bekanntesten europäischen Folkakkordeonisten. Von ihm stammt das grandiose und oft nachgespielte „Valhermeil“. Er ist und war Mitglied der Akkordeonsupergruppen Accordeon Samurai und Tref. Sein aktuelles Album heißt Initium (lateinisch für „Anfang“). Es ist Bruno Le Trons insgesamt dreizehntes Album und zweites Soloalbum. Von einem Anfang kann also nicht die Rede sein. Initium ist ein gutes und abwechslungsreiches Album. Bruno Le Tron hat fast alle Stücke selbst geschrieben. Ein zweites „Valhermeil“ ist zwar nicht dabei, aber einige schöne Walzer, etwa das Titelstück oder „Le Pinson Du Nord“. Auch die elegant durchmessenen „Vallées Des Jordanne“ sind hervorzuheben. Es sind eher die ruhigen Stücke, die auf diesem Album im Ohr bleiben. Mit Bruno Le Trons diatonischem Akkordeon harmoniert Franck Fagons Klarinette vorzüglich. Kein Wunder, denn sie spielen auch in einem gemeinsamen Duo. Mit dabei sind zudem Laurent Cabané an Kontrabass und Gitarre sowie Olivier Le Gallo an Percussion und Schlagzeug. Leider wirkt die Gesamtproduktion manchmal recht unorganisch. Selten ist so deutlich zu hören, dass die Instrumente getrennt eingespielt wurden.
Christian Rath
 SIOBHAN MILLER: Mercury
SIOBHAN MILLER
Mercury
(Songprint Recordings)


Siobhan Miller hat eine dieser Stimmen, die Konzertbesucher auch bei der ältesten oder bekanntesten schottischen Ballade hinschmelzen lassen. Verständlich, dass eine solch talentierte und kreative Künstlerin sich nicht auf ein traditionelles Folkimage festlegen will. Verständlich auch, dass sie mit ihrem neuen Album intensiver als zuvor den Popmarkt ansteuert. Schließlich ist dort das Geld zu verdienen, das in der Folkszene rar ist. Aber ob es wirklich so eine gute Idee war, den teils eigenen Songs jegliche Wurzeln wegzuarrangieren? Oder z. B. die vorhandene Fiddle oder Violine im Mix ganz hinten anzusiedeln? Ohne Frage ist die von Bassist Euan Burton produzierte Scheibe objektiv eine gute CD. Mit „Sorrow When The Day Is Done“ und „Keep Me Moving On“ sind sogar zwei veritable Ohrwürmer oder sogar Hits vertreten. Szenegrößen wie Eddie Reader, Kris Drever oder Megan Henderson helfen aus, aber das ist trotzdem eine Musik, die so auch in New York oder London zu Hause sein könnte. Eine solch radikale Verleugnung der eigenen Vergangenheit hätte aller Qualität zum Trotz nicht sein müssen.
Mike Kamp

 BRIAN Ó hEADHRA & FIONA MACKENZIE: Tír – Highland Life & Lore
BRIAN Ó hEADHRA & FIONA MACKENZIE
Tír – Highland Life & Lore
(Anam Communications), mit gäl./engl. Texten u. Infos


Traditionelle gälische Lieder singt das Ehepaar Ó hEadhra/Mackenzie mit perfekten Harmonien. Das haben sie in der Vergangenheit u. a. in der Formation Cruinn eindrucksvoll bewiesen. Dieses Album jedoch ist von einer ganz anderen Sorte. Ja, zehn von zwölf Songs sind in Gälisch, selbst geschrieben, traditionell oder aus der Sammlung Carmina Gadelica. Damit endet die lineare Fortführung ihres bisherigen Schaffens, und die Bühne betritt u. a. Co-Produzent Mike Vass, der neben seiner üblichen Fiddle u. a. auch für das Sounddesign verantwortlich ist. Das hat es in sich! Eigentlich relativ einfach strukturierte Songs über oft ernsthafte Themen werden durch sensible, aber auch mal beeindruckende Soundgebirge auf ein ganz anderes, nämlich 2018er-Level gehoben. Die Stimmen klingen mal dezent verfremdet, der Gesang schraubt sich in balkaneske Höhen, norwegische Themen sind zu hören, dann wieder herrscht eine sphärisch-atmosphärische Stimmung, und bei dem englischen „Cauldron“ geht es bissig um Biowaffen im Jahre 1952. Klingt abgehoben und verwirrend? Mitnichten, klingt wie die Highlands heute. Und die CD endet mit Mackenzies natürlicher Stimme: „Like voices of the thousands, singing loudly, strongly.“ Beeindruckend!
Mike Kamp
 SUISTAMON SÄHKÖ: Etkot, Pectopah Ja Etnoteknoa
SUISTAMON SÄHKÖ
Etkot, Pectopah Ja Etnoteknoa
(Nordic Notes)


Die finnische Akkordeonistin und Sängerin Anne-Mari Kivimäki gründete das Folktronica-Projekt Suistamon Sähkö („elektrifiziertes Suistamo“). Auf dem neuen Album schießt die Musikerin wilden Trance-Folk mit elektronischen Sounds in eine neue Dimension und reichert dies mit Finnland-Rap an. Heimat dieser Musik ist Karelien, ein heute zu Russland gehörender, ehemals finnischer Landstrich. Das vierköpfige Kollektiv hat sich auf Spurensuche in die Region Suistamo begeben, wo viele Dörfer heute verlassen sind. Aus dieser Region kommen viele bekannter Sänger und Musiker. Das Album bietet eine skurrile und mitreißende Tanzmusik voller Elemente aus unterschiedlichsten Stilen: Melodien der Volksmusik, Energie des Rocks, Hit-Appeal vom Schlager, Sounds aus Elektronik, Sprechgesang des Hip-Hops. Genregrenzen lösen sich im Nichts auf. Dieser Mischmasch macht ordentlich Spaß. Man denkt: Im russischen Hinterland wird gerade mal die Musik neu erfunden, nicht mehr und nicht weniger. Das ist hypnotisierender Schamanismus und Dancefloor-Folk. Die Musik ist schön unkonventionell und herrlich schräg – typisch Finnland halt.
Udo Hinz

 UGAGN: Vengjeslag
UGAGN
Vengjeslag
(Heilo), mit norweg. Texten


Ugagn ist eine norwegische Gruppe, die sich der Musik ihrer Heimat Setesdal verschrieben hat. Sie bauen dabei vor allem auf dem Repertoire der bekannten Sängerin Kirsten Bråten Berg auf, die auf zwei Stücken zu hören ist. Etliche Stücke auf diesem Album sind traditionell, alle aber wurden von Ugagn im gruppeneigenen Stil arrangiert. Texte stammen u. a. von den lokalen Dichtern Gunnar T. Rysstad und Bjørgulv O. Russtad, dazu gibt es einen von dem hochdotierten Lyriker Hartvig Kiran übertragenen Text des irischen Nobelpreisträgers William Butler Yeats. So entsteht eine spannende Mischung, die zwar immer nach Setesdal klingt, aber nie wie eine Kopie großer Vorbilder wirkt und die auch für Einflüsse von außen offen ist, wie das Titelstück, bei dem die Hörerin unwillkürlich an Gordon Lightfoot denken muss, oder „Nu Rinner Solen Opp“ von dem frommen dänischen Choraldichter Thomas Kingo. Besonders beeindruckend (neben der Sängerin Sigrid Bjørgulvsdotter Berg) ist der Geiger und Mandolinenspieler Erik Sollid.
Gabriele Haefs
 ÚZGIN ÜVER: Patak
ÚZGIN ÜVER
Patak
(Lollipop Shop)


Das kleine, aber feine Label Lollipop veröffentlicht immer wieder Perlen aus dem osteuropäischen Raum. Spezialisiert ist das Berliner Label auf psychedelische Musik, also Bands, die eher auf dem Herzberg-Festival als in Rudolstadt auftreten. Dennoch oder gerade deshalb sind diese Veröffentlichungen für den Folkfan eine Entdeckung. Wo Bands wie Hawkwind oder die Ozric Tentacles zum Synthesizer greifen, erzeugen Bands wie die Flaggschiffe Korai Öröm und Ole Lukkoye ihre tranceartigen Klänge gerne mit akustischen Instrumenten und bilden so einen archaischen, packenden Sound, der eher an Schwitzhütten und Schamanen als an Technopartys erinnert. Der neueste Geniestreich des Labels ist die Verpflichtung der ungarischen Trance-Folk-Legende Uzgin Üver. In 27 Bandjahren haben die Ungarn nur wenige Alben veröffentlicht. So war PatakChris Elstrodt

 WARSAW VILLAGE BAND: Mazovian Roots – Re:action
WARSAW VILLAGE BAND
Mazovian Roots – Re:action
(Jaro Medien), mit engl. Texten u. Infos


Das siebenköpfige polnische Ensemble ist erneut in die Dörfer der Region Mazovia gereist, um längst vergessene Musik der Landbevölkerung aufzuspüren. Dreizehn Jahre haben sie gebraucht, um Lieder zu studieren, die Leidenschaft der alten Folkbarden sowie Sängerinnen zu erleben und ihre unglaublichen Geschichten zu hören. Welcher junge Musiker würde noch drei Nächte in Folge auf einer Hochzeit spielen, auf einer Matratze nächtigen, seine Instrumente wortwörtlich aufs Spiel setzen und immer auf dem Sprung aus dem Fenster sein, falls ihm nach dem Leben getrachtet wird. Die alten Tanzmelodien, Balladen und traditionellen Lieder präsentieren die exzellenten Musiker gemeinsam mit lokalen Künstlern in ihrem individuellen Sound, der über klassische Elemente bis zu jazzigen, indischen und elektronischen Arrangements reicht. Ihre große Kreativität, traditionelle Musik wie aus der Gegenwart erklingen zu lassen, haben sie weltweit zum erfolgreichsten Ensemble Osteuropas jenseits des Mainstreams aufsteigen lassen. Ein besonderer Leckerbissen des Albums ist das sehr ausführliche, in Englisch verfasste Booklet mit allen Liedtexten und vielen Hintergründen über die traditionelle Musik Mazovias.
Erik Prochnow



Lateinamerika
 FATSO: One By One
FATSO
One By One
(Jazzhaus Records), mit engl. u. span. Texten u. Infos


Die Band aus Bogotá, die 2015 bei der Bremer Messe Jazzahead international Fahrt aufnahm, gehört im Grunde schon eher in dieses Ressort. Und doch gehen die jazzrockigen Songs der jungen Kolumbianer weit darüber hinaus, gen Blues, Soul oder Waits’sches Rockchanson und durchaus auch hin zu den reichhaltigen eigenen Traditionen. Fett ist der durch Bläser sowie die auch in der Musik Kolumbiens prominente Klarinette angereicherte Sound. Doch die werden im Konzert mittlerweile leider nur noch minimal eingesetzt – ob nun aus musikalischen oder reiselogistischen Gründen. Daniel Restrepo, der singende Bassist und Kopf dieser – wie er sagt – „Rockband im Jazzformat“ wuchs in beiden Amerikas auf und verfügt über eine imposant abgehangene, eher nach einem doppelt so alten Mann klingende Reibeisenstimme. Mit der intoniert der charismatische Frontmann seine mehrheitlich auf Englisch geschriebenen Songs. Auf dem zweiten Album gibt es unter den neun schwergewichtigen, sympathisch verschleppt daherkommenden Songs immerhin zwei spanischsprachige. Eins davon, „La Tormenta“, ist dem auf dubiose Weise verschwundenen Vater gewidmet. Schwerer Tobak wie etliche der anderen, nicht selten sozialkritischen Liedtexte.
Katrin Wilke
 KAIA KATER: Grenades
KAIA KATER
Grenades
(Smithsonian Folkways Recordings), mit engl. Texten u. Infos


Kennt jemand Grenada? Dieser kleine Inselstaat in der Karibik wurde 1983 von den USA unter Ronald Reagan besetzt, obwohl Grenada zum britischen Hoheitsgebiet gehört. Hintergrund war der vorherige Sturz einer sozialistischen Regierung und die Sicherung der Macht der Putschisten. Vielleicht braucht es solche Alben, um auf vergessene Ereignisse und Länder aufmerksam zu machen. Kaia Kater stammt aus Grenada und flüchtete mit ihrem Vater während dieser Invasion nach Kanada. Auf Grenades arbeitet sie ihre Erinnerungen an die Heimat, die Flucht des Vaters, aber auch das schwere Arbeitsleben ihrer Verwandten auf. Die Musik dazu ist sehr dezent, so als solle nichts von ihren Texten ablenken. Interessanterweise benutzt sie ein amerikanisches Instrumentarium dazu – Banjo und Lap-Steel-Gitarre –, vermischt mit dokumentarischen Berichten. Fast nebenbei gelingt ihr damit eine neue, sehr sphärische und konzeptionell interessante Folklore.
Hans-Jürgen Lenhart

International
 DIVERSE: Zugvogelmusik Vol. 1
DIVERSE
Zugvogelmusik Vol. 1
(Run United), mit dt. Infos


Natur ist Musik. Wo lässt sich das eindrucksvoller beobachten und hören als im Gesang der Vögel? Und die kulturellen Musikstile spiegeln diese Natürlichkeit zwangsläufig oft wieder. Deswegen ist dieses Album auch für Menschen, die nicht wie der Autor am Wattenmeer aufgewachsen sind, ein wahres Erlebnis. Mehr als zehn Millionen Zugvögel landen jedes Jahr in der Region des niedersächsischen UNESCO-Weltnaturerbes, um weiter in den Norden oder Süden zu ziehen. Diese Tatsache war im August 2017 Anlass für ein ungewöhnliches Konzert, auf dem nicht nur neun Zugvögel exemplarisch vorgestellt wurden, sondern auch namhafte Vertreter ihres Heimatlandes die Musik ihrer Kultur vortrugen. Auf dem vorliegenden Album sind deshalb nicht nur der Ruf der Schneeammer, des Sandregenpfeifers oder der Nonnengans zu hören. Die preisgekrönte Isländerin Ragga Gröndal bezaubert mit einem Wiegenlied. Die marokkanisch-algerische Formation La Caravane du Maghreb begeistert mit ihrem heimischen Stil, dem Gnaoua. Oder das mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnete russische Ensemble Polýnushka demonstriert die hohe Kunst des A-cappella-Gesangs ihrer Region. Zudem erfährt der Hörer viel Wissenswertes über die einzelnen Vögel.
Erik Prochnow
 THE OUTSIDE TRACK: Rise Up
THE OUTSIDE TRACK
Rise Up
(Eigenverlag), mit wenigen engl. Infos


Viele Bands haben eine Vorzeigefrau im Line-up. The Outside Track drehen den Spieß netterweise um. Die vier Ladies erlauben einen Vorzeigemann in ihrer Mitte, den Gitarristen Michael Ferrie. Das Konzept der Außenbahn-Gruppe ist einfach. Es geht um die Gemeinsamkeiten der schottischen, irischen und der Musik aus Cape Breton. Das dokumentiert sich im Personal. Neben Ferrie kommen Ailie Robertson (Harfe) und Fiona Black (Akkordeon) aus Schottland, Teresa Horn (Flute, Gesang) aus Irland, und Mairi Rankin (Fiddle) stammt aus einer Musikerdynastie auf Cape Breton. Daher ist das Repertoire entsprechend zusammengestellt, fünf Songs und sechs Tunes, meist schön abwechselnd. The Outside Track sind keine Neulinge, Rise Up ist ihr fünftes Studioalbum seit dem Debüt 2007, von dem lediglich Robertson und Black übrig geblieben sind. Die fünf wissen sehr genau, wie man Lieder und Instrumentals arrangiert und dafür sorgt, dass die Spannung erhalten und möglichst ein wenig gesteigert werden kann. Zudem ist Horn eine höchst kompetente Sängerin, die es versteht, den Liedern ihren Stempel aufzudrücken. Und all das nicht nur im Studio, auch auf der Bühne, wie das deutsche Publikum erneut im März und April 2019 überprüfen kann.
Mike Kamp

 SCHMIDBAUER POLLINA KÄLBERER: Süden II
SCHMIDBAUER POLLINA KÄLBERER
Süden II
(Jazzhaus Records)


Erinnern wir uns: 2012 das Album Süden I; 2013 das Grande Finale in der mit 10.000 Menschen voll besetzten Arena von Verona. Was machte den riesigen Erfolg der drei Musiker aus Palermo, München und Ulm aus? War es diese Mischung aus Italianità, ehrlicher bayrischer Liedermacherkunst und dem soliden musikalischen Handwerk Martin Kälberers, deren Ingredienzien mühelos ineinanderflossen? Oder waren es die oft nachdenklichen Texte, die für mehr Toleranz plädierten? Das „Ding“ ging jedenfalls gemäß Promotext „durch die Decke“. Hört man sich Folge zwei des Süden-Projekts an, müsste das neue Album durch zwei Decken gehen. Was hat sich geändert? Hinzugekommen sind teilweise wuchtige Arrangements mit Streichern, die Massenappeal haben dürften. Am schönsten sind die nachdenklichen, ruhigen Lieder, wie etwa „La Città Dei Bianchi“, in dem ein kleiner afrikanischer Junge seinen Vater über die Welt der Weißen fragt. Oder Schmidbauers „Stolz drauf“ mit Aussagen wie: „Stolz drauf auf des, was in meim Pass steht, des kummt ma reichlich albern vor.“ Das ist die Stärke der drei Männer. In ihren Ohrwürmern verpacken sie, fern des Agitprops, Texte mit einer Weltsicht, die mehr denn je einem Massenpublikum dargebracht werden muss.
Martin Steiner
 HASSAN TAHA & ENSEMBLE BRUNNEN & BRÜCKEN: Alrozana
HASSAN TAHA & ENSEMBLE BRUNNEN & BRÜCKEN
Alrozana
(Zytglogge)


Der Name des Titelstücks spiegelt die Schwierigkeiten kulturübergreifender Projekte wider. „La Rosanna“ hieß ein italienisches Schiff, das während einer Hungersnot zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts Nahrungsmittel nach Syrien gebracht hatte. Allerdings hatte der Dampfer nicht das geladen, was die Leute brauchten. „Al Rozana“ wird im Mittleren Osten aber auch ein kleines Fenster genannt, durch das sich Liebespaare unbemerkt Liebeserklärungen zuflüstern können. Der syrische Oudspieler Hassan Taha, die Sängerinnen Najat Suleiman, Barbara Berger und das Schweizer Ensemble unter der Leitung von Hans Martin Stähli nehmen sich „Alrozana“ und anderer Volkslieder der beiden Länder an. Das ganze Album strömt eine tiefe, einnehmende Melancholie aus. Die Lieder beider Kulturen erzählen vornehmlich von unerfüllter Liebe. Musikalisch gelang die Annäherung. Vor allem bei Schweizer Liedern wie „Lueget vo Bärge und Tal“ spürt man aber Musikwelten, die die beiden Länder trennen. Da hätte ein weniger akademischer Ansatz möglicherweise zu etwas Überraschenderem geführt. Trotzdem ein hörenswertes Album.
Martin Steiner

MITTELALTER
 SCHELMERŸ: Mira Clar Tenebras
SCHELMERŸ
Mira Clar Tenebras
(Narrenschiff)


Das Schweizer Trio beschreibt seine Musik als „Lieder von Vorgestern (12.-18. Jh.)“. Es ist akustischer Mittelalterfolk, zu hören sind aber auch bretonische Klänge („Benichon“). Sehr schön sind die Schalmeien-, Drehleier- und Dudelsackparts sowie die wechselnden Rhythmen. Quellen sind die spanischen Cantigas, Mechthild von Magdeburg (13. Jh.), Oswald von Wolkenstein und viele mittelalterliche Handschriften aus der Schweiz. Ein rundes, vielschichtiges, interessantes Werk.
Piet Pollack
 DUIVELSPACK: Wir sind der Folk
DUIVELSPACK
Wir sind der Folk
(Fuego)


Es ist schon das 13. Album im 18. Jahr des Bestehens der Detmolder Deutschfolk- und Mittelalterband. Mittlerweile sind es ausschließlich eigene Songs voller Wortwitz, Humor, aber auch Poesie in einer Reise durch die vier Jahreszeiten. Das Album ist sehr gesangslastig mit wenigen Instrumentalteilen, sehr schön der Herbstwalzer. Die Musik ist nach wie vor geeignet für Kneipe, Straße und Mittelaltermarkt.
Piet Pollack

 ESBE: Mystra – Songs From Byzantium
ESBE
Mystra – Songs From Byzantium
(Music & Media)


Esbe studierte an der Royal Academy of Music. Sie spielte ihr zweites Album in London komplett allein ein – mit Gesang, Keyboards und Programmierung. Es entstanden zwölf Songs mit ätherischen, sphärischen Klanglandschaften über das späte antike und mittelalterliche Byzanz. Mystra ist dessen letzte Hauptstadt auf dem Peloponnes. Die interessantesten Stücke sind „Run With Me“ im Loreena-McKennitt-Stil und „Dreams Of Constantine“.
Piet Pollack
 GRENDEL’S SŸSTER: Orphic Gold Leaves
GRENDEL’S SŸSTER
Orphic Gold Leaves
(Eigenverlag)


Nix mit Folk oder Mittelaltermusik, hier hören wir straighten Rock und Metal, instrumentiert durch Drums und E-Gitarren. Nur die Texte sind mystisch-historisierend. Interessant sind die Overdubs, die den zweistimmigen Frauengesang ermöglichen. Und eigentlich ist es nur eine EP mit drei Titeln, die jeweils einmal auf Englisch und einmal auf Deutsch gesungen werden, das byzantinische „Apokatastasis“, das altenglische „Falkenflug“ und die Ballade „Nachtmeerfahrt“ nach Joseph Campbells „Heldenreise“ und Tennysons „The Lady Of Shalott“.
Piet Pollack

 PØBEL: Lux Luminum
PØBEL
Lux Luminum
(Monophon)


Das dänische Quartett bringt viele Renaissancestandards mit exakter Quellenbenennung. Das meiste ist instrumental, außer einem Schlaflied aus dem Libre Vermell von 1399 und einem Lied über einen dänischen Mönch. Zu hören sind die üblichen Verdächtigen: Drehleier, Dudelsäcke, Schalmeien, Geigen und Flöten in schönen Zweistimmigkeiten und kompaktem Bandsound. Musikalisch geht es quer durch Europa, was für die Renaissance typisch war, da viele Komponisten auch europaweite Verleger und Musiksammler waren.
Piet Pollack



BLUES
 BETH HART: Live At The Royal Albert Hall
BETH HART
Live At The Royal Albert Hall
(Provogue)


Ein denkwürdiges Konzert einer großen Sängerin des Rock und Blues – in der ehrwürdigen Royal Albert Hall wurde diese Doppel-CD aufgenommen, und an Authentizität und Direktheit kommen da die wenigsten Alben heran. Beth Hart und Band knallen die rockigen Nummern geradezu heraus, während Balladen und Slow-Stücke einfühlsam und aus tiefster Seele heraus intoniert sind.
Achim Hennes
 BERND RINSER: Evil, Wild & Blue / Street Dog Blues / Split Pea Shell
BERND RINSER
Evil, Wild & Blue / Street Dog Blues / Split Pea Shell
(Driftwood)


Bernd Rinser veröffentlicht einen fünf Alben umspannenden Zyklus, wovon nun die ersten drei vorliegen. Die Stimme ist hörbar durch das Leben geformt, sein Gitarren- und Slidegitarrenspiel gleichzeitig ursprünglich und virtuos. Der thematische Schwerpunkt reicht vom rauen, elektrischen „Straßenköter-Blues“ über akustischen Folk und Balladen (Evil, Wild & Blue) und führt weiter mit großer Bandbesetzung von New Orleans zur Westküste (Split Pea Shell).
Achim Hennes

 MAX BRONSKI BAND: München Blues
MAX BRONSKI BAND
München Blues
(BSC Music)


Sehr gut funktioniert die Paarung aus bairischen Texten und der Musik einer gestandenen Bluesband. Die Musiker Schorsch Hampel, Dr. Will und Robert Landinger spielen entspannt, tiefgründig und mit viel Gefühl zu den Texten des Bassisten Max Bronski, der als Krimiautor eine Weihnachtsgeschichte der etwas anderen Art geschrieben hat (Schneekönig, ISBN 978-3-426-30611-6). CD und Buch – einzeln und im Doppelpack höchst empfehlenswert!
Achim Hennes
 FRED CHAPELLIER: Plays Peter Green
FRED CHAPELLIER
Plays Peter Green
(Dixiefrog)


Eine sehr schöne Hommage an einen der größten elektrischen Bluesgitarristen liefert Fred Chapellier mit den Stücken aus den Jahren 1967 bis 1970, darunter solche Juwelen wie „A Fool No More“, „Merry Go Round“, „Oh Well“, „Albatross“ oder „Black Magic Woman“. Technisch brillant und virtuos. Der Unterschied: War Peter Green immer reiner Bluesgitarrist, verschweigt Fred Chapellier nicht seine Wurzeln im Bluesrock.
Achim Hennes

 RYAN LEE CROSBY BAND: River Music
RYAN LEE CROSBY BAND
River Music
(Glitterhouse Records)


Der Folkblues eines Skip James trifft auf die afrikanische Musik eines Boubacar Traoré, rhythmisch durch indische Tabla-Trommeln begleitet und mit der Bluesharp akzentuiert. Klingt vielleicht etwas wirr, fügt sich musikalisch jedoch ganz wunderbar zusammen. Ryan Lee Crosby jedenfalls hat sich all diesen Einflüssen geöffnet und sie zu einem bunten, stimmungsvollen Ganzen zusammengesetzt.
Achim Hennes



Onlinerezensionen
PIERRE AKENDENGUE
La Couleur De L’Afrique
(Lusafrica)


Der Sänger, Musiker und Komponist aus Gabun steht für eingängigen Afropop, doch ist der 75-jährige in seinen Texten kritischer denn je. Auf seiner EP spart er in vier Songs nicht mit nachdenklichen und bisweilen anklagenden Worten. Sein „Lettre à Laurent Gbagbo“ greift dessen Verantwortung im ivorischen Bürgerkrieg auf, „Deux-Mocrats“ verurteilt einerseits Korruption und Despotismus, beschwört anderseits Ökologie und Panafrikanismus.
Roland Schmitt
AWKWARD I
Kyd
(Excelsior Recordings)


Der Niederländer Djurre de Haan legt hier unter seinem Pseudonym Awkward I das dritte Album vor. De Haan betätigt sich neben diesem persönlichen Projekt auch als Film- und Theatermusiker. Vielleicht begünstigt diese Facette seines Schaffens eine gewisse spielerische Leichtigkeit in den Arrangements seiner leicht verschrobenen Popmusik. In ihrer Experimentierfreude und Verspieltheit erinnert diese Musik etwas an den Stil von Beck Hansen.
Imke Staats

BADGER’S BROTHERS
Heavy Folk
(Eigenverlag)


Zwei Freunde, bewaffnet mit Gitarre, Mandoline und großer Begeisterung, spielen rauen akustischen Folk für die Stammkneipe. Mit dieser Musik muss das Duo sicherlich niemals seine Getränke selbst bezahlen, tief sympathisch und mitreißend ist der Enthusiasmus der beiden. Das klingt mal nach Punk, mal nach Irish Folk und immer nach Straßenmusik. Der Hörer will sofort selbst zur Gitarre greifen, um mitzuspielen. Jeder kann heutzutage eine CD aufnehmen, in diesem Fall ist es ein Glück.
Chris Elstrodt
BALARÚ
Gravure
(Felmay)


Balarú, „Tanzfreunde“, nennt sich das Quartett aus dem Nordwesten des Piemonts. Mit Drehleier, Dudelsack, diatonischem Akkordeon, Bouzouki, Banjo, Klarinette, Flöte und Gesang verhelfen sie fast verschollenen Tänzen ihrer Region zu neuem Leben. Wenn die Gruppe aufspielt, fühlt man sich ins Folkrevival der Siebziger versetzt. Die meisten Lieder sind im lokalen Dialekt gesungen, einige aber auch auf Französisch. Das vorbildliche Booklet mit allen Liedtexten informiert über die Herkunft der Tänze.
Martin Steiner

BÂTON BLEU
Weird And Wonderful Tales
(Dixiefrog)


Bâton Bleu sind ein französisches Duo. Maria Laurent spielt Banjo und singt schön. Gautier Degandt hat eine anstrengende Stimme und singt eher wie einst Tom Waits. Er ist deutlich mehr geschminkt als sie. Der Bandname Bâton Bleu ist wohl eine Anspielung auf Baton Rouge, die Hauptstadt des US-Bundesstaates Louisiana. Auch die Musik von Bâton Bleu passt überwiegend in diese bluesige Gegend, obwohl sie recht avantgardistisch daherkommt.
Christian Rath
TIM BEAM
Nie wieder wir
(Motor Entertaiment)


Mit seiner ersten Rock-Blues-Produktion in deutscher Sprache erinnert Tim Beam, der sonst in Englisch singt, an den jungen Westernhagen. Auch Beziehungskistenballaden liegen dem sonst wilden Musiker und Komponisten. Als Bandmitglieder sind unter anderem bei den elf Titeln dabei: Dominik Schweizer und Joscha Greul (Bass), Morten Palsby, Andreas Fuchs und Philipp Bellinger (Schlagzeug), Michael Goldsmith und M.C. Ugh an verschiedenen Gitarren und Anne Väth als Zweitstimme. Eine beeindruckende Vorstellung; die Texte sind abgedruckt.
Annie Sziegoleit

PETER BELLAMY
The Maritime Suite – We Have Fed Our Sea For A Thousand Years
(Fellside Recordings)


Etwas für Vollständigkeitsfanatiker. Der 1991 verstorbene englische Folkkünstler Peter Bellamy fand in den Achtzigerjahren keine Plattenfirma für sein Projekt mit traditionellen und eigenen maritimen Liedern (darunter Vertonungen von Rudyard-Kipling-Gedichten), weil seine Coverideen zu aufwändig waren. Daher gab es als Tondokumente lediglich BBC-Aufnahmen und Bellamys eigene Kassetten. Paul Adams hat diese Aufnahmen vorsichtig restauriert und durch fünf thematisch ähnlich gelagerte Songs ergänzt.
Mike Kamp
MOONLIGHT BENJAMIN
Siltane
(Ma Case)


Es gibt immer noch Musik, die gewisse Klischees zu sprengen mag. Aus Haiti erwartet man afrikanisch bis karibisch geprägte Klänge und Rhythmen. Die Sängerin Moonlight Benjamin kommt zwar von dort, hat sich aber in Frankreich etabliert und lässt sich von einer Band begleiten, die kantigen, monotonen Rock spielt. Benjamins ausdrucksstarker, hypnotischer Gesang hat was Beschwörendes. Gewöhnungsbedürftig, aber diese Musik wagt immerhin etwas.
Hans-Jürgen Lenhart

BEYOND BORDERS BAND
It Just Happens
(Hout Records)


Der Name des Quartetts ist Programm: Fadhel Boubaker, Oudvirtuose aus Tunis, Niko Seibold, Alt- und Sopransaxophonist aus Basel, sowie die Mannheimer Rhythmusabteilung mit Jonathan Sell (Bass) und Dominik Fürstberger (Schlagzeug) bewegen sich wie selbstverständlich über musikalische Grenzen hinweg und haben mit ihrer zweiten CD ein tiefenentspanntes Jazzalbum mit schönen Themen und ausgefuchsten Improvisationen eingespielt. Wie sagt schon der CD-Titel? Manche Dinge passieren eben einfach so.
Walter Bast
BOSQUE MÁGICO
Tu Tiempo
(Farao Classics)


Der Weimarer Gitarrist Ralf Siedhoff, der hier schon mit früheren Alben vorkam, steckt hinter diesem – allein vom Namen her - fernwehig und recht ambitioniert klingenden Projekt. Mit dem u.a. Oboe und Duduk spielenden Ukrainer Mykyta Sierov und einem klanglich wie der Herkunft nach vielfältigen Musikerverbund entstanden zehn nahezu rein instrumental gestaltete Stücke, die sich in viele Welt- und Stilgegenden, z.B. gen Indien oder Flamenco, Tango, Klassik und Jazz ausstrecken. Wenn das nicht Weltmusik ist ...
Katrin Wilke

TIMO BRANDT
Grounded
(Timezone)


Warum Ed Sheeran, Passenger und Milow zu Weltstars werden und Timo Brandt nicht, ist absolut unverständlich. Waren die Künstler nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort oder hatten sie die teurere PR? Am Talent von Timo Brandt scheitert es jedenfalls nicht. Mit einer Stimme und Songs, die sich auch vor Albert Hammond nicht verstecken müssen, und einer himmlischen Cellobegleitung präsentiert der Multiinstrumentalist ein Album mit elf potentiellen akustischen Folkhits.
Chris Elstrodt
NAMOLI BRENNET
The Simple Life
(Flaming Dame Records)


Die US-Songwriterin zeigt mit ihrem neuen Album, warum sie in ihrem Heimatland mit dem Prädikat „eine der besten Folk-Rock-Künstlerinnen“ versehen wurde. 14 CDs hat sie bislang veröffentlicht und ihre ganz eigene, perkussive Art, Gitarre zu spielen entwickelt. Auf ihrem aktuellen Album spielte sie sämtliche Instrumente ein, in Americana-Arrangements zwischen Jazz, Blues und Country und zu herzergreifenden Songs verarbeitet, in die viele persönliche Geschichten und Erlebnisse fließen. Sehr hörenswert.
Ulrich Joosten

BRTHR
A Different Kind Of Light
(Backseat)


Hinter dem Bandnamen stehen Philipp Eisler (Gesang, Gitarre, Piano) und Joscha Brettschneider (Gesang, E- und Lap-Steel-Gitarre), die von weiteren Musikern an Bass, Schlagzeug und Orgel begleitet werden. Ihre Musik ist stilistisch irgendwo zwischen Singer/Songwriter, Folk und Americana verortet. Sie klingt schwebend, träumerisch, melodisch-melancholisch, immer jedenfalls (tiefen)entspannt und bewusst als „lo-fi“ bezeichnet.
Achim Hennes  
ALBIN BRUN TRIO & ISA WISS
Lied.Schatten
(Narrenschiff)


Es gibt Musik, die man hören muss und nur schwer beschreiben kann. Dazu gehört das neue Album der Formation um den Luzerner Saxofonisten und Schwyzerörgelispieler Albin Brun. Radikal und doch feinfühlig überschreitet die Gruppe durchgehend die Grenze zwischen Jazz und Volksmusik. Der Auftakt der CD ist ein Hammer. So wie Isa Wiss hat noch kaum eine Sängerin einen Traditional intoniert ? ungeheuer rau und voller Gefühl. Die Frau kann alles mit ihrer Stimme. Eine Entdeckung! Und das Album ebenso!
Martin Steiner

LARS BYGDÉN
Dark Companion
(Westpark)


Im Herbst und Winter gedeihen Depressionen am besten, und den richtigen Soundtrack dazu liefert Lars Bygdén. Musikalisch verarbeitet er die schwere Krankheit und letztlich den Verlust seiner geliebten Partnerin. Die Folkinstrumente werden zu Waffen gegen die Hoffnungslosigkeit, der Gesang klingt schwer und voller Schmerzen. Im Vergleich zu Lars Bygdén klingt Nick Cave optimistisch wie Helene Fischer. Die Kompositionen würden auch einer Dark Metal Band zur Ehre gereichen.
Chris Elstrodt
ANDREW CADIE
Half-Witted, Merry & Mad
(Steeplejack Music SJCD022)


An solche CDs trauen sich nur echte Könner! Wie der Untertitel enthüllt: „Northumbrian Fiddle Music from William Vickers’ Manuscript“ – und zwar Musik nur mit der Fiddle. Der Broom-Bezzums-Musiker Cadie beherrscht sein Fiddle-Handwerk so superb, dass er es sich leisten kann, dass sich die Ohren ausschließlich auf sein Fiddle-Spiel konzentrieren und dort immer wieder neue Nuancen bei den Interpretationen von Melodien aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts oder älteren Datums entdecken. Eine souveräne und, ja, reife Leistung.
Mike Kamp

CÁIRDE
Drowning The Shamrock
(Eigenverlag)


Kooperation des Iren Pat McDonnell aus Galway (Flute und Gesang) mit deutschen Folkkollegen, u. a. Harald Jüngst und Otto Kruppa. Ein ehrlicher Livemitschnitt ohne viel Technik, in dem das Programm des Quartetts, bestehend aus alten Balladen (einiges aus dem Planxty-Repertoire) und neuen selbstverfassten, z. Teil sehr schönen Songs sowie einigen weniger überzeugenden Dance-Tune-Sets vorgestellt wird.
Johannes Schiefner
CARLINI, DODO LEO & MARTIN
42nd Thunder Road
(Eigenverlag)


Ein Italiener, ein Schweizer und ein Deutscher teilen sich gleichmäßig das Songwriting und das Singen – bei zwölf Tracks rechnerisch naheliegend. Künstlerisch wirkt das Ganze dadurch aber uneinheitlich. Im Wechselbad finden sich dennoch starke Stücke, etwa die Ballade „If I‘d Leave“, das an Manu Chao erinnernde „L‘Ubriaco E Le Monelle“ und „The Answer“, das dem Pop-Duo The Rembrandts nahekommt. Dazu gibt’s ein buntes Arsenal an Instrumenten, von der Melodica bis zum Banjo ist alles dabei.
Volker Dick

CELTIC CONNECTIONS
Spindrift
(Liljans Antikvariat)


Wohlfühlmusik für Fans keltischer Musik. Die Band Celtic Connections kommt aus dem schwedischen Göteborg und existierte von 1990 bis 1995. Das damals aufgenommene Album wurde jetzt veröffentlicht – nach über 20 Jahren. Es zeigt eine Band mit Lust auf Experimente. Neben dem Gesang des Iren Jonathan McCullough sowie Fiddle, Tin Whistle und Bodhrán hört man eine jazzige Trompete, eine Oboe und ein Piano. Es gibt ein Happy End – die Veröffentlichung der CD führte auch zur Wiedervereinigung der Band.
Udo Hinz
CHEZ KATRIN
Bonjour Monsier
(Eigenverlag)


Mit natürlicher Stimme und mehrsprachig berichtet Katrin Jacobs über Beobachtungen und Gedanken, über das, was im Leben nicht so super läuft, aber so bleibt – was soll‘s. Wer kennt nicht die kleinen ewigen Missstände. Daraus entsteht manchmal die Kunst der Komödie, und danach klingt z.B. „Mannheim ist nicht Marseille“. Die Bibliothekarin hat sich erstmals im Alleingang mit ihrer Gitarre vors Publikum gewagt, ein guter Anfang, musikalisch noch zwischen Pfadfinderin und Bettina Wegner, doch durchaus mit ausbaufähigem Potenzial.
Imke Staats

CIMBALOM BROTHERS
Testvériség/Brotherhood
(Fono)


Ziemlich genau 150 Jahre ist das von Vencel József Schunda erfundene Cimbalom nun alt. Es hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, erst – sogar von klassischen Komponisten – gehypt, nach dem Ersten Weltkrieg in Vergessenheit geraten, jetzt wieder im Kommen. Jenö Lisztes und Unger Balázs zeigen nun im Quartettformat (zusammen mit jeweils einem Bruder) auf dieser feinen CD, welch unterschiedliche Musik sich mit dem „ungarischen Klavier“ virtuos vortragen lässt.
Ines Körver
COCONAMI
Saikai
(Trikont)


Der Charme lässt nicht nach. Auch wenn Miyaji statt zur Ukulele häufiger zu seinem neuen Lieblingsinstrument, der viersaitigen Zigarrenkistengitarre greift, entfaltet sich doch weiterhin der Zauber mit Sängerin Nami an seiner Seite. Die Songmischung des japanischen Duos mit Wohnsitz München bleibt anziehend. Absurd Deutschsprachiges wie „Aale“, ein Ramones-Klassiker, das Traditional „The Water Is Wide“ und das „König-Ludwig-Lied“ – die kluge Naivität gibt auch Bekanntem eine neue Farbe.
Volker Dick

COMMON KINGS
One Day
(Mensch House Records)


Die vier Herrschaften aus dem kalifornischen Orange County, die auf die schönen Aliasse Jr.King (voc), Mata (g), Uncle Lui (b) und Rome (dr) hören, haben sich auf ihrer neuen EP prominente Unterstützung geleistet. Gleich auf vier der sieben Stücke liefern Stephen Marley, Matisyahu, Kat Dahlia, sowie das ¡Mayday! -Kollektiv passende Beigaben ab, was die Reggaebasis der Common Kings vortrefflich in Richtung Hip-Hop und Singing/Songwriting erweitert und somit für jede Menge Abwechslung sorgt.
Walter Bast
DAVID CROSBY
Here If You Listen
(BMG)


Eines der experimentierfreudigsten Alben der 77-jährigen Rocklegende. Bis auf zwei vorher fertige Songs entstanden die Lieder im Studio des Snarky-Puppy-Gründers Michael Leage, der, neben der Songwriterin Becca Stevens und der Sängerin Michelle Willis, Crosbys Lighthouse Band bildet. Ergebnis der einmonatigen Klausur sind elf Lieder mit atemberaubenden Harmoniegesängen, ein Gemeinschaftswerk, in das alle vier Musiker ihr individuelles Songwriting einbringen konnten, musikalisch abwechslungsreich angesiedelt im Spannungsfeld von Pop, Jazz und Folk.
Ulrich Joosten

CROSSFIEDLER
Ins Blaue
(Preiser Records)


Bevor die Musik dieses österreichischen Quartetts erklingt, gibt es einen Applaus für die fantasievolle Faltverpackung. Da weiß man doch, weshalb es Spaß macht, einen Tonträger zu kaufen und keinen Streamingdienst zu bemühen. Aber Verpackung ist nicht alles, das Gesamtpaket muss stimmen – und es stimmt. Die Fiddle gibt den Ton an, den Rest besorgen Bass, Marimba oder E-Gitarre sowie Chorgesang. Ob Reggaerhythmen mit Rockbeilage, ob balkaneske Melodien mit Jodlern, a Mordsgaudi, dieses Kreuzen ins Blaue.
Harald Justin
NICOLA CRUZ
Siku
(ZZK Records)


Der in Frankreich geborene Elektrotüftler und DJ aus Ecuador ist mit seiner Arbeit gut aufgehoben bei dem Label aus Buenos Aires, das sich, wie er selbst, auf eine Art Folktronica-Ästhetik verlegt hat. Die vermittelt zwischen diversen elektronischen Spielarten und zumeist der Folklore Lateinamerikas. Wobei Cruz die Antennen diesmal noch weiter in die Welt ausfährt. Auch ist dieses erneut nicht minder dancefloortaugliche Album teils deutlich akustischer ausgefallen, veredelt durch einige Gastsänger.
Katrin Wilke

THE DEAD BUFFALOES REVISITED
Berlin
(Strange Little Records)


Die Geschichte der Dead Buffaloes beginnt in den Neunzigerjahren, als der US-amerikanische Student Darrel Arnold zum Studium in das wiedervereinigte Deutschland kommt. Gemeinsam mit den beiden „Einheimischen“ Thomas Jauer und Mayo gründet er das Trio Dead Buffalos. Mehrere Alben werden veröffentlicht, doch dann entschließt sich Arnold, zurück in die USA zu gehen. Nun taten sich Jauer und Mayo noch einmal zusammen, um die alten Songs, neben einem Cover von Tom Petty, neu einzuspielen. Die Reduzierung auf nur zwei Gitarren und Sänger bringt es mit sich, dass die Essenz der Songs im Mittelpunkt steht. Klangschön ist das alles gestaltet, wie nach einem Ratschlag, den Bob Dylan einem jungen Songschreiber gab: „Keep it simple and cut out the fancy stuff!“
Michael Freerix
CHRIS de BIEL
Chris de Biel & die Lërchen
(Micropal Records)


Gute Laune verbreitet der Franke Christian Heinrich Biel alias Chris de Biel mit seiner gestandenen Lërchenband und seinen rockigen Songs, schrägen Schlagern, seinem kitschigen Outfit und coolen Gehabe, das Anleihen von Westernhagen bis Falco nimmt. Die Lieder erzählen ironisch vom Chaos der Beziehungen, der Nachtschwärmer und überhaupt. Zwischen „Ihr habt Spaß“, Crystal Meth und „Das Leben is a rechte Plag, a bissl stirbt sichs jeden Tag“ taumeln die Songs durch den unbefriedigenden Alltag.
Rainer Katlewski

BEN de la COUR
The High Cost Of Living Strange
(Flour Sack Cape Records)


Einfache, ohne viel Aufwand aufgenommene Countryballaden, die von einem abenteuerlichen Leben auf der Schattenseite der Gesellschaft erzählen. „Americanoir“ nennt Ben de la Cour dementsprechend seinen Stil. Ein musikalischer Beatnick vielleicht, dessen Songs aber abwechslungsreich gestaltet sind, mal staubiger Countryrock, mal Western Swing, dreckiger Blues, leise Balladen oder Ragtime. So hebt man sich jedenfalls vom Countryallerlei entscheidend ab.
Hans-Jürgen Lenhart
TOBIAS DELLIT
Kümmel
(Supermusic)


Kümmel heißt das Debütalbum des Stuttgarter Beinahelehrers und Liedermachers Tobias Dellit. Schnaps oder Heilmittel, man mag ihn oder nicht, wenig dazwischen. In seinen kraftvollen Gitarrensongs, mit markanter Stimme vorgetragen, irrlichtert er, nicht ohne Selbstironie, durch die Welt und die Zeiten. Ökologisch korrekt, Bedeutungslosigkeit oder eher nur Durchschnitt, den Jakobsweg oder zugrunde gehen, die Zukunft war auch enttäuschend, aber bei ihm ist es so weit OK. Interessante Mischung.
Rainer Katlewski

DENVER BRONCOS
UK Songs One Through Sixteen
(Glitterhouse Records)


Ausschließlich akustische Instrumente und als Perkussionsinstrument eine Waschwanne sind auf dieser Doppel-CD zu hören. Trotzdem spielt dieses Quartett keine traditionellen Songs, sondern neue, eigene, auch wenn in diesen gerne archaische Geschichten erzählt werden. Eine verhangene, melancholische Stimmung schwebt über den 16 Songs dieses Albums. Als „American Gothic“ wird derartige Musik heutzutage bezeichnet, auch wenn schwer zu klären ist, was dies bedeuten soll. Vielleicht steckt darin einfach eine Rückbezogenheit auf althergebrachte Themen, vermischt mit Musik, die sich altmodisch gibt. Blues, Gospel, sogar schunkelige Kirmesmusik zitieren die Denver Broncos. Hinter allem steckt der Multiinstrumentalist Jay Munly, der sogar, wie zu lesen ist, an einer Aktualisierung von Prokofjews Peter und der Wolf arbeitet. Nur zu!
Michael Freerix
DIESELKNECHT
Meteor
(Ruhrfolk)


Kämen Element of Crime aus dem Ruhrgebiet, würden sie so klingen, weniger poetisch, weniger intellektuell, aber voller direkter Energie. Die Mundorgellieder sind verschwunden, dafür gibt‘s eigene Songs des Quartetts. Die erzählen Geschichten wie die von der „Metal Queen“, trauern in „Hörde“ einem Dortmunder Stadtteil nach und würdigen ihren treuen Bandbusfahrer mit „Raum und Zeit“. Sicher das bislang reifste Werk der Ruhries, auf dem die Substanz nicht hinter der Attitüde verschwindet.
Volker Dick

DISTANCE, LIGHT & SKY
Gold Coast
(Glitterhouse)


Bereits vor vier Jahren spielten Chris Eckman und Eric Thielemans zusammen mit der niederländischen Sängerin Chantal Acda diese neun wunderbar dunklen, warmen Lieder ein. Der Stil liegt so zwischen Amerikana und Indiepop und ist mit hochkarätiger Instrumentierung aus Meisterhand kammermusikalisch veredelt. Neben E- und A-Gitarre, die auch von Bill Frisell als Gastmusiker bedient wird, sind hier Moog, Bouzouki und Euphonium sowie viel Bass zu hören. Eher ruhig und dunkel, sehr schön im Winter hörbar.
Imke Staats
DIVERSE
Appleseed’s 21st Anniversary: Roots And Branches
(Appleseed Recordings)


Zum Jubiläum gönnt Appleseed-Gründer Jim Musselman sich und uns eine (wie von seinem Label gewohnte) superbe Zusammenstellung politisch relevanter Songs von den besten Sängern und Songschreiber dieses Planeten auf drei CDs. Let The Truth Be Told mit Liedern, die ein Statement abgeben über den Status der Welt und Amerika; CD 2, The Wisdom Keepers, versammelt Lieder großer Singer/Songwriter, und die dritte Scheibe, Keeping The Songs Alive, enthält solche, die teilweise schon 100 Jahre alt und es wert sind, vor dem Vergessen bewahrt zu werden. Eine exzellente Kompilation, die ein paar völlig neu aufgenommene Stücke enthält.
Ulrich Joosten

DIVERSE
Bitteschön, Philophon! Vol. I
(Philophon)


Diese Interpretation verschiedener afrikanischer Stilrichtungen dürfte auch Fans psychedelischer Musik sehr gut gefallen. Von Schlagzeuger Max Weissenfeldt auf hohem audiophilem Niveau präsentiert, hätte man das Design allerdings weniger mit dem Inhalt der Kompilation in Verbindung gebracht. Die Vorderseite des Digipaks ziert die Figur eines Lyra spielenden Apollos im bunten Spirographenkranz vor analogem Tonstudioequipment. Meine Empfehlung für Verehrer des guten Tons – Philophon eben!
Christoph Schumacher
DIVERSE
Lusafrica – 30th Anniversary Album
(Lusafrica)


Die Geschichte des Labels basiert vor allem auf dem Zusammentreffen des von den Kapverden stammenden Hobbymusikers José da Silva mit dessen Landsfrau Cesária Évora, die dank seiner eine Weltkarriere als Sängerin hinlegte. Das runde Jubiläum zu feiern – okay –, warum nur mit fünf Stücken in jeweils zwei sich eher marginal unterscheidenden Versionen (u. a. noch von Boubacar Traoré, Bonga, Tito Paris) verstehe ich nicht. In dieser Zusammenstellung verzichtbar!
Roland Schmitt

DIVERSE
StoMo’s Artist Collection Vol 11: Blues & Boogie
(Stormy Monday Records)


Das rührige eigene Label Mäule & Gösch haben sie inzwischen so etabliert, dass sich Alf List und Wolfgang Schmidt eigentlich entspannt zurücklehnen könnten. Trotzdem legen sie sich wieder mit einer bunten Mischung aus Blues und Boogie ins Zeug, 19 Titel von Musikern, die man gerne kennenlernt, sind auf dem Sampler zu hören.
Annie Sziegoleit
DOBRANOTCH
20 Years
(CPL-Music)


Gemahnte das Vorgängeralbum Makhorka noch arg an finnischen Humppa, so drehen die Musiker um Mitia Khramtsov auf diesem Album richtig auf. 16 meist sehr energetische und teils neu eingespielte Stücke lassen die zwanzigjährige Bandgeschichte Revue passieren. Der Bogen reicht von Balkan, Klezmer und türkischer Klassik bis zum Rammstein-Cover auf Jiddisch. Unter den Gastmusikern sind Frank London (Trompete), Psoy Korolenko (Gesang) und Ferhan Doğmuşöz (Oud).
Ines Körver

ECHO ME
Sleep Is Key
(Backseat)


Das vierte Album des Dänen Jesper Braae Madsen und seiner Mitmusiker kreist inhaltlich um das Bewahren der eigenen Identität gegen Herausforderungen wie Familiengründung und Umzüge. Trotz dieser wahren Turbulenzen ist hier ein schönes Pop-Werk mit ideenreichen Arrangements gelungen. Madsen singt mit entspannter und emotional beweglicher Stimme zu mit Pedal Steel oder Bläsern gefärbten Melodien, die teilweise an Brit-Pop, Country oder Sixties-Beat erinnern. Angenehm und belebend.
Imke Staats
EL MURO TANGO & JUAN VILLAREAL
Nostálgico
(Galileo)


Das argentinisch-norwegische Quartett um den Pianisten Juan Pablo Lucca und den Violinisten Karl Espegard begibt sich auf eine Reise zu den Wurzeln des Tangos. Für die aktuelle Produktion haben sie sich mit dem Sänger Juan Villareal zusammengetan, der sein Publikum mit seiner weichen, geschmeidigen Stimme ins Buenos Aires der Zwanzigerjahre versetzt. Nostalgisch, stimmig, zum Tanzen, aber auch zum Genießen.
Martin Steiner

ERROR 404 BAND NOT FOUND
Schmetterling
(Eigenverlag)


„Error 404“ steht normalerweise für einen toten Link. Mit Schmetterling beweist die zehnköpfige Brassband mit der dominikanischen Rapperin La Nefera, dass die Raupe längst entschlüpft ist. Die Multikultitruppe um den französischen Bandleader und Sousafonisten Victor Hege ist mit Balkan, Funk, Hip-Hop und einem starken Latin Touch in ihrer Basler Wahlheimat auf vielen Bühnen präsent. Band definitely found.
Martin Steiner
ERYN
Lady E
(Eigenverlag)


Die blonde Pop- und Bluessängerin Eryn mit der gewaltigen Stimme stammt aus New Jersey und wird von einer Big Band begleitet. Sie bedient gekonnt alle Genres. In dem Digipak sind allerdings nur sparsame sechs Titel und wenige Informationen versammelt – ein Potpourri aus Blues, Soul, Jazz, Pop und Rockmusik von verschiedenen Komponisten.
Annie Sziegoleit

FEDERSPIEL
Wolperting
(Col Legno)


Es macht schon einen gewaltigen Eindruck, wenn diese österreichische Truppe mit sechs Blechbläsern und einem Holzbläser loslegt. Als Brasscombo könnte sie ein Dorf in Schutt und Asche blasen. Aber nein, sie verstehen sich eher auf die feinen, austarierten Klänge, auf das wohltemperierte Ausmalen von Soundlandschaften, diesmal rund um ein imaginäres Dorf, in dem ein Wolpertinger haust. Um ihn spinnt diese Blasmusik das Garn des spielerischen Umgangs mit Fabelwesen und musikalischen Traditionen.
Harald Justin
FELEBOGA STRINGBAND
Tugboat To Hamburg
(Apple Blossom Music)


Norwegisch-amerikanische Band mit Vorliebe für Old Time Music. Traditionelle norwegische Einflüsse werden aufgenommen, bekannte Lieder mischen sich mit eigenen Werken, und alle beherrschen ihre Instrumente virtuos, nur der Sänger ist nicht richtig zu hören. Auf dem Cover sehen wir den Hamburger Hafen; eingespielt wurde das Teil in Dithmarschen, und da stellt sich doch die Frage: Warum nicht ein einziges Stück von dort?
Gabriele Haefs

FOGHORN STRINGBAND
Rock Island Grange
(Eigenverlag)


American Stringband Music aus Kanada und den USA – und die zwei Damen (Bass, Gitarre) und zwei Herren (Mandoline, Fiddle) haben sich in über 15 Jahren einen eigenständigen Stil erarbeitet. Old Time, Bluegrass, Country oder Cajun werden von der Band um ein Mikrofon gruppiert gemixt, und heraus kommt eine tolle Zusammenstellung aus Instrumentals und Songs mit den typischen High-Lonesome-Harmonien. Und ein innovatives Cover ohne jegliches Plastik plus unglaubliche fünf Hidden Tracks, das ist alleine schon den Kauf der CD wert.
Mike Kamp
FOJGL
Flying Klezmer
(Hey! Blau Records)


Energiereiche Soli und emotionale Balladen charakterisieren das erste Album des vor etwa 15 Jahren gegründeten württembergischen Trios, bestehend aus den beiden Gründungsmitgliedern Johannes Opper (g, voc) und Florian Vogel (= jidd. fojgl; v) sowie dem später hinzugekommenen Steffen Hollenweger (b). Mit durchwegs jiddischen Texten, bedauerlicherweise ohne in einem Beiblatt hinzugefügt zu sein, handelt es sich bei sieben der zehn Titel um Eigenkompositionen. Natürlich ist die Musik von Fojgl für die Bühne gemacht, insofern empfiehlt sich das Album als Vorgeschmack für ein Livekonzert – oder eben als Erinnerungsstück danach.
Matti Goldschmidt

FLURU
Where The Wild Things Grow
(What We Call)


Irgendwie stimmt bei dieser Band alles: Perfekter Satzgesang, sehnsüchtige Lap Steel Gitarre und Countryballaden, die echte Ohrenschmeichler sind. Und vor allem, Fluru weiß absolut, wann weniger mehr ist. Ihr Country klingt aber auch deshalb so außergewöhnlich sphärisch, weil sie sich kaum an Nashville, sondern an englische Folkrockern wie den ebenfalls auf Satzgesang setzenden Steeleye Span orientiert und vielleicht auch, weil Fluru aus Schweden kommt. Eine echte Entdeckung mit betörenden Songs.
Hans-Jürgen Lenhart
FRÄULEIN TÜPFELTAUBES TAGEBUCH
Fräulein Tüpfeltaubes Tagebuch
(Bluestrings Records)


Auf diesem Album gibt es viel zu entdecken. Die Dreierformation um Komponistin, Sängerin und Flötistin Sarah Horneber bietet eine kreative Mischung aus deutschem Pop, Jazz, Rock und Kammermusik. Herzstück der 13 Chansons über die emotionalen Höhen und Tiefen im Alltag sind die sprachlich sehr gewandten deutschen und französischen Texte. Während die musikalischen Arrangements mit Cello, Viola und Gitarre überzeugen, wirkt der anscheinend bewusst nicht immer saubere Gesang allerdings anstrengend.
Erik Prochnow

LEA W. FREY
Plateaus
(Enja Records)


Aus dem Umfeld der Band Notwist stammt diese Indi-Folk-Perle. Der Sängerin Lea W. Frey gelingt das Kunststück, den Geist der Achtziger-Indie-Bands wie Malaria zu beschwören und gleichzeitig modern wie z. B. Minimalelektroniker RY X zu klingen. Auch klingt Plateaus gleichzeitig kraftvoll wie eine Nick Cave-CD, atmosphärisch wie ein Album von Olafur Arnalds und zerbrechlich wie die Songs von Dillon. Dadurch entsteht ein sanfter, sich ständig steigernder Sog, dem man sich nicht entziehen kann.
Chris Elstrodt
GASSMANN & WINGOLD
Bis auf den Grund
(Rent a dog)


Virtuosen Künstlern ist es manchmal unmöglich, einfach einen Song zu spielen. So fliegen die Finger des Gitarrenprofessors Frank Wingold über die Jazzsaiten, während Sängerin Martina Gassmann mit ausdrucksstarkem Gesang Paroli bieten möchte. Damit erzeugt das Duo einen eigenen, unvergleichbaren Sound, der vor allem ambitionierten Hörern offensteht. Ob mit englischen oder deutschen Texten, ob Edgar-Alan-Poe-Vertonung oder Fischerballade, der Hörer muss bereit sein, sich bewusst auf das Duo einzulassen.
Chris Elstrodt

GET THE CAT
The Way To My Heart
(Timezone)


Melanie Bartsch, Sängerin mit warmer Bluesstimme, hat nach einer Babypause in dreitägiger Studioarbeit zwölf neue Titel eingespielt. Alle Songs des Quartetts Get the Cat stammen vom Bassisten Till Brandt und wurden in Solingen aufgenommen. In der Band sind außerdem dabei Jens Filser (Gitarre) und Bernd Oppel (Schlagzeug), als Gastmusiker macht Gero Körner an verschiedenen Orgeln mit. Die Bluesballaden sind jazzig angehaucht, zur Abwechslung gibt‘s auch Ausflüge in die Soul- und Rockmusik. Alle Texte sind im Booklet abgedruckt.
Annie Sziegoleit
MIKE GREEN BAND
Same Old Blues – Live
(Stormy Monday Records)


Der französische Bluesgitarrist mit amerikanischen Wurzeln – er hatte die USA während des Vietnamkriegs verlassen – wird von Schlagzeuger Micha Maas begleitet. Eine Liveproduktion mit Band, Martin Scheffler an der Gitarre, Marko Jovanovic spielt Mundharmonika und Bernd Kuchenbecker den Kontrabass. Neben zwei Eigenkompositionen sind zehn Titel von Jimmy Reed, Willie Dixon, Ray Charles und anderen im Repertoire. Aufgenommen wurde die Platte, die viel Lust am Spiel versprüht, im November 2017 im Ostseebad Rügen.
Annie Sziegoleit

GUINGA INVITES GABRIELE MIRABASSI
Passos E Assovio
(Acoustic Music Records)


Der brasilianische Gitarrist, Komponist und Sänger Guinga revanchiert sich auf diesem Album für die Einladung seines Musikerkollegen Gabriele Mirabassi. Der italienische Klarinettist hatte Guinga vor rund zwanzig Jahren zu Aufnahmen nach Perugia eingeladen. Ein leises Album ist bei dieser zweiten Begegnung entstanden, melancholische, weit ausholende Melodien und die typische, aparte Guinga-Harmonik, die irgendwo zwischen europäischer Kunstmusik und brasilianischer Saudade changiert.
Rolf Beydemüller
HALLOUMINATI
Tonight, Is Heavy
(Batov Records)


Das Sextett aus dem UK gehört – neben den spanischen SKA-P vielleicht – zu den raren Bands, die man als Festivalveranstalter blind als Opener für den zweiten Tag buchen kann. Nach spätestens fünf Minuten hält es auch den verkatertsten Besucher nicht mehr im Zelt, und vor der Bühne kreist der Pogo. Frontmann Emilios Georgiou-Pavli, gebürtiger Grieche, und seine Truppe haben ihren süffigen Mix aus Ska, Punk und Balkan-Blech auch für ihr Debütalbum bestens aufbereitet. Macht unglaublich Laune.
Walter Bast

JP HARRIS
Sometimes Dogs Bark At Nothing
(Free Dirt Records)


Wer sich nicht vom martialischen Aussehen des Sängers auf dem Cover abschrecken lässt, kann durchaus eine auch stimmlich angenehme Entdeckung machen. Harris ist der typische Vertreter einer neuen Generation in der Country Music, die sich bei allen Quellen dieser Musik bedient, seien es Country Rock, Folk á la Gordon Lightfoot, traditioneller Country oder die superschnellen Train Songs des Bluegrass. Dazu thematisiert er früher in der Country Music ausgeblendete Themen wie die Benachteiligung von Frauen in der Musikszene.
Hans-Jürgen Lenhart
ANDRÉ HERZBERG
Was aus uns geworden ist
(Reptiphon)


Mit der Kultband Pankow wurde der Berliner in den Achtzigerjahren in der DDR berühmt. Danach trat er auch solistisch und als Autor auf. Parallel zum gleichnamigen Buch erschien diese CD, die er als „Chansonrock“ bezeichnet. Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens singt er in einem kräftigen Blues: „Ich such Orientierung, rechts und links, nah und fern, überall“ und in „Prolet“: „Nie war ich Teil der großen Bewegung“. Dazu gibt es einige feinsinnige Liebeslieder. Die vierköpfige Studioband überzeugt durch geradlinigen Rock.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

NEILSON HUBBARD
Cumberland Island
(Proper Records)


Nach Anfängen als Solomusiker hat sich Hubbard in den vergangenen 20 Jahren auf die Produktion verlegt. Frisch verheiratet nun, schien die Stimmung reif, um mal wieder eigene Songs unter die Menschen zu bringen. Sehnsuchtsvoll haucht Hubbard seine Songs mehr, als dass er sie singt. Das ist sehr effektvoll, aber im Zusammenspiel mit der verhallten Produktion kommt irgendwann der Eindruck auf, einer modernen Variante von Kuschel-Pop zu lauschen. Bei dieser hochprofessionellen Produktion, die keinen Winkel unausgeleuchtet lässt, ist schwer auszumachen, ob die Songs tatsächlich etwas hergeben.
Michael Freerix
ILLUMININE
#3
(Ferryhouse)


Illuminine ist der Künstlername des Flamen Kevin Imbrechts. Auf seinem dritten Album verarbeitet er seine Angststörung, mit der er offen umgeht. Die Musik klingt ruhig und warm. Imbrecht spielt vor allem akustische Gitarre. Es passiert nicht viel, Keyboards füllen den Raum. Auf zwei Stücken ist eine Frauenstimme zu hören, auf einem Stück ein ungarisches Orchester. Das Album endet mit „Apprehension - Final Part“, was etwa „dunkle Vorahnung - letzter Teil“ bedeutet. Aber auch dieser Track klingt nicht unangenehm.
Christian Rath

IN SEARCH OF A ROSE
Horses For Courses
(Dedication Records))


Aus Havixbeck-Hohenholte bei Münster stammen die, die singend und musizierend eine Rose suchen, eine für Westfalen angeblich ganz untypische Verhaltensweise. So suchen sie ihre Rose auch in der Irish-Folkrock-Musik, die sie in mitreißender, grooviger Art spielen und singen und somit eine gute Partymusik liefern. Die Texte findet man auf der Website, so dass man keine Lupe braucht, um sie zu lesen. Ob man sie dann aber versteht? Was zum Beispiel ist ein „Buckfast Girl“? Eine Imkerin der Buckfastbienen?
Michael A. Schmiedel
JAH CHANGO
Un Kilo De Más
(One World Records)


Die neueste, nur musikalisch leider nicht neue Mestizo-Brise weht von Formentera zu uns herüber. Denn jener einst vor allem in Barcelona zusammengebrauten, weltweit erfolgreichen Reggae-Ska-Latin-Mixtur konnte dieser – der Info nach – deutsch-spanische, hörbar vom Reggae sozialisierte Sänger nichts unerhört Eigenes hinzufügen. Gut produziert, mit illustren Gästen der Szene, wie Pau Donés von Jarabe de Palo, und sympathischem Artwork werden Newcomer-Aficionados Spaß haben an diesem partytauglichen zweiten Album.
Katrin Wilke

COLIN JAMES
Miles To Go
(True North Records)


Sein 19. Album legt der Gitarrist, Sänger, Komponist und Produzent Colin James vor. Coverversionen von Bluesgrößen wie Muddy Waters, Chester Burnett, Blind Willie Johnson und Blind Lemon Jefferson wechseln mit eigenen Titeln ab und werden in großer Bandbesetzung eingespielt. In Kanada war die letzte Scheibe zehn Wochen auf Platz eins der Roots Blues Charts. Nun greift er wieder in die elektrischen Saiten und weiß genau, was er tut. Ein beachtliches Album im schönsten Digipak.
Annie Sziegoleit
JANTE
Kein Asphalt
(Babilon Records)


„IndieDeutschFolk“ nennen Sänger Jan Thierfelder und sein Leadgitarrist Tim Bergelt, zwei junge Musiker aus Leipzig, ihre Songs zwischen liedhaftem Rock und etwas Hip-Hop, wie im Titel „Gewohnheit“. Auf ihrem Album gibt es sieben Titel über eigene Befindlichkeiten, poetische Liebeslieder und Songs zu den Fragen unserer Zeit, wie in „Game Over und Out“: „Wir reden alle nur von morgen und sehn, wie heut‘ vorüberzieht“. Eine interessante CD, leider ohne Abdruck der Liedtexte, auch nicht im Internet. Das sollte doch noch möglich sein?!
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

JENNY AND THE MEXICATS
Ten Spins Round The Sun
(GMO - The Label)


Was viele erst nach langer Bandgeschichte tun, genehmigt sich die in Madrid ansässige mexikanisch-britische Crew schon zum zehnten Geburtstag: Ein rückblickendes Album, für das die Musiker aus drei Alben sowie unveröffentlichtem Live- und Remixmaterial schöpfen. Hoffentlich ist das frühe Best Of kein Zeichen mangelnder Ideen oder gar ein schlechtes Omen betreffs des Fortbestandes dieser fröhlich, mehr oder weniger originell auf Englisch oder Spanisch quer durch den Mestizogarten wandelnden Band.
Katrin Wilke
PAUL KELLY
Nature
(Cooking Vinyl)


Paul Kelly, einer der arriviertesten australischen Singer/Songwriter, kann es sich mit 64 Jahren und nach über 20 CD-Veröffentlichungen durchaus leisten, auf dem neuesten Werk fünf klassische Gedichte literarischer Schwergewichte (darunter Dylan Thomas‘ „And Death Shall Have No Dominion“ und Walt Whitmans „With Animals“) zu vertonen und neben eigene Texte zu stellen. Dabei macht er keine schlechte Figur. Seiner charakteristischen, hellen Stimme verordnet er Arrangements von luftig-folkigem Fingerpicking („Seagulls Of Seattle“) bis zum ausgefeilten Americanasound. Song für Song ein Genuss.
Ulrich Joosten

KERANI
Small Treasures
(Kerani Music Production)


Oscar Wilde, Monk Kusai, Sara Teasdale, Khalil Gibran oder Antonio Machado – neben einem Gedicht ihrer Mutter ist die Liste der prominenten Inspiratoren der belgischen Komponistin und Pianistin groß. Auf ihrem bereits sechsten Album hat sie aus den poetischen Worten sehr einfühlsame Klanggeschichten erschaffen, die sich zwischen Klassik und New-Age-Musik bewegen. Unterstützt wird sie von namhaften Künstlern wie Streichern aus dem Orchester André Rieus, dem preisgekrönten Flötisten Ron Korb sowie der brasilianischen Sopranistin und Gitarristin Carla Maffioletti.
Erik Prochnow
THE KILKENNYS
Blowin’ In The Wind
(Pinorrek Records)


Die Kilkennys werden mit ihrem Charme, ihrer soliden Spielfertigkeit und ihrem glattgeputzten, aber durchaus überzeugenden Gesang mit dieser Veröffentlichung wiederum jede Irish-Pub-Party rocken. Für differenziertere Irish-Trad-Fans ist diese Mixtur – Wiederaufguss alter Dubliners- und weiterer Pub-Hits (siehe Titel-Track) – im sehr kommerziellen „Irish-Musikantenstadl“-Sound trotzdem eben genau das.
Johannes Schiefner

METTE KIRKEGAARD
Simple Matters
(Gateway Music)


Wenn man die dänische Singer/Songwriterin einordnen möchte, dann irgendwo zwischen Joni Mitchell und Joan Baez, sowohl stimmlich als auch von der Art der Songs. Sie hat sich dem Americanastil zugewandt, und von der traditionellen Folkmusik ihrer Heimat ist da nichts mehr zu spüren. Das alles ist nicht innovativ, aber wer die beiden genannten Vorbilder gern hört, wird auch ihre Musik mögen. Ihr drittes Album seit 2007 enthält elf selbstkomponierte Lieder (43:23).
Bernd Künzer
KLEINGARTENANLAGE
This Far
(Eigenverlag)


Was nach Theaterprojekt klingt, entpuppt sich als handfestes Akustik-Pop-Duo in bester Tradition von Friend ’n Fellow. Virtuos gespielte Gitarren treffen auf glockenklaren, überwiegend weiblichen Gesang, die englisch- und deutschsprachigen Eigenkompositionen könnten aus einer Popakademie stammen. Die Percussionversuche des Gitarristen klingen eher etwas lästig, da wäre weniger mehr gewesen. Dennoch ein rundherum gelungenes Album für Freunde hitorientierter akustischer Popmusik.
Chris Elstrodt

HANNES KREUZIGER
Wir können Helden sein
(Eigenverlag)


Held sein, Harley fahren, Robin Hood sein, so war es mal gedacht, doch das Leben zerfasert sich in banalen Oberflächlichkeiten und ist nicht wirklich ausgefüllt. Fragen nach dem richtigen Leben beschäftigen den Potsdamer Liedermacher, der mit rauer Stimme am Klavier seine einfühlsamen Lieder präsentiert. Quelle seiner Inspiration scheinen eigene Krisen und Erfahrungen zu sein, weshalb den Liedern auch eine gewisse Leichtigkeit fehlt. Die Stimmung ist gedämpft, selbst wenn er den Lebensmut besingt.
Rainer Katlewski
YVES LAMBERT TRIO
Tentation
(La Pruche Libre PRU2-4818)


Lambert war Mitbegründer der weltbekannten La Bottine Souriante aus der kanadischen Provinz Quebec. Auch mit seinem Trio (Gesang, Akkordeon, Geige, Gitarre, Bass, Fußperkussion) ist er genau diesen Wurzeln schon seit vielen Jahren treu, ohne jedoch auf Modernisierung und Einflüsse von außen zu verzichten. So werden auf dieser CD Melodien aus Irland oder von Cape Breton verarbeitet. Immer frisch, immer lebhaft und immer überzeugend, Lambert hört man die über 40 Jahre im Musikgeschäft nie negativ an.
Mike Kamp

GEORGE LEITENBERGER & RODDY McKINNON
Raw Love
(Silberblick Musik)


Die Klangfarben der beiden Sänger Leitenberger und McKinnon sind alles andere als Mainstream. So sperrig, wie die Stimmen der Musiker sind, so sperrig sind die Kompositionen allemal. Die Texte, mal englisch, mal deutsch, pendeln zwischen Element-of-Crime-Lyrik und Weltuntergangsblues. Die Folkgitarren spielen Ungewohntes, Unerwartetes und manchmal Erschreckendes. Punk und Jazz sind nur leere Worte, das Duo spielt Kleinkunst zum Zuhören, Straßenmusik zum schnellen Weitereilen oder zum Verweilen.
Chris Elstrodt
ADRIANNE LENKER
Abysskiss
(Saddle Creek Records)


Erste Songs schrieb Adrienne Lenker, obwohl in ihrer Mormonenfamilie Musik verpönt war, bereits als Kind und hat nie damit aufgehört. So kam vor zehn Jahren auch ihr erstes Album unter eigenem Namen heraus, doch anschließend gründete sie mit Big Thief eine Band, die Rock mit Jazz vermischt, und war seither mit dieser Formation auch intensiv tätig. Überraschend ist deshalb das Erscheinen ihres zweiten Soloalbums Abysskiss. Sparsam arrangiert, in der Regel nur mit zwei Gitarren und ihrem Gesang, ist Abysskiss eine geballte Ladung an Intimität. Hier ist Lenker eine Folksongschreiberin reinsten Wassers, mit einer leicht sphärischen Note. Es ist Wintermusik, die an langen dunklen Abenden, nur mit Kerzenlicht erleuchtet, wunderbar funktionieren müsste.
Michael Freerix

LISA LESTANDER
Sånger Från Norr II
(Westpark Music)


Das erste Album der Lieder aus dem Norden wurde bereits im Folker 3/2014 besprochen. Es gab so viel Material, dass sich Lisa und ihre beiden Mitspieler Mats Öberg und Jonas Knutsson zu einer Fortsetzung entschlossen. Weitere acht Lieder (41:48) aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, die im Musikarchiv von Umeå schlummerten, wurden arrangiert und mit Hilfe von Frida Johansson, ihrer Mitsängerin bei Kraja eingespielt. Das Booklet enthält alle Texte auf Schwedisch.
Bernd Künzer
YULIYA LONSKAYA
Spirit Of Romance
(DMG)


Spanien, Paraguay, Frankreich und Ungarn sind die musikalischen Stationen der weißrussischen Klassikgitarristin Yuliya Lonskaya, die zuletzt auch auf einer Duo-CD mit dem Gypsygitarristen Lulo Reinhardt zu hören war. Hier nun ganz romantisch, mit einigen Gassenhauern der klassischen Literatur, wie Tárrega, Albéniz, Barrios und sogar Chopin in einer schönen Bearbeitung von Roland Dyens.
Rolf Beydemüller

AUSTIN LUCAS
Immortal Americans
(Hometown Caravan Records)


Ehe kaputt, Alkoholismus überwunden, in die alte Heimat zurückgezogen. Austin Lucas hat einiges durchgemacht in der Zeit seit seinem letzten Album und eine Menge Lebenserfahrungen gesammelt. Kein Wunder, das seine aktuelle CD voller Songs steckt, in denen er seine Wunden leckt, aber auch zu einer neuen Zerbrechlichkeit gefunden hat. Der Grundton auf Immortal Americans ist melancholisch, und diese Melancholie wird auf der akustischen Gitarre zelebriert. Dabei hat Lucas als Punk-Folk-Musiker begonnen und es gerne krachen lassen. Früher. Nun taucht die Elektrische zwar hin und wieder auf, und auch Bass und Schlagzeug sind durchweg zu hören, doch bleibt alles eher ruhig und getragen, auch wenn die Live-im-Studio-Technik des Tongestalters Steve Albini keinerlei Glätte aufkommen lässt. Ein Album voller rau wirkender, doch zerbrechlicher Balladen.
Michael Freerix
LURA
Alguem Di Alguem
(Lusafrica)


Die im Moment vielleicht populärste Sängerin der Kapverden eröffnet die vier Stücke kurze EP mit einem Funaná. Sehr tanzbar, poppig kommt das Lied daher, getragen von Luras starker Stimme. Die Morna „Crepuscular Solidáo Dum Diva“, geschrieben von Teofilo Chantre, ist Cesária Évora gewidmet. Das Stück erscheint gleich zweimal, einmal in einer Gesangsversion im Duett mit Gaël Faye und am Schluss der EP noch in einer Instrumentalfassung.
Martin Steiner

MAKATUMBE
Makatumbe
(Hey!Blau Records)


Für das, was Edgar Wendt (voc, cl), Markus Korda (acc), Claas-Henning Dörries (b) und Eike Ernst (dr, perc) auf ihrem Debütalbum präsentieren, ist einmal der Terminus Imaginäre Folklore erfunden worden. Die vier bedienen sich mit atemberaubender Stilsicherheit und Kenntnis aus dem globalen Topf traditioneller Musikstile und mischen daraus ihre ureigene Sicht auf die Musik dieses Planeten. Wohl nur wenige Bands liefern ein solch perfektes Debüt ab. Makatumbe gehört dazu. Einfach hinreißend.
Walter Bast
MAURSETH, OPHEIM, LISLEVAND, STENE
Tidekverv
(Grappa Musikkforlag)


CD mit grandiosem A-capella-Einstieg und hinreißenden Soli auf der Hardingfele. Die Mitwirkenden lieben einerseits die norwegischen Traditionen, andererseits schwärmen sie offenbar für allerlei neuen elektronischen Schnickschnack und überlagern die Musik mit überflüssigen Klangeffekten. Immerhin ist der Grappa-typische Vogelruf am Ende deutlich zu hören.
Gabriele Haefs

ROB McHALE
Prophets On The Boulevard
(Eigenverlag)


Ruhig und bedächtig fließen Rob McHales Folksongs dahin, und selbst ein „Little Red Rooster“ von Willie Dixon wird von diesem unaufgeregten Sound völlig vereinnahmt. Akustische Gitarren, Fiddle, Mundharmonika, Banjo und ein sanftes Schlagzeug bestimmen den Klang. Früher hat man zu solcher Musik die rote Terracottateekanne rausgeholt und eine Kerze angezündet. Angenehm, mehr aber auch nicht.
Hans-Jürgen Lenhart
JARO MILKO & THE CUBALKANICS
Zivot
(Jasha! Records)


Zivot heißt auf Tschechisch Leben – und dem Titel entsprechend geht es vom ersten Ton an rund. Auch auf ihrem zweiten Album besticht die vierköpfige Formation um Bandleader Jaro Milko durch einen groovigen Mix aus kubanischer und Balkanmusik. Der als Sohn emigrierter Tschechen in Rheinfelden geborene Gitarrist lässt mit seinen 12 Songs über die Veränderungen im Leben erneut das Tanzbein schwingen, iesmal allerdings mit einem ganzen Bläserensemble und musikalischen Einflüssen, die bis in die Türkei und nach Griechenland reichen.
Erik Prochnow

DAVID MILTON
Songs From The Bell Man
(Story Records STREC1801)


Milton ist u.a. Stadtschreier in Watchet am Bristolkanal, ein Mann fest verankert in seiner Gemeinde. Daher sind seine eigenen und traditionellen Lieder voller Lokalkolorit und das bedeutet viele nautische Themen, Shanties und Songs über die alte Papierfabrik, die 2015 dichtmachte. Begleitet wird er von einer Handvoll fähiger Musiker (Fiddle, Akkordeon etc.), und produziert wurde die CD von Ange Hardy, was äußerste Sorgfalt und Liebe zum Detail garantiert. So muss gute englische Folkmusik klingen!
Mike Kamp
ROB MOIR
Solo Record
(Make My Day Records)


Der energetische Sänger und Gitarrist aus Kanada balanciert zwischen intensiven Liedern auf der akustischen Gitarre und eher rockigen Stücken mit Bandbegleitung, die sich aber im Ausdruck wenig unterscheiden. Etwas zu pathetisch, zu sehr auf Klangfülle vertrauend wirkt seine Musik, und ab und zu wagt er diesen so modischen Oktavsprung beim Singen, den man heute bringen muss, um hip zu sein. Allzu gleichartig kommen die Songs daher rüber und mit einer etwas zu hohen Dosis Weltschmerz.
Hans-Jürgen Lenhart

THE MOOSE WHISPERERS
The Moose Whisperers
(Apple Blossom Music)


Amerikanisch-norwegische Band, die sich der Old Time Music verschrieben hat, spielte erstmals bei Festivals in den Appalachen. Diese CD mit Musik und einigen Liedern von dort erscheint im Vorfeld einer Skandinavientour. Solide Handwerksware, gut zu hören, braucht sich vor berühmteren Vorbildern durchaus nicht zu verstecken.
Gabriele Haefs
AXEL NAGEL
Ausserhalb von Fahrzeugen
(Eigenverlag)


Der multiinstrumentale Vollblutmusiker tanzt musikalisch auf vielen Hochzeiten, aber diese ist seine eigene. Zu Kompositionen, bei denen die Gitarre und der Groove im Vordergrund stehen, unterstützt von abwechslungsreicher Percussion, singt er Texte, die sich großenteils mit der Analyse des Musizierens zu befassen scheinen – natürlich sinngemäß übertragbar. Ganz eigen und folkig-jazzig-liedermacherisch ist das Ergebnis.
Imke Staats

KARL NEUKAUF
Hinter Geranien und Gardinen
(Timezone)


Der Straßenmusiker mit der harten Stimme und den politischen Aussagen, der Multiinstrumentalist, der am liebsten jedes Instrument selbst einspielt, der Rocker, der deutsche Texte und handfeste Rockmusik nicht für einen Widerspruch hält. Alle diese Klischees gibt es wirklich, vereint in der Person von Karl Neukauf. Was wir uns von den Reichels und Maffays erhofft haben, Neukauf erfüllt es. Ein Bier, ein Moped und klare „So ist es“-Botschaften für die Menschlichkeit – für das Herz, aber ohne Schmalz.
Chris Elstrodt
NOSIZWE/TJORE
Nosizwe/Tjore
(So Real International)


Norwegisch-südafrikanische Sängerin, norwegischer Gitarrist, sie schreibt ihre Texte selbst (auf Englisch), er steuert die Melodien bei, und beide haben offenbar einen Hang zum norwegischen Easy-Listening-Jazz. So könnte das Ganze zum oft gehörten skandinavischen Einheitsbrei werden, wenn nicht Ed McCurdys „Last Night I Had The Strangest Dream“ der CD einen unerwarteten Höhepunkt verschaffen würde!
Gabriele Haefs

MAARJA NUUT & RUUM
Muunduja
(Label 130701)


Mystik aus Estland. Das Duo Maarja Nuut & Ruum verschmilzt in seiner Musik das Gestern mit dem Morgen. Man hört eine Geige und Gesang mit archaischer Tradition und Tiefe, die klanglich eingehüllt sind von elektronischen Sounds aus einer technisierten Zukunft. Die Klanglandschaften sind tanzbar, geheimnisvoll und düster – aber immer aufregend ungewohnt. Dieser zeitloser Elektro-Folk scheint aus dem Nirgendwo zu kommen und in die Weiten des Universums zu leuchten.
Udo Hinz
OF THE VALLEY
Of The Valley
(Backseat)


Hinter Of The Valley verbirgt sich der in Kopenhagen lebende Kanadier Brian Della Valle. Er verfasst seine melancholischen Texte an der Schreibmaschine, womit er gleich mal das gängige Folksängerklischee bedient. Die Arrangements warten mit den typischen Zutaten wie akustischer Gitarre oder Piano auf. Mit warmer Stimme singt Della Valle dazu seine Texte – ein Singer/Songwriter-Album, ein wenig melancholisch und sehr stimmig.
Imke Staats

OI VA VOI
Memory Drop
(V2 Records Benelux)


Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht für alle Fans von Oi Va Voi. Die gute: Neun Jahre nach ihrem dritten Studioalbum ist ihre neue CD im Handel. Die schlechte: Ihre neue musikalische Ausrichtung hat nichts mehr mit dem gemein, wofür ihre Anhänger sie einst geschätzt haben. Keine jiddischen oder osteuropäischen Elemente mehr, stattdessen gepflegte Popsongs mit internationalem Produktionsflair. Wer der Band auf diesem Weg folgen möchte, gerne. Wer nicht, muss sich neue Lieblinge suchen.
Walter Bast
OLIBA INTERNATIONAL
Oliba International
(Maaula Records)


Das als „Marching Band“ mit zwei Standtrommlern ausgestattete französische Quintett hat sich hier den hypnotischen Melodien verschiedener afrikanischer Musikstile verschrieben und variiert diese in acht größtenteils überlangen Stücken ohne Gesang. So reichen sich Sousafon, Saxofon und elektrische Gitarre die repetitiven Tonfolgen hin und her und wechseln von der vorgegebenen Textur nahtlos in die Improvisation. Ein klarer Fall von „kultureller Aneignung“ afrikanischer Inspirationsquellen.
Christoph Schumacher

ALEX PANTER
Some Time Now
(Timezone)


Vom heimischen Wohnzimmer aus singt sich der oberbergische Highlandrinderzüchter und Singer/Songwriter Axel Potthoff in die Bluesherzen der Zuhörer. Eine ganze Armada an Gastmusikern hat er für sein neues Album eingeladen. Auf der musikalisch vielfältigen Produktion im Digipak singt auch die Kölnerin Astrid Foerst. Einflüsse von Dylan, Lou Reed und den Rolling Stones sind unverkennbar.
Annie Sziegoleit
SHAWN PITTMAN & JAY MOELLER
Everybody Wants To Know
(CrossCutRecords)


Laut, roh und mit sehr viel Charme – der Gitarrist Shawn Pittman und der Schlagzeuger Jay Moeller werden hier lediglich durch Johnny Moeller an der Baritongitarre ergänzt. Diese fungiert gleichzeitig als Ersatz für den Bass. Fertig ist die Band, die sich von Texas-Shuffle über treibenden Boogie bis zum fast schon respektlosen Umgang mit Percy Mayfields „Hit The Road Jack“ keine Verschnaufpause gönnt.
Achim Hennes  

DEVA PREMAL
Deva
(White Swan Records)


Die international renommierte New-Age-Sängerin Deva Premal präsentiert auf ihrem neuen Album erstmals eine eigene Komposition und zwar gleich in zwei Arrangements. 20 Jahre nach ihrem weltweiten Erfolg mit dem „Gayatri Mantra“ kleidet sie das hinduistische Gebet in eine neue Melodie. Ansonsten überzeugt die in Nürnberg geborene Musikerin mit ihrem Lebenspartner, dem britischen Sänger und Gitarristen Miten, erneut mit intensiv gesungenen und eingespielten Interpretationen indischer Mantras. Prominente Unterstützung erhalten sie dabei von Anoushka Shankar, die sie auf der Sitar begleitet, etwa bei dem von ihrem Vater Ravi geschriebenen Stück „Prabhujee“.
Erik Prochnow
RAD ORCHESTRA
Rad Orchestra
(Labelship/Broken Silence)


London ist ein Mischtiegel der Nationen, und das fünfköpfige Rad Orchestra (drei Herren, zwei Damen) um den deutschstämmigen Sänger und Saitenspezialisten Max André Rademacher besorgt den Soundtrack. Abenteuerlustig bedient sich die Gruppe der Musiken Afrikas, Asiens oder Südamerikas und mischt Pop, Soul oder Blues zu einer ziemlich streicherlastigen (drei Violinisten!), aber häufig hypnotischen Tanzmusik in großzügigen 66 Minuten zusammen.
Mike Kamp

JIMMY RANKIN
Moving East
(Songdog MusicTWD692)


Er war Mitglied der berühmten Rankin Family, hatte jede Menge Soloerfolge, zog für sieben Jahre nach Nashville und ist jetzt wieder zurück in seiner Heimat Cape Breton Island. Diese CD ist eine einzige Feier dieser Tatsache. Singer/Songwriter-Folk mit lokalen Themen, jede Menge Mitsinglieder und rasante Tunes gemeinsam mit Größen wie Ashley MacIsaac (Fiddle) oder Hilda Chiasson (Piano). Eine tolle CD mit einem deutlich ostkanadischen Atlantik-Flair.
Mike Kamp
GARRICK RAWLINGS
Garrick Rawlings
(Peloponesse Records)


Rawlings war lange Zeit Roadmanager für Ramblin‘ Jack Elliott und dabei auch dessen Vorgruppe, wie unter anderem auch für Townes van Zandt und einige andere. Das alles hat wohl verhindert, dass er Alben unter eigenem Namen veröffentlicht hat. Seine Songs sind bekannten oder weniger bekannten Folksongs nachgemeldet, das ganze Album ist sehr souverän produziert und klingt durch und durch angenehm. Alles ist an seinem Platz, und Rawlings kann es mit vielen Songschreibern auf seiner Ebene aufnehmen. Von seinem Leben auf Tour handelt ein Großteil seiner Songs. Rawlings ist ein moderner Hobo, nur reist er nicht auf Zügen, sondern auf Autobahnen.
Michael Freerix

INA REGEN
Klee
(Sony)


Warum dieser oder jene Musiker oder Musikerin den Deal bei einem großen Label bekommt, während andere mit Kleinstlabels rumkrebsen, ist ein Rätsel. Ina Regen ist bei einem Majorlabel untergekommen. Conchita ist als Gast dabei, der Rest ist österreichischer Dialekt, die Texte sind schlagerbanal, die Produktion driftet mit viel Wumms ins Bombastische. Nicht Schlager, nicht Rock, nicht Folk, noch nicht einmal Austropop. Zu viele Nichtigkeiten stellen die Fragen: Was soll das, und wer soll das kaufen? Grausig.
Harald Justin
REVEREND SCHULZ
In The Land Of The One-Eyed Cat
(Cellarphon Records)


Sich in einer Hütte im Spessart einschneien zu lassen und nur mit Laptop und Klampfe eine CD aufzunehmen, ist sicher eine originelle Möglichkeit, seine Musik zu veröffentlichen. Dementsprechend klingt die neue CD von Reverend Schulz wie der Wintersoundtrack eines einsamen Liedermachers. Nur mit Gitarre, etwas Mundharmonika und wenigen behutsam eingesetzten Begleitinstrumenten spielt der Musiker seinen ruhigen, gefühlvollen Antifolk in verträumter Atmosphäre.
Chris Elstrodt

MICHAEL RIEHM
Mein blauer Mond
(Eigenverlag)


Zwar macht der malende Saarländer Michael Riehm seit 1970 Lieder, doch vor seiner jetzigen Produktion lag eine fünfzehnjährige Pause. Er singt seine eigenen lyrische Texte, Lieder, die Stimmungen und Reflexionen beinhalten, mit saarländischen bzw. moselfränkischen Mundarteinsprengseln. „Leben bleibt Geheimnis und Möglichkeit“ heißt es gleich im Refrain des ersten Liedes. Auch die Begleitung, vor allem Gitarre, und die Arrangements sind von ihm, es ist komplett eine Eigenproduktion.
Rainer Katlewski
ALICE ROSE
What To Do In The Rain
(Divine Records)


Mit klarer Stimme singt die dänische Wahlberlinerin zu Banjo, Ukulele oder Gitarre – und beherrscht auch noch weitere Instrumente. Der leidenschaftlichen Straßenmusikerin gelang ihr achtes Album handgemacht und authentisch – und es enthält ein paar Ohrwürmer, wie z.B. „Lonely Wolf“, in dem sie Wolfsgeheul nachahmt, oder „21“, in dem sie über das Festhalten an der Jugend singt. In den Refrain „I don't wanna grow up“ stimmen weitere Sängerinnen ein. Eine gelungene Hymne, ein charmantes Album.
Imke Staats

ROSEDALE
Wide Awake
(Dixiefrog)


Eine französische Bluesrockband – und was für eine! Sängerin Amandyn Roses und Gitarrist Charlie Fabert stehen hier im Epizentrum des Geschehens. Gesang und Gitarre in perfektem Zusammenspiel, egal ob Rock, Slowblues, Balladen oder Soulrock, zwischen diese zwei Musiker „passt kein Blatt“. Angetrieben von Bass und Schlagzeug vibriert jedes Stück geradezu vor Spiel- und Gesangfreude. Und wohlgemerkt: Dies hier ist kein „Haudrauf-Bluesrock“, sondern virtuos gespielte Musik der forcierten Gangart.
Achim Hennes  
MATZE ROSSI DUO
Musik ist der wärmste Mantel
(End Hits Records)


Von den sanften Liedermachern ist Matze Rossi vielleicht der sanfteste. So viel Zartheit in Wort und Ton ist schwer zu ertragen. Mit Titeln wie „Alles Gute kommt von innen“ oder „Ich hoffe, du findest, was du suchst“ träumt der Künstler mit Duopartner Martin Stumpf seinen leisen Traum von einer besseren Welt. Mit akustischer Gitarre, ein wenig Kontrabass oder Klavier spielte Matze Rossi seine Songs mit zwei intimen Gigs live im Studio ein und bringt so das Gefühl eines Wohnzimmerkonzerts auf den Punkt.
Chris Elstrodt

MICHA SCHLÜTER
Schimpanse & Kanone
(Timezone Records)


Einen flotten Sound spielt Micha Schlüter aus Stuttgart mit seiner Band. Er nennt es „Indieswing“ oder „Jazzy Folkpunk“, und so mitreißend sind auch die sehr persönlichen und kritischen Songs. Er besingt ein breites Spektrum von Themen, von Stuttgart 21 über den schwäbischen Hype auf Berlin, die Flucht aus dem Alltag, eine Hommage an die Weiße Rose und eine Erinnerung an die verlorenen Kriegssöhne bis zu ganz einfühlsamen und romantischen Liebesliedern. Ein rundherum gelungenes, spannendes Album.
Rainer Katlewski
CHARLY SCHRECKSCHUSS BAND
Was nun – was tun?
(Schreckschuss Records)


Seit vierzig Jahren stehen Charly „Schreckschuss“ Beutin und seine Band in Diensten von Blues und Boogie. Viele Preise der deutschen Schallplattenkritik später passen Musik und Text immer noch wie Faust aufs Auge, ob platt- oder hochdeutsch. Der Billy Gibbons der norddeutschen Tiefebene lässt uns an seiner Lebenserfahrung teilhaben, singt ein Loblied auf Spargel und warnt vor Salmonellen. Bleibt die Frage: Wo ist nur die Zeit geblieben? Denn bedenke die Textzeile: „Das letzte Lied hat keine Taschen.“
Volker Dick

SEDAA
East West
(DMG Records)


Auch auf ihrer vierten CD finden wir bei dem mongolisch-persischen Quartett die immer wieder faszinierende Melange aus archaischer Stimmgewalt und stetig fließender instrumentaler Virtuosität. Zu den traditionellen Stücken gesellen sich verstärkt Eigenkompositionen, in denen Sedaa ihre musikalischen Wurzeln behutsam in die Gegenwart lenken, ohne sich irgendeinem aktuellen Trend oder dem musikalischen Zeitgeist anzubiedern. Das macht ihre Musik unverwechselbar und wertvoll. Unbedingt anhören!
Walter Bast
CRYSTAL SHAWANDA
Voodoo Woman
(New Sun Records)


Eigentlich hatte die Sängerin sich schon als Countrystar etabliert, jetzt gab sie ihrem wirklichen Interesse nach und veröffentlichte ein Bluesalbum. Und das macht sie mindestens genauso gut. Krachig, roh und wild klingt das und wirkt sogar ein bisschen wie Janis Joplin mit einer modernen Band. Erstaunlich ist auch, wie sie Bluesklassikern z. B. von Howlin‘ Wolf eine derart eigene Note gibt, dass sie mit dem Original konkurrieren können.
Hans-Jürgen Lenhart

DOMINIC SCHOEMAKER
That’s Cold
(Stormy Monday Records)


Älter, reifer, als er an Jahren ist, klingt die Stimme von Dominic Schoemaker. 24 ist für einen Bluesmusiker ja noch gar nichts, sollte man meinen. Was für ein Vorurteil, wenn man dann diese CD hört. Ausgefuchstes Gitarrenspiel – man höre und staune z.B. beim Instrumental „Doms‘s Train“; ein immer wieder geschmackvoll integrierter Background-Chor – so bei der Ballade „Lady“ und durchgängig kluges Songwriting. Dazu zwei tolle Fremdkompositionen von Dennis Walker – ein sehr gelungenes Debüt.
Achim Hennes  
SIR REG
The Underdogs
(Despotz Records)


Fans der Musik der kalifornischen Mahones mögen aufhorchen. Ähnliches gibt es auch aus Schweden und sogar schon auf ihrem fünften Album. Deftiger, hektischer, wahrscheinlich nicht so ernst gemeinter wie klingender Irish-Punk-Folk. Dass Frontsänger Brendan Sheehy aus Dublin stammt, wird verraten, wo in Schweden die Band zu Hause ist, leider nicht. Die Texte kann man mit starker Lupe und heller Lampe mitlesen. Hauptsache man hat eine ordentliche Partymucke, auf die man so richtig abtanzen kann. Beim stillen Zuhören nerven die vielen gleichen Wiederholungen und das Gegröle eher.
Michael A. Schmiedel

TV SMITH
Land Of The Overdose
(JKP/Warner)


Welcher glaubhafte musikalische Ausweg bleibt einem nicht mehr ganz taufrischen Punk? Seit Billy Bragg dürfte diese Frage beantwortet sein, und auch der 62-jährige TV Smith nimmt seine (nicht nur) akustische Gitarre plus Bass, Drums etc. mit ins Studio. Die 12 Songs sind hochpolitisch, ohne die üblichen Reizwörter oder Personen benennen zu müssen. Und wenn dann das Label der Toten Hosen die Veröffentlichung übernimmt, dann finden die wichtigen Botschaften hoffentlich auch Verbreitung.
Mike Kamp
EMILYN STAM & FILIPPO GAMBETTA
Shorelines
(Borealis Records)


Diese Kombination dürfte es auch selten geben, Diatonisches Akkordeon (Filippo Gambetta) trifft auf Klavier und Fiddle (Emilyn Stam). Während Gambetta oft recht tänzerisch spielt, hat er in Stam einen Gegenpol mit einer eher jazzigen Spielweise. Auch helle und dunkle Töne stehen sich hier gegenüber, doch hat jeder seine Soloparts. Gemeinsame Improvisationen bringen die Musik manchmal genau an die Kante zwischen Folk und Jazz, Italien und Nordamerika.
Hans-Jürgen Lenhart

PAUL STEPHENSON
Mother Nature‘s Rules
(Stockfish Records)


Der englische Singer/Songwriter ist ein Poet. Mit der Poesie verhält es sich aber so, dass man die Texte, auch wenn wie hier im Booklet vorhanden, nicht so einfach versteht, selbst wenn man die Wörter kennt. Vielleicht muss man das auch nicht, sondern schließt die Augen, folgt dem sehr angenehmen Klang seiner Stimme und Gitarre, der dezenten Hintergrundmusik, schnappt hier und da ein paar Textfetzen auf und träumt so vor sich hin.
Michael A. Schmiedel
ALAN STIVELL
Human – Kelt
(World Village)


Der inzwischen 74-jährige bretonische Superstar Alan Stivell bekommt nichts Relevantes mehr hin. Das neue Album Human – Kelt wabert vor sich hin wie in seinen schlimmen 1980er-Jahren. Die Plattenfirma versuchte das Produkt erfolglos mit internationalen Gaststars wie Bob Geldof, Angelo Branduardi und Yann Tiersen aufzupeppen. Anhörbar sind vor allem Neuaufnahmen von alten Stivell-Hits wie „Son Ar Chistr“, „Broceliande“ und „Tri Martelod“. Doch die Reissue-Strategie, die ihm mit seinem Album Again 1993 einen Neustart seiner Karriere ermöglichte, wirkt heute nur noch ratlos.
Christian Rath

STUDEBAKER JOHN
Songs For None
(Avanti Music)


John Grimaldi, Künstlername Studebaker John, ist mit 18 Albumveröffentlichungen ein Veteran der Chicago-Blues-Szene. Als Gitarrist und Harpspieler hat er sich dort u.a. mit den Hawks einen hervorragenden Namen erspielt. Mit diesem Album zeigt er sich nun als Solist, spielt die akustische Gitarre und bläst die Harp dazu. Reduktion auf den Ursprung also. Feines Fingerpicking, schöne Slidegitarre und oft hypnotischer, „verhangener“ Gesang atmen die flirrende Luft des Mississippi-Deltas.
Achim Hennes
GEIR SUNDSTØL
Brødløs
(Hubro)


Ein herrlich altmodisch anmutendes Album hat der Tausendsaitenmann Geir Sundstøl eingespielt. Alte Westernstreifen laufen unwillkürlich auf der geistigen Leinwand ab, wenn man das Reich des norwegischen Gitarristen betritt. Er spielt so ziemlich alles, was Saiten hat, von der Gitarre über die Mandoline bis hin zu skurrilen Eigenschöpfungen. Und auch musikalisch gibt es kaum einen Impuls, dem er widerstehen kann und will. Cinemaskopische World Music der Extraklasse in hochkarätiger Besetzung aus der Skandinavienfraktion.
Rolf Beydemüller

SVER
Reverie
(Folkhall Records)


Zum zehnjährigen Bestehen veröffentlicht das norwegisch-schwedische Quintett sein viertes Album. Die zehn Stücke (44:17) sind, bis auf eines, Kompositionen von zwei Mitgliedern der Band, Olav Mjelva (Fiddle) und Adam Johansson (Gitarre). Die anderen Mitspieler sind Anders Hall (Fiddle), Leif Ingvar Ranøien (Akkordeon) und Jens Linell (Schlagzeug). Die Bandbreite ihrer Musik ist beträchtlich. Das geht von Folk über Reggae bis zum Rap, was sie zu gefragten Begleitmusikern von Gesangssolisten macht.
Bernd Künzer
TAUTUMEITAS
Tautumeitas
(CPL-Music)


Von allen lettischen Neuerscheinungen haben Tautumeitas sicherlich das größte Hitpotential. Sechs stimmgewaltige Frauen, fast alle von ihnen studierte Volksmusikwissenschaftlerinnen, paaren ihre Folkwurzeln mit handfesten Popstrukturen. Damit wird dieses Debütalbum zur leicht hörbaren baltischen Einstiegsdroge für Menschen, die CDs von Värttinä neben Loreena McKennit einsortieren. Die frischen, lebensbejahenden Eigenkompositionen verlangen förmlich nach einer Liveperformance.
Chris Elstrodt

IAIN THOMSON AND MARC DUFF
No Borders
(IAT 003)


Der völlig zu Unrecht wohl unbekannteste schottische Singer/Songwriter hat wieder eine wunderbare Probe seines Könnens abgeliefert. Produziert und maßgeblich unterstützt von ex-Capercaillie-Mann Marc Duff (zahlreiche Instrumente wie Uilleann Pipes, Bouzouki, Whistle etc.) sowie fünf weiteren Freunden, präsentiert Thomson seine extrem eingängigen und melodischen Lieder, deren Themen meist weniger harmonisch sind. Thomson ist einfach nur gut! Wann kapiert das die Folkwelt endlich mal?
Mike Kamp
TORSTEN TURINSKY
Fab Four On Eight Strings
(Tury Records)


Die Beatles schufen Kompositionen, die im Ohr bleiben. Torsten Turinsky, Gitarrist aus Chemnitz, hat nun Beatlessongs für Sologitarre bearbeitet. Titel wie „Love me do“, „Eleanor Rigby“ oder „Help“ erkennt man nach den ersten Tönen. „Yesterday" spielte er mit dem New Yorker Gitarristen Adam Rafferty ein. Turinsky geht die Stücke ruhig an. Herausragend ist seine warmklinge achtsaitige Konzertgitarre. Sie hat drei Basssaiten sowie fünf reguläre Saiten – so ist er zugleich Bassist und Gitarrist.
Udo Hinz

VASAS FLORA OCH FAUNA
Strandgut
(Backseat)


Im Wettbewerb um das seltsamste finnische Album des Monats räumt dieses Mal Strandgut ab. Das finnische Trio aus Vasa übersetzte einige seiner Lieder ins Deutsche und sang es selbst ein. Das klingt so niedlich, dass für die eigentliche Musik und die Inhalte der Texte wenig Raum bleibt. So originell die Idee ist, letztlich ist es schade, dass die Musik der Finnen so nicht richtig zur Geltung kommt. Nach dem Hören von Strandgut greift man dann doch lieber zum Erstling Latlista.
Chris Elstrodt
VOLKS
Something neu
(Eigenverlag)


Ein Urgestein der Deutschfolkszene ist Martin Hannemann (Gitarre, Bouzouki, Autoharp, Mundharmonika, Piano und Gesang), der in den Achtzigerjahren in der legendären Combo Fiedel Michel aktiv war. Hinzu gesellen sich der Jazzbassist Klaus-Volker Brandt und die Akkordeonistin Steffi Budde (u.a. Dancing Willow). Die drei haben sich daran gemacht, einen bunten Strauß Folk-Oldies deutsch-irisch-amerikanischer Provenienz von „Der Revoluzzer“ über „Puff The Magic Dragon“ bis zu „What A Wonderful World“ in ansprechenden Folkarrangements mit leichten Jazzeinschlägen im Wohnzimmer einzuspielen. Schade, dass man das der Produktion gelegentlich anhört.
Ulrich Joosten

MARCO R. WAGNER
Music Love Magic
(Severalia Records Spain)


Meistens solo und nur zur akustischen Gitarre singt der US-amerikanische Singer/Songwriter seine Eigenkompositionen. Bei einem Titel hat er vier Gastmusiker dabei. Entstanden ist ein eher ruhiges Album mit viel Gefühl und Lebenserfahrung, dazu Vogelstimmen am Anfang. Die zwölf Stücke haben Swing, die Mundharmonika kommt sparsam zum Einsatz. Mit den Texten im Booklet weist sich Wagner als Poet, Cowboy und auch als Zeichner aus. Bis auf das Design des Digipaks ist es eine gelungene Produktion.
Annie Sziegoleit
WAYDOWN WAILERS
Backland Blues
(Woodstock Records)


Das Bluesquartett besteht aus den Gitarristen David und Christian Parker, dem Schlagzeuger Michael Scriminger und dem Bassisten Connor Pelkey. Beim druckvollen Americana-Rock und Roots-Blues, der in New York eingespielt wurde, sind außerdem vier Gastmusiker dabei. Unter den elf Titeln sind Klassiker wie „Dizzy Miss Lizzy“, aber auch langsamere Stücke wie die Ballade „Lover Of The Bayou“.
Annie Sziegoleit

SUSAN WEINERT RAINBOW TRIO
Beyond The Rainbow
(Tough Tone Records)


Das Rainbow Trio der deutschen Gitarristin Susan Weinert erkundet feines akustisches Terrain, tritt behutsam aus der Stille, entwickelt zart und mit ungeheuer viel Zeit und Raum eine Musik, die, wenngleich jazzbasiert, Genregrenzen beinahe im Fluge hinter sich lässt. Die CD wurde während eines Studio-Livekonzertes in den Bauer Studios in Ludwigsburg aufgenommen. Akustische Nylonstring, Piano und Kontrabass in intimem „Trialog“. Die sensible Akustik wurde auf höchstem Klangniveau eingefangen. Besser geht’s nicht.
Rolf Beydemüller
WHITE RAVEN
Like A Wind O’er The Ocean
(Eigenverlag)


Durch unprätentiöse Stimmführung, lupenreine Intonation und Phrasierung überrascht das multikontinentale Gesangstrio mit einem sehr gelungenen Querschnitt alter angloirischer Balladen, als Zugabe Paul Simon und ein traditioneller Song aus Island. Sehr schöne Vertonung von Yeats’ „Stolen Child“ von Kathleen Dineen. Drei klassisch trainierte Vokalisten, die auch im Folk/Trad-Genre das Herz erreichen!
Johannes Schiefner

WOLLE WIWI WAWA
Wuwutastische Hits für Kids
(Engelhardt Media)


Ein niedliches Puppenmusical zum Mitmachen von Nicole und Andreas Matthes aus dem bayrisch-schwäbischen Aichach. Wolle, der Erfinderjunge, der mit der tollpatschigen Ente Wiwi und Wawa, der fast blinden aber weitsichtigen Ratte, auf der Suche nach Wuwu ist. Neugier, Mut, Abenteuer und Freundschaft, flotte Ohrwürmer zum Mitsingen, die klassischen Ingredienzien des Genres werden für die Kleinen aufbereitet. Entstanden ist das Projekt mit den Schülern und Lehrern der dortigen Elisabethschule.
Rainer Katlewski
YOUNG FAST RUNNING MAN
Young Bird
(Slash Zero Records)


Das zweite Album des Münchner Gitarristen, Sängers und Komponisten Fabian Hertrich alias Young Fast Running Man ist eine Songwriterentdeckung. Alle zwölf Folkrock- und Bluestitel wurden mit einer Band produziert, der die Gitarristen Gabriel Hertrich und Sebastian Rödl, der Schlagzeuger Michael Hofmann, die Gastsängerin Elia Priesnitz, der Bassist Michael Karl und der Trompeter Valentin Damjantschitsch angehören. Ein facettenreiches Album und schönes Digipak.
Annie Sziegoleit

Bücher
 HELMUT (helm) KÖNIG: helms lieder : Die Lieder von Helmut König.
HELMUT (helm) KÖNIG
helms lieder : Die Lieder von Helmut König.
spurbuch.de
(Baunach : Spurbuchverl., 2018. – 205 S. : überw. Noten u. Texte, mit Abb. )
ISBN 978-3-88778-546-8 , 26,80 EUR


Nach langen Jahren des Liedersammelns, der Produktion von Tonträgern sowie der Herausgabe von Liederbüchern hat sich der frühere Pädagoge, Verlagsmitarbeiter, Plattenchef und Dozent Helm König im hohen Alter der Herausgabe seiner eigenen Lieder gewidmet. Schwerpunkt der künstlerischen und editorischen Arbeit waren stets Lieder aus dem bündischen Bereich (Wandervogel, Jungenschaft). Als Tonmeister hat er die ersten Burg-Waldeck-Festivals Chansons Folklore International begleitet. Beim Voggenreiter-Verlag war er neben Konrad Schilling maßgeblich an der Herausgabe der Liederbücher aus der legendären Reihe Der Turm beteiligt. In jüngerer Zeit brachte er tejos lieder (Lieder von Walter Scherf) und pitters lieder von Peter Rohland heraus (siehe Folker 5/2014) – grafisch und drucktechnisch aufwändig gestaltete Werke im Großformat, mit Leineneinband, Schutzumschlag und Lesebändchen. In gleicher Aufmachung liegen nun helms lieder vor. Alle 105 im Buch enthaltenen Lieder erscheinen mit Notensatz und Gitarrenharmonien. Soweit es sich um Übertragungen von Volksliedern aus anderen Ländern handelt (und das sind mit Abstand die meisten von helms Liedern), erscheint in vielen Fällen der Originaltext zusätzlich zur deutschen Nachdichtung. Außerdem gibt es eine ganze Reihe von Gedichtvertonungen deutscher Lyriker: Hermann Hesse, Erich Kästner, Fritz Graßhoff, Heinrich Heine, Wilhelm Busch, Bertolt Brecht u. v. a. Inhaltlich lassen sich manche dieser Lieder sicher nicht mehr als „modern“ bezeichnen; sie sollten eher als Zeitdokumente gesehen werden. Leider enthält das Werk sehr viele Flüchtigkeits- und Druckfehler, die durch ein etwas sorgfältigeres Lektorat hätten vermieden werden können. Aber das kann ja in einer weiteren Auflage dieses ansonsten wirklich schön gestalteten Buches geschehen.
Kai Engelke
 MANUEL DOMINGUEZ & ZAZIE SCHUBERT-WURR: Mariem Hassan – Die unbeugsame Stimme (der Westsahara).
MANUEL DOMINGUEZ & ZAZIE SCHUBERT-WURR
Mariem Hassan – Die unbeugsame Stimme (der Westsahara).
frieling.de
(Berlin : Frieling & Huffmann, 2018. – 258 S. : mit zahlr. Fotos)
ISBN 978-3-828034-54-9 , 29,90 EUR


Es hat was von einem XXL-CD-Booklet, in welchem es um die mal persönlich-erzählerischen, mal informativ-sachlichen Infotexte herum nur so von Fotos und anderem Kleinteiligen wimmelt, das liebevoll zur „größten Sängerin des sahrauischen Volkes“, welches seit 1973 um seine Selbstbestimmung kämpft, zusammengetragen wurde. Den, wie es dort heißt, letzten ungelösten Kolonialkonflikt Afrikas begleitete Hassan mit ihrer Kunst bis zu ihrem zu frühen Tod 2015 (der Folker berichtete). Hierbei fand die gesanglich und charakterlich charismatische Künstlerin in den letzten fast zwei Dekaden vielschichtige Unterstützung beim spanisch-deutschen Autorenduo dieser umfänglichen Chronik. Der Madrider Labelbetreiber (sein Weltmusik-Pionierlabel Nubenegra veröffentlichte auch Hassans sechs Alben) und seine Kieler Arbeits- und Lebenspartnerin rekapitulieren in beherzter Fleißarbeit diverse, nicht nur professionelle Erlebnisse und ab 1997 gemachte Erfahrungen kenntnis- und detailreich. Auch andere kommen zu Wort, die mit Hassan und der ganzen bei uns so wenig bekannten Historie vertraut sind. Diese Ignoranz weiter abzubauen, zu sensibilisieren für dieses an Brisanz kaum zu überbietende Politikum in der Westsahara und dieser besonderen Stimme posthum auf die Spur zu kommen – dazu wird das Buch bestenfalls beitragen, jedoch trotz seines klaren und unkomplizierten Duktus’ womöglich letztlich nur eher diejenigen ködern, die bereits vom Sujet wissen.
Katrin Wilke

 HELMUT WENSKE/CHRIS HYDE: Black Eyes : Indonesier-Bands in Germany ; Storys & Bilder.
HELMUT WENSKE/CHRIS HYDE
Black Eyes : Indonesier-Bands in Germany ; Storys & Bilder.
hirnkost.de
(Berlin : Hirnkost-Verl., 2018. – 296 S. : mit Fotos)
ISBN 978-3-945398-66-1 , 28,00 EUR


Zugegeben, die Herausgeber von Lexika zu populären Musikformen haben es nicht leicht. Irgendjemandem fehlt immer irgendwas – Lieblingsmusiker, Lieblingsband oder gar ein ganzer Musikstil. Doch wo die Generalisten scheitern, müssen die Spezialisten ran. Umso besser, wenn die dann auch noch Zeitzeugen sind. Der Maler und Schriftsteller Helmut Wenske hat den musikalischen Tsunami der holländischen Indonesier-Bands in seiner Heimatstadt Hanau in den späten Fünfziger-, frühen Sechzigerjahren miterlebt. Hanau war damals der größte US-Army-Stützpunkt in der BRD, also gab es wochenends Bedarf für musikalisches Amüsement. In diese Marktlücke stießen die Indo-Bands. Ausgestattet mit Showtalent und atemberaubenden gitarristischen Fähigkeiten, hatten Bands wie die Tielman Brothers, die Crazy Rockers oder die Javalins in kürzester Zeit einen immensen Erfolg bei den GIs. Wenske erzählt in den Stories allerdings auch von den Schattenseiten des Erfolgs. In gewohnt ehrlich-direkter Sprache zeichnet er Porträts von Musikern, die Erfolg hatten, sich aber auch im Scheitern Stolz und Würde bewahrten. So ist Black Eyes nicht nur ein opulenter Bildband, sondern auch ein zutiefst menschenfreundliches Buch.
Walter Bast
 HERVÉ BOURHIS/BRÜNO: Black & Proud : vom Blues zum Rap / Text & Zeichnungen: Hervé Bourhis & Brüno ; Übers. aus d.  Franz.: Annika Wisniewski.
HERVÉ BOURHIS/BRÜNO
Black & Proud : vom Blues zum Rap / Text & Zeichnungen: Hervé Bourhis & Brüno ; Übers. aus d. Franz.: Annika Wisniewski.
avant-verlag.de
(Berlin : avant-Verl., 2018. - 176 S.)
ISBN 978-3-945034-73-6 , 30,00 EUR


Ein kurzweiliges Nachschlagwerk zur afroamerikanischen Musik, und zwar exklusive Jazz, haben die beiden französischen Zeichner mit diesem Comic-Sachbuch geschaffen. Zum Einstieg werden knapp historische Grundlagen vermittelt, danach geht es weiter mit je einer Doppelseite zu den Jahren 1945 bis 2015, also Blues, Soul, Rap und Hip-Hop; von Louis Jordan bis Kendrick Lamar. Festes Konzept: Die linke Seite füllt ein exemplarisch für das Jahr ausgewähltes Album mit Infos nebst zeichnerisch interpretiertem Cover, die rechte Seite versorgt uns mit Hintergrundwissen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft inklusive passender Anekdoten, immer als Mix aus Minitexten und Zeichnungen. Ästhetisch markant sind das quadratische Format mit dem Loch in der Mitte à la Vinylplatte und der Zeichenstil, dicke Linien und Akzente durch monochrome Flächen. Mit Mut zur Lücke gut recherchiert, also ein unterhaltsamer Anreiz zum Weiterbuddeln.
Imke Staats

 MICHAEL HEANEY [Hrsg.]: The Histories of the Morris in Britain : Proceedings of the 2017 conference ; papers of a conference held at Cecil Sharp House, London, 25-26 March 20
MICHAEL HEANEY [Hrsg.]
The Histories of the Morris in Britain : Proceedings of the 2017 conference ; papers of a conference held at Cecil Sharp House, London, 25-26 March 20
efdss.org
(London : efdss & HDS, 2018. – V, 362 S. : mit zahlr. Fotos u. Abb.)
ISBN 978-0-85418-218-3, 978-0-9540988-3-4 , 30,00 GBP


Morris-Tanz in England – eine oft belächelte Tradition. Kein Wunder, wenn Männer mit Glöckchen an den Beinen Taschentuch wedelnd durch die Gegend hüpfen – zumindest in einigen Varianten des Morris. Tatsache ist, der Tanz (auch mit Glöckchen) ist bereits im 15. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Über Sinn und Zweck sowie Ursprünge wird immer noch heftig gestritten. Heidnisch, ja oder nein? Fruchtbarkeitstanz, ja oder nein? Sicher scheint, dass zumindest der Name auf schwarze Tänzer (= Mohr) zurückgeht. Solche Fragen wurden auf der Konferenz mit dem Thema „The Histories of the Morris in Britain“ im März 2017 aber weniger behandelt, und das war auch beabsichtigt. Vielmehr ging es in den wissenschaftlichen Vorträgen um die Resultate der aktuellen Morris-Tanz-Forschung, und das Buch ist deren Dokumentation. Der Bogen wird in sieben Kategorien und neunzehn Vorträgen gespannt, und zwar vom Morris-Tanz am Hof von James I. um 1620 über die Geschichte einzelner Morris-Gruppen im letzten Jahrhundert bis hin zu der Revival-Revolution der Siebzigerjahre, als die Frauen das Recht forderten, auch Morris tanzen zu dürfen. Oder: Warum tragen Morris-Tänzer so häufig weiß? Eingegangen wird auch auf die diversen Stilistiken des Tanzes (Cotswold, Border, Rapper etc.), denn Morris ist nicht gleich Morris. Besonders unterhaltsam ist der Vortrag von Katie Palmer Heathman über Conrad Noel. Er wurde Anfang des letzten Jahrhunderts in Thaxted zum Pfarrer berufen. Sein Spitzname war „Red Vicar“, weil er Christentum, Sozialismus und eine nationale Kultur (= Morris) sehr erfolgreich kombinierte und propagierte. Das Buch ist mehrheitlich akademisch-trocken, wie jede(r) nachvollziehen kann, die/der jemals einer Konferenz mit wissenschaftlichen Vorträgen beigewohnt hat. Da zusätzlich das Thema Morris-Tanz ein sehr spezielles ist, kann das Buch nur mit Gewinn gelesen werden, wenn das eigene Interesse genauso zielgerichtet ist.
Mike Kamp



DVD/Filme
 DIVERSE: Der Erzpoet – die Compagnie – die lange Nacht der Poesie
DIVERSE
Der Erzpoet – die Compagnie – die lange Nacht der Poesie
Blu-Ray
(Stockfisch)


Eine sehr späte, aber sehenswerte Aufzeichnung, mit vielen unterschiedlichen Genres, die alle ihre eigene Poesie ausstrahlen, ist eine Empfehlung für stimmungsvolle Winterabende. Musik, Gesang, Puppentheater, Pantomime, Fußtheater (!), Texte und Zauberei füllten Ende Januar 2010 zwei Abende in der schönen kleinen Exilantenstadt der Hugenotten, in Bad Karlshafen in Nordhessen. Die „Lange Nacht der Poesie“ wird seit vielen Jahren vom Schriftsteller Manfred Hausin aus Niedersachsen mit befreundeten Künstlern organisiert. Seine Compagnie Poesie vereint illustre Namen – auf der DVD sind Hannes Wader, der Black, Werner Lämmerhirt, Joana, Danny Dziuk, Reiner Panitz, Liederjan und natürlich Manfred Hausin selbst zu sehen, um nur einige der über dreißig auftretenden Künstler zu nennen. Der Veranstaltungsraum ist nicht groß, sodass sich eine ganz intime Atmosphäre einstellt, die Künstler sind ganz nah am Publikum. Aus dem gut vierstündigen Programm wurden für die DVD knapp eineinhalb Stunden extrahiert, einige Erklärungen und Statements von Künstlern sind als Übergänge extra eingeflochten. Diese kleine Veranstaltungsform in Verbindung mit den großen Künstlern besitzt einen ganz außergewöhnlichen Charme.
Rainer Katlewski



Besondere
KALLE JOHANNSEN
Ströntistel
(Eigenverlag), mit Texten u. Infos


Kalle Johannsen ist bekannt als die eine Hälfte des renommierten nordfriesischen Dragseth-Duos, nicht nur als Interpret, sondern auch als Autor anrührender Chansons und geschmackvoller Lyrikvertonungen. Die Erwartungen an den ausdrucksstarken Sänger (dessen angenehmer Bariton ganz gelegentlich an Hannes Wader erinnert) und sehr kompetenten Fingerpicker sind also hoch, wenn er sich und uns zu seinem vierzigjähren Bühnenjubiläum sein erstes Soloalbum gönnt. Ströntistel (friesisch für „Stranddistel“) heißt das Album mit vierzehn Liedern, zehn davon auf Hochdeutsch und je zwei auf Plattdeutsch und Friesisch. Johannsen beweist ein gutes Händchen bei der Textauswahl. Es findet sich klassische  KALLE JOHANNSEN: Ströntistel Lyrik darunter, von Robert Burns etwa (in einer Übertragung Johannsens, „Winter is vergahn“) oder von Friedrich Hebbel („Das letzte Glas“), aber auch von zeitgenössischen Liedermachern wie Ralph McTell („Latje strük“) und Jaques Brel (mit einer kongenialen Übertragung von „Voir un ami pleurer“). Johannsen geht es in seinen Liedern um Menschen, die sich abseits des Mainstreams bewegen und ihre Individualität bewahren. Er erzählt von Zivilcourage und Selbstreflektion, aber auch von Ausgrenzung, Migration und Vertreibung. Das anrührende Lied „Mein Name ist Hosanna“ greift die wahre Geschichte eines Kindes auf, das übers Mittelmeer bis nach Friesland flüchtete. „Heimatlos“, mit einem Text von Max Hermann Neiße, erinnert uns daran, dass noch vor wenigen Jahrzehnten auch abertausende Deutsche das Schicksal und die Empfindungen eines Flüchtlings im Exil geteilt haben. Die Arrangements der Lieder sind schlicht ein Genuss. Eine gute Idee, sich den Multiinstrumentalisten Jens Kommnick ins Studio zu holen, der die Songs mit Gitarren, Cello, Mandoline, Bouzouki, Bass und Flöte veredelt. Des Weiteren sind Christoph Hansen an Gitarre und Saxofon, Martin Loeb an der Oboe sowie Andreas Johannsen an der Konzertgitarre zu hören. Erwartungen erfüllt. Voll und ganz!
Ulrich Joosten
JAVIER RUIBAL
Paraísos Mejores
(Lo Suyo), mit span. Texten u. Infos


Gelungen wie sein philosophischer Titel („Bessere Paradiese“) ist auch dieses Lebensfreude versprühende und erzeugende zwölfte Album des Andalusiers (siehe auch Folker 5/2016, „5 Minuten mit …“). Erneut produziert von seinem Sohn und langjährigen Mitmusiker, dem exzellenten Drummer und Percussionisten Javi. Ein frischer Wind weht durch die Songs, obwohl diese allein dank Ruibals markanter und seelenvoller, für hiesige Ohren vor allem nach Flamenco klingender Stimme stets einen Wiedererkennungseffekt haben. Doch gemeinsam mit einigen spannenden Gästen wurden allerhand neue Ideen betreffs Instrumentierung und Arrangements umgesetzt. Der erste Kurswechsel geschieht gleich in den ersten Takten des schmissigen Openers „Tu Divo Favorito“.  JAVIER RUIBAL: Paraísos Mejores Der Bläsersound ist treibend und suggestiv, erinnert ein wenig an die Musik von New Orleans. Einen solchen Drive meint man im musikalisch ohnehin farbenprächtigen Kosmos von Javier Ruibal so noch nicht vernommen zu haben. Im Song erzählt der Barde mit vielen poetisch und atmosphärisch starken Bildern von einem abgerissenen Gentleman in der New Yorker Metro, der womöglich von seiner Freundin, einer Rapperin träumt. Ein fantasie- und sprachbegabter Poet vor dem Herrn ist der 63-jährige Troubadour. Doch auch ohne die Verse zu verstehen, kann man seine hedonistischen, teils auch kritisch-nachdenklichen Songpoesien genießen, mitunter gar dazu tanzen. Zu Recht wurde der Sympathieträger für sein Gesamtwerk 2017 mit einem renommierten spanischen Musikpreis ausgezeichnet (wie zum Beispiel zuvor Joan Manuel Serrat). 2018 feierte er sein 35-jähriges Bühnenjubiläum ausgiebig mit einer Spezialtour, zu der der gut vernetzte Künstler unzählige, unter anderem spanische Musikerfreunde einlud. Zwei geografisch fernere Seelenverwandte, Juan Luis Guerra aus der Dominikanischen Republik sowie Chico César, sind nun mit von der Partie. Mit dem Afrobrasilianer intoniert der sonst weniger als Musiker denn Privatperson politisch aktive Sänger ein Lied über historische und heutige Formen von Sklaverei und Diskriminierung. Wer Ruibal noch nicht kennt ... – jetzt oder nie.
Katrin Wilke

CARMINHO
Maria
(Warner Music), mit Texten


Die Popikone Madonna lebt mittlerweile in Lissabon und will ihrem nächsten Album ein Fadoflair verpassen. Darf man das? Die Fadosängerin Carminho hat sich in Maria die Frage umgekehrt gestellt: Darf man authentischen Fado mit fremden Federn schmücken? Dazu greift sie auf das 1966 veröffentlichte, nicht ganz ernst gemeinte Stück „Pop Fado“ zurück. Darin fragt sich der Komponist, ob Fadistas in Zukunft mit der Haartracht der Rolling Stones auftreten dürfen und der Fado nur noch ein Anhängsel der Popmusik sein wird. Carminhos Antwort darauf ist eindeutig, aber differenziert. Sie macht von Anfang an klar, dass der Fado Leben und Tod der Menschen in poetischen Worten beschreibt. Und wie! Mit einer Stimme,  CARMINHO: Maria die direkt ins Herz zielt – ausdrucksstark, wunderschön. Das Album beginnt a cappella mit ihrer Eigenkomposition „A Tecedeira“ („Die Weberin“), die Tag und Nacht Leichentücher mit filigranen Zypressen wirkt. Neues Leben entsteht in „O Começo“ („Der Beginn“), dem folgenden Stück der CD. „Ich singe für diejenigen, die danach dürsten, die Musik des Windes zu hören.“ Das ist Fado pur – Stimme, portugiesische Gitarre, Bass, mehr nicht. Da erübrigt sich die kleinmütige Frage der Fado-Puristen, ob Carminho sich im herrlich getragenen „Estrela“ („Stern“) mit der Elektrogitarre begleiten darf. Das Lied, eine der sechs Eigenkompositionen, ist eigentlich kein Fado. „Du bist der Stern, der mein Herz leitet. / Du bist der Stern, der meinen Weg erhellt.“ Man könnte das Lied als Glaubensbekenntnis sehen. Carminho drückt darin jedoch ihre Dankbarkeit für ihre Wurzeln aus. Wann immer ihre Mutter, die Fadosängerin Maria Teresa Siqueira auftrat, war die kleine Carminho dabei. Schon als Kind stand sie auf der Bühne. Das Album trägt denn auch den ersten Vornamen der Mutter, der Wegbereiterin ihrer Karriere. Hin- und hergerissen zwischen dem Musikgeschmack ihrer Mitschülerinnen und dem Fado ging Carminho ihren Weg ? tief verankert in der Tradition, aber offen für Neues.
Martin Steiner
VARDAN HOVANISSIAN & EMRE GÜLTEKIN
Karin
(Muziekpublique), mit engl., franz. u. fläm. Infos


Offenbar haben die beiden Protagonisten ein Faible für die Namen türkischer Großstädte, denn schon ihr Erstling 2015 hieß Adana, nach einer Millionenstadt einige Kilometer landeinwärts von der türkischen Südküste. Nun also Karin. Wie, Karin ist kein Begriff oder ein weiblicher Vorname? Die Bildungslücke ist kein Grund sich zu grämen. Schließlich handelt es sich um den Namen, den die Armenier, die vor dem Völkermord 1915 und 1916 in der Türkei die größte Ethnie der Stadt bildeten, einst dem heutigen Erzurum gaben. Der Armenier Vardan Hovanissian (meist am Doppelrohrblattinstrument Duduk, gelegentlich aber auch an der sonoren Aprikosenflöte Tav Shvi) und der  VARDAN HOVANISSIAN & EMRE GÜLTEKIN: Karin Türke Emre Gültekin (vornehmlich an diversen Instrumenten der Baglamafamilie, aber auch am Tanbur) haben ihr zweites Album so genannt, weil Hovanissians Großvater dort geboren wurde und weil die beiden auf die dort gelebte Multikulturalität vor dem Genozid aufmerksam machen wollen. Bereits auf Adana haben Hovanissian und Gültekin gezeigt, dass sich die Musiktraditionen der Türken und der Armenier gegenseitig bereichern können. Bei ihrer neuen Produktion gehen sie noch einen Schritt weiter. Statt wie beim Vorgängeralbum im festen Quartettformat mit Bass und Darabuka anzutreten, haben sie für das aktuelle Album kurdische, georgische und iranische Musiker ins Studio eingeladen und spielen in unterschiedlichen Formationen auch Stücke, die eher den Herkunftsregionen ihrer Gäste entspringen. Manche Lieder sind übrigens gar nicht recht zuzuordnen, weil mehrere Ethnien die Melodien für sich reklamieren. Konsequenterweise werden sie auf diesem Album mehrsprachig interpretiert, etwa das in der Türkei als „Sari Gelin“ bekannte „Vard Siretsi“. Die CD verzichtet auf jedwede virtuose Effekthascherei und überzeugt nicht nur musikalisch durch ihre innige Ernsthaftigkeit, sondern auch politisch durch ihr humanistisches Engagement.
Ines Körver

ROBERT FORSTER
Inferno
(Tapete Records)


Im langen, heißen Sommer 2018 spielte der Australier sein Album Inferno in Berlin ein. Doch infernalisch ist dieses Album keineswegs, ganz im Gegenteil, eher entspannt, sommerlich und freundlich. Wie die Musik von Robert Forster seit eh und je, genauer gesagt seit 1980, als er mit seiner Band The Go-Betweens debütierte. Dabei war Songschreiben für das Arbeiterkind eher nur eine von vielen kreativen Beschäftigungen, denen er nachging. In erster Linie schrieb er Gedichte. Literatur im Allgemeinen, so dachte er, würde seinen Lebensweg bestimmen. Doch war es David Bowie und dessen androgynes Image, das ihn mit vierzehn Jahren zutiefst verwirrte und inspirierte, sich eine Gitarre zu organisieren, um Musik zu  ROBERT FORSTER: Inferno machen. Glücklicherweise lernte er an der Universität den Kommilitonen Grant McLennan kennen, der ein totaler Filmfan war und ähnlich eigenbrötlerisch wie Forster. Forster überredete McLennan, gemeinsam eine Band zu gründen, obwohl der noch nie ein Instrument in den Händen gehalten hatte. Das war kein Hinderungsgrund, und so wurden die Go-Betweens gegründet, deren erste Single von „Lee Remick“, einem Filmstar, und „Karen“, einer Bibliothekarin handelte. Seit dem Tod seines Co-Songschreibers McLennan im Jahr 2006 sind die Go-Betweens Geschichte und Forster ist auf sich allein gestellt. Sein Songschreibertum hat das wenig verändert. Im Vordergrund steht die akustische Gitarre, begleitet von Bass und Schlagzeug sowie einer Geige und seiner Duett-Gesangspartnerin Karin Bäumler. Ein leichtes Countryflair schwebt über dem Album, auf dem es aber auch gerne mal etwas flotter zugeht. Foster möchte vor allem Geschichten erzählen. Neben seiner Musik verfolgt er eine Karriere als Essayist und Musikjournalist. Textlich dreht sich auf Inferno vieles um zwischenmenschliche Beziehungen, aus der Sicht eines abgeklärten über Sechzigjährigen, der sich noch etwas sehr Jugendliches erhalten hat und zurückschaut auf ein Leben, in dem er bereits viele Verluste hat überwinden müssen und können.
Michael Freerix



Deutschland
 ANDI’S BLUES ORCHESTER: I’m An Oldfashioned Papa
ANDI’S BLUES ORCHESTER
I’m An Oldfashioned Papa
(Stormy Monday Records)


Andi’s Blues Orchester ist eine vierköpfige Band, die sich dem Blues, Ragtime und Boogie der Zwanzigerjahre verschrieben hat. Gespielt wird dieser auf akustischen Instrumenten. Neben dem Bandleader Andreas Unter (Gitarre, Gesang, Mundharmonika) gehören noch Simon Dahl (Mandoline, Fiddle), Claus Hönke (Kontrabass) und Kevin Goodin (Schlagzeug, Waschbrett) zum Ensemble. Traditionelle Stücke von Big Bill Broonzy, Joe McCoy, Bo Carter halten sich mit eigenen Kompositionen die Waage. Dies betrifft sowohl die Anzahl von jeweils sieben Songs als auch die gezeigte Qualität in der Komposition. Dies hier ist Party- und Tanzmusik, wie sie vor einhundert Jahren gespielt wurde – und von verstaubt und altmodisch kann da gar keine Rede sein. Alles klingt so frisch, mitreißend und wird mit solcher Freude präsentiert, wie es nur selten zu hören ist. Handgemachte Musik im besten Sinne, leicht dargeboten, spieltechnisch auf ganz hohem Niveau. Tief verinnerlicht haben die Musiker die Stile des amerikanischen Südens und zeigen in ihrem Spiel auch die Einflüsse von Tango, Balkan und „arabischer“ Tonfolge auf. Wie auch immer, die Wirkung zählt, und hier macht es einfach nur Spaß zuzuhören – und zu tanzen.
Achim Hennes
 PAUL BARTSCH & BAND: LiebesLand
PAUL BARTSCH & BAND
LiebesLand
(Bluebird Café Berlin Records), mit Texten


Das siebente Album des Hallenser Professors und seiner Band besticht wie immer durch kluge Liedtexte. Dabei liegt der Schwerpunkt anfangs bei politischen, später persönlichen Themen. Im „Tango von der Schwarmintelligenz“ heißt es: „… und was in asozialen Netzwerkmaschen so alles hängen bleibt, das ahnst du nie.“ Eine klare politische Haltung zeigt Paul Bartsch in „Alternative für D.“, die aber gänzlich anders aussieht als die Partei gleichen Namens: „Statt zum Trommelmarsch mit Fackeln laden wir zum Tanz mit Kerzen.“ Nachdenklich wird es, wenn es um Probleme mit dem Älterwerden geht. In „Der Morgen war sonnig und klar“ beschreibt er eindringlich die Erfahrung eines Herzinfarktes, der bei ihm glücklicherweise ohne gravierende Folgen blieb. Ähnlich berührend sind der Song „Viel zu früh“ über den Verlust guter Freunde und „Stundenglas“ über den beruflichen Ruhestand, der uns alle mit seinen Vor- und Nachteilen betrifft. Die fünfköpfige Band mit Gastmusikern ergänzt Bartschs Texte überwiegend auf akustischen Gitarren, rockig mit ein wenig Folk, Reggae oder Tango. Darüber hinaus gibt es drei Live-Bonustitel vom Jubiläumskonzert zum Fünfzehnjährigen der Band im Juni 2018 in Halle.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 BOTSCHAFT : Musik verändert nichts
BOTSCHAFT
Musik verändert nichts
(Tapete)


Bei manchen Bands hört man schon in der ersten Minute, dass sie auf ein Hamburger Label gehören. So ist es auch bei Botschaft, die dann auch passend beim Label für guten Geschmack, bei Tapete in Hamburg eine Heimat fanden. Ein Auftritt beim Müssen-Alle-Mit-Festival ist quasi vorprogrammiert. Damit ist die Zielgruppe klar, jugendliche Hörer mit Hang zu intellektuellen, deutschsprachigen Texten. Wer Erdmöbel, Die Nerven oder Virginia Jetzt im Plattenschrank stehen hat, wird Botschaft lieben. Tatsächlich klingt die Band vertraut und doch einzigartig. Der hallgeschwängerte Gesang des Berliner Sängers Malte Thran trifft auf funkige Gitarren, mit denen höchstens die Parcels noch konkurrieren können. Dazu ein Weltklassebass, der für sich bereits ein Kaufgrund ist, und ein treues, metronomartiges Schlagzeug. Die Musik klingt absolut fröhlich und leicht, und so wartet man auf die passenden flauschigen Texte. Jedoch, der Hörer wartet vergebens. Die Texte beschreiben triste Umgebungen, Entwicklungen im Stillstand und Einsamkeit trotz bunter Werbewelt. Die Musik lädt zum Mitsingen ein, doch die Texte verleiden es. Zurück bleibt ein diffuses Gefühl von Grausamkeit. Dieses Album macht hungrig, nicht satt.
Chris Elstrodt
 DIGGER BARNES: Near Exit 27
DIGGER BARNES
Near Exit 27
(Barnes & Quincy)


Nicht einen Moment kommen Zweifel auf. Hier singt einer, der die Staaten kreuz und quer bereist hat, der versucht hat, sesshaft zu werden, der viele Gesichter gesehen hat, aber keine Namen mehr dazu weiß, kurzum der Prototyp des rastlosen US-amerikanischen Singer/Songwriters. Die Illusion platzt erst nach näherer Recherche. Digger Barnes, benannt nach der traurigen Loser-Figur aus Dallas, heißt eigentlich Kay Buchheim und kommt aus Hamburg. Das gesagt, können wir es auch gleich wieder vergessen, weil es keine Rolle spielt. Digger Barnes hat ein Bündel hervorragender Stücke zu bieten. Allein der Opener „The Hoopoe“ zaubert mit seinem Bläserarrangement eine bemerkenswerte Atmosphäre. „You Can’t Run From The Devil“ hätte auch einem Johnny Cash gutgestanden. Und mit der Ballade „Way Too Long“ scheint tiefe Traurigkeit auf. Zwei Songs entstanden in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Franz Dobler und bekommen nochmals eigene Qualität. In der Band ragt Mosquito Hopkins heraus, der Multiinstrumentalist setzt ein Vibrafon ein, spielt Mellotron und das seltene Ondes Martenot mit seinem Theremin-ähnlichen Klang. Das alles entfaltet fesselnde Intensität. Zweifel überflüssig.
Volker Dick

 LES HAULZ ET LES BAS: Concilium zu Constanz 1414-1418
LES HAULZ ET LES BAS
Concilium zu Constanz 1414-1418
(Ahalani Records)


Das seit 25 Jahren bestehende Ensemble um Ian Harrison und Gesine Bänfer glänzt mit dem reizvollen Zusammenspiel von mittelalterlichen Holzschalmeien und blechernen Zugtrompeten. Die Musik stammt aus der Zeit des Konstanzer Konzils, als sich dort 1414 die geistliche und politische Elite der christlichen Welt zu einem Gipfeltreffen versammelte. Stücke von Oswald von Wolkenstein, Guillaume Du Fay und anderen Komponisten des 14. und 15. Jahrhunderts erklingen. Die oft einstimmigen Melodien wurden kunstvoll ausgearbeitet, mehrstimmig gesetzt und durch zwei Percussionisten unterstützt. Alles klingt ganz anders als auf ihrem hochgelobten Album Ars Supernova (Alahani, 2016). Auf der vorliegenden CD geht es eher fürstlich-höfisch zu. Vieles klingt wie eine Eröffnungsfanfare, kurz bevor der König erscheint – sehr präzise vierstimmige Bläser untermalt von Percussion. Trotzdem ist klar, dass diese 600 Jahre alte Musik viel Rekonstruktionsarbeit, Recherchen in Archiven, Arrangementexperimente und Umschreiben aus alten Orgeltabulaturen erforderte, bevor sie in dieser schönen Form aufgenommen werden konnte. Die vorliegende Einspielung wurde in Zusammenarbeit mit Deutschlandfunk Kultur realisiert.
Piet Pollack
 LIEDERJAN: Ernsthaft locker bleiben
LIEDERJAN
Ernsthaft locker bleiben
(Westpark Music), Mit Texten u. Infos


Sieh an! Der Folk-Dinosaurier klingt im 44. Jahr der Bandgeschichte frischer denn je. Seit 2016 ist Philip Omlor (als erster nicht Norddeutscher) mit Gitarre, Waldzither, Ukulele und Klavier der aktuelle dritte Jan. Er reüssiert nicht nur als Musikant und Sänger, sondern schreibt darüber hinaus Lieder, die hervorragend ins Liederjan-Universum passen, jene Mischung aus Chanson, Folk, Kabarett und gehobenem Blödsinn. Wobei das Trio in der aktuellen Formation weniger klamaukig daherkommt und mit eher feinsinnigem Humor den alltäglichen Wahnsinn auf die Schippe nimmt, mit Liedern unter anderem zu den Themen Religion, neue deutsche Wortschöpfungen und neue Lügenkultur. Dabei klingen sie folkig wie lange nicht („An manchen Tagen“), wagen auch ungewöhnliches Repertoire wie das irische Instrumentalstück „Boffyflow And Spike“ und pflegen eine alte Liederjan-Tradition, den messerscharfen A-cappella-Gesang, etwa mit zwei Madrigalen, eines davon mit dem mutmaßlich ersten englischsprachigen Liedtext, der je den Weg auf ein Liederjan-Abum gefunden hat, „Because All Men Are Brothers“. Liederjan in Höchstform – ein Genuss. Die kann man sich auch in vierzig Jahren noch anhören.
Ulrich Joosten

 OVE : Abruzzo
OVE
Abruzzo
(Tapete Records)


Dass eingängige, fröhliche Lieder, noch dazu mit deutschen und klar verständlich gesungenen Texten, nicht zwangsläufig oberflächlich oder sinnentleert sind, beweist auch der Liedermacher aus dem Norden auf seinem neuen Album, welches er passender- und komischerweise Abruzzo nennt. Denn während Ove das Album im flachen Friesland aufgenommen hat, kommen in den italienischen Abruzzen Berge, Meer und Sonne zusammen. Urlaubsnostalgie wie anno dazumal. Genau wie in jener Landschaft trifft hier einiges zusammen, kleine Referenzen an die Popmusik der Sechziger und der Einsatz von Falsettchören gehen konform mit Folkharmonien und ergeben eine Art Discochanson. Die gewisse klangliche Ähnlichkeit einiger Stücke wird durch die Themenvielfalt der gesungenen Geschichten aufgewogen. Ove erzählt aus seiner Welt, sei es aus dem nächsten Umfeld wie dem Süderlügumer Wald oder Hamburg, aber er fragt sich auch, was Siri so treibt oder reflektiert psychologisch über seine eigene Zerrissenheit („Türsteher“ und „Spaghetti mit Spinat“). Das Titelstück – ganz am Schluss – fordert die Hörgewohnheiten durch den geleierten Sound eines defekten Tonbandgerätes heraus, bevor der Refrain im Meer baden geht.
Imke Staats
 RASGUEO: Echo
RASGUEO
Echo
(Galileo MC)


Auf nun zwei Alben führt die Band mit Wahlberlinern diverser Länder vor, wie gut Flamenco-Jazz-Allianzen fernab von Madrid oder Barcelona gedeihen. Mastermind ist der griechische (Flamenco-)Gitarrist Nikos Tsiachris. Seine neun eigenen Stücke (und eine Albéniz-Adaption) lassen kompositorische Reife und Lust am melodiösen Fabulieren hören, zum Beispiel im ruhigeren Titeltrack, der schon vor Bandgründung als Gitarrenstück in Erinnerung an die Geschichten erzählende Oma entstand. Er nimmt sich selbst in seinem ausgefeilten Spiel immer wieder zurück, um den anderen – auch für jeweilige Soli – Raum zu lassen: Jazz-Echo-Preisträger Diego Piñera aus Montevideo mit der ihm eigenen, meisterhaften Dynamik und dem manchmal mit ihm durchgehenden Temperament sowie den zwei Deutschen, Bassist Martin Lillich und Martin Auer an Trompete und Flügelhorn, welches das Cover ziert. Auf dem Album spielt das Gebläse eine tragende Rolle, dominiert bisweilen gar das Gesamtgefüge (zumindest für den Gusto der – Brass liebenden! – Rezensentin). Die in der Arbeit von Rasgueo wichtige Trompete ist ja in Spaniens Flamenco längst verankert, nicht zuletzt durch Musiker wie den 2018 verstorbenen Jerry González.
Katrin Wilke

 RINGSGWANDL: Andacht & Radau
RINGSGWANDL
Andacht & Radau
(Blanko Musik), mit Texten


Es bleibt halt manchmal etwas übrig, kommt zu spät oder passt nicht mehr rauf. Da sammelte sich bei Ringsgwandl in den letzten drei Jahrzehnten einiges an, Lieder, die auf Konzerten gespielt wurden, es aber nie auf einen Tonträger geschafft haben. Dieses Defizit wird nun korrigiert, neun Lieder werden nachgereicht, zwei neue gibt es gleich zum Einstieg dazu. In einer verrückten Welt rockt der musizierende Herr Doktor aus Bayern seinen schrägen Kosmos. Der Hund wird falsch ernährt, der Schlagzeuger ist in der Autobahnraststätte auf der A9 fast abhandengekommen, und der Bürgermeister stirbt in den Armen einer käuflichen Dame. Die Dame erfährt nur Verachtung, der kleine Ladendieb geht für Jahre in den Bau, aber der Nazischreibtischtäter lebt unbehelligt am Tegernsee. Die Absurdität war schon immer die kräftige Triebfeder seiner Songs. Es gibt auch noch zusätzliche Schmankerl auf der Scheibe. Christoph Marti, alias Ursli Pfister, singt den Titel „Unzufrieden“. Ein Lied von Hazel Jane Dickens, einer frühen engagierten amerikanischen Sängerin singt Ringsgwandl nur zur Gitarre, ebenso wie er den Eingangssong „Tage“ in schlichter Gitarrenversion zum Abschluss wiederholt.
Rainer Katlewski
 YONDER: Beyond Borders
YONDER
Beyond Borders
(Hey!Band)


Vom ersten Ton an nehmen sie den Hörer mit auf ihre lebhafte Reise in die Welt der traditionellen Musik Europas. In mitreißendem Tempo geht es von Skandinavien auf den Balkan, nach Italien, Frankreich, Britannien und Irland. Dazwischen legen sie immer wieder balladeske Verschnaufpausen ein. Aber egal, ob schnell oder langsam, das 1998 gegründete Quartett besticht durch ein sehr einfühlsames Spiel auf höchstem Niveau. Das Motto der aktuellen Besetzung – Angelika Rusche-Göllnitz (Geige), Nenad Nikolic (Akkordeon), Olaf Wiesner (Gitarre und Multiinstrumentalist) sowie Kontrabassist Michael Borg – ist das Überschreiten von Grenzen. Das bringen sie nicht nur mit ihren Band- und Albumnamen zum Ausdruck. Sie lassen es fast eine Stunde lange erklingen. Denn ob in ihren Interpretationen alter Stücke oder eigenen Kompositionen, Yonder spielen traditionelle Folkmusik frisch, zeitgenössisch und voller Energie. So treffen bulgarische Horos im 22/8-Takt auf französische Musettewalzer, serbische Tänze wechseln sich mit einer italienischen Tarantella ab und irische Melodien begegnen schwedischen Valsen. Ein starkes Album, mit dem sich endgültig die Lebensgeister im Frühling erwecken lassen.
Erik Prochnow

Europa
 CAMILLA BARBARITO : Sentimento Popolare
CAMILLA BARBARITO
Sentimento Popolare
(Felmay), mit Infos zur Herkunft der Lieder


Wer die Mailänderin nicht kennt, schaut sich am besten ihren Internetauftritt an. Die Frau hat viele Gesichter, macht experimentelles Theater, singt fast alles, von fast überall her – außer aus dem englischsprachigen Raum. Zum Auftakt dieser Mischung aus Chanson und Volksliedern fliegt die Sängerin ins Hochland von Ecuador, danach kehrt sie mit dem gefühlvollen „Anno Di Amore“ von Nino Ferrer nach Italien zurück. Im folgenden Rembetiko wird die Ruhe postwendend zum Sturm. Von da an wird klar, was dieses Album, neben der schillernden Frontfrau, so besonders macht. Es sind die Mitmusiker, allen voran der Gitarrist und Arrangeur Fabio Marconi. Dieser ersetzt die Bouzouki durch die Elektrogitarre und lässt sie in einem Gitarrengewitter explodieren, wie es sich selbst Rockmusiker kaum mehr getrauen. Darauf folgt das sentimentale „Retour À Napoli“ aus dem Repertoire von Nana Mouskouri. Stärker könnte der Kontrast kaum sein. Dieser wilde Ritt voller Stilwechsel und unterschiedlichster Gefühlswelten macht das Album so faszinierend. Eine gute Portion Rauheit hält das Werk zusammen. Anspieltipp: Der „Tango Negro“ von Juan Carlos Cáceres. Der heißt nicht nur Negro, da ist auch Afrika drin.
Martin Steiner
 CHRISTOPH BÜRGIN: 19:57
CHRISTOPH BÜRGIN
19:57
(Eigenverlag), mit schwyzerdt. u. standarddt. Texten u. Infos


Lieder in Schaffhauser Mundart. Für die Ohren des 600 Kilometer rheinabwärts lebenden Rezensenten hören sie sich zunächst einfach alemannisch oder schwyzerdütsch an: „Pack schnäll zäme, ich wett mit dir an See.“ Die erste Zeile des Albums führt zu einem Angelausflug auf den See, um sich vom alltäglichen Betongucken zu erholen. Wasser in Form von Seen, Flüssen, Regen und Meer kommt in vielen Liedern vor, wobei für letzteres die Schweiz verlassen wird, mal nach Italien, mal nach Irland. Das gilt auch für die bedienten Musikstile, die sich aus Rock und Pop, Jazz und Blues, italienischem und irischem Folk, deutscher Liedermacherei und englischem Singer/Songwriting bedienen und einen vollen Bandsound bilden. Ob Schlagzeug oder Klavier, Gitarre oder Kalimba, Uilleann Pipes oder Schweizer Sackpfeife, alles harmoniert miteinander, baut Spannungen auf, entspannt sich wieder und bildet so einen mal fröhlichen, mal dramatischen Klangteppich für die Geschichten, die Bürgin erzählt. Sie handeln unter anderem von einer „Schturmwaarnig“, vom Leben in einer „Chliischtadt“, von „Wolke und Schtäi“ in Irland oder historisch von der 1653 in Schaffhausen der Hexerei angeklagten „Anna Wirthin“. Ein großartiges Album!
Michael A. Schmiedel

 KARAN CASEY: Hieroglyphs That Tell The Tale
KARAN CASEY
Hieroglyphs That Tell The Tale
(Vertical Records)


Karan Caseys erfrischende, unverwechselbare Stimme hat schon viele seit der Hochzeit von Solas begeistern können. Sie hat ein Faible in Richtung American Folk, Song und Blues, welchem sie hier ausgiebig huldigt, dabei immer mit aussagekräftigen Texten, nur ein Song ist tatsächlich so richtig Irish Trad! Es ist aber nicht Karan allein, die glücklich macht – eine unaufzählbare Schar an kongenialen irischen und schottischen Mitmusikern und Sängerfreundinnen wie Karen Matheson oder Pauline Scanlon lässt das Album zu einem einzigartigen Kleinod der traditionellen Musiklandschaft werden. Einen muss man ganz besonders loben: Capercaillies Donald Shaw, der neben seinem empathischen Pianospiel für die Produktion verantwortlich zeichnet. Nur ganz selten hörte man bisher eine solch perfekt geglückte Einbindung so unterschiedlicher Klänge wie Bläsersätze, Streichquartette, Schlagzeug (der subtile James McKintosh) und auch Ewen Vernals Bass in das Universum des Folkensembles. Der Mix, die Klangräume sind so maximal gut angelegt, dass eine Gänsehaut die andere jagt. Von fragil bis Wall-of-Sound (beim Paukenschlag-Dylan-Cover „Hollis Brown“) kommt der Zuhörer aus dem Staunen nicht heraus. Emotionaler und audiophiler Höchstgenuss!
Johannes Schiefner
 KATIE DOHERTY AND THE NAVIGATORS: And Then
KATIE DOHERTY AND THE NAVIGATORS
And Then
(Steeplejack Music/in-akustik), mit engl. Texten


Acht Minuten plus singt sie nette Lieder; gute Stimme, zurückhaltende Band (Melodeon, Fiddle), sie spielt Piano, nichts Außergewöhnliches. Dann kommt der Song „Navigator“ – und ändert die Atmosphäre grundlegend. Okay, dabei helfen auch ein paar Freunde wie die Broom Bezzums, aber es ist das Lied, das fesselt. Und Doherty zeigt erste Anzeichen von emotionaler Stimmakrobatik. Von nun an lässt sie zumindest den Rezensenten nicht mehr los. Die Dame aus Nordengland ist keine Newcomerin. Vor circa zehn Jahren sendete sie als Singer/Songwriterin erste vielversprechende Signale, arbeitete jedoch in der Folgezeit musikalisch fürs Theater. Nun ist sie zurück, und Katie Doherty überzeugt voll. Ganz gleich, ob sie private, beobachtende oder sozialkritische Themen anspricht, sie macht das mit packenden Songs und vor allem mit einem kraftvollen, emotionsgeladenen Gesang. Und die zwei Navigators lassen bei dem an Skandinavien/Balkan orientierten Instrumental „Polska“ so richtig Dampf ab, während Doherty im Hintergrund intensiv jubiliert. Ebenso, und doch ganz anders, wie beim grandiosen Finale „We Burn“. Katie Doherty ist eine definitive Bereicherung der akustischen Szene. Möge sie diese Bühne nun nie wieder verlassen.
Mike Kamp

 HUBERT DORIGATTI : Memphisto
HUBERT DORIGATTI
Memphisto
(Three Saints Records)


Schon die ersten gezupften Akkorde auf der Gitarre lassen aufhorchen. Spärlicher Einsatz von Percussion kommt hinzu, eine Blues Harp setzt ein. Dann beginnt Hubert Dorigatti mit seiner schönen runden und tiefen Stimme zu singen, und es besteht kein Zweifel, hier sind Könner und Liebhaber des ländlichen, akustischen Blues am Werk. „Inbrünstig“, so ist diese Musik in einem einfachen Wort zu beschreiben, und das gilt vom ersten Stück, vom ersten bis zum letzten Ton der CD. Nichts ist hier übertrieben, alles fern jeder Hektik oder Akrobatik. Hubert Dorigatti zieht sich zum Komponieren seiner Songs gerne in die Berge Südtirols zurück, vielleicht ist auch das ein Grund für die Ruhe und Lässigkeit seiner Musik. Wunderbar begleitet wird er von Laura Willeit, die auf den meisten Stücken die zweite Stimme singt. Ab und an noch etwas Harp (Fabrizio Poggi) und Percussion (Max Castlunger) – mehr braucht es wirklich nicht. Ganz groß wird Hubert Dorigatti dann, wenn er schildert, wie er als Junge den Klängen eines „Mr. Slowhand“ lauschte und ihn dessen Musik geradezu davontrug – darauf kann dann selbst besagter Eric Clapton mehr als stolz sein.
Achim Hennes
 DOWDELIN : Carnaval Odyssey
DOWDELIN
Carnaval Odyssey
(Underdog Records)


Das herzerfrischende Debüt des Trios aus Lyon macht definitiv Lust auf mehr. Sängerin Olivya singt im Kreol ihrer Heimat Martinique – gut gebettet, teils gar fröhlich-derb geschubst von diversesten Afro-Jazz-Elektro-Sounds und -rhythmen. Diese steuern zwei entsprechend vielseitig interessierte und patente, auch singende Multiinstrumentalisten bei: Produzent Dawatile, der zuvor nur mit englischsprachigen Sängern arbeitete, und Philibert. Er spielt wie sein Kollege Saxofon sowie E-Schlagzeug und Gwo Ka, eine ebenfalls auf den französischen Antillen, in Guadeloupe beheimatete Trommel. Dort liegen auch die Wurzeln dieses zuletzt hinzugekommen Musikers. Die drei, deren Miteinander von enormer einander befruchtender Kreativität und Originalität zeugt, lassen sich Gott sei Dank kaum bis gar nicht kategorisieren. Ihr afro-karibisch-antillisches und von vielem anderem gespeistes Hybrid aus R&B, Soul und Dancehall gibt schon eine sympathisch eigenwillige Perspektive des sogenannten „Afrofuturismus“-Labels. Die Band verwendet diesen seit den Neunzigern längst auch in der Musik kursierenden, kulturästhetischen Terminus, betrachtet ihren Soundclash gar als eine seiner neuen kreolischen Spielarten.
Katrin Wilke

 MARTYN JOSEPH: Here Come The Young
MARTYN JOSEPH
Here Come The Young
(Beste! Unterhaltung), mit engl. Texten


Wäre man gezwungen, den walisischen Singer/Songwriter Joseph mit nur einem einzigen Begriff zu charakterisieren, das Wort müsste lauten „Intensität“. Alles ist bei Joseph intensiv, der Gesang, die Songs, die Themen, selbst die kraftvollen Arrangements, obwohl da Produzent und Multiinstrumentalist Gerry Diver ganz gewiss seinen Anteil dran hat. Album Nummer 22 und von Müdigkeit oder Resignation keine Spur. Ganz im Gegenteil, Josephs Songs strahlen einen ehrlichen Optimismus aus, der ebenso dringend notwendig wie schmerzend ist. Beispiel Titelsong: Woher nimmt er die Zuversicht, dass es die junge Generation richten wird? Klar, sie wird es müssen, wenn die Welt eine Chance haben soll, denn wir Alten haben die Karre nachhaltig in den Dreck gesetzt. Wie üblich scheut Joseph keine politischen Aussagen, aber auch auf privater Ebene findet er immer positive Ansätze. Die Autofahrt mit seiner Tochter in „Driving Her Back To London“ ist nicht mit väterlichem Trennungsschmerz verbunden, sondern eine Lektion in Sachen Akzeptanz und Liebe. Das ist der rote Faden, der sich durch alle elf politischen und privaten Lieder zieht: Liebe und Optimismus auf einem wie immer hervorragenden Werk.
Mike Kamp
 DÉSIRÉE SAARELA & MARIA KALANIEMI: MoD
DÉSIRÉE SAARELA & MARIA KALANIEMI
MoD
(Eclipse), mit schwedischen Texten


Die Zusammenarbeit der Folksängerin Désirée Saarela mit der Akkordeonlegende Maria Kalaniemi ist genauso unaufgeregt wie brillant. Hier musizieren zwei Spitzenkünstlerinnen ihres Fachs in Harmonie miteinander, ohne jeglichen Drang, Rekorde zu brechen oder die eigene Virtuosität in den Vordergrund zu spielen. Wie zwei Freundinnen, die sich nachmittags zum gemeinsamen Musizieren verabreden und sich selbst genug sind, so klingt MoD. Zuhörer stören nicht, sind aber nicht das Ziel des Duos. Hier ist Musik Selbstzweck und so, wie sich die zwei Musikerinnen in ihren Klängen verlieren, so treibt der Hörer davon. MoD erinnert eher an Liedermacherinnen wie Joni Mitchell als an ein Nordic-Folk-Album. Die Lieder folgen nicht skandinavischen Strukturen, sondern könnten auch als Americana durchgehen. Der Gesang von Saarela wird nur begleitet von Gitarre und Akkordeon. Die Songs vermitteln dem Hörer das Gefühl, zu Hause zu sein, genau am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Die Musik treibt wie ein ruhiger Fluss, in dem alles sein darf, Sehnsucht, Trauer, Zufriedenheit und Stille. MoD, das heißt schlicht „Maria und Désirée“, reduzieren die Musik auf das Wesentliche. Ein Album, das man leise hört. Ein Album, das man immer wieder hört.
Chris Elstrodt

 SNOWFLAKE TRIO: Sun Dogs
SNOWFLAKE TRIO
Sun Dogs
(Ta:lik Records), mit engl. Texten u. Infos


Tja, auch das ist eine Art Fusionsmusik, und zwar vom Feinsten! Wie der Zufall so spielt (auch er ein Musiker?) trafen sich die in Schottland lebende Irin Nuala Kennedy (Flöte, Gesang) und die beiden Norweger Vegar Vårdal (Violine, Hardanger Fiddle) und Frode Haltli (Akkordeon) 2009 auf einer Session in Dundalk, Irland, und fanden, dass sie und ihre Musik gut zusammenpassten. In der Folge tourten sie häufiger und veröffentlichten 2018 endlich ihr Debüt mit Liveaufnahmen. Das auf dem Fuße folgende funkelnagelneue Studioalbum unterscheidet sich vom Gefühl her kaum davon. Auch hier überwiegt bei den irischen, norwegischen und selbst geschriebenen Melodien und Liedern das Livefeeling, das Spontane. Sie tragen den Gruppennamen eben nicht von ungefähr. Jede Schneeflocke hat eine andere Struktur (wie im informativen Beiheft schön zu sehen ist) und auch jedes Snowflake-Trio-Konzert ist anders. Während heutzutage viele Gruppen Powerfolk bevorzugen, zelebrieren die drei eine konsequent entschleunigte Musik. Schlussfolgerung: Wenn Entspannung gesund ist, dann ist es diese Musik auch. Und wunderschön!
Mike Kamp
 VANDERLINDE: Entering The Circus
VANDERLINDE
Entering The Circus
(Snakebite Records), mit engl. Texten


Arjan van der Linde hat um sich einige Musiker versammelt, mit denen er durch die Bluesclubs tourt. Tatsächlich vernachlässigt er auf Entering The Circus die ansonsten bevorzugte elektrische Gitarre und wendet sich mehr dem Folk zu, der bei ihm allerdings wenig balladesk ist, obwohl die Pedal-Steel-Gitarre und immer wieder Geigen in den Arrangements verwendet werden. Produziert vom legendären holländischen Produzenten Erwin Muster (Herman Brood, Paco de Lucía, Scorpions), der auch am Songwriting beteiligt war, macht dieses Album einen gediegenen, professionellen Eindruck. Van der Linde erinnert in vielem an holländische Bands, die in den frühen Siebzigern in den Hitparaden zu finden waren, bevor Disco ganz andere Trends setzte. Mit ihren leichtfüßigen Melodien und einem in weiche Gitarrensounds eingebetteten Schlagzeug verband diese Musik häufig noch Slidegitarre mit Akkordeon. So entstand eine gewisse maritime Atmosphäre, die nicht Shanty war, sondern davon träumte, auf dem offenen Segelkahn in der Nordsee herumzuschippern. Von solch einer Art Stimmung sind die Songs auf diesem Album getrieben, obwohl es Entering The Circus heißt. Von Zirkus keine Spur.
Michael Freerix

Afrika
 TAKULA: Takula
TAKULA
Takula
(XA Music), mit engl. Texten u. Infos


Ein Debütalbum der besonderen Art, initiiert vom norwegischen Weltmusikredakteur Sigbjørn Nedland. Die Geschichte dieser Produktion begann 2013 mit dem Besuch Nedlands im Rundfunkarchiv in Blantyre in Malawi. Dort stapelten sich Tonbänder mit Aufnahmen von den Vierziger- bis zu den späten Achtzigerjahren, die die Musik in Malawi vor dem Vergessen bewahrten, aber aufgrund heutiger moderner Technik nicht mehr zu Gehör gebracht werden konnten. Unterstützt von der norwegischen Botschaft beschloss Nedland, diesen Schatz der Malawi Broadcast Corporation (MBC) zu heben. Unter Mithilfe von Musikexperten vor Ort wurden über 5.000 Titel zu neuem Leben erweckt, sodass diese Musik nun digitalisiert wieder in Malawi zu hören ist. Eine leider nur kleine Auswahl dieser Arbeit ist auf der zweiten CD zu hören. In einem nächsten Schritt wurden junge Musiker in Malawi mit dieser Musik konfrontiert. Unter dem Namen Takula finden sich nun neun Titel auf der Debüt-CD, jeweils mit Hinweisen auf die Inspirationsquelle. Ein musikalisch weit gespannter Bogen von Balladen bis Hip-Hop, von Klängen traditioneller Instrumente bis zu elektronischem Klangdesign. Aufgenommen wurde im MBC-Studio in Malawi. Gerne mehr davon!
Christoph Schumacher



Nordamerika
 BEARS OF LEGEND: A Million Lives
BEARS OF LEGEND
A Million Lives
(Eigenverlag), mit engl. Texten


Spätestens seit Rudolstadt 2017 ist das kanadische Septett auch in unserer Szene ein Begriff. Nun gibt es endlich das dritte Album, den Nachfolger des außergewöhnlichen Konzeptalbums Ghostwritten Chronicles. Wie bei diesen Bären üblich, liegen zwischen den sorgfältig und komplex arrangierten CDs drei Jahre. Zwei offensichtliche Besonderheiten zeichnen die drei Damen und vier Herren aus: Sie sind alle waschechte Frankokanadier aus Trois-Riviéres, Québec, aber sie singen auf Englisch. Auch sucht man die frankofonen Traditionen ihrer Provinz vergeblich. Sie beziehen sich ganz grob auf anglophiles Songwriting mit Americana-Einflüssen, die Songs werden immer von Leadsänger David Lavergne zumindest mitgeschrieben. Und dann das: Wie viele Bands haben einen Drummer wie Francis Perron, der gleichzeitig produziert, aufnimmt und mixt? Die Folkwurzeln basieren auf dem Instrumentarium wie Akkordeon, Cello, Banjo oder Glockenspiel neben der normalen Rockbesetzung. Damit schaffen sie eine Musik, die nie übermäßig rhythmisch ist, eher elegisch, manchmal gar hymnisch, Richtung Folkrock/-pop, immer mit einem vielstimmigen Gesang (vier herrliche Harmoniestimmen!). Zurücklehnen und genießen.
Mike Kamp
 FOXWARREN: Foxwarren
FOXWARREN
Foxwarren
(Anti-Records)


Der Kanadier Andy Shauf ist vor allem als Solokünstler unterwegs, hat aber bereits als Teenager die Band Foxwarren gegründet, mit der er erst jetzt ein erstes Album einspielen konnte. Shaufs Eltern hatten einen Laden für elektronische Musikinstrumente, sodass er mit einer Vielzahl an musikalischen Einflüssen aufwuchs und auch viele Instrumente selbst spielt. Das spiegelt sich in der Musik von Foxwarren wider, wo die Gitarren dominieren, die aber dennoch abwechslungsreich ist und nicht so leicht als Songschreiberalbum durchgehen kann. Eben auch, weil Foxwarren ein Bandprojekt ist, das Shauf schon seit mehr als zehn Jahren neben seinen Soloaktivitäten betreibt. Pendeln die Alben unter seinem Namen zwischen reinem Songwritertum und elektronischen Experimenten, wirkt vieles auf diesem Album wie Softrock aus der Mitte der Siebziger oder, wie er heute so schön bezeichnet wird, „Yacht Rock“. Bei Foxwarren aber ohne aufdringliche Streicherarrangements, ohne schmierige Kommerzialität, sondern eher wolkig-leicht, fließend, laid back – richtig altertümlicher Folkrock mit einer sphärischen Note.
Michael Freerix

 TIM SPARKS/JAMES BUCKLEY: Jukebox Dreamin’
TIM SPARKS/JAMES BUCKLEY
Jukebox Dreamin’
(Acoustic Music Records)


Manchmal wünscht man sich Akustikgitarristen, die einfach entspannt spielen – Gefühl statt extrovertiertes Spiel! Hier ist der US-amerikanische Fingerstyle-Gitarrist Tim Sparks genau der Richtige. Seine vielen musikalischen Wurzeln geben ihm Souveränität, und er braucht niemandem etwas zu beweisen. Der 1954 in North Carolina geborene Musiker lernte klassische Musik, spielte Bluegrass und Ragtime, war Mitglied in Rhythm-and-Blues- und Jazzbands. Jetzt hat er mit dem Kontrabassisten James Buckley ein Duoalbum eingespielt, auf dem er auf seine Vergangenheit zurückblickt – insbesondere die ihn prägenden Sechzigerjahre. Rein instrumental spielt das Duo beispielsweise „Homeward Bound“ von Paul Simon, „Mama Tried“ von Merle Haggard oder „Imagine“ von John Lennon. Mit warmem Ton und ganz natürlich changieren die Interpretationen zwischen eingängigem Popflair, jazzigen Improvisationen und Fingerpicking. Dabei begleitet ihn James Buckley auf dem Kontrabass sanft swingend und bereichert die Stücke mit einfühlsamen Soli. Heraus gekommen ist ein Duoalbum, das den Hörer zur Ruhe kommen lässt und ihn auf das Wesentliche lenkt, die Schönheit der Musik.
Udo Hinz



Lateinamerika
 ITIBERÊ ORQUESTRA FAMÍLIA: Pedra Do Espia
ITIBERÊ ORQUESTRA FAMÍLIA
Pedra Do Espia
(Far Out Recordings), mit engl. Infos


Itiberê Zwarg ist der langjährige Bassist von Hermeto Pascoals Band O Grupo. Beide brasilianischen Jazzer stehen für ihre „Universelle Musik“, die hier stürmisch ausgelebt wurde, polyharmonische wie polyrhythmische Klänge mit maximalen Freiheiten für die Musiker. Zwarg komponierte und arrangierte 2001 das Album mit Teilnehmern eines Workshops auf der Basis von Improvisationen in Echtzeit. Entsprechend komplex schwappt diese Musik über einen. Ständig gibt es Tempowechsel, unterschiedliche Dynamiken. Man hat das Gefühl, jede Minute kommt eine andere Klangfarbe, ein anderes Arrangement ins Spiel. Die Musik vibriert, wirkt atemlos und hochenergetisch, die Rhythmen galoppieren oder verdichten sich zu fast unspielbaren Unisono-Parts. Dann wieder Choreinsätze, Streicherduette mit gewöhnungsbedürftigen Harmonien. Stilgrenzen gibt es hier keine. Klar spielt brasilianische Musik eine Rolle, aber Avantgarde, Jazz oder impressionistische Musik schillern ebenfalls durch. Zwar ist das Album der Musik Pascoals sehr ähnlich, aber noch komplexer und verspielter. Dieses wiederveröffentlichte Album ist wie eine Wundertüte. Faszinierend, andererseits nichts zum nebenbei Hören.
Hans-Jürgen Lenhart
 DANIEL MURRAY : 14-37
DANIEL MURRAY
14-37
(Acoustic Music Records), mit Infos


Daniel Murray gehört zu den aufregendsten und innovativsten Gitarristen der jüngeren Generation in Brasilien. Genregrenzen sind dem Universaltalent völlig fremd. Murray interpretiert Kompositionen von Tom Jobim ebenso wie gänzlich abstrakte Musik. Er kombiniert die klassische sechssaitige Gitarre mit Zuspielungen vom Band, er interpretiert, arrangiert und komponiert. Ob solo, in kammermusikalischer Besetzung, mit Orchester oder in eher jazzähnlichen Kontexten – Murray geht jede denkbare Verbindung in kreativster Weise ein. Auf dem vorliegenden Album führt uns Murray an die Quellen seiner Inspiration: Musik von Komponisten, die ihn entscheidend geprägt haben. 2018 ist Murray 37 Jahre alt geworden und blickt zurück auf seine erste Begegnung im zarten Alter von vierzehn mit der Musik des Gitarristen Paulo Bellinati. So erklärt sich das kryptische Zahlengebilde des Titels. Gismonti, Guinga, Villa-Lobos, Pernambuco, Nazareth oder Garoto haben in diesen 23 Jahren seinen Weg gekreuzt. All diese Einflüsse haben die Murray’sche Sprache geformt, eloquent, virtuos, lebendig, immer schönster Ausdruck der alma brasileira, der brasilianischen Seele. Der Kosmos Gitarre ist um eine Supernova reicher.
Rolf Beydemüller

Asien
 DAUGHTERS OF JERUSALEM: Daughters Of Jerusalem
DAUGHTERS OF JERUSALEM
Daughters Of Jerusalem
(Kirkelig Kulturverksted)


In Jerusalem leben Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion in – zumeist – friedlicher Koexistenz. Doch Jerusalem ist auch Spielball nationaler wie internationaler Interessen und Strategien, was für seine Einwohner ein Leben zwischen Mauern, Checkpoints und unkalkulierbaren Risiken bedeutet. Die 25 jungen Damen der DoJ entstammen alle Familien aus dem palästinensischen Ostteil der Stadt und studieren am dortigen Musikkonservatorium. Dessen Direktor Suhail Khoury rief den Chor vor ein paar Jahren ins Leben und ist seither als sein Dirigent und Arrangeur tätig. 19 Sängerinnen und 7 Instrumentalistinnen bilden die Besetzung der Daughters, wobei die Tochter des Dirigenten als Sängerin und Cellistin tätig ist. Bei drei der elf Lieder werden die DoJ vom Princeton Girlchoir aus New Jersey und dem Mädchenchor Det Norske Jentekor aus Oslo unterstützt. Das Repertoire des Debütalbums reflektiert die Lebenswirklichkeit der Menschen im Ostteil der Stadt und enthält neben Klassikern wie Stephen Adams’ „The Holy City“ auch zwei Songs der 2018 leider viel zu früh verstorbenen Sängerin und Menschenrechtsaktivistin Rim Banna. Ein Album zwischen Trauer, trotzigem Stolz und Hoffnung.
Walter Bast
 GUO GAN: Moon Night – Erhu Solo
GUO GAN
Moon Night – Erhu Solo
(Felmay)


Dem Musikpädagogen und Komponisten Liu Tian Hua (1895-1932) kommt in der Geschichte der klassischen Musik Chinas eine herausragende Bedeutung zu, weil er als einer der ersten begann, kompositorische Elemente der europäischen Kunstmusik in die traditionelle Musik Chinas einzuführen. Als Student erlernte er Geige, Trompete und Klavier sowie die traditionellen Instrumente Erhu und Pipa. Wenig später entstanden seine ersten notierten Kompositionen für die zweisaitige Geige Erhu. Zehn dieser Kompositionen hat Guo Gan für sein neues Album ausgewählt, darunter die faszinierende „Etüde auf einer einzelnen Saite“, ein Adagio, das zum Schluss so leise gespielt wird, dass das Streichgeräusch des Bogens den erzeugten Ton zu übertönen droht. Gibt es eine Steigerung von „pianissimo“? Wenn ja, dann kann man sie hier hören (oder auch nicht …). Die Zwanzigerjahre müssen für kreative Musiker ein goldenes Jahrzehnt gewesen sein. Ravel dirigierte seinen „Boléro“, Strawinski gab seinem Sacre den letzten Schliff und Hindemith veröffentlichte sein schräges „Minimax“-Streichquartett. Und in Peking komponierte Herr Liu wunderschöne Sonaten für eine zweisaitige Röhrenspießlaute. Kompliment an Guo Gan für diese Entdeckung!
Walter Bast

International
 ¿QUE VOLA?: ¿Que Vola?
¿QUE VOLA?
¿Que Vola?
(No Format)


In der Formation ¿Que Vola? trifft ein französisches Jazzseptett auf drei kubanische Percussionisten. Deren Latin Jazz klingt insofern anders, als die musikalische Basis hier von den Rhythmen der afrokubanischen Religionen wie Santeria gebildet wird und diese Begegnung zweier Kulturen wie eine zeremonielle Reise arrangiert wird. Man merkt dies bereits im ersten Stück. Auf der Grundlage eines kräftigen Rhythmusteppichs findet ein Ruf-Antwort-Ritual zwischen Posaune und Restbläsern statt und steigert sich dann in freie Improvisationen. Die energetische Percussion bildet einen beständigen Hintergrund, die Bläsersätze sind von traditionellen Gesängen inspiriert. Deshalb wirken sie mit ihren kurzen Stößen manchmal etwas abgehackt und wenig swingend. Sie befeuern aber die Musik und tragen die rhythmische Komplexität mit. Die Improvisationen einzelner Bläser sind betont frei und wild, nur durch einen E-Pianisten etwas ausgeglichen; die Trommler zeigen ausgiebig, wie man sich in Rage spielen kann. Ein überraschendes Album mit für den Latin Jazz sehr frischen Ansätzen.
Hans-Jürgen Lenhart



Onlinerezensionen
ABU
Abu
(Home Records)


Abu Djigos Traum war es, ein eigenes Album mit seinen besten Musikerfreunden zu produzieren. Sie trafen sich im Studio zu Aufnahmen, doch noch vor deren Beendigung verstarb Abu im Frühjahr 2016 mit 46 Jahren. Baba Sissoko, Omar Ka, Serigne Mc Gueye und Afra Mussawisade haben nun seinen Traum Realität werden lassen, indem sie dieses Album posthum veröffentlichten. Es entspricht einem Meisterwerk mit vielen magischen Momenten und lässt den virtuosen senegalesischen Gitarristen unvergessen.
Christoph Schumacher
IAN A. ANDERSON
Onwards!
(Ghosts From The Basement)


fRoots-Chef Anderson veröffentlicht den ersten Sampler seiner anderen, deutlich längeren, nämlich fünfzigjährigen Karriere als Musiker. Ob man seinen manchmal etwas affektierten Gesang mag, ist die eine Sache, aber die Mischung aus „deathfolk, blues, psych-fi, trad & world twang“ (Untertitel) garantiert Abwechslung. Ebenso natürlich die Musikanten vom Kaliber einer Maggie Holland, Tiger Moth, English Country Blues Band oder Blue Bloke 3. 71 Minuten Laufzeit sorgen überdies für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Mike Kamp

THE BAD MOUSE ORCHESTRA
Plays Ukulele Treasures From The Golden Swing Era
(Eigenverlag)


Den Charme vergangener Zeiten, die Leichtigkeit des Swing, die Musik der Zwanziger- und Dreißigerjahre lassen Charlotte Pelgen, Stefan Pößiger und Peter Jung wiederaufleben. Mit Ukulele und Gitarre, Gesang und viel Spaß an der Sache geht das muntere Trio ans Werk und präsentiert seine ausgegrabenen Schätzchen. Diese Lieder wurden in Shows gesehen, am Grammofon gehört und dann in solch kleiner Besetzung zu Hause, in Bars und auf der Straße gespielt und nachgespielt. Gute Laune zum Anhören.
Rainer Katlewski
BARELY AUTUMN
Barely Autumn
(Zeal-Records)


Der belgische Multiinstrumentalist präsentiert auf seinem ersten Album Indiepop in Haldern-tauglicher Qualität. Die Gesangsthemen wiederholen sich bisweilen, das gesamte Album klingt aber in sich geschlossen und vollständig. Nico Kennes, der Künstler hinter Barely Autumn, zaubert melancholisch sphärische Klänge, wie man sie üblicherweise von Indiebands aus Island kennt. Wer CDs von RY X oder Oaktree in seiner Sammlung findet, kann den Ausflug nach Brüssel bedenkenlos wagen.
Chris Elstrodt

BECKER/DOPPSCHER
Kintsugi
(Tasal Records)


Bei Weitem nicht das einzige Projekt von Beatrix Becker (Klarinette), die mit Bridges of Music bereits in der Vergangenheit mittels der Musik Verständigung unter Völkern und Nationen suchte. Nun liierte sie sich nun musikalisch mit dem „perlenden Gitarrenakrobaten“ Benjamin Doppscher, um bereits im November letzten Jahres ein erstes gemeinsames Album zu veröffentlichen. Für ihre Anleihen aus traditionell jüdischen Liedern wie etlichen Eigenkompositionen wurden sie von der japanischen Kintsugikunst inspiriert, bei der Zerbrochenes mit Gold repariert wird, resultierend in einem „gnadenlos ehrlichen – wunderschön menschlichen“ Dialog (Berliner Abendblatt).
Matti Goldschmidt
JOE BEL
Dreams
(La Ruche)


Joe Bel ist quasi die französische Ausgabe von Lena. Übertriebene Medienpräsenz in Film und Fernsehen, gebucht von Modelabels und überall als musikalische Schönheit gehandelt, hat es die Künstlerin schwer, sich auf sich selbst zu besinnen und einen Weg zu gehen, der nicht von Marketingfachleuten bestimmt wird. Das gelungene Debütalbum Dreams bietet dabei Indiefolk vom Feinsten; die musikalische Unterstützung von Marcus Paquin aus dem Arcade-Fire-Umfeld sichert dann auch gleich die Zielgruppe.
Chris Elstrodt

Daniel Bellegarde
Anba Tonèl
(Eigenverlag)


Der Kanadier spielt Musik karibischer Inseln wie Haiti oder Guadeloupe. Dass diese sich gelegentlich eher nach Bluegrass oder englischen Folktänzen anhört, kommt nicht von ungefähr. Es gibt in der Karibik traditionelle Tanzstile, die eine Mischung aus englisch-französischen Tänzen wie dem Contredanse und westindischen Percussioninstrumenten sind. Aus dem Contredanse leitet sich auch der Square Dance ab, und Bellegarde setzt zudem Fiddle, Dobro und Banjo ein. Daher der wundersame Sound.
Hans-Jürgen Lenhart
BJØRN BERGE
Who Else?
(Blue Moon Records)


Der norwegische Gitarrist und Sänger Bjørn Berge spielt Bluesrock, hier in Triobesetzung und mit wechselnden Schlagzeugern. Die Songs werden getragen vom recht rauen Gesang, einer gekonnt gespielten (Slide-)Gitarre und meist treibenden Rhythmen. Manchmal nimmt die Band etwas Tempo heraus und weiß dann mal mit einer schönen Ballade („Bitter Sweat“) oder einem stimmungsvollen Mid-Tempo und mehrstimmigem Backgroundgesang („The Calling“) zu gefallen.
Achim Hennes

BERMOODA
Unsterblich
(Lucky Bob Records)


Na endlich mal wieder eine Kölner Band, bei der sich das genaue Zuhören lohnt, zumal sich das Sextett des „Jefööhl“-Slangs enthält und in ihren teils messerscharfen, teils herrlich selbstironischen Texten gesellschaftliche (und private) Zustände beschreibt. Dazu kredenzt die Band eine brillante Mixtur aus Reggae, Bratz-Gitarren und gelegentlicher Progrock-Bombastik. Aufgemerkt, Köln: Die supergeile Zeit war nicht früher, die ist hier und jetzt! Und Bermooda sind ihre derzeit besten Protagonisten!
Walter Bast
BAIJU BHATT & RED SUN
Eastern Sonata
(QFTF)


Das Jazzquintett des Schweizer Geigers mit indischen Wurzeln enthält elf Stücke, die weder die musikalischen Präferenzen der Roten Sonne noch die an karnatischer Geigenmusik geschulte Herkunft ihres Bandleaders verleugnen können. Valentin Conus (ts, ss), David Tixier (p), Blaise Hommage (b) und Cyril Regamey (dr) schaffen ein rhythmisch sattes Fundament für Bhatts Geigenexkursionen, und prominente Gäste wie Gitarrist Nguyên Lê oder Krishna M. Bhatt (Sitar) sorgen für stimmige musikalische Zutaten.
Walter Bast

ALESSIO BONDÌ
Nivuru
(800A Records)


Auch auf seinem zweiten Album singt der Sizilianer ausschließlich im palermitanischen Dialekt. „Nivuru“ heißt Schwarz, doch die tropischen Vögel des dunklen Digipacks, die das Haupt des Sängers umgarnen, suggerieren Farbe. Diese bringt Bondì mit brasilianischen Rhythmen und Afrofunk in seine Lieder. Auch die Liebe, die er mit seiner hellen, klaren Stimme besingt, ist bunt. Schwarz wird sie dann, wenn die Distanz zwischen den Liebenden unüberbrückbar wird oder der Liebende ein Stalker ist.
Martin Steiner
THE BONGO HOP
Satingarona Pt. 2
(Underdog Records)


Auf Teil eins ging Soundbastler und Trompeter Etienne Sevet aus Lyon 2016 unter anderem in die afrokolumbianische Richtung. Die neue, gut produzierte und partytaugliche Arbeit schlägt einen weiteren, panafrikanischeren Latinbogen. Zuvor und wieder dabei die charismatische Sängerin Nidia Góngora von Kolumbiens Pazifikküste. Sie brillierte vielfach in Allianzen mit dem Produzenten Quantic. Der Brite und der Franzose sind Freunde und so was wie moderne „Kolumbusse“ auf friedfertigem, musikalisch gesinntem Beutezug.
Katrin Wilke

BOXGALOPP
Hoobädihöh, Fränkische Kinderlieder mit Boxgalopp
(Beste! Unterhaltung)


Auf diesem Album befindet sich genau das, was draufsteht. Fränkische Kinderlieder, gesungen in fränkischer Mundart, begleitet von vielen Kindern und einigen Stargästen. Das ist jede Kulturförderung wert und bedient auch das Klischee von Grundschullehrerinnen. Die Gruppe um David Saam setzt dabei auf eigens gesammelte traditionelle Kinderlieder und einige Eigenkompositionen. In einer Zeit, in der Kinder mit Netflix statt mit Liedern aufwachsen, ist diese Sammlung wertvoll.
Chris Elstrodt
DANIEL CASARES
Concierto De Aranjuez/La Luna De Alejandra
(Green Cow Music)


Nach der Hommage an Pablo Picasso aus dem Jahr 2015 (Picassares) wendet sich der Flamencogitarrist Daniel Casares nun dem sinfonischen Aspekt der spanischen Gitarre zu. Rodrigos Megaklassiker und ein eigenes, seiner Tochter Alejandra gewidmetes Werk wurden mit dem Philharmonischen Orchester Málaga (Casares’ Geburtsstadt) eingespielt. Casares’ Rodrigo muss sich mit der legendären Paco-de-Lucía-Interpretation von 1991 messen. La Luna De Alejandra ist eher moderner Flamenco mit dezenter Orchesterbegleitung.
Rolf Beydemüller

ConexiÓn
Cubana La Maravilla
(Connector Records)


Conexión Cubana ist eine altgediente Truppe des kubanischen Son, die dreizehn Jahre zusammenspielte, dann als Soneros De Verdad weitermachte, sich jetzt aber mit fast gleicher Besetzung wiedergründete. Insbesondere die Hinzunahme des Pianisten Heber Méndez macht sich dabei positiv bemerkbar. Die Band spielt aufgeweckt, bietet echte Ohrwürmer, und ihr „Muévete“ mit dem rauchigen Sänger Pedrito Calvo wirkt fast wie eine Rock-’n’-Roll-Nummer. Überzeugt.
Hans-Jürgen Lenhart
CORIANDRE
Camin D’Estèlas
(Eigenverlag)


Aus Sommières im okzitanischen Départment Gard stammt die fünfköpfige Gruppe, die auf ihrem sechsten Album elektrifizierte Bal-Folk-Musik spielt, gesungen in Okzitanisch, der Sprache der Troubadoure. Auf elektroakustischer Drehleier, Boha, Gaitas, Hautbois Languedocien, Chalumeau, Querflöten, Saxofon, Schlagzeug und Percussion geht es im Spannungsfeld zwischen Musique Trad, Weltmusik, Ska und Rock teils deftig zur Sache, ohne dass die Band je den Respekt vor dem traditionellen Ausgangsmaterial vermissen lässt. Modern, energetisch und spannend!
Ulrich Joosten

DIVERSE
Muscle Shoals – Small Town, Big Sound
(BMG)


Der kleine Ort Muscle Shoals in Alabama hat mit den Fame Studios Musikgeschichte geschrieben. Ein eigener Sound wurde hier geprägt, und die Rolling Stones, Wilson Pickett, Aretha Franklin und zahlreiche weitere prägende Musiker der Sechziger und Siebziger haben hier ihre Alben eingespielt. Einige der legendären Songs wurden nun von Künstlern wie Keb’ Mo’, Grace Potter oder Alison Krauss neu eingespielt (umwerfend: Grace Potter mit „I’d Rather Go Blind“) und machen Lust auf die Suche nach den Originalen.
Achim Hennes
DIVERSE
Stimmen Bayerns – München
(Trikont)


Die neue Ausgabe der Stimmen Bayerns ist der Stadt München gewidmet und so vielfältig, so überraschend, so anarchisch wie die wildgewachsene Kultur dieser Stadt. Altes und Neues, Lied, gesprochenes Wort und Instrumentalmusik von so unterschiedlichen Künstlern wie Karl Valentin und Liesl Karlstadt, Udo Wachtveitl, der Sendlinger Stubensusi, Hans Söllner oder den Zitronen Püppies. Eine wunderbare Kompilation zum Lauschen, Staunen und Entdecken.
Ulrich Joosten

RICHARD DOBSON
I Hear Singing
(Brambus Records)


Im Dezember 2017 verstarb der texanische Songschreiber mit Wohnsitz Schweiz unerwartet. Da hatten Richard Dobson und seine eidgenössischen Freunde dieses Album fast vollständig aufgenommen. Ohne ihn haben sie es vollendet. Es zeigt den 75-Jährigen, dessen Stücke Leute wie Johnny Cash und Dave Edmunds interpretiert haben, nochmals von seiner starken Seite – den markanten Gesang, die abwechslungsreichen Songs zwischen Blues, Folk und Mexikanischem. In jedem Fall eine würdige Hinterlassenschaft.
Volker Dick
DOMINIC EGLI’S PLURISM
Azania In Mind
(Unit Records)


Nach zwei Einspielungen mit westafrikanisch dominierten Einflüssen zeigt Dominic Eglis Afro Jazz Quartet auf diesem Tonträger, wie variantenreich südafrikanische Tradition in eine moderne Form transferiert werden kann. Überzeugend gelang das vor allem durch Gastsängerin Siya Makuzeni, aber auch durch den Trompeter Feya Faku. Afrikanische Eindrücke werden in sinnliche Balladen oder pulsierende Grooves mit eruptiven Soli verwandelt. Ein Genuss auf jeden Fall für Freunde der Improvisationskunst.
Christoph Schumacher

ERDE-ENKHEIM
Liebe bleibt
(Eigenverlag)


Gitarrensounds in hoher Qualität, wie sie Tom Petty zur Ehre gereicht hätten, treffen auf leicht naive Weltverbesserungstexte in Bots-Qualität. Das klingt nach Weltgebetstag im Rockgewand. Wer die Texte mag, wird sich vielleicht eine folkloristischere Instrumentierung wünschen. Wem die Musik gefällt, den stören womöglich die deutschen Texte. Reinhören sollten jedoch sowohl Folkie als auch Rocker, denn hier geht ein Künstler seinen eigenen Weg, und das verdient Respekt.
Chris Elstrodt
GRADRAUS
Frei
(Eigenverlag)


Aus dem ostschwäbischen Alfdorf, fast aus der Nachbarschaft von Wendrsonn, stammt diese schwäbische Folkrockband, ebenfalls mit weiblicher Frontstimme, vielfach instrumentalisiertem Bandsound und Texten mitten aus dem Leben. Im direkten Vergleich aber etwas schlagermäßiger und mit etwas zu häufigen Refrainwiederholungen. Die Texte sind auf Schwäbisch im Beiheft mitlesbar. Des Rezensenten Lieblingslied: „Oma“.
Michael A. Schmiedel

NATHAN GRAY
Live in Wiesbaden/Live in Iserlohn
(End Hits Records)


Für die, die Nathan Gray bisher nicht kannten, ist dieses üppige 2-CD/1-DVD-Live-Paket als Einstieg nur bedingt geeignet. Komplette Konzerte detailliert in Bild und Ton; Fans aber haben hiermit ein ausführliches Dokument. Der ehemalige Punk und Sänger der Band Boysetsfire mal nicht mit krachendem Hardcore, sondern eher besonnen in intimer Triobesetzung mit zwei E-Gitarren und Cello.
Imke Staats
GWENNYN
New Andro, Best of
(Coop Breizh)


Nach fünf regulären Alben hat die bretonische Sängerin Gwennyn ein schönes Best-of-Album vorgelegt, das auch vier neue Titel enthält. Gwennyn begann als Singer/Songwriterin mit bretonischer Note, hat mit ihrem vorigen Album Avalon aber einen klar folkpoppigen Weg eingeschlagen. Diesen Weg geht sie hier weiter, etwa im Titeltrack „New Andro“, der auch als Single ausgekoppelt wurde. Großen Anteil am Sound (und auch am Erfolg) von Gwennyn hat Patrick Marzin an Gitarre und Keyboards, der einst Ar Re Yaouanks Breizh Positive aufnahm und mit dem sie schon lange als Produzent und Co-Autor zusammenarbeitet.
Christian Rath

GYPSY HILL
Producing
(Batov Records)


Das britische Produzenten- und DJ-Duo DJ Kobayashi und Herbert Newbert mausert sich immer mehr vom Studio- zum Liveact. Quasi unter Livebedingungen hat es auch seinen neuen partytauglichen Longplayer eingespielt. Dabei haben die beiden so viele unterschiedliche Musiker eingeladen (darunter den israelischen Songwriter Koby Israelite, den marokkanischen Gnaouamusiker Simon Lagnawi sowie die sizilianische Electroswing-Combo Swingrowers), dass man den roten Faden etwas vermisst.
Ines Körver
DANIEL HAAKSMAN
With Love, From Berlin
(Man Recordings)


Der deutsche DJ und Musikproduzent versendet von seinem aktuellen Wohnort eine bunt vollgekritzelte klingende Postkarte in alle Welt. Also dorthin, woher auch die Mitwirkenden des Albums kommen. Alles Wahlberliner wie er, der einstige Patentierer bzw. Internationalisierer des Baile Funk. Über das teils Monotone, Dumpfe jenes brasilienstämmigen urbanen Sounds geht es weit hinaus in den neun Global-Beat-Tracks. Mit dabei renommierte Künstler beider Amerikas, Afrikas, diverser Länder Europas und Israels.
Katrin Wilke

LAKHDAR HANOU
Nassaj
(Cricao)


Während das Cover etwas unübersichtlich ist (auf der Vorderseite steht Trio Inde Orient Occident, auf dem Rücken nur der Name des aus Algerien stammenden Oudspielers Lakhdar Hanou), ist die Musik sehr aufgeräumt, auch an den virtuosesten Stellen. Hanou, von dem fünf der sechs Kompositionen stammen, und seine Musiker Auguste Harlé (Cello) und Debajyoti Sanyal (Tabla) liefern eine wunderbare Synthese aus arabischer, indischer und europäisch-klassischer Musik ab.
Ines Körver
HEATED LAND
In A Wider Tone
(K&F Records)


Das Americana-Projekt des Norddeutschen Andreas Mayrock besticht durch einen treibenden Groove, der trotz oder gerade wegen der Wahl akustischer statt elektrischer Instrumente ungewöhnlich spröde und scharfkantig erscheint. Die leicht schnarrende, tiefe Gesangsstimme passt perfekt zu den Texten, die Sehnsucht nach einem rauen, freien Leben erzeugen. Die Spannung auf dem Album wird durch die brillante Begleitung von Kontrabass und Schlagzeug noch verstärkt.
Chris Elstrodt

HEJIRA
Thread Of Gold
(Lima Limo Records)


Der Goldfaden ist das zweite Album des britischen Trios auf seinem eigenen Label. Benannt nach dem 1976er-Album von Joni Mitchell (anderen Quellen zufolge nach dem arabischen Wort für „Reise an einen Sehnsuchtsort“), haben Rahel Debebe-Dessalegne (voc, b), Sam Beste (voc, g) und Alex Reeve (g, keyb) ihren Sound weiter ins Ätherische und Sphärische verlagert. Selten klang ein soulbasiertes Album mehr nach Ambient und Soundscapes. Das hat durchaus seinen Reiz, wenn auch nicht zu jeder Tageszeit.
Walter Bast
JENSEN & DAUBENSPECK
Global Game
(7music)


Früher saß man mit der Wandergitarre am Lagerfeuer und rief: „Was reimt sich auf Ölkrise?“ – „Blumenwiese! Ja, das ist gut, das wird unser neuer Protestsong.“ Heute produziert man CDs. Daran ist nichts Schlechtes. Das Duo verpackt die richtigen Gedanken in, zugegeben, ungelenkes Englisch. Mit einer gefälligen Klangfarbe im Gesang und einer einwandfreien Gitarrenbegleitung macht das Album im Hintergrund viel Spaß, auch wenn die Künstler sicher das bewusste Anhören der Texte als Ziel verfolgten.
Chris Elstrodt

KEIMZEIT
Das Schloss
(Comic Helden)


Seit Wendezeiten zählt man die Musiker um Norbert Leisegang aus dem Brandenburgischen zu den Kultbands der Ostbundesländer. Der Titel des neuesten Studioalbums geht zurück auf Leisegangs Kindheit. Die Liedtexte sind gewohnt fantasievoll, oft skurril, manchmal kritisch und fast immer voller Metaphern. In „Geht schief“ heißt es: „Wir hören nur das, was wir hören wollen“. Musikalisch sind oft die Sechzigerjahre herauszuhören, wie etwa in „Lieblingsakkord“, aber auch Reggae und ideal zu den Texten passender Liedrock.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer
MO KLÉ
Fighter In The Sky
(EP; Greywood Records)


Leicht, melancholisch, getragen von einer süß-traurigen Cellomelodie, eröffnet der Schweizer Liedermacher mit der Singleauskopplung „Mercenary“ seine Debüt-EP. Das Lied handelt von einem, der sein Leben für die Ideale anderer verschenkt. René Grünenfelder, wie der St. Galler mit bürgerlichem Namen heißt, schreibt nachdenkliche, ruhige Songs zwischen Indiefolk und Pop.
Martin Steiner

OMER KLEIN TRIO
Radio Mediteran
(Warner Music)


Der in Deutschland lebende exzellente Jazzpianist aus Israel ist kein direkter Folker-Fall. Doch auf seiner Mittelmeer-(Radio-)Welle mitzusegeln ist allemal wohltuend, gerade wegen der Tristesse, die seit Jahren mit diesem Gewässer verbunden ist. Rhythmisch und klanglich vielfarbige Lieder – alles Eigenkompositionen – werden da „gesungen“ von seinem rein israelischen, hörbar gut aufeinander hörenden und eingestimmten Trio. Die Liebeserklärung an einen reichen Kulturraum ist Kleins achtes Album als Bandleader.
Katrin Wilke
ALEXIS KORNER
Every Day I Have The Blues – The Sixties Anthology
(Cherry Red Records)


Alexis Korner gilt neben John Mayall als „Vater des britischen Blues“, als sie diesen zu Beginn der Sechziger elektrifizierten, um weitere Instrumente anreicherten, beschleunigten und dessen Metrik verzerrten. Dies begeisterte erst das junge Publikum Londons, dann Europas und schließlich auch die jungen weißen Zuhörer in den USA, was dort wiederum zum Revival des Blues führte. Nachzuhören auf diesen drei CDs, die die musikalische Entwicklung der Sechziger sehr schön nachzeichnen.
Achim Hennes

MORITZ KRÄMER
Ich hab’ einen Vertrag unterschrieben 1 & 2
(Tapete Records)


Ein Doppelalbum nennt er das, zwei Teile auf einer CD, und bei allem geht es um die Problematik eines unterschriebenen Vertrages und die Konsequenzen daraus. Ein origineller Gedanke, solch eine Fragestellung in Liedern durchzuspielen und die unterschiedlichen Aspekte auszuloten. Es geht natürlich am Ende um die Beziehungen von Menschen und auch um Musiker. Der erzählende Gesang vom filmemachenden Frontmann der Band Die Höchste Eisenbahn, Moritz Krämer, macht daraus ein interessantes Liederprojekt.
Rainer Katlewski
KRAUKA
Loka Leikur
(Eigenverlag)


Die dänischen Folkrocker von Krauka vertonen seit 1999 nordische Mythen, Märchen und Erzählungen. Die als Wikinger kostümierten Musiker hatten einst mit archaischen Akustikinstrumenten begonnen und präsentieren sich auf der neuen Produktion als fetzige moderne Rockband. Mächtig Mittelalterfeeling bringt der tiefe, wuchtige und derbe Gesang des Leadsängers. Ein Album für Fans von Trollen, alten Königen und gefallenen Kriegern. Krauka ist die dänische Alternative zu Corvus Corax.
Udo Hinz

TRISTAN LE GOVIC TRIO
Dañs
(Eigenverlag)


Der bretonische Harfenspieler Tristan Le Govic formte ein Trio in der Besetzung Harfe-Bass-Percussion. Die Musik wirkt trotz des Albumtitels weniger wie Tanzmusik, eher wie Folkjazz. Dazu trägt nicht zuletzt das (im Folkmaßstab) sehr anspruchsvolle Spiel des Percussionisten Alan Quéré-Moysan bei. Je öfter man die CD hört, desto mehr spürt man, wie er den Sound des Trios prägt. Bassist Tangi Le Henanff ist dagegen eher zurückhaltend. Namensgeber Tristan Le Govic steuert melodieorientiertes Harfenspiel bei und hat auch die meisten Stücke geschrieben.
Christian Rath
ALBERTO LOMBARDI
The Fermi Paradox
(Acoustic Music Records)


Der exzellente italienische Fingerstylegitarrist Alberto Lombardi unternimmt eine kurzweilige Querbeetreise durch verschiedenste musikalische Genres und erweist sich als unglaublich fantasievoller Arrangeur. Unter seinen Fingern klingen „Penny Lane“ oder „Yesterday“ ebenso raffiniert wie seine feinen Bearbeitungen von Jazzklassikern. Aber auch das heimatliche „O Sole Mio“ reiht sich nahtlos in die musikalische Perlenkette ein.
Rolf Beydemüller

SANDRA LUBOS & DANIEL WAHREN
Celtic – Lieder aus Irland und Schottland
(Fuego)


Wie die Cover Art bereits andeutet, changiert der Gesang und die ums Klavier gebaute Songbearbeitung der beiden Detmolder Künstler zwischen Pop, Schlager und Musikantenstadl-Œuvre. Bis auf einige zu affektierte Momente durchaus sehr stimmsicher, werden diese Arrangements von ziemlich durchgespielten irisch-schottischen Hits das Folkpublikum nicht erreichen können. Vor allem wegen völlig mangelnder Authentizität und Einblick ins Genre – auch am Englischen hapert es ordentlich.
Johannes Schiefner
WOLFGANG MIELITZ
Reason To Stay
(Intraton)


Zwei Herzen schlagen in dem bei Stuttgart lebenden Gitarristen und Songwriter. Auf seinem neuen Album vereint er zupackende Songs voller Soul und Funk mit entspannten Instrumentals zwischen Smooth Jazz und Latinopop. Gitarrenfans freuen sich über die geschmackvollen Soli auf elektrischen und akustischen Gitarren. Der erfahrene Musiker versammelt auf der CD über zwanzig Kollegen und schafft schöne Arrangements unter anderem mit Bass, Drums, Keyboards, Percussion, Saxofon und Mundharmonika.
Udo Hinz

DOMINIC MILLER
Absinthe
(ECM Records)


Die zweite Veröffentlichung des Sting-Gitarristen auf ECM (Silent Light, 2017). Diesmal ist unter anderem der Bandoneonspieler Santiago Arias mit von der Partie und verleiht dem zwischen Jazz und Folklore changierenden Album eine südamerikanische Note. Wie auch beim Vorgänger reihen sich äußerst melodische Kompositionen an kurze impressionistische Stimmungen. Millers gitarristische Ästhetik ist nicht die des Virtuosen, sondern, wie sein Lebenswerk verrät, die des gruppendienlichen Musikers. Und so bleibt im Zentrum, was im Zentrum sein sollte: die Musik.
Rolf Beydemüller
MOES ANTHILL
Quitter
(Tourbo Music)


„Neo Folk, Americana“ etikettiert das Urner Quintett um den Songschreiber Mario Moe Schelbert seine Musik. Dazu kommt ein gehöriger Schuss Pop, der wuchtige Einschübe in die oft ruhigen Songs erlaubt. Quitter ist gewissermaßen ein Gesamtkunstwerk. Das Album erscheint als CD, Vinylplatte, als Version mit Streichquartett (Moes Anthill String Quartett), einem Comic des irakischen Zeichners Bashar Ahmed und einem Bart- und Körperöl namens Quitter.
Martin Steiner

Juan José Mosalini
Orchestra Live Tango
(Doublemoon Records)


In dieser Wiederveröffentlichung von Konzertaufnahmen seiner Welttournee von 2007 setzte Mosalini auf großorchestrale Fassungen von Tangos alter Meister der Vierziger- und Fünfzigerjahre bis hin zum Tango Nuevo, wie sie eher selten zu hören sind. So präsentiert, ist es nachvollziehbar, warum Tangokomponisten öfters auch für Filmmusik eingesetzt wurden. Die großen Dynamikunterschiede rufen direkt danach. Ein schönes Doppelalbum für Liebhaber des authentischen Tangos.
Hans-Jürgen Lenhart
NANA MOUSKOURI
The Voice Of Greece
(Cherry Red Records)


In Deutschland gilt sie als Schlagersängerin, und tatsächlich war Mouskouri der leichten Muse nie abgeneigt. Doch in ihrer langen Karriere war sie auch immer die Botschafterin der Musik ihres Landes. Die vorliegende Box mit drei CDs und fast vier Stunden Musik zeigt diese beiden Seiten ganz am Anfang ihrer Laufbahn zwischen 1958 und 1962. Mit dabei unter anderem die Manos-Hadjidakis-Filmmusik des deutschen Dokumentarfilms Traumland der Sehnsucht (1961). Besonders überzeugend sind die Theodorakis-Vertonungen von Yannis-Ritsos-Gedichten anlässlich des Todes eines Fabrikarbeiters bei einem Streik.
Mike Kamp

MUSIC FROM THE ACOUSTIC NEIGHBOURHOOD
Dónde Son Estas Serranas
(Carpe Diem Records)


Die Gruppe um den in Bremen lebenden amerikanischen Lautenisten Lee Santana (Vihuela, Cittern) und den deutschen Jazzgitarristen Andreas Wahl (dezente E-Gitarre, E-Bow) wechselt zwischen spanischer Renaissancemusik (16. Jh.) und eigenen Kompositionen, die auch Jazz- und Rockelemente enthalten. Die Konzeptidee des Albums beruht auf einem alten spanischen Liebeslied. Unterstützt werden die beiden von Marthe Perl an der Gambe und der Sopranistin Antje Rux.
Piet Pollack
MUSIQUE IN ASPIK
Alte Lieder & Poesie
(Eigenverlag)


Hinter dem lustigen Namen stecken Markus Wangler und Petra Küfner aus Augsburg. Teils tradiert und bekannt, teils jazzig verfremdet, bieten sie hier deutsche Volkslieder wie „Es führt über den Main“ oder auch Kinderlieder wie „Hänschen klein“ mit Gitarren-, Flöten- und Percussionbegleitung. Manches klingt etwas albern, aber auf keinen Fall altbacken. Das schön gestaltete Beiheft enthält Fotos und alle Texte.
Michael A. Schmiedel

NATTY
Man Like I & I – Special 10th Anniversary X Edition
(Vibes & Pressure)


Holla, gibt’s jetzt schon „Anniversary Editions“ für zehn Jahre Zugehörigkeit zum Reggae-Business? Doch dem Sohn eines Italieners und einer Südafrikanerin kommt für die Wiederveröffentlichung seines Albums Man Like I aus dem Jahre 2008 der Vinyl-Hype entgegen. Und so enthält das 2018er-Doppelalbum Man Like I & I auf LP eins ein Remaster des Originalalbums und auf LP zwei vier neue Stücke und sechs Remixe mit Gästen wie Benjamin Zephaniah oder Seun Kuti. Auf der CD gibt’s dann „nur“ den Inhalt von LP zwei.
Walter Bast
Maxwell Oliviera
Água Sangue Da Terra
(Eigenverlag)


Die hier zu hörende Mischung aus Pop, Hip-Hop, Flamenco, Jazz, Klassik, Rock, Baiao, Choro und Samba Funk müsste man hierzulande lange suchen. Der brasilianische, in Deutschland lebende Liedermacher Maxwell Oliviera schüttelt sie aus der Hand und dazu noch miteinander zusammen. Ihm gelingt damit ein anspruchsvolles wie tanzbares Album mit brasilianischer Musik und europäischen Einflüssen. Zudem sind erstaunlich oft Geige und Flöte zu hören.
Hans-Jürgen Lenhart

OURAWEN
Le Goût Des Orties
(Eigenverlag)


Ourawen ist ein bretonisches Trio, das Fest-Noz-Tanzmusik spielt. Bestimmender Musiker ist hier Matthieu Lebreton, der Gitarre und Mandola spielt. Gelegentlich (eher zu selten) singt er auch. Vor allem die Mandola sorgt für einen vollen Sound, sodass man eine größere Gruppe erwarten würde. Auf der Gitarre spielt Lebreton eher Melodien. Mit dabei ist auch Odran Bigot an der Geige sowie der Percussionist Emmanuel Geffray. Ein sehr energetischer und eigenständiger Sound. Die meisten Stücke hat Matthieu Lebreton selbst geschrieben.
Christian Rath
RAOKY
Niova
(Fuego)


Drei Jahre nach dem Debütalbum nun also der zweite Streich des madagassisch-deutschen Quartetts um Sänger Dada Bessa und Gitarrist Marvin Warnke. Der Titel bedeutet „neu“, aber auch „verändert“. Der groovende afrokreolische Musikmix ist in der Tat gefälliger und abwechslungsreicher, durchweg sehr melodiös und tanzbar. Happy-go-lucky-Songs mit unverfänglichen Inhalten.
Roland Schmitt

FRED RASPAIL
Radio Primitivo
(Gutfeeling Records)


Französisch angehauchten Chanson-Punk in mindestens drei Sprachen präsentiert der französische Songwriter. Das klingt selbst gemacht und eher witzig als kunstvoll, macht live aber bestimmt gute Laune. Radio Primitivo wird so zur selbst gewählten Wahrheit und spricht vermutlich eher jugendliche Partygänger als Konzerthallenbesucher an. Das Außergewöhnliche an Raspail – er spielt alle Instrumente gleichzeitig selbst – wirkt auf CD nur schwer. Also hinein in die nächste Kneipe und eine Runde spendiert.
Chris Elstrodt
REFLEJOS
Al Aire
(Artdialogue)


Zur kleinen, stolz wachsenden Schar versierter Flamencogitarristinnen gehören auch Nichtspanierinnen. Beate Reiermann aus Wien zog es von Klassik und Jazz aus gen Flamenco, studierte ihn hörbar intensiv. Sieben Eigenkompositionen und ein sephardisches Traditional intoniert sie hier gefühlvoll und frisch – gemäß dem luftigen Albumtitel. Zusammen mit einer spanischen Sängerin, die auch flamencofernere Register zu ziehen weiß, einer vielseitigen Percussionistin und einem nicht minder ausdrucksstarken Geiger.
Katrin Wilke

HELEN ROSE
Trouble Holding Back
(Monkey Room Music)


Ein sehr schönes Debüt ist der jungen Sängerin und Saxofonistin Helen Rose hier gelungen. Gekonnt und geschmackvoll mäandern ihre Songs zwischen modernem Country („Flatlands Of North Dakota“) und Blues („When The Levee Breaks“). Offenbar verwendet sie sehr viel Mühe auf die Komposition und perfekte Instrumentierung, und so wird der Hörer mit solch außergewöhnlich vielschichtigen und groovenden Songs wie „A Dangerous Tender Man“ belohnt.
Achim Hennes
RUZ RÉOR
Nouvelle Cuvée
(Coop Breizh)


Die sechsköpfige bretonische Band Ruz Réor macht instrumentale Fest-Noz-Tanzmusik. Im Mittelpunkt steht dabei das Saxofon von Richard le Goc, das mit der Bombarde von Alain Pensec interagiert. Weitere Instrumente sind Akkordeon, Gitarre, Bass und Schlagzeug. Der Bandsound, der im Stil an Sonerien Du erinnert, ist gut gelaunt und leicht konsumierbar, allerdings nicht übermäßig abwechslungsreich. Mit dem Album feiern Ruz Réor ihren fünfzehnten Band-Geburtstag. Der Albumtitel Nouvelle Cuvée spielt vielleicht auf das Sprichwort „Neuer Wein in alten Schläuchen“ an.
Christian Rath

SAMIRA SAYGILI & PETER AUTSCHBACH
Sweeter Than Honey
(Acoustic Music Records)


Zwischen den Stühlen ist es manchmal am interessantesten. Sängerin Samira Saygilli und Gitarrist Peter Autschbach haben ein Duoalbum zwischen Jazz und Pop geschaffen. Bei ihnen klingen Eigenkompositionen wie neue Jazzstandards. Stücke von Duke Ellington oder Elton John interpretieren sie so eigen, dass ganz neue Facetten zu hören sind. Beide Musiker eint, dass sie filigran und gefühlvoll musizieren und ihre Stücke klug arrangieren. Kurz: Emotionaler Gesang trifft virtuose Gitarre.
Udo Hinz
KATLEEN SCHEIR
Border Guards
(Starman Records)


Neben ihrem Erfolg als Sängerin des Trios The Golden Glows wandelt die Belgierin jetzt auch auf Solopfaden. Diesmal interpretiert sie keine Stücke aus den Zwanzigern oder Traditionals, sondern präsentiert eigene Kompositionen, etwa über das Aufwachsen in einer zerrütteten Familie, die schwierige Suche nach einer Lebensperspektive oder den Tod ihrer Mutter. Die Absolventin des Konservatoriums in Antwerpen beeindruckt mit zwölf tiefgehenden Liedern zwischen Roots, Folk, Chanson, Pop, Blues und Jazz.
Erik Prochnow

SLIOTAR
Voyage
(Sliotar Music)


Das klingt wie energetische Musik aus einem Irish Pub. Anleihen an kommerziellem songorientiertem Irish Rock gemischt mit rockig aufgezogenen Dance Tune Sets. Viel konventioneller Dampf vom Schlagzeug unterlegt Rhythmusgitarre und die Leadmelodien von Uilleann Pipes und Tin Whistle. Während die Instrumentals an überzogener Hektik und spielerischen Ungenauigkeiten leiden, sind die Songs – ideenreich komponiert und von J. P. Kallio und Ray McCormac charaktervoll gesungen – überzeugender und erreichen das Herz.
Johannes Schiefner
SMAF
Boom
(DMG Records)


Dass die regelmäßige TV-Präsenz in einer Late-Night- oder Comedyshow dem Bekanntheitsgrad nicht abträglich sein muss, ist eine Binse. (Man frage Helmut Zerlett …). Wenn ein Ensemble allerdings so charmanten und kompetenten Retro-Rock zu spielen imstande ist wie die vier Jungs von SMAF, dann ist es letztlich auch egal, ob sie ihre Popularität der Teilnahme an der Pierre M. Krause Show im SWR verdanken. Qualität setzt sich immer durch. Und die haben die vier Musiker im Überfluss.
Walter Bast

KITTY SOLARIS
Cold City
(Solaris Empire)


Die Wahlberlinerin thematisiert im sechsten Album das Leben in ihrer Stadt im Wandel. Ihre Erkenntnisse packt sie in englische Texte und repetitive Strukturen und schafft eine hypnotische Intensität, ähnlich der P. J. Harveys, begleitet durch Gitarre, Schlagzeug, Keyboard und viel Bassklarinette mit überwiegend düsterer Grundstimmung. Jedoch nicht nur: Am leichtesten scheint sie sich als „Tourist In My Own Town“ zu bewegen.
Imke Staats
FRANK SOLIVAN & DIRTY KITCHEN
If You Can’t Stand The Heat
(Compass Records)


Frank Solivan zeigt sich erneut als hervorragender Mandolinist und erstklassiger Sänger. Mit dem Songschreiben hält er sich hingegen zurück, präsentiert stattdessen vor allem eine Auswahl an Fremdkompositionen, die eine beachtliche stilistische Bandbreite abdecken, von Bluegrass über Jazz bis Pop. Dabei unterstützen ihn Spitzenmusiker wie Fiddler Michael Cleveland oder Dobrovirtuose Rob Ickes. So gelingt auch locker eine überzeugende Coverversion von Steely Dans „Rikki Don’t Lose That Number“.
Volker Dick

STANDARD CROW BEHAVIOR
How To Build A Nest
(EP; Eigenverlag)


Zwei Männer, eine Frau – gut vorstellbar, dass die drei Fans der US-Formation Nickel Creek sind. Wie diese bedienen sie sich des Bluegrass-Instrumentariums, um damit eigene Songs zwischen Folk, Jazz, Pop und eben Bluegrass zu spielen. Fünf Stücke bietet diese Debüt-EP, die durchaus Lust auf mehr macht. Fit an den Instrumenten, schöner dreistimmiger Harmoniegesang und geschmackvolle Arrangements zeichnen die deutsch-amerikanische Truppe aus. Der Vergleich mit Nickel Creek jedoch verbietet sich.
Volker Dick
SUBWAY TO SALLY
Hey!
(STS Entertainment)


Das dreizehnte Studioalbum der Potsdamer glänzt durch brachiale Riffs, straighten Rock und Metal, kurze Mittelalteranklänge, den expressiven Gesang von Eric Fish und dezente elektronische Effekte. Die Texte von Bodenski kommen immer stärker im Hier und Jetzt an, beschäftigen sich mit gesellschaftlichen Untergangsszenarien, dem Einmischen und dem Weckruf, aktiv zu werden. Angenehmer Ruhepunkt sind „Annas Theme“ und „Am Tiefen See“, wo Syrah (Qntal, Estampie) gesanglich unterstützt. Hintendran der Titelsong mit einem Na-na-Text, der eher zur Zugabe ins Konzert passt als auf eine CD.
Piet Pollack

SUSANNA & THE BROTHERHOOD OF OUR LADY
Garden Of Earthly Delights
(Susanna Sonata)


Es ist bereits das dreizehnte Album der klassisch ausgebildeten norwegischen Pianistin und Sängerin. Noch immer passt sie in kein Schema. Auf ihrer aktuellen Produktion hat sie die Werke des niederländischen Renaissancemalers Hieronymus Bosch als Inspirationsquelle herangezogen. Herausgekommen sind musikalische Gemälde zwischen Indie, Pop, Folk und Elektronik. Wie Bosch präsentiert Susanna Collagen über Licht und Dunkel des menschlichen Lebens.
Erik Prochnow
TEEATER
Sturmwarnung
(John Silver Musikverlag)


Matthias Woest, Thomas Eichler und Texter Martin Miersch stehen in der Tradition der DDR-Liedtheater und legen nun ihre dritte CD vor. Sturmwarnung steht dabei sinnbildlich für die Gefahren der Menschheit in einer sich rasant verändernden Welt. „Doch wie die Zeichen sich auch mehren, scheint dich keinen Deut zu scheren.“ Vierzehn Titel mit intelligenten Texten, oft sarkastisch, auch Nachdichtungen von Bob Dylan. Dazu adäquat eine akustisch-rockige Instrumentierung, auch Blues, folkige und jazzige Töne, mit Gästen wie Dirk Zöllner.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

TOBIAS THIELE
Alles kann anders sein
(Redhead Music)


Das zweite Album des Berliner Liedermachers, der sich von den lateinamerikanischen Sängern inspirieren lässt, ist voller Reflexionen über die Zeit, gerne auch über die (besseren?) alten Zeiten, die er zur Gitarre vorträgt. Ernsthafte, etwas melancholische Lieder. Selbst da, wo er es krachen lässt, mag fröhliche Stimmung nicht aufkommen. Er bemüht sich, manchmal etwas holprig, seiner kritischen Analyse auch etwas Alternatives, eine Utopie entgegenzusetzen. Er will die Welt ändern und andere motivieren.
Rainer Katlewski
KATRIN UNTERLERCHER
Flowers
(Three Saints Records)


Die österreichische Harfenistin demonstriert eindrucksvoll, wie vorzüglich ihr Saiteninstrument für zeitgenössische Kompositionen geeignet ist. Zusammen mit ihrem Mann Werner am Kontrabass hat die studierte Musikerin aus Tirol ein beschwingtes erstes Soloalbum vorgelegt. In zwölf eigenen Kompositionen präsentiert Unterlercher die vielklingenden Potenziale der Harfe. Mit ihrem bestechenden Können und einer großen Dynamik legt sie ein kurzweiliges Programm vor, das sicher auch live begeistern wird.
Erik Prochnow

TIL VON TUM
… zum Glück
(Eigenverlag)


Ein distinguiert wirkender älterer Herr, der mit Klavier-, kleiner Streicher- und Bläserbegleitung in sonorem Ton seine eigenen, recht traditionellen Lieder humanistischen Inhalts vorträgt. Es sind rhythmisch gereimte Texte, die sich über viele Jahre angesammelt haben und die sein Düsseldorfer Pianist Pietro Pittari vertont hat. Entfernt an Couplets erinnernd, werden gereifte Lebenserfahrungen dargeboten, die zwar Illusionen platzen, aber immer noch Raum für Zuversicht und Hoffnung lassen.
Rainer Katlewski
WATERMELON SLIM
Church Of The Blues
(Northern Blues Music)


Ein wirkliches Urgestein der elektrischen und der Slide-Bluesgitarre ist er, dazu ein begnadeter Harpspieler und hervorragender Bluessänger. Watermelon Slim feiert hier mit sieben eigenen Stücken und sieben Covern den Chicago-Blues und widmet diese CD musikalischen Freunden von Muddy Waters bis Fred McDowell. Begleitet von zum Beispiel Bob Margolin, Sherman Holmes oder Joe Louis Walker, bleibt dann auch kein Wunsch nach dem rauen Blues der „Windy City“ offen.
Achim Hennes

TROLLIUS WEISS
Dich will ich sehen
(House Master Records)


Hier treffen Wortkunst auf musikalische Finesse. Der Darmstädter Liedermacher überzeugt auf seinem vierten Album mit elf sehr fein arrangierten neuen Songs und wieder sprachlich gewandten Texten über die vielschichtigen Ströme des Lebens. Manchmal wirken die Zeilen allerdings etwas überladen, zu gewollt. Auch kann Weiss’ Gesang nicht immer mit seinem ansprechenden Gitarrenspiel und den Fertigkeiten der Gastmusiker auf Cello, Violine und Blockflöte mithalten. Dennoch lohnt sich das Reinhören.
Erik Prochnow
WILDES HOLZ
Freunde
(Holz Records)


Dass die Blockflöte von Klassik über Jazz bis Rock, Klezmer, Country und natürlich im Folk eingesetzt sehr mitreißend klingen kann, beweist Tobias Reisige mit Begleitung durch zwei Bandmitglieder an Kontrabass, Mandoline und Gitarre und hier zusammen mit neun befreundeten Solisten oder gar Bands, darunter Stoppok und Helmut Eisel. Das Album ist eine Hommage an den 2018 verstorbenen Gitarristen Anto Karaula. Das schöne Beiheft ist leider nicht herausnehmbar.
Michael A. Schmiedel

CALUM WOOD
She Wyndes On: The Snow Roads
(EP; Magic Park Records)


Die lokale Tourismusorganisation möchte auf die Schönheit der A93 aufmerksam machen, die Snow Road, eine landschaftlich tatsächlich schöne Strecke durch die schottischen Cairngorm Mountains. Daher bat sie den Komponisten Calum Wood, entsprechend atmosphärische Musik zu schreiben. Herausgekommen sind ein Song und vier Instrumentals. Letztere unterteilen die Strecke von Blairgowrie nach Granton-on-Spey in entsprechende Abschnitte. Sehr gelungenes Projekt unter anderem mit Ross Ainslie, Charlie McKerron und Brigid Mhairi.
Mike Kamp



NORDLICHTER
GROUPA
Kind Of Folk, Vol. 2, Norway
(All Ice Records)


CAMILLA HOLE TRIO
Halvemål
(Taragot Sounds)


TRIO TÖRN
Debut
(Playing With Music)


GKN5
Bestastovo
(Taragot Sounds)


SKREKK & GURO
Folkemusikk 2.0
(Taragot Sounds)


JÄRVENTAUS/DLUZEWSKI
Jorden Svart
(Nordic Notes)


GROUPA aus Schweden sind schon so lange dabei und immer noch für Überraschungen gut. Diesmal bringen sie ihre Interpretationen norwegischer Musik. Ein reines Instrumentalalbum, womit Aussprachepeinlichkeiten vermieden werden. Sie halten sich zumeist an die norwegische Tradition, gut zu hören, nur die Frage bleibt: Wenn schon Grieg spielen, warum nicht des Meisters eigene Melodie verwenden? Kind Of Folk, Vol. 2, Norway (All Ice Records). Neu ist das CAMILLA HOLE TRIO mit der CD Halvemål (Taragot Sounds). Traditionelle Instrumentalmusik aus Norwegen sowie zwei Kompositionen von Camilla Hole. Die Originalstile klingen durch, doch eine Saxofonistin muss natürlich improvisieren, und so klingt es passagenweise doch arg nach dem üblichen skandinavischen saxofonischen Einheitsbrei. Eine große Überraschung ist das schwedische TRIO TÖRN, das sein erstes Album vorlegt, passenderweise Debut geheißen (Playing With Music). Streichinstrumente (Geigen, Cello) und traditionelle Stücke aus Schweden, es geht los mit einer fetzigen Polka, die trotzdem melancholisch klingt, so wie es schwedische Instrumentalmusik oft tut. Zum Immer-wieder-Hören und wunderschön. Ebenfalls überraschend ist Bestastovo (Taragot Sounds) der Gruppe GKN5. Von den acht Titeln auf der CD sind fünf traditionell, die anderen wurden im traditionellen norwegischen Stil von Bandmitglied Guro Kvifte Nesheim komponiert, die zudem Hardingfele und Hardanger d’Amore spielt. Andere verwendete Instrumente sind Cister, Nyckelharpa und Klarinette – und immer, wenn sie erklingt, bekommt das Norwegische überraschende Klezmeranklänge! Wenn eine Band SKREKK & GURO heißt (ein Wortspiel mit Schreck und Graus und dem Mädchennamen Guro), erwarten wir eine Menge Jux. Das Album heißt dagegen nüchtern Folkemusikk 2.0 (Taragot Sounds), und hier begegnet uns noch einmal Guro Kvifte Nesheim mit ihrer Hardingfele. Auf dem Cover trägt sie norwegische Tracht, die Männer aus der Band dagegen sehen aus wie norwegische Bierzeltmusiker – und genau dieses Stilgemisch erwartet einen auf der CD. Nach so vielen Instrumentalwerken nun ein schwedisches, auf dem der Gesang dominiert. JÄRVENTAUS/DLUZEWSKI widmen sich auf Jorden Svart (Nordic Notes) der Musik ihrer Heimatregion Norbotten. Die musikalischen Traditionen Norbottens, wo viele Einflüsse zusammenströmen (es gibt neben den Sami auch eine finnischsprachige Minderheit), werden erst jetzt aufgearbeitet, also gibt es auf dem Album eine Menge zu entdecken. Höhepunkt ist der alte Sweeney’s-Men-Titel „My Dearest Dear“ in norbottischem Gewand!
Gabriele Haefs



AMERICANA
MANDOLIN ORANGE
Tides Of A Teardrop
(Yep Roc Records)


AMIGO THE DEVIL
Everything Is Fine
(Regime Music Group)


KAZ MURPHY
Ride Out The Storm
(Eigenverlag )


TISH HINOJOSA
West
(Tish Records)


GOSPELBEACH
Another Winter Alive
(Alive Records)


Die US-Amerikaner MANDOLIN ORANGE sind ein Duo, das tief im Bluegrass verwurzelt ist. Wie auf den Vorgängeralben hören wir auf Tides Of A Teardrop (Yep Roc  Records) hauptsächlich Mandoline und Fiddle, die von dem speziellen mehrstimmigen Gesang gekrönt werden. Trotzdem verzichten die beiden nicht auf moderne Unterstützung durch Bass, Keyboards und Schlagzeug, was den Songs einen großen Abwechslungsreichtum verleiht. Danny Kiranos hingegen, der sich AMIGO THE DEVIL nennt, bauscht seine Songs durch ausladende Arrangements zu pompösen Seelendramen auf. Kiranos erklärt dazu, er wolle in seinen düsteren Melodramen „Songs über die allerschlimmsten Menschen schreiben, um in ihnen die Menschlichkeit zu entdecken“. Ob ihm das auf Everything Is Fine (Regime Music Group)  gelingt, sei dahingestellt, jedenfalls ist bei ihm alles äußerst stilbewusst. KAZ MURPHY hat bereits Hunderte von Songs geschrieben, Novellen veröffentlicht, Theater gemacht und sich in der Welt herumgetrieben. Seine Stimme klingt leicht wettergegerbt. Murphy erzählt vom Leben am Rand der US-amerikanischen Gesellschaft, das allerdings keine Außenseiterexistenz ist. Seine Songs auf Ride Out The Storm (Eigenverlag) sind geradlinig und nicht zu aufdringlich arrangiert. Seit dreißig Jahren veröffentlicht TISH HINOJOSA mittlerweile Platten, und West (Tish Records)  ist nach fünf Jahren mal wieder etwas Neues von ihr. Wie von Beginn an sind ihre Songs fein gestrickt und weisen häufig mexikanische Bezüge auf. In den Texten steckt viel Autobiografisches und sie hat sechs Musiker um sich versammelt, die den sehr persönlichen Songs frische und abwechslungsreiche Arrangements verpasst haben. Mit zwei akustischen Gitarren und dem Klavier im Zentrum spielt das Trio GOSPELBEACH auf Another Winter Alive (Alive Records)  häufig psychedelisch wirkende Songs, die von den späten Beatles geprägt zu sein scheinen. Gelegentlich wechseln sie aber auch zu elektrischer Gitarre, Bass und Schlagzeug, sodass es Ausflüge in den Rockbereich gibt.
Michael Freerix



Bücher
 PAUL D. BARTSCH: Große Brüder werfen lange Schatten : Novelle.
PAUL D. BARTSCH
Große Brüder werfen lange Schatten : Novelle.
mitteldeutscherverlag.de
(Halle : Mitteldt. Verl., 2018. – 139 S.)
ISBN 978-3-96311-026-9 , 10,00 EUR


Der Autor gehört mit seiner Band im Osten des Landes zu den wichtigsten Vertretern des Liedrock mit engagierten Texten. Da es für ihn „Dinge gibt, die sich nicht in drei, vier Liedminuten sagen lassen“, schrieb er diese Novelle um Jugendliche im Jahr 1970 in einer DDR-Kleinstadt am Harz. Als das Gerücht verbreitet wird, die Hollies würden in der DDR gastieren, beschließen die Schüler, selbst eine Band zu gründen. Nicht nur bei den Bandproben lernen sie die Widersprüche der DDR-Gesellschaft und des Erwachsenwerdens kennen. Da geht es um Westverwandtschaft und Klassenfeind, Staatsbürgerkunde und Fahnenappell, Jugendweihe und lange Haare, Tonbandgerät und Spielerlaubnis, Bravo und erste Liebe. Und natürlich immer um Beatmusik von den Kinks, Troggs, The Who bis hin zu „Blowin’ In The Wind“. Es wird erzählt von der Schwierigkeit, Schallplatten zu bekommen, und darüber, wie man sich über Soldatensender und Radio Luxemburg informierte, was im Westen politisch und musikalisch passierte. Das Buch trägt sehr wahrscheinlich autobiografische Züge. In bildhafter Sprache und völlig ohne verklärende Nostalgie kann man sich in diese Jahre zurückversetzen. Der Rezensent konnte vieles wiederentdecken, was er genau so oder ähnlich erlebt hat. Ein gelungener Einblick, wie sich Jugendliche auf der Suche nach Identität, Lebenssinn und Kreativität durchzusetzen versuchen. Vermutlich wird das in den westlichen Bundesländern damals gar nicht so viel anders gewesen sein.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer
 STEPHEN PRINCE: A Year In The Country : Wandering through spectral fields ; journeys in motherly pastoralism, the further reaches of Folk and the parallel worlds of h
STEPHEN PRINCE
A Year In The Country : Wandering through spectral fields ; journeys in motherly pastoralism, the further reaches of Folk and the parallel worlds of h
ayearinthecountry.co.uk
(Manchester : Eigenverl., 2018. – 335 S.)
ISBN 978-0-9574007-2-6 , 15,95 GBP (e-Book 6,95 GBP)


Strange things! Oder was sonst fällt der geneigten Leserschaft ein, wenn sie mit folgenden Begriffen konfrontiert wird: hauntology, pastoral, occult, weirdlore, acid & psych folk, otherworldly, folk horror, edgelands, wyrd, spectral fields? Vielleicht kommt zuallererst die Frage auf: Nett, aber was hat das mit uns zu tun? Daher eine unvollständige Liste der Künstler, die hier auf unterschiedliche Art und Weise mit diesen Begriffen in Verbindung gebracht werden: Fairport Convention, Pentangle, Shirley Collins, Alan Lomax, Maddy Prior & Tim Hart, Vashti Bunyan, The Watersons, Bob Pegg, Emily Portman oder Alasdair Roberts. Entstehen nun irgendwelche Assoziationen? Die Fakten: Das Buch entstand aus einer Serie von täglichen Website-Posts, die Stephen Prince erstellte. Hier sind sie, einem Jahr entsprechend, in 52 Kapitel unterteilt. Auf seiner Website wird das Projekt mit Fotos, Musik und Texten fortgeschrieben. Esoterik und Subkultur aus dem Gestrüpp der (meist englischen) ländlichen Gegend. Diese etwas unwirkliche Schwarzweißwelt umfasst nicht nur Musik – häufig Folk aus den Sechziger-/Siebzigerjahren –, sondern auch Bücher, Zeitschriften, TV-Serien oder Filme wie The Wicker Man. Oder es geht um sogenannte, von der britischen Regierung finanzierte Public Information Films, die die Bevölkerung in den Sechzigerjahren vor gewissen Gefahren warnen sollten und – wohl eher unfreiwillig – oft in Richtung Horrorfilme tendierten. Und es gibt tatsächlich auch die Telegraph Pole Appreciation Society! Diese wilde und sonderbare Mischung weitab von irgendeinem Mainstream wirkt anfänglich völlig überdreht und repetitiv. Wenn man sich jedoch in die Materie eingelesen hat, geht von der Verbindung von (Folk-)Musik, Film, Buch etc. eine eigentümliche Faszination aus – was nicht heißt, dass man danach geneigt ist, den oft abgedrehten Schlussfolgerungen von Stephen Prince vorbehaltlos zu folgen. Es ist halt eine Philosophie, die gewisse Phänomene zusammenfasst. Die des Rezensenten allerdings ist es nicht.
Mike Kamp

 ADRIAN WHITTAKER: Dr Strangely Strange : Fitting Pieces to the Jigsaw Adrian Whittaker with Tim Booth, Tim Goulding and Ivan Pawel.
ADRIAN WHITTAKER
Dr Strangely Strange : Fitting Pieces to the Jigsaw Adrian Whittaker with Tim Booth, Tim Goulding and Ivan Pawel.
drstrangelystrange.co.uk
(London : Ozymandias Books, 2019. – 304 S. : mit zahlr. s/w-Abb. u. -Fotos. )
ISBN 978-0-954780-81-4 , 14,99 GBP


Was die Holy Modal Rounders für Amerika, Fairport Convention für England und die Incredible String Band für Schottland waren, war Dr Strangely Strange für Irland: die Gruppe, die traditionelle Musik mit psychedelischen Sounds verband. Nur zwei Alben hat das Trio 1969 und 1970 veröffentlicht, die kaum Beachtung fanden, was zur Legendenbildung beitrug. Die Acid-Folk-Band kam aus dem Underground-Milieu von Dublin. In Kommune-Wohnungen und einem Pub traf sich ein buntes Völkchen aus Möchtegernmusikern, Künstlern und Lebenskünstlern, um die Welt, Kunst und Musik völlig neu zu entwerfen. Stimulanzien wie LSD spielten eine Rolle. In dieser winzigen Enklave lief man sich zwangsläufig über den Weg, Gitarrist Gary Moore von Skid Row und Phil Lynnot von Thin Lizzy gehörten dazu. Aus Edinburgh kamen Robin Williamson und Mike Heron von der Incredible String Band zu Besuch. Ihr Plattenproduzent, Joe Boyd, verschafft Dr Strangely Strange den ersten Plattenvertrag, was ihnen Auftritte an Universitäten in Großbritannien einbrachte. Doch der Durchbruch blieb aus. 1971 löste sich die Band auf. Autor Adrian Whittaker ist offenbar ihr größter Fan. Mit Akribie hat er eine Unmenge an Informationen zusammengetragen und damit die Geschichte der Gruppe minutiös rekonstruiert, wobei auch die subkulturelle Szene von Dublin in den Sechzigerjahren in den Blick gerät. Für eingefleischte Fans der Band eine wahre Fundgrube.
Christoph Wagner
 GABRIELE HAEFS: 111 Gründe, Norwegen zu lieben : e. Liebeserklärung an das schönste Land der Welt.
GABRIELE HAEFS
111 Gründe, Norwegen zu lieben : e. Liebeserklärung an das schönste Land der Welt.
schwarzkopf-verlag.net
(Aktual. u. erw. Neuausg. mit elf Bonusgründen. – Berlin : Schwarzkopf & Schwarzk)
ISBN 978-3-86265-742-1 , 14,99 EUR


Für Gabriele Haefs – nicht nur Folker-Mitarbeiterin seit Jahrzehnten, sondern auch Ritterin des Königlichen Norwegischen Olavsordens – ist Norwegen das schönste Land der Welt. Warum? Das verrät sie uns in ganz persönlich ausgewählten 111 plus 11 Gründen, die sich über insgesamt zwölf Themenblöcke erstrecken, darunter Musik und Kultur, Küche, Land und Leute, die Volksseele – um nur ein paar zu nennen. Nur drei Jahre nach der ersten Auflage ist nun die Neuausgabe auf den Markt, und schnell wird einem erneut klar, warum Norwegen nicht nur für die Autorin das schönste Land der Welt ist, sondern auch für viele Deutsche zu den beliebtesten Reisezielen gehört. Wer schon immer mal darüber nachgedacht hat, seinen Urlaub in Norwegen zu verbringen, findet sich durch diesen Band sicher darin bestärkt, dieses Vorhaben nicht auf die lange Bank zu schieben. Denn man bekommt den ganz persönlichen Einblick einer echten Norwegenkennerin, die zudem noch mit einem bekannten norwegischen Autor verheiratet ist. Wenn das nicht gute Gründe sind, das Buch unbedingt zu lesen, wenn man nach Norwegen reisen möchte oder sich einfach nur für das Land interessiert.
Doris Joosten

Besondere
REINHARDT REPKES CLUB DER TOTEN DICHTER
So und nicht anders – Theodor Fontane neu vertont
(Argon Verlag), mit Texten


Ende des Jahres jährt sich zum zweihundertsten Mal die Geburt eines Apothekersohns aus dem brandenburgischen Neuruppin, der zu einem der bedeutendsten Dichter und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts in Preußen und Deutschland avancierte. Theodor Fontane, der einer Hugenottenfamilie entstammte, wurde zunächst ebenfalls Apotheker, verlegte sich aber früh aufs Schreiben. Er arbeitete als Journalist, Kriegsberichterstatter, schrieb Reiseberichte, später auch Romane und immer wieder Gedichte. Dieser hat sich Reinhardt Repke angenommen, einige vertont und damit in eine völlig neue, ungewohnte Form gebracht. Mit seiner Formation Club der toten Dichter, die in unterschiedlicher Besetzung schon mehrere, sehr  REINHARDT REPKES CLUB DER TOTEN DICHTER: So und nicht anders – Theodor Fontane neu vertont verschiedene Dichter wie Busch, Rilke oder Bukowski auf die Bühne gebracht haben, geben sie jetzt passend zum Fontane-Jahr, Bekanntes und weniger Bekanntes zu Gehör. Ebenso wie beim Rilke-Programm ist „Rainbird“ Katharina Franke die Sängerin, die mit ihrer markanten Stimme prägend auf dem Album ist. Sie bringen vor allem Gedichte Fontanes später, gereifter Jahre und beginnen mit einem Altersresümee. Obwohl sein Leben auch viele Tiefen kannte, hätte er alles noch einmal so gemacht, betonte er seine Unabhängigkeit. Der Club stimmt uns mit einfühlsamem und nachdenklichem Gesang, vom Akkordeon nachhaltig unterstützt, atmosphärisch ein. Sie haben einige Gedichte mit seinen Lebenseinsichten im Programm, er war offenbar kein Kämpfer. Interessant auch die Interpretationen der schon aus Schulzeiten bekannten Gedichte „Herr von Ribbeck …“ und „John Maynard“. Sie unterteilen die Gedichte und interpretieren die einzelnen Abschnitte dem unterschiedlichen Charakter und Rhythmus folgend stilistisch sehr verschieden. So hatte man die Gedichte bisher nicht wahrgenommen. Das ganze Programm ist eine Entdeckung (wert) und eine gute Einstimmung auf das Jubiläumsjahr, ja, man möchte sowohl vom betagten Autor als auch vom Club eigentlich gleich noch weiteres lesen bzw. hören.
Rainer Katlewski
THE GLOAMING
The Gloaming 3
(Real World Music)


Die dritte Veröffentlichung des Art-Irish-Trad-Meditations-Crossover-Quintetts. Oder welche stilistische Beschreibung soll dieser Band gerecht werden? Extrem vielschichtig sind die musikalisch-künstlerischen Einflüsse, die hier zwischen Minimalismus und orchestraler Wirkung hörbar werden. Was für eine Kommunikation der Musiker untereinander: So sind nur drei der fünf Iren in der Tradition verwurzelt. Tom Bartlett, der amerikanische Pianist muss die aus alten Sammlungen entlehnten Texte (zu schweren Lebensthemen) des Sängers Iarla Ó Lionáird ohne Kenntnis der gälischen Sprache in seine moderne Melodik und Harmonik umsetzen. Geiger Martin Hayes und Gitarrist Denis Cahill sind in ihrer Kommunikation im  THE GLOAMING: The Gloaming 3 übersinnlichen Bereich angekommen – beide folgen dem Weg des anderen ohne Worte und gestalten den Moment oft spontan. Caoimhín Ó Raghallaigh (Viola d’Amore – eine fünfsaitige Geige mit Resonanzsaiten) interessierte sich immer schon für die Abgründe hinter den Tönen und sezierte seine Musik, die er vielfach den alten Ikonen der Vergangenheit abgehört hat, psychologisch in erheblichem Ausmaß. So treffen hier fünf Meister ihres Fachs aufeinander und zeigen, was Eklektizismus wirklich bedeutet: den Transfer von der einen Kunstform in eine andere und das Entstehen von etwas ganz Neuem. Mit Drama, Dynamik und Variation innerhalb der Traditionals hat Martin Hayes die gesamte Irish-Trad-Szene schon früh konfrontiert, Momente, die der irischen Musik ursprünglich fremd waren. In The Gloaming wird all dies zusammengeführt, mit eher aus der Pop-/Indie-Musik und dem Jazz entlehnten Elementen. Dies gelingt diesmal noch vollkommener als auf den bisherigen Alben. Das Gegenüberstellen von Hayes’ Fiddle – die, ob auf Volldampf oder im meditativen Modus immer eine gewisse Zerbrechlichkeit zeigt – und der zupackenden, sehr groove-prononcierten Spielweise von Ó Raghallaigh ist für sich schon ein Ohrenschmaus. Gloaming 3 ist für Liebhaber von feinsinniger irischer Musik und audiophilem Hörgenuss.
Johannes Schiefner

RHIANNON GIDDENS, AMYTHYST KIAH, LEYLA McCALLA, ALLISON RUSSELL
Songs Of Our Native Daughters
(Smithsonian Folkways Recordings), mit engl. Texten u. Infos


Afroamerikanische Frauen werden seit Jahrhunderten unterdrückt und sexuell ausgebeutet. Gleichzeitig waren es oft schwarze Frauen, die soziale Bewegungen anstießen, weil sie am wenigsten zu verlieren hatten. Die meisten dieser Frauen findet man in keinem Geschichtsbuch. Sie zu würdigen und mit der heutigen Situation des Rassismus in den USA in Zusammenhang zu bringen, haben sich die vier Sängerinnen vorgenommen. Da mag es verwundern, dass sich auf dem Cover alle ausgerechnet mit einem Banjo ablichten lassen, dem Instrument, das man mit der weißen Bluegrass Music identifiziert. Doch das Banjo stammt eben ursprünglich aus Afrika. Die ersten Banjospieler waren schwarze Sklaven, mit deren Musik  RHIANNON GIDDENS, AMYTHYST KIAH, LEYLA McCALLA, ALLISON RUSSELL: Songs Of Our Native Daughters  die unterschiedlichen Stammesangehörigen eine gemeinsame musikalische Basis fanden. Aus diesem Ansatz heraus komponierten die vier Songs, die die Geschichte farbiger Frauen von der Versklavung bis heute musikalisch abwechslungsreich erzählen. Da gibt es einen Gospel über eine Sklavin, die ihren Vergewaltiger absticht, ein Kinderlied, das die ersten schwarzen Schulen nach dem Ende der Sklaverei thematisiert, aber auch südafrikanische Klänge, Bluegrass-Musik oder einen Blues. Trotz der bedrückenden Themen wirkt die Musik immer lebensfroh. Das liegt auch mit daran, dass man eine Rhythmusgruppe dazugenommen hat. Es lohnt sich allerdings, das Booklet zu lesen. Gerade in den Intros zu den Songs wird starker Tobak angesprochen. So singt Allison Russell in „Quasheba, Quasheba“ über eine Sklavin, die mehrfach vergewaltigt und wiederverkauft wurde, der man ihre Kinder wegnahm und die dennoch die Kraft hatte, alles zu überleben und so zur Stammmutter von Russells Familie wurde. Russell schreibt, von ihrem weißen Adoptivvater sexuell missbraucht worden zu sein und dass sie dennoch glaubt, ihre Vorfahren mussten Schlimmeres erdulden. Insgesamt ein musikalisch überzeugendes und wegweisendes Album, das eigene Schicksale in den historischen Kontext stellt.
Hans-Jürgen Lenhart
LA YEGROS
Suelta
(X-Ray Production)


Bleib locker und lass los – auf Spanisch heißt das „suelta“. Diese Empfehlung bringt die argentinische Sängerin La Yegros gleich im Opener mit ersten Takten wummernder Bassbeats ins Rollen. Wer sich jetzt auf die Tanzfläche stürzt, der kann getrost die ganz Scheibe durchlaufen lassen und sich von La Yegros und ihrem Produzenten King Coya in Trance versetzen lassen. Für alle zehn Stücke des Albums Suelta gilt, dass die tieftönenden Frequenzen hochgepegelt wurden. Für die Feinheiten, die das Album durchaus zu bieten hat, muss man die Ohren aufmachen und sich auf die mittleren Tonspuren konzentrieren. Und da tauchen volksmusiktypische Instrumente wie die andine Quena oder das Akkordeon auf. Großes  LA YEGROS: Suelta Plus dieses Albums: La Yegros, die ja gemeinhin als die argentinische Queen der elektronischen Cumbia gilt, auch Cumbia Digital apostrophiert, erweitert ihr Rhythmus-Repertoire um die typischen Tänze des Nordostens Argentiniens, den rhythmisch komplexeren Chamamé oder den leicht melancholischen Huayno aus dem kulturellen Erbe der indigenen Bevölkerung. Nachdem die Cumbia, ein eher einfach gestrickter Paartanz im Viervierteltakt, die letzten Jahre Lateinamerika im Klammergriff hatte, scheint ihre Welle zum Glück abgeebbt. Der Track „Linda La Cumbia“ ist allerdings mit seinem Wechsel zwischen akustischem und elektronischem Setting ein Highlight von Suelta. Der Anspruch La Yegros’ ist gewaltig: Sie möchte die traditionellen Quellen und Urban Dance mit politischen Themen kreuzen, über die die argentinische Gesellschaft gerade heiß diskutiert. Dieser Spagat ist ihr ausgezeichnet gelungen. „Sube La Presión“ – „Der Druck erhöht sich“ – heißt ein sich dynamisch steigernder Track mit den Zeilen: „Ich sah den Schatten, den Reißzahn des Blutes, hungernde Kinder tanzen.“ Die Elektrosounds und die Tanzbarkeit kommen mit einer Message daher. Und mit der Stimme einer Frau, die sich in einer männerdominierten Gesellschaft durchsetzen wird. Da bin ich mir sicher!
Cecilia Aguirre

KRONOS QUARTET/MAHSA & MARJAN VAHDAT
Placeless
(Kirkelig Kurlturverksted), mit persischen Texten und englischen Übersetzungen


Zunächst ein paar Daten: 8 der 14 Gedichte, zu denen Mahsa Vahdat die Melodien geschrieben hat, stammen von zwei der bedeutendsten Vertreter persischer Dichtkunst, Rumi (1207-1273) und Hafez (1315-1390); von den restlichen sechs Gedichten stammen zwei von der Lyrikerin und Regisseurin Forough Farrokhzad (1934-1967) und vier von Mahsas Ehemann Atabak Elyasi, zwei davon in Kooperation mit dem Maler und Dichter Mohammad Ibrahim Jafari (1940-2018). Die Arrangements für Streichquartett schrieben die Komponistin Aftab Darvishi sowie ihre Kollegen Sahba Aminikia, Jacob Garchik und Atabak Elyasi. Die vokale Interpretation lag zur Hälfte bei Mahsa Vahdat, vier bei ihrer Schwester Marjan und drei bestritten beide gemeinsam. An  KRONOS QUARTET/MAHSA & MARJAN VAHDAT: Placeless den Instrumenten: das Kronos Quartet. Nun ist ein Gedicht eine eigenständige Kunstform, die nicht per se nach einer musikalischen Umsetzung schreit. Wer sich dennoch an diese Sisyphusarbeit macht, hat es mit formalen und inhaltlichen Problemen zu tun. Gerade bei – wie im vorliegenden Fall – Gedichten aus dem 13./14. Jahrhundert stellt sich die Frage nach der historischen Authentizität. Da ist es natürlich von Vorteil, wenn die eigene Musiktradition sich ohne allzu große Brüche vom Mittelalter in die Jetztzeit erhalten hat. So stehen die Melodien, in die Mahsa Vahdat sowohl die historischen als auch die zeitgenössischen Gedichte eingearbeitet hat, allesamt in der Tradition großer persischer Kunstmusik. Demgegenüber tragen die Arrangements für die „modernen“ Instrumente des Streichquartetts durchaus zeitgenössische Züge. Aus diesem Spannungsfeld heraus entstehen faszinierende Klanggemälde. Den kraftvollen Gesang der beiden Sängerinnen unterlegt das Kronos Quartet mit teils sirrenden, kratzigen, dann aber auch wieder mit konventionell „schön“ gespielten Passagen. „I don’t know who I am“ heißt es in der englischen Übersetzung eines Rumi-Gedichtes. Die Beteiligten an diesem grandiosen Album wussten hingegen genau, wer sie waren. Und vor allem, was sie zu tun hatten.
Walter Bast



Deutschland
 BAD TEMPER JOE: The Maddest Of Them All
BAD TEMPER JOE
The Maddest Of Them All
(Timezone), mit engl. Texten


Bluessongs leben von Geschichten und vom Erzählen. Der Bielefelder Songwriter, Sänger und Gitarrist Bad Temper Joe setzt genau diese Tradition mit eigenen, modernen Bluessongs fort. Sein Album The Maddest Of Them All präsentiert 22 Lieder aus eigener Feder – Old-School-Blues mit Countryflair. Die Songs dieses neuen Doppelalbums hat er in „Act I“ und „Act II“ aufgeteilt. Dies ist bereits die sechste Studioproduktion des 26-Jährigen – und das innerhalb von fünf Jahren. Bad Temper Joe gelingt es während des ganzen Albums, spannende Bluesgeschichten zu erzählen. Mal geht es um die Sucht, permanent auf das eigene Handy zu schauen, dann erzählt er von einem Yankee-Soldaten im amerikanischen Bürgerkrieg oder er singt über einen flüchtenden Outlaw. Zu seinen persönlichsten Songs gehören die über das Leben als reisender Musiker. Langweilig wird es nie, dafür sorgen neben den Texten seine ausdrucksstarke, bluestypische Stimme, sein Gitarrenspiel und der Wechsel zwischen intimer Soloperformance und mitreißender Band. Man spürt, dass diese Musik im Studio live und ohne Overdubs eingespielt wurde – so klingt Blues wirklich nach Blues!
Udo Hinz
 HELMUT DEBUS: Frömde Frünnen
HELMUT DEBUS
Frömde Frünnen
(Eigenverlag, 2019), mit Texten


Gleich der erste Song seines zwanzigsten Albums ist ein Wiederhören mit einem alten Bekannten. „Waterland“, der Titelsong seiner 1982 erschienenen siebten CD, erklingt in aktualisierter Form und wie alle zwölf Lieder dieses formidablen, im Studio live aufgenommenen Jubiläumswerks musikalisch in modernem, rockigem Arrangement. Debus singt mit Hingabe und spielt Gitarre, unterstützt wird er von Michael Jungblut an der E-Gitarre, Iko Andrae am Kontrabass und Andreas Bahlmann am Schlagzeug. Die Band klingt auch auf diesem dritten gemeinsamen Album wie aus einem Guss und schneidert den Songs ein musikalisch geschmackvolles Klangkleid auf den Leib. Fünf seiner Lieblingslieder präsentiert Debus in spannenden Neuinterpretationen. Hinzu kommen sieben „frömde Frünnen“, poetische plattdeutsche Coverversionen wie „De Pahl“ nach dem 1968 entstandenen Widerstandslied des katalanischen Liedermachers Lluis Llach, die freie Neuinterpretation zweier Dylan-Songs oder „Morgen fröh bün ik gahn“ nach Tom Waits. Und ein Novum gibt es auf der Jubel-CD: Debus singt Hochdeutsch, Hanns Dieter Hüschs „Abendlied“ beispielsweise oder „Kinder“ von Bettina Wegner! Der Altmeister klingt mit siebzig so, wie es in seiner plattdeutschen Fassung eines weiteren Dylan-Klassikers so schön heißt: Op ewig jung!
Ulrich Joosten

 INGO HÖRICHT: Minor
INGO HÖRICHT
Minor
(The Border Productions)


Er komponiert eigentlich ständig, ob beim Spazierengehen, beim Autofahren, am Strand oder in seinem kleinen Haus mit dem großen Garten in der Nähe von Bremen. Der studierte Violinist und Komponist ist immer von Musik erfüllt. Das Ergebnis sind zahlreiche Projekte wie Mellow Melange oder das Schné Ensemble (siehe eigene Rezension), die von ihm gegründet wurden und bislang mehr als dreißig Alben einspielten. Sein jüngstes Produkt verursacht dabei geradezu Suchtcharakter. Moderne Kammermusik jenseits aller Klassifikationen könnte man die achtzehn wunderbaren Kompositionen auf Minor („Moll“) nennen. Seine bildhaften instrumentalen Kompositionen zwischen Klassik, Chanson, Jazz, Filmmusik und Folkballaden verströmen einen harmonischen Charakter, der den Hörer ab dem ersten Ton gefangen nimmt, mal sparsam nur mit der kubanischen Pianistin Marialy Pacheco und dem Klarinettisten Bernd Schlott arrangiert, mal aufwendiger produziert mit Hörichts eigenen Ensembles oder dem Ponticulus Quartett. Egal ob in den gefühlvollen Stücken das Cello, die Geigen, das Akkordeon oder das Saxofon die melancholischen Klangfarben setzen, immer schwingen Aufbruch und ein Lachen mit. Es wird Zeit, dass Ingo Höricht von einem breiten Publikum entdeckt wird.
Erik Prochnow
 ADIR JAN: Leyla
ADIR JAN
Leyla
(Trikont), mit kurd., zazaischen, türk. u. griech. Texten samt engl. Übersetzung u. engl. u. dt. Infos


Ein schnauzbärtiger junger Mann, der gerade Bağlama spielt – gefühlt sieht die Hälfte aller türkischen Albumcover so aus. Doch irgendetwas ist anders. Der – übrigens gemalte – Mann hat keine Augen, eine Wolke schiebt sich teilweise vor sein Gesicht und färbt es grün. Nein, hier ist nichts so, wie es scheint. Das fängt schon mit den Texten an, die sind größtenteils auf Kurdisch und Zazaisch und stammen fast alle von Adır Jan selbst – wie auch die orientalisch-psychedelischen Melodien und Arrangements. Schnell wird klar, hier singt und spielt jemand um sein Leben. Der schwule Kreuzberger hat jede Menge tiefe Erfahrungen gemacht, und die versucht er in teils präzise, teils mythische Poesie, manchmal auch in Geschichten zu fassen. Die intensive Stimmung der Lyrics unterstützt meist eine Quartett- oder Quintettformation. Unter den Gastmusikern ragen Hogir Göregen an der Percussion und Deniz Mahir Kartal an der Schwarzmeer-Kemençe heraus. Die Texte lassen sich alle mitlesen, und auch die fantasiereiche Bebilderung des Booklets regt dazu an, sich ausgiebig mit diesem intensiven und schönen Album zu befassen.
Ines Körver

 MY SISTER GRENADINE: Wounding The Weather
MY SISTER GRENADINE
Wounding The Weather
(Solaris Empire), mit engl. Texten


Nach sechs Jahren und einem ziemlichen Wandel nach dem Vorgängeralbum geht es mit Ukulele los, dann kommt Gesang dazu, vorsichtig setzt das Flügelhorn ein. Auf „To A Void“, dem ersten Song der neuen Platte des Trios aus Berlin, haben die musikalischen Bestandteile, ob Instrument oder Stimme, ihre Auftritte, sie überlappen sich. Ein gellender Schrei, mehrstimmiger Rufgesang – ein Spiel mit Raumklang und Stille. Das experimentelle Musiktheater um den poetischen Texter, Sänger, Gitarristen und Ukulelespieler Vincent Kokott ist für manche sicher erst einmal befremdlich, dann aber doch einladend, weil unterhaltsam und auf eine unbeirrbare Art heiter. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Instrumentierung bei allem Herumprobieren doch ganz irdisch bleibt, oder daran, dass der Raum erfassbar ist. Die meisten Stücke klingen ganz nah, wie in einem mittelgroßen Zimmer aufgenommen. Und dann gibt es „The Joke“, einen vermutlich elektronisch erzeugten Dröhnton – und selbst der klingt wie von dieser Welt. Es ist eben doch Folk, und zwar freier, moderner, verspielter, und für den zeichnen neben dem Urheber Kokott Frieda Gawenda und David Lima auf Hörnern, Geige, Objekten und mit ihren Stimmen verantwortlich. Toll und eigen.
Imke Staats
 SCHNÉ ENSEMBLE: Steppenwolf
SCHNÉ ENSEMBLE
Steppenwolf
(Cross The Border Productions), mit Texten


Der Steppenwolf von Herrmann Hesse ist seit Generationen immer wieder eine Inspiration für Publikum und Künstler. Die Einsamkeit und das Animalische faszinieren stets auf neue. Die Naturempfindung, die Jahreszeiten bilden auch den Schwerpunkt der Texte verschiedener Autoren, die der Bremer Musiker Ingo Höricht (siehe eigene Rezension) vertonte. Von Mascha Kaléko, Tucholsky, Rilke, William Blake, Paul Verlaine, Shakespeare und auch von der Sängerin Henrike Krügener alias Schné kamen die Vorlagen der Lieder und Chansons. Die Naturbezüge liefern die Bilder für die menschlichen Beziehungen, die Liebe und das Lebensgefühl. Beginnen sie mit geradezu unschuldiger, kindlicher Lebensfreude, so mischen sich Melancholie und Unsicherheiten in den weiteren Liedern. So abwechslungsreich, wie die Stimmungen sind, so variiert die Sängerin ihre Stimme von mädchenhafter Unbefangenheit bis zu verhaltener, nachdenklicher Zurückhaltung und verträumter Unschuld. Mit Piano, Violine, Akkordeon, Gitarre und Bass ist die Band breit gefächert und kann dadurch stimmungsvolle Klangfarben und ebenfalls eine große Varianz erreichen. Ein interessantes Album, das sich großen Namen adäquat und zeitlos modern nähert.
Rainer Katlewski

 SINGADJO: Tango bis zuletzt
SINGADJO
Tango bis zuletzt
(Jigit! Records), mit dt., engl. u. russ. Texten


Ein schwungvolles Intro und dann das: „Von überall kommt irgendwer daher / Mit irgendwelchem Kack! / Was wollen die bloß alle nur von mir, / Mir geht das tierisch auf den Sack!“ Wenn das derbe Genörgel an den Mitmenschen so weitergeht, behält sich die Rezensentin vor, die CD nach einigen Stücken abzustellen. Leider dominiert Unmut auch das zweite Stück, doch schon die interessanten Akkordverbindungen lassen Hoffnung aufkeimen, dass es doch einiges zu mögen gibt an dieser Platte. Glücklicherweise werden die transportierten Stimmungen mit der Zeit vielfältiger, es geht um Liebeskummer, ein Lob auf den Kaffee und jede Menge Politik. Auch die rein akustische Instrumentierung ist abwechslungsreich. Auf einer soliden Cajon-Kontrabass-Basis dominieren Saiteninstrumente, ergänzt um Saxofon, Posaune und Glockenspiel. Mal klingt es nach Element of Crime, mal nach Tom Waits, Lateinamerika oder Polka-Punk. Nach und nach gerät die Rezensentin in den Sog dieser neunköpfigen Combo aus dem Kölner Raum und hört deren zweites Album mit ihren mehrheitlich selbst komponierten und getexteten Stücken gleich ein weiteres Mal – und zwar gern.
Ines Körver
 SUSAN WOLF: I Have Visions
SUSAN WOLF
I Have Visions
(Jazzhouse Records), mit engl. Texten


Zugegeben, es gibt eine starke neue Single von Melissa Etheridge, aber von Susan Wolf gibt es mit zehn fulminanten Tracks ein ganzes Album. Dabei kommen die Freunde von starken Frauen à la Etheridge genauso auf ihre Kosten wie die Country- und Americana-Freunde. Eigentlich wollte die Sängerin, die früher unter Künstlernamen aktiv war, die Musik bereits an den Nagel hängen. Was wäre dem Hörer da entgangen! Songs wie der Opener „The Road“ oder das intensive „100 Miles Of Pain“ sind schlicht Weltklasse und können bequem mit den großen Songs der Pretenders oder von Green on Red mithalten. Das Album hat Herz und ist trotz aller Energie ein Meisterwerk der Zwischentöne. Die soulig-weiche Stimme der Sängerin beflügelt die brillanten Mitmusiker zu Höchstleistungen. Deren Wüstenrock à la Giant Sand oder Calexico verleiht der Sängerin eine Sexyness, die sie für Tarantino-Filme qualifizieren würde, ohne deren Pathos zu benötigen. Gerade die Zurückhaltung in den entscheidenden Passagen führt zu einem Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Nach zehn Tracks voller Schmerz und Schönheit stimmt der Hörer der Künstlerin zu: „Still I’m In Love With You.“
Chris Elstrodt

Europa
 FINN ANDREWS: One Piece At A Time  BREABACH: Frenzy Of The Meeting
FINN ANDREWS
One Piece At A Time
(Nettwerk)


BREABACH
Frenzy Of The Meeting
(Breabach Records BRE005CD), mit knappen engl. Infos


Die Sehnsucht nach einem Album, wie es zu alten Vinyl-Zeiten produziert wurde, ist groß, nach einem Album, das ohne Blick auf eine Hitsingle wie aus einem Guss klingt und dennoch die verschiedensten Stile und Emotionen in sich vereinigen kann. Coldplay hätte es vielleicht produzieren können, aber die haben sich für formatradiotaugliche Stadionhymnen entschieden. Elbows letztes Album ist lange her, Peter Gabriels Meisterwerke liegen noch länger zurück. Die Rettung bietet Finn Andrews, bekannt als Sänger der Überflieger Veils. Hier ist alles vorhanden, was früher Stars zwischen Elton John und Eagles auf zwei Rillen pressten. Schlichtweg geniales Songmaterial in einer packenden Inszenierung, abwechslungsreich und vertraut zugleich. Dieses Album ist im besten Sinne zeitlos, man kann (und wird) es in jedem musikalischen Jahrzehnt herausholen und wieder und wieder hören, neue Feinheiten entdecken und sich an seinen persönlichen Lieblingssong erinnern. Selbst Schlagermelodien wie „Don’t Close Your Eyes“ verwandelt Andrews in Kunstwerke und lässt den Hörer im Herzen verwundet, aber glücklich zurück.
Chris Elstrodt
 DOBRANOTCH: Merčedes Kolo
DOBRANOTCH
Merčedes Kolo
(CPL-Music)


Milia Khramtsov (v, voc) hält bei diesem Septett deutlich das Zepter in der Hand. Er ist der Einzige, der durchgehend seit der Gründung dieser Band vor rund zwanzig Jahren dabei war. ergänzt im Jahre 2019 durch Ilia Gindin (cl), Maxim Karpychev (sax), Evgeny Lizin (dr), Grigory Spiridonov (tb), Alexey Stepanov (tuba) und den in Deutschland sesshaften Ilya Shneyveys (acc). Furios beginnt das nunmehr achte Album der Gruppe mit „Nign“, gefolgt von einer noch rasanteren „Polka“. Da bleibt kein Fuß mehr still, wie auch eigentlich in allen zwölf Titeln samt dreier „Bonus-Tracks“. Wobei letztere als Remixversionen bereits eine gewisse Discoqualität erahnen lassen. Fantastisch, wie aus „Du hast“ der Punkformation Rammstein ein klassisches, auf Jiddisch gesungenes Klezmerstück wird. Gleichermaßen originell, wie aus dem arabisch-algerischen „Yah Rayah“, original gesungen von Dahmane El-Harrachi, fast unbemerkt ein nahezu russisches Lied entsteht. Schade, dass dem Album keinerlei weitere Informationen beigelegt sind. Der einzige Schwachpunkt, denn sicherlich nicht nur der Rezensent hätte gerne mehr über die einzelnen Stücke und deren Entstehung erfahren. Was aber letztlich nichts an der Qualität der Musik ändert.
Matti Goldschmidt

 EABHAL: This Is How The Ladies Dance
EABHAL
This Is How The Ladies Dance
(Eigenverlag), mit knappen engl. Infos


Diese Band hat ihre Wurzeln auf der Insel South Uist, und trotz ihrer Jugend haben Eabhal bereits einige Auszeichnungen ergattern können. So sind sie Sieger des Battle of the Bands 2018. Das verwundert kaum, denn obwohl die Band nicht mit umwerfenden Neuerungen aufwarten kann, ist ihre in den Highlands und Islands von Schottland geerdete Musik von umwerfender Frische und Begeisterung. Katie Ross (Gesang), Meggan MacDonald (Akkordeon), Nicky Kirk (Gitarre), Jamie MacDonald (Fiddle) und Hamish Hepburn (Pipes, Flutes) beziehen ihre Inspirationen aus den verschiedenen Ländern mit gälischer Kultur, die Produzent Scott Wood in einen ansprechenden Sound einbettet. Ab und an versieht Charlie Stewart, als Gast am Bass, die Tracks mit der nötigen Tiefe, und obwohl die Band einen mehr als passablen Begleitgesang zu Ohren bringt, steuert Chloé Bryce eine willkommene zusätzliche Stimme bei. Apropos Stimme und Gesang, ein bis zwei weitere gälische Songs hätten das Album zu einem noch überzeugenderen Debüt gemacht.
Mike Kamp
 HOLLOW HEARTS: Travelling Songs
HOLLOW HEARTS
Travelling Songs
(EP; Westergaard Records)


Nordnorwegen, riesengroß, dünn besiedelt, weit weg von Oslo. Dort sind Ida Helene Løvheim (voc, g), Ida Karoline Nordgård (voc, b, keys), Christoffer Nicolai Mathisen (g, pedal steel) und Mikael Pedersen Jacobsen (dr) zu Hause. Das Quartett besteht seit Ende 2016; kurz nach der Gründung folgte das erste Album Annabelle. Als zweite Veröffentlichung der Band schließt sich diese EP mit sieben Songs an. Lieder voller Atmosphäre, Melodien und Geschichten, das Reisen steht im Mittelpunkt, allerdings in einem weit gefassten Sinn. Es kann zum Beispiel das heimatlose Umherziehen sein wie in „Travelling“, einem Stück voller Tiefe, in dem Ida Helene Løvheim klingt wie die reife Joni Mitchell. Die Wirkung des Songs wird verstärkt durch die Mitwirkung des Arctic Philharmonic, des nordnorwegischen Sinfonieorchesters. Wie ein veritabler Radiohit klingt dagegen der Opener „With You“, versehen mit einem stilistischen Schuss Katzenjammer, und „Trainriding“ lässt die späten Fleetwood Mac aufscheinen. Immer wieder prägt die Pedal Steel den Sound, zaubert Weite und Melancholie. Das weckt Lust auf mehr. Wie praktisch, dass bereits in diesem Herbst das zweite Album namens Peter folgen soll.
Volker Dick

 PAUL MILLNS: A Little Thunder
PAUL MILLNS
A Little Thunder
(Acoustic Music Records)


Mit leicht angerauter, rauchiger Stimme singt der Pianist Paul Millns seine Lieder. Nachdenklich, oft melancholisch, aber nicht düster und hoffnungslos sind seine Texte. Sie handeln vom Leben, der Liebe und dem Tod. Auch der Alkohol spielt eine Rolle. „Drink up people, the sun is coming up“, heißt es ganz zu Beginn des ersten Songs, und wer sich fragt, warum ausgerechnet der Morgen mit einem Drink begrüßt werden will, der erfährt etwas über den Teufel und den unaufhaltsamen Lauf der Zeit. Ein Songpoet im allerbesten Sinne. Seine Musiker begleiten ihn einfühlsam, geradezu zärtlich, wenn der jeweilige Song es verlangt. Klarinette, Akkordeon, Violine oder auch eine Mundharmonika setzen die Akzente. Diese Musik nimmt gefangen, umhüllt mit Wärme und regt das eigene Nachdenken an. Im Stück „My Father’s Son“ etwa schildert Paul Millns, der als Waise aufwuchs, wie er Vater und Mutter nie gekannt, aber immer herbeigesehnt hat. Die Liebe erfuhr er dann von anderer Seite, und auch diese Geschichte ist gleichzeitig tieftraurig und wunderschön. Verpackt in einen der typischen Paul-Millns-Songs löst sie damit das vornehmste Versprechen ein, das Musik geben kann – sie berührt.
Achim Hennes
 RYDVALL MJELVA: Vårvindar Friska
RYDVALL MJELVA
Vårvindar Friska
(NFB Records), mit norw. u. engl.Infos


Erik Rydvall ist Schwede, Olav Mjelva Norweger. Rydvall spielt Nyckelharpa Mjelva Hardingfele, und gemeinsam bringen sie dann auch eine Fusion von musikalischen Traditionen aus beiden Ländern, die gar nicht so weit auseinanderliegen. Mjelvas Heimatort, die alte Grubenstadt Røros, liegt ziemlich nah an der schwedischen Grenze. Die schwedische Provinz Härjedalen gehörte bis 1645 zu Norwegen und war das wichtigste Hinterland für Røros. Klar, dass die beiden Musiker bald Gemeinsamkeiten fanden, die sie auf diesem Instrumental-Album vorstellen. Die Stücke stammen fast alle aus dem Repertoire von Spielleuten vornehmlich aus Hallingdal und Härjedalen, es sind aber auch Eigenkompositionen vertreten, die sich der Tradition perfekt einfügen, aber durch ihre Titel auffallen, zum Beispiel Mjelvas „Kaffemonster“. Ein Album, das zum vielfachen Wiederhören anregt und dem man großen Erfolg wünscht – Letzteres auch, damit jemand zum Korrekturlesen der wirklich grauenhaften Fehler in den englischen Infos angeheuert werden kann, die allerdings die Freude an der Musik doch nicht verderben.
Gabriele Haefs

 SĄSIEDZI: W Kieszeni Dolar
SĄSIEDZI
W Kieszeni Dolar
(Fundacja Folk24)


So hat man Folkmusik noch nicht gehört. Die polnische Formation Sąsiedzi haucht traditionellen Stücken aus Irland, Schlesien, der Normandie, der Bretagne, Quebec oder Amerika ein ganz neues Leben ein. Ob a cappella, instrumental oder in voller Bandversion, die sieben Musiker entfachen auf ihrem neuen Album durchgehend eine enorme Energie, die Gänsehaut erzeugt. Ihre mitreißenden Arrangements mit Violine, Flöte, Gitarre, Bodhrán, Mandoline und herausragendem mehrstimmigem Gesang sind geprägt von hohem musikalischem Können. Dabei widmen sie sich auf ihrem neuen Album W Kieszeni Dolar („Ein Dollar in der Tasche“) längst nicht mehr nur den Shantys, für die sie international mehrfach ausgezeichnet wurden. Das Meer prägt zwar immer noch das Repertoire der Gruppe, diesmal stehen jedoch maritime Tänze und Balladen im Vordergrund, die sie auf ihre eigene Weise und mit polnischen Texten interpretieren. Das hierzulande noch wenig bekannte Ensemble gründete sich 2001 im schlesischen Gliwice. Der Bandname bedeutet auf Deutsch „die Nachbarn“; durch ihre hohe Kunst, die verschiedensten Musiktraditionen pulsierend zu vereinen, fühlt man sich als Zuhörer in der Tat sofort wie zu Hause.
Erik Prochnow
 VICKI SWAN & JONNY DYER: Twelve Month & A Day
VICKI SWAN & JONNY DYER
Twelve Month & A Day
(Wet Foot Music), mit knappen engl. Infos


Letztes Jahr waren sie in Deutschland unterwegs und präsentierten dem Publikum ziemlich exakt das, was auf ihrem neuen Album zu hören ist, traditionelle, zeitgenössische und eigene Folksongs aus GB und den USA und Melodien, die schwerpunktmäßig aus Schweden stammen. Letzteres nicht von ungefähr, denn Vicki Swan spielt die Nyckelharpa meisterlich. Aber nicht nur vom Material her ist die CD mit den Liveauftritten vergleichbar, sie haben so gut wie keine Gäste ins Studio geholt. Auch auf dem Tonträger konzentrieren sich die beiden auf sehr gekonnt gespielte Musik, die selbst bei den Soloparts völlig ohne Eskapaden auskommt. Weniger ist hier immer und eindeutig mehr. Und selbst die humorvollen Ansagen werden auf Tonträger zumindest insofern angedeutet, als dass die paar Infos mit einem feinen Humor angereichert sind. Wer seine Folkmusik bescheiden, aber jederzeit kompetent bevorzugt, wird mit Vicki Swan und Jonny Dyer mehr als zufrieden sein, live und auf CD.
Mike Kamp

 VESSELSKY/KÜHN: Wia waun
VESSELSKY/KÜHN
Wia waun
(Preiser Records)), mit österr. Texten u. dt. Infos


„I fiadat de pflaunzn und giaß de katz wia waun i kopflos wa.“ Nein, vorliegende zweite CD des niederösterreichischen Duos Irmie Vesselsky (voc, p, key) und Wolfgang Kühn (voc), unterstützt von Fabian Hainzl (perc, b, g), ist alles andere als kopflos. Wie im 2017er-Debüt Wauns amoi so aufaungt bilden auch hier Vesselskys melodische und Kühns hauchende Stimme einen starken Kontrast zueinander, der noch verstärkt wird, wenn Englisch und Waldviertler Dialekt einander abwechseln: „Do you remember, the fun we left behind […] / Kaunst di no erinnern, wie hinta da sandkistn uns klane wöd aus woa?“. Diese Zitate zeigen die inhaltliche Richtung des Albums, es geht um die Unvollkommenheit des Lebens, um Vergänglichkeit, um die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit, um den oft vergeblichen Versuch, den eigenen Ansprüchen und denen anderer gerecht zu werden. Da treffen sich Poesie, Philosophie und Musik. Als Manko wäre nur zu nennen, dass die Texte im Beiheft nicht zusätzlich in standarddeutscher Übersetzung vorliegen. Das meiste aber versteht auch der rheinische Rezensent und ist wieder hin und weg von diesem Duo, das die Finger zugleich schmerzhaft und liebevoll in die Wunden des Lebens legt und ihm rät: „Des leben, des muaßt leben, vü nachfragn derfst net.“
Michael A. Schmiedel
 INNES WATSON: Innes Watson’s Guitar Colloquium
INNES WATSON
Innes Watson’s Guitar Colloquium
(Isle Music), mit engl. Infos


Es gibt momentan zwei Herren mit dem relativ seltenen Vornamen Innes, die die schottische Szene bereichern. Beide wohnen in Glasgow, beide sind Multiinstrumentalisten, beide sind bei Mitmusikanten enorm gefragt, und beide nennen die Gitarre ihr Hauptinstrument. Glücklicherweise sehen sie sich nicht sehr ähnlich, und der Herr Watson weist gegenüber Herrn White zwei grundlegende Unterschiede auf: Er ist etwas älter und hat nun ein Soloalbum mit meist eigenen Tunes veröffentlicht, die er bei den letzten Celtic Connections ausführlich vorstellte. Bei seinem riesigen Wirkungskreis (z. B. Jarlath Henderson Band oder das Treacherous Orchestra plus unzählige Studioeinsätze) konnte er sich die Musiker aussuchen, u. a. dabei Ali Hutton, Barry Reid, Duncan Lyall, Mike Vass oder Patsy Reid, schlicht die Creme der schottischen Szene. Die Musik ist nicht gerade folkloristisch, aber sie wurzelt deutlich entweder in der Heimat oder in Nordamerika, mal akustisch, mal mit rockig-funkigem Drive. Und die Geschichten hinter den Melodien sind teils umwerfend. Eine wirklich großartiges und in sich stimmiges Werk!
Mike Kamp

 WEST OF EDEN: Flat Earth Society
WEST OF EDEN
Flat Earth Society
(West of Music)


West of Eden ist eine erstaunliche schwedische Band, deren Mitglieder laut eigener Aussage im Herzen „Kelten“ sind. Nun, zumindest bestehen massive Connections nach Irland und auch Großbritannien, dies wird aus der Liste der Gastmusiker wie Jarlath Henderson, John McCusker, Damien O’Kane u. a. deutlich. Die musikalische Gestaltung basiert in erster Linie auf wirklich gut geschriebenen Songs im Stil des typischen zeitgenössischen angloirischen Materials, die allerdings sowohl textlich-inhaltlich als auch musikalisch in ihrer Eigenständigkeit überzeugen. Über allem strahlt die warme, charaktervolle Stimme von Jenny Schaub. Ihr Mann Martin steht ihr dabei gekonnt mit eigenen Vokalbeiträgen zur Seite. Geiger Lars Broman streut clevere Tunefragmente und Riffs ein – z. B. in „Kate, Are You Ready Now“ – einfach großartig! Einige Jigs und Reels sind ebenfalls State of the Art. Abgerundet durch Bass und Drums schwingt die Platte zwischen bewegten druckvollen Songs mit Ohrwurmpotenzial und auch einigen schönen ruhigen Balladen. Richtig gut!
Johannes Schiefner



Afrika
 SALIF KEITA: Un Autre Blanc
SALIF KEITA
Un Autre Blanc
mit engl. u. franz. Infos
(Naïve/Believe Records)


Ein ganz Großer des Global Pop tritt ab, „die goldene Stimme Afrikas“, wie die internationale Musikkritik den malischen Singer/Songwriter und Gitarristen gerne titulierte. Im August 2019 wird Keita siebzig Jahre alt, und er hat für sich beschlossen, dass es reicht. Sein letztes Album trägt ganz bewusst den Titel „Ein anderes Weiß“. Als afrikanischer Albino hat er zeit seines Lebens Schmähungen und zum Teil auch körperliche Gewalt wegen seiner hellen Hautfarbe erfahren müssen. Mit seiner „Stiftung für die Rechte der Albinos“ will Keita die Diskriminierung dieser Minderheit öffentlich machen. Wenn die Texte seiner Lieder auch nicht unmittelbar um diese Thematik kreisen, werben sie doch für Gerechtigkeit, Respekt und friedliches Miteinander. Bestes Beispiel das Antikriegslied „Syrie“. In „Were Were“ verneigt sich Keita vor seinen Idolen, u. a. Nelson Mandela oder Patrice Lumumba, die seinen Stolz, Afrikaner zu sein, mitbegründet haben. Nach diversen semiakustischen Alben setzt er zum Abschluss wieder auf Power mittels Drums, Elektrik und Gebläse. Erstaunlich, wie kraftvoll und variabel sein Gesang noch ist! Mit von der Partie als Gäste u. a. Angélique Kidjo, Alpha Blondy und Rapper MHD.
Roland Schmitt



Nordamerika
 Cactus Blossoms : Easy Way
Cactus Blossoms
Easy Way
(Walkie Talkie Records)


Hört man dieses Bruderduo aus Minneapolis, fühlt man sich unweigerlich an die Everly Brothers erinnert: schmachtende Harmoniegesänge fürs Herz und countrygefärbte Melodien der späten Fünfziger, die hängen bleiben. Gerade beim sehnsuchtsvollen Stück „Blue As The Ocean“ rinnt einem eine heimliche Träne aus dem Auge. Dagegen ist nichts zu sagen, insbesondere wenn es wie hier perfekt gemacht ist. Dennoch merkt man an manchen Klängen, dass die Aufnahmen heute entstanden sind, und das ist gut so. Dieses Duo ist eigenständig und nicht bloß retro, auch wenn es stilistisch weniger vielfältig ist als beispielsweise die ebenfalls retro orientierten Mavericks. Man richtet sich vielmehr an unterschiedlichen vergangenen Stilen wie Rockabilly, der typischen Twang-Gitarre des Country oder den Balladen alter Mersey-Beat-Gruppen aus. Die Mischung zwischen hoher Gefühlsdosis, minimalistischen Arrangements und fast klinischer Reinheit bei den Cactus Blossoms faszinierte wohl auch Regisseur David Lynch, der das Duo zum Soundtrack seiner dritten Twin-Peaks-Staffel einlud.
Hans-Jürgen Lenhart
 DE TEMPS ANTAN: Consolez-Vous  LES GRANDS HURLEURS: Chouïa
DE TEMPS ANTAN
Consolez-Vous
(Eigenverlag)


LES GRANDS HURLEURS
Chouïa
mit knappen franz. Infos
(Coyote Records)


Gas geben und ab durch die Mitte! Das können De Temps Antan richtig gut, auch wenn sie das Gaspedal gezielt einsetzen. Deutlich zu hören sind die Elemente der traditionellen Musik Quebecs, wie die Fußpercussion oder das gesangliche Call-Response-Schema. Gerne eingesetzt werden auch in der Provinz beliebte Instrumente wie die Mundharmonika und die Maultrommel. Generell sorgt man trotz typischem Sound auch für Abwechslung und streut z. B. gerne mal einen Walzer ein.
Ebenfalls ein Trio mit Violine, Saiteninstrumenten und Bass (Akkordeon bei De Temps) sind Les Grands Hurleurs, wo Fiddler Nicolas Pellerin seinen Namen aus der Gruppenbezeichnung entfernt hat. Zehn Jahre ist die Band nun alt, und Stéphane Tellier ersetzt Simon Marion an den Gitarren – mit entscheidenden Resultaten. Speziell, wenn Tellier die E-Gitarre einsetzt, bringt er frische, leichte, luftige, fast schon afrikanische Klänge zu Gehör. Anlässlich des Jubiläums hat man sich einige ältere Stücke, wie z. B. „Corsaire“ oder „Trégate“, vorgenommen und wirklich neu arrangiert. Selbst die Fußpercussion verliert hier ihre Dominanz. Außerdem hören wir Klassikanleihen sowie ein fast jazziges, blindes Zusammenspiel von Fiddle und Mandoline. Spannende neue Pfade!
Mike Kamp

 LE VENT DU NORD: Territoires  LE VENT DU NORD & DE TEMPS ANTAN: Notre Album Solo
LE VENT DU NORD
Territoires
mit Texten und frz./engl. Infos
(Borealis Records)


LE VENT DU NORD & DE TEMPS ANTAN
Notre Album Solo
mit Texten u. frz. u. engl. Infos
(La Compagnie du Nord)


Es ist immer ein Ereignis, wenn die Supergroup Le Vent du Nord aus der kanadischen Provinz Quebec ein neues Album veröffentlicht, und die Erwartungen sind entsprechend hoch. Die Kanadier liefern alles, was ihre Fans in über 1.400 Konzerten auf der ganzen Welt für progressive traditionelle Musik aus Quebec begeistert hat: überbordendes musikalisches joie de vivre, frankokanadischer Powerfolk mit allen typischen Zutaten. Traditionelle „Pieds“ (Fußpercussion auf speziellen Planken) als rhythmisches Fundament für Hochgeschwindigkeitsfiddle, an der Geiger Olivier Demers Unterstützung vom neuen Gruppenmitglied André Brunet (ex La Bottine Souriante) bekommt, dessen Bruder Rejean Bass, Melodeon, Bombarde und Gesang beisteuert. Simon Beaudry bildet gewohnt virtuos mit Gitarre und Bouzouki die Zupfsaitenfraktion, Hauptsänger Nicolas Boulerice spielt Drehleier und ein jazziges Piano. Es sind alle Zutaten für ein typisches Le-Vent-Du-Nord-Album vorhanden, hinreißend mehrstimmiger (auch a cappella), getragener Satzgesang („Louisbourg“), traditionelle Lieder und selbst geschriebene über die Liebe und das Leben, durchaus auch mit politischem Hintergrund („Évolution Tranquille“), Liebeslieder wie „Le Soir Arrive“ und natürlich Instrumentalstücke. Die nunmehr fünfköpfige Gruppe glänzt mit noch abwechslungsreicheren Arrangements. In der studiotechnisch äußerst gelungenen Produktion lässt sich jedes Instrument glasklar verorten, und wer bei den mitreißenden Stücken länger als fünf Minuten die Füße stillhalten kann, ist entweder taub oder scheintot.
Das gilt umso mehr für die Musik auf Notre Album Solo, einem Spaßprojekt, das Le Vent zusammen mit dem Power-Folk-Trio De Temps Antan realisiert haben. Der Titel des Albums bezieht sich darauf, dass die Musiker mit dem Ruf „Solooooo!“ einen aus der Band dazu auffordern, solierend in den Vordergrund zu treten. Schön, dass sich die elf Lieder und Instrumentalstücke nicht mit dem regulären Repertoire der beiden Gruppen überschneiden. Die Folkmusikgötter müssen Frankokanadier sein!
Ulrich Joosten
 Lula Wiles: What Will We Do
Lula Wiles
What Will We Do
mit engl. Texten u. Infos
(Smithsonian Folkways Recordings)


Das weibliche Folktrio von der amerikanischen Ostküste besticht durch atemberaubenden Satzgesang und betörende Melodien. Anfangs klingen die drei fast nach Indieband, bewegen sich dann aber zunehmend in die traditionelleren Töne der Country Music. Hier wirkt dennoch nichts verstaubt, was auch am melancholischen Grundton ihrer Musik liegt. So gefühlvoll einem ihr Sound vorkommt, so stehen die Themen der Texte manchmal in beachtlichem Kontrast dazu. Es ist ein Blick hinter die Idylle der Kleinstädte, auf die Opioidkrise, aber auch auf die Angst von Frauen vor dem Alleinsein nach einer Trennung. Die drei Sängerinnen wechseln sich im Leadgesang ab, spielen Standbass, Akustikgitarre und Fiddle, und manchmal kommt eine Rhythmusgruppe dazu. In ihren besten Momenten erinnern sie an die sphärischen Stücke eines David Crosby. Ansonsten reicht ihr Repertoire von swingendem Bluegrass über irischen A-cappella-Gesang bis zu Mörderballaden. Ihre Arrangements meiden den Nashville-Mainstream genauso wie sperrigen Alt. Country. Vielmehr treffen sie genau die Mitte zwischen Tradition und Heute. Damit haben sie die Chance, über den Kreis von Folkies hinaus wahrgenommen zu werden, was ihnen zu gönnen wäre.
Hans-Jürgen Lenhart

 ALFREDO RODRÍGUEZ & PEDRITO MARTÍNEZ: Duologue
ALFREDO RODRÍGUEZ & PEDRITO MARTÍNEZ
Duologue
mit engl. Infos
(Mack Avenue)


Zwei der exzellentesten Diaspora-Kubaner der Jazz- und afrokubanischen Musikszene kommen auf dem mit Quincy Jones produzierten Album zusammen, der Pianist, der hier auch mal singt, sowie der Perkussionist und Sänger, der u. a. ein vorzüglicher Rumbero und einigen vielleicht noch von der New Yorker Band Yerba im Ohr ist. Es klingt nach blindem Verstehen und eigentlich nach einer ganzen Band in den mehrheitlich im Duo komponierten Stücken. Schon der Opener, der in Yoruba und Spanisch intonierte Afrobeat „Africa“ ködert. Besonders die erste Albumhälfte ist stark und knüpft gekonnt und farbenfroh Bande zwischen diversen Afrotraditionen, Jazz und Klassik, die in Rodríguez’ kraftvollem wie lyrischem Tastenspiel natürlich auch immer durchscheinen. Etwa in „Thriller“, einer der drei Adaptionen, wo die beiden gebürtigen Habaneros einer irgendwie speziell kubanischen Passion frönen, dem lustvollen, oft einfallsreichen Zitieren und Variieren bekannter Melodien. Der vom Piano kunstvoll eingeführte Popklassiker mündet in einer agilen afrokubanischen Descarga. Bei aller Modernität beweisen die zwei seit Langem in den USA lebenden, in diversen Projekten aktiven Musiker auch Traditions- und Heimatnähe („Punto Cubano“).
Katrin Wilke
 CARL SOLOMON: Simple Things
CARL SOLOMON
Simple Things
(Eigenverlag)


Es ist wohl sehr US-Amerikanisch, wie Carl Solomon, der bisher als Solokünstler mit nur drei Alben in Erscheinung getreten ist, sich sein Leben mit Songschreiber-Workshops verdient und sich auf diesem Album bei den vielen anderen Songschreibern bedankt, in deren Workshops er sein Handwerk gelernt hat. Trotzdem hat Simple Things nichts Abgeschmacktes, sondern ist eigensinnig, stellenweise verschroben und in erster Linie recht rau. Es klingt, als wären alle Songs in einem Rutsch eingespielt, sogenannte „First Takes“. Da scheppert die Gitarre mal ein wenig, da rutscht der Gesang mal für einen Moment vom Mikro weg. Es geht Solomon nicht um das saubere bereits tausendfach Gehörte. Er sucht den wahren Moment, die authentische Stimmung. Das sind schließlich die Titel gebenden „einfachen Dinge“ des Lebens. Seine leicht rauchige, nicht unbedingt klangschöne Stimme trägt viel zu dieser Stimmung bei, und es ist nichts hineinarrangiert, das seinen Gesang überdecken und verschönern soll. Da gibt es Akkordeon, Banjo, an manchen Stellen die obligatorische elektrische Gitarre und wohlüberlegten Chorgesang. Solomon will nicht glänzen, sondern ehrlich wirken.
Michael Freerix

 MAVIS STAPLES: Live In London
MAVIS STAPLES
Live In London
(Anti-)


Oh mein Gott, was für eine Energie, was für eine mitreißende Musikalität diese 79-jährige Frau hat. Bei zwei Abendkonzerten, am 9. und 10. Juli 2018, wurde in der Londoner Union Chapel dieses Album aufgenommen, und was Mavis Staples mit ihrer Band da abfe(u/i)erte, ist schlicht atemberaubend. In „kleiner“ Besetzung wurde hier musiziert. Rick Holmstrom an der Gitarre zeigt sich als kompletter Gitarrist, der wirklich alles von Blues über Funk und Rock beherrscht, Stephen Hodges am Schlagzeug und Jeff Turnes am Bass sind eine rhythmisch-metrische Urgewalt, und der Backgroundgesang von Donny Gerrard und Vicki Randle ist schlicht zum Niederknien. Man nehme hier nur das funkensprühende „Slippery People“ von den Talking Heads als Beispiel oder auch die wunderschönen Stimmen bei „Dedicated“. Leise schleicht er sich an, der Chicago Blues mit „What You Gonna Do“, um sich dann im gesungenen Refrain in Gospelhöhen hinaufzuschrauben. Jedes der Stücke ist ein Genuss für sich. Und eigentlich müsste es ja umgekehrt sein: Mavis Staples feierte am zweiten Konzertabend Geburtstag, doch war sie es, die ihre Hörer mit wahrer, ehrlicher, beseelter Musik beschenkte.
Achim Hennes
 KRISTINA STYKOS: River Of Light
KRISTINA STYKOS
River Of Light
(Thunder Ridge Records)


Sie hat die gleiche drängende und eindringliche Stimme wie Patti Smith, und in einer Welt, in der es gerechter zuginge, wäre Kristina Stykos bekannter und ihre Musik würde wegen ihrer eindringlichen Stärke deutlicher wahrgenommen. Nun schreibt Stykos alle ihre Songs selbst, produziert sie in einer abgelegenen Hütte in Vermont und lebt scheinbar auch sonst ein Leben ganz nach ihrer eigenen Hutschnur. Sie schreibt, dass sie deshalb häufig ihre Rechnungen nicht bezahlen kann. Ihre Songs erzählen davon, und die häufig sparsam, einfach nur mit Mandoline, akustischer Gitarre, Gesang und feinen Tupfern der elektrischen Gitarre arrangierten Songs gehen direkt ins Hirn und ins Herz. Ihre Songs handeln vom Versagen, vom Nichterreichen und vom Mangel an Kommunikation. Zwar lebt sie recht weltabgewandt, doch geht es in ihren Liedern um die Dinge, die die Welt gerade bewegen, davon, dass „wir alle Flüchtlinge sind“ und „dass wir von dem Verlangen getrieben sind, ehrlich zu sein“.
Michael Freerix

 TINA AND HER PONY: Champion
TINA AND HER PONY
Champion
mit engl. Texten
(Eigenverlag)


Der Name klingt wie der Titel eines Kinderbuchs, fehlt nur noch Bibi. Tatsächlich handelt es sich um Tina Collins und Quetzal Jordan, ein Duo aus North Carolina, verstärkt um zahlreiche Gastmusiker. Die beiden Frauenstimmen passen perfekt zueinander, wie im a cappella gesungenen „I Can Love You Better“ leicht zu hören ist. Im Übrigen bilden Gitarre, Ukulele und Cello den instrumentalen Kern der Songs ihres zweiten Albums. Dazu gesellt sich eine Bandbreite von Banjo bis Klarinette, gespielt von Könnern wie Matt Smith, der zu „Long Iron Chain“ eine bewegende Pedal Steel beiträgt, oder Andrea DeMarcus am Kontrabass. Die Stücke des Duos liegen im Spannungsfeld zwischen Folk, Country und Bluegrass; Ahnungen von Crooked Still und Gillian Welch wehen heran. Tina und Quetzal klingen zurückhaltender, schüchterner als etwa die Indigo Girls. Ihre Tiefe ziehen sie aus einer Intimität, ausgedrückt mit wenigen Worten, die alles sagen. „The water in the sea holds the ashes your bones gave“ lautet so eine Textzeile, die jeden Schmerz beschreibt. Lieder über die Liebe und den möglichen oder tatsächlichen Verlust kleidet das Duo jeweils in den passenden Klang. Kein Kinderkram, das.
Volker Dick
 JOHN PAUL WHITE: The Hurting Kind
JOHN PAUL WHITE
The Hurting Kind
(Single Lock Records)


Altertümlich klang bereits die Musik, die White im Zusammenspiel mit Joy Williams als The Civil Wars machte. Nach der Auflösung dieses Duos setzt nun White seinen Weg als Singer/Songwriter fort, der sich eher an Musikern wie Jim Reeves, Patsy Cline oder Chet Atkins orientiert und trotzdem nicht altbacken klingt. Dieses Kunststück bekam er auch schon bei den überaus erfolgreichen The Civil Wars hin, doch wie gesagt, die sind vorbei, und doch lässt sich etwas von deren gekonnter Professionalität in The Hurting Kind finden. White hat gelernt, komplex verschachtelte Songs zu schreiben, doch diese einfach klingen zu lassen, sie nicht mit produktionstechnischen Tricks zu überladen. Und gerade, wenn es etwas zu gängig zu werden droht, fügt White ein Geigenarrangement hinzu, vermischt mit einer Pedal Steel, die das Ganze wie ein Chet-Atkins-Album von 1963 klingen lässt. Um es klar zu sagen, White weiß schon alles Mögliche aus seinen Songs „herauszuproduzieren“, doch setzt er dabei immer wieder auf kalkulierte Brüche. Und das nimmt diesem Album letztlich vielleicht den Charme, der das Ganze zu einer wirklich spannend zu hörenden Sache machen könnte.
Michael Freerix

International
 ENSEMBLE SARBAND: What The World Needs Now
ENSEMBLE SARBAND
What The World Needs Now
mit dt. u. engl. Übersetzungen
(Muse Alliance)


Die Auflösung dessen, was die Welt derzeit dringend braucht, findet sich auf der Rückseite der CD: „… is Love“. Keine brandneue Erkenntnis, trug eine nicht unbekannte Boygroup aus Liverpool doch bereits vor 52 Jahren diese Botschaft via TV-Satellit in alle Welt hinaus. Trotzdem, eine gute Zeit, diese Botschaft erneut zu verkünden. Das Ensemble Sarband wählte hierfür ein Konvolut aus englischen, schottischen und amerikanischen Folksongs, je ein Lied von Bob Dylan und Sarband-Mitglied Joel Frederiksen sowie aus arabischem, italienischem und sephardischem Liedgut aus. Für die Instrumentierung der Lieder setzte der künstlerische Leiter des Ensembles, Vladimir Ivanoff, bevorzugt arabische Lauten (Oud) und Rohrflöten (Nay, Kawala), diverse Percussions sowie die der Theorbe verwandte Erzlaute (Arciliuto) ein. Gesungen wurde mit klassisch ausgebildeter Tenor- oder Bassstimme, wobei letztere bei Dylans „Masters Of War“ zugegeben etwas ungewohnt klingt. Doch in Zeiten, in denen die Grenzen von Pop und Klassik zunehmend durchlässiger werden, dürfte auch das kein größeres Problem darstellen. Das Medium wird der Botschaft nicht schaden, denn die ist in Zeiten von Ego- und Nationalismen gültiger denn je.
Walter Bast
 VIOLONS BARBARES: Wolf’s Cry
VIOLONS BARBARES
Wolf’s Cry
mit engl. Übersetzungen
(Association Violons Barbares)


Nein, das ist beileibe kein Wolfsgeheul, was das tuvinisch-bulgarisch-französische Trio auf seinem dritten Album zu Gehör bringt, vielmehr eine ausgesprochen rasante Achterbahnfahrt durch europäische und asiatische Musiktraditionen. Dandarvaanchig Enkhjargal brilliert auf der Moorin Khoor, der mongolischen Geige, die dort einen geschnitzten Pferdekopf hat, wo bei hiesigen Geigen die Schnecke ist. Dazu erklingt sein unnachahmlicher Kehlkopf- und Obertongesang, während Kollege Dimitar Gougov die drei Melodiesaiten seiner Gadulka-Laute strapaziert und Schlagwerker Fabien Guyot auf seine Trommeln und Percussions eindrischt. Und das alles in einem atemberaubenden Tempo! Nein, dies ist keine Folktruppe traditionellen Zuschnitts, dies ist eine Rockband! Und wenn das Trio der Meinung ist, noch ein gutes Pfund mehr Druck zu brauchen, dann verdoppelt es sich durch das Brasstrio Notilus (Guillaume Nuss, Posaune, Tuba; Paul Barbieri, Trompete; Christophe Rieger, Saxofon), und schon geht er los, der „Balkan Twist“ (Track 6). Die 45 Minuten der CD vergehen jedenfalls wie im Flug, und der Rezensent bedauert, was er sonst eher begrüßt – dass die Band die Spielzeit des Tonträgers nicht komplett genutzt hat.
Walter Bast

Kurzrezensionen
 AKLEJA: Wasser und Erde
AKLEJA
Wasser und Erde
(Eigenverlag)


Zwei Nyckelharpas, eine irische Bouzouki und eine Ukulele – mehr braucht es nicht für eine wunderschöne CD. Regina Kunkel und Björn Kaidel präsentieren fast eine Stunde einfallsreich arrangierte und virtuos eingespielte Polkas, Schottische, Mazurkas, Menuette aus alten deutschen Handschriften (wie der Dahlhoff-Sammlung) oder im traditionellen Stil von den beiden Musikern komponierte Instrumentalmusik zum Tanzen, Zuhören und Wegträumen. Sehr empfehlenswert.
uj
 ALTIN GÜN: Gece
ALTIN GÜN
Gece
(Glitterbeat)


Im vorigen Jahr begeisterte die niederländisch-türkische Combo zurecht mit ihrer schmissigen ersten Produktion On die Hörer. Auf dem vornehmlich in der Nacht (gece) entstandenen zweiten Album ziehen die Musiker nach – teilweise noch energetischer. Wieder stand die Psychedelic-Phase des Anadolu Rock (1966 ff.) Pate für den Sound. Leider fehlen auf dem Cover wieder die Texte und die Namen der Komponisten der Stücke, darunter Größen wie Neşet Ertaş und Aşık Veysel.
ink

 ASP: Zaubererbruder – Live & Extended
ASP
Zaubererbruder – Live & Extended
(Trisol Music Group)


Zum zehnjährigen Jubiläum ihrer Interpretation der sorbischen Sage um den Zauberlehrling Krabat spielen die Gothic-Novel-Rocker ASP ihr damaliges Doppelalbum nun live ein. Mit drei neuen Stücken, der Lesung „Das andere Ende“ und drei Gastmusikern. Nikos Mavridis (Geige), Patty Gurdy (natürlich Drehleier, Gesang) und Thomas Zöller (Dudelsäcke, Low und Tin Whistle) tun den Songs und der musikalischen Vielfalt ausgesprochen gut. Zweieinhalb Stunden spannende, poetische und abwechslungsreiche Musik!
pp
 ASSYNT: Road To The North
ASSYNT
Road To The North
(Garthland Records)


Assynt ist eine wildromantische Gegend im Nordwesten Schottlands, und der Name ist Programm. David Shedden (Pipes, Whistle), Graham Mackenzie (Fiddle) und Innes White (genau der, siehe auch Innes Watson, Gitarre) legen ein Instrumentaldebüt vor, das den rauen Charme dieser Landschaft atmet. Klingt traditionell, ist aber bis auf eine Ausnahme selbst geschrieben.
mk

 BLICK BASSY: 1958
BLICK BASSY
1958
(No Format!)


Der kamerunische Singer/Songwriter legt ein inhaltlich wie musikalisch überzeugendes Konzeptalbum vor. In seinen Texten erinnert er an eine fast vergessene, auch verdrängte Phase der Geschichte seines Heimatlandes, den Unabhängigkeitskampf gegen die Kolonialmacht Frankreich. Diese veranlasste 1958 u. a. die Erschießung etlicher Freiheitsaktivisten. Einfühlsame Songs, filigran arrangiert, mit Bassys mal zarter, mal expressiver Stimme und seinem virtuosen Gitarrenspiel als Basis.
rs
 GEORGE BENSON: Walking To New Orleans
GEORGE BENSON
Walking To New Orleans
(Provogue)


Ein ganz wunderbares Album eines großen Jazzgitarristen. George Benson hat im Laufe seines musikalischen Lebens oft mit der eingängigen Seite der populären Musik sein Geld verdient, was ihm viele (Jazz-)Puristen verübelten. Ziemlicher Unsinn, konzentriert man sich nämlich auf seine jazzige Seite, gehört er zu den vielleicht zehn führenden Gitarristen dieses Genres. Jeweils fünf Songs von Chuck Berry und Fats Domino sind hier meisterhaft, gefühl- und geschmackvoll und einfach wunderschön neu eingespielt.
ah

 BERLIN BOOM ORCHESTRA: Reggae Punks
BERLIN BOOM ORCHESTRA
Reggae Punks
(Springstoff)


Wir Deutschen sind ein anhängliches Volk. Gut fünfzig Jahre, nachdem Desmond Dekker und Jimmy Cliff die einheimischen Charts eroberten, erfreut sich der Sound Jamaikas konstanter Beliebtheit. Und da zwischenzeitlich auch Punk und NDW an der hiesigen Szene vorbeigerauscht sind, gibt es nun also auch Reggae mit rotziger Attitüde und auf Deutsch. Das BBO repräsentiert diese Entwicklung aufs Vortrefflichste. Druckvoller Sound und beißende Sozialkritik gehen eine perfekte Allianz ein. Unbedingt anhören!
wb
 JOHN BLEK: Thistle & Thorn
JOHN BLEK
Thistle & Thorn
(K&F Records)


Sehr gekonnt produzierte Sammlung von Mid-Tempo -Songs des irischen Singer/Songwriters und Gitarristen aus Cork. Subtil kraftvolle Arrangements, die neben stimmungsvollen Streichersätzen, Bass und akustischen Drums auch fragile Momente zulassen. Spannungsvolles Songwriting, ergreifend beim Zuhören. Für Freunde des zeitgenössischen Folksongs unbedingt hörenswert!
js

 THE BROTHERS GILLESPIE: The Fell
THE BROTHERS GILLESPIE
The Fell
(Eigenverlag)


Wenn zwei Herren wunderbare Harmonien singen, dann ist der Simon-&-Garfunkel-Vergleich nie weit. Nicht ganz falsch, dass hier aber sind echte Brüder aus dem nordenglischen Northumberland, deren Songs die wilde und teils unwirkliche Landschaft reflektieren, ohne die Realitäten auszublenden. Gitarre, Mandoline, Whistle und Fiddle dominieren.
mk
 NORA BUSCHMANN: Ritmos Do Brasil
NORA BUSCHMANN
Ritmos Do Brasil
(Acoustic Music Records)


Die Honorarprofessorin an der Rostocker Hochschule für Musik wirft sich als Gitarristin derart leidenschaftlich und unakademisch ins Zeug, dass man rasch vergisst, dass es sich bei diesen Aufnahmen weitestgehend um „klassische“ brasilianische Musik handelt. Liebe, Kenntnis und Können gehen hier die schönste aller Verbindungen ein.
rb

 JAMES BYRNE: The Beirneach
JAMES BYRNE
The Beirneach
(jamesbyrnedonegalfiddle.com)


Feldaufnahmen des legendären Donegal-Fiddlers, von seiner Familie zusammengestellt aus dem über dreißig Jahre umfassenden Fundus von Tonaufnahmen unterschiedlichster Herkunft. Ob Pub, Stage Recital oder Wohnzimmermitschnitt, die Tracks geben ungeschminkt Auskunft über Klang, Groove und Spieltechnik James Byrnes. Natürlich sehr speziell, aber ein Muss für Fiddler und Liebhaber der schnellen, rauen Musik Donegals!
js
 FABRIZIO CAMMARATA: Lights
FABRIZIO CAMMARATA
Lights
(Haldern Pop Recordings)


Der palermitanische Songwriter spielte mit seiner Band, bestehend aus Donato di Trapani (Synthesizer), Carmelo Drago (Bass) und Adam Dawson (Schlagzeug) ein zupackendes Popalbum mit viel Rhythmus und eingängigen Refrains ein. Zuweilen kommt die auf Englisch gesungene CD recht opulent daher, dann auch wieder ziemlich filigran.
mst

 CASSY CARRINGTON & IHR HERR COSLER: Liebesfinder
CASSY CARRINGTON & IHR HERR COSLER
Liebesfinder
(Engelstadt Records)


Der Schauspieler Ralf Rotterdam ist als Dragqueen schon ein fesches, wenn auch stattliches Weib, und singen kann sie auch. Popchansons zwischen Ironie, Selbstironie und Lebensgefühl, Lieder, die uns etwas über die Szene erzählen, menschlich und speziell, zwischen Einsamkeit und Cruisen, Lebenslust und Größenwahn, Empfindlichkeit und Härte. Zusammen mit Pianist Tobias Cosler entstand ein pfiffiges und gelungenes zweites Programm, das uns auch überzeugend die Vorteile eines Darkrooms offenbart.
rk
 COLADERA: La Dôtu Lado
COLADERA
La Dôtu Lado
(Agogo Records)


Die Coladeira ist ein kapverdischer Tanzrhythmus, den das Duo des Brasilianers Vitor Santana und des Portugiesen João Pires zu ihrem Gruppennamen gemacht haben. Die beiden Sänger und Gitarristen haben mit einigen Musikerfreunden ihr zweites Album eingespielt. Von Portugal scheint es nur ein Katzensprung rüber zu den Kapverden, nach Angola und Brasilien. Lockere, feine akustische Musik ohne Schnickschnack.
mst

 DIVERSE: Blind Lemon’s Uke Party
DIVERSE
Blind Lemon’s Uke Party
(Blind Lemon Records)


Diese CD zaubert ein Lächeln ins Gesicht. Produzent Thomas Schleiken hat Künstler seines Labels gebeten, Stücke auf der Ukulele einzuspielen – instrumental oder mit Gesang. Lightnin’ Wells spielt beispielsweise einen locker-leichten Walzer, Tom Shaka verwandelt den kleinen Viersaiter in ein Bluesinstrument, und Peter Funk intoniert einen Ragtime. Mit „Moanalua Hula“ gibt es auch einen Hawaii-Titel. Vorstellt werden Konzert-, Resonator- oder Sopranukulele. Der Ukulelenklang macht einfach Spaß.
uh
 DIVERSE: Singer & Songwriter – A Collection
DIVERSE
Singer & Songwriter – A Collection
(Blow Till Midnight Records)


Lust, neue Singer/Songwriter zu entdecken? Dieses Album stellt sechzehn ganz unterschiedliche Stimmen vor, vom Americana-Hero Markus Rill über die poetische Kate Rena bis zu Blues/Ragtime von Maik Garthe oder deutschen Liedern eines Uwe Schatter. Die Geschichte hinter dem Sampler: Der renommierte Bluesmusiker Chris Kramer betreibt Blow Till Midnight Records. Auf dieser CD stellt er einige Künstler aus seinem Verlag vor, hilft ihnen Tantiemen zu bekommen und in die Profiliga aufzusteigen.
uh

 DIVERSE: The Rough Guide To The Music Of Eastern Europe
DIVERSE
The Rough Guide To The Music Of Eastern Europe
(World Music Network)


Es ist immer wieder das Gleiche mit den Rough-Guide-CDs. Neulingen eröffnet sich eine neue und erstaunlich vielfältige Welt, und auch die Kenner finden die eine oder andere Perle, die ihnen bislang entgangen ist. Dieser Sampler konzentriert sich auf Ex-Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien, enthält aber auch Polnisches, Albanisches, Ungarisches, Ostjüdisches und Romaliedgut zwischen Tradition und Moderne mit Einsprengseln von Jazz und Electrobeat. Sehr kurzweilig.
ink
 IZABELLA EFFENBERG: Crystal Silence
IZABELLA EFFENBERG
Crystal Silence
(Unit Records)


Der Titel des Albums beschreibt sehr einfach und bildhaft genau den Klang, den die polnische Vibrafonistin auf verschiedenen melodiösen Percussioninstrumenten erzeugt. Effenberg nimmt uns mit in ihren Meditationsraum und erzählt uns Geschichten aus dem Traumland der Harmonie. Kein Instrument könnte dies besser als das Array Mbira mit seinem harfen- und glockenartigen Klang, der uns in die Stille und in unsere innere Bilderwelt führt. Um diese Musik zu genießen, braucht es einen ruhigen Raum.
cs

 ET ENCORE: Welcome Home
ET ENCORE
Welcome Home
(Eigenverlag)


Die belgische Folkrockband Et Encore existiert schon über zwanzig Jahre und präsentiert mit Welcome Home ihr siebtes Album. Sie haben Drive, Ideen und offensichtlich viel Spaß. Der Gesang ist meist Englisch und manchmal Französisch. E-Gitarre, Bass und Schlagzeug sorgen für den Beat, Fiddle und Whistle für folkige Verzierungen. Es spricht für das Songwriting der Band, dass die Coverversionen „Whiskey In The Jar“ und „Psycho Wall“ (Mix aus „Psycho Killer“ und „Another Brick In The Wall“) nicht herausragen.
chr
 ELVA: Winter Sun
ELVA
Winter Sun
(Tapete Records)


Das norwegisch-australische Paar Ola Innset und Elizabeth Morris tritt in die Fußstapfen von Simon & Garfunkel. Zumindest die Songs und der zweistimmige Gesang klingen wie Ende der Sechzigerjahre komponiert. Als Kontrast dazu steht eine Gitarre, die man von den Indiebands der Achtzigerjahre kennt; Belly oder sogar die Flowerpornoes scheinen durch. Diese Mischung ist charmant und hinterlässt gute Laune. Die Leichtigkeit im Herzen, die Winter Sun erzeugt, ist gerade in diesen Zeiten unglaublich wohltuend.
ce

 NEWTON FAULKNER: The Very Best Of Newton Faulkner … So Far
NEWTON FAULKNER
The Very Best Of Newton Faulkner … So Far
(Do-CD, Battenberg Recordings/The Orchard)


Kann man nach über zehn Jahren und sechs CDs durchaus machen, so ein Best-of-Album, zumal die Veröffentlichung mit ein paar neuen Liedern, Coversongs und Liveversionen angereichert wird. Der Singer/Songwriter mit der besonderen Frisur und dem Gitarrentapping hat einen solchen Bekanntheitsgrad, dass sich die 31-Songs-Sammlung super verkaufen wird.
mk
 FIDDLER’S GREEN: Heyday
FIDDLER’S GREEN
Heyday
(Deaf Shepherd Recordings)


Die fränkischen Irish-Speed-Punk-Folk-Rocker produzieren am laufenden Band. Album Nr. 21 seit 1992 liegt auch auf Vinyl vor, sogar in Grün. Inhaltlich alles wie gehabt: deftige, schnelle, aggressive, laute, aber hier und da auch melodische Musik im Fahrwasser der Pogues, Mahones und ähnlicher Bands. Texte liegen der Promo-CD nicht bei.
mas

 FOGELSCHEUCHE: Rau Reif
FOGELSCHEUCHE
Rau Reif
(Eigenverlag)


Seit 2007 ist es das dritte Album dieser Bonner Band, die sich nur als „Rockprojekt“ bezeichnet. Mit ihren standarddeutschen Texten liefern sie Balladen, die eher Erzählungen als Lieder sind, vorgetragen mit einem das Versmaß oft missachtenden Sprechgesang und von einem Gehenkten, einem Waldschrat, einem Zug nach Flensburg und anderem (Texte im Beiheft) erzählen. Instrumentale Zwischenspiele oft keltischer oder balkanischer Provenienz und deftig-rockiger Darbietungsweise lockern die Lieder auf.
mas
 FOLKLAW: We Will Rise
FOLKLAW
We Will Rise
(Fiddle of 8 Records)


Ist eigentlich ein englisches Folkrock-Sextett, es sind aber sieben auf dem Cover und acht aufgelistet. Flexibel, die Jungs und Mädels. Musikalisch nicht zu hardrockig, mit kaum zu überhörenden keltischen Elementen vom frauenkämpferischen Titelsong über ironisch-witzige Songs bis zu eher kontemplativen Themen und Melodien. Sie wissen, was sie tun!
mk

 FOLTERBAUER VOIGT: Vü G’füh
FOLTERBAUER VOIGT
Vü G’füh
(Wolf Records International)


Alexander Folterbauer und Gabriele Voigt sind ein Tiroler Liedermacherduo, bei dem sie Klavier spielt und er singt. Solange man dem getragenen, elegisch-mutlos machenden Gesang nur zuhört, kann man den Gedanken freien Lauf lassen. Wer die Texte nachliest, muss sich fragen, warum es für gequälte Liebeslyrik des Dialektes bedarf. „Des is ois für di“ klingt auch auf Hochdeutsch platt.
jus
 TEILHARD FROST: As The Crow Flies
TEILHARD FROST
As The Crow Flies
(Sepiaphone Records)


Roh und einfach mit Banjo, Fiddle, Mundharmonika und Maultrommel gespielte oder a cappella vorgetragene Old-Time Music englischer Einwanderer aus den Appalachen. Musik wie aus einem Museumsdorf. Sinnvoll wäre der Abdruck der Texte gewesen, denn man erfährt beim Hören viel über Lebensumstände und Moralvorstellungen früherer Zeiten. Das Leid bedingungsloser Liebe gegenüber streng behüteten Töchtern oder Geschichten über Einbrecher sind typische Themen.
hjl

 IONA FYFE: Dark Turn Of Mind
IONA FYFE
Dark Turn Of Mind
(EP, Eigenverlag)


Es läuft momentan gut für die umtriebige schottische Sängerin, und sie legt clever gleich eine EP mit ihrer neuen Band nach (Gitarre, Mandoline, Piano). Nicht nur die Band ist neu, auch die musikalische Richtung wird erweitert, dezente Americana und etwas Swing sind angesagt. Und da Aidan Moodie eine feine Begleitstimme hat, passt alles bestens.
mk
 STEVE GARRETT: Discover And Endure
STEVE GARRETT
Discover And Endure
(Alt Mor Records)


Wer die E-Gitarre in erster Linie mit Rock und Jazz in Verbindung bringt, liegt bei dem Briten Steve Garrett völlig daneben. Wir betreten Landschaften von großer klanglicher Leuchtkraft und erliegen rasch dem Zauber eines bescheidenen, großen Geschichtenerzählers. Die Inspirationen zu den Tracks sind vielfältig und schön im Booklet nachzulesen.
rb

 GOTTFRIED GFRERER: Polychrome
GOTTFRIED GFRERER
Polychrome
(Lili Records)


Gottfried Gfrerer ist ein international bekannter Meister der National-Resonatorgitarren. Ob fingergepickt oder mit einem Bottleneck bearbeitet, er holt die feinsten Nuancen aus den sechs Saiten. Die amerikanisch-hawaiianischen Vorbilder im Hinterkopf, spielt er eine ganz eigene Mischung aus Blues, Jazz, Hawaiana und Ragtime ein und beweist seine hohe Klasse.
jus
 BRYONY GRIFFITH: Hover
BRYONY GRIFFITH
Hover
(Selwyn Music)


Dafür braucht man Mut! Eine ganze CD mit traditionellen englischen Fiddlemelodien, nur ab und zu mal von Gitarre und Kontrabass des Tontechnikers Ian Stephenson unterbrochen. Doch Langeweile kommt nicht auf, denn Griffith, die sonst z. B. mit den Demon Barbers auftritt, ist auch solo eine absolute Könnerin. Man muss sich nur darauf einlassen.
mk

 GUTS: Philantropiques
GUTS
Philantropiques
(Heavenly Sweetness)


Für einen eventuell baldigen, wieder heißen Sommer liefern der Franzose und seine unzähligen Mitstreiter schon jetzt das partykompatible Survival Kit. Angesichts der diversen, u. a. lusofonen Afro(beat)-Tropikalia-Sounds kaum vorstellbar, dass der seit 1990 aktive Beatmaker mal mehr im Hip-Hop aktiv war. Mit einer eigens formierten Band und vielen Gastsängern entsteht ein rhythmisch reizvoller, u. a. afrobeat-eingetakteter „Kulturkreis“, in dem Brasilien, die Karibik und Afrika noch näher zusammenrücken.
kw
 Hat Check Girl: Cold Smoke
Hat Check Girl
Cold Smoke
(Gallway Bay Music)


Amerikanisches Folkduo mit bedächtigen Songs voller melancholischer Atmosphäre. Die brüchige, tieftraurige Stimme von Peter Gallway erklingt im Wechsel mit der von Anne Gallup, die mit ihrem hauchigen Gesang Marianne Faithfull sehr nahe ist. Von den Instrumenten her liegt man aber eher im Bereich der traditionellen Musik der USA: Gitarre, Dobro, Banjo, Lap Steel und Fiddle. Die Lieder handeln oft von Kriegserlebnissen und wirken wie gemächliche Schritte am Strand, keine Hektik also.
hjl

 JOSEF HIEN: Mit Dir
JOSEF HIEN
Mit Dir
(Sturm & Klang)


Ein wunderbares Liedermacherdebüt mit intelligenten, ironischen, poetischen, teils bittersüßen Liedern („Mit Dir“) und politischen Songs („Sei bei mir“) zu eingängigen Melodien, vorgetragen mit einer sehr angenehmen Stimme, die oft an den großen deutschen Liedermacher denken lässt, dem Hien (nicht nur) mit dem Song „Mein Respekt, Herr Mey“ eben jenen erweist. Die elf Songs wurden mit einer ganzen Riege exzellenter Gastmusiker musikalisch überzeugend umgesetzt.
uj
 IL CIVETTO: Facing The Wall
IL CIVETTO
Facing The Wall
(Eastblok Music)


Auch das zweite Album lässt spüren, dass die gern polyglotte, nur just nicht auf Italienisch agierende Band mal (2010) in Berlins Straßen und U-Bahnen startete. Live wohl besonders animierend, scheinen die vier Jungs samt einiger Gäste auch das Osteuropa geneigte Berliner Label aus einem längeren Schlaf geholt zu haben, das schon das Debüt veröffentlichte. Die recht naturbelassene, fast akustische, stilistisch weitschweifige Melange verrät viel reale und imaginäre Reiselust, ist quasi Global Pop im Wortsinn.
kw

 JAMARAM: To The Moon And The Sun
JAMARAM
To The Moon And The Sun
(Turban Records)


2000 von Sänger Tom Lugo, Gitarrist Sam Hopf und Schlagzeuger/Schauspieler Max Alberti gegründet, legen Jamaram nun bereits ihr elftes Album vor. Ihr reggaebasiertes Repertoire hat die Band sukzessive mit einer Reihe anderer Stile ergänzt und so die Klangfarben ihrer Musik enorm erweitert. Geblieben ist allerdings der prägnante Rhythmus, wodurch ihre aktuelle CD trotz vielschichtiger instrumentaler Ausflüge in artverwandte Richtungen immer noch ein lupenreines Reggaealbum geworden ist. Gut so.
wb
 RICK KRÜGER: Songs From A Winter’s Night
RICK KRÜGER
Songs From A Winter’s Night
(Eigenverlag)


Der Stuttgarter Musiker Rick Krüger ((div. Sackpfeifen, Flöten, Konzertinas, Gitarren, Percussion, Gesang) widmet sein viertes Album seit 2005 dem Winter. Sebastian Elsner unterstützt ihn mit einer Drehleier. Krügers Stärke liegt zwar eher im Instrumentalspiel als im Gesang, aber gibt man sich den Stimmungen der Texte (im Beiheft) hin, kann man ins Träumen geraten von langen Winterabenden, weißen Landschaften und einer wohltuenden Stille.
mas

 BERNADETTE LA HENGST: Wir sind die Vielen
BERNADETTE LA HENGST
Wir sind die Vielen
(Trikont)


Auf ihrem sechsten Album widmet sich die 52-jährige Sängerin, Gitarristin und Regisseurin den drei existenziellen Grundfragen: Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Und was, zum Henker, mache ich hier gerade? In dreizehn Kapiteln sucht sie nach schlüssigen Antworten, forscht in Beirut nach der Sechzigerjahrewohnung ihrer Eltern, reflektiert über den Tod oder engagiert sich musikalisch für Klimaschutz und Menschenrechte. Und das ganz ohne Dogma, Verbissenheit oder Selbstmitleid. Das können nur wenige. Respekt!
wb
 LES YEUX D’LA TÊTE: Murcielago
LES YEUX D’LA TÊTE
Murcielago
(Fais & Ris)


Les Yeux d’la Tête ist ein Sextett aus Paris, das seit 2006 existiert und mit Straßenmusik angefangen hat. Inzwischen sind sie europaweit für ihre Mischung aus Chanson, Mestizo-Rock und Manouche-Swing bekannt. Das vierte Album Murcielago ist besonders leicht und gut gelaunt. Passend zum kommenden Sommer geht es Richtung Sunshine-Reggae. Nur das titelgebende Tier „Murcielago“ (die spanische Fledermaus) will auf den ersten Blick nicht recht zur sonnigen Orientierung passen. Aber hier steht die Fledermaus symbolisch für Veränderung und Wiedergeburt. Les Yeux d’la Tête sehen ihr neues Album offensichtlich als Weiterentwicklung. Alten Fans wird es dennoch gefallen.
chr

 LONESOME SHACK: Desert Dreams
LONESOME SHACK
Desert Dreams
(Alive Naturalsound Records)


Wie in Zeitlupe schleicht dieser Blues daher und entfaltet hypnotische Wirkung, etwa im schwergewichtigen „King Clone“. Das Trio aus Seattle mit Wohnsitz London hat tief gegraben, seine Lektionen etwa in Sachen Canned Heat und alten Schellacks gelernt. Die aus der Zeit gefallenen Songs stammen von Gitarrist Ben Todd. Getragen von seinen Kollegen Luke Bergman (b) und Kristian Garrard (dr), liefert er raue und wiedererkennbare Licks in Reihe. Sind das nun wüste Träume oder Wüstenträume?
vd
 CHRISTIAN LÖTTERS: Würden wir nur
CHRISTIAN LÖTTERS
Würden wir nur
(Eigenverlag)


Ach, warum müssen Liedermacher wie Christian Lötters im Eigenverlag produzieren? Sowohl Texte als auch Musik des Künstlers sind wunderschön und können sogar Vergleichen mit Reinhard Mey standhalten. Klavier, Gitarre und eine raue Stimme, die auch einer Hamburger Indieband gut stehen würde, ergeben ein stimmiges Gesamtpaket, das zum Träumen und Nachdenken einlädt. Christian Lötters ist ein Liedermacher für Jung und Alt, für Folkie und Popfan gleichermaßen. Mutige Plattenfirmen, wo seid ihr?
ce

 ALICE PHOEBE LOU: Paper Castles
ALICE PHOEBE LOU
Paper Castles
(Eigenverlag)


Die erst 25-jährige Wahlberlinerin aus Südafrika hat immer wieder Passanten mit ihrer Straßenmusik zum Verweilen gebracht. Jetzt verzaubert sie mit ihrem zweiten Album. Damit ihr niemand reinredet, produzierte sie es im Eigenverlag. Innig, verspielt, individuell und elegant klingen ihre Songs. Mit heller Stimme transportiert sie über jazzig- folkige Klänge ihre freigeistige Haltung zur Welt. Ein gut konstruiertes Ganzes, eine wunderschöne Reise durch einen eigenen Kosmos.
is
 GILLEBRIDE MacMILLAN: Freumhan Falaichte – Hidden Roots
GILLEBRIDE MacMILLAN
Freumhan Falaichte – Hidden Roots
(Eigenverlag)


Ernsthaft sieht er aus, der Singer/Songwriter MacMillan, ein dröger gälischer Gelehrter – und er ist nichts dergleichen. Ja, seine Texte sind poetisch, philosophisch, traditionell und sozial, aber die Musik ist modern und von Könnern wie Natalie Haas oder Ewan MacPherson eingespielt. Plus ein vorbildliches zweisprachiges Beiheft. Gälische Lieder von heute.
mk

 MADISON VIOLET: Everything’s Shifting
MADISON VIOLET
Everything’s Shifting
(IMG/Big Lake/Rough Trade)


Brenley MacEachern und Lisa MacIsaac aka Madison Violet bringen ihre Art von Folkpop seit zwanzig Jahren als Musiknomaden fast überall auf der Welt zu Gehör. Die beiden Damen von Cape Breton Island, Kanada, reduzieren die 2014er-Electro-Dance-Beats wieder auf konventionelles Niveau, eher Pop als Folk, aber das machen die ergreifenden Harmonien allemal wett.
mk
 DIANE NÍ CHANAINN: Idir Mhuir Agus Sliabh
DIANE NÍ CHANAINN
Idir Mhuir Agus Sliabh
(Clo Iar-Chonnachta)


Traditionals der aus Donegal stammenden Sängerin in vorwiegend gälischer Sprache. Ihr solider Gesang wird unterlegt von einer illustren Schar von irischen und schottischen Musikern vorwiegend aus dem Dunstkreis der Band Capercaillie. Es entsteht ein dichter, etwas stereotyp anmutender Wohlfühlsound. Für den Rezensenten ist der Anteil an „Hits“ des Gaelic Song zu hoch, er hatte da mehr bisher ungehörtes Material erhofft.
js

 Fernando Otero & Victor Hugo Villena: Buenos Aires Now
Fernando Otero & Victor Hugo Villena
Buenos Aires Now
(Ruta Records)


Befreit von stilistischen Fesseln, modernen Tendenzen und Ansprüchen wie im Tango Nuevo spielen hier der Pianist Fernando Otero und der Bandoneonspieler Victor Hugo Villena eine ruhige, meditative, gefühlvolle, impressionistische Musik, die den Tango als Anhaltspunkt und Inspirationsquelle nimmt. Spürbar hören die beiden einander zu, nutzen das Instrumentarium als Klangwerkzeug für einen Tango der Stille und Besinnlichkeit.
hjl
 ÖTTE: Gare Du Noise
ÖTTE
Gare Du Noise
(Motor)


Rockmusik à la Westernhagen zu verkaufen ist immer schwer, es sei denn, man ist Westernhagen. Ötte ist aber nun mal Ötte, und so reichte es mit seiner Band nur zum Support für die Stars. Nun also der zweite Soloversuch mit neuem Wein in alten Schläuchen. Solide Rockmusik aus dem letzten Jahrtausend mit deutschen Texten. Ötte bleibt seiner Linie treu und gibt nicht auf. Mit dem starken Labelpartner Motor wird es vielleicht sogar endlich ein Erfolg. Zu wünschen wäre es dem Tapferen.
ce

 OUTLINER: A Different Light Behind Every Face
OUTLINER
A Different Light Behind Every Face
(STF-Records)


Alle zehn Jahre braucht die Welt eine Sängerin, die, nur mit Gitarre begleitet, die Herzen der einsamen Zuhörer erwärmt. Damals Mitchell, später Armatrading, zwischendurch Chapman – warum dann nicht dieses Mal Outliner? Gut, die junge Sängerin kommt aus Hamburg und nicht aus New York, aber sie macht alles richtig. Die leicht melancholischen Eigenkompositionen treffen tief, das zarte Fingerpicking verzichtet völlig auf Virtuosenpathos und untermalt die Songs perfekt. Ein Album für Verliebte.
ce
 PONS AELIUS: Captain Glen‘s Comfort
PONS AELIUS
Captain Glen‘s Comfort
(Eigenverlag)


Pons Aelius? Na klar doch, wo einst die Römer den Hadrianswall erbauten und heute Newcastle liegt – und diese sechs Herren wohnen, deren Instrumentalmusik (Pipes, Whistle, Flöte, Mandoline, Banjo, Gitarre, Bouzouki, Percussion), eine Mischung aus Trad sowie Fremd- und Eigenkompositionen, ziemlich schottisch klingt und Flöten dominiert ist. Gut!
mk

 JANUSZ PRUSINOWSKI KOMPANIA: Po Śladach – In The Footsteps
JANUSZ PRUSINOWSKI KOMPANIA
Po Śladach – In The Footsteps
(Buda Musique)


Ein hochenergetisches Album. Das international renommierte fünfköpfige polnische Akustikensemble ist bekannt für seine exzellenten Interpretationen traditioneller Musik der Dörfer Zentralpolens. Bandleader Janusz Prusinowski versteht es hervorragend, die rhythmischen und tranceartigen ethnischen Tänze und Balladen in moderne jazzige, bluesige und sogar punkige Klänge zu verwandeln. In den ruhigeren Stücken klingen auch immer wieder die Musikstile Asiens oder des Nahen Ostens an. Mehr als eine Stunde Weltmusik auf hohem Niveau.
ep
 REFUGEES FOR REFUGEES: Amina
REFUGEES FOR REFUGEES
Amina
(Muziekpublique)


Die gelungene Fortsetzung des einzigartigen Flüchtlingsprojekts der belgischen Non-Profit-Initiative Muziekpublique. Im Vergleich zum Vorgänger Amerli klingt Amina allerdings nicht so elektrisierend. Das liegt sicher nicht daran, dass das Flüchtlingsensemble von zwanzig auf zehn Musiker geschrumpft ist. Die erstklassigen Musiker aus Syrien, Tibet, Afghanistan, Pakistan, dem Irak und Belgien überzeugen erneut mit ihrer Mischung aus eigenen Kompositionen und traditionellen Stücken über Frieden und Krieg.
ep

 SHIREGREEN: References
SHIREGREEN
References
(Broken Silence)


Wenn man Musik gemacht hat und in die Jahre kommt, haben einen über die Zeit viele unterschiedliche Musiker geprägt, beeinflusst und begleitet. Wie kann man diese Einflüsse darstellen, würdigen und anderen nahebringen? Klaus Adamaschek hat seine Referenzen an Dylan, Cohen, Baez, Knopfler und andere in eigenen Songs verarbeitet, die textlich und musikalisch an die Vorbilder anknüpfen. Mit seiner Band Shiregreen ist daraus ein spannendes und liebevoll aufbereitetes Projekt entstanden.
rk
 SPORTELLI: Fear And Courage
SPORTELLI
Fear And Courage
(Forest Records)


Der Bieler Songwriter Sportelli hat in einem dreijährigen Schaffensprozess fast alle Lieder seines neuen Werks Fear And Courage selber eingespielt. Herausgekommen ist ein Album mit acht radiotauglichen, eingängigen, oft nachdenklichen Popsongs.
mst

 SHAYNA STEELE: Watch Me Fly
SHAYNA STEELE
Watch Me Fly
(Membran)


Was für eine große, kräftige, präsente Stimme! Die Soulsängerin Shayna Steele zieht auf ihrem dritten Album alle Register, und getrieben von ihrer famosen Band bleiben in Hinsicht auf Emotion und Ausdruck keine Wünsche offen. Auch der zunächst sehr nuanciert gesungene Bluessong „Life Goes On“ explodiert in einem stimmlichen Feuerwerk. Erst mit „Home“, einer sanften Ballade, wird es dann ruhiger, und siehe da, auch die ruhigen Töne beherrscht sie grandios.
ah
 STEPLING: Leap
STEPLING
Leap
(Eigenverlag)


Über Musik zu schreiben, ist schon grenzwertig, aber diese Musik müsste man sehen! Gitarre, Fiddle, Percussion und Tanz, Clog Dance genauer gesagt, und zwar von Toby Bennett, einem echten Champion. Die Melodien sind hauptsächlich englisch plus ein paar Songs zur Abwechslung. Die zwei Damen und zwei Herren sind garantiert eine Bereicherung für jede Bühne.
mk

 TAGELFAR: Murbräckan
TAGELFAR
Murbräckan
(Tagelfar)


Das schwedische Trio Tagelfar spielt Nyckelharpa und Gitarre. Sie schöpfen aus der schwedischen Tradition und komponieren auch selbst. Das Cover sieht aus wie eine Bilderbuchillustration, aber keine Angst, so idyllisch ist es dann nicht. Schmissige Stücke, die ins Tanzbein fahren, wechseln ab mit (instrumentalen) Wiegenliedern und beruhigenden Walzern.
gh
 SUZIE VINNICK: Shake The Love Around
SUZIE VINNICK
Shake The Love Around
(Eigenverlag)


War bislang die akustische Gitarre das Instrument der Wahl, so spielt die kanadische Sängerin Suzie Vinnick auf ihrem neuesten Album nun alle E-Gitarren und auch den Bass selbst. Geblieben ist ihr Gespür dafür, was einen guten Song ausmacht: Als Songwriterin bleibt sie ihren Quellen im Folk und Blues treu, die selbst komponierten Stücke schildern Alltägliches, ihre Stimme ist angenehm temperiert, der Gesang schön laid back. Alles klingt leicht und fröhlich, ohne jedoch ins Beliebige zu entgleiten.
ah

 VINOROSSO: Geboren In Die Berg
VINOROSSO
Geboren In Die Berg
(Vinorosso)


Der Ansatz der siebenköpfigen Truppe aus Südtirol, moderne alpine Musik ohne stilistische Einschränkungen zu spielen, ist sympathisch. Also kommen Rock und Rocksteady, Jazz und Reggae zum Einsatz. Das ist rhythmisch körperbetont gut. Gesungen wird im Dialekt; wer im Booklet nachliest, wird feststellen, dass Schlagerweisheiten auch im Dialekt nicht klüger machen.
jus
 VOLKER VORBERG: Sanduhrenvergleich
VOLKER VORBERG
Sanduhrenvergleich
(Rainy Day Music)


Der Chemnitzer Liedermacher mit der sanften, fragilen Stimme stellt auf diesem Album Songs und vier Instrumentalstücke aus den letzten achtzehn Jahren vor, alle selbst geschrieben und produziert. Zu hören sind Liebeslieder und poetische Verse wie „Die Zeit streicht übers Land, rinnt wie Sand aus meiner Hand“, aber auch Kritisch-Nachdenkliches wie „wer am besten heucheln kann, kommt ganz oben an“. Es geht um Freundschaft, Loslassen, Ärger-aus­-dem-Weg-Gehen. Musikalisch ein liedhafter Rock mit akustischen Gitarren. Leider ohne Textabdruck.
rps

 BEN WALKER: The Fox On The Downs
BEN WALKER
The Fox On The Downs
(Folkroom Records)


Eigentlich nicht zu glauben, dass der Mann, der weithin als einer der besten Akustikgitarristen schlechthin gilt, auf dieser EP erstmals als Solist in Erscheinung tritt. Bestens bekannt ist er durch seine Duoarbeit mit Sängerin Josienne Clarke. Vier äußerst feine Tunes bringt Walker zu Gehör, darunter eine zauberhafte Einspielung der „Lachrimae Pavan“ seines Landsmannes John Dowland.
rb
 WARDRUNA: Skald
WARDRUNA
Skald
(Norse Music)


Skaldengesänge, wie sie in isländischen Sagas beschrieben worden sind, zur Begleitung von so aufregenden Instrumenten wie Bockshorn oder Taglharpa (eine Art Leier, die ursprünglich mit Rosshaar – Tagl – bespannt war). Die Texte stammen teilweise aus der Lieder-Edda, es geht um Vergänglichkeit, Nachruhm und Schicksal. Man braucht einen Moment, um sich in den Sprechgesang hineinzuhören, und wird, wenn es gelingt, auf ewig gefesselt sein.
gh

 DANIEL WELTLINGER QUARTET: Szolnok
DANIEL WELTLINGER QUARTET
Szolnok
(DMG Germany)


Dies ist nun das fünfte Album des in Berlin lebenden Violinisten Daniel Weltlinger, der hier mit Uri Gincel (p), Paul Kleber (b) und Mathias Rupping (perc) ein Quartett bildet. Neben acht Eigenkompositionen schloss Weltinger u. a. auch die „Barcarolle“ von Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen in Szolnok ein. Weltinger entstammt einer jüdisch-ungarischen Familie, die größtenteils vernichtet wurde. Sein Großvater schaffte es über die Pyrenäen bis nach Marokko und Australien.
mg
 SOPHIE ZELMANI: Sunrise
SOPHIE ZELMANI
Sunrise
((Oh Dear Recordings)


Schwedische Liedermacherin, die auf Englisch schreibt und laut Pressemeldung ganz neue Wege geht. Darauf wird sie begleitet von Studiogästen mit einer Vielzahl von Instrumenten, und alles klingt nett und gefällig, erinnert sehr an Harry Nilsson, der ja auch schwedische Vorfahren hatte. Wer Nilsson Schmilsson geliebt hat, wird auch Sunrise mögen.
gh

 : rezi-legende
Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Udo Hinz (uh), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (jus), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Ines Körver (ink), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (chr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel, (mas), Roland Schmitt (rs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps),Martin Steiner (mst), Katrin Wilke (kw)




Onlinerezensionen
UMUT ADAN
Bahar
(Riverboat Records)


Schon in den ersten Takten wird klar, der aus Istanbul stammende und nun in Italien lebende Adan hat den Sechzigerjahre-Psychedelic-Rock der Türkei verinnerlicht. Das zeigt sich nicht nur im Sound, der sehr an Fikret Kızılok, Cem Karaca und Erkin Koray erinnert und übrigens eher zum Gemächlichen neigt. Auch sind Adans Texte (leider nicht abgedruckt) wie die seiner Vorbilder zum Teil hoch politisch („Bandırma Başkent Oldu“), ihre Botschaften zur Sicherheit aber stark verklausuliert.
Ines Körver
ANDREAS ARNOLD
Odisea
(Galileo MC)


Im elften New Yorker Jahr gibt der deutsche Flamenco-Jazzgitarrist das dritte zwischen den zwei Musikwelten gut vermittelnde Album heraus. Erneut sehr tiefgründig und poetisch geht es zu, mit den geeigneten Musikern. Zum recht neuen Trio gehören der Grieche Petros Klampanis am Kontrabass und Percussionist Miguel Hiroshi aus Spanien. Zusammen gelingt eine so urbane wie mediterrane Klangsprache in Arnolds mehr oder weniger flamenconahen Kompositionen, auch durch Gäste wie den jungen Pianisten Guy Mintus.
Katrin Wilke

HUGO BARRIOL
Yellow
(Naïve)


Ein Franzose, der leidenschaftlich Englisch singt. Das kommt nicht häufig vor. Entdeckt in der Pariser U-Bahn, legt der Singer/Songwriter ein starkes erstes Album vor. Sein melancholischer Akustikfolk mir Popelementen erinnert zwar sehr an seine Vorbilder Jack Johnson, Coldplay, Bon Iver, The Lumineers oder Mumford and Sons. Doch mit seiner sanften Stimme, seinen tiefgehenden Texten und gefühlvollen Melodien vermag Barriol ganz eigene Akzente zu setzen und macht Lust auf mehr.
Erik Prochnow
THE BLACK ELEPHANT BAND
Pop Smears
(9pm Records)


Folk trifft Punk. Diese Band ist eigentlich ein Solist, und der heißt Jan Bratenstein. Der Nürnberger singt zur Gitarre Songs mit großartiger Garagenpunkattitüde. Neunzehn kurze Stücke vertreiben mit wildem Gesang, Schrammelgitarre und skurrilen englischen Texten jede Folkgemütlichkeit. Das klingt herrlich respektlos und passend in die heutige Zeit. Die Stücke sind kaum länger als zwei Minuten – einfach grandios hingerotzt. Deshalb: Die Black Elephant Band ist so etwas wie die Ramones des Folk!
Udo Hinz

CHATHAM COUNTY LINE
Sharing The Covers
(Yep Roc Records)


Das kommt davon. In Konzerten Songs covern, die aber auf keiner CD der Band zu finden sind –also musste dieses Album her, damit endlich Ruhe herrscht an der Fanfront. Mit der Veröffentlichung bekommen die Anhänger ihre Covers, einen bunten Reigen von den Stones („Last Time“) über John Lennon („Watching The Wheels“) und Tom Petty („You Don’t Know How It Feels“) bis zum Ventures-Instrumental „Walk, Don’t Run“. All das in eigenwilligen Interpretationen und im Gewand eines rauen Bluegrass. Gut so.
Volker Dick
C’MON TIGRE
Racines
(BDC)


Die Musik des zweiten Albums der beiden Kreativköpfe von C’mon Tigre ist der Nacht zugehörig. Aus der Zeit gefallene Klangperlen, suggestiv und opulent instrumentiert, auch nicht selten filmmusikalisch die Mischung aus Atmosphären und Stilen, die im Bandprofil grob mit „Funk Afrobeat World“ zusammengefasst wird. Das Saiten- und Tasteninstrumente spielende und auch singende Duo umgibt sich mit diversen Bläsern, Vibrafon oder Schlagzeug.
Katrin Wilke

NED COLLETTE
Old Chestnut
(IT Records)


Für dieses Album muss man sich Zeit nehmen. Der in Melbourne geborene und in Berlin lebende Musiker hat ein verrücktes achtes Album veröffentlicht. In seinen vierzehn Kompositionen wechseln lange instrumentale Strecken und Folk der 1960er-Jahre, etwa im Stil von Donovan oder Pink Floyd. Ned Collette hält einen Abschluss in improvisierter Musik, und er präsentiert hier sein großes Können. Sein experimentaler Psych-Folk strotzt von interessanten Ideen, auch wenn seine Gesangsparts mitunter eine depressive Stimmung verbreiten.
Erik Prochnow
JANE COMERFORD
Filmreif! – Hollywood, Pyjamas & andere Tragödien
(Useful Music)


Es ist schon wieder dreizehn Jahre her, dass die gebürtige Australierin mit ihrer Band Texas Lightning für Deutschland beim ESC gesungen hat. Ihr zweites Soloalbum nach über zwanzig Jahren enthält jetzt nur deutsche Songs von ihr und Pille Hillebrand. Geschichten aus dem manchmal so bösen Leben. Beziehungen, mit den Höhen und vor allem Tiefen und Abschieden, bestimmen mit Humor oder Zorn die Lieder. Popchanson oder Soul, je nach Stimmung, und ein fast romantischer Lovesong auf ihre Wahlheimat Hamburg.
Rainer Katlewski

D’ARTAGNAN
In jener Nacht
(Sony Music)


Es ist die Lieblingsmusik meines neunjährigen Enkels. Er steht auf verwegene Männer, Mut und Ehre, Musketiere und Ritter und hört die drei Alben der Nürnberger hoch und runter. Als Erwachsener betrachtet man die Mischung aus Wolfgang-Petry-Sound, Karnevalshit und Irish Folk Rock doch etwas differenzierter. Dem Rezensenten ist sie zu marktorientiert und glattgebügelt, wirkt wie Après-Ski-Musik mit endlos wiederholten Mitsingrefrains, alles schön rhythmisch im Viervierteltakt. Die Qualität der Musiker ermöglicht viel spannendere Musik.
Piet Pollack
TRISTAN DRIESSENS & ROBBE KIECKENS
Blue Silence
(Home Records)


Eine meditative Platte, die aber nie langweilt. Driessens und Kieckens tragen meist auf ihren Hauptinstrumenten Oud und Rahmentrommel Kompositionen von Driessens vor. Doch auch diverse Gastmusiker sind zu hören, darunter Deryan Türkan an der Kemençe, Emre Gültekin an der Bağlama und Nathan Daems am Tenorsaxofon. Da Driessens kaum zu Vierteltönen und krummen Rhythmen neigt, ist die CD auch für ungeübte Ohren ein guter Einstieg in die orientalische Klangwelt.
Ines Körver

EASTEND
Morning Tide
(ATS Records)


Dass der österreichische Sitarvirtuose Klaus Falschlunger die Begegnung mit der Elektronik nicht scheut, bewies er bereits vor ein paar Jahren mit den Remixen seiner Sitar Diaries. Mit seinem Projekt Eastend sucht er nun die Interaktion von akustischen und elektrischen Klängen. In der Jazzsängerin Heidi Erler und dem Schlagwerker Christian Unsinn fand er zwei Partner, die in beiden Klangwelten zu Hause sind. Das Ergebnis ist ein Album mit jazzigem Flair und passenden indischen Einsprengseln.
Walter Bast
EKITI SOUND
Abeg No Vex
(Crammed Discs)


Keine Musik zum entspannt zurücklehnen! Leke „Chif“ Awoyinka aka Ekiti Sound knallt mit seinen wuchtigen elektronischen Soundcollagen gleich wie ein entfesseltes Feuerwerk los und ist bis zum letzten (dem fünfzehnten!) Track auch nicht mehr zu bremsen. Seit seiner Jugend pendelt der nigerianische Künstler zwischen Lagos und London hin und her. Er vermengt Hip-Hop, Drum ’n’ Bass, Soul und Afrobeat auf furiose, aber auch verstörende Art. Der Titel seines Debüts in Pidgin: „Bitte nicht beleidigt sein!“ Bin ich nicht!
Roland Schmitt

CHRISTIAN FALK
Jetzt
(Timezone)


In zehn ausgefeilt arrangierten Liedern untersucht der Liedermacher das Phänomen seiner persönlichen Gegenwart im Verhältnis zum Weltgeschehen. Und während er sich dem „Jetzt“ widmet, nimmt der knapp dreißigjährige Bremer Abschied von der jugendlichen Unbekümmertheit und den rockigen Klängen. Unterstützt durch Cello und Schlagzeug, gibt er sich mit heller Stimme und Gitarre ganz der Liedermacherei hin. Auch für die Zukunft reicht das Konzept: nach Jetzt plant er das Album Danach.
Imke Staats
THE FERALINGS
The Feralings
(Eigenverlag)


Das Songschreiben teilen sich Banjospielerin Nicole Upchurch und Bassist Patrick Bloom ebenso wie den Gesang, dazu kommt Benj Upchurch an der Mandoline. Fertig ist das Trio aus Iowa. Auf ihrer Debüt-EP bieten die Drei angenehm klingende Songs zwischen Folk und Bluegrass. Dazu zeigt sich Nicole Upchurch als gute Sängerin, die Alltagsgeschichten erzählt von Freundschaften und vom Familienleben. Die Produktion wirkt etwas hausbacken, aber die vielen schönen Passagen reißen’s wieder raus.
Volker Dick

SIGI FINKEL & MONIKA STADLER feat. DJAKALI KONE
Flower In The Desert
(Galileo MC)


Das weltläufige Duo Sigi Finkel (Saxofon und Flöte) sowie Monika Stadler (Konzertharfe) treffen in der Wüste, der Quelle allen Blues, auf den Koraspieler Djakali Kone. Leider ist dessen Einfluss auf das Gesamtwerk eher gering. Das Kernduo Sax/Harfe dominiert das Album mit Bluesanklängen zwischen Melancholie und unbedarfter Fröhlichkeit. Hier treffen Klangwelten aufeinander, die nicht leicht verschmelzen, und dies trifft nicht nur auf die asiatisch gestimmte Flöte zu. Gewöhnungsbedürftiger Folkjazz.
Christoph Schumacher
PEPPE FRANA & CHRISTOS BARBAS
Such A Moon, The Thief Pauses To Sing
(Felmay Records)


Bei einem Labyrinth Musical Workshop (Leitung Ross Daly) lernten sich der Süditaliener Frana und der Nordgrieche Barbas kennen. Beide hatten reichlich Erfahrung mit klassischer Musik, wollten aber in ihren Zwanzigerjahren noch einmal eine neue Richtung kennen und neue Instrumente spielen lernen. Inzwischen haben sie sich so gut in die Ney und die Oud eingearbeitet, dass es Spaß macht, ihren Duetten (meist Eigenkompositionen) über zehn Stücke hinweg zu folgen. Dazu trägt der hervorragende Sound bei.
Ines Körver

DAVE HAUSE
September Haze
(End Hits)


Der Amerikaner Dave Hause hat eine Vergangenheit im Punk. Doch hier legt er ein Minialbum vor, das klingt, als hätte er sein Leben lang nur Bruce Springsteen und Jackson Browne gehört. Die fünf Stücke sind sparsam arrangiert, zu dominanter Akustikgitarre kommen Tupfer von Klavier, E-Gitarre und Schlagzeug. Inmitten der Vorbereitungen zu einem regulären Album erfuhr Hause, dass er Vater wird. Nach dieser Kurzform und einer Babypause können sich Fans Hoffnung auf das lange Werk machen.
Imke Staats
HOODNA ORCHESTRA
Ofel
(Agogo Records)


Vor fast sechs Jahren, im Oktober 2013, veröffentlichten Hoodna ihr erstes Album, bereits vor über einem Jahr (Januar 2018) sollte nun das dritte folgen. Das „Orchester“ besteht aus einem vierzehnköpfigen Ensemble aus Tel Aviv, das eine Mischung aus frei fließenden Afrobeatrhythmen und – mit Anleihen aus dem Klezmer – einen heftigen „Dance-Floor-Funk“ spielt. Verantwortlich für die Kompositionen von acht der insgesamt neun Stücke des in Eilat produzierten Albums zeigt sich Ilan Smilan (g).
Matti Goldschmidt

JAHFRO
Farbenfro
(Catchy Records)


Auch ein Alleinstellungsmerkmal, (fast) jeden Song mit „Jah-jah“ zu beginnen. Originell. Musikalisch strotzt der Reggae des Kielers vor kraft- und druckvollen Melodien und Rhythmen; die Texte stammen überwiegend aus der Abteilung „Persönliches & Privates“. Lediglich zu Jahfros Stimme mag man geteilter Meinung sein. Oder sagen wir’s so: Wer Herrn Eißfeldts Gesang abkann, der wird mit Jahfros Intonation mühelos klarkommen. Alles in allem ein grundsolides Debüt mit hohem Wiedererkennungswert.
Walter Bast
LABELLE
Orchestre Univers
(Infiné)


Der Musiker und Produzent Jérémy Labelle, Sohn einer bretonischen Mutter und eines Vaters aus Réunion, beschreibt seine frühen musikalischen Einflüsse mit Séga, Jean-Michel Jarre und Detroit Techno. Ersteres ein Tanzstil aus der Heimat des Vaters, die beiden anderen musikalische Vorlieben von Mutter und Bruder. Wie er daraus zu einem eigenen Stil fand, kann man auf seinem dritten Album hören. Sanfte Percussion, schwebende Elektronik und unaufdringliche Beats sorgen für ein entspanntes Hörerlebnis.
Walter Bast

LANIKAI
Wild Indigo
(Ferryhouse Productions)


Solide gemachter Synthie-Pop mit Jazz- und Soulelementen aus Kanada. Die in Winnipeg beheimatete Songschreiberin Marti Sarbit wagt nach dem Ende des Indieduos Imaginary Cities mit Lanikai einen Neuanfang. Die zehn Songs über die Befreiung von emotionalem Schmerz im Alltag laden von Anfang an zum Tanzen ein. Obwohl gut produziert, reißt die Platte jedoch nicht wirklich mit. Irgendwie drängt sich das Gefühl auf, vieles schon mal gehört zu haben.
Erik Prochnow
DAVID MASSEY
Late Winter Light
(Poetic Debris Records)


Wer als Rechtsanwalt gearbeitet hat, könnte mit menschlichen Tiefen und Untiefen in Berührung gekommen sein. Der Ex-Jurist Massey wagt jedenfalls die Blicke ins allzu Menschliche. Die Songs auf seinem vierten Album kommen in Bandbesetzung daher, bieten sowohl Countryshuffle als auch Balladenintimität. Dazu kommen ansprechende Arrangements, etwa im Titelsong, wo sich eine Viola und eine zweite Stimme zu Gesang und Gitarre gesellen. Eine reife Arbeit des Mannes aus Washington, D. C.
Volker Dick

YOUN SUN NAH
Immersion
(Warner Music)


Sie liebt das Experiment mit neuen Wegen. Die international prämierte Jazzsängerin aus Südkorea widmet sich auf ihrem zehnten Album diesmal minimalen Pop- und Elektroniksounds, gemischt mit ihren bekannten Arrangements. Die dreizehn Songs bestehen je zur Hälfte aus eigenen Kompositionen und Coverversionen. Trotz ihrer sehr ausdrucksstarken Stimme vermag sie dabei nicht durchgehend zu überzeugen. Vor allem die Coverversionen verlieren sich oft in Synthesizerklängen und wirken, als ob Nah keine innere Nähe zu den Stücken aufbauen konnte.
Erik Prochnow
DANIEL NORGREN
Wooh Dang
(Superpuma Records)


Dieses Album ist ein Sammelsurium von skurrilen Ideen. Hier klingt es nach Schrammelblues, dort nach epischen Landscapes. Mal sind die Tracks sauber produziert, mal klingen sie nach Proberaum. Dylan trifft sich mit Yann Tiersen für die Bonustracks zum White Album. So muss ein Album klingen, an dem der Künstler Spaß hat. Für den Hörer klingt es eher nach der Zufallswiedergabe einer MP3-Sammlung. Dabei sind die einzelnen Tracks für den Folkfan durchaus hörens- und entdeckenswert.
Chris Elstrodt

ONOM AGEMO & THE DISCO JUMPERS
Magic Polaroid
(Agogo Records)


Wenn jemand wie der Dresdner Jazzsaxofonist Johannes Schleiermacher als Einflüsse Coltrane, Cage, Fela Kuti, Krautrock oder die Musik der Gnaoua angibt (kleine Auswahl), dann kann man auf das neue Werk seines Projekts gespannt sein. Und wer den sechs quirligen Patchwork-Tracks aufmerksam lauscht, wird so manches von den oben Genannten heraushören können. Und dennoch wirkt nichts bemüht oder gewollt, alles fließt organisch ineinander. Doch eine Frage bleibt: Wer, zum Teufel, ist Mono Omega?
Walter Bast
OVER THE RHINE
Love & Revelation
(Great Speckled Dog/ Redeye)


Das Folkduo aus Ohio besteht aus Sängerin Karin Bergquist und ihrem Mann Linford Detweiler. Bergquists dezente Stimme, die leicht an Joni Mitchell erinnert, beherrscht die entspannte Musik, die oft von Lap Steel Guitar, Akkorden oder Streichern getragen wird, wozu noch leise Gitarrenakkorde ertönen. Diese intensiv vorgetragenen Melodien sind wie dafür geeignet, bei einem Konzert das brennende Feuerzeug zu heben. Wieder einmal zeigt sich, je sparsamer die Arrangements, desto größer die Wirkung.
Hans-Jürgen Lenhart

RANAGRI
Playing For Luck
(Stockfisch Records)


Sehr audiophil aufgenommenes Album voller diversifizierter Pop-Folk-Musik aus der angloirischen Ecke. Sänger Donal Rogers geriert sich fast als Chansonnier, zusammen mit verschiedenen Flöten, Harfe, Percussion und Chorsätzen klingen die Songs zwar sehr dicht und high-end gespielt, aber auch sehr glatt. Songgestaltung und -writing sagten dem Rezensenten nicht unbedingt zu (zu viele musikalische Klischees), aber das sollte jeder Hörer für sich selbst herausfinden!
Johannes Schiefner
ROCCO UND MARC
Vergaß dei Haamit net
(Tyson Records)


Lebt denn der alte Günther Anton noch? Nein, der erzgebirgische Heimatdichter starb 1937. Seine Lieder aber bringen der Rocco und der Marc zu Gehör, mit Bluegrassinstrumenten unterlegt. Deswegen ist Anton Günther noch lang kein sächsischer Bill Monroe. Die Lieder drehen sich um die einfachen Dinge, wie die Freuden des Holzhackens, rauschende Wälder und den schönen Feierabend. In der Haamit is doch immer schie! Da hört man aus der Ferne schon das Musikantenstadl tönen: Rocco und Marc, hierher!
Volker Dick

RONCHI, WENDLING, MAAS
Soul Mining
(Stormy Monday Records)


Blues hatte in den Südstaaten stets eine religiöse Facette. Bluesmusiker spielten immer wieder auch kirchliche Songs oder wurden sogar Priester. Sänger und Gitarrist Stefano Ronchi hat mit Drummer Micha Maas und Kontrabassist Klaus Wendling eine CD mit Gospels und Spirituals eingespielt, u. a. von Blind Willie Johnson, Mississippi Fred McDowell und Son House – stilistisch Gospel- und Countryblues. Das Trio gibt der Musik auf akustischen Instrumenten etwas Filigranes, Leichtes – und eine spirituelle Dimension.
Udo Hinz
QUENTIN SAUVÉ
Whatever It Takes
(Corrupt Records)


Wenn Rockmusiker beschließen, ein persönliches, in der Regel akustisch eingespieltes Album aufzunehmen, ist das Ergebnis oft ein bestimmter Sound, den Punks als Folkmusik und Weltmusiker als Punk bezeichnen würden. Whatever It Takes erfüllt genau diese Beschreibung. Der Künstler, eigentlich Musiker im Post-Hardcore-Sektor, spielt sich die Seele aus dem Leib und erzählt seine persönlichen Underdog-Geschichten, die nach verräucherter Kneipe und autonomem Zentrum klingen.
Chris Elstrodt

DANNY SCHMIDT
Standard Deviation
(Live Once Records)


Sein neuntes Studioalbum zeigt den Sänger/Songschreiber aus Austin, Texas, in anderen Farben. Zwar stehen Stimme und Gitarre weiter im Vordergrund, dazu kommen jedoch feine Arrangements in vielfältiger Instrumentierung. Sind das die Wandlungen eines Vater gewordenen Mannes, der jetzt eine neue Art der Liebe erfährt? Zumindest verändert sich die Perspektive des poetischen Textens. Da klafft ein Loch in der Zeit, durch das wir rutschen, und auf dem Grund liegen schöne Melodien und stille Songs.
Volker Dick
SIDETRACK WALKER
Come What May
(Eigenverlag)


Ein Ein-Mann-Projekt des Kieler Musikers Dominik Sonders. Obwohl seine Wurzeln eigentlich im Doom Metal liegen, hat der Songschreiber seine Heimat in einer Mischung aus Folk, progressiven Rockballaden, Darkwave und klassischen Elementen gefunden. Das dritte Album seines Projektes verbreitet mit seinen feinen Klaviermelodien, akustischen Arrangements und meditativen Instrumentalstrecken eine sehr intensive Stimmung. Das zeigt sich auch in den diesmal deutlich lebensfroheren Texten. Einzig Sonders sanftem Gesang fehlt es manchmal an Ausdruckskraft.
Erik Prochnow

SNOWY WHITE & THE WHITE FLAMES
The Situation
(Eigenverlag)


Er war Gitarrist bei Thin Lizzy, wurde von Roger Waters wiederholt für diverse Pink-Floyd-Tourneen engagiert – höchster musikalischer Adel also. Snowy Whites Gitarrenspiel ist geprägt durch lange und sparsame, sehr rund und warm gespielte Töne, die er ganz wunderbar phrasiert. Mit der Band The White Flames ist wieder ein Album mit typischen Songs entstanden, mit intelligenten, nachdenklichen Texten und schönen, oft verträumt wirkenden Melodien mit Tiefe.
Achim Hennes
SWAMPCANDY
Mine
(Eigenverlag)


Bei Gitarrist und Songschreiber Ruben Dobbs und seinem Duopartner Joey Mitchell am Bass geht es hin und her. Sie fischen im sumpfigen, elektrischen Blues, wildern im Western Swing, brandschatzen im Punk und wühlen im Rockabilly. Diese wüste Vielfalt an Stilen sorgt immer wieder für Überraschungen. Dazu holen sich die beiden mehrfache instrumentale Verstärkung, sodass die Bandbreite von Cello bis Tabla reicht. Der Soundtrack zu einer Party mit dem Teufel, bei der Lucifer das Wettsaufen verliert.
Volker Dick

ANTON van DOORNMALEN
Einfach ich
(Optical Records)


Als ein spätes Nachwuchstalent zeigt sich der Ex-Manager aus den Niederlanden mit seinen freundlichen, nachdenklichen und lebensnahen Liedern. Er besingt die Liebe, Familie, Enkel, eben Themen, die einen im Alltag bewegen, aber auch Fragen an den Zustand der Welt und dazu, wie die Erde ein besserer Ort werden kann. Ganz profan dagegen die Hymne auf den Blau-Weiß Büderich, eine Fußballmannschaft, in der dieser Liedermacher wohl aktiv war. Es sind schöne Lieder, die etwas Anrührendes haben, ohne platt zu sein.
Rainer Katlewski
MICHAEL van MERWYK
I Had A Hard Way To Go
(Timezone)


Ein Musiker zieht eine Zwischenbilanz. Der Bluesmusiker aus Rheda-Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen – Jahrgang 1969 – hat bisher dreizehn Alben veröffentlicht und bringt jetzt ein Best-of auf den Markt. 25 eigene englische Songs zeigen ihn als kraftvollen Sänger und energiegeladenen Gitarristen des akustischen wie elektrischen Blues, Solo und mit Band. Das Album richtet sich an die Download- und Streaminggeneration. Es gibt keine CD, sondern ein XXL-Booklet mit Download-Link.
Udo Hinz

THE TED VAUGHN BLUES BAND
It Takes A Man To Play The Blues
(Eigenverlag)


Hier steckt wirklich drin, was draufsteht – schnörkelloser, geradeheraus gespielter elektrischer Blues ohne Verzierung. Ted Vaughn ist der Sänger und Harpspieler der Band, drei weitere Musiker an Bass, Schlagzeug und Gitarre machen das Quartett komplett. Shuffle, Slow, Balladen – so viel zum Spektrum, ab und an ein Solo, ansonsten viel Enthusiasmus und glaubhaft transportierte Freude am gemeinsamen musikalischen Schaffen.
Achim Hennes
BILLY WHITE, JR. It’s About Time (Ayemaydah Records)



Aus Texas stammt der Sänger und Gitarrist Billy White Jr., und folgerichtig ist diese CD sehr gitarrenlastig geraten. Macht aber gar nichts, wenn man derart gekonnt und abwechslungsreich zwischen Rock, R&B und Blues mäandert. Neben Bass, Schlagzeug und gelegentlicher Orgelbegleitung kommt häufig noch eine Bläsersektion hinzu, und dann drehen die Stücke auch schon einmal Richtung Soul oder Southern Rock. Alles ist selbst komponiert, arrangiert und produziert – Handarbeit, die sich wahrlich lohnt.
Achim Hennes

REESE WYNANS AND FRIENDS
Sweet Release
(Provogue)


Länger als fünfzig Jahre begleitet der Keyboarder Reese Wynans nun bereits viele Bands und Musiker im Blues und Rockgenre. Ein Mann „der zweiten Reihe“, der hier sein „Debüt“ veröffentlicht – und was für eines! Die Liste der Mitstreiter ist lang und ehrfurchtgebietend, das Ergebnis atemberaubend. Sehr schön, wie Wynans Orgelspiel bei all den Solisten, Bläsern und Chören immer die Fäden in der Hand und den Song in der Struktur hält. Wer Rock mit tiefen Wurzeln im Blues mag, wird dieses Album lieben.
Achim Hennes



FINNLAND-NEWS
PIIRPAUKE
Hali
(Nordic Notes)


Die Urväter der Weltmusik werden nicht müde und paaren auf ihrem neuen Album beinah mühelos Jazz, finnische Folklore und orientalische Einflüsse. Das klingt mit dem Piirpauke typischen Saxofon ungewohnt und aufregend. Jeder einzelne Track bietet unfassbar viele frische Ideen, die gesanglichen Experimente sind schlicht genial. Mit Hali beweisen Piirpauke einmal mehr ihren Ausnahmestatus. Pflichtkauf.
Chris Elstrodt
ÁŠŠU
Áššu
(Nordic Notes)


Wenn ihnen das Wort Joik begegnet, hören die meisten auf zu lesen. Entweder, weil sie mit Joik nichts anfangen können oder weil sie sowieso jede Joik-CD kaufen. Dabei lohnt es sich sehr wohl, die unterschiedlichen Stile des samischen Gesangs zu beleuchten. Im Fall von Áššu dominiert zum Beispiel die ausgesprochen filigrane sanfte Hintergrundmusik von Gitarre und Synthesizer, die die CD in die Ambient-Stilrichtung rückt und das Träumen erleichtert.
Chris Elstrodt

PAUANNE
Pauanne
(Nordic Notes)


Das finnische Trio entdeckte längst verschollen geglaubte Texte und Lieder aus dem beginnenden 20. Jahrhundert und älter und beschloss, diese mit moderneren musikalischen Mitteln zu interpretieren. So erinnern die alten Weisen dank Hammond-B3-Orgel auch schon mal an Emerson, Lake and Palmer. Die skandinavischen Geigen klingen jedoch so, wie man es als Nordic-Folk-Fan erwartet, damals wie heute.
Chris Elstrodt
JARMO SAARI REPUBLIC
Soldiers Of Light
(Membran)


Nach fünf Jahren Pause veröffentlichen die finnischen Progressiv-Jazzer ihr zweites Album. Mit drei Schlagzeugern erinnern sie an King Crimson; die Musiker, mit denen Bandleader Jarmo Saari zusammenarbeitete, reichen von Trilok Gurtu bis Nils Landgren. Für Folkies ist der treibende Rhythmus spannend, den die Band nicht zu Unrecht als „Tribal“ bezeichnet. Letztlich entzieht sich diese CD aber jeglicher Schublade.
Chris Elstrodt

HANNU KELLA & TIMO ALAKOTILA
Mingled Years
(Keino Productions)


Zwei finnische Folksuperstars an Akkordeon und Flügel veröffentlichen ihr erstes gemeinsames Album. Bereits beim Opener schwingt die finnische Volksseele als virtuoser Tango durch den Raum. Durch den charakteristischen Klang des Flügels und Einsatz eines Orchesters verortet man die Musik eher im Opernhaus als auf einem Folkfest. So könnte die CD auch Teil einer klassischen Sinfonie sein.
Chris Elstrodt
MARKKU LEPISTÖ & MIKKO HELENIUS
Bellows And Pipes
(Rapussari Records)


Der Albumtitel verrät es, die erste Zusammenarbeit dieser beiden finnischen Musiker bietet Akkordeon und Kirchenorgel. Genauso klingt es auch, und so muss man sich an den sakralen Einschlag gewöhnen, als hätte ein Kantor versehentlich einen Notenstapel mit Volksliedern gefunden und übte nun vor der Sonntagsmesse. Das eher filigrane Akkordeon wird letztlich durch die Wucht der Orgel an die Wand gedrückt.
Chris Elstrodt

INSELBEGABUNGEN
PAOLO FRESU und A FILETTA und DANIELE DI BONAVENTURA
Danse Mémoire, Danse
(Tŭk Music)


ORNELLA VANONI
Argilla
(Tŭk Music)


MONICA DEMURU und NATALIO MANGALAVITE
Madera Balza
(Tŭk Music)


ELVA LUTZA und ESTER FORMOSA
Cancionero
(Tronos)


GIANMARIA TESTA
Prezioso
(Incipit Records)


Der sardische Jazztrompeter PAOLO FRESU präsentiert auf seinem Label Tŭk Music Klänge, die musikalische Grenzen und Kategorisierungen sprengen. Alle CDs erscheinen mit grafisch einheitlichen, oft in mehrere Sprachen übersetzten Beiheften. Danse Mémoire, Danse (Tŭk Music) ist die zweite Koproduktion mit der korsischen Vokalgruppe A FILETTA und dem Bandoneonisten DANIELE DI BONAVENTURA. Entstanden ist ein Werk voller Spannung. Da der Chor – archaisch, sakral, experimentell, erst ruhig, dann aufwühlend, auch textlich –, dort der Trompeter mit jazzigen Einflüssen und die gefühlvollen Einschübe des Bandoneonspielers. Eine Ohrenweide. Das wiederveröffentlichte Argilla (Tŭk Music) von ORNELLA VANONI, entstanden 1997 unter der Ägide von Paolo Fresu, ist eines von über sechzig Alben der italienischen Sängerin und Schauspielerin. Darin geben sich Brazil-Jazz und poppige Italianità die Hand. Die Liebe zu Jazz, Brasilien und Lateinamerika spürt man auch in Madera Balza (Tŭk Music). Das hervorragende Duoalbum der sardischen Sängerin MONICA DEMURU und des argentinischen Pianisten NATALIO MANGALAVITE hört sich manchmal wirklich so fein und zerbrechlich wie Balsaholz an. Das Holz dient in den Tropen aber auch zum Bau eines Floßes. Damit gleitet das Duo spielend leicht über den Atlantik. Ganz ähnlich und doch ganz anders ist das musikalische Konzept in Cancionero (Tronos) des sardischen Duos ELVA LUTZA mit der katalanischen Sängerin ESTER FORMOSA. Katalanische und sardische Lieder wechseln mit lateinamerikanischen Standards. Formosas eindringlicher Gesang kontrastiert mit der überraschenden, unkonventionellen Begleitung von Nico Casu (Trompete) und Gianluca Dessì (Gitarre). Zum Schluss ein Nachruf. Der 2016 verstorbene GIANMARIA TESTA war kein Inselbewohner. Der Piemontese war selbst eine Insel – Stationsvorstand und Sänger mit unverkennbarer, rauer Stimme, wunderschönen Liedern mit tief humanistischen Texten und einer Liebe zum Jazz. Prezioso (Incipit Records) sind elf zwischen 2013 und 2015 entstandene Lieder, die es nicht auf ein Album geschafft hatten. Fazit: Inselbegabungen? Nein. Musik für die Insel? Ja.
Martin Steiner



KLEZMER AND MORE
THE SWEETEST KLEZMER ORCHESTRA
Halva
(Galileo)


„Neuen Klezmer“ bieten Nicolas Cottenie (v) mit etlichen Eigenkompositionen und seine Kollegen Alina Bauer (v), Georg Brinkmann (cl) Eline Duerinck (Cello), Robbe Kieckens (perc) sowie Ilya Shneyveys (acc) an. Auch wenn es im Großen und Ganzen Klezmer bleibt, das Album Halva ist geprägt durch die Faszination für das Wechselspiel zwischen Konsonanz und Dissonanz traditioneller griechischer und modaler Musik im Allgemeinen, kombiniert mit klassischer Stimmführung und dem einen oder anderen jazzigen Akkord.
Matti Goldschmidt
SONIA DISAPPEAR FEAR
By My Silence
(Galileo)


Wenig hörten wir hier in Deutschland bislang von Sonia Rutstein, wenngleich die Folksängerin aus Baltimore – übrigens eine Cousine Bob Dylans – bereits seit dreißig Jahren aktiv ist und dieses Frühjahr in Deutschland auf Tour ist. Ihr bereits neunzehntes Album enthält nicht nur die Nationalhymne Israels, sondern auch zwei israelische Volkslieder sowie auch eine Interpretation von Leonard Cohens „Hallelujah“.
Matti Goldschmidt

MISCHPOKE
Di Eyne Velt
(Timezone)


Magdalena Abrams (cl, voc) ist Gründungsmitglied des Vereins Musiker ohne Grenzen e. V., über den sozial benachteiligten Kindern ein Zugang zu musikalischer Bildung ermöglicht wird. Für diese Initiative wurde sie 2016 mit dem Bundesverdienstorden ausgezeichnet. Mit in der „Familie“ (jiddisch „Mischpoke“) sind Cornelia Gottesleben (v), Alexander Hopff (acc), Frank Naruga (g) und Maria Rothfuchs, die sich hier zu hundert Prozent dem Klezmer verschrieben haben.
Matti Goldschmidt
IDA & LOUISE
Proud Poems – Shtoltse Lider
(Kakafon)


Die Schwedin Ida Gillner (sax, voc) sowie die Dänin Louise Vase (p, voc) bilden ein ausdrucksvolles wie auch symbiotisches Duo, das mit bescheidenen Mitteln eine künstlerische Einheit aus Musik und Poesie erschafft. Mit „Stolzen Liedern“ belebt es fast vergessene Gedichte und schafft ein poetisches musikalisches Universum, gewürzt mit Klezmer, Tango, Kunstmusik, Jazz und 1920er-Kabarett.
Matti Goldschmidt

ULLA KRAH MIT MESCHUGGENE MISCHPOCHE
Bagels, Borscht und Bulbes
(Eigenverlag)


Bereits seit 2005 besteht das Trio „Verrückte Familie“, namentlich aus Ulla Krah (voc), Andreas Kneip (b) und Tatjana Lesko (p). Wohlwissend, dass viele jiddische Lieder eine reichhaltige Innensicht auf das Alltagsleben der Menschen bilden, bleibt auch die Thematik „Essen und Trinken“ nicht unberührt. Es geht also im Wesentlichen um jiddische Küchen- und Kochlieder, wobei letztlich selbst das natürlich jüdische Tischgebet nicht fehlen darf.
Matti Goldschmidt



OLDIES AUF VINYL
BOB DYLAN
Bob Dylan
(Glamourama Records)


ETTA JAMES
At Last!
(Glamourama Records)


Im Zuge des anhaltenden Vinyl-LP-Revivals beschert das Label Glamourama Records zwei besonders feine Wiederveröffentlichungen. Zu Beginn der 1960er-Jahre tauchte in den Folkclubs des New Yorker Stadtteils Greenwich Village ein zwanzigjähriger Bursche auf, der sich durch seine eigenwilligen Interpretationen von Folk- und Bluessongs schnell einen Namen in diesem lokalen Umfeld machte. Bald schon wurde der Produzent John Hammond auf ihn aufmerksam, und eine Verabredung zur ersten Aufnahmesession im Leben des Bob Dylan war getroffen. Am 20. und 22. November 1961 fand sie statt; dreizehn Lieder wurden für das Album ausgewählt. Dylan singt, spielt Gitarre und Mundharmonika. Elf Stücke sind adaptierte Folk- oder Bluessongs. Die zwei Eigenkompositionen „Talkin’ New York“ als kritische Beobachtung seines neuen Lebensumfelds und „Song To Woody“ als Verneigung vor einem seiner Vorbilder zeigen hier schon Dylans Fähigkeit, Texte von hoher literarischer Komplexität wirkungsvoll in einen dreiminütigen Song zu kondensieren.
Etta James hatte sich bereits erste Sporen als Blues-, Jazz- und Rhythm-’n’Blues-Sängerin verdient, als sie im Jahr 1960 ihr Debütalbum At Last! aufnahm. Ihre Stimme überstrahlt geradezu das Riley Hampton Orchestra, welches hier als Begleitung ausgewählt wurde. Der Schmalz und der Zucker der Bläser verdampfen förmlich, wenn sie einmal tief Luft holt und mit ihrer volltönenden, rauen und gleichzeitig geschmeidigen Stimme all den Schmerz, das Leid und die Freude herauslässt, die in Songs wie „My Heart Cries“, „All I Could Do Was Cry“ oder „I Just Want To Make Love To You“ steckt. Sie verfügte über eine der größten Stimmen der „Black Music“ und wird ganz zu Recht in einem Atemzug mit Ella Fitzgerald, Billie Holiday oder Bessie Smith genannt.
Beide Alben sind auf 180 Gramm schweres Vinyl gepresst. Die Klangqualität ist sehr gut; dankenswerterweise wurde auf ein Remastering verzichtet, sodass der Originaleindruck erhalten bleibt. Zudem liegt beiden als Bonbon eine Single bei.
Achim Hennes



Bücher
 MICHAEL KLEFF, HANS-ECKARDT WENZEL [Hrsg.]: Kein Land in Sicht : Gespräche mit Liedermachern und Kabarettisten der DDR / Michael Kleff [Hrsg.], Hans-Eckardt Wenzel [Hrsg.].
MICHAEL KLEFF, HANS-ECKARDT WENZEL [Hrsg.]
Kein Land in Sicht : Gespräche mit Liedermachern und Kabarettisten der DDR / Michael Kleff [Hrsg.], Hans-Eckardt Wenzel [Hrsg.].
christoph-links-verlag.de
(Berlin : Links, 2019. – 336 S.)
ISBN 978-3-96289-038-4 , 20,00 EUR


Fast dreißig Jahre nach dem Mauerfall kommt dieses Buch zur richtigen Zeit. Der einstige Folker-Chefredakteur Michael Kleff – damals noch Folk-Michel – hatte zwischen 1990 und 1992 über dreißig Interviews mit DDR-Liedermachern, Kabarettisten und anderen Künstlern geführt, darunter prominente wie Gisela May, Bettina Wegner und Stephan Krawczyk oder weniger bekannte wie Udo Magister und Jens Quandt. Diese erscheinen nun als Buch und bilden treffend die Gefühlslage im Osten Deutschlands unmittelbar nach der Wende ab. Das Positive in der DDR-Kultur droht verloren zu gehen, um durch die Marktwirtschaft ersetzt zu werden. Gravierende Veränderungen kommen dadurch auf die Künstler zu. Liedtexte und Pointen sind unbrauchbar geworden, aber auch einstige Privilegien. Man sorgt sich um die finanzielle Absicherung und beklagt, dass banale Comedy politische Kunst verdrängen wird. Gleichzeitig findet eine Aufarbeitung der DDR statt, beispielsweise durch den großartigen Liedtext „Verantwortung“ von Martin Miersch, der präzise vorwegnimmt, woran die DDR scheitern musste. Gerhard Gundermann dazu: „Wir kamen nie ans Ruder, weil die Alten dran gesessen haben.“ Und Norbert Bischoff: „Die Leute, die ... [1989] versucht haben, in der Gesellschaft was zu bewegen, stehen jetzt wieder hintenan.“ Erstaunlich beim Lesen ist, wie vieles damals richtig für die Zukunft vorhergesehen wurde und wie erschreckend aktuell manche Äußerungen sind, zum Beispiel über die Ausbeutung armer Staaten. Höhepunkt des Buches ist für mich das zweite Gespräch mit Wenzel. Die beiden Vorworte von ihm und von Michael Kleff bringen das Thema auf den Punkt. Die Künstlerbiografien von Lutz Kirchenwitz sind sorgfältig recherchiert, die Fußnoten eine sinnvolle Ergänzung. Ein wenig schade nur, dass es keine Gespräche mit DDR-Folkmusikern gibt, sie werden aber zumindest von Liedermacher Dieter Kalka erwähnt. Trotzdem eines der wichtigsten Bücher zum Thema Kultur in Zeiten des Übergangs in ein neues Gesellschaftssystem.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer
 CLINTON HEYLIN: What we did instead of holidays : a history of Fairport Convention and its extended folk-rock family.
CLINTON HEYLIN
What we did instead of holidays : a history of Fairport Convention and its extended folk-rock family.
route-online.com
(Pontefract : Route, 2018. – 384 S. : mit zahlr. Fotos)
ISBN 978-1901927-73-3 , 25,00 GBP


„Fairport waren nie eine erfolgreiche Band. Aber ihr Einfluss – als Gruppe oder einzeln – war enorm.“ So fasste der bekannte DJ John Peel erfreulich knapp und präzise zusammen, welchen Status Fairport Convention bis in die Achtzigerjahre genoss. Heute sind die Fairports reife Musiker, die niemandem etwas beweisen müssen und aus Spaß an der Freude immer noch regelmäßig touren. Die alljährlichen Cropredy-Wiedervereinigungsfestivals mit all ihren illustren Gästen haben Kultcharakter, aber in den Sechziger- und Siebzigerjahren war der Fairport-Folkrock zumindest neu, ja, fast schon revolutionär. Genau um diese Zeit (1965-1982) geht es in diesem Buch. Autor Clinton Heylin hat hunderte von Interviews mit der großen Gruppe von Involvierten zusammengeschnitten, verbunden und kommentiert und so ein sehr lebendiges, chronologisches Bild von dem geschaffen, was man tatsächlich in seiner Gesamtheit die Fairport-Familie nennen kann. Die letzten beiden der 18 Kapitel widmen sich dann ausschließlich Richard Thompsons Rückkehr von der Sufi-Isolation. Besonders gut herausgearbeitet wird die Tatsache, dass all diese teils genialen Musiker eine unglaubliche Menge an persönlichen Problemen mit sich rumschleppten, mit Ausnahme vielleicht von Simon Nicol, der meist als ruhiger Zeitgenosse rüberkommt, aber das einzige weiterhin aktive Gründungsmitglied ist. Übergroße Egos (Swarbrick), extreme Gefühlsschwankungen (Denny) oder chronische Rastlosigkeit (Hutchings) sind nur drei Beispiele, die verdeutlichen, warum die Fairport-Formationen der Sechziger/Siebziger personell nie über eine längeren Zeitraum Bestand hatten. Euphorie, Lethargie und Trauer sind Komponenten dieser Geschichte. Doch trotz aller persönlichen Wunden begreifen sich die Überlebenden bis heute völlig zu Recht als Teil dieser einzigartigen Familie. Diese unlogische Logik so klar und deutlich herausgearbeitet zu haben, ist Clinton Heylins großer Verdienst. Wer die damalige Zeit auch nur in Ansätzen mitbekommen hat, wird das Buch mit Gewinn lesen.
Mike Kamp

 PHILIP R. RATCLIFFE: Mississippi John Hurt : his life, his times, his Blues.
PHILIP R. RATCLIFFE
Mississippi John Hurt : his life, his times, his Blues.
upress.state.ms.us
(Jackson, MS : Univ. Press of Mississippi, o. J. – 308 S. : mit Abb.)
ISBN 978-1-4968-1835-5 , 34,00 USDR


Ausgerechnet ein Brite ist es, der die erste, lange überfällige und definitive Biografie eines der wichtigsten und einflussreichsten Bluesgitarristen geschrieben hat. Obwohl Philip R. Ratcliffe Mississippi John Hurt nie persönlich kennengelernt hat (der Musiker verstarb im November 1966), liefert er dennoch ein vielschichtiges Porträt ab. Ratcliffe betrieb akribische Archivforschung, interviewte viele Familienangehörige Hurts, Schüler, Freunde und Musiker, und zeichnet so ein Bild des Gitarristen aus den verschiedenen Blickwinkeln seiner Zeitgenossen. Der 1892 geborene Farmarbeiter John Hurt hatte mit neun Jahren von seiner Mutter eine Gitarre (für 1,50 Dollar) geschenkt bekommen und 1928 eine Schellack-Platte für Okeh Records aufgenommen, ehe er völlig in Vergessenheit geriet, bis ihn der Musikforscher Tom Hoskins 1963 in Hurts ländlichem Heimatort Avalon ausfindig machte und im gleichen Jahr auf dem Newport Folk Festival einer staunenden Fangemeinde vorstellte. All das erzählt Ratcliffe mit viel Liebe zum Detail und anekdotenreich. Der Autor porträtiert aber auch eine Ära Zeitgeschichte ab den Zwanzigerjahren bis zur Folk- und Bluesszene der Sechziger, erörtert das soziokulturelle Umfeld des farbigen Gitarristen und spürt den frühen Musikeinflüssen nach, die den Country-Bluesgitarristen und -sänger zu dem einzigartigen Künstler gemacht haben, der nach seiner Wiederentdeckung in den nur drei verbleibenden Jahren bis zu seinem Tod die Folkwelt im Sturm eroberte und unzählige Gitarristen beeinflusste. Das Buch enthält viele (auch vorher nie gesehene) Fotos, Plattencover (eines mit Original-Autogramm), Faksimiles z. B. von Hurts Heiratsurkunde, handschriftliche Notizen, Plakate sowie eine ausführliche Diskografie. Spannend, informativ, unverzichtbar.
Ulrich Joosten
 BRUCE HOROVITZ: Gamble Rogers : a troubadour’s life.
BRUCE HOROVITZ
Gamble Rogers : a troubadour’s life.
upf.com
(Gainesville, FL : Univ. Pr. of Florida, 2018. – 228 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-0-8130-5694-4 , 24,95 USDR


Gamble Rogers starb 1991, als er einem Menschen das Leben retten wollte, und die amerikanische Folkmusik verlor einen ihrer bedeutendsten Vertreter. Der 1937 geborene James Gamble Rogers IV aus Florida hätte gemäß der Familientradition Architekt werden sollen, doch die Liebe zur Musik war stärker. Inmitten des Folkrevivals schaute er Anfang der Sechziger in New York bei einem Vorsingen der Folkgruppe Serendipity Singers vorbei und wurde sofort verpflichtet. Später wurde er zu einem der bedeutendsten Folksänger des „Sunshine State“. In der sich verändernden Welt erinnerte Rogers an das alte, ländliche Florida. Seine Songs spielten oft im fiktiven Oklahawa County, Florida. Ein Stilmittel, das sicher durch William Faulkners ebenfalls fiktives Yoknapatawpha County beeinflusst war, denn Faulkner traf er mehrmals in seiner Studienzeit. Rogers County war ein Folkkosmos mit schillernden Figuren und humorvollen Storys. Und so wurde der Sänger oft mit Mark Twain verglichen, Pete Seeger schätzte ihn sehr. Bruce Horovitz schildert eindrücklich das Faszinierende an der Person des Gamble Rogers’. Dieses Buch ist ein idealer Einstieg dafür, sich wieder des Florida-Troubadours zu erinnern.
Thomas Waldherr

 JAMES SULLIVAN: Which Side Are You On? : 20th Century American History In 100 Protest Songs / Mit e. Vorw. von The Reverend Lennox Yearwood & Bill McKibben.
JAMES SULLIVAN
Which Side Are You On? : 20th Century American History In 100 Protest Songs / Mit e. Vorw. von The Reverend Lennox Yearwood & Bill McKibben.
global.oup.com
(New York, NY : Oxford Univ. Pr., 2019. – 242 S.)
ISBN 978-0-1906-6032-1 , 24,95 USDR


In neun Kapiteln untersucht der Autor den Zusammenhang von sozialen Bewegungen in den USA – darunter Gewaltlosigkeit, Bürgerrechte, Umwelt, Meinungsfreiheit, Rechte der Homosexuellen und Anti-Atom-Initiativen – mit Songs zu den jeweiligen Themen. Das letzte Kapitel befasst sich mit aktuellen Protesten und der Trump-Ära. Das Buch will keinen umfassenden Überblick bieten, doch auch der selektive Ansatz zeigt Mängel. Einmal unternimmt Sullivan keinen Versuch, das Phänomen Protestsong für sich klar zu definieren. Nicht nur die Tatsache, dass im Zusammenhang mit Songs der Arbeiterbewegung das Wort „Klassenkampf“ nicht einmal auftaucht, entlarvt seine bürgerlich-liberale Grundhaltung. Auch die wichtige Rolle, die die KP in den Arbeiterkämpfen vom Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts spielte, wird nur am Rande erwähnt. Die feministische Gegenkultur der Siebzigerjahre fehlt in Sullivans Betrachtung ebenso wie die u. a. in Liedern von Woody Guthrie dokumentierte Geschichte der Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti. Als Einführung mag Sullivans Buch geeignet sein, doch für eine mit dem Thema vertrautere Leserschaft weist es viele Lücken an Namen, Ereignissen und Songtiteln auf.
Michael Kleff



DVD/Filme
 DIVERSE: Woody Guthrie All Star Tribute Concert 1970
DIVERSE
Woody Guthrie All Star Tribute Concert 1970
(MVD Visual)


Diese DVD ist eine gute visuelle Ergänzung der im vergangenen Jahr von Bear Family Records veröffentlichten Box über die beiden historischen Konzerte zugunsten des Comittee to Combat Huntington’s Disease. Die zweite Veranstaltung, die in der Hollywood Bowl stattfand, wurde von dem mittlerweile vierfach Emmy-prämierten Regisseur und Produzent Jim Brown gefilmt und nun auf DVD veröffentlicht. Man sieht zwar, dass das Ausgangsmaterial knapp fünfzig Jahre auf dem Buckel hat, dennoch überzeugen Bild- und Tonqualität. Man erlebt das Dream-Team des American Folk, den blutjungen Arlo Guthrie Seite an Seite mit dem damals einundfünfzigjährigen Pete Seeger, und stellt fest, dass Country Joe McDonald durchaus mehr zu bieten hat als den „Feel-Like-I’m-Fixin’-To-Die-Rag“, auf den er vielfach reduziert wird. Die bestens aufgelegte Backing-Band mit Musikern, die zur Creme der damaligen West Coast Scene gehören, verleiht Woodys Liedern zupackende, durchaus rockige Arrangments (z. B. „Woman At Home“) und unterstreichen die umwerfende Bühnenpräsenz und Stimmgewalt von Odetta (u. a. mit „Ramblin’ Round“), Ritchie Havens („900 Miles“) und Joan Baez (u. a. mit einer herzergreifenden Version von „Deportee“). Die Moderationen Will Geers und Peter Fondas mit Texten Woody Guthries tun ein Übriges, um diese 61 Minuten zu einem Erlebnis werden zu lassen.
Ulrich Joosten



Besondere
KÖSTER/HOCKER
Fremde Feddere
(GMO – The Label)
mit Texten


Die beiden schrägen Vögel der Kölner Musikszene schmücken sich mit fremden Federn und machen sich daran, Würmer zu picken. „Ohr“-Würmer. Der Texter und Sänger Gerd „Jächt“ Köster und der Gitarrist Frank Hocker spielen Songs aus ihrem Lieblingsliederfundus. Garantiert ohne Kölschtümelei. Dafür mit Herzblut! Das neue Album der beiden Liederpreisträger von 2018 ist eine einzige Hommage an einige der besten Songwriter auf diesem Planeten. Wer noch die kongenialen Tom-Waits-Textübertragungen im Ohr hat, die Köster mit The Piano Has Been Drinking und auch später immer mal wieder abgeliefert hat, dem wird schon die Songliste des Albums das Wasser aus den Lefzen treiben. Und ziemlich jeder findet darunter seinen persönlichen Lieblingsohrwurm,  KÖSTER/HOCKER: Fremde Feddere wobei die Gefahr besteht, dass das alle dreizehn Songs sein werden. Das Spektrum ist so breit wie illuster. Es finden sich darunter Songs von Shane MacGowan, dessen „A Pair Of Brown Eyes“ Köster hinreißend mit seiner schönsten Tom-Waits-Crooner-Stimme zelebriert, oder von Bob Dylan („Gotta Serve Somebody“). Und auch Frank Zappas sarkastisches „Bobby Brown“ oder Loudon Wainwright IIIs „Wine With Dinner“ macht sich das Duo ebenso mit viel Respekt vor und nahe am Original zu eigen wie John Hiatts „Train To Birmingham“ (der bei Köster/Hocker unter „Zoch noh Lummerland“ firmiert) und Ian Tysons „Four Strong Winds“. Wer sich die Mühe macht, Original- und Covertext nebeneinanderzulegen, merkt, wie genial die kölschen Textfassungen sind. Die musikalischen Zutaten dieser geschmackvollen Liedauswahl sind Folk und Rock, Blues und Country, die gelegentlich, wenn’s der Song erfordert, durch dezente elektronische Grooves und Pianoklänge verfeinert werden. Grandios umgesetzt werden die Songs neben Frank Hocker (akustische Gitarren, Dobro, Mandolingitarre, Backgroundgesang) von Produzent Dieter Krauthausen (Programming), Friso Lücht (Köbes Underground) an diversen Keyboards, Gitarren, Glockenspiel und Tubular Bells, Schlagzeuger Gerhard Sagemüller, Akkordeonist Pete Haaser und Riedel Diedel an der Mundharmonika. Wat solle mer spreche? Meisterwerk!
Ulrich Joosten
FJARILL
Midsommar
(Butter & Fly)
mit dt. u. schwed. Texten u. Infos


Sie machen ihrem schwedischen Namen alle Ehre. Wie Schmetterlinge ziehen sie dorthin, wohin die Musik sie trägt. Nur ein Jahr nach ihrem rhythmisch geprägten und manchmal dissonant klingenden Album Kom Hem präsentiert das schwedisch-südafrikanische Duo ein ganz neues Werk. Midsommar ist ein intensives Album, das den Hörer auf sich selbst zurückwirft. Das zweitwichtigste Fest in Schweden gilt nicht nur dem Feiern des aufblühenden Lebens in der hellsten Zeit des Jahres, es ist auch das Bewusstwerden der Vergänglichkeit. Lebendigkeit existiert nur im Vergehen. Was bleibt ist der Augenblick. Genau das bringen Pianistin Aino Löwenmark und Violinistin Hanmari Spiegel in den dreizehn neuen Stücken exzellent zum Ausdruck. Das zart  FJARILL: Midsommar und berührend arrangierte Album feiert die Natur und die mystischen Stimmungen des Nordlichtes. Dazu wählte das Duo neben eigenen Kompositionen vor allem traditionelle schwedische Volkslieder. In deren Texten verbindet sich die Nähe zur Natur mit der Sehnsucht nach Liebe in einer Ursprünglichkeit, wie sie in einer technikdominierten Welt kaum noch verfasst werden kann. Bei aller Freude und Ausgelassenheit scheint in den Liedern immer auch Nachdenklichkeit durch. Warum der Moment gelebt werden will, unterstreichen Fjarill besonders in den hervorragenden Vertonungen dreier Gedichte des schwedischen Literaturnobelpreisträgers Pär Lagerkvist. In „Kurz nach deinem Tod“ singt Aino etwa von einer Frau, die einem Mann ihre Liebe erst gesteht, als dieser beerdigt wird. Wer in einem ihrer Workshops schon einmal erfahren hat, mit welcher Leidenschaft die beiden Künstlerinnen Musik leben, weiß, dass sie immer in Bewegung sind. So zählt das aktuelle Album sicher zu den Höhepunkten ihres kreativen Schaffens. Auf Midsommar begeistern Fjarill musikalisch und gesanglich mit ganz neuen Facetten, wie etwa A-cappella- und Chorgesang. Ihr harmonisches Zusammenspiel, unterstützt durch Akustikgitarre, Cello, Percussion oder Akkordeon, sucht seinesgleichen und kreiert eine ganz eigene musikalische Welt, die sich in keine Schublade einordnen lässt.
Erik Prochnow

ANGÉLIQUE KIDJO
Celia
(Verve)
mit engl. Infos


Da kommen zwei charismatische Powerladies zusammen! Die seit Langem in den USA lebende Sängerin aus Benin, Angélique Kidjo, macht sich hier mit ihrem schon bekannten Talent als „Versionierin“ zehn Songs der 2003 verstorbenen Kubanerin Celia Cruz zu eigen. Genauer gesagt: größere und kleinere Hits aus deren Repertoire – einige schon aus den Fünfzigern, Sechzigern –, die gerade durch Cruz’ kraftvolle Interpretationen oft zu ultimativen Ohrwürmern wurden und mitunter das Original vergessen ließen. Darunter der afroperuanische Klassiker „Toro Mata“, den die resolute Habanera, die auch mit ihrem markanten „Azúcar“-Ruf in aller (Fans) Ohren ist, einst in eine Salsa-Nummer verwandelte. Und die erfährt nun unter Kidjos  ANGÉLIQUE KIDJO: Celia Fittichen, gemeinsam mit einer kleinen, illustren US-Multikulti-Crew (darunter kein Kubaner) eine weitere Mutation, wird zum Afrobeat-Track – nicht direkt naheliegend, aber ein leichtes Spiel durch den ebenfalls mitwirkenden Fela-Kuti-Drummer Tony Allen. Leicht insgesamt auch für den afrikanischen Superstar, weil die Verbindung zum Mutterkontinent mit der Afrokubanerin allemal hergestellt ist. Sie, die (nach Kenntnis der Rezensentin) zeitlebens nie direkt gemeinsame musikalische Sache mit Cruz machte, hätte diese als Jugendliche erstmals live erlebt. Der Salsa-Hit „Quimbara“ etwa, auf dem Album imposant mit Afrolatin-Percussion und Bläsern umgesetzt, war für die Beninerin beim ersten Hören eine Offenbarung – was weiblich-selbstbewusstes als auch afrikanisches Bewusstsein angeht. Die 1960 in Ouidah geborene und somit 35 Jahre jüngere Wahl-New-Yorkerin hat sich von daher nicht von ungefähr die stärker afrogeprägten Stücke für ihre Neulektüre ausgewählt („Yemaya“ oder „Bemba Colorá“). Aber auch der ultimative Partykracher „La Vida Es Un Carnaval“, zigfach und nicht selten unoriginell gecovert, darf nicht fehlen. Nicht grundsätzlich anders, doch betörend sein fast äthiopisch klingendes Intro – dank ihrer Landsleute von der populären Gangbé Brass Band, die hier wie anderswo auf Celia starke Akzente setzen.
Katrin Wilke
COMBO CHIMBITA
Ahomale
(Anti-)


Das hochexplosive Gebräu der kolumbianischen Band Combo Chimbita führt uns vor, was es in Lateinamerika meist abseits unserer Wahrnehmung an kreativer, skurriler und wilder Musik gibt. Dazu muss man den Kopf schütteln, entweder vor Verblüffung oder weil man mitgerissen wird von den psychedelischen Sounds, in denen sich mystischer Anden-Folk, Cumbia-Rhythmen, wimmernde Elektronik, krachiger Garage-Rock, Dub-Elemente oder auch afrikanische Soukous-Gitarren verbinden. Sängerin Carolina Oliveros’ beseelte Gesänge in den Echokammern wirken zudem wie ein klanglicher Tsunami. Sie versteht sich als Schamanin, die Botschaften ihrer Urväter aus der Vergangenheit hervorholt. Entsprechend zieht die Band  COMBO CHIMBITA: Ahomale alle Register zwischen überirdischen Frauenchören, punkigem Krach und verfremdeten Geisterstimmen. Dies ist kein Worldbeat-Clubmusic-Projekt, sondern eine futuristische Tropical Band, die den Begriff der Tropical Music um einiges an stilistischen Grenzüberschreitungen erweitert. Derart verrückte Gruppen gab es schon in den Siebzigern, gerade in der Chicha-Musik, als elektrifizierte Instrumente in Lateinamerika der neueste Hit wurden, kein Musiker dabei hintenanstehen wollte und man wild alles Mögliche zwischen Tradition und Rock ausprobierte. Das war damals cool; manches davon ringt einem heute zwar ein Lächeln ab, aber dieses Überbordende jener Zeit spürt man auch bei dieser feurigen Truppe. Sie ist zudem in Brooklyn beheimatet, wo sie ihre Traditionen jederzeit mit den Inspirationen des New Yorker Melting Pot versehen dürfte. Inzwischen gibt es gerade in der neueren Cumbia-Szene etliche ähnliche Bands, die lateinamerikanische Musik mit elektronischen Retrosounds, verrückter Kostümierung und schrillen Auftritten neu definieren. Eine ungestüme Szene, die in etwa das Gegenteil dessen darstellt, was einem hierzulande aus dem Autoradio entgegenblökt. Die klanglichen Abenteurer der Combo Chimbita haben etwas Dadaistisches, was heute mehr denn je guttut.
Hans-Jürgen Lenhart

HANS THEESSINK
70 Birthday Bash
(Blue Groove)


In schöner Tradition steht Hans Theessink seit bereits zehn Jahren anlässlich seines Geburtstags im April auf der Bühne des Wiener Metropol-Theaters und gibt dort ein musikalisches Stelldichein. In 2018 stand der 70. Geburtstag an, und der „Birthday Bash“ wurde auf eine vier Tage – bzw. Abende – lang andauernde Party ausgedehnt. Viele Musiker aus den Jahren gemeinsamen Schaffens kamen zusammen, spielten und musizierten. Vieles routiniert und langer Übung zu verdanken, vieles andere wiederum spontan improvisiert und gerade darum von Herzen kommend – so, wie es sich für einen ordentlichen Geburtstagsgruß gehört. Auf zwei CDs wurden diese denkwürdigen Sessions festgehalten, und jeder, wirklich jeder einzelne  HANS THEESSINK: 70 Birthday Bash der Songs ist den Kauf mehr als wert. Alle Musiker und Stücke einzeln aufzuführen, würde den Rahmen der Besprechung sprengen. Los jedenfalls geht es mit „Stormwarning“, einem Stomp, bei dem sich Hans Theessinks warmer Bariton und sein feines Spiel auf der Akustikgitarre wunderbar mit dem Gesang und der E-Gitarre des dänischen Musikers Knud Moeller ergänzt. Die Begleitband Blue Groove tut ein Übriges dazu, und auch Jon Sass’ Tuba, mit der er die Basslinie spielt, ist das erste Mal zu hören. Der entspannte, melodische Blues „Honest I Do“ von Jimmy Reed folgt, hier von Meena Cryle mit der zweiten Stimme und Chris Fillmore an der Gitarre begleitet. Mit dem 2018 verstorbenen Bluessänger und Gitarristen Terry Evans verband Hans Theessink eine langjährige und tiefe Freundschaft, ihm ist das getragene „Vicksburg Is My Home“ gewidmet. „Set Me Free“ entführt in den tiefen Süden der USA, körperlich spürbar sind die Hitze und die Schwüle des Mississippi-Deltas, sanft schaukelnd entführen uns die Orgel von Roland Guggenbichler und der Chor von Insingizi von dort Richtung Ozean und weiter mit „Zambezi“ zu den afrikanischen Wurzeln. Auch der Gospel ist da, hier in Gestalt der A-cappella-Formation Five Blind Boys of Alabama. Aber wie gesagt, jedes einzelne Stück ist es wert …
Achim Hennes



Deutschland
 FROLLEIN SMILLA: Freak Cabaret
FROLLEIN SMILLA
Freak Cabaret
(t3 records)


Die drei Sängerinnen vom Frolleinwunder Smilla legen Gesangspassagen hin, bei denen die Andrews Sisters vor Neid erblassen würden. Daneben beherrschen Bläser das musikalische Setting. Bass, Gitarre und Schlagzeug komplettieren das Orchester. Musikalisch ruht sich das Berliner Powerteam aber nicht auf den Fünfzigern aus, vielmehr plündert es hemmungslos Balkanbeats und alles Tanzbare, sodass Freak Cabaret ständig neu und doch vertraut, aber immer nach Straßenmusik klingt. Gut, man könnte die Band auch im Theater und auf Kleinkunstbühnen verschleißen, und die umfangreiche Tour führt das Orchester auch durch jede Kulturetage. Musiker mit diesem Elan, dieser Fröhlichkeit und dieser Bereitschaft, sich zu zeigen, gehören jedoch auf die Straße. Die Texte und die Arrangements erreichen allesamt kulturpreisverdächtiges Niveau, aber die Band ist schlichtweg zu schade für bedächtig klatschendes Publikum auf der Bundesgartenschau. Sie verdient es, gefeiert und betanzt zu werden, dass man mit den Musikern lacht und tobt und wie mit den alten Brassbands gemeinsam durch die Gassen zieht. Frollein Smilla gehören dorthin, wo das Leben ist.
Chris Elstrodt
 HANNE KAH: Y
HANNE KAH
Y
(Kosmopolit Records)


Wer hat gesagt, dass das zweite Album das schwierigste ist? Drei Jahre nach ihrem Erstling und einigen Singles melden sich Hanne Kah nun endlich mit einem Longplayer zurück. Scheinbar spielerisch leicht tanzen die Melodien in die Gehörgänge, die Spielfreude der Musiker ist allgegenwärtig. So klingt eine Band, die seit Jahrzehnten alles richtig macht und keinen Gedanken mehr an ihren eigenen Sound verschwenden muss. Traumwandlerisch sicher jeder Song, brillant jedes Arrangement. Y klingt definitiv nicht nach „dem zweiten Album“, sondern nach einem ausgereiften Meilenstein einer lebenslangen Karriere. Musikalisch bieten Hanne Kah Americana vom Feinsten, sodass man ruhig mal Lucinda Williams erwähnen darf. Sängerin Hanne singt englisch, aber man merkt dem akzentfreien Gesang die deutsche Herkunft an, und das ist gut so. Die helle Klangfarbe der Künstlerin wirkt als eigenes Markenzeichen besonders stark. Das Songmaterial lehnt sich an Popstrukturen an. Wären die akustischen Folkarrangements nicht, würden die Songs auch im Pop-Olymp von Adel Tawil bis Pink überzeugen. Dank der aufregenden Begleitband und der akustischen Gitarre der Künstlerin überwiegt jedoch der Country-Anteil. Das Ergebnis: Folk-Pop im besten Wortsinn.
Chris Elstrodt

 STEPHAN MICUS: White Night
STEPHAN MICUS
White Night
(ECM Records)


Auch auf seinem 23. Album kreiert Micus immer noch ganz neue musikalische Welten. Sein aktuelles Werk ist der Magie des Mondes gewidmet. Dabei bedient sich der 65-Jährige diesmal vor allem verschiedener afrikanischer Kalimbas, des sogenannten Daumenklaviers und der armenischen Duduk. Zusammen mit seinem Markenzeichen, der vierzehnsaitigen Gitarre, tibetischen Cymbals, indischen sowie ägyptischen Flöten, einer afrikanischen Harfe, der Dondon aus Ghana und seinem Gesang malt Micus erneut eine Klangreise durch die Kulturen, die unter die Haut geht. Wie immer spielt er alle Instrumente selbst und komponiert seine meditativen Preisungen der Natur mit Hilfe zahlreicher Overdubs. Vom orientalisch beeinflussten östlichen Tor geht es mit afrikanischen Rhythmen über die Brücke, entlang des Flusses zu den Glühwürmchen im Mondenschein, bevor der Mond selbst durch die Duduk erklingt. Nach dem gebetsartigen Gesang des Poeten und den Weiten des Weges folgt eine südamerikanische angehauchte Hommage an die schwarzen Berge. Durch den geheimnisvollen Wald gelangt der Hörer schließlich zum von Gitarren dominierten westlichen Tor, an dem sich die musikalischen Stile der Welt vereinen.
Erik Prochnow
 MOCHA: What If It Ends?
MOCHA
What If It Ends?
(Micropal Records)


Es gibt sie noch, die unverbrauchten Musikerinnen und Musiker, die sich mit ihrem eigenen Sound jedem Vergleich entziehen. Das Frauentrio Mocha gehört zu dieser wertvollen Spezies. Gleich die ersten Töne auf dem neuen Album What If It Ends? überraschen. Man denkt, solch ein Song könnte auch gut auf eine Darkwave-Party passen, wäre da nicht die glockenhelle Begleitung. Im Laufe des Albums werden Mocha deutlich folkloristischer, bleiben aber immer eigenständig und tatsächlich ohne Vergleich. Die Art, Songs zu schreiben, gleicht vielleicht noch der von Geschichtenerzählern wie John Cale oder Peter Hammill, die Arrangements stehen aber im krassen Gegensatz dazu und klingen wohlgefällig, der mehrstimmige Gesang harmonisch. Es fehlen klar erkennbare Hinweise auf die musikalischen Wurzeln. Da klingt nichts „skandinavisch“, „deutsch“ oder „irisch“, am ehesten ist vielleicht eine Liebe zum leichten Jazz zu spüren, aber letztlich bleiben Mocha so einzigartig, dass hier die alte Weisheit zum Tragen kommt: „Das muss man hören, um ein Gefühl dafür zu bekommen.“ In einer Zeit, in der Autorenwerkstätten in Seminaren Hitformat-Songs produzieren, sind Bands wie Mocha unbezahlbar.
Chris Elstrodt

 POLKAGEIST : Rückwärts durch die Geisterbahn
POLKAGEIST
Rückwärts durch die Geisterbahn
(Eastblok Music)


Ein charmantes Großstadtalbum haben Manuel Hornauer (Gesang, Gitarre), sein Bruder Michael (Trompete, Geige, Gesang), sowie Christian Zebisch (Akkordeon, Gesang), Jan-Philipp Dopke (Kontrabass, Gesang) und Johannes Wiemann (Schlagzeug) alias Polkageist hier vorgelegt. Wie soll’s auch anders sein, wohnen und wirken die fünf Musiker doch alle in jenem übergeschnappten Dorf, das sich seit dreißig Jahren wieder Hauptstadt nennt. Musikalisch bleibt das Quintett auch auf seinem dritten Album bei der bewährten Mischung aus Polka, Ska, akustischem Punk und jeder Menge Balkanblech. Gelegentlich schleicht sich aber auch ein sentimentales Moment ins zweiviertelige Vergnügen, wenn die Band von einer Reise durch Ex-Jugoslawien berichtet („Laku Noć“). Ansonsten mischt sich Ironisches über Selfies („Egopolitur“), individuellen Datenweitwurf („Digital Suicide“) oder das Überangebot an Shoppingcentern („Danke“) mit beißender Kritik am allgemeinen Zustand des Landes („Schweigen is’ nich‘“) oder dem rasant fortschreitenden gesellschaftlichen Rechtsruck („Rückwärts durch die Geisterbahn“). Wie gesagt, ein charmantes Großstadtalbum, mit viel Lokalkolorit, Laune, klugen Gedanken und einer Menge tanzbarer Musik.
Walter Bast
 GÖTZ RAUSCH: Wie die Zeit zerfällt
GÖTZ RAUSCH
Wie die Zeit zerfällt
(Timezone)


Wer beruflich den Bau von Monochords betreibt, der landet schnell über Pythagoras bei den Grundfragen des Seins und über die Obertöne dann bei den Zwischentönen. Denen hat sich der Instrumentenbauer Götz Rausch aus Stolzenhagen an der Oder mit seiner Band verschrieben. In seinen ruhigen Balladen geht es immer wieder um Wege zu sich selbst, um das Abschalten, das Sich-Ausklinken aus dem Alltagstrott. Nicht erreichbar sein, sich vertreten zu lassen, „zuzuschauen, wie die Zeit zerfällt“, den Gedanken zu akzeptieren und zu goutieren, dass man nichts Besonderes ist, sondern ein ganz gewöhnlicher Mensch. Dagegen ist das Beobachten seiner Bekannten und Freunde über soziale Netzwerke Zeitverschwendung. Acht eingängige Songs, die mit etwas treibender Diktion gesungen und mit Gitarre, Streichern, Klavier bzw. Orgel und Schlagzeug atmosphärisch dicht begleitet werden; Instrumente aus eigener Werkstatt sind nicht dabei. Schöne Lieder, nachdenklich und unaufdringlich, gut geeignet, um vor sich hin zu sinnieren und seinen Gedanken nachzuhängen.
Rainer Katlewski

 THE STOKES: Moakt In Oostfreesland – Made in Eastern Friesland. Live!
THE STOKES
Moakt In Oostfreesland – Made in Eastern Friesland. Live!
(DMG Records), mit engl. Infos


Patriotisch irischer geht es wohl kaum, beginnt doch dieses Live-Doppelalbum mit einer Diffamierung der Schotten nach deren Ablehnung der Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich: „Schotten sind auch nur Engländer mit Röcken“, gefolgt von „God Save Ireland“. Diese und andere Ansagen stammen vom einzigen Iren in dieser ansonsten norddeutschen Band. Ostfriesisch indes scheinen nur der Aufnahmeort auf Langeoog und ein Gastmusiker namens Albertus Akkermann, Wattführer von Borkum, zu sein, der hier aber mit „Caledonia“ doch auch etwas Schottisches ins ansonsten hauptsächliche irische Repertoire bringt. Es gibt aber noch einen irischen Gastmusiker, und zwar niemand Geringeren als Seán Cannon von den Dubliners, der mit „The Rocky Road To Dublin“ einen der vielen Evergreens dieses Albums liefert. Überhaupt könnten die meisten Lieder auch von den Dubliners gesungen sein, nur Instrumentals sind weniger ihre Stärke, da werden sie schnell hektisch. Leider gibt es kein Beiheft mit Infos über die Musiker, aber dass einer aus dem Kreis Borken stammt, entnimmt man der Bandvorstellung am Ende des Konzerts. Wer anschließend dann die CD von Stew ’n’ Haggis (siehe „Kurzschluss“) einlegt, hat eine passende Abrundung. Da sind dann Iren und Schotten wieder einträchtig beisammen.
Michael A. Schmiedel
 JUDITH TELLADO: Yerba Mala
JUDITH TELLADO
Yerba Mala
(Timezone), mit span., engl. u. dt. Texten


Die in Hamburg lebende puerto-ricanische Sängerin Judith Tellado lässt sich nicht reinreden. In verblüffender Vielfalt zeigt sie, was sie so alles kann und mag – Bolero, Jazz-Standards, Latin-Folk, Salsa, RnB, amerikanische Hymnen. Manches könnte sogar einem Musical entstammen, und gerade ihre Pop- und Soulballaden haben überdurchschnittliche Qualität. Ähnlich wechselt sie die Sprachen, Spanisch, Englisch, Deutsch. Die Songs sind oft ungewöhnlich, haben aber eine eindringliche Melodik, die vom intensiven Gesang passend vermittelt wird. So etwas gilt heute eigentlich als nicht marktkonform, gar profillos. Aber wenn jemand seine Interessenvielfalt derart deutlich offeriert, zeigt er nicht gerade dann Profil? In den Sechzigern ermöglichten musikalische Vielseitigkeit und sprachliche Begabung Sängerinnen wie Nana Mouskouri eine weltweite Karriere. Schön, dass dies wiederzukommen scheint. Man braucht Stimmen gegen den Einheitsbrei. Für Latin-Fans ist aber genug dabei. Ihr Song „Guayaba“ beispielsweise hat das Zeug großer lateinamerikanischer Balladen und wird von flirrendem Querflötenspiel umschmeichelt.
Hans-Jürgen Lenhart

 TONE FISH: Open Your Eyes
TONE FISH
Open Your Eyes
(Prosodia), mit dt. Infos u. engl. Texten


Wenn eine Band ihr viertes Album mit einer lockeren Abfolge von musikalischen und textlichen Zitaten startet („Over In Dover“), dann lässt das vermuten, dass sich die drei Herren und eine Dame in den Jahren eine gewisse Souveränität erspielt haben. Ein wenig unverständlich nur, dass die Musik von Tone Fish gerne als Irish Folk verkauft wird. Zumindest diese CD enthält kaum Spuren der Grünen Insel, das ist astreiner akustischer Folkrock der häufig schwungvollen und spielfreudigen Sorte, ein Hinweis auf die Livequalitäten von Tone Fish. Spontan erscheint der einzige deutschsprachige Titel unter zehn anglophilen Songs und dem einen Instrumental (alles von Stefan Gliwitzki mit Ausnahme zweier Coversongs) seltsam. Bedenkt man jedoch, dass die Band aus Hameln kommt, dann macht „Des Spielmanns Stolz“ über den berühmten Rattenfänger sogar Sinn. Der Song hätte in Englisch schlicht albern geklungen. Persönlicher Höhepunkt des Albums ist der eingängige und ins Ohr schwingende Walzer „Sing“. Wenn so gut wie alles den Bach runtergeht, dann können wir zumindest noch singen. Das löst zwar keine Probleme, verbessert aber die individuelle Lage. So wie die komplette CD von Tone Fish.
Mike Kamp
 SUZY VA: Constantly Changing
SUZY VA
Constantly Changing
(Timezone), mit dt. u. engl. Texten


Schwebend leichte Poesie. Die Berliner Singer/Songwriterin Suzy Va hat eine bezaubernde Stimme, schreibt wunderschöne lyrische Texte und verleiht ihnen musikalisch Flügel – insbesondere, wenn sie statt zur Gitarre zur Ukulele greift. Diese Leichtigkeit hat aber trotzdem große Tiefe. Die Songs sind Geschichten von Wandel und Hoffnung, von Flucht und Ankommen. Die Sängerin nahm neben englischen Songs auch ein deutsches Lied auf. Spätestens hier merkt man, dass diese Songtexte eigentlich vertonte Gedichte sind. Da passt es, dass sie auch „Die blaue Blume“ von Joseph von Eichendorff rezitiert – das Romantikbekenntnis schlechthin. Suzy Va startete bei ihrem Debütalbum noch als akustische Singer/Songwriterin. Bei ihrem neuen Album klingt es mit Schlagzeug, E-Gitarre und mehrstimmigem Gesang deutlich rockiger. Bassklarinette, Posaune und Baritonsaxofon bringen jazzige Klangfarben. Einen kleinen Hit hat dieses über Crowdfunding finanzierte Album auch. Der Song „Happy Heart“ handelt vom Glück – die Melodie und die gut gelaunt gespielte Ukulele haben Ohrwurmqualität.
Udo Hinz

 SANDY WOLFRUM: Zehnundfünfzig
SANDY WOLFRUM
Zehnundfünfzig
(Intraton), mit dt. Infos


„Wenn ich ein Sänger wär’“ heißt eines seiner Lieder. Nun, aber das ist er ja, der Bayreuther Sänger und Liedermacher Alexander bzw. Sandy Wolfrum. 2018 feierte er sein sechzigstes, nicht Bühnen-, aber Erdenjubiläum mit der Herausgabe dieses Albums mit 51 Liedern auf drei CDs. Die der CDs 1 und 2 sind Fans altbekannt, CD 3 enthält neues Material. So ist diese Anthologie auch ein gutes Angebot, ihn erstmals und umfänglich kennenzulernen. Die Musik scheint für ihn vor allem das Medium zu sein, um Inhalte rüberzubringen, denn diese quetscht er auch immer wieder in ein Versmaß, das zu klein dafür ist. Da müssen schon mal vier Silben passen, wo zwei eigentlich korrekt wären. „Mit kleinen Fehlern hier und da“, singt er denn auch im oben genannten Lied. In einem brummbärigen Bass schmettert er seine Kritik an Politik und Wirtschaft, Gesellschaft und menschlichem Verhalten generell in die Welt hinaus oder entwirft Alternativbilder von echten Werten und einer Gemeinschaft, in der „jeder ganz normal anders“ sein darf. Manchmal begleiten ihn begeistert mitsingende Kinder. Letztlich klingt alles gut gelaunt und mitreißend. Was vielleicht fehlt für einen Bayreuther, ist ein fränkischer Dialekt.
Michael A. Schmiedel



Europa
 MARC AMACHER: Roadhouse
MARC AMACHER
Roadhouse
(Jazzhaus Records)


Das klingt nach einem Riesenspaß: In Ermangelung eines gemeinsamen Termins in einem „regulären“ Tonstudio trafen sich vier Musiker im Geburtsort von Marc Amacher im Berner Oberland. Kurzerhand wurde in einem zurzeit leerstehenden Gasthof eine Aufnahmemöglichkeit geschaffen, also aufs Heftigste improvisiert. Was für ein Glücksfall, möchte man sagen, denn was hier an Spielfreude hörbar wird, findet man wirklich nur sehr selten. Vor allem der Blues lebt von solchen Umständen, erzählt in seinen Texten davon und straft seine als ach so einfach dargestellte Metrik, Spiel- und Gesangsstruktur immer wieder aufs Neue der Lüge. Neben technischer Finesse gehört nämlich immer eine gehörige Portion Verinnerlichung, Inbrunst, ehrlicher Hingabe dazu – erst dann wird aus einem Song ein guter Bluessong. Das hört und spürt man als Zuhörer. In diesem Sinne ist das Album der vier Musiker Marc Amacher (Gesang, Gitarre), Philipp „Phipu“ Gerber (Gitarre, Gesang), Jürg „Jüre“ Schmidhauser (Bass) und Christoph „Chrigu“ Berger (Schlagzeug) eine richtig gute Blues(rock)platte. Improvisiert, nicht bis ins Letzte technisch ausgefeilt, roh, ausdrucksstark, ehrlich, handgemacht – und für den Zuhörer ein Riesenspaß!
Achim Hennes
 PAUL ANDERSON: Beauties Of The North
PAUL ANDERSON
Beauties Of The North
(Fingal Records), mit engl. Infos


Zwölf Jahre Entstehungsgeschichte hat dieses Album auf dem Buckel, und Paul Anderson lässt uns im Beiheft an dieser ungeplanten Story ebenso teilhaben, wie er die 23 Melodien ausführlich erläutert. Hier geht es um schottische Airs und Laments, langsame Stücke also, die es einem versierten Geiger wie Anderson ermöglichen, alle Verzierungen und Klangfacetten seines Instruments auszuloten. Genau das macht er auch eine gute Stunde lang, und zwar mit beeindruckenden Resultaten. Fünf der Melodien stammen aus seiner Feder, der Rest von Klassikern wie Niel Gow oder James Scott Skinner. Ab und zu erklingen Gitarre (Tony McManus!) oder Piano als Begleitung, zum Schluss sogar das legendäre Combolin der Corries, aber bis auf diese eine Ausnahme bleibt die Begleitung dort, wo sie hingehört, im Hintergrund. Es ist Paul Andersons elegantes, fast klassisch anmutendes Fiddlespiel, das glänzt – und nicht zu knapp.
Mike Kamp

 RACHELE ANDRIOLI & ROCCO NIGRO: Maletiempu
RACHELE ANDRIOLI & ROCCO NIGRO
Maletiempu
(Dodicilune Records), mit Texten


Folkbands aus Salento, dem Stiefelabsatz Italiens, sorgen seit Jahren für percussiongeladene, spannungsreiche Neuerscheinungen. Die Wurzeln der apulischen Volksmusik (obschon einige Stücke aus Kampanien, Korsika und Sizilien stammen) spürt man in den Liedern der Sängerin Rachele Andrioli und des Akkordeonisten Rocco Nigro. Doch die beiden spielen hier nicht zum Tanz auf. Im Vordergrund stehen die Lieder, manche traditioneller Herkunft, andere aus der Feder des Duos. Das Maletiempu („Unwetter“) bringt Stürme übers Land, zwingt die Bewohner zum Auswandern, lässt Liebesbeziehungen zerbrechen, und dann muss auch noch das Kleine in den Schlaf gewiegt werden. Rachele Andrioli singt diese Lieder mit einer unglaublich starken, einnehmenden Stimme. Ihr glaubt man jede Gefühlsregung von Freud und Leid aufs Wort. Wer Sängerinnen wie Elena Ledda schätzt, wird hier fündig. Rocco Nigro tritt mit seinem Akkordeon in einen Dialog mit dem Gesang ˗ eloquent, fordernd, auf den Punkt gebracht. Die beiden sorgen für einen Orkan an Sinnlichkeit, manchmal unterstützt von Musikerkollegen an Saiteninstrumenten und Percussion. Intensität muss nicht laut sein.
Martin Steiner
 ANDRIES BOONE: C.O.L.O.R.S
ANDRIES BOONE
C.O.L.O.R.S
(Trad Records)


Wer denkt sich eigentlich diese Namen für Autolackierungen aus? Calypso-Rot etwa oder Fjord-Grau? Es sind Kreative wie der Belgier Peter Van Eyck. Von dessen Farbassoziationen ließ sich Mandolinenspieler und Landsmann Andries Boone inspirieren. Folglich tragen die Stücke auf seinem ersten Soloalbum Bezeichnungen wie „Whisper Green“, „Queeny Blue“ und „Werewolf Grey“. Zur musikalischen Umsetzung der Farbenträume bietet Boone eine Armada von Instrumentalisten auf – um einen Breitwandsound zu kreieren, der großer Filmmusik zur Ehre gereichen würde. Entsprechend klingen die Kompositionen auch, wenn von Querflöte über Cello bis Uilleann Pipes ein satt besetztes Ensemble ertönt. Die Mandoline lässt sich dazwischen oft nur erahnen, und wenn, dann umspielt der Belgier die sich ums Instrument rankenden Klischees und führt es auf andere Seiten. In „Cadillac Purple“ etwa fungiert die Mando als funkiger Rhythmusgeber. Wenn allerdings Fender Rhodes, Vibrafon und Bläsersatz dominieren, gehen die Erinnerungen zurück zu üppigen Orchestrierungen von Frühsiebziger-Filmen, und Lalo Schifrin lässt grüßen. Eine vor allem jazzige Instrumentalplatte mit manchem Glanzlicht und wenig Langeweile.
Volker Dick

 DANÇAS OCULTAS: Dentro Desse Mar
DANÇAS OCULTAS
Dentro Desse Mar
(Galileo MC), mit Texten


Die vier Männer mit ihren vier Konzertinas, dem diatonischen Akkordeon, gehören seit ihrer Gründung im Jahre 1989 zu den innovativsten Formationen Portugals. Dieses Mal stechen sie in See. Brasilien winkt, seit jeher auch in musikalischer Hinsicht die Traumdestination vieler Portugiesen. Dort lädt der Cellist Jaques Morelenbaum das Quartett in sein Studio in Rio ein. Um es vorwegzunehmen: Die Annäherung ist gelungen. In manchen Stücken sorgt der Starproduzent mit seinem Cello für einen warmen Grundton. Die drei Gastsängerinnen sorgen für brasilianisches Flair – Zélia Duncan mit ihrer tiefen, rauen Stimme und Dora Morelenbaum, die Tochter des Cellisten, dazu die portugiesische Fadosängerin Carminho, die schon mehrfach bewiesen hat, wie sehr sie sich in der Musik Brasiliens zu Hause fühlt. Weitere Akzente schaffen auf sieben von elf Stücken gefühlvoll eingesetzte Percussioninstrumente, hie und da eine Gitarre, Mandoline oder das Cavaquinho. Und die Musik? Diese gleitet leicht und doch mit Tiefgang zwischen Brasilien und Portugal hin und her. Lieblingsstück: das traumwandlerische „Oniris“ mit den vier Konzertinas. Ein rundum stimmiges, inspiriertes Werk.
Martin Steiner
 FAUSTUS: Cotton Lords
FAUSTUS
Cotton Lords
(EP; Westpark), mit engl. Infos u. Texten


Der mitreißende „Bloke Folk“ der drei Herren aus England hat ihnen auch hierzulande den Preis der deutschen Schallplattenkritik beschert, aber für ihr neues Werk beschreiten sie einen ganz anderen Pfad. „Lancaster Cotton Famine“ ist ein historisches, sperriges Thema. Als Mitte des 19. Jahrhunderts der amerikanische Bürgerkrieg tobte, blieben die Exporte amerikanischer Baumwolle nach England aus und die großen Spinnereien dort entließen ihr Personal. Die Armut war riesig und entsprechend verzweifelte Gedichte wurden geschrieben und publiziert. Die hat der Wissenschaftler Dr. Simon Rennie gesammelt und an Faustus weitergeleitet, die wiederum sechs dieser Gedichte vertont haben (eines ist als Video auf der CD). Das geschieht in der für diese drei erfahrenen Musiker üblichen Qualität mit Bouzouki, Gitarre, Melodeon und Violine, besonders aber mit dem bestechenden dreistimmigen Gesang. Für das historische Verständnis sorgt das vorbildliche Beiheft mit hilfreichen Erläuterungen von Dr. Rennie. Trotz dieser hohen Qualität wird man jedoch den Eindruck nicht so ganz los, einer fundierten Geschichtsstunde in 22 Minuten beizuwohnen. Ist definitiv mal was anderes.
Mike Kamp

 GLEN HANSARD: This Wild Willing
GLEN HANSARD
This Wild Willing
(Anti-/Indigo), mit engl. Texten u. Infos


„I’ll Be You, Be Me“ eröffnet den genialen Wurf mit John Deacons Bassline des Queen-Klassikers „Cool Cat“, der Bass pulst dämmernd über dolbyfreiem Rauschen. Eine Sphäre darüber kreist Hansards Stimme, wispernd, hauchend, hypnotisierend. Erstaunlich wie ekstatisch das Crescendo in einen Chorgesang mündet, der an den „Lady-In-Black“-Refrain erinnert. In „Don’t Settle“ glaubt man Lennon’s „Imagine“-Klavier zu hören, Reminiszenzen, die bei Hansard ein Zuhause haben. Doch This Wild Willing schenkt dem Zuhörer nichts von dem, was man erwarten könnte. Im Sommer 2018 geht Hansard nach Paris, lässt die Zügel los, öffnet sich Begegnungen und Zufällen, folgt frei und losgelöst dem, was sein Herz bewegt und kreiert mit einer Schar exzellenter Musiker ein wundervoll betörendes Album, opulent, kraftvoll, experimentierfreudig. Hemingways Erinnerungen in Paris – Ein Fest fürs Leben werden Hansard zum Reiseführer auf abenteuerlichen Pfaden. Alles fügt sich ohne Plan. Große Songs zwischen iranischem Saitenspiel, Art Rock und Elektrosounds. Hansard evoziert etwas einzigartig Eigenartiges und feiert, dem Flow folgend, mit jedem Ton das Leben. Was zu Beginn schlicht rauscht, ist am Ende schlichtweg berauschend!
Stefan Sell
 CLAIRE HASTINGS: Those Who Roam
CLAIRE HASTINGS
Those Who Roam
(Luckenbooth Records), mit engl. Infos u. Texten


Welche Überraschung! Auf dem Cover die eigentlich ziemlich bodenständige Claire Hastings als elegante Lady im Stil der Dreißigerjahre (vermutlich) auf dem Bahnhof von Edinburgh. Aber keine Sorge, was immer hinter dieser netten Inszenierung steckt, musikalisch bleibt sie sich auf ihren Solozweitling treu: sieben traditionelle Lieder, zwei Eigenkompositionen plus ein Werk des amerikanischen Singer/Songwriters David Alvin. Mit Jenn Butterworth (Gitarre), Laura Wilkie (Fiddle), Tom Gibbs (Piano) und Andrew Waite (Akkordeon) hat Hastings ein Begleitquartett, das in der Lage ist, den traditionellen Melodien den nötigen Stempel des 21. Jahrhunderts aufzudrücken. Wenn es an diesem rundum erfreulichen Album den Ansatz einer Kritik geben könnte, dann den, dass ich mir von ihr mehr zeitgenössisch relevante Songs gewünscht hätte. Aber vielleicht ist dieser Wunsch auch unfair, denn das Motto der CD lautet klar und deutlich: „Schart euch um mich, ich hab’ Geschichten zu erzählen.“ Und das tut Claire Hastings mit ihrem gewinnenden Gesang.
Mike Kamp

 KATE RUSBY: Philosophers, Poets & Kings
KATE RUSBY
Philosophers, Poets & Kings
(Pure Records), mit engl. Infos u. Texten


Kate Rusby ist in Großbritannien ein Star und weit über die Folkszene hinaus bekannt. Das hat Gründe, die auch auf ihrem aktuellen Album Philosophers, Poets & Kings wiederzufinden sind. Sie hat eine ausgesprochen sympathische, fast einschmeichelnde Stimme, ihre Songs sind wohlklingend arrangiert, ohne zu leichtgewichtig und abgehoben von ihren musikalischen Wurzeln zu klingen, und ihre zahlreichen Eigenkompositionen enthalten in Struktur und Melodie weit mehr als nur eine Referenz zur Folkmusik. Vor allem jedoch sind ihre Lieder immer tröstlich, und das ist in dieser unwirtlichen und unsicheren Welt immer willkommen. Ganz gleich, ob es bei ihren eigenen Songs wie „Until Morning“ oder „As The Lights Go Out“ um das ganz persönliche Trösten geht oder in „Halt The Wagons“ um ein historisches Bergwerksdesaster von 1838 mit toten Kindern von sieben bis siebzehn Jahren, wo Rusby die Eltern tröstet – nie ist textliches und musikalisches Mitgefühl weit. Und wenn sie dann mit dem Song „Jenny“ (einmal Original, einmal Remix) chartverdächtig einen siegreichen Außenseiter feiert, dann fühlt sich das nur gerecht an. Auch ihr siebzehntes Studioalbum ist ein Erfolg. Schade nur, dass Deutschland nicht auf ihrem Terminkalender steht.
Mike Kamp
 SIGRUN LOE SPARBOE: Labyrint
SIGRUN LOE SPARBOE
Labyrint
(Grappa Musikkforlag GRCD4582), mit norw. Texten


Die norwegische Liedermacherin Sigrun Loe Sparboe ist hierzulande noch kaum bekannt – anders übrigens als ihre berühmte Tante Kirsti Sparboe, der wir so unsterbliche Schlager wie „Ein Student aus Uppsala“ verdanken. Es wäre natürlich gemein, jetzt bei der Nichte zu sehr nach dem Genie der Tante zu suchen, aber zumindest stimmlich kann sie es mit Kirsti durchaus aufnehmen. Sie hat alle Lieder auf diesem Album – ihrem dritten – selbst geschrieben und für die Einspielung etliche bekannte Kollegen ins Studio gebeten. Zu erwähnen sind da vor allem Sunniva Lotte Wormsen mit ihrer Harfe und Lise Volsdal an Bratsche und Geige. Sigrun Loe Sparboe stammt aus dem nordnorwegischen Harstad, und ihren norwegischen Landsleuten aus dem hohen Norden ist ein Lied gewidmet („Nordfolket“). Die wilde Natur bildet den Hintergrund zu dem, was die Lieder erzählen, und auch ihre Sprache zeigt die deutliche Prägung durch die dort oben übliche Aussprache. Sie bevorzugt leise Töne, oft auch langsamere Melodien, aber sie kann auch temperamentvoll. Es sind Texte, die zum Nachdenken anregen oder auch zur unbedingten Zustimmung, z. B. ihre Ode an den Herbst, ihre Lieblingsjahreszeit. Eine wunderschön melodische CD und auch für Menschen ohne Norwegisch-Kenntnisse sicher ein Genuss.
Gabriele Haefs

 SEAN TAYLOR: The Path Into Blue
SEAN TAYLOR
The Path Into Blue
(Eigenverlag)


Sean Taylor sieht seine Heimat Großbritannien schwer von den Folgen der Regierungszeit Maggie Thatchers geprägt. Dies und die Lage im Allgemeinen sind Themen der zwölf Songs auf The Path Into Blue, bei denen er Folk mit einer großen Prise Soul vermischt. Das Album wurde in den USA unter der Oberaufsicht von Produzentenveteran Mark Hallman eingespielt, der auch an mehreren Instrumenten zu hören ist. Trotz der offensichtlichen Wut („Is the money you make / Worth the lies you take?“), in seinen Texten klingt die Musik weich und zart, was heißt: Zwar ist Taylor wütend über den Zustand der Welt, doch nicht so verzweifelt, um sie zum Teufel zu wünschen. Und das macht seine Songs wiederum sehr hörenswert.
Michael Freerix



Asien
 YINON MUALLEM: Back Home
YINON MUALLEM
Back Home
(Galileo MC)


Geboren 1968 in Israel (die Eltern stammen aus dem Irak), absolvierte Yinon Muallem in Tel Aviv ein Musikstudium, um sich im weiteren Verlauf auf osmanisch-türkische Musik zu konzentrieren. 2002 übersiedelte er nach Istanbul, veröffentlichte mittlerweile mindestens acht Alben, darunter etwa Klezmer For The Sultan, und ist seit 2011 auch der Kulturattaché Israels in der Türkei. Die vorliegende, in Israel aufgenommene CD sieht Muallem als einen Versuch, der teils nahezu hoffnungslosen pessimistischen Stimmung im Nahen Osten zumindest über die Musik eine optimistische Wendung zu geben. Mit Maayan Doari (perc), Or’el Oshrat (p), Sivan Oshrat (voc) und Meni Welt (b) gelingt dem Percussionisten und Oudisten mit acht Eigenkompositionen genau das, eine verblüffende ethnische „Jazzfusion“ aus Nahost, angereichert durch eine fantastisch-orientalische Interpretation von Lou Reeds „Perfect Day“.
Matti Goldschmidt



Afrika
 TIKEN JAH FAKOLY: Le Monde Est Chaud
TIKEN JAH FAKOLY
Le Monde Est Chaud
(Blue Wrasse)


Der 51-jährige Ivorer Doumbia Moussa „Tiken Jah“ Fakoly ist der derzeit wohl populärste Reggaemusiker Afrikas. Diesen Status verdankt er zum einen seiner immensen Musikalität, zum anderen seinen scharfsinnigen und -züngigen Texten, in denen er alles thematisiert, was seiner Ansicht nach falsch läuft, auf diesem Planeten allgemein oder seinem Heimatkontinent speziell. Nicht selten legt er sich hierbei auch mit den Mächtigen an, wofür er den hohen Preis eines Lebens im Exil zahlt. Auch in den Texten seines aktuellen Albums prangert er gesellschaftspolitische Themen an. Im Titelsong, den er gemeinsam mit dem Rapper Soprano eingesungen hat, geht es – natürlich – um die Klimaerwärmung und diejenigen, die wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren oder mit zynischen Sprüchen belegen. Musikalisch bedient sich Fakoly hier – wie auch auf seinen bisherigen Platten, wo es um bitterernste Themen wie Korruption, Beschneidungen von Mädchen und Frauen, Ausbeutung, Waffenhandel oder Migration ging – eines leichtfüßigen Rootsreggaes mit einprägsamen Melodien und starken Beats. Das mag uns Europäer irritieren, die wir „Ernste Musik“ gerne in getragenem Moll hören, doch das ist unser Problem.
Walter Bast



Nordamerika
 CHARLOTTE CORNFIELD: The Shape Of Your Name
CHARLOTTE CORNFIELD
The Shape Of Your Name
(Next Door Records)


Die studierte Schlagzeugerin hat sich zu einer launigen Sänger-/Songschreiberin gemausert, die nur alle paar Jahre mal ein Album veröffentlicht und es ansonsten ruhig angehen lässt, wohl auch, weil sie einen regulären Job hat und Musik zwar begeistert, aber nicht karriereorientiert betreibt. Etwas „fülliger“ als ihr Vorgängeralbum Future Snowblind produziert, das eher skizzenhaft war, wird dieses Mal mehr Gewicht auf ihre Stimme und Abwechslungsreichtum in der Instrumentierung gelegt. Eine faszinierende Sängerin ist sie im Grunde nicht, aber sie weiß ihre Texte mit nicht zu anspruchsvollen Melodien zu verbinden, sodass sie einen sehr entspannten Gesamtsound herstellt. Gelegentlich klingt ein Song mal eher wie Indie-Pop, doch überwiegt ein zurückhaltendes Singer/Songwritertum. Und ihr Song „Silver Civic“ sollte eigentlich pausenlos im Radio laufen, ein Lied über eine verpasste Liebe und ein Auto. Gibt es selten.
Michael Freerix
 THE FELICE BROTHERS: Undress
THE FELICE BROTHERS
Undress
(Yep Roc Records)


Recht krachig beginnt das neue Album von Ian und James Felice mit ihrem Song „Undress“, der wie eine ironische Replik auf das wirkt, was man einmal „Protestsongs“ nannte. Darin fordern sie auf, dass jeder und alles sich mal locker machen soll, und überführen damit Sinn in den Irrsinn. Wo die Brüder bei ihrem Debüt 2005 eher wie eine Hillbilly-Band aus den Dreißigerjahren klangen, wirken sie heute polierter, mehr wie eine etwas rumpelnde Indie-Band. Es scheint ihnen nicht schwerzufallen, Jahr für Jahr mindestens ein neues Album in die Welt zu schicken, doch nur noch selten, wie hier in „Poor Blind Birds“, taucht auf Undress das Verhuschte ihrer frühen Aufnahmen auf. Sie sind professioneller und abgeklärter geworden. Trotzdem gibt es nur wenige Bands, die dem Geist der „Basement Tapes“ so aufrichtig nachspüren wie die Felice Brothers.
Michael Freerix

 LISSIE: When I’m Alone – The Piano Retrospective
LISSIE
When I’m Alone – The Piano Retrospective
(Lionboy Records)


Lissie hat in den vergangenen fünfzehn Jahren mit moderner Rockmusik international Karriere gemacht. Umso erstaunlicher, dass sie sich nun ans Klavier setzt und ihre Songs so ganz pur präsentiert. Was sie dazu bewegt haben mag? Definitiv ist dieses Album nichts für rauchgeschwängerte Luft, sondern eher für romantische Abendessen bei Kerzenschein. Hören kann man hier, das Lissie eine Stimme hat, die viel kann, und auch Songs schreibt, die so ganz „nackt“ einprägsam und eindringlich sind. Und mit diesem Album stellt sie einfach nur Songs und Gefühl ins Zentrum, was von einer jungen, noch nicht etablierten Musikerin unerwartet kommt. Mit „Dreams“ spielt sie auch durchaus eigenständig eine Komposition von Fleetwood Mac, einem ihrer großen Vorbilder, neu ein, und stellt sich in eine Tradition, in der sie gut dasteht.
Michael Freerix
 MANX MARRINER MAINLINE: Hell Bound For Heaven
MANX MARRINER MAINLINE
Hell Bound For Heaven
(Stony Plain)


Na, da haben sich ja wohl zwei gesucht – und gefunden. Beide bereits gestandene Bluesmusiker in ihrem Heimatland Kanada, besuchte der Jüngere, Steve Marriner, immer wieder die Konzerte des älteren Harry Manx. Bis er ihn dann einmal ansprach, kurzerhand während eines Auftritts die Bluesharp für ihn spielte und sich damit eine kongeniale musikalische Zusammenarbeit begründete. Diese CD ist eine wahre Schatzkiste für Freunde des eher traditionellen, akustischen Blues – und darüber hinaus. So spielt Harry Manx auf dem Titelstück „Hell Bound For Heaven“ die Mohan Veena, ein zwanzigsaitiges indisches Instrument, das ähnlich wie eine Slidegitarre gespielt wird. Dies verleiht dem Stück einen ganz eigenen Zauber, fügt sich jedoch nahtlos mit dem eher traditionellen Bluesgesang Steve Marriners und seinem Harpspiel zusammen. Ein weiteres Highlight ist „Death Have No Mercy In This Land“, ein Stück von Reverend Gary Davis. Hier singt Steve Marriner und spielt die zwölfsaitige Gitarre, während Harry Manx mit einigen wenigen Tönen seiner Slidegitarre die tiefsten Farben von Blau dazu beisteuert. Auch bei allen weiteren Stücken gibt es immer eine Besonderheit zu hören. Mal kommt eine Violine ins Spiel, dann ein Banjo, es ertönt ein Background-Chor oder eine Hammond-Orgel.
Achim Hennes

 MOLLY TUTTLE: When You’re Ready
MOLLY TUTTLE
When You’re Ready
(Compass Records), mit engl. Texten


Dass eine Frau im Bluegrass wegen ihres herausragenden Flatpickingspiels ausgezeichnet wird, passiert eher selten. Die Gitarristin und Vokalistin Molly Tuttle konnte dieses Lob wiederholt ernten. Auf ihrem Debütalbum allerdings spielt Bluegrass nur eine Nebenrolle. Die 25-Jährige aus Kalifornien mit Wohnsitz Nashville überzeugt durch einen Mix aus Folk, Country und Rock, im Kern getragen von einer kompakt aufgestellten Band, unterstützt von erstklassigen Gästen wie Sierra Hull an der Mandoline, Fiddlerin Brittany Haas und Jason Isbell als Backgroundsänger. Beim Songschreiben schwört sie nicht auf den musikalischen und poetischen Alleingang, sondern arbeitet häufig mit Co-Autoren zusammen. Dabei kommen Perlen wie das schwer schleppende „Sit Back And Watch It Roll“ heraus und der Opener „Million Miles“, in dem sie sich trotz junger Jahre bereits unliebsamen Wahrheiten stellt: „I’m too much like my mom / All she does is hurry / What’s a girl to do today?“ Sie sehnt sich nach Wärme und Schutz, aber nicht um jeden Preis. Und sie spricht sich und uns Mut zu, das Leben zu wagen. Mit ihrer Musik wird die Reise ein Stück leichter.
Volker Dick
 UNION DUKE: Golden Days
UNION DUKE
Golden Days
(Eigenverlag)


Sie tragen keine Cowboyhüte und keine bestickten Hemden, sondern wirken eher wie eine Indie-Rockband. Unabhängig agiert das Quintett aus Kanadas Musikhauptstadt Toronto in jedem Fall musikalisch. Bei „Union Duke“ kommen Country, Rock und Bluegrass auf eine höchst befriedigende Weise zusammen. Mal klingen sie nach Wilco, mal scheint Landsmann Gordon Lightfoot in der Musik auf. Es gibt Songs, die wie Highspeed-Bluegrass wirken, etwa der Opener „Heavy Wind“. „Baby Don’t Break“ zeigt eine Tendenz zum Classic Rock, hinter „Got You On My Mind“ steckt eine Liebesballade mit Banjo. Die Band pflegt in ihren Kompositionen immer wieder eine gewisse Komplexität mit Breaks und Tempowechseln. Und zu dem überzeugenden Stilmix kommt ein treffsicherer Harmoniegesang hinzu, der das Herz rührt, den Verstand aber nicht beleidigt – wie im Titelstück „Golden Days“. Ihr drittes Album haben Union Duke live im Studio aufgenommen und von Mark Lawson mischen lassen, der einen Grammy im Regal stehen hat und bereits mit Acts wie Arcade Fire erfolgreich war. Gemeinsam legen sie eine Platte vor, die packenden Rootsrock feiert, zwischen Banjofell und glühenden Verstärkerröhren.
Volker Dick

Lateinamerika
 DANI GURGEL: Tuqti
DANI GURGEL
Tuqti
(Berthold Records), mit engl. Infos


Die 1985 in São Paulo in eine Musikerfamilie hineingeborene Singer/Songwriterin begibt sich auf ihrem zweiten Soloalbum mit unaufgeregt-schöner Stimme und beeindruckendem Scat-Talent erneut in die u. a. jazzigen Gefilde ihres musikalisch vielgestaltigen Heimatlandes. Teils Co-Autorin der Lieder, teils Interpretin von Stücken anderer zeitgenössischer, musikalisch seelenverwandter Landsleute, z. B. des Geigers Ricardo Herz oder Gabriel Santiagos, des Gitarristen ihrer Band. Diese ist mit E- und Akustikgitarre, Drums und Bass hörbar gut eingetunt auf diverse jazzige Spielarten. Es groovt ordentlich in den Songs, die teilweise mit vertrackten Rhythmen und Synkopen aufwarten. Der Albumtitel klingt wie einer der Indianersprachen Brasiliens entlehnt, sei aber eine tonmalerische Eigenkreation, so die Paulista, die Kommunikationswissenschaft studiert hat, fotografiert und Videos dreht. Illustre Gäste des Albums sind der Vibrafonist Joe Locke aus den USA – zu hören im sambajazzigen Opener – und die Trompeterin Ingrid Jensen. Die Kanadierin spielt in einem Song mit, dessen Text Gurgel extra für sie schrieb. Nachzulesen – wie auch alle anderen zehn Liedtexte – leider weder im Booklet noch im Netz.
Katrin Wilke
 LAS HERMANAS CARONNI: Santa Plástica
LAS HERMANAS CARONNI
Santa Plástica
(Les Grand Fleuves)


Die argentinischen Zwillingsschwestern Gianna und Laura Caronni haben sich mit ihren Instrumenten Klarinette und Cello sowie ihrer ungewöhnlichen Mischung aus lateinamerikanischer Folklore, impressionistischer Klassik und fast meditativen Klängen in den letzten Jahren einen großen Namen erarbeitet. Diesmal haben sie ihren musikalischen Kosmos mit einigen Gastmusikern wie Jazztrompeter Erik Truffaz ergänzt. Das kann man als Auflockerung akzeptieren, notwendig wäre es indes nicht gewesen. In den ruhigen Stücken voller langgezogener Töne, die wie langsame Schritte wirken, haben die beiden dagegen ihre eigene Aura, die sich selbst genügt und keine weiteren Zutaten braucht. Aber es gibt ebenso einige überraschend fröhliche Stücke, wie „Coucou“, das wie eine Vertonung eines Kinderliedes um den Kuckuck wirkt, aber mit etlichen wilden Momenten und „Gezwitscher“ mit Abstand am originellsten von allen Tracks daherkommt. Das arabisch klingende „Partir“ zitiert wiederum die Rhythmik von Zugfahrten. Überhaupt überwiegen diesmal rhythmische Stücke. Auch wenn die überzeugenderen Songs eher zum Schluss kommen, bestätigt das Album den Ausnahmecharakter dieses Geschwisterduos.
Hans-Jürgen Lenhart

Australien/Ozeanien
 HUGO RACE FATALISTS: Taken By The Dream
HUGO RACE FATALISTS
Taken By The Dream
(Glitterhouse)


Viel zu wenig ist bisher im Folker vom australischen Bluesmusiker Hugo Race die Rede gewesen. Race begann als Jugendlicher in Bands zu spielen und entwickelte sich zum herausragenden Gitarristen, weshalb er in der Band von Nick Cave landete, als dieser mit seiner Solokarriere begann. Nun steht mit Taken By The Dream ein neues Album von ihm und seiner Band Fatalists im Haus. Als „vom Traum unterwandert“ lässt sich diese Musik ganz gut beschreiben. Race schreibt Songs, die viel Raum lassen, er fügt Melodien, Texte und Instrumentierungen zusammen, die nicht unbedingt wirken, als hätten sie einen klaren Anfang und ein deutlich gesetztes Ende. Seine Musik schwebt eher, wird scheinbar vom Wind in die Ohren getragen. Auch auf dem Vorläuferalbum, auf dem er Songs von John Lee Hooker neu interpretierte, war dies so. Deutlich ist in seiner Musik die nordafrikanische Wüste zu vernehmen, der verhallte Singsang des Muezzins, der zum Gebet ruft, wie auch scheinbar endlose wirkende Vokalimprovisationen, zu denen man sich am Lagerfeuer versammelt, um schließlich in den Schlaf zu fallen. Deshalb verwundert es kaum, das Race auch mit Musikern aus Mali Alben eingespielt hat – gemeinsam mit Glitterbeats Chris Eckman unter dem Bandnamen Dirtmusic.
Michael Freerix



International
 KAYHAN KALHOR, REMBRANDT FRERICHS, TONY OVERWATER, VINSENT PLANJER: It’s Still Autumn
KAYHAN KALHOR, REMBRANDT FRERICHS, TONY OVERWATER, VINSENT PLANJER
It’s Still Autumn
(Kepera Records), mit engl. Infos


Kayhan Kalhor, Teheraner mit kurdischen Wurzeln, ist einer der ganz großen Musiker seines Heimatlandes. Bereits ab seinem dreizehnten Lebensjahr trat der Kamanche-Spieler mit dem iranischen Nationalorchester auf. Später wurde er auch durch allerlei genreübergreifende Produktionen international bekannt. Unvergessen ist zum Beispiel sein lyrisches Spiel in Yo-Yo Mas Silk Road Ensemble. Nun hat er sich mit drei niederländischen Musikern zusammengetan. Diese wirken auf den ersten, sehr flüchtigen Blick wie ein normales Jazztrio, spielen jedoch ungewöhnliche Instrumente. Rembrandt Frerichs sitzt nicht etwa am Flügel, sondern am Fortepiano, und das klingt bisweilen eher wie eine Santur; Tony Overwater spielt keinen Bass, sondern ein Violone, das zwei zusätzliche hohe Saiten hat und daher auch gut Melodien intonieren kann. Vinsent Planjer wiederum hat sich eine spezielle Kombination von Schlagzeug und Percussion zusammengestellt, die er Whisper Kit nennt. Gemeinsam entfalten die vier Musiker aus einem einfachen D einen eigenen, wunderbaren Klangkosmos, der Genregrenzen souverän transzendiert.
Ines Körver
 DANIEL PUENTE ENCINA: Sangre Y Sal
DANIEL PUENTE ENCINA
Sangre Y Sal
(Polvorosa Records), mit span. u. engl. Infos u. Liedtexten


Der schon lange in der Diaspora lebende Singer/Songwriter aus Santiago de Chile meldet sich mit seinem dritten Soloalbum unter eigenem Namen zurück. Für das konnte der seit Langem von Barcelona aus in eher unsteten Bandkonstellationen agierende autodidaktische Sänger und Gitarrist auf eine stattliche internationale Musikercrew – vor allem aus Lateinamerika – zählen. Wie schon der 2014 erschienene Vorgänger mutet die neue Arbeit wie eine Art Update des Latinrock à la Santana für das 21. Jahrhundert an, frisch und energetisch, dabei aber nicht unbedingt neu oder gar innovativ. Eine vertraut und gut abgehangen klingende, wahrlich panamerikanische Mixtur, aus der alles nur Denkbare von kubanischen über argentinische bis hin zu (afro-)peruanischen Zutaten mehr oder weniger deutlich herauszuschmecken ist. Man möchte meinen, der Ex-Punk, der einst mit Bands wie Pinochet Boys und Niños Con Bombas wild und politisch subversiv drauflosmuggte, überlässt heute musikalisch nichts dem Zufall. In den elf sorgsam ausgetüftelten neuen Liedern, darunter auch eins auf Englisch, sinniert der Chilene mit seinem relativ hohen, kraftvollen Gesang über Lebensphilosophisches, gerne auch mal kombiniert mit Naturmetaphern.
Katrin Wilke

Kurzrezensionen
 ARENI AGBABIAN: Bloom
ARENI AGBABIAN
Bloom
(ECM Records)


„Patience is more important now …“ Fast beschwörend wirken diese Zeilen des Openers der jungen armenischen Sängerin und Pianistin Areni Agbabian, die mit dem Percussionisten Nicolas Stocker ihr ECM-Debüt gibt. Und wie so häufig scheint das Münchner Label eine Art eigenes Genre begründet zu haben, Musik, der Zeit enthoben, der Stille zugewandt.
rb
 APPARATSCHIK: Kurs Ost-West
APPARATSCHIK
Kurs Ost-West
(Raumer Records)


Olaf Opitz lernte im Musikunterricht in der DDR russisches und ukrainisches Liedgut schätzen. Als er 1986 nach West-Berlin floh, gründete er eine Band, um diese Musik auch in seiner neuen Heimat bekanntzumachen – viele Jahre vor dem Russendisko-Hype. Seit genau dreißig Jahren sind Apparatschik mit ihrer akustischen Mischung aus Ska, Reggae, Polka, Punk, Gypsy und Disco nun am Start.
ink

 ANGELA AUX: In Love With The Demons
ANGELA AUX
In Love With The Demons
(Trikont)


Surreale englischsprachige Texte treffen auf Sixties-Melodien, vorgetragen von der leiernden Stimme des Außenseiters Angela Aux. So findet auch das vierte Album von Aux einen Platz im Musikfachverlag für Intelligentes, dem Label Trikont in München. Wer auf leichte Kost hofft, wird vom Künstler bewusst aufs Glatteis geführt.
ce
 BACKBOARD BLUES BAND: Blues am Turm
BACKBOARD BLUES BAND
Blues am Turm
(Eigenverlag)


Sie singen der Bulette ein Loblied und über vergebene Liebesmühe, mal auf Deutsch, mal auf Englisch. Dabei fällt Rainer Hartung eher durch sein feines Mundharmonikaspiel auf denn als Sänger. Die Bluesband aus Wismar weiß musikalisch zu überzeugen, während die deutschen Texte mit oft flachen Reimen auffallen – was ja nicht so bleiben muss.
vd

 BARLAST: Svanvik
BARLAST
Svanvik
(Eigenverlag)


Irgendwo zwischen Nordic Folk und Freejazz befinden sich die Instrumentalwerke von Barlast. Stark bläserlastig improvisieren die Künstler um Kontrabassist Philip Holm in unvorhersehbaren Bahnen. Die nordischen Grundlagen klingen bei vielen Tracks durch, dennoch ist Svanvik besonders für schubladenfreie Musikliebhaber eine Empfehlung.
ce
 CLAUS BOESSER-FERRARI: In Praise Of Shadows
CLAUS BOESSER-FERRARI
In Praise Of Shadows
(Acoustic Music Records)


Ein Kratzen auf Saiten und explodierende Harmonien treffen auf poetische Melodien und elektrische Klangeffekte. Der deutsche Experimentalgitarrist Claus Boesser-Ferrari reizt die Sounds der Akustikgitarre aus. Die Soloaufnahme entstand live und verbindet eigene Stücke mit Titeln von Charles Mingus, Syd Barrett oder den Beatles.
uh

 PETRA BÖRNEROVÁ TRIO & FEDOR FREŠO: Live 2018
PETRA BÖRNEROVÁ TRIO & FEDOR FREŠO
Live 2018
(Sozat)


Dieses Trio ist eine Familienangelegenheit. Petra Börnerová aus Tschechien singt, ihr slowakischer Ehemann Tomáš Bobrovniczký spielt Gitarre und Sohn Tomáš Schlagzeug. Außer Eigenkompositionen auf Tschechisch interpretieren sie Stücke von Künstlern wie Keb’ Mo’, Eric Bibb und den Rolling Stones. Ein Erinnerungsstück für Konzertbesucher.
vd
 NICO BRINA: Boogie Me Up
NICO BRINA
Boogie Me Up
(Stormy Monday Records)


Der Schweizer Boogie-Woogie-Pianist gehört zur Spitze seiner Zunft, und das stellt er hier gerne unter Beweis. Fünfzehn Songs, mal mit Gesang, mal ohne, immer begleitet vom Schlagzeuger Tobias Schramm, zeigen, was man mit einem Klavier so alles anstellen kann. Es rollt und swingt und groovt, und das Tom-Waits-Cover „Clap Hands“ ist schlicht überragend.
ah

 THE BULGARIAN VOICES ANGELITE: Heritage
THE BULGARIAN VOICES ANGELITE
Heritage
(Jaro)


Nachdem die Jubiläumsfeierlichkeiten zum „Dreißigsten“ sowie diverse Gastbeiträge tournee- und tonträgermäßig abgearbeitet sind, gibt’s die Damen mit den wundervollen Stimmen mal wieder a cappella pur. Auch mit neuer Dirigentin (Katja Borulova) gilt, was der alte Chorname suggerierte: Diese Stimmen sind ein Mysterium. Und magisch dazu. Ein Hörgenuss.
wb
 BURGES – GRÄNZER – SCHADE: Jenseits schillernder Welten
BURGES – GRÄNZER – SCHADE
Jenseits schillernder Welten
(Grenzton)


Skurril, morbid, dunkel, traumverloren, schwermütig und geheimnisvoll präsentieren drei höchst unterschiedliche Künstler seltsame Welten diesseits und jenseits. Der Texter und Interpret Torsten Gränzer, die klassische Sängerin, Pianistin und Komponistin Katharina Burges und der Musiker Göran Schade wirkten zusammen für diese bemerkenswerte Produktion.
rk

 KATHARINA BUSCH: Neue Worte, neuer Wind
KATHARINA BUSCH
Neue Worte, neuer Wind
(EP; Dreamshelter Records)


Katharina Busch beweist, dass deutsche Popsängerinnen nicht nur aus Alin Coen und Silbermond bestehen. Wären die hochmodernen, klugen Arrangements nicht, könnte man sich die Künstlerin auch mit Wandergitarre vorstellen. Stattdessen bietet die viel zu kurze 5-Track-EP internationales Niveau, bei dem Vergleiche mit Suzanne Vega nicht zu hoch gegriffen sind.
ce
 ANTONIO CASTRIGNANÒ: Aria Caddhipulina
ANTONIO CASTRIGNANÒ
Aria Caddhipulina
(EP; Ponderosa Records)


Salento, einmal mehr. Der Mann mit dem Tamburin und seiner energiegeladenen Stimme lässt kein Tanzbein ruhig stehen. Volksmusik, aber wie! Aktuell, archaisch, atemlos. Der Apulier hat schon mehrere starke Alben abgeliefert. Jetzt legt er mit dieser aus sechs Stücken bestehenden EP nach, verpackt in einer Hülle im Format einer 45-U/min-Single.
mst

 COPPER VIPER: Cut It Down, Count The Rings
COPPER VIPER
Cut It Down, Count The Rings
(Eigenverlag)


Eigentlich ist es schlicht Americana, was der Engländer Robin Joel Sangster (Gitarre) und der Schotte Duncan Menzies (Mandoline, Fiddle) da präsentieren. Und weil’s ein Duo ist, fallen die Namen Simon & Garfunkel und The Milk Carton Kids nicht ganz zu Unrecht. Die Stimmen harmonisieren großartig, und die eigenen Songs sind von einem sehr intimen Klang. Einfach, direkt und ohne Effekte.
mk
 CORAZÓN-QUARTETT: Levante
CORAZÓN-QUARTETT
Levante
(Fluxx Records)


Die Münchener Crew ist hörbar stark Flamenco-, überhaupt Spanien-affin. Meeresrauschen umspült die flamencojazzigen, mit diversen Gästen gestalteten Eigenkompositionen und Liedadaptionen, etwa des Boleros „Historia De Un Amor“ oder Paco de Lucías „Zyriab“. Spielfreude und -geschick sind größer als der Einfallsreichtum beim Umgang mit den Originalen.
kw

 DADDY LONG LEGS: Lowdown Ways
DADDY LONG LEGS
Lowdown Ways
(Yep Roc Records)


Ein schepperndes Schlagzeug, verzerrte Gitarren, der Gesang wird dabei auch schon einmal durch das Harp-Mikrofon gepresst – das Trio aus New York zeigt auf diesem „Lo-Fi“-Bluespunk-Album viel Schmutz und die raue Urbanität der „Windy City“ Chicago, in der das Album aufgenommen wurde. Und das hat wirklich Charme.
ah
 DIVERSE: Nate Gibson & The Stars Of Starday
DIVERSE
Nate Gibson & The Stars Of Starday
(Bear Family Productions)


Erneut hilft Bear Family den US-Amerikanern, einen Schatz ihrer Musikgeschichte zu heben. Diesmal geht es um Starday Records, das legendäre Country-Music-Label. Der Musiker Nate Gibson hat die Geschichte der Firma erforscht und versammelt auf diesem Album 14 der originalen Starday-Künstler mit 24 Neuaufnahmen ihrer Klassiker. Freudiges Wiederhören.
vd

 DIVERSE: Rheinland-Pfalz singt! Das Landeschorfest Mainz 31. August 2019. Chöre des Landes – Vol II  SONNTAGSCHOR RHEINLAND-PFALZ: You Raise Me Up
DIVERSE
Rheinland-Pfalz singt! Das Landeschorfest Mainz 31. August 2019. Chöre des Landes – Vol II
(Candoro)


SONNTAGSCHOR RHEINLAND-PFALZ
You Raise Me Up
(Candoro)


Aktuelle und traditionelle populäre Musik, gesungen von Amateuren mit Freude im Herzen. Das kann man auch „Volksmusik“ nennen. Die erste CD präsentiert Lieder von 15 Chören aus Rheinland-Pfalz, inklusive des landesweit rekrutierten Sonntagschors Rheinland-Pfalz vom SWR, der die zweite CD alleine bestreitet. Dass sie Amateure sind, hört man ihnen nicht an, wie sie volltönend, mehrstimmig, rhythmisch und in mehreren Tonlagen internationale Lieder in Englisch, Deutsch und anderen Sprachen singen, einige aus dem Repertoire der Gospelmusik, aber auch anderes. Allein, es fehlt jede Spur von Regionalkolorit. Die rhein- und moselfränkischen Mundarten der Großeltern sind wohl verloren.
mas
 ALAN DOYLE: A Week At the Warehouse
ALAN DOYLE
A Week At the Warehouse
(Skinner’s Hill Music)


Die Stimme der kanadischen Erfolgsband Great Big Sea wandelt zum dritten Mal auf Solopfaden und legt zehn hörenswerte eigene Songs und eine Coverversion vor, eingespielt mit einer ganzen Riege exzellenter Musiker, mal folkrockig mit Fiddle- und Akkordeonfärbung, mal im Canadiana-Sound, mal ruppig zupackend, aber auch balladesk-emotional. Und – der Bursche kann singen!
uj

 CHRISTIAN FREIMUTH: Klipp und Gefahr
CHRISTIAN FREIMUTH
Klipp und Gefahr
(Kombüse Schallerzeugnisse)


Mit einem Faible für gut gewählte Worte zeigt der Wahl-Lübecker Haltung gegenüber den kleinen und tiefgreifenden Herausforderungen des Lebens. Zusammen mit Produzent Tom Liwa begleitet er seinen schnörkellosen Gesang mit viel akustischer Gitarre, oft an Neil Young erinnernd. Nicht nur im Sound, es gibt ein „Traummädchen aus Zimt“. Warm und würzig.
is
 PAOLO FRESU, DANIELE DI BONAVENTURA: Altissima Luce – Laudario Di Cortona
PAOLO FRESU, DANIELE DI BONAVENTURA
Altissima Luce – Laudario Di Cortona
(Tŭk Music – Tŭk Voice)


Der sardische Jazztrompeter Paolo Fresu und der Bandoneonist Daniele di Bonaventura nehmen sich der Laudario Di Cortona, einer Sammlung geistlicher Lobgesänge des 13. Jahrhunderts an. Unterstützt werden sie dabei von der Vokalgruppe Armoniosoincanto, dem Kammerorchester von Perugia, Marco Bardoscia am Kontrabass und Michele Rabbia am Schlagzeug. Alte Musik mit jazzigen Passagen. Ein Werk, das ein genaues Einhören verdient.
mst

 RENAUD GARCÍA-FONS & CLAIRE ANTONINI: Farangi – Du Baroque À L’Orient
RENAUD GARCÍA-FONS & CLAIRE ANTONINI
Farangi – Du Baroque À L’Orient
(E-motive Records)


Wie immer klingt der eher gemütliche Kontrabass unter den Fingern des Franzosen García-Fons wie der Flügelschlag eines Kolibris oder besser wie ein orientalisches Saiteninstrument, rasant und virtuos, oft wie mit einem Plektrum gespielt. Was die extravagante Klangreise zwischen Barock und Orient komplettiert, ist die Theorbe der französischen Lautenistin Antonini.
rb
 LUCILLA GELEAZZI, DIDIER LALOY, CARLO RIZZO, IALMA, MAARTEN DECOMBEL: Alegrìa E Libertà
LUCILLA GELEAZZI, DIDIER LALOY, CARLO RIZZO, IALMA, MAARTEN DECOMBEL
Alegrìa E Libertà
(Homerecords)


Zwei Belgier, einer an der Gitarre, einer am Akkordeon, die große Sängerin Lucilla Galeazzi, Galionsfigur des italienischen Folkrevivals der Siebziger, der Percussionist Carlo Rizzo und die galicischen Cantareiras Ialma singen über die Liebe und den Freiheitskampf. Weltmusik im wahrsten Sinne des Wortes – und zwar gute!
mst

 JEFFREY HALFORD AND THE HEALERS: West Towards South
JEFFREY HALFORD AND THE HEALERS
West Towards South
(Floating Records)


Das Trio aus Kalifornien erzählt in prägnanten Songs von der fiktiven Figur Cyrus. Es tauchen auf: die Schattengestalten des Lebens, Spieler, Loser, verlorene Sinnsucher. Das alles packt Halford auf seinem neunten Album in atmosphärisch schwere, dunkle, teils rockige Countrymusik. Und seine Lyrik lässt darauf schließen, dass er weiß, wovon er singt.
vd
 SCHORSCH HAMPEL & DR. WILL: Hoamwehblues
SCHORSCH HAMPEL & DR. WILL
Hoamwehblues
(Focus)


Die Isar ist zwar nicht das Mississippi-Delta, aber der Schorsch Hampel an Gesang, Gitarren, Mundharmonika sowie Dr. Will an Schlagzeug, Percussion, Loops und Gesang präsentieren erstklassig arrangierte, kompetent eingespielte und produzierte bayerische Mundart-Blues-Gemmen aus der eigenen Feder. Das slidet, groovt und grantelt, dass es eine wahre Pracht ist.
uj

 HERR WITTE: Wenn das Leben anders läuft
HERR WITTE
Wenn das Leben anders läuft
(Eigenverlag)


Der Herr ist eigentlich ein Trio, welches u. a. mit Gitarre und Klavier, Cello, Akkordeon und Trompete gut besetzt ist. Es legt mit dem zweiten Album erneut Lieder über die kleinen Stolpersteine und Momente des Glücks im Leben und in der Liebe vor. Kennzeichnend sind in subtil-humorige Texte und ruhig-heitere Melodien verpackte schräge Blickwinkel.
is
 HEXVESSEL: All Tree
HEXVESSEL
All Tree
(Secret Trees)


Wer ein Album aus der Kategorie „wyrd folk“ hören möchte (s. a. Buchrezi Folker 3/2019, S. 94), der ist bei der finnischen Band Hexvessel richtig. Gegründet und geführt von dem Iren McNerney, klingen die sechs Herren und eine Dame aber sehr harmonisch, sanft und manchmal wie Shirley Collins oder Fairport. Lediglich die Texte sind etwas sehr abgedreht.
mk

 ROBERT HILL & THE MUSKOGEE FEW: dto.
ROBERT HILL & THE MUSKOGEE FEW
dto.
(Eigenverlag)


Für alle sensiblen Cowboys: Die fünf Musiker dieser Alternative-Country-Band aus dem schwedischen Stockholm lieben melancholische Poesie und psychedelischen Groove. Robert Hill flüstert beim Singen, Gitarren und Pedal Steel klingen verträumt, und die Besenschläge auf die Snare sind zart, und irgendwie meint man immer trabende Pferde zu hören.
uh
 ZUZANA HOMOLOVÁ TRIO: When The Soldier Was Drafted
ZUZANA HOMOLOVÁ TRIO
When The Soldier Was Drafted
(Slnko Records)


Ein kraftvolles Album über die verschiedenen Facetten des Krieges. Das slowakische Trio um die preisgekrönte Sängerin Zuzana Homolová präsentiert fünfzehn traditionelle Stücke über Traurigkeit, Humor oder Romantik auf seine berühmte Art. Die Multiinstrumentalisten vereinen erneut gekonnt Folk, Jazz und Rock.
ep

 INNA DE YARD: Inna De Yard
INNA DE YARD
Inna De Yard
(Chapter Two Records)


Das Projekt Inna De Yard ist eine Reggae-Bigband unter Leitung der Urgesteine Winston McAnuff und Cedric Myton. Die vorliegende CD ist allerdings auch ein Soundtrack für eine Doku des Regisseurs Peter Webber (Das Mädchen mit dem Perlenohrring) über IDY. Also, Musik anhören und demnächst ab in das Lichtspielhaus Ihres Vertrauens. Es lohnt sich!
wb
 JANEWAY: Hot Pot
JANEWAY
Hot Pot
(Eigenverlag)


Ziemlich Lo-Fi, diese achtzehn Lieder des schottisch-deutschen Ehepaars. Aber die Singer/Songwriter begreifen ihr Werk nicht als konzertanten Hintergrund für entspannten Hörgenuss, sondern als Angebot an andere Künstler, diese Songs zu übernehmen, zu arrangieren und sich zu eigen zu machen. Da ist für Kollegen einiges zu entdecken!
mk

 JEMM MUSIK PROJEKT: Hive
JEMM MUSIK PROJEKT
Hive
(Three Saints Records)


Sechs Musiker an diversen Schlagwerkzeugen, Brass und Bass präsentieren auf diesem Album radiotaugliche „Gute-Laune-Musik“ mit weltmusikalischer Note. Die afrikanischen, karibischen oder orientalischen Einflüsse werden hauptsächlich durch die Wahl und Intonierung der Percussioninstrumente bestimmt. Feingeschliffene, globale Tanzmusik für Fans der Siebziger.
cs
 JOHNO: The Road Not Taken
JOHNO
The Road Not Taken
(Eigenverlag)


Der irische Sänger fasziniert mit wagemutigen Arrangements. Er verbindet die englischsprachige Songtradition mit arabischen Klängen, darunter auch Songs von den Beatles oder Paul Simon. Seine melancholischen Popballaden unterlegt er mit Orchesterbegleitung, türkischen Rhythmen oder entwickelt einen Song auch aus dem Klang von Gedichten. Beeindruckend.
hjl

 WOLFGANG KALB: Blues Songster
WOLFGANG KALB
Blues Songster
(AAA Culture)


Zurück zu den Wurzeln. Der fränkische Bluesmusiker singt alte Countryblues-Klassiker von Legenden wie Robert Johnson, Mississippi John Hurt oder Fred McDowell. Diese mischt er mit Gospelsongs, Ragtime und auch einem Stück von John Lee Hooker. Raue Stimme, wilde Blechgitarre und ungeschminkte Aufnahmetechnik katapultieren die CD in den Blueshimmel.
uh
 MIKEY KENNEY: The Reverie Road
MIKEY KENNEY
The Reverie Road
(Penny Fiddle Records)


Der Mann aus Liverpool ist ein Fiddler in irischer und englischer Tradition, und zwar ein richtig feiner. Er schreibt die meisten Tunes (Mr. Trad ist auch dabei), verursacht die zusätzlichen musikalischen Geräusche und zeigt mit seinen fünf eigenen Songs zudem, dass er gesanglich und textlich ziemlich spirituell beeinflusst ist. Und deutlich von Italien!
mk

 HANNAH KÖPF: Cinnamon
HANNAH KÖPF
Cinnamon
(Fine Music)


Sie kommt vom Jazz, klingt aber immer wieder amerikanisch-folkig. Ihr viertes Album hat die Kölnerin mit der wunderbar warmen Stimme samt einer großen Schar von Gastmusikern aufgenommen. Die Stilvielfalt reicht von New Orleans bis Los Angeles. Multiinstrumentalist Tim Dudek schreibt die Musik, Hannah Köpf die Texte. Eine perfekte Ergänzung.
vd
 MANU LANVIN & THE DEVIL BLUES: Grand Casino
MANU LANVIN & THE DEVIL BLUES
Grand Casino
(Verycords)


Eingerahmt vom flotten Boogie „The Devil Does It Right“ zu Beginn, im Duett gesungen mit Beverly Jo Scott, und „Je Suis Le Diable“, einem feinen Bo-Diddley-Beat zum Schluss, dem dann noch „I’d Rather Be The Devil“ als Hidden Track folgt, ist diese CD mit z. B. einer Version des AC/DC-Klassikers „Highway To Hell“ recht durchwachsen geraten.
ah

 MALAKA HOSTEL: Dizko Fatale
MALAKA HOSTEL
Dizko Fatale
(Malaka Hostel)


„Malaka“ ist das häufigste griechische Schimpfwort und wird meist mit „Wichser“ übersetzt. Dass sich eine Herberge so nennt, ist unwahrscheinlich und ein erstes Indiz für den schrägen Humor der sechs Freiburger, die mit vielen Gästen ihren ersten Longplayer eingespielt haben. Den Hörer erwarten u. a. Polka, Ska, Gypsy Swing und Balkan Beats – gleichermaßen party- wie wohnzimmertauglich.
ink
 MANDRIN: Gschechtesänger
MANDRIN
Gschechtesänger
(Eigenverlag)


Ein Luzerner singt im Dialekt über die Freiheit und die Überzeugung, seinen und keinen anderen Weg zu gehen. Sein Stil: Country und Americana. Das passt. Speziell dabei ist, dass Mandrin fast ausschließlich langsame Balladen anstimmt. Außergewöhnlich ist auch das Erscheinungsbild der CD. Sie steckt in einem gut hundertseitigen Buch mit allen Liedtexten in Luzerner Mundart und Übersetzungen (D/E).
mst

 GEORGE MAJOR: Porch Songs
GEORGE MAJOR
Porch Songs
(Prosodia)


Nur mit seiner angenehmen Stimme und Gitarre präsentiert Major eigene Songs zum „Träumen und Reflektieren“. Sparsam, ja, spartanisch instrumentiert, ist es ein ehrliches Album ohne überflüssige Effekte, mit sehr schönen Liedern, nachdenklich-politischen Songs und gefühlvollen Balladen, inspiriert von Musikern wie George Prine oder Guy Clark. Schön.
uj
 MA ROUF: The People
MA ROUF
The People
(Aania)


Hinter dem Namen Ma Rouf stecken der Tar- und Tanburspieler Marouf Majidi, der Saxofonist Jouni Järvelä, der Bassist Jukka Haavisto sowie der Percussionist Mikko Hassinen. Der Erstling ist eine Mischung aus Ethno- und Jazzklängen mit vornehmlich orientalischer Rhythmik. Die kurdischen Gesangspassagen handeln von der menschlichen Erwartung und ihrer Enttäuschung.
ink

 TOBIE MILLER: Bach: Solo
TOBIE MILLER
Bach: Solo
(Raumklang)


Die kanadische Drehleierspielerin wagt ein Album mit von ihr für die Radleier adaptieren Werken Bachs. Millers Einspielung in höchster Virtuosität lässt die Musik, aber auch die oft als „Folklore“-Instrument missverstandene Drehleier in einem anderen Licht glänzen. Meist ohne Bordun- und Schnarrsaiten eingespielt, entsteht ein faszinierendes, fragiles und intimes Klangbild. Grandios!
uj
 MOENJE: Klarvær
MOENJE
Klarvær
(Kirkelig Kulturverksted)


Neue samisch-norwegische Band aus dem norwegischen Bezirk Nordland präsentiert Lieder und Instrumentalstücke von dort, und da die Sami die ungekrönten Walzerkönige sind, überrascht es auch nicht, hier gleich als zweites Stück einen wunderbaren, von Bandmitglied Hilde Fjerdingøy komponierten Walzer zu finden. Die Joiks auf dieser CD sind behutsam arrangiert und mit feiner Instrumentalbegleitung unterlegt.
gh

 BRENT MOYER: Doing Better Now
BRENT MOYER
Doing Better Now
(Brambus Records)


Der amerikanische Singer/Songwriter bietet so alles um das Wort Americana herum, Countryrock, Cajun, New Country, Countryblues, Westernballade. Gute Songs, abwechslungsreich, aber das hat man alles schon mal gehört, und die Stimme wirkt auf Dauer etwas zu brav. Man könnte ihn sich aber als Songschreiber in Nashville für andere gut vorstellen.
hjl
 MONOBO SON: Scheene Wienerin
MONOBO SON
Scheene Wienerin
(Zoundr)


Lupfiger Brass-Pop mit bayerischen Liedtexten. Von LaBrassBanda-Posaunist Manuel Winbeck gegründet, langt die Band mit Querflöte, Saxofon, Gitarre, Gesang, Schlagzeug, Tuba und eben Posaune ordentlich hin und mixt Techno mit Landler, Afro-Jazz mit Rock ’n’ Roll, Lateinamerika mit Balkan und präsentiert einen schweißtreibenden, höchst tanzbaren bayerischen Weltmusikmix.
uj

 MRS. GREENBIRD: Dark Waters
MRS. GREENBIRD
Dark Waters
(Greenbird Records)


Das Duo aus Köln liefert auf seinem dritten Album atmosphärisch angelegte Songs über vergehende, knospende oder im Verborgenen blühende Liebe. Zwischen Folk, Pop und Country, mit viel Dämmerung und Hall agieren Sängerin Sarah Nücken und Gitarrist Steffen Brückner – wobei sich letztlich die Geister an ihrer sehr speziellen Stimme scheiden werden.
vd
 VICENTE PATÍZ: Alegría
VICENTE PATÍZ
Alegría
(Ocean Shell Records)


Musik für Weltenbummler. Der 43-jährige Gitarrist aus dem Erzgebirge ließ sich auf Reisen nach Kuba, Australien, Spanien oder Laos inspirieren – und schuf seine eigene Weltmusik. Die Stücke klingen nach Flamenco, mal haben sie indisches Flair und immer diese typisch lebensfrohen Melodien des Künstlers. Musik für die Vorfreude auf eine Urlaubsreise.
uh

 ALBIN PAULUS: Pur
ALBIN PAULUS
Pur
(Lotus Records)


Live eingespielt und ohne Overdubs hat Albin Paulus mit urtümlichen Instrumenten, Maultrommeln, Dudelsack sowie gleichzeitigem Stimmeinsatz faszinierende Klangpreziosen geschaffen. Dabei ist seine Soloperformance zwischen folkloristischem Jodeln, meditativem Obertongesang und archaischem Flötenspiel eine Herausforderung für vom Mainstream verwöhnte Ohren.
cs
 POEMBEAT: Like Little Singing Birds
POEMBEAT
Like Little Singing Birds
(Do-CD, Eigenverlag)


Die amerikanische Dichterin Ella Wheeler Wilcox (1850-1919) kommt in dieser Zusammenarbeit des Augsburger Musikers, Buchhändlers und Journalisten Alexander Möckl zu unverhofften Ehren. Gelesen werden die der Theosophie zuneigenden Gedichte von dem Bassisten und Sänger Curtis Colina, den musikalischen Part übernimmt Möckl aka Poembeat an der akustischen Gitarre.
rb

 MAXI PONGRATZ: Maxi Pongratz
MAXI PONGRATZ
Maxi Pongratz
(Trikont)


Mit konsequent gegen den Zeitgeist gebürsteten Songs und Instrumentals wandelt der Liedschreiber, Sänger und Akkordeonist der bayerischen Kultband Kofelgschroa nach deren Auflösung auf Solopfaden, präsentiert auf u. a. Harmonium, Akkordeon und Klavier schräge und melancholisch-lakonische Mundarttexte zu träumerischer Musik.
uj
 RAINER VON VIELEN: Alles mit allem – live & akustisch
RAINER VON VIELEN
Alles mit allem – live & akustisch
(36 Music)


Mit dem ersten akustischen Livealbum gibt die Band um Songschreiber Rainer Hartmann ihren ruhigeren Liedern und den lyrisch-philosophischen Texten mehr Raum. Unterstützt von Jann Michael Engel am Cello entsteht ein auf das Wesentliche reduzierter musikalischer Kosmos, in den man sich fallen lassen kann und der gegen Ende zeigt, dass Gesellschaftskritik auch tanzbar ist.
sb

 SAM RECKLESS: Dark Times On Glamroad
SAM RECKLESS
Dark Times On Glamroad
(Acoustic Music Records)


Hinter Sam Reckless stehen die Sängerin Samirah Tariq und der Gitarrist Markus Rohmann, die hier von Christian Keller am Bass und Florian Altenhein am Schlagzeug begleitet werden. Singing/Songwriting zwischen Americana und Pop ist ihr Metier, alles ist sehr schön gesungen und auf allen erdenklichen Arten an Gitarren einfühlsam und sehr gekonnt begleitet.
ah
 ROSA MORENA RUSSA: Trick-Trague
ROSA MORENA RUSSA
Trick-Trague
(Da Casa Records)


Wem Russas Bossa-Novas und Sambas merkwürdig vorkommen – Russa singt russisch, jiddisch, deutsch und englisch. Warum sollte die in Hamburg lebende russische Jüdin auch nicht in den Sprachen singen, die sie am besten beherrscht? Aber unabhängig davon, Russa präsentiert gelungene Kompositionen mit tollen jazzigen Improvisationen ihrer Begleitmusiker.
hjl

 SCHANDMAUL: Artus
SCHANDMAUL
Artus
(Universal)


Vor zwanzig Jahren nahmen die Münchener ihr erstes Album auf. Seitdem geht es rasant aufwärts mit Medienpräsenz und Charterfolgen. Das neue Werk behandelt in drei Titeln die Artussage und ist ansonsten wie gewohnt voller Geschichten vom Weißen Wal, von Totengräbern, Vagabunden und dem Froschkönig. Musikalisch am interessantesten wird es, wenn die historischen Instrumente breiteren Raum bekommen.
pp
 THE SEPHARDICS: Abre Tu Puerta
THE SEPHARDICS
Abre Tu Puerta
(Heideck Records)


Nach drei Jahren Stillstand wurde aus dem originalen Quintett ein Quartett. Ludger Schmidt (cello) und Manuela Weichenrieder (voc, keyb) reorganisierten sich mit Patrick Hengst (dr) und Martin Verborg (v, sax) und erarbeiteten in vielen Probephasen in musikalisch jazzig rockigem Zusammenhang sephardische Lieder, Lieder der jüdischen Bevölkerung Spaniens.
mg

 MAVIS STAPLES: We Get By
MAVIS STAPLES
We Get By
(Anti-)


Gerade erst hat sie mit Live In London ein fulminantes Album veröffentlicht, schon legt Mavis Staples ein dieser Qualität nicht nachstehendes weiteres Werk vor. Die Band spielt unglaublich, der Backgroundgesang ist fantastisch, und gesungen wird hier mit einer der sanftesten und schönsten Stimmen, die im Spannungsfeld von Soul, Blues und Gospel vorstellbar sind.
ah
 GOETZ STEEGER: Am Ende der Parade
GOETZ STEEGER
Am Ende der Parade
(Plattenbau)


Themen wie sozialer Abstieg, Fremdenfeindlichkeit, rechte Aufmärsche, künstliche Intelligenz, die anfängt zu herrschen und nicht mehr beherrscht wird, und ein Bekenntnis zu gesellschaftlichen Veränderungen, also engagierte, dezidiert politische Songs sind neben Instrumentalstücken und Einspielern auf diesem dritten Album von Goetz Steeger zu hören.
rk

 STEINLANDPIRATEN: Lieder von Gerhard Gundermann
STEINLANDPIRATEN
Lieder von Gerhard Gundermann
(Eigenverlag)


Die Berliner Patricia Heidrich und Karsten Schützler, die auch mit bemerkenswerten eigenen Songs auftreten, haben ein komplettes Album dem Lausitzer Liedpoeten gewidmet. Neben Bekanntem wie „Schwarze Galeere“ sind auch wenig bekannte Titel wie „Gerade geboren“ zu hören. Pattis kraftvolle Frauenstimme verleiht dabei Gundis Liedern eine ganz besondere Note.
rps
 STENZ: Closer To Me
STENZ
Closer To Me
(Rhythm Palace Music)


Wer Americana liebt, braucht nicht auf das neue Album von Jackson Browne zu warten. Man braucht nur nach Oldenburg zu reisen, um dem Künstler Stenz zu begegnen. Die englischen Texte sind typisch deutsch, dafür wird man mit wundervollem Gitarrenspiel, guten Melodien und einer ausdrucksstarken Klangfarbe des Sängers entschädigt.
ce

 STEW ’N’ HAGGIS: Shamrocks And Thistles
STEW ’N’ HAGGIS
Shamrocks And Thistles
(Marchpane Records)


Irish and Scottish Folk, daheim zwischen Tweed und Galway, füllt dieses vierte Album des Hamburger Quartetts. Zehn deftig-gemütliche Lieder und ein Set aus drei Ceilidh-geeigneten Instrumentals vermitteln eine angenehme inselkeltische Pubatmosphäre. Wer mit den Stokes durch ist, findet hier eine geeignete Fortsetzung.
mas
 KAI STRAUSS & THE ELECTRIC BLUES ALL STARS: Live In Concert
KAI STRAUSS & THE ELECTRIC BLUES ALL STARS
Live In Concert
(Do-CD; Continental Blue Heaven)


Auf diesem Prachtstück von Live-Doppelalbum gibt es elektrischen Chicago Blues, wie er besser und authentischer nicht gespielt werden kann. Die Songs lassen viel Raum zum Atmen, so z. B. der feine Slowblues „Hard Life“. Dieser nimmt einige der Ronnie-Earl-Licks vorweg, die dann „Shades Of Earl“ in atemberaubenden neun Minuten perfekt zelebriert.
ah

 TRIAKEL: Händelser I Nord
TRIAKEL
Händelser I Nord
(Westpark Music)


Eine CD mit grauslichen Moritaten bietet uns Triakel da, die Lieder behandeln samt und sonders Verbrechen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die schwedischen Gemüter erregten – den Östersundmord und die Geschichte des schaurigen Messers von Delsbo, um nur zwei zu nennen. Alles vorgetragen mit passenden Küchenliedmelodien und großem Einfühlungsvermögen in die Geschehnisse. Einfach wunderbar!
gh
 UNERHÖRT FAGOTT: Das leichte Leben
UNERHÖRT FAGOTT
Das leichte Leben
(Edition 46)


Das Duo heißt tatsächlich so, bestehend aus dem Akkordeonisten Thomas Peter-Horas und der Fagottistin Ulrike Fröhling. In dieser seltenen Kombination gegensätzlicher Instrumente trifft Melancholie auf Leichtigkeit – neben Eigenkompositionen gibt es auch traditionelle Klezmermelodien mit Elementen bis in die klassische Moderne.
mg

 MALTE VIEF – SOLO: All Ein
MALTE VIEF – SOLO
All Ein
(Eigenverlag)


Das kraft- und druckvolle Spiel des Leipziger Gitarristen Malte Vief hat viele ekstatische Momente. Aber nicht nur die eindrucksvolle Virtuosität, sondern auch das erstaunliche Gespinst aus klassischen Harmoniefolgen, poppigen Melodien und dem rhythmischen Drive der Rockmusik heben den Musiker aus dem Meer der Fingerpicker weit heraus.
rb
 VILDÁ: Vildaluodda/Wildprint
VILDÁ
Vildaluodda/Wildprint
(Nordic Notes)


Joikerin und Akkordeonspielerin aus Finnland. Bei der Musik dominiert die Joikstimme, doch sie löst sich auch von der Überlieferung, manches klingt viel wilder als gewohnt, ein anderes Stück könnte auch den Soundtrack zu einem Hollywoodfilm liefern, dann wird es melancholisch. Immer zu der wirklich virtuosen Akkordeonbegleitung von Viivi Maria Saarenkylä.
gh

 NOËMI WAYSFELD & BLIK: Zimlya
NOËMI WAYSFELD & BLIK
Zimlya
(AWZ Records)


Bereits 2008 gründete die aus Paris stammende Noëmi Waysfeld die Formation Blik, die nun mit Thierry Bretonnet (acc), Florent Labodinière (g, oud) und Antoine Rozenbaum (b) auf Zimlya (russ. für „Land, Boden“) Themen wie die Fremde oder die Flucht besingt. Dabei wird besonders dem russischen Liedermacher und Dichter Vladimir S. Vissotski die Referenz erwiesen.
mg
 MARTIN WESTER: Short Tales From The Past
MARTIN WESTER
Short Tales From The Past
(CD u. Vinyl, Klangraum)


27 Miniaturen aus den Achtzigern hat der Mainzer Filmmusikproduzent und Gitarrist Martin Wester aus dem Dornröschenschlaf seines Archivs erweckt. Interessante, minimalistische Kompositionen, die hie und da an die frühen Aufnahmen eines Robert Fripp erinnern. Eine sehr konsequente und musikalisch gelungene Zeitreise eines Soundtüftlers in die analoge Vergangenheit.
rb

 ROLAND ZOSS: Baumlieder Vol. 2, Bäume des Südens
ROLAND ZOSS
Baumlieder Vol. 2, Bäume des Südens
(Sound Service)


Mit seinen Baumliedern versucht der Berner Liedermacher und Kinderbuchautor den Klang der Bäume in Musik und Text umzusetzen. Auf dem aktuellen Album besingt er tropische Bäume, angefangen vom Kakaobaum über den Mimosenbaum bis zum Baobab. Unterstützt wird er dabei von verschiedenen Musikern, u. a. der Bündnerin Corin Curschellas.
mst
 : rezi-legende
Stefan Backes (sb) Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Christian Elstrodt (ce), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Udo Hinz (uh), Ulrich Joosten (uj), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Ines Körver (ink), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Michael A. Schmiedel, (mas), Christoph Schumacher (cs), Stefan Sell (sts), Imke Staats (is), Martin Steiner (mst), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Katrin Wilke (kw)


Onlinerezensionen
DATURA4
Blessed Is The Boogie
(Alive Naturalsound Records)


Augen zu – und schon findet man sich in den Siebzigern wieder, als Bands wie Led Zeppelin oder Black Sabbath den Blues mit bleischweren Gitarrenriffs verrockten. Auch die Twin Guitars mit Orgelbegleitung einer Band namens Wishbone Ash finden sich hier wieder, und damals wie heute gilt: „Blessed Is The Boogie“.
Achim Hennes
EIVØR
Live In Tórshavn
(Norse Music)


Die färöische Sängerin Eivør live in Tórshavn, das Publikum ist begeistert. Eivør frönt weiterhin ihrem Hang zu esoterisch angehauchtem Gesäusel und singt leider nur wenige Lieder auf Färöisch. Bei denen in englischer Sprache überrascht ihre Version von Leonard Cohens „Famous Blue Raincoat“, dem sie nicht die geringste eigene Note entlocken kann. Für Hardcorefans sicher ein Hörgenuss.
Gabriele Haefs

FIESTA POETS
Von uns bis zum Meer
(MP-Records)


Die drei Lieder und das eine Instrumentalstück dieser CD eines Trios aus Forstmehren im Westerwald sind schwer einzuordnen. Liedermacher, Ragtime, Barjazz? Von allem etwas. Kein Folk, aber handgemacht. Kein Regionalbezug, aber entspannt anzuhören mit standarddeutschem und englischem Gesang, Gitarren, Klavieren, Schlagzeug und anderem. Alle Texte im Beiheft.
Michael A. Schmiedel
ERIN K
I Need Sound
(t3 records)


Künstlerinnen wie Erin K sind spätestens seit Boy schwer modern. Luftiger Folk-Pop in kleiner musikalischer Besetzung, ein sympathisches publikumsnahes Auftreten der Sängerin, eine sanfte Stimme, gute Songs und elektronische Unterstützung ergeben ein stimmiges Auftreten. Für den Durchbruch fehlt es aber noch an Wiedererkennungswert.
Chris Elstrodt

LEFT LANE CRUISER
Shake And Bake
(Alive Naturalsound Records)


Roher, lauter, verzerrter Bluesrock – und hypnotisch eingängig dazu. Der Sänger und Gitarrist Freddy J und Pete Dio am Schlagzeug sind seit über zehn Jahren ein eingespieltes Team. Hier werden sie vom Produzenten Jason Davis an der Orgel begleitet, und wie alle Veröffentlichungen bisher wird auch diese zweifellos wieder Untergrund-Kultstatus erlangen.
Achim Hennes
PACIFICO
Bastasse Il Cielo
(Ponderosamusicrecords)


Der Mailänder Cantautore Pacifico heißt mit bürgerlichem Namen Luigi De Crescenzo. In seiner Karriere schrieb er Lieder für Gianna Nannini, Eros Ramazotti oder Andrea Bocelli. Auf seiner aktuellen CD präsentiert er sich mit sanfter Stimme und einer Italianità, die manchmal ganz schön opulent daherkommt.
Martin Steiner

SALTATIO MORTIS
Brot und Spiele – Klassik und Krawall
(Do-CD; Universal/Digipak)


Zum letzten Album Brot und Spiele kommt nun ein kräftiger Nachschlag, und zwar einerseits 18 Live-Tracks von einem Konzert in Oberhausen mit viel Krawall – sprich massiver E-Gitarre und „Wall of Sound“ – auf CD 2, andererseits 12 Klassikneueinspielungen der Titel von Brot und Spiele. Hier scheiden sich die Geister. Manche Titel gewinnen, anderen verlieren sehr deutlich durch die Streicherarrangements.
Piet Pollack
KENNY WAYNE SHEPHERD BAND
The Traveler
(Provogue/Mascot Label)


Wer auf virtuos gespielten, gitarrenlastigen Bluesrock steht („I Want You“), auf hervorragenden Gesang („Gravity“), schöne Balladen („Tailwind“), einen Schuss Southern Rock („Take It On Home“) und dazu auch den Soul nicht außer Acht lässt („Better With Time“), ja, der wird an dieser CD einfach nicht vorbeikommen.
Achim Hennes

STRAY CATS
40
(Surfdog Records)


Das erste Album seit 26 (!) Jahren, mit dem die legendäre Rock-’n’-Roll- und Rockabilly-Band ihr 40-jähriges (!) Bestehen feiert. Und sie klingen wie eh und je. Brian Setzer, Lee Rocker und Slim Jim Phantom sind der Inbegriff dieser Musik, und so frisch, unverbraucht und mitreißend sie hier spielen, das lässt die vergangenen 26 Jahre vergessen.
Achim Hennes
MARTIN TINGVALL
The Rocket
(Skip Records)


Entspannung pur bietet der schwedische Jazzpianist Martin Tingvall auf seinem dritten Silverplayer. Von Jazz aber kann keine Rede sein, Tingvall spielt mit eigener Handschrift zwischen allen Genres. Sanft perlend, unaufgeregt, zentriert, souverän und wunderbar entschleunigend, sind diese Solostücke Musik der Stunde!
Stefan Sell

UB40
For The Many
(Wienerworld)


Kinder, wie die Zeit vergeht! Die Jungspunde aus Birmingham, die 1980 ihren Arbeitslosengeldantrag Nummer 40 ausfüllten, gehören inzwischen zur Generation 60plus und präsentieren uns ihr zwanzigstes Studioalbum. Doch Rollator und Altenheim sind fern – ihr Reggae klingt frischer denn je. Well done, boys! Und viel Spaß demnächst bei der „40th Anniversary Tour“!
Walter Bast
STEPHEN WALLACK
Chapters
(Eigenverlag)


Die Tonsprache des amerikanischen Pianisten Stephen Wallack erinnert bisweilen stark an die Musik seines großen Vorbildes George Winston, dessen Album December er als Zwölfjähriger Klavierschüler Ton für Ton kopierte. Auf seinem Erstling präsentiert Wallack zehn berührende und eingängige Solostücke. Amerikanisch-neoklassizistische Filmmusik ohne Film.
Rolf Beydemüller

ZENOBIA
Zenobia
(EP; Acid Arab Records)


Einen 3-Track-Appetithappen auf das kommende Album kredenzt uns das Elektronikduo aus Haifa mit dieser EP, und irgendwie hätten Nasser Halahli und Isam Elias mit ihrem hypnotischen Arab-Pop auch prächtig in die fast einstündige „Wahlpause“ beim ESC gepasst. Aber da zog man u. a. Signora Ciccione vor. Schade.
Walter Bast



KLANGDOKUMENTE DER SECHZIGER/SIEBZIGER …
THE CLANCY BROTHERS AND TOMMY MAKEM
In Concert
(Do-CD; Morello Records)


Ohne dieses über den Umweg USA bekannt gewordene Quartett wären die Dubliners nicht denkbar gewesen. Das wird deutlich, wenn man diese vier Live-LPs aus den Jahren 1963 bis 1967 hört. 140 Minuten lang sieht man die Arran-Wollpullover vor sich, hört Sechzigerjahre-Bühnenhumor und wundert sich über die teils martialischen Gesänge, manchmal mit IRA-Verherrlichung. Das hat man so oder ähnlich ein paar Jahre später selbst ganz gut gefunden.
Mike Kamp
RENAISSANCE
Live At Carnegie Hall
(3 CD-Box; Cherry Red America)


Das englische Quintett fällt eher in die Kategorie des leicht sphärischen Progrock, Siebziger-Folk ist nur in Spuren vorhanden, speziell durch Annie Haslams beeindruckenden Gesang. Die 170-Minuten-CDs dokumentieren zwei Konzerte mit fast identischem Repertoire. Während in der Carnegie Hall das New York Philharmonic Orchestra die Musik zeit-typisch sehr bombastisch klingen lässt, sind die BBC-Aufnahmen (inkl. Moderation) von 1976 deutlich reduzierter – und daher bekömmlicher. Der „Song For Scheherazade“ steht beide Male im Mittelpunkt.
Mike Kamp

STEELEYE SPAN
All Things Are Quite Silent – Complete Recordings 1970-71
(3 CD-Box; Cherry Tree)


Die ersten drei LPs der Folkrock-Legende, die erste Produktion mit Prior, Hart, Hutchings sowie Gay und Terry Woods. Letztere wurden bei Please To See The King und Ten Men Mop durch Martin Carthy und Peter Knight ersetzt und diese beiden Produktionen (ohne Drums!) zählen zu den stimmigsten der kompletten Steeleye-Geschichte. Ein ausgesprochen informatives 32-seitiges Beiheft macht diese Dreier-Box zu einer rundum erfreulichen Veröffentlichung.
Mike Kamp
DIVERSE
Strangers In The Room – A Journey Through The British Folk Rock Scene 1967-1973
(3-CD-Box; Grapefruit)


Drin ist, was draufsteht, und zwar 235 Minuten lang. Wie bei der Steeleye-Box sorgt David Wells für das diesmal vierzigseitige Beiheft gleicher Qualität. Neben sehr vielen nie gehörten Acts der damaligen Szene befinden sich auch bekannte Namen auf den CDs wie Steeleye Span, Fairport Convention, The Johnstons, Matthews Southern Comfort, The Strawbs, Ralph McTell oder Sandy Denny. Aber Vorsicht, die dort angebotenen, teils sehr bekannten Titel sind meist unveröffentlichte Alternativ-Mixe. Nicht unbedingt schlechterer Qualität, aber das sollte man wissen.
Mike Kamp

SPANIEN-NEWS
MARIOLA MEMBRIVES FEAT. MARC RIBOT
Lorca, Spanish Songs
(Karonte)


Der andalusischen Sängerin und Schauspielerin gelingt mit dem US-Avantgardegitarristen eine besondere, feinnervige Neulektüre spanischer Volkslieder. Einst zusammengetragen und 1931 intoniert vom musikaffinen Dichter Federico García Lorca am Klavier und Sängerin La Argentinita. Ähnlich schlicht und intim wie jene Duoaufnahme, betört in der neuen der Kontrast zwischen fragilem, teils gen Flamenco gehendem Gesang und heftiger E-Gitarre.
Katrin Wilke
MIQUEL GIL
Geometries
(Temps Records)


Das Markenzeichen des Troubadours ist seine raue, expressive Stimme, die, ausnahmslos in der Sprache seiner Heimat Valencia, neben Traditionals eigene wie auch Kompositionen anderer (darunter Texte moderner Dichter Valencias) eindringlich intoniert. In seinem großen, über das Mediterrane weit hinausreichenden Klangraum vertragen sich Tradition und Folk bestens mit auch mal poppigeren Spielarten, wie z. B. Reggae.
Katrin Wilke

LAS MIGAS
Cuatro
(Satélite K)


Aller guten Dinge sind „Vier“ – laut Titel des vierten Albums vom Barceloner Frauenquartett. Von der Originalbesetzung (2004) ist nur noch Gitarristin Marta Robles übrig. Alles gewohnt geschickt arrangiert, gekonnt durch Gitarren und Geige umgesetzt in den u. a. flamencowärts wandelnden Songs. Vielleicht weniger facettenreich als früher und glatter, jedoch inspirierter als das bonbonrote Cover.
Katrin Wilke
MARA ARANDA
Sefarad – In The Heart Of Turkey
(Bureo)


Enorm ist das Output der Sängerin und unermüdlichen Musikforscherin aus Valencia, die seit vielen Jahren der mittelalterlichen Musik Spaniens und deren diversen mediterranen Verbindungslinien nachspürt. Nachdem das Vorgängeralbum Marokkos reiche sephardische Traditionen thematisierte, ist nun die Türkei dran. So sensible wie wohlklingende Erinnerungsarbeit an vom Aussterben bedrohte Musikkulturen.
Katrin Wilke

TORI SPARKS FEAT. CALAMENTO + EL RUBIO
Wait No More – The Live Album
(Glass Mountain Records)


Die charismatische US-Sängerin legt mit ihren u. a. auf Flamenco spezialisierten Gespielen dieses Doppelalbum vor, aufgenommen bei einem Konzert in ihrer Wahlheimat Barcelona. Vieles deckt sich in etwa mit den exzellenten, auf Studioalben erschienenen Interpretationen eigener Lieder wie auch Songklassikern aus der anglo- wie hispanoamerikanischen Musikwelt. Dennoch ein Schmankerl für Fans und Neuankömmlinge.
Katrin Wilke



Bücher
 CHRISTOPH WAGNER: Jodelmania : von den Alpen nach Amerika und darüber hinaus.
CHRISTOPH WAGNER
Jodelmania : von den Alpen nach Amerika und darüber hinaus.
kunstmann.de
(München : Kunstmann, 2019. – 317 S. : mit Fotos u. Abb.)
ISBN 978-3-95614-326-7 , 22,00 EUR


Denjenigen, für die sich das Thema mit einem Schmunzeln über Loriots Jodeldiplom noch nicht erledigt hat, beschert diese inhaltlich wie optisch reizvolle Veröffentlichung eine wahrlich erhellende wie vergnügliche Entdeckungsreise. Wagner vermag in einer gelungenen Mischung aus populärwissenschaftlichem Tiefgang und vergnüglichem Tonfall den Werdegang dieses gerade hierzulande noch immer etwas belächelten „sich überschlagenden Gesangs“ nachzuzeichnen. Und auch aufzuzeigen, wie das alpin verortete Jodeln aufkam und in andere Gegenden der Welt, insbesondere in die Neue, aber auch nach Afrika oder auf den Balkan geriet. Über einen deutlichen Fokus aufs „(North) American yodeling“ hinaus (zu dem er zuvor auch eine gleichnamige Kompilation herausgab), werden zwei konkrete Zeremonienstätten dieser vielschichtigen, facettenreichen Tradition näher beleuchtet. In einer thematisch diversen Interviewsammlung begegnet man solch wagemutigen, teils avantgardistischen Jodlern wie der in diesem Kontext unverzichtbaren Erika Stucky, erfährt von einer kamerunischen Varietät sowie der Nähe des Jodelns zum Joiken der Samen. Bemerkenswert, weil leider gar nicht Standard in derartigen Abhandlungen, sind zum Beispiel das Glossar zum Thema sowie ein ausführliches Personenregister in dem an kuriosen historischen Fotos und Abbildungen reichen Buch. Seine Entstehung ist eng verknüpft mit dem seit 2016 in München veranstalteten LAUTyodeln-Festival und dem damit assoziierten Trikont-Label/Verlag, bei dem der Musikjournalist und Musikhistoriker schon Diverses zum Thema publizierte.
Katrin Wilke
 MUSIKLEBEN IN DEUTSCHLAND: Hrsg. Dt. Musikrat gemeinnützige Projektges. mbH, Dt. Musikinformationszentrum.
MUSIKLEBEN IN DEUTSCHLAND
Hrsg. Dt. Musikrat gemeinnützige Projektges. mbH, Dt. Musikinformationszentrum.
miz.org/musikleben-in-deutschland.html
(Bonn : Dt. Musikrat, 2019. – 618 S. : mit zahlr. Fotos u. Abb.)
ISBN 978-3-9820705-0-6 , 10,00 EUR


„Doorstopper“ nennt man solche Werke in Englisch, und wer dieses über 600 Seiten starke Buch in die Hand nimmt, der kann ermessen, dass es so manche Türe offenhalten kann. Interessanterweise gilt das nicht nur in Sachen Quantität. Auch inhaltlich gesehen öffnet diese Sammlung von diversen Aufsätzen dem generell Musikinteressierten so manche interessante Türe. Das Deutsche Musikinformationszentrum (MIZ) des Deutschen Musikrats hat anlässlich seines zwanzigjährigen Jubiläums richtig zugelangt und eine tatsächlich umfassende Analyse des hiesigen Musiklebens vorgelegt, und zwar von der Klassik bis zur, ja, tatsächlich Weltmusik. Die kompetenten Autoren belegen ihre Thesen mit einer großen Anzahl von Statistiken und Grafiken, die das Buch zu einer wertvollen Quelle für Musikrecherchen jedweder Art machen. Positiv ist, dass die Weltmusik tatsächlich ein eigenes Kapitelchen erhält, wo Autor Julio Mendivil von der Uni Wien auf den wenigen Seiten versucht, einen möglichst umfassenden Überblick zu geben. Der Folker ist vertreten, nicht ganz korrekt als das „derzeit einzige Blatt für Folk, Lied und Weltmusik in Deutschland“. Mendivil stellt völlig richtig fest, „eine eindeutige Beschreibung gibt es bislang nicht“, wenn es um Weltmusik geht, und diese Problematik zieht sich durch weitere Kapitel des Buches. Nicht nur, dass die Begriffe Folk und Lied so gut wie gar nicht erwähnt werden, das komplette Thementriumvirat des Folker ist auch in den Statistiken nicht sichtbar. Ist es deutsche Volksmusik, Volksmusik anderer Kulturen oder Sonstige? Zu gering scheint die Bedeutung zu sein. Seltsam allerdings, dass 18 Prozent der gelisteten Veranstaltungen in den Berliner Stadtmagazinen aus dem Bereich Weltmusik stammen. Aber das ist unsere spezielle Problematik, die das Buch keinesfalls entwertet. Wenn man bedenkt, dass diese beeindruckende Faktensammlung kostenlos und gegen eine Versand- und Servicepauschale von 10 Euro (14,50 Euro ins EU-Ausland) abgegeben wird, dann kann man dem Buch nur eine riesige Verbreitung wünschen.
Mike Kamp

 GUNDERMANNS SEILSCHAFT [Hrsg.]: Gundermanns Lieder in Europa
GUNDERMANNS SEILSCHAFT [Hrsg.]
Gundermanns Lieder in Europa
gundi.de
buschfunk.com
(– o. O. : Gundermanns Seilschaft e. V., 2019. – 136 S. : mit Fotos u. Notenbeisp)
ISBN 978-3-931925-41-3 , 17,00 EUR


Anlässlich des 20. Todestages Gerhard Gundermanns fanden im Juni 2018 in der Lausitz ein Symposium und ein Workshop statt. Liedermacher, Musiker und Übersetzer aus diversen europäischen Ländern erarbeiteten Übertragungen der Songs des Liedpoeten in ihre jeweiligen Sprachen. Vorträge, eine Publikumsdiskussion und ein Abschlusskonzert rundeten das Ganze ab. Die Ergebnisse des Projekts sind nun in diesem Buch versammelt. Neben einer Zusammenfassung der Diskussion und einer kleinen Fotostrecke enthält es u. a. die drei Symposiumsbeiträge. Manfred Maurenbrecher schildert dabei in Erweiterung seines „Gastspiels“ aus Folker 2/2018 seine Eindrücke aus der Zusammenarbeit mit Gerhard Gundermann Anfang der Neunziger. Gundermann-Experte und Folker-Mitarbeiter Reinhard „Pfeffi“ Ständer setzt den biografischen Rahmen. Zwei Drittel des Buches machen die Übersetzungen der Lieder in zehn Sprachen und zwei deutsche Dialekte aus, u. a. ins Englische, Niederländische, Italienische, Tschechische und Sorbische, die der beigefügten CD sind zusätzlich mit Noten und Akkorden versehen. Die Beteiligten haben dabei versucht, sowohl möglichst nah an den Originalen zu bleiben als auch passende Bilder in ihren eigenen Sprachen zu finden. Dem sind zwar oft die Reime der Vorlagen zum Opfer gefallen, ob es funktioniert, können aber letztlich nur Muttersprachler beurteilen. Die Aufnahmen der Lieder für die CD klingen auf jeden Fall in ihren meist folkigen Arrangements gelungen, gleichzeitig fremd und doch vertraut und entwickeln mit mehrmaligem Hören ihren eigenen Charme. Merkt man dem Buch trotz Unterstützung aus öffentlicher Hand und großzügiger Spenden die Eigenproduktion auch an, so tut dies seiner Bedeutung und dem Respekt vor dem großen Engagement aller Beteiligten keinen Abbruch. Ohne professionellen Verlag im Rücken findet sich hier ein wichtiger Beitrag zur Erinnerung an einen Musiker, dessen Lieder zwanzig Jahre nach seinem Tod nun die Chance haben, auch über die Grenzen Deutschlands hinaus Bekanntheit zu erlangen.
Stefan Backes
 USCHI BRÜNING: So wie ich : Autobiografie / Uschi Brüning mit Krista Maria Schädlich.
USCHI BRÜNING
So wie ich : Autobiografie / Uschi Brüning mit Krista Maria Schädlich.
ullstein-buchverlag.de
(Berlin : Ullstein, 2019. – 270 S. : mit Fotos)
ISBN 978-3-550-05020-6 , 20,00 EUR


„Singen, das gehörte einfach zu mir, das war ich“, lautete das Credo von Uschi Brüning schon als junges Mädchen, da war an Jazz noch gar nicht zu denken. Kurz nach dem Krieg in Leipzig aufgewachsen, waren Bärbel Wachholz und Caterina Valente ihre Sterne im Schlagerhimmel. Mit einem Titel von Connie Francis hatte sie mit dreizehn Jahren ihren ersten öffentlichen Auftritt. Über Amateurbands und Tanzmusikauftritte rund um Leipzig wurde der Bandleader Klaus Lenz auf sie aufmerksam und engagierte sie. Über dieses Engagement traf sie die beiden wichtigsten Männer in ihrem Leben, und neben der Beschreibung ihres eigenen Weges ist das Buch vor allem auch eine Hommage an Manfred Krug und den Saxofonisten Ernst-Ludwig Petrowsky, genannt Luten. Beiden hatte sie viel zu verdanken, hat von ihnen gelernt, und mit Luten ist sie zudem seit Jahrzehnten liiert beziehungsweise verheiratet. So wie sie diese beiden immer wieder lobend bedenkt, so schildert sie ihre eigene Entwicklung mit einer unerwarteten und dennoch sympathischen Demut. Eine Künstlerkarriere in der DDR war begleitet von Chancen, Unterstützung und Privilegien sowie von Begrenzungen, Überwachung und Schikanen. Den tiefen Einschnitt der Biermann-Ausweisung, den Weggang vieler Künstler und Freunde – bei ihr vor allem von Nina Hagen und Angelika Mann – beschreibt sie kritisch und selbstkritisch. Es ist die spannende Schilderung der Karriere von einer Nur-Sängerin zu einer der bedeutendsten deutschen Jazzsängerinnen überhaupt.
Rainer Katlewski

 GABRIELE HAEFS: 111 Gründe, Wales zu lieben : e. Liebeserklärung an das schönste Land der Welt.
GABRIELE HAEFS
111 Gründe, Wales zu lieben : e. Liebeserklärung an das schönste Land der Welt.
schwarzkopf-schwarzkopf.de
(Berlin : Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2019. – 298 S. : mit Fotos)
ISBN 978-3-86265-754-4 , 14,99 EUR


Der Untertitel der Serie, „Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt“, ist ein sehr individueller, aber auch ein absolut singulärer. Pro Person ein Land, klar! Zwei schönste Länder geht nicht. Bei mir ist es Schottland, bei Gabriele Haefs ist es Wales. Moment, oder vielleicht doch Norwegen (siehe Folker 3/2019)? Oder hat Gabriele Norwegen auf Liebesentzug gesetzt und ihren Ritterorden zurückgegeben? Das sind fürchterlich essenzielle, gar quälende Fragen, ganz ohne Zweifel, aber sie verraten uns natürlich nichts über den Inhalt des vorliegenden Buches, und Wales ist ganz ohne Frage ein Land, dem solche Ablenkung nicht gerecht würde. Wie immer es auch mit Gabrieles Liebe aussieht, sie schildert Wales farbig und nachvollziehbar, wie wir das von ihr gewohnt sind. Sie hat wahrlich einen ureigenen, wiedererkennbaren Schreibstil entwickelt, der Unterhaltung und Information zusammenbringt. Faktisch ist das Buch sehr sauber recherchiert, was man leider nicht durchgehend vom Korrekturlesen sagen kann. Und natürlich kann man bezweifeln, ob jemand in ein Steuerexil ziehen „muss“, wie es Shirley Bassey 1968 tat. Aber das sind Kleinigkeiten, die den Informationswert des Buches nicht beeinträchtigen, und der ist inklusive Index, Quellenangaben und Bildnachweis enorm. Allerdings – auch das müssen wir gerade in dieser Zeitschrift kritisch anmerken – kommt die Folkmusik quantitativ ziemlich mager weg, selbst wenn man die ziemlich konservative Musik des Eisteddfod-Treffens dazunimmt. Da kommen die Oper oder gar die Hobbyköche deutlich besser weg – auffallend viele Rezepte sind in dem Buch zu finden, und das ist nicht zwingend falsch. Sollte also demnächst ein Wales-Urlaub anstehen, ist das Buch ganz gewiss eine sinnvolle Investition, und nach der Lektüre wird man die Landessprache auch nie mehr als „Walisisch“ bezeichnen, sondern völlig korrekt als „Kymrisch“.
Mike Kamp
 WILL KAUFMAN: Mapping Woody Guthrie.
WILL KAUFMAN
Mapping Woody Guthrie.
oupress.com
(Norman, OK : Univ. of Oklahoma Pr., 2019. – 178 S. : mit s/w-Abb. – (American Po)
ISBN 978-0-801-6178-5 , 26,95 USD


Will Kaufman hat sich in den letzten Jahren den Ruf des Guthrie-Spezialisten erarbeitet. 2011 beschäftigte er sich in Woody Guthrie, American Radical mit der Politisierung des Künstlers. Sechs Jahre danach untersuchte Kaufman in Woody Guthrie’s Modern World Blues dessen für manchen überraschende Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Modernität. In seinem neuen Buch geht der Hochschullehrer, Autor und Musiker der Frage nach, welche Rolle Zeit und Ort für Guthries Werk spielten. Auf einer Landkarte zeichnet Kaufman dessen Reisen durch die USA nach und verbindet die Orte mit politischen Ereignissen zum jeweiligen Zeitpunkt. Im Vorwort stellt er die Fragen, ob Woody Guthrie nach Kalifornien gegangen wäre, wenn es in Oklahoma keine Staubstürme gegeben hätte; ob er je nach New York City gekommen wäre, wenn er nicht im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes seinen Job bei der Radiostation KFVD verloren hätte; ob er den pazifischen Nordwesten gesehen hätte, wenn nicht ein Regierungsbürokrat Alan Lomax gefragt hätte, ob er jemanden kenne, der Songs über den Bau des Columbia-Staudamms schreiben könne. Für Kaufman war es das Zusammenspiel von Zeit und Ort, das Guthries reichhaltiges Werk an Songs, Gedichten, Texten sowie Illustrationen und Zeichnungen inspiriert hat. Sein Ansatz, Woody Guthrie mit einer auf der Geografie basierenden Studie darzustellen, ist faszinierend.
Michael Kleff

 HELMUT GOTSCHY: Tod im Drachenzuber : Kriminalroman.
HELMUT GOTSCHY
Tod im Drachenzuber : Kriminalroman.
emons-verlag.de
(– o. O. : emons, 2019. – 254 S. – (emons: Krimi))
ISBN 978-3-7408-0510-4 , 10,90 EUR


Er hat ihn definitiv gefunden, seinen roten Faden als Schriftsteller. Erneut hat Helmut Gotschy einen Roman geschrieben, bei dem er „seiner“ Szene treu bleibt, wieder spielen Drehleier und die (Folk-)Musikszene eine Rolle. In seinem zweiten Kriminalroman um den Ulmer Kommissar Bitterle merkt man deutlich, dass Gotschy sich in der Thematik sehr gut auskennt, über die er schreibt. Diesmal geht es um den Mord an zwei Mitgliedern einer Mittelalterband. Eines wird beim Wiblinger Festival bewusstlos aufgefunden und kämpft ums Überleben, der Bandleader liegt tot im mittelalterlichen Badezuber. Während der Ermittlungen Bitterles und seines Teams erfahren wir, was bei einem Mittelalterspektakel alles so vor sich geht, welche Instrumente traditionell dabei sind und wie die Szene so „tickt“. Spannend von Anfang bis Ende, denn die Ermittlungen nehmen die ein oder andere Wende, ohne dass sich Bitterles Team dabei verzettelt – auch wenn man das vielleicht manchmal so vermutet. Wieder ein schöner „Szene-Roman“ mit viel Insiderwissen. Man darf gespannt sein, was Helmut Gotschy sich für den nächsten Band überlegt.
Doris Joosten



Besondere
GRIPS THEATER
GRIPS Theater – Die schönsten Lieder aus 50 Jahren
(Sauerländer Audio)


Wer in seiner Jugend die frühen Lieder des Grips-Theaters gehört hat, der geht heute auf die Rente zu, und ob er noch so frisch ist, wie diese alten Lieder es heute noch sind, darf bezweifelt werden. Fünfzig Jahre ist das Grips-Theater alt, und die CD-Box macht noch einmal deutlich, mit welchem Ideenreichtum die unterschiedlichsten Themen für Kinder und Jugendliche in dieser Zeit bearbeitet wurden. Von Kinderstücken, Jugendproblemen, Zuwanderungsproblemen und Berlin-Musicals bis hin zu direkt politischen Stücken über Rosa Luxemburg oder die szenische Umsetzung der Biografie der verfolgten Jüdin Inge Deutschkron reicht das Spektrum. Und egal welches Thema sie sich vornehmen, es ist immer die Mischung aus  GRIPS THEATER: GRIPS Theater – Die schönsten Lieder aus 50 Jahren Szenen, Texten und Musik, die es so ansprechend und erfolgreich werden lässt. Trotz pädagogischer Absicht und Engagement wollen sie keinen erhobenen Zeigefinger zeigen, sondern den Spaß und die Freude am Erfahren und Mitdenken in den Vordergrund stellen. Über 300 Lieder sind in den Jahren entstanden, 84 davon sind ausgewählt worden. Die erste CD versammelt die Kinderlieder mit so berühmten Klassikern wie „Wer sagt, dass Mädchen dümmer sind?“, „Meins oder deins“, „Doof gebor’n ist keiner“ und „Einer ist keiner“. CD zwei und drei stehen unter dem Motto GRIPS Goes Pop, Rock & Chanson. Hier ist natürlich vor allem die Linie 1 zu nennen, das Berlin-Musical über die damalige U-Bahn-Linie 1 zwischen dem Bahnhof Zoo und dem Schlesischen Tor in Kreuzberg. Auf diesem Teilabschnitt der Gesamtstrecke ließen sie die soziale und politische Lage der damaligen Halbstadt Revue passieren. Ein Erfolgsstück, das weltweit übertragen und aufgeführt wurde. Die Wilmersdorfer Witwen wurden weltbekannt. Fünfzig Jahre Grips-Theater zu würdigen, heißt auch Volker Ludwig (Hachfeld) zu ehren, den Gründer und langjährigen Theaterleiter, der auch alle Texte dieser Lieder verfasst hat. Das Booklet empfiehlt übrigens die CD-Box für Menschen von vier bis neunundneunzig.
Rainer Katlewski
MALINKY
Handsel
(Greentrax Recordings), Do-CD, mit ausführlichen engl. Infos


Das schottische Quartett Malinky war schon immer etwas ganz Besonderes, konsequent liedorientiert, drei starke Solostimmen und dennoch mit begnadeten Instrumentalisten gesegnet. Fünf Alben standen bislang zu Buche, und nur Steve Byrne (Bouzouki, Gitarre, Maultrommel, Mundharmonika) und der irischstämmige Mark Dunlop (Whistles, Bodhrán) waren immer präsent. Der Titel des dienstältesten Malinky-Mitglieds jedoch geht eindeutig an Byrne, der jede einzelne Station der Gruppe miterlebt hat. Fiona Hunter (Cello) ersetzte 2004 Karine Polwart, ist sogar noch eine Verbesserung. Das Quartett wird von Mike Vass (Tenorgitarre, Fiddle) vervollständigt, der nach einer ernsthaften Krankheit seit 2013  MALINKY: Handsel wieder mit an Bord ist. Zur Feier des zwanzigjährigen Bandbestehens haben sich Malinky ein Doppelalbum mit guten zwei Stunden Spielzeit gegönnt. Zum einen ist das eine ausgesprochen gelungene Mischung aus Archivmaterial, Livemitschnitten und CD-Highlights der bisherigen Karriere, zum anderen sind es dreizehn neue Songs. Neu heißt meist „trad. arr.“ mit der Ausnahme einer ergreifenden und ziemlich zentralen Ballade von Steve Byrne, „The Lads O The Lindsay“. Insgesamt spielen und singen die vier ihr großes Plus aus – die Songs werden unaufgeregt, einfühlsam und meisterlich interpretiert, völlig ohne das heutzutage in der schottischen Szene so typische Bemühen um Tempo- und Instrumentalbrillanz. Ganz im Gegenteil, Malinky leisten sich sogar den Luxus, ihre Musik in einen zeitlichen Zusammenhang zu stellen. Sie geben drei Veteranen ebenso die Chance auf ein Gastspiel wie drei jungen Nachwuchstalenten, allesamt natürlich Sänger- und innen. Und so ergeben beide Malinky-CDs das runde Bild einer Band, die in ihren zwanzig Jahren viele Lieder wie kleine Schmuckstücke sorgfältig aufpoliert hat, die aber leider nicht immer die Wertschätzung erfahren hat, die sie verdient hätte. Daher noch mal ganz deutlich: Malinky sind einzig- und großartig!
Mike Kamp

TUULETAR
Rajatila – Borderline
(Nordic Notes), mit finn. u. engl. Texten


Handelt es sich bei Rajatila um eine neue Veröffentlichung von Laurie Anderson oder Kate Bush? Nein, es handelt sich schlichtweg um das aufregendste nordische Album seit Hedningarnas Trä. Damit genug der Vergleiche, sie sollen in erster Linie verdeutlichen, dass dieses Album, einen größeren Bekanntheitsgrad vorausgesetzt, auch noch in Jahrzehnten als Meisterwerk gelten wird. Die CD beginnt mit einem Crescendo verschiedener Stimmen, die, teilweise verzerrt, teilweise rückwärts eingespielt, sich langsam in den Wahnsinn steigern. Es kündigt sich an, Rajatila wird kein leichtes Hörvergnügen, gleichzeitig erzeugt die Musik von Anfang an einen Sog, dem der Hörer nur schwerlich entkommen kann. Es folgen Trip-Hop-Elemente mit einer  TUULETAR: Rajatila – Borderline Basslinie, die jeder Musikanlage das Äußerste abverlangt. Die harten finnischen weiblichen Gesänge ergänzen den treibenden Beat perfekt und hinterlassen ein Gefühl zwischen Ausgelassenheit und Furcht. Niedlicher Chamber Pop paart sich mit Gesangsschlachten, die in jedem Hip-Hop-Wettbewerb für Aufregung sorgen würden, Grausamkeit und Schönheit sind die verschiedenen Seiten der gleichen Medaille. Borderline, ob als psychisches Syndrom, als Grenze zwischen Leben und Tod oder schlichtweg als musikalischer Tanz zwischen den Stühlen musikalischer Engstirnigkeit, es scheint der einzig passende Begriff für dieses Album. Rajatila wäre fast ein Konzeptalbum, wäre das nicht ebenfalls eine letztlich beschränkende Beschreibung, die die Künstlerinnen aufbrechen. Diese vier Gesangsartistinnen aus Helsinki wählten übrigens den Grenzgänger Pekko Käppi zum Produzenten, dessen Wert als Schubladenbrecher für die finnische Musik kaum hoch genug einzuschätzen ist. Die Schublade Folk muss auch hier dringend gebrochen werden, denn die Musik von Tuuletar ist zu schade für ein spezialisiertes, überschaubares Publikum. Rajatila gehört in die Opernhäuser, auf Industrial-Partys, in die Techno-Tanzschuppen oder zu den Avantgarde-Performern, überall dorthin, wo Menschen bereit sind zuzuhören, obwohl oder gerade, wenn es anstrengend wird.
Chris Elstrodt
NUSRAT FATEH ALI KHAN AND PARTY
Live At WOMAD 1985
(Real World Records)


Zugegeben, die Musikwelt ist nicht gerade arm an Tonaufzeichnungen des großen pakistanischen Qawwali-Sängers. Allein das OSA-Label (Oriental Star Agencies) verzeichnet weit über hundert verschiedene Titel, zumeist – wie in der Prä-CD-Ära üblich – als Kompaktkassette. Und auch Peter Gabriels Real-World-Label hat das musikalische Schaffen Nusrats in all seinen Facetten – von Qawwali pur über Filmmusikbeiträge (Die letzte Versuchung Christi) bis hin zu Remixen für die Technofraktion – durchaus hinreichend dokumentiert. Die nun veröffentlichten Aufnahmen vom WOMAD-Festival auf der kleinen, zur Grafschaft Essex gehörenden Insel Mersea stammen  NUSRAT FATEH ALI KHAN AND PARTY: Live At WOMAD 1985 vom 20. Juli 1985 und machten Nusrat und sein Ensemble erstmals einem größeren Publikum bekannt. Zwar waren die religiösen Sufi-Gesänge westlichen Musikinteressierten durch die Sabri Brothers durchaus geläufig, aber Nusrats phänomenale Stimme, sein vokales Call-and-Response mit den Chorsängern und die hypnotische Begleitung durch Harmonium und Tabla versetzten die Festivalbesucher hörbar in Begeisterung. Charmant, dass mit Kaukab Ali und Nusrats Neffen Rahat Fateh Ali Khan auch noch zwei „pupil singer“ hochtönig ins Geschehen eingreifen, wobei Letzterer nach dem Tod Nusrats im Jahre 1997 die Leitung des Ensembles übernahm und seitdem die musikalische Tradition seines Onkels fortsetzt. Die Frage nach der Notwendigkeit der Veröffentlichung einer 34-jährigen Festivalaufnahme stellt sich nicht. In Klassik, Jazz und Rock herrscht ja auch stets große Freude, wenn unbekannte Aufnahmen von großen Künstlern auftauchen. So auch bei dieser CD. Die analogen Bänder des Auftritts wurden anständig gemastert und bescheren uns so einen unverzichtbaren Einblick in die grandiose Kunst eines großen Sängers. Und für alle, die es analog genießen wollen, gibt es drei der vier Titel auch noch als LP.
Walter Bast

KEYVAN CHEMIRANI AND THE RHYTHM ALCHEMY
Keyvan Chemirani And The Rhythm Alchemy
(Molpé Music), mit franz. u. engl. Infos


Was ist das denn für ein Instrument? Ein Spinett? Nee, davon steht nichts im Booklet. Und was ist das für eine Melodie? Klassisch oder orientalisch? Die ersten Takte von Keyvan Chemiranis Debüt als Bandleader machen es dem Hörer nicht leicht. Erst die Trommelwirbel lassen erahnen: Wir sind im Orient. Cello und Lyra, die als Nächstes einsetzen, lassen daran keinen Zweifel, obwohl sie wahrlich nicht zum Standardinstrumentarium dieser Region gehören – ebenso wenig wie die Bassklarinette, die nun auch noch einstimmt. In der Tat sind wir nicht nur im Orient, wir besuchen auch Nordindien, Mauretanien, Marokko, Mazedonien, das Reich der Beatboxer und das der Kammermusik – und das oft  KEYVAN CHEMIRANI AND THE RHYTHM ALCHEMY: Keyvan Chemirani And The Rhythm Alchemy gleichzeitig. Kein Wunder, denn Keyvan Chemirani hat nicht nur Bruder Bijan und Vater Djamchid neben sich versammelt – alle drei spielen vornehmlich die iranische Bechertrommel Zarb und firmieren gewöhnlich als Trio Chemirani. Dabei sind auch noch Prabhu Edouard (Tabla), Stéphane Galland (Schlagzeug), Sokratis Sinopoulos (Lyra), Julien Stella (Bassklarinette, Beatboxing) sowie der mit allen Weltmusikwassern gewaschene Vincent Ségal (Cello). Bereits 2011 bewies das Trio Chemirani mit dem Album Invite, dass es mühelos unterschiedliche Stilrichtungen unter einen Hut bringen kann. Damals waren unter anderem Ballaké Sissoko (Kora), Omar Sosa (Piano) und Ross Daly (Lyra) dabei. Die neue CD von Keyvan Chemirani ist aber in gewissem Sinne noch beeindruckender. Schließlich zeigt sie, dass ein All-Style-Ensemble selbst dann mühelos über 71 Minuten die Spannung halten kann, wenn es aus fünf Schlagwerkern und nur drei anderen Musikern besteht. Nie machen hier im Zusammenspiel die Rhythmiker die Melodiker platt. An reinen Percussionstücken gibt es nur drei. Ansonsten haben alle Kompositionen, sei der Takt auch noch so kompliziert, eine interessante Melodie und manche auch noch Texte von persischen Mystikern wie Saadi oder Rumi.
Ines Körver



Deutschland
 HANDS ON STRINGS: Free Ride
HANDS ON STRINGS
Free Ride
(Doctor Heart Music)


Das hat eine Leichtigkeit und einen Schwung, die einen gleich beim ersten Hören umhauen. Und virtuos ist’s da, wo es musikalisch so sein soll, und nicht, weil man zeigen möchte, dass man’s kann. Farbenprächtiger hat schon lange keiner mehr den Gitarrenpinsel geschwungen. Wunderbar eingängige Kompositionen, wohlgemerkt nicht banal, aber dem Herzen unmittelbar zugängig. Das ist großes Kino für alle Freunde akustischer Gitarrenmusik, auch wenn’s mal e-gitarristische Einschübe gibt. Als Hands On Strings sind Thomas Fellow (sehr erfolgreich im Duo mit Constanze Friend als Friend ’n Fellow) und Stephan Bormann bereits seit Anfang des Jahrtausends unterwegs. Die Aufnahmen dieses mittlerweile fünften Albums befriedigen den Klangfetischisten (fantastische Studioarbeit!) wie den Connaisseur exquisiter Gitarrenmusik. Schlagwerk benötigen die beiden nicht, der Korpus der Instrumente wird gerne auch perkussiv traktiert. Ach ja, und wenn es denn sein muss: die leidigen Genre-Einordnungen. Die Herren können rockig, jazzig, folkig, grooven tut es eigentlich immer, auch in den Balladen. Gecovert wird nicht, dazu sind die eigenen Kompositionen viel zu schön. Und was wissen wir jetzt? Nichts! Liebe Leute, unbedingt anhören!
Rolf Beydemüller
 JETZT!: Wie es war
JETZT!
Wie es war
(Tapete Records)


Mitte der Achtziger, die Neue Deutsche Welle ebbte gerade ab, gründeten ein paar junge Leute im ostwestfälischen Bad Salzuflen das Independent-Label Fast Weltweit, um neue Deutsch singende Bands zu veröffentlichen, die eine eigene, zeitgemäße Sprache finden wollten und woanders kein Unterkommen hatten. Es wurde kein großes Unternehmen, aber eine Legende. Einige Veröffentlichungen, Kassettensampler, Bands aus dem lokalen Umfeld – heute ist nur noch wenig davon erhalten. Zur Legende wurde das Projekt deshalb, weil es, aus der Provinz kommend, später in das mündete, was man Hamburger Schule nannte. Michael Girke war einer der Gründer des Labels und mit seiner Band Jetzt! Teil dieser Szene. Eine Platte veröffentlichten sie nie, erst 2017 erschien eine Auswahl der alten Songs. Michael Girke, der seiner Provinz treu geblieben und heute als Autor und Journalist tätig ist, hat sich nun mit eigenen Liedern wieder im Musikgeschehen zurückgemeldet. Er schreibt kluge Texte, die aus Lebenserfahrung gespeist und im Alltag angesiedelt sind, gradlinig und schnörkellos, überwiegend mit Gitarrenbegleitung präsentiert, der Geruch der Provinz liegt über ihnen
Rainer Katlewski

 THOMAS WALTER MARIA & KAPELLE: Timeless
THOMAS WALTER MARIA & KAPELLE
Timeless
(Prosodia), mit Infos


Für Menschen, die die Veröffentlichungsflut von Weltuntergangspropheten und Selbsterfahrungsliedermachern satthaben, ist Timeless die reinste Wohltat. Hier macht ein Künstler das, was er will, was er kann und, das Wichtigste, was ihm Spaß macht. In diesem Fall ist es eine Hommage an die Orchester der Fünfziger, an den ersten Mallorca-Urlaub in den Siebzigern und an Filme mit Rühmann und Albers. Und tatsächlich findet sich auch „La Paloma“ auf der Speisekarte, neben zwei James-Bond-Titeln, Trude Herrs „Morgens bin ich immer müde“ und, am wunderbarsten, einigen Eigenkompositionen, mit denen Thomas Walter Maria als spanischer Don Juan vor dem All-you-can-eat-Büffet Bustouristenherzen bricht. Der Saxofonist und Sänger Maria wird von einer gut gelaunten Posaune, Bass, Schlagzeug und Klavier begleitet. Obwohl Timeless voller Humor steckt, ist das Album keine Parodie auf die guten alten Zeiten. Die Kapelle drückt eher augenzwinkernd ihre Liebe zur Musik der damaligen Zeit aus, Tränen der Rührung stehen neben Lachfalten. Timeless ist Musik im besten Sinne, sie unterhält und wärmt das Herz.
Chris Elstrodt
 MANFRED POHLMANN : … singt Peter Weißgerber. Manfred Pohlmann hört Ute Zimmermann (Schnoor)
MANFRED POHLMANN
… singt Peter Weißgerber. Manfred Pohlmann hört Ute Zimmermann (Schnoor)
(mit dt. Texten u. Infos)


Der in Neuwied wohnende Liedermacher Manfred Pohlmann, bekannt für Lieder in moselfränkischer Mundart und Interpretationen von Schlagern seiner Kindheit (1958 bis ’63), singt hier Lieder seines Pfälzer Kollegen Peter Weißgerber. Es sind Lieder mit einem gemütlichen Witz und voller Lebensfreude, bei aller Kritik am Konkreten, ganz so wie bei Pohlmanns und Weißgerbers Vorbildern, den französischen Chansonniers. „Ich denk, mir geht’s ganz gut“, sozusagen trotz allem, heißt denn auch das Eröffnungslied, das wie auch die anderen Titel den Blick auf das Wesentliche lenkt. Ebenfalls dabei das schon von Guggugg bekannte moselfränkische „Weinfestlied“, das von den Erlebnissen eines Touristen in Neumagen-Dhron an der Mosel erzählt. Rheinpfälzer Mundart kommt im zweiten Teil des Albums zum Tragen, in Form der Gedichte von Ute Zimmermann, die sich stimmungsmäßig passend anschließen: „Ach Mond, du nemmscht ab und zu, wie’s dir passt. Ich nemm ab und zu, bis mir nix mehr passt.“ Leider kann man sie nicht mitlesen. „De Blues“, der an einem Dienstagabend plötzlich „do war … um viertel zehn herum“, wird vom im Taunus lebenden Cajun-Musiker Yannik Monot umspielt. Ja, so kann Rheinland-Pfalz klingen.
Michael A. Schmiedel

 YXALAG: Miloš und die verzauberte Klarinette
YXALAG
Miloš und die verzauberte Klarinette
(gpARTS)


Vor elf Jahren wurde das erste Klezmerensemble der Musikhochschule Lübeck gegründet. Nun sind die „jungen Wilden“ von damals inzwischen gestandene, will sagen professionelle Musiker geworden, namentlich mit Kayako Bruckmann (v), Juliane Färber (v), Nicolas Kücken (g), Jakob Lakner (cl, sax, voc), Ulrich von Neumann-Cosel (b), Nele Schmidt (v) und Luka Stankovic (tb). Mit ihrem fünften Album verlassen sie jedoch die konventionelle Aufnahmeschiene und präsentieren nun ein in acht Kapiteln aufgeteiltes, durchaus fantasievolles, auf Kinder zugeschnittenes Hörspiel (Text und Idee: Maxie von Neumann-Cosel, Sprecher: Jonas Nay). Ein kleiner Junge namens Miloš flüchtet mit seiner Klarinette vor einem bösen König, verjagt mit seinem magischen Instrument Räuberbanden und findet schließlich sogar seine große Liebe. Musikalisch begleitet wird die Geschichte mit diversen Liedern aus dem langjährig eingespielten Repertoire des Septetts, wobei die vorliegende CD weitere sieben „Bonustracks“ von den vier zuvor erschienenen Alben enthält. Die Produktion wurde übrigens für den Medienpreis Leopold – Gute Musik für Kinder 2019/20 nominiert und steht damit auch auf der Hörmedienempfehlungsliste des Verbandes deutscher Musikschulen.
Matti Goldschmidt



Europa
 JENS CARELIUS: Opsi
JENS CARELIUS
Opsi
(Jansen Records)


Der Norweger Jens Jørgen Carelius Krogsveen ließ sich bei den acht Titeln seines aktuellen Albums vom Tagebuch seines Ururgroßvaters Friedrich Carl Gustav Dörries (1852-1953) – Spitzname „Opsi“ – inspirieren, eines Hamburger Vogel-, Pflanzen- und Insektenforschers, der von 1877 bis 1897 – teils zusammen mit seinen Brüdern – in Japan und Sibirien auf Schmetterlingsfang ging. Da die Dörriessens diese Expeditionen in bester Humboldt-Tradition überwiegend zu Fuß durchführten, hatten sie gelegentlich auch unliebsame Begegnungen mit Menschen und Tieren, denen man auch heute nur ungern in freier Wildbahn begegnen möchte. Friedrich D. hielt diese Erlebnisse in seinem Tagebuch fest. Ururenkel Jens hat sich bei der „Vertonung“ für eine musikalische Ausrichtung entschieden, die entfernt an Roy Harper, Nick Drake oder Kevin Ayers erinnert. Auch der Hinweis auf Porcupine-Tree-Mastermind Steven Wilson im Beipackzettel der Promo-CD ist durchaus schlüssig, haben wir es doch hier mit einer sehr feinsinnigen Variante von Progrock zu tun. Alles in allem ist Carelius’ aktuelles Album nicht nur ein Denkmal für den alten Herrn (der beinahe 101 Jahre alt geworden wäre …), sondern auch ein zeitlos schönes Konzeptalbum.
Walter Bast
 CHICUELO & MARCO MEZQUIDA (& PACO De MODE): No Hay Dos Sin Tres
CHICUELO & MARCO MEZQUIDA (& PACO De MODE)
No Hay Dos Sin Tres
(Galileo MC), mit span. Infos


Weil es ja sogar der Albumtitel heiter ausdrückt, sei der dennoch nicht auf dem Cover stehende Name des Dritten im Bunde bei uns auch gleich oben genannt! Das kongeniale Duo, der Barceloner Flamencogitarrist und der stärker als dieser dem Jazz zugeneigte, bis dato nicht ganz so flamenconahe Pianist aus Menorca, wäre ohne seinen Schlagwerker zwar lebensfähig, aber irgendwie nicht vollständig. Dies lässt sich auf nunmehr zwei Alben beeindruckend miterleben, wobei das neue noch ungleich reifer, runder und vollmundiger daherkommt. Acht von den beiden gemeinsam geschaffenen, teils atmosphärisch ausufernden Kompositionen bekommt man da in knapp fünfzig Minuten. Alles sehr frei und luftig, doch nicht minder essenziell gestaltet, so gut wie gar nicht konkreten Flamencorhythmen folgend. Den intimen, nach viel Verständnis und guten Vibes klingenden Dreierverbund öffnet man hier und da. Etwa dem stilistisch ebenso weitschweifigen Jazztrompeter Raynald Colom im gefühlsintensiven „Reloj De Arena“, einer Hommage an einen verstorbenen Musikerfreund. Im Samba „La Reina Del Tambor“ kommen mit Aleix Tobías und Antonio Sánchez vom renommierten Percussion-Ensemble Coetus zwei exzellente Percussionisten hinzu.
Katrin Wilke

 EGELAND, EDÉN, MARIN: Vol. 1
EGELAND, EDÉN, MARIN
Vol. 1
(Taragot), mit Noten u. norweg. u. engl.Texten


Das norwegisch-schwedische Trio liefert hier das erste gemeinsame Album – kaum zu glauben, so lange, wie sie schon in den unterschiedlichsten Kombinationen zusammengearbeitet haben! Aufgenommen in Rauland im Herzen von Telemark, legt die CD natürlich besonderes Gewicht auf norwegische Stücke aus Telemark, Vest-Agder und von der Südküste (ganz am Ende gibt es dann noch drei schwedische). Fast alles hat der Geigenvirtuose Ånon Egeland beigesteuert, aus seinem eigenen umfangreichen Repertoire oder aus den Sammlungen älterer Spielleute, die im wunderbar informativen Beiheft gebührend erwähnt werden. Besonders schön ist, dass auch die Instrumente vorgestellt werden. Ånon Egeland zum Beispiel spielt eine deutsche Geige mit Darmsaiten, die vermutlich vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts stammt, und eine Hardingfele, die um 1880 von Anders A. Heldal in Bergen gebaut wurde. Auf dieser reinen Instrumental-CD hören wir vor allem Halling und Springar, aber auch ein Brautmarsch (natürlich aus Schweden) und ein Walzer sind mit von der Partie. Unbedingt hörenswert, auch als Einstieg in die Musiktradition des Nordens bestens geeignet.
Gabriele Haefs
 MARIA FARANTOURI, CIHAN TÜRKOĞLU: Beyond The Borders
MARIA FARANTOURI, CIHAN TÜRKOĞLU
Beyond The Borders
(ECM), mit türk. u. griech. Texten u. engl. Infos


Maria Farantouri ist vielen vornehmlich als Interpretin der Lieder von Mikis Theodorakis bekannt. In der Tat nimmt sie seit Mitte der Sechziger immer wieder Tonträger mit dessen Kompositionen auf. Doch die griechische Diva kann mehr. So beschäftigt sie sich seit den Siebzigern mit türkischer Musik. 1976 fing sie an, Stücke von Zülfü Livaneli zu singen, konzertierte mit ihm und spielte dann das – zurecht mit dem Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnete – Album Ensemble ein, das zur Aussöhnung ihrer beider Völker nach jahrzehntelangen Spannungen und Bevölkerungsaustauschen beitrug. Nun hat sich Farantouri mit Cihan Türkoğlu (Bağlama, Kopuz, Stimme) zusammengetan, um traditionelle griechische, türkische, armenische und libanesische Lieder aufzunehmen. Mit dabei sind Anja Lechner, die mit ihrem eleganten Cellospiel schon viele ECM-CDs bereichert hat, sowie Meri Vardanyan am Kanun, Christos Barbas an der Ney und İzzet Kızıl an der Percussion. Das Sextett konzentriert sich ernsthaft, aber entspannt auf die Substanz der Stücke – ohne Interesse an Massenkompatibilität, Effekthascherei oder avantgardistischen Experimenten.
Ines Körver 

 THE KUTIMANGOES: Afrotropism
THE KUTIMANGOES
Afrotropism
(Tramp)


Nach zwei Veröffentlichungen auf dem Tramp-Label mit afrikanischen Gästen hier nun die dritte Produktion als reines Instrumentalalbum. 2012 starteten die dänischen Jazzmusiker Michael Blicher und Gustav Rasmussen als Kutimangoes mit dem Ziel, die westafrikanische Musik in der Tradition Fela Kutis mit der des unnachahmlichen Bassisten Charles Mingus zu verbinden. Afrikanisches manifestierte sich durch Gastmusiker aus Burkina Faso und Mali, wo die zweite CD in Teilen aufgenommen wurde. Viele dieser Einflüsse scheinen auch auf dem dritten Album durch, doch die Spritzigkeit und Originalität sind einer geschliffeneren Veredelung gewichen und der Klang ist durchweg dem eines europäischen Jazzorchesters näher als dem der afrikanischen Vorbilder. Es dominiert ein moderner, harmonischer „Wohlfühlsound“. Vom Ideengeber und Komponisten Gustav Rasmussen ist zu lesen, dass es nicht um Musikanthropologie gehe, sondern darum, gemeinsam Musik zu machen, die Menschen zusammenbringt. Und es gelingt den Kutimangoes überzeugend, durch ihren Afrobeat Herz und Ohr zu verbinden. Afrotropism ist das Ergebnis einer musikalischen Emanzipation und ein gelungener Schritt in die Eigenständigkeit.
Christoph Schumacher
 LOCAL STORE: Magpie And The Moon
LOCAL STORE
Magpie And The Moon
(BJK Music), mit Texten


Wer sich nach Year Of The Cat zurücksehnt, sollte Local Store eine Chance geben. Die Norweger erzeugen einen Sound, der die Siebzigerjahre-Songs von Al Stewart oder Dan Fogelberg so perfekt abbildet, dass man Magpie And The Moon auf Vinyl besitzen möchte, am besten mit Klappcover und Textbeilage. Hört man genauer hin, fällt einem das brillante Gitarrenspiel auf, welches sich schamlos der Techniken bedient, die erst seit wenigen Jahren erforscht sind. So wirkt Local Store musikalisch altmodisch, man stellt sich diese Musik aber dennoch eher auf Jugendfestivals vor. Hinter dem Projekt steckt Bjorn Klakegg, den Progrock-Fans von der Formation Needlepoint kennen. Klakegg war von seinem Gitarrenschüler und Indie-Rock-Musiker Matthias Krohn Nielsen so begeistert, dass er eine Bandgründung vorschlug. Das Ergebnis ist ein kleines Kunstwerk. Hier treffen sich Gleichgesinnte und veröffentlichen das, was sie wollen und können. Der kommerzielle Erfolg steht im Hintergrund, und vielleicht hat gerade deshalb Magpie And The Moon das Potenzial, auch in vielen Jahren noch gehört zu werden.
Chris Elstrodt

 ANTTI PAALANEN: Rujo
ANTTI PAALANEN
Rujo
(Westpark Music)


Ein voller Inbrunst gespieltes Akkordeon vereint sich mit eingängigen EBM-Beats. Der Mix ist gleichzeitig minimalistisch und opulent, da der Finne Paalanen auch noch sibirischen Obertongesang und elektronisch modulierten Gesang hinzufügt. Das wirkt martialisch, doch dann hören wir sein Instrument wieder mit einer zarten und leisen Melodie solo. Diese Vielfalt ist wohl konzipiert, ist längst über die Erfahrung des Experiments hinaus. Paalanen prescht gekonnt aus der Tradition vor in die Avantgarde und wieder zurück, und es wirkt nie angestrengt, aber voller Feingefühl aufeinander abgestimmt oder bewusst kontrastreich. Bis auf ein traditionelles Stück sind alle selbst komponiert. Es gibt kaum Lücken zwischen den zehn Stücken, und in den Texten geht es um die existenziellen Momente des Lebens – Liebe, Abschied, Tod, das Universum. So heißt es im dritten Song, „Jää Hyvästi“, über den tragischen Abschied eines geliebten Menschen: „Hätte ich es früh genug verstanden, hätte ich deine Hand fester festgehalten. Wenn ich heute gehe, sehe ich dich nie wieder.“ Es handelt es sich hierbei um den letzten, den praktischen Teil von Paalanens Doktorarbeit, die er an der Sibelius-Akademie gefertigt hat. Überwältigend und großartig.
Imke Staats
 ERMANNO PANTA & BANDA ZEITUN: Isla Musca
ERMANNO PANTA & BANDA ZEITUN
Isla Musca
(NarRator Records)


Hin und wieder schlägt der Blitz ein. Man hört sich eine CD an und ist schon nach den ersten Takten hin und weg. „Tarantella Moruna“ heißt das Stück, die Band spielt jazzig, mit der Power einer Rockband und einem Sänger, dessen intensiver Gesang einen wegbläst. Die Stimme kommt meist von Ermanno Panta, dem sizilianischen Flötisten und Saxofonisten der Gruppe aus Formentera, der kleinsten Baleareninsel. Die vier Männer wirken optisch wie aus der Zeit gefallen. Sie tönen denn auch wie Folkjazz-Bands aus der Zeit, als die Ideen so wild in alle Richtungen sprossen wie die Haare und Bärte. Mediterrane Musik aus Andalusien, Formentera und Sizilien nennen sie ihre Mischung, die nach Flamenco, lokalen Folkeinflüssen, Progrock und afrokubanischem Jazz schmeckt. Ihre Texte sind inspiriert von der Poesie von Abu Al Arab, einem arabisch-sizilianischen Poeten und Reisenden aus dem elften Jahrhundert. Sie singen auf Spanisch, Katalanisch und Sizilianisch – mit einem arabischen Einschub. Für diesen ist die hervorragende Gastsängerin María Keck verantwortlich. Mit weiteren Gästen ist ein Album entstanden, das bis zum letzten Ton fasziniert und bezaubert.
Martin Steiner

 SAULIUS PETREIKIS: Jurese
SAULIUS PETREIKIS
Jurese
(Saules Muzika)


Ein Album, bei dem man die Schönheit, Weite und Freiheit der Natur schmecken, riechen und berühren kann. Der litauische Multiinstrumentalist ist nicht nur ein unglaublich begabter Musiker. Der klassisch ausgebildete Trompeter hat vor allem Zugang zu einer unbändigen Kreativität, mit der er seit Jahren immer neue Tiefen der Weltmusik entdeckt. Auf seinem bereits zehnten Album besticht Petreikis durch unter die Haut gehende Melodien und vielschichtige Arrangements. „In den Meeren“ spielte er erstmals mit einem Streichsextett ein. Er selbst begeistert in den zehn mit seinem Bruder Donatas komponierten Stücken unter anderem auf der Trompete, der Querflöte, der indischen Bansuri, der diatonischen Birbney und der irischen Flöte. Aufgewachsen in einer Musikerfamilie, verbindet Petreikis litauischen Folk mit skandinavischen oder irischen Stilen sowie südländischen Klängen. Themen seiner mit viel Gefühl vorgetragenen, meist instrumentalen Stücke sind seine litauische Heimat und seine Begegnungen mit der Welt. Dabei verdeutlichen schon die Titel wie „Glück“, „Freundschaft“, „Auf dem Meer“ oder „Die Biene verweilt“ seine innige Bindung an sein Zuhause – und als Zuhörer hat man Lust, sofort die Koffer zu packen.
Erik Prochnow
 ROKSANA VIKALUK: Personnages Vol. 1
ROKSANA VIKALUK
Personnages Vol. 1
(Eigenverlag)


Für dieses Album sollte man sich Zeit nehmen, die Augen schließen und dann in die verschiedenen Welten eintauchen, die sich innerlich auftun. Das in der Ukraine geboren Multitalent begeistert mit einer wahren Fülle an Kreativität. Personnages ist wie ein Theaterstück, das in jedem der dreizehn Kapitel ganz neue Charaktere und Geschichten erzählt. So trifft das jüdische Gebet auf eine dänische Wikingerballade, ein traditionelles Lied des Karpatenvolkes der Lemko oder ein avantgardistisches Gedicht. Die zum größten Teil eigenen Kompositionen der in Polen und Deutschland wirkenden Sängerin, Multiinstrumentalistin und Schauspielerin orientieren sich vor allem an ukrainischer und jüdischer Folkmusik. Ihre Arrangements jedoch bewegen sich in einem breiten Spektrum, das von sakralem Gesang über elektronische Klänge, minimalistische Begleitungen, etwa per Maultrommel, bis zu sanften und jazzigen Klavierpassagen reicht. Immer steht jedoch Roksana Vikaluks ausdrucksstarke Stimme im Zentrum. Ein Album mit Gänsehautfaktor. Beim Öffnen der Augen hinterlässt es das Gefühl, man hätte dreizehn verschiedene Musikerinnen aus den unterschiedlichsten Kulturen kennengelernt.
Erik Prochnow

Nordamerika
 ALLISON De GROOT AND TATIANA HARGREAVES: Allison De Groot And Tatiana Hargreaves
ALLISON De GROOT AND TATIANA HARGREAVES
Allison De Groot And Tatiana Hargreaves
(Free Dirt Records), mit engl. Infos


Der Blick geht vor allem zurück: in die Zwanziger- bis Vierzigerjahre, auf Fiddlerlegenden und -innovatoren der Old-Time Music und das, was folgende Generationen daraus entwickelt haben. Dabei bleiben Allison De Groot und Tatiana Hargreaves nicht in der Tradition stecken, sondern begegnen dem Erbe mit frischer Herangehensweise. Das drückt sich bei Fiddlevirtuosin Hargreaves bereits an ihrem Instrument aus – ihre Geige hat fünf Saiten, die sie zudem in wechselnde Stimmungen versetzt. Nichts Ungewöhnliches beim Banjo, das De Groot traumhaft beherrscht mit ihrer Technik aus Clawhammer und Picking. Sie gehörte jahrelang zum kanadischen Frauenquartett Oh My Darling, um dann im weiblichen Viererbund The Goodbye Girls mit unter anderem Molly Tuttle zusammenzuspielen. Tatiana Hargreaves musizierte an der Seite von Künstlern wie Bruce Molsky, Daryl Anger und Gillian Welch. Im Duo arbeiten die beiden das erste Mal zusammen und erweisen etwa John Hatcher Reverenz, einem Fiddler aus Mississippi, der in den Dreißigern für Furore sorgte. Sein „Farewell Whiskey“ klingt hochprozentig schräg, ein Höhepunkt des Albums. Die beiden Frauen konservieren nicht, sie transportieren Liebenswertes in eine neue Zeit.
Volker Dick
 SUZANNE JARVIE: In The Clear
SUZANNE JARVIE
In The Clear
(Wolfe Island Records), mit engl. Texten


Nicht freie Entscheidungen, sondern Schicksalsschläge sind häufig Auslöser für Veränderungen im Leben. Suzanne Jarvie führte eine Existenz als Anwältin und Mutter von vier Kindern, als 2011 ihr Sohn verunglückte und die Ärzte keinen Pfifferling mehr auf ihn gaben. Ihre Gefühle fanden einen Weg: Sie begann, Lieder zu schreiben. 2014 erschien ihr Debütalbum, und überzeugend macht sie weiter mit ihrer Musik, die Country und Folk, Rock und Jazz mischt. Balladen stehen im Mittelpunkt, bei denen mal eine Dobro in den Vordergrund tritt, dann ein Banjo dem Stück Farbe verleiht oder eine Mundharmonika Würze gibt. Die Texte stecken voller Metaphern, weniger würde nicht schaden. Aber so drückt sich die kanadische Songschreiberin aus. Selten trifft sie klare Aussagen, wie in „All In Place“: „You pretend and forget, you make friends with regret / You go down by the river, but you never get wet.“ Ihre ausdrucksstarke Stimme wirkt auch in rockigeren Stücken wie „Point Blank“, und solche Kanten wünschte man sich häufiger. Andererseits streut sie jazzige Elemente ein, wie den lyrischen Bläsersatz in „One It Finds“. Das bleibt hängen in der aufreibenden Welt aus Gefühlen und Ängsten.
Volker Dick

 Justin Rutledge: Passages
Justin Rutledge
Passages
(Nextdoor Records)


Trotz dunklen Covers, der kanadische Musiker weiß mit beseelten Balladen voller melancholischer Stimmung und einer hohen Stimme mit verletzlichem Timbre zu verzaubern. Die Gitarren, insbesondere von Tragically-Hip-Gitarrist Rob Baker, haben immer einen leichten Hall. Manchmal werden Streicher und Klavier eingesetzt, und das Klangbild kann man am besten mit wolkig und dahinschwebend bezeichnen. Kein Wunder, der Sänger gibt an, er habe im Aufnahmezeitraum viel Ambient Music gehört und ließ dies mit einfließen. Das alles berührt, wirkt sanft, ist aber nicht zu weichgespült. In manchen Stücken streift das den Eindruck, den ein Art Garfunkel in seinen besten Momenten auslöst. Rutledge liebt aber vergleichsweise eher Country und Rootsmusik. In seinen temporeicheren Stücken verliert sich der Zauber etwas, da klingt er zu mainstreamig. Wer ihn schon länger kennt: Einige der Songs sind Neuaufnahmen aus früheren Zeiten. Seine Texte behandeln oft Menschen mit persönlichen Problemen wie Krankheiten oder Sucht. Von den neuerdings fast inflationär vorhandenen leisen Sängern gehört er gewiss zu den besten.
Hans-Jürgen Lenhart
 DOUG SEEKERS : A Story I Got To Tell
DOUG SEEKERS
A Story I Got To Tell
(BMG)


Doug Seekers hat es geschafft, als drogen- und alkoholabhängiger sowie obdachloser und schon auf die siebzig zugehender Singer/Songwriter auf den Straßen von Nashville binnen kürzester Zeit in Schweden zu einem mit Platin ausgezeichneten Superstar zu werden. Das klingt wie ein Märchen und ist es auch. Er wurde beim Spielen vor einer Suppenküche von der schwedischen Countrysängerin Jill Johnson entdeckt, die einen Film über gescheiterte Songwriter in Nashville drehte. Vom Song „Going Down To The River“ war Johnson so beeindruckt, dass sie ihn überredete, in einer großen schwedischen Fernsehshow damit aufzutreten. Dies bewirkte, dass er mit einem gleichnamigen Album nach nur wenigen Wochen Platz eins der schwedischen Charts erklomm. Für Seekers ging das einher mit einem Alkoholentzug und einer religiösen Läuterung. Das muss man halt mal so stehen lassen. Immerhin, das, von dem er singt, dürfte ziemlich authentisch sein. Musikalisch präsentiert er verhaltene Countryballaden mit einem leichten Vibrato in der Stimme. Mit dem Einsatz von ein paar versierten Instrumentalisten und deren Soli hätte man gewiss noch mehr draus machen können. Richtig loszurocken versteht er aber auch.
Hans-Jürgen Lenhart

 JOHN SOUTHWORTH: Miracle In The Night
JOHN SOUTHWORTH
Miracle In The Night
(Tin Angel Records), mit engl. Texten


John Southworth wird hierzulande wohl vollkommen übersehen. Elf Alben in zwanzig Jahren hat der Kanadier eingespielt, aber wohl noch nie in Deutschland getourt, und nur Weniges von ihm ist in Europa veröffentlicht worden. Waren seine frühen Alben eher etwas rumpelnder Rock, ist er als Songschreiber immer verhaltener geworden und hat sich stilistisch Richtung Vaudeville verbreitert, was seine Musik für ein größeres Publikum wohl noch sperriger macht. Intimität wird beim gegenwärtigen Southworth großgeschrieben, mit einem leicht zerbrechlichen, rauen Charme, der sich zwischen Blues und Jazz einpendelt und ein wenig an Balladensänger der Fünfziger erinnert, nur eben ohne große Orchester im Hintergrund. In Miracle In the Night umschleicht den Songschreiber eine leichte Dunkelheit, eine warmblütige Melancholie, die schließlich doch das Licht am frühen Morgen schimmern sieht. Prägend für den Sound dieser im Grunde flüchtigen Songs ist dieses Mal das Harmonium, was sicher zur Abtrünnigkeit des Ganzen beiträgt. Der Vergleich mit dem Bob Dylan aus der mittleren Periode liegt irgendwie auf der Hand, nur fehlt Southworth dessen Pathos, und er geht musikalisch verschlungenere Wege.
Michael Freerix
 CHIP TAYLOR: Whiskey Salesman
CHIP TAYLOR
Whiskey Salesman
(Train Wreck Records), mit DVD


Als Songschreiber hat Taylor Welthits für andere geschrieben, zum Beispiel „Wild Thing“ für die Troggs, „Try (Just A Little Harder)“ für Janis Joplin. Die unter seinem eigenen Namen veröffentlichten Alben fanden kaum große Aufmerksamkeit, und über längere Zeiträume veröffentlichte Taylor gar nichts Eigenes. Erst in den vergangenen zwanzig Jahren erschienen wieder regelmäßig Alben des mittlerweile 79-Jährigen. Die Zeit hat seine Stimme rau und gebrochen gemacht. Stark geprägt von diesem altväterlichen Charme sind seine neuen Songs, Balladen hauptsächlich, über ein Leben, das im Rückblick betrachtet wird. Ob Taylor nun ein guter Sänger gewesen ist, lässt sich kaum noch sagen. Er erzählt seine Songs mehr, als dass er sie singt. Viele andere Musiker haben seine Songs gesungen und bewiesen, dass er tragfähiges Material komponieren kann. Sicher trägt seine lange Karriere zur sehr gediegenen „Laid-back“-Stimmung auf diesem Album bei. Begleitet wird es von einer DVD, in der er bebildert, wovon die Songs handeln. Mehr „live“ wird man ihn hierzulande wohl nicht mehr zu sehen bekommen.
Michael Freerix

Lateinamerika
 CIRO HURTADO: Altiplano
CIRO HURTADO
Altiplano
(Inti Productions)


Eine Liebeserklärung an Peru. Der Gitarrist Ciro Hurtado lebt schon lange in den USA und blickt auf diesem Album zurück auf seine Kindheit in Lima. Seine Musik folgt den familiären Wurzeln auf den Altiplano – eine 3.000 Meter hohe Ebene in den Anden. Ciro Hurtado prägt die sparsam arrangierte Musik mit seiner akustischen Gitarre, einem wichtigen Instrument in Peru. Vier Titel spielt er solo auf der Konzertgitarre, andere bereichert er mit leiser Percussion, Cello oder dezentem Keyboard. Eine entscheidende Rolle spielt seine Frau Cindy Harding. Auf der Flöte Quena gibt sie der Musik das spezielle Andenflair. Hinzu kommt auf einigen Titeln ihr bezaubernder, graziler und feinfühliger Gesang. Ciro Hurtado würdigt sein Geburtsland mit eigenen Kompositionen. Sie erinnern an die Folklore, ohne diese zu imitieren. Die zehn Titel dieses Albums spiegeln stimmungsvoll die landschaftliche Atmosphäre im Hochgebirge wider. Die Musik strahlt die Ruhe und Erhabenheit der Ebene Altiplano aus. Entstanden ist ein Album, das wie ein Echo aus der Ferne ist – eine poetische Melancholie der Sehnsucht.
Udo Hinz



International
 SI KAHN AND THE LOOPING BROTHERS: It’s A Dog’s Life
SI KAHN AND THE LOOPING BROTHERS
It’s A Dog’s Life
(Strictly Country Records), mit Texten


Ob ein Hundeleben ein gutes ist, liegt ganz im Auge des Betrachters. Der Hund im titelgebenden Song sieht es vermutlich anders als das Herrchen. Der US-amerikanische Liedermacher und politische Aktivist Si Kahn betrachtet seit über vierzig Jahren in seinen Liedern die gesellschaftlichen Verhältnisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Ob er in „Aragon Mill“, seinem bekanntesten und vielfach gecoverten Song, über die Situation der Arbeitslosen nach einer Betriebsschließung berichtet oder gegen die Umweltverschmutzung in der Bristol Bay in Alaska ansingt – seine Texte berühren. Auf dem vorliegenden Album ist es „Rats In A Maze“ über Arbeiter einer Schiffswerft, die aufgrund ständiger Asbestbelastung an Krebs erkranken, das besonders in Erinnerung bleibt. Die wohl renommierteste deutsche Bluegrassband Looping Brothers präsentiert dreizehn Kahn-Songs, von denen zehn hier erstmals veröffentlicht werden, in mitreißenden, aber jederzeit textdienlichen Arrangements. Zu dreien davon steuert der Meister höchstselbst den Leadgesang bei, den Rest der Songs teilen sich Ulli Sieker (Mandoline, Fiddle), Matthias Malcher (Gitarre, Banjo) und Ralf Strothmann (Bass). Intelligente Songs in Bluegrassarrangements auf internationalem Spitzenniveau.
Ulrich Joosten
 WALSHY FIRE : Abeng
WALSHY FIRE
Abeng
(Mad Decent)


Als DJ, Plattenproduzent und MC des Trios Major Lazer ist der gebürtige Jamaikaner Leighton Paul Walsh (aka Walshy Fire) bestens vernetzt. Und wie bei seinem Bruder-im-Geiste, Manjul, so ist es auch Walshs Bestreben, für Reggae gleichsam eine afrikanische Dependence zu eröffnen. Der Unterschied zwischen beiden Musikern: Für Manjul sind Reggae und Dub das Basismaterial, das von afrikanischen Musikern – teils mit ihrem traditionellen Instrumentarium – interpretiert wird, während Walsh den direkten Kontakt von jamaikanischen und afrikanischen Musikern und Musikerinnen bevorzugt. So finden wir in den elf Stücken von Abeng Kooperationen zwischen Jamaika und Nigeria (Tracks 1, 2, 3, 5), Jamaika und Ghana (Track 10), aber auch Nigeria und Trinidad (Tracks 4, 8, 11), Ghana und Guyana (Track 6) oder Nigeria und Tansania (Track 7). Auch sind die Nigerianer schon mal unter sich (Track 9). So verschmelzen Reggae und afrikanische Regionalstile zu einer neuen Variante des Afrobeats, was beiden Musikstilen hörbar guttut, zumal sich niemand bei dieser Symbiose verbiegen muss. Zu ähnlich sind die musikalischen Parameter. So – und nur so – macht eine solche Fusion Sinn.
Walter Bast

Kurzrezensionen
 ABDO BUDA MARCONI: Karsilama
ABDO BUDA MARCONI
Karsilama
(Felmay)


Zwei Italiener, ein Kurde, jede Menge Saiteninstrumente, Duduk, Percussion und Gesang. Das Debüt des Trios geht weit über den im Titel genannten von Griechenland bis Persien geläufigen Liedtyp (einen 9/8-Takt mit Aufteilung 2-2-2-3) hinaus. Mal klingt es nach Arabien, mal nach Balkan, dann wieder nach Italien oder Klezmer. Wohltuend virtuos.
ink
 ANDREAS ALBRECHT: Albrecht, Andreas
ANDREAS ALBRECHT
Albrecht, Andreas
(Silberblick Musik)


Als er schon viele Projekte mit und für andere gemacht hatte, wuchs bei Andreas Albrecht aus Berlin der Wunsch, sich ein Album zu gönnen, in dem er alles alleine macht – Text, Musik, Gesang, Band, Aufnahme und Produktion. Entstanden ist eine facettenreiche Scheibe mit Nachdenklichem, Fragendem, Kritischem und Krawalligem, flott und mit Tempo gespielt.
rk

 ALTAMEDA: Time Hasn’t Changed You
ALTAMEDA
Time Hasn’t Changed You
(Cadence Music Group)


Countryrock aus Kanada, kraftvoll arrangiert, wuchtig gesungen. Edmonton, Alberta, ist ihre Heimat und der Hintergrund, vor dem sie ihre doch sehr persönlichen Geschichten erzählen, wobei durch starke Akzentuierung durch Bläsersätze immer wieder die Soulfulness der Songs akzentuiert wird.
mf
 DIEGO AMADOR: Vivir
DIEGO AMADOR
Vivir
(Nuevos Medios/Galileo MC)


So plakativ und uninspiriert wie der Albumtitel, so relativ uninspirierend und kommerziell, gar seicht ist leider auch das neue Werk des „Gypsy Ray Charles“ geraten. Vielfach zuvor wurden Bolero und Jazz gekonnter und origineller mit Flamenco verbunden, als es der an sich exzellente Flamenco-Jazz-Pianist und -sänger aus dem famosen Pata-Negra-Clan hier tut.
kw

 FRED APE: „… nur Glück gehabt!“
FRED APE
„… nur Glück gehabt!“
(Ruhrfolk)


Nach vierzig Jahren Bühnenpräsenz und neunzehn Alben hat der Liedermacher aus dem Ruhrpott noch viel zu sagen. Auf seiner aktuellen, fünf Stücke umfassenden EP prangert er nicht nur erneut gesellschaftliche Missstände wie Umweltzerstörung oder zunehmenden Rechtsruck an. Mit seinen eingängigen Melodien und scharfzüngigen Texten will Ape seine Zuhörer vor allem aufrütteln, selbst die Stimme zu erheben und zu handeln.
ep
 THOM ARTWAY: All I Know
THOM ARTWAY
All I Know
(Warner Tschechien)


Der preisgekrönte tschechische Singer/Songwriter setzt mit einem großen Label zum Sprung auf das internationale Parkett an. Der Folkpop des 26-Jährigen orientiert sich dabei an Größen wie Ed Sheeran, Glen Hansard oder Coldplay. Exzellent eingespielt, doch irgendwie klingt alles sehr bekannt, passend zu einem seiner neuen Songs „I Had No Inspiration“.
ep

 BANDA SENDEROS: Oase
BANDA SENDEROS
Oase
(Eigenverlag)


„(Wir bring’n die) Sonne in die Stadt“, singt die Essener Reggaebande zusammen mit den 257ers. Ach, ihr wart das also! Kaum war die Single raus, hatten wir hier vierzig Grad plus – na, schönen Dank auch! Ja, klar, euer neues Album ist schon klasse geworden, nur überlegt euch in Zukunft besser, was ihr singt! Wie heißt die neue Single? „Sinkende Sonne“? Na also, geht doch …
wb
 SAM BAKER: Horses And Stars
SAM BAKER
Horses And Stars
(Eigenverlag)


Dass der amerikanische Liedermacher von den Stehaufmännchen am Rande der Gesellschaft singt, hat gewiss damit zu tun, dass er die Gitarre verkehrtherum spielen muss, seit er bei einem Terroranschlag 1986 die halbe linke Hand verlor. Bei dieser Spoken-Word-Performance mit Gitarrenakkorduntermalung braucht man allerdings gute Englischkenntnisse.
hjl

 BIBIO: Ribbons
BIBIO
Ribbons
(Warp Records)


Der Engländer Bibio heißt eigentlich Stephen Wilkinson und könnte beim ersten Hören fast als Wiedergänger von Nick Drake durchgehen. Oder auch nicht, denn seine oft melancholischen Songs und Tunes nimmt der Multiinstrumentalist (mindestens fünfzehn Instrumente sind gelistet) meist mutterseelenalleine auf. Zart besaitet im wahrsten Sinne des Wortes.
mk
 DONALD BLACK: Bho M’Chridhe – From My Heart
DONALD BLACK
Bho M’Chridhe – From My Heart
(Eigenverlag)


Die Mundharmonika ist klein und musikalisch beschränkt? Falsch! Zumindest dann, wenn ein Könner wie Donald Black sie „von Herzen“ (so der Albumtitel) spielt. Instrumentalmusik, konventionell zwar, aber äußerst gekonnt und begleitet von einer Schar illustrer Musiker von Bands wie Runrig oder Skerryvore. Hornpipes, Jigs oder Slow Airs, die einfach Spaß machen.
mk

 BUBE DAME KÖNIG: Nachtländlein
BUBE DAME KÖNIG
Nachtländlein
(CPL Music)


Auf ihrem dritten Album bieten Juliane Weinelt (Gesang, Querflöte), Jan Oelmann (Gitarren, E-Bass, Violine, Percussion) und Till Uhlmann (Drehleier) diesmal deutsche Wiegenlieder und schaffen es erneut, mit intelligenten, überraschenden Arrangements selbst altbekanntem Liedgut eine Frischzellenkur mit Aha-Effekt zu verpassen. Hervorragend und absolut hörenswert!
uj
 BUZZART – CLAUDIO PONTIGGIA: Bailéad
BUZZART – CLAUDIO PONTIGGIA
Bailéad
(Brambus Records)


Wie tönt eine neunköpfige Gruppe mit vier Harfen, je einer elektrischen und akustischen Gitarre, Bass, Schlagzeug und Percussion? Meist ziemlich keltisch, stammen doch die meisten der Stücke aus Irland und Schottland. Daneben heißen die Komponisten aber auch G. F. Händel und M. Mussorgski. Trotz der vielen Instrumente wirkt das Album nie überladen.
mst

 CLADATJE: Sheyne Lidele Un Dreylach Tantz
CLADATJE
Sheyne Lidele Un Dreylach Tantz
(Weltwunder)


Seit gut über zwanzig Jahren besteht diese Band aus dem Großraum Bremen, Rudolstädtern von der Straßenmusik bekannt und zusammengesetzt aus René Bandorski (perc), Edna Eversmeier (v, voc), Till Eversmeier (v), Clive Ford (b, fl, voc), David Hodgkinson (acc), Kurt Kratzenberg (g, mand). Hier legen sie ein fulminantes, ihr mittlerweile sechstes Album vor.
mg
 ANDY CLARK: I Love Joyce Morris
ANDY CLARK
I Love Joyce Morris
(Greywood Records)


Wer ist Joyce Morris? Da wir es kaum erraten können: Der Apfelhändler, bei dem der Brite das Obst für seine Kinder kauft. Clarks Stücke sollen seine Kinder ironisch auf die Widersprüche des Lebens vorbereiten. So heißt er sie mit der Singleauskopplung „Welcome To The Party“ im Irrsinn der Welt willkommen – mit sanften Klängen aus der Stilfülle der Sechziger und Siebziger – und stippt mal munter in den Hillbilly.
is

 HEIN COOPER: Underneath It All
HEIN COOPER
Underneath It All
(Ferryhouse Productions)


Der Australier mit holländischer Mutter wandelt auf seinem neuen Album auf einem Grat zwischen Singer/Songwriter-Ästhetik und Pop- bzw. R’n’B-Arrangements. Die Kompositionen sind sehr zugänglich und können problemlos im Formatradio gespielt werden. Der Folkfaktor entsteht nur durch die integrierte Akustikgitarre. Diese passt sich aber durchaus stimmig in das Gesamtbild ein.
is
 SARA CORREIA: Sara Correia
SARA CORREIA
Sara Correia
(Universal)


Die 25-jährige Portugiesin hatte mit ihrem Debütalbum in Portugal einen durchschlagenden Erfolg. Ihr Markenzeichen ist ihre ausdrucksstarke Fadostimme. Zusammen mit den beiden Stars der Fadoszene, Diogo Clemente (Bass und Gitarre) und Ángelo Freire (portugiesische Gitarre), ist ein klassisches, traditionelles Fadoalbum entstanden.
mst

 STEVE CRAWFORD & SABRINA PALM: Two
STEVE CRAWFORD & SABRINA PALM
Two
(Eigenverlag)


Trotz der zwei Namen und des Titels musizieren auf dieser CD fünf Musiker. Die beiden schottisch-deutschen Duo-Mitglieder, zu Hause in der Bonner Irish-Music-Szene, bieten mit Gitarre, Gesang und Fiddle, die anderen drei mit Pipes, Whistles, Bodhrán und Viola feine traditionelle Musik von den keltischen Inseln. Nur ein Booklet fehlt.
mas
 CRAZY FREILACH: Masa
CRAZY FREILACH
Masa
(Hofa)


Da spürt man Lebensfreude, wenn das sympathische Leverkusener Quintett mit Simon Boos (cl), Jeannine Engelen (voc), Emma Fridman (v), Daniel Hessel (b) und Julian Hilgert (g) zum Klezmer aufspielt und mit Klassikern von Abe Schwartz und Naftule Brandwein oder den Israelis Yossi Spivak sowie Naomi Shemer (1930-2004) die Szene bereist (masa, dt. „Reise“).
mg

 LUCA CURCIO & FREE HUMANS feat. GAVINO MURGIA: Sabir
LUCA CURCIO & FREE HUMANS feat. GAVINO MURGIA
Sabir
(Visage Music)


Der Turiner Kontrabassist und seine Band (Simone Bottasso, diatonisches Akkordeon, Enrico Degani, Konzertgitarre, und Ruben Bellavia, Schlagzeug) bedienen sich primär aus dem großen Fundus der Weltmusik. Sopransaxofonist Murgia ergänzt das Quartett mit energetischem Spiel, das aufzeigt, welchen Weg John Coltrane den folgenden Generationen wies.
wb
 CURSE OF LONO: 4am And Counting
CURSE OF LONO
4am And Counting
(Submarine Cat Records)


Jeder Song auf 4am And Counting wurde live im Studio eingespielt, wobei alle Songs von den ersten beiden Alben der Band, Severed und As I Fell stammen. Aber wozu eigentlich? Um mal ganz authentisch in Liam Watsons kultigem Toe-Rag-Studio was einzuspielen? Oder soll es eine Best-of der Band sein?
mf

 DAGUITARRA: Una
DAGUITARRA
Una
(Augenblick Musik, Vinyl mit Downloadcode)


Zwei reifere Herren mit Schlips und Weste sitzen mit ihren akustischen Gitarren in einem Radio- und Telefonmuseum inmitten von Regalen voller alter Geräte. Sehr retro. So auch die Aufnahmen des Duos Daguitarra alias Daniel Sieker und Rainer Bartonitschek. Federnde Miniaturen für zwei Steelstrings, schön eingespielt, warme, freundliche Musik.
rb
 DIRK DARMSTAEDTER: Strange Companions
DIRK DARMSTAEDTER
Strange Companions
(Beg, Steal and Borrow Records)


Zehn Lieder hat der seit den Achtzigern erfolgreiche Hamburger nach und nach ausgeworfen, sie geschliffen und dann zu seinem zehnten Soloalbum zusammengestellt. Wie immer singt er englisch, selbst bei seinem auf dem Banjo gespielten Opener, der Ode an die Heimat „Wilhelmsburg“. In seinem typischen, selbstsicheren Stil ist jedes der ganz unterschiedlichen Stücke gelungen.
is

 MASSA DEMBELE: Alumaye
MASSA DEMBELE
Alumaye
(Izniz Records)


Er ist ein Meister der Kamele N’goni, einer Stegharfe, die ähnlich bezaubernde Klänge produziert wie die deutlich größere Kora. Dembele entstammt einer Griot-Familie, steht auch als Sänger und Liederschreiber in der Musiktradition des Westens Burkina Fasos. Die Songs seines zweiten Albums sind durchaus zeitgemäß, preisen u. a. die (neue?) Rolle der Frau.
rs
 EMILIA D’HERCOLE: Collettivo Decanter
EMILIA D’HERCOLE
Collettivo Decanter
(Visage Music)


Das Turiner Quartett zog sich für die Aufnahmen des aktuellen Albums auf die Insel Elba zurück. Im Zentrum der Lieder steht denn auch das Meer. Die zwei Frauen und Männer spielen eine Vielzahl von teils exotischen Instrumenten und erzeugen damit einen schwer einzuordnenden, modernen, leicht jazzigen Folk.
mst

 DIVERSE: ... auf immer nieder! Eine musikalische Zeitreise im Geiste Bertha von Suttners
DIVERSE
... auf immer nieder! Eine musikalische Zeitreise im Geiste Bertha von Suttners
(Eigenverlag)


Der österreichischen Friedensaktivistin Bertha von Suttner (1843-1914) ein Album zu widmen, kann ja so falsch nicht sein, vor allem da ihr Aufruf „Die Waffen nieder!“ nie vergeblicher klang. Der Grazer Künstler Andreas Stangl hat ein Konzeptalbum mit Hilfe diverser Gäste, etwa der steiermärkischen Kultband Aniada a Noar, aus nachgelassenen Schriften und Texten gemacht. Kein Ohrenschmaus, aber künstlerisch wertvoll.
jus
 DIVERSE: Bardentreffen 2019
DIVERSE
Bardentreffen 2019
(CPL-Music)


Zugegeben, als Appetitanreger kommt die CD ein wenig spät daher. Wer aber vom 26. bis 28. Juli in Nürnberg dabei war, wird sie sich gerne als Erinnerung ins Regal stellen. Und wer nicht dabei war, kann auf diesem feinen Sampler hören, was er oder sie verpasst hat. Geschmacksichere Künstlerauswahl, mitreißende Musik. Zum Genießen.
wb

 DJANGO 3000: Django 4000
DJANGO 3000
Django 4000
(Crow Records)


Wie jedes PC-Programm, so braucht auch ein Musikkonzept gelegentlich ein Update. Wer die bayerischen Gitanos also noch aus ihrer „Heidi“-Zeit auf dem Schirm hat, muss umdenken. Deftiger Rock, Refrains im Weltraum-Hall und teils neues Instrumentarium sorgen für Durchzug. Geblieben sind starke Texte und immense Spielfreude. Django 4000 = besser denn je!
wb
 DRÜDIETER: Roscht & Rose
DRÜDIETER
Roscht & Rose
(Narrenschiff)


Drüdieter, das sind Dieter Sulzer (Gesang, Jodel, Trümpi, Flöte), Dieter Ringli (Gitarren, Halszither, Gesang) und Dieter „Dide“ Marfurt (Halszither, Gitarren Bass, Gesang). Die drei kleiden die Schweizer Volksmusik in einen noch selten getragenen, mit Rootsrock gegerbten Mantel.
mst

 DUOPIGALLE: Mongolfiere
DUOPIGALLE
Mongolfiere
(Starfish)


Das norddeutsche Duo spielt Lieder von den Beatles, Gilberto Gil, Kurt Weill oder auch Knut Kiesewetter. Sängerin Claudia Giese wird begleitet von Akkordeonspieler Thomas Krizsan. Diese CD kauft man nach dem Besuch eines Liveauftritts des Duos gerne. Im direkten Vergleich sind die Originale zu mächtig.
ce
 MORITZ ECKER: No Way Out Of The Universe
MORITZ ECKER
No Way Out Of The Universe
(Waterfall Records)


Ein Radfahrer vertont seine vielmonatige Weltreise nach Melbourne musikalisch. Diese Art zu leben und solche Erfahrungen zu machen, ist sicher prägend und vermutlich glückserzeugend. Die Songs entstanden auf dieser Reise, was sich textlich natürlich niederschlägt. Musikalisch begleitet Ecker seine Songs auf der akustischen Gitarre, was die Assoziation von Straßenmusik noch verstärkt.
ce

 EMMA ELISABETH: Melancholic Milkshake
EMMA ELISABETH
Melancholic Milkshake
(Ferryhouse Productions)


Emma Elisabeth bietet ihre sympathischen Dream-Pop-Songs pfiffig dar. Das Problem ist, dass unzählige Künstlerinnen es ihr gleichtun und nur wenige erreichen das Format einer Angel Olsen. Die Gefahr, dass die Veröffentlichung der Schwedin schlichtweg in der Masse untergeht, ist hoch. Dabei lohnt sich das Hinhören hier nicht nur wegen der vielen liebevollen Einfälle.
ce
 MARIA EMÍLIA: Casa De Fado
MARIA EMÍLIA
Casa De Fado
(Edicoes Valentim)


Es klingt wahrlich nicht nach einem Debüt, noch dazu dem einer Brasilianerin. Die ausdrucksstarke Sängerin kam früh auf den Fado-Geschmack und nach einigem Hin und Her zum Ausbau ihrer Karriere nach Lissabon. In vierzehn ausgereiften, abwechslungsreichen Stücken vernehmen wir ihren frischen, klaren, für eine Fadista aus São Paulo durchaus orthodoxen Gesang.
kw

 ENSEMBLE NU:N: Manigem Herzen
ENSEMBLE NU:N
Manigem Herzen
(Raumklang)


Alte Musik in Form von Kirchenkonzertmitschnitten. Die reduzierte Instrumentierung (Akustik- und E-Gitarren, Live Looping, wenig Percussion) mit jazzigen Saxofoneinwürfen und Frauenstimme erzeugt eine starke Spannung zwischen mittelalterlichem Musikmaterial und moderner Ausdeutung. Gesungen in Latein, Mittelhochdeutsch und Altfranzösisch erklingen Minne-, Troubadour- und Klagelieder.
pp
 EXPRESS BRASS BAND: Who’s Following Who
EXPRESS BRASS BAND
Who’s Following Who
(Trikont)


Seit zwanzig Jahren schon spielt die zwanzig Mann starke Combo aus München zusammen. Mit ihrem Sound taugt sie gleichermaßen als Straßen-, Hochzeits- wie als Beerdigungsband. Sie bietet auf dem vierten Longplayer eine groovige Melange aus Jazz, Soul, Afrobeat und New Orleans Brass, gewürzt mit Latin, Funk und Freejazz. Partytauglich.
ink

 LAJKÓ FÉLIX & VOLOSI: Lajkó Félix & Volosi
LAJKÓ FÉLIX & VOLOSI
Lajkó Félix & Volosi
(Felczak Records)


Wenn der in Ungarn als Teufelsgeiger verehrte Lajkó Félix auf seine fünf preisgekrönten Kollegen, das polnische Streichensemble Volosi trifft, kann das Ergebnis nur ein Feuerwerk sein. Die sechs kreieren eigene Kompositionen mit solch einer Energie und Impulsivität, dass einem der Atem stockt. Musikalische Virtuosität und Kreativität auf höchstem Niveau.
ep
 FOREIGN DIPLOMATS: Monami
FOREIGN DIPLOMATS
Monami
(R.D.S)


Uuhuhu! Glitzernden, mitunter auch pathetischen Rock voller Energie machen die fünf jungen Kanadier auf ihrem Debütalbum. Dabei setzen sie auf hochstimmigen Chorgesang und ausgetüftelte Arrangements, ähnlich wie The Arcade Fire. Die beliebte, reisefreudige Vollblut-Liveband aus Montreal präsentiert nach drei Singleauskopplungen hier das gesamte Werk.
is

 FREDRIK FORSBERG: Neues aus dem Wolkenkuckucksheim
FREDRIK FORSBERG
Neues aus dem Wolkenkuckucksheim
(Dr. Evil Records)


Fredrik Forsberg war Mitglied der Popband The Major und singt heute noch für die Münchner Kapelle Beathotel. Nach sieben Jahren veröffentlicht der Musiker nun sein zweites Soloalbum, und obwohl viel Zeit vergangen ist, knüpft es nahtlos an den Vorgänger an. Wiederum verbindet er seine schräge Stimme mit stark vereinfachten Beatles-Melodien und deutschen Liedermachertexten.
ce
 GUO GAN TRIO: Gobi Desert
GUO GAN TRIO
Gobi Desert
(Felmay Records)


Lang Lang, Didier Lockwood, Aly Keïta – mit wem hat Guo Gan nicht schon alles gespielt? Nun ist seine zweisaitige Spießgeige Erhu zusammen mit der Baglama von Emre Gültekin und der Bechertrommel Doholla von Levent Yildirim zu hören. Nahtlos verschmelzen türkische und chinesische Traditionen zu einer homogenen Musik.
ink

 GARDEN OF DELIGHT: Eternity
GARDEN OF DELIGHT
Eternity
(DMG Records)


Die Irish-Folk-Rocker von der Bergstraße widmen ihr zwanzigstes Studioalbum seit 1998 der Ewigkeit. Die Songs klingen düster, fast gruftimäßig, aber interessanterweise nie ohne zumindest einen Schuss guter Laune, gewissermaßen ein Augenzwinkern, das man dem Tod und dem Danach zukommen lässt. Leider ist kein Beiheft mit Texten dabei!
mas
 GENTLE SPIRITS: Across The Isles
GENTLE SPIRITS
Across The Isles
(Friends Of Green Sonic)


Barockmusik, die sich von keltischer Folkmusik inspirieren ließ – zu hören in 25 Instrumentalstücken, gedrittelt in irische, schottische und englische Quellen. Saiteninstrumente (Erzlaute, Barockgitarre) und Blockflöten dominieren, kombiniert mit abwechslungsreicher Percussion. Aus Irland nur Musik des Harfenspielers und Komponisten Turlough O’Carolan, ansonsten Stücke von Geminiani, Purcell und Händel.
pp

 MICHEL HAUMONT & JOËL GOMBERT: Kaleidoscope
MICHEL HAUMONT & JOËL GOMBERT
Kaleidoscope
(Acoustic Music Records)


Stahlsaitengitarre trifft Nylonsaitengitarre. Die französischen Gitarristen vereinen die Klangwelten beider Gitarrentypen in wunderschönen Duos. Man spürt in der ruhigen und facettenreichen Musik die Liebe, mit der sie ihre Instrumente spielen. Ihre Eigenkompositionen sind klug arrangiert, luftig leicht, poetisch und mit französischem Charme.
uh
 PETER HERRMANN feat. RUFUS BECK: Samis Welt
PETER HERRMANN feat. RUFUS BECK
Samis Welt
(O-Tone-Music)


Der E-Bassist und Studiobesitzer hat ein gesellschaftskritisches Pop-Musical für Jugendliche geschrieben und komponiert. Die sechzehn Songs zwischen Rock, Popballaden, Jazz oder afrikanischen Rhythmen thematisieren unter anderem die Flüchtlingsproblematik oder das Konsumverhalten. Erzählt wird die Geschichte des Migrantenjungen Sami, der seinen Vater sucht, vom Schauspieler Rufus Beck.
ep

 HÒ-RÒ: Hex
HÒ-RÒ
Hex
(Eigenverlag)


Auf der Website ein Sextett, auf der CD sind sie sieben, die Herren und die eine Dame aus den schottischen Highlands. Manchmal rhythmisch vertrackt (Puirt-a-beul mit Reggae-Beat!), auch mal ziemlich elektronisch, superschnelle Jigs ’n’ Reels und dann ein konventioneller, netter Song im Viervierteltakt – das dauernde Bemühen, die Musik relevant zu halten. Gute CD!
mk
 HOT & COOL: Bahdim
HOT & COOL
Bahdim
(Eigenverlag)


Aus ganz verschieden musikalischen Richtungen kamen die Würzburger Bernhard (acc, g) und Claudia von der Goltz (voc), Uwe Schachner (c) und Rainer Schwander (acc, sax, zimb) mit der aus Freiburg im Breisgau stammenden Petra Müllejans (v) zusammen, um swingenden Klezmer mit jiddischer und Tangomusik zu verbinden.
mg

 MIN HYE-SUNG & GYUN EUN-KYUNG: Pansori – Sugyeong-Nangja-Ga/Le Dit De Demoiselle Sugyeong
MIN HYE-SUNG & GYUN EUN-KYUNG
Pansori – Sugyeong-Nangja-Ga/Le Dit De Demoiselle Sugyeong
(Buda Musique)


Kann man sich einer Musik rein hörend nähern, die den meisten wohl so fern ist wie die erdabgewandte Seite des Mondes? Ja und Nein. Pansori ist eine Kunstform, die im 18. Jahrhundert auf den (Jahr-)Märkten Koreas aufkam und heute zum UNESCO-Kulturwelterbe zählt. Eine Sängerin, eine Trommlerin, wenige Accessoires – erzählt wird eine lange epische Geschichte. Faszinierend.
rb
 INTI PUNCHAI: Wiñaypacha
INTI PUNCHAI
Wiñaypacha
(Eigenverlag)


Seit 1981 unter dem Namen firmierend, mit insgesamt sechs Alben, veröffentlichen die vier offenbar schon lange in Europa lebenden Bolivianer erstmals eines mit eigenen instrumental und vokal gestalteten Kompositionen. Diese muten in ihrer Umsetzung durch u. a. zwei Gitarren, Charango oder Quena allerdings wie ganz heimatverbundene, andine Traditionals an.
kw

 DOMINIK JUNG: Classical Steel
DOMINIK JUNG
Classical Steel
(Dolamusic)


Klassische Gitarrenmusik von Dowland, Frescobaldi, Barrios Mangore und Brouwer auf einer Stahlsaitengitarre. Das ist, wenn auch nicht ganz neu, so doch noch immer sehr ungewohnt. Unter den Händen eines derart klangschön und kundig spielenden Gitarristen ist die Frage, ob Nylon oder lieber Stahl, allerdings rasch vergessen.
rb
 DIE KLAUS VERSCHWÖRUNG: Zeit für Zaubertrank
DIE KLAUS VERSCHWÖRUNG
Zeit für Zaubertrank
(Eigenverlag)


Felsberg an der Eder ist vielleicht das Vorbild für den ersten Song des dort wohnenden Liedermachers („Auf dem Land“), eine Liebeshymne an das Leben fern der Großstadt. Beim Titellied geht es um Fastfood versus Slowfood. Neun standarddeutsche Lieder, nachdenklich, ohne melancholisch zu sein, sind alle im schönen Beiheft mitzulesen.
mas

 KNOEDEL: Still
KNOEDEL
Still
(Col Legno)


Der Bandname ist blöd und führt in eine rustikale Irre zwischen Dirndl, Sauerkraut, Lederhosen und Mundart. So nannten sich Bands, die im vorigen Jahrhundert gegründet wurden. Letzteres stimmt bei Knoedel, der Rest allerdings ist eine allerfeinste, höchst eigene instrumentale Mixtur aus Tirol, bei der sich Blas-, Streich- und Zupfinstrumente einem überaus elegant-intellektuellen Miteinander hingeben.
jus
 K.O.G. & THE ZONGO BRIGADE: Wahala Wahala (Joy From The Struggle)
K.O.G. & THE ZONGO BRIGADE
Wahala Wahala (Joy From The Struggle)
(Pura Vida Sounds)


Das Debütalbum des ghanaischen Sängers und Multiinstrumentalisten Kweku Sackey und des jamaikanischen Rappers Franz Von mit der neunköpfigen Band The Zongo Brigade. Energetische Musik mit vielen westafrikanischen Zutaten trifft auf Hip-Hop und Reggae. Die positive Energie dieser Musik verbirgt leicht, dass es in den Texten oft um traurige Themen geht.
cs

 KOKOKO!: Fongola
KOKOKO!
Fongola
(Transgressive)


Aktuelle Club- und Tanzmusik aus Kinshasa, gespielt auf DIY-Instrumenten mit Loopern und Lo-Fi-Effektgeräten. Ein experimentierfreudiges, kreatives Klangabenteuer, das trotz der offensichtlichen Absagen an Traditionen nahtlos an den Afrosoul der Siebziger anknüpft. Der „Schlüssel“ (fongola) liegt wohl in den Texten über kongolesische Lebenswirklichkeiten.
cs
 ANDRÉ KRENGEL & ROLAND KRAUSE: Travels
ANDRÉ KRENGEL & ROLAND KRAUSE
Travels
(DMG Germany)


Musik wie eine Urlaubspostkarte. Die beiden deutschen Gitarristen André Krengel und Roland Krause bieten mit ihrer neuen CD Travels den Soundtrack für Weltreisende. Virtuoser Flamenco trifft auf Gypsy Swing, indische Klänge treffen auf amerikanischen Jazz. Die Spielfreude der Gitarristen verbindet alle Titel. Gitarrenmusik, die gute Laune macht.
uh

 MICHAEL LAPUKS: Guadalajara
MICHAEL LAPUKS
Guadalajara
(Rasant Records Berlin)


Eine Gitarre aus dem mexikanischen Guadalajara hat den Berliner Künstler Michael Lapuks zu diesem außergewöhnlichen akustischen Exkurs inspiriert. Und auch wenn sie die Hauptrolle spielt, hört man in den verspielten, frei fließenden Tongemälden dezente Electronica, verschrobene rhythmische Patterns und seltsame Sounds. Eine inspirierende Entdeckung.
rb
 JIM LAUDERDALE: From Another World
JIM LAUDERDALE
From Another World
(Yep Roc Records)


Lauderdale scheint Songs nur so aus dem Ärmel zu schütteln. Dieses Mal hat sein countrygefärbter Klang einen stark psychedelischen Touch, sodass insgesamt ein stark an die Sechziger erinnerndes Feeling entsteht. Unterschwellig schleicht sich der wolkige Sound der akustischen Grateful Dead ein, die Lauderdale so sehr verehrt, angereichert durch viel Lap-Steel- und schöne Twang-Gitarren.
mf

 LEANA & HARTWIN: Kodu
LEANA & HARTWIN
Kodu
(Trad Records)


Das estnische Duo von der Ostseeinsel Saaremaa stellt eigene Stücke vor, die der estnischen Tradition verhaftet sind (einzige Ausnahme: das traditionelle Lied „Siidilipp“). Leana Vapper-Dhoore hat die meisten Texte geschrieben und singt mit klangvoller Stimme und wunderbar deutlicher Aussprache, Hartwin Dhoore begleitet sie auf allerlei Flöten und der estnischen Sackpfeife.
gh
 MATIA LEVRÉRO, TCHA LIMBERGER: Mediterranean Quartet
MATIA LEVRÉRO, TCHA LIMBERGER
Mediterranean Quartet
(Eigenverlag)


Matia Levréro (E-Gitarre) und Tcha Limberger (Geige, Gesang) haben sich mit Guilhelm Verger (Sax, Akkordeon) und Simon Leleux (Percussion) erfahrene Mitmusiker ausgesucht. Die gemeinsame CD integriert jede Menge mediterrane Folklore, Gypsy und anderen Jazz. Oft dramatisch, selten ruhig, immer abwechslungsreich.
ink

 DAVID LOMBARD: Looking For A Dream
DAVID LOMBARD
Looking For A Dream
(Home Records)


Der belgische Künstler bietet auf seinem Album zweimal das gleiche Set an, einmal elektrisch, einmal akustisch vorgetragen. Dieser mutige Schritt geht nicht ganz auf, zu ähnlich sind sich die Arrangements dem Wesen nach. Wer ausgezeichnete Americana-Songs im Stil von Bruce Springsteen aber auch zweimal hintereinander hört, kann bei Looking For A Dream gerne zugreifen.
ce
 LOUVAT BROS.: Between The Heart And Reason
LOUVAT BROS.
Between The Heart And Reason
(Acoustic Music Records)


Bruder Jefferson Louvat taucht nur als Special Guest auf, aber mit Jeff Carney an der Mandoline und Michel Vrydag am Bass hat der belgische Banjomeister Steve Louvat musikalische Brüder an Bord. Das Trio bietet vor allem rasante Bluegrass-Instrumentals mit Anleihen aus Jazz und Folk. Geballte Virtuosität, strahlende Kompositionskraft.
vd

 LUCIBELA: Laço Umbilical
LUCIBELA
Laço Umbilical
(Lusafrica)


Die aktuelle Fassung des erstmals 2018 veröffentlichten Albums weist mit „Ti Jon Poca“ ein zusätzliches Lied auf. Die Stücke „Sai Fora“ und „Dona Ana“ wurden zusammen mit dem Raï-Sänger Sofiane Saidi und dem Angolaner Bonga neu aufgenommen. Wer Lucibela noch nicht kennt, sollte hier zugreifen. Die Frau von den Kapverden singt umwerfend schön.
mst
 MALENCO: Berries For The Old Town
MALENCO
Berries For The Old Town
(Brambus Records)


Eine gewisse Rauheit hat Malenco bewahrt, obwohl beim dritten Album des Schweizer Americana-Liebhabers mit Sandro Dietrich ein ausgewiesener Popmusikproduzent an den Reglern saß. Folk und Blues mit eingängigen Riffs und Melodien schmeicheln dem Ohr. Das kann auch mal nach altem Country klingen wie in „Tangerine Man“. Ein Bündner Statement.
vd

 MANJUL: Dub To Mali – Season 3: Douba
MANJUL
Dub To Mali – Season 3: Douba
(Baco Records)


Seit 2005 veröffentlicht der Franzose Julien Souletie (aka Manjul) seine kleine Reihe Dub To Mali. Inzwischen ist Volume 3 heraus, und einmal mehr ist eine springlebendige Platte entstanden, die Jamaika mühelos nach Mali transferiert. Und Dub auf Sokou, Djembe, Ngoni, Kora und Balafon hört man auch nicht oft. Ein feines Konzept. Mehr davon!
wb
 SINEAG MacINTYRE: Lòn Bàn
SINEAG MacINTYRE
Lòn Bàn
(Greentrax Recordings)


Erstes Album der Absolventin des Royal Conservatoire of Scotland und Mod-Gewinnerin 2010 von der Insel South Uist. Großartiger Gesang, hervorragende Begleitmusiker (z. B. Ewan MacPherson, Mhairi Hall) und eine saubere Produktion (Iain MacDonald) – ein überzeugendes Dokument gälischer Tradition im Hier und Heute. Texte in Gälisch, Infos in Gälisch/Englisch.
mk

 ELENI MANDELL: Wake Up Again
ELENI MANDELL
Wake Up Again
(Yep Roc Records)


Die kalifornische Liedermacherin verarbeitete auf diesem Album Erfahrungen aus Workshops zum Liederschreiben in Frauengefängnissen. Ihre Songs haben interessante Melodien, das Spiel auf der E-Gitarre wirkt aber lieblos, und ihr Gesang lässt jegliche Ausdrucksstärke vermissen. Ist das jetzt cool oder einfach nur Singen mit Kaugummi im Mund? Verzichtbar.
hjl
 MICHAEL McDERMOTT: Orphans
MICHAEL McDERMOTT
Orphans
(Pauper Sky Records)


Schwermütiger Countryrock aus Kanada. Locker und mit rauchiger Stimme erzählt McDermott seine Geschichten vom Aufwachsen im ländlichen Kanada, von der Suche nach Liebe und Anerkennung und davon, dass, mit leichtem Pathos, die Welt schöner sein könnte, als sie ist.
mf

 MEIKO: In Your Dreams
MEIKO
In Your Dreams
(Popup-Records)


Meiko gehört zu den jungen Künstlerinnen, die mit ihrem leichten Indie-Pop-Folk unter dem Label „Dream Pop“ oder „Chamber Pop“ auch jugendliches Festivalpublikum erreichen. Meiko hebt sich von der Masse der Veröffentlichungen durch ihren feinen Humor und eine mädchenhafte, heisere Stimme ab, die elektronisch begleitet geschickt in Szene gesetzt wird.
ce
 MEKONS: Deserted
MEKONS
Deserted
(Glitterbeat Records)


Die Musikwelt der Mekons vermischt Folk, Reggae, Electronica, Jazz, Rock, Afrikanisches und baut diese mit Hilfe von mehrstimmigem Gesang, Geige, Bouzouki und Akkordeon zusammen. Nach vierzig Jahren Bandgeschichte klingen die Mekons auf Deserted noch immer recht wild. Doch ob das nun „verlassen“ oder „wüstenorientiert“ meint?
mf

 MESZECSINKA: Allj Bele A Mélybe – Stand Into The Deep
MESZECSINKA
Allj Bele A Mélybe – Stand Into The Deep
(CPL-Music)


Das ungarisch-bulgarische Quartett „Der kleine Mond“ um die Sängerin Annamaria Oláh präsentiert ein weiteres kraftvolles Album. Ihr „Psychedelic new wave folk“ bewegt sich zwischen hypnotischen Balladen und voluminösem E-Gitarren-Rock. Die intensiven Arrangements verbreiten die Atmosphäre von tanzenden Derwischen und Schamanen, die in den Wäldern auf Feen treffen.
ep
 LIZ MEYER with CHRIS JONES: Blue Lonesome Wind. Live in Holland
LIZ MEYER with CHRIS JONES
Blue Lonesome Wind. Live in Holland
(Strictly Country Records)


Die gemeinsame musikalische Zeit der beiden nach Europa übergesiedelten US-Amerikaner reichte nur ein gutes Jahr lang. Liz Meyer, 2011 verstorben, überzeugt auf dieser Aufnahme vom Januar 1998 mit ihren Songs und ihrer besonderen, kraftvollen Stimme. Sechs Jahre vor ihr starb der wunderbare Gitarrist Chris Jones. Dokument einer doppelten Lücke.
vd

 MIRAMUNDO: Sofá
MIRAMUNDO
Sofá
(NarRator)


Und weiterhin schüttet das Mestizo-Füllhorn Barcelona Buntes aus. Auf das „Sofa“ des 2000 formierten Multikulti-Quintetts passt alles nur Denkbare zwischen Brasilien – der Heimat des Bandleaders – und Latin, Mediterranem, Flamenco und Gypsy. Eine musikalisch abwechslungsreiche, polyglotte Weltreise in vierzig Minuten, ohne erkennbaren Kurs oder die Spur eines roten Fadens.
kw
 OLAV MJELVA AND ELI WEST: Hand To Play
OLAV MJELVA AND ELI WEST
Hand To Play
(Eigenverlag)


Ja, genauso fantastisch klangen sie live auf den diesjährigen Celtic Connections, der norwegische Hardangerfiedler und der amerikanische Singer/Songwriter. Zwei Meister mit riesigem Respekt vor der jeweiligen Tradition des anderen. Meist Instrumentals, entspannt, einfach und ein absoluter Genuss.
mk

 MM & THE RIB: Grand Cru Guitar
MM & THE RIB
Grand Cru Guitar
(Eigenverlag)


Gitarrist Martin Müller (MM) widmet sich erneut brasilianisch angehauchter Musik. Im Trio mit Schlagzeug und Bass spielt er eigene Stücke sowie Werke von Egberto Gismonti und Pat Metheny. Im Zentrums stehen die vier Teile von Gershwins „Rhapsody In Blue“. So filigran, kammermusikalisch und zart intoniert hat man dieses Werk noch nie gehört.
uh
 DAVID MUNYON: Dresden, Your Are So Lovely
DAVID MUNYON
Dresden, Your Are So Lovely
(Mobile Home Records)


Der US-amerikanische Sänger und Songschreiber liebt offenbar Dresden, wo er immer wieder aufgetreten ist. Diese Doppel-CD dokumentiert in voller Länge ein Konzert aus der Dreikönigskirche von 2012. In fast zweieinhalb Stunden Laufzeit zeigt der Mann mit der sonoren Stimme in 25 seiner Songs, warum nicht nur das sächsische Publikum ihn so schätzt.
vd

 NA-MARA: Sisters & Brothers
NA-MARA
Sisters & Brothers
(Eigenverlag)


Erneut präsentiert das englische Gitarren- und Oktavmandolinen-Duo ein Album der Kategorie „Einfach, geradeaus und gehaltvoll“. Die Musik ist Trad Québécoise oder French oder Scottish oder Galician oder Na-Mara, fast zur Hälfte also überzeugendes Eigenes. Songs und Tunes wie geschaffen für die Intimität eines Folkclubs.
mk
 NATIVE HARROW: Happier Now
NATIVE HARROW
Happier Now
(Loose Music)


Devin Tuel ist die Songschreiberin des Duos Native Harrow. Es ist ihr drittes Album, eingespielt an drei Tagen in einer Tourpause. Man hört dem Album keine Anstrengung, keine Ermüdung, keine Ermattung an, alles ist frisch und locker. Folksong-Schreibertum, das sehr stark an die frühen Siebziger erinnert, ohne viel Trara um sich zu machen.
mf

 TEIJA NIKU: Hetkessä
TEIJA NIKU
Hetkessä
(Aania 34)


Die finnische Akkordeonvirtuosin legt ihr drittes Soloalbum vor. Es gibt darauf ausschließlich Eigenkompositionen, bei denen fast immer die finnischen Traditionen durchscheinen (einmal jedoch klingt es pariserisch und wie Musette). Eine reine Instrumental-CD, bei der Teija Niku nur ab und zu ein „Hejo“ hören lässt. Von melancholisch bis schmissig alles vertreten.
gh
 NITEWORKS: Air Fàir An Là
NITEWORKS
Air Fàir An Là
(Comann Music)


2017 in Rudolstadt stellten die vier Schotten die Tanzbarkeit ihrer modernen, auf der Tradition basierenden Beats unter Beweis. Auf dem neuen Album sichern sie sich erneut die Dienste gälischer Sängerinnen wie Julie Fowlis oder Ellen MacDonald plus drei Fünftel des Kinnaris Quintets und kleiden das traditionell anmutende Material in aktuelle Sounds. Geht gut ab!
mk

 NOLA IS CALLING: Sewing Machine Effects
NOLA IS CALLING
Sewing Machine Effects
(Jarring Effects)


Die Franzosen David Walters und Olivier Koundouno arbeiten als Nola Is Calling auf jedem Album mit Musikern unterschiedlichster Couleur zusammen. Bei Sewing Machine Effects trafen sie mit Musikern aus den USA und Benin zusammen, um eine moderne Melange aus Rap, Electronica und afrikanischem Gesang einzuspielen, die magnetisch und vibrierend wie moderne Voodoo-Musik klingt.
mf
 GERRY O’BEIRNE: Swimming The Horses
GERRY O’BEIRNE
Swimming The Horses
(Eigenproduktion)


Mit sanfter Stimme und wohlklingenden Gitarren erzählt Gerry kleine Lebensepisoden, märchenhaft, mit einem psychedelischen Touch. Erinnert an die Incredible String Band oder Nick Drake. Trotz des minimalistischen Aufwands an Harmonik und Melodie geht einem die Scheibe direkt ans Herz. Mit dabei die Crème de la Crème der jüngeren irischen Sängerinnen im Background.
js

 OH SUSANNA: Johnstown
OH SUSANNA
Johnstown
(Stella Records)


Die Kanadierin Suzie Ungerleider hat hier zwanzig Jahre alte Aufnahmen remastert und mit akustischen Versionen neu herausgegeben. Sie besticht mit einer ausdrucksstarken Stimme, musikalisch versetzt sie traditionell klingende Folkballaden teils mit Rockarrangements. Ihr „Oh My Good Ol’ Gal“ mit schrittartigen Tönen und Slides verursacht Gänsehaut.
hjl
 OLD SALT: Commons
OLD SALT
Commons
(Trad Records)


Die Band aus dem belgischen Gent zeigt auf ihrem zweiten Album eine Mischung aus Bluegrass und Old-Time, versetzt mit schottischen und schwedischen Einflüssen – was an der internationalen Besetzung liegt. Das Quartett überzeugt durch Interpretationen von Traditionals und mit eigenen Stücken, etwa dem atmosphärisch dichten „Cherokee Trail“.
vd

 ORO: Rompi! Rompi!
ORO
Rompi! Rompi!
(Eigenverlag)


Sie wildern kräftig im Balkanrepertoire und haben hörbar Spaß daran. 2016 fanden die vier Musiker bei einem gemeinsamen Engagement zusammen. Inzwischen haben sie ihr Ensemble um eine Tänzerin erweitert und diese CD produziert. Die überzeugt in energetischen wie in ruhigen Passagen und verzückt mit weiblichem Satzgesang.
ink
 STEFAN PAEHL: Beziehungsreise
STEFAN PAEHL
Beziehungsreise
(Reality Productions)


Alltagsgeschichten, die wohl jeder schon mal in seinen Beziehungen erlebt hat. Eingängige Melodien, die dem musikalischen Zeitgeist entsprechen. Professionell produzierte Arrangements, die ein wenig nach Peter Maffay klingen. Das Debüt des westfälischen Liedermachers präsentiert alles, was Erfolg verspricht. Doch in all dem liegen auch Beliebigkeit, Banalitäten und Musik, die Originalität vermissen lässt.
ep

 ROD PICOTT: Tell The Truth & Shame The Devil
ROD PICOTT
Tell The Truth & Shame The Devil
(Welding Rod Records)


Einsame Männer mit schrammelnder Gitarre, nuscheliger Stimme und schrillen Mundharmonikatönen sterben seltsamerweise nie aus. Aber ist da nicht seit Bob Dylan schon alles gebracht worden? Man könnte hier auf Songs von einem gebrochenen Leben spekulieren, und so ist es auch. Auf Dauer wirkt das aber arg hausbacken und eintönig.
hjl
 BUFORD POPE: The Waiting Game
BUFORD POPE
The Waiting Game
(Unchained Records)


Der schwedische Sänger setzt auf langsame, stark verhallte Akkordklänge. Das wirkt sphärisch bis überladen und schwer. Dieses Orchestrale hat ja auch was Pathetisches. Angenehmer kommt er rüber, wenn er folkiger und bluesiger spielt. Interessant sein ambivalentes Verhältnis zu den USA, das er ehrlich im Song „America“ beschreibt.
hjl

 RAHU THE FOOL: Rahu The Fool
RAHU THE FOOL
Rahu The Fool
(Eigenverlag)


Drei Männer, zwei Frauen. Ein junges Quintett aus Lettland, das rau eigene Musiktradition mit Einflüssen aus Bluegrass, Jazz, Polka, Folk und Blues mischt. Auf der ersten CD wird lettisch gesungen, auf der zweiten englisch. Inhaltlich greift die Band auf Geschichten von Eltern und Großeltern zurück. Ansonsten hat sie Spaß, US-Klassiker zu covern.
vd
 FIONN REGAN: Cala
FIONN REGAN
Cala
(Abbey Records)


Auch auf seinem sechsten Album entführt der von Kritikern hochgeschätzte Ire die Zuhörer in seine sphärische Welt der Musik. Die sparsam mit Akustikgitarre, Klavier und Synthesizer arrangierten zehn neuen Songs erzählen einfühlsame Geschichten über die Sehnsucht, die Liebe und die Natur. Kleine Perlen, in denen jeder seine eigene Bucht (spanisch cala) finden kann.
ep

 RESONANT ROGUES: Autumn Of The World
RESONANT ROGUES
Autumn Of The World
(Eigenverlag)


Gitarre, Banjo, Akkordeon, Fiddle. Damit lässt sich Musik machen, die nach Appalachen, Paris, Balkan und New Orleans klingt. Entsprechend breit fächern Sängerin und Akkordeonistin Sparrow und Gitarrist Keith E. Smith ihren Klangkosmos auf, unterstützt durch Gastmusiker. Dazu liefern sie poetische Texte übers Leben, getaucht in zarte Melancholie.
vd
 LEANDRO RIVA & JAIME B. RUDOLPH: Tango Flamenco
LEANDRO RIVA & JAIME B. RUDOLPH
Tango Flamenco
(Talanton/Raumklang)


Der Titel des Albums der beiden klassisch geschulten Gitarristen weist einerseits auf ihre unterschiedliche Herkunft hin – Argentinien und Spanien – und ist gleichzeitig der Name einer Komposition von Jaime B. Rudolph, die sich dem spanischen Tango widmet. Mit Piazzolla steht dann der Tango Argentiniens im Mittelpunkt. Ein äußerst fruchtbarer transatlantischer Austausch musikalischer Ausdrucksformen.
rb

 JOSEF SCHÖN & FRIENDS: Voi dawischt
JOSEF SCHÖN & FRIENDS
Voi dawischt
(Prosodia)


Bayerische Liedtexte mit „Gschichtn, die as Leben schreibt“ – der Mundartrocker aus Töging an der Altmühl lässt es auf seinem Debütalbum ordentlich krachen mit Folkrock (Betonung auf Rock), ein wenig Weltmusik und Percussion-Beat plus intelligenten Texten, die allesamt von echten Erlebnissen handeln. Rotzfrech, frisch und gut.
uj
 MARIA SCHÜRITZ: Ich, dein Wahnsinn
MARIA SCHÜRITZ
Ich, dein Wahnsinn
(RUM Records)


Ungewöhnliche Perspektiven, aber auch ganz einfühlsame, intime Beobachtungen vermittelt jazzig die Leipzigerin Maria Schüritz. Die Verletzlichkeit von Liebe und Beziehungen, Aufregungen in der Dunkelkammer, die verschwundenen Dörfer der Braunkohle, Trott und Erfüllungen des Alltags, wahnhafte Anwallungen, alles von ihr in schöne Lieder verpackt.
rk

 JOAN SHELLEY: Like The River Loves The Sea
JOAN SHELLEY
Like The River Loves The Sea
(No Quarter)


Meist beginnen Shelleys Songs mit dezentem Fingerpicking, dann setzt ihre glasklare Stimme ein, und ab der Mitte verdichtet sich das Arrangement mit Streichern oder weiteren Gitarren. Obwohl sie aus Kentucky kommt, klingt das eher nach englischer Folkszene, und der Aufnahmeort Reykjavík hat wohl für die elegische Stimmung gesorgt. Meditativ bis betörend.
hjl
 SJAELLA: Meridiane Nord
SJAELLA
Meridiane Nord
(Raumklang)


Sjaella ist ein Kunstwort, das sich auf das schwedische Wort själ für „Seele“ bezieht. So erklären die sechs Sängerinnen aus Dresden ihren Namen. Sie singen in vielen Sprachen – u. a. Englisch, Schwedisch und Finnisch –, und anders als viele, die das versuchen, schaffen sie auch die Aussprache. Und so ist, mit Harmonien und originellen Arrangements, die CD der pure Hörgenuss!
gh

 CHRIS STAPLES: Holy Moly
CHRIS STAPLES
Holy Moly
(Barsuck Records)


Minimalistische Songs, aber eindringliche Melodien, die anfangs sehr schön mit elektronischen Sounds verfeinert wurden, dazu leise hingehauchter Gesang. Lieder, bei denen die Zeit stillsteht. Das erinnert an die frühen Aufnahmen von Ambient-Papst Brian Eno. Oft macht Staples zudem nach einer melodischen Grundfigur eine kurze Pause. Passt dazu.
hjl
 STELLMÄCKE & BAND, ANNETT ILLIG: Sehnsucht nach DUR – Lieder über die Liebe zu Menschen, Inseln und Planeten
STELLMÄCKE & BAND, ANNETT ILLIG
Sehnsucht nach DUR – Lieder über die Liebe zu Menschen, Inseln und Planeten
(Eigenverlag)


Weltmusik aus dem Weltkulturerbe Erzgebirge mit Olaf Stellmäcke und Annett Illig (Gesang) in einem Konzertmitschnitt. Eine gelungene Auswahl mit achtzehn Liedern von León Gieco, Cesaria Evora, Bratsch, Mercedes Sosa, Michele Bernard, Sofia Karlsson und anderen, überwiegend in deutschsprachigen Übersetzungen. Dazu Eigenes sowie Songs von Brecht/Eisler und Gundermann. Passend begleitet von einer Band mit Gitarre, Piano, Klarinette und Saxofon.
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 SARAH-JANE SUMMERS: Owerset
SARAH-JANE SUMMERS
Owerset
(Eigenverlag)


Nun hat sie es geschafft, die schottische Meisterfiddlerin, die in Oslo lebt. Sie hat alle Seelen, die in ihrer Brust leben, auf einer CD vereint, Schottland und Skandinavien, Folk und Jazz, disziplinierte Melodien quasi vom Blatt und freie Improvisationen. Es ist eine grandiose, einzigartige und unglaublich abwechslungsreiche Mischung geworden.
mk
 TARA TIBA: Omíd
TARA TIBA
Omíd
(Cezanne Productions)


In Australien füllt die Sängerin Tara Tiba bereits Stadien. Hierzulande harrt sie ihrer Entdeckung. Vielleicht gelingt ihr das mit ihrem neuen Album. Es kombiniert kubanisch sowie orientalisch geprägten Jazz mit iranischen Lyrics und schließt auch ein paar All-Time-Favourites wie „Autumn Leaves“ und „Ain'T No Sunshine“ mit ein. Gediegen.
ink

 UCEE: Bridges
UCEE
Bridges
(Good Call Records)


Der Regensburger Ussama Soleman (aka UCee) hat mit seinem zweiten Album unter eigenem Namen ein Dutzend origineller Roots-Reggae-Hörspiele eingesungen. Fast alle Stücke beginnen mit einem Kabinettstückchen aus verzerrter Stimme oder schrägen Instrumentalismen, um dann ansatzlos in den obligaten Rhythmus zu wechseln. Das hat Stil und erfreut das Ohr!
wb
 LUKAS UECKER: Unterm Teppich
LUKAS UECKER
Unterm Teppich
(Eigenverlag)


Der Gitarrist des Hamburger Akustiktrios Liedfett gibt hier sein Solodebüt. Ueckers Lieder sind von Rock US-amerikanischer Prägung durchtränkt, die sporadische Pedal Steel fügt Countryflair dazu. Die Punkwurzeln des Protagonisten schimmern allenfalls hier und da in den Texten durch. Nicht gerade innovativer, aber lässig dargebotener Singer/Songwriter-Pop.
is

 VERSENGOLD: Nordlicht
VERSENGOLD
Nordlicht
(RCA)


Die Bremer Folkrocker um Texter Malte Hoyer („Ich trag den Norden tief in mir, ich bin ein Küstenkind“) widmen sich in den Texten sowohl ihrer Nordseeheimat als auch dem aktuellen Tagesgeschehen. Im neunten Album der 2003 gegründeten Band finden sich leichte Santiano-Anklänge, was den Sound betrifft, mit Akzenten durch Nyckelharpa und Geigen, ansonsten viel treibender Rock.
pp
 LOUISA VON SPIES: I’ll Be Fine
LOUISA VON SPIES
I’ll Be Fine
(Hausboot)


Die Künstlerin wechselt munter zwischen den Sprachen Englisch und Deutsch und zwischen diversen Stilrichtungen wie Folkpop, Soul oder Liedermacher. Das drückt die Vielseitigkeit der Musikerin aus, sorgt aber auch für einen zerrissenen Gesamteindruck. Dabei gäbe es für jede Facette ein eigenes Publikum. Vielleicht symbolisiert die CD die Anzahl von Wegen, die der Künstlerin offenstehen.
ce

 THORSTEN WADOWSKI: Holzweg
THORSTEN WADOWSKI
Holzweg
(Eigenverlag)


Wadowski singt seine eigenen deutschen Liedermachertexte, spielt die Instrumente selbst. Leider wurde, wie so oft bei Eigenproduktionen, zu wenig Sorgfalt auf den Gesang gelegt. Der sympathische Eindruck bleibt, wenn man die CD nicht mit professionellen Publikationen vergleicht, sondern den Mut anerkennt, dass ein Musiker seine Songs veröffentlicht.
ce
 EZÉ WENDTOIN: Inzwischen Dazwischen
EZÉ WENDTOIN
Inzwischen Dazwischen
(Trikont)


Mit der Banda Internationale ließ er schon aufhorchen, mit seinem Video des Wecker-Klassikers „Sage Nein!“ sorgte der Germanist aus Burkina Faso für Aufsehen in den (sozialen) Medien. Album Nummer drei zeigt einen vornehmlich Deutsch singenden, kritisch-satirischen Liedermacher, der z. B. in „Dresden dahemme“ eine Liebeserklärung an seine Heimatstadt abliefert.
rs

 WALDGEIST-KARTELL: Poesie
WALDGEIST-KARTELL
Poesie
(Prosodia)


Titel und Hüllengestaltung lassen hier hochgeistige Klänge vermuten. Aber weit gefehlt! Mit jugendlicher Unbekümmertheit schrammelt das Hamburger Liedermacherquintett zu Akustikgitarre und Cajon Lieder zur subkulturellen Befindlichkeit. Dabei werden die Jungmänner von Sängerin Charlie unterstützt. Nach Hexenwerk ist dies die zweite Veröffentlichung des Kartells. Prima WG-Musik vorm Aufbruch zur Demo.
is
 WINDSTILL: Mehr oder weniger – Windstill 1979-2019
WINDSTILL
Mehr oder weniger – Windstill 1979-2019
(3 CDs; Eigenverlag)


Eine Neuherausgabe mit Vertonungen von Gedichten Seamus Heaneys, J. R. R. Tolkiens, Wolfgang Borcherts, Inger Christensens, Mahmoud Darwishs, Derek Walcotts und Michael Endes durch die oberfränkische Band Windstill anlässlich ihres vierzigjährigen Jubiläums, wobei die dritte CD rein instrumental ist. Keine leichte Kost, zumal man die Gedichte nicht mitlesen kann.
mas

 DERYA YILDIRIM & GRUP ŞİMŞEK: Kar Yagar
DERYA YILDIRIM & GRUP ŞİMŞEK
Kar Yagar
(Catapulte Records)


Ob „Nem Kaldı“ oder „Üç Kiz Bir Ana“ – eifrigen Cosmo-Hörern ist Derya Yıldırım schon lange ein Begriff. Nun legt die Bağlamaspielerin und Sängerin mit ihren internationalen Mitstreitern den ersten Longplayer vor. Darauf finden sich zwölf selbst- und fremdkomponierte sowie traditionelle Titel in feinstem Anadolu-Rock-Retro-Sound.
ink
 STEVE YOUNG: Live In Holland 1993
STEVE YOUNG
Live In Holland 1993
(Strictly Country Records)


2016 verstorben, lebt der US-amerikanische Countrymusiker in diesen Aufnahmen wieder auf. Der Mitschnitt aus einem kleinen Club in Holland zeigt Steve Young solo vor allem von seiner bluesigen Seite, dazu kommen Covers von Künstlern wie Bob Dylan oder John Lee Hooker. Auf zwei Stücken begleitet ihn David Olney an der Mundharmonika.
vd

 ZEME: Visuma Vizoša Tumsa
ZEME
Visuma Vizoša Tumsa
(CPL-Music)


Die Kokle ist ein uraltes lettisches Saiteninstrument, das bis zu 33 Saiten haben kann. Eine bekannte Virtuosin auf der Kokle ist Laima Jansone, die hier ihr erstes Album mit ihrem neuen Duo ZeMe vorlegt. Ihr Partner Uldis Cirulis alias DJ Monsta brilliert u. a. auf der Mundorgel. Absoluter Höhepunkt: Die Einspielung einer Aufnahme der Sängerin Karlina Puravina von 1968.
gh
 : rezi-legende
Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Christian Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Udo Hinz (uh), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (hj), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Ines Körver (ink), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel, (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Martin Steiner (mst), Katrin Wilke (kw)


GRENZEN SPRENGENDE CHÖRE
 LA MÒSSA: A Moss’!
LA MÒSSA
A Moss’!
(Dodicilune Records)


Themen wie sozialer Abstieg, Fremdenfeindlichkeit, rechte Aufmärsche, künstliche Intelligenz, die anfängt zu herrschen und nicht mehr beherrscht wird, und ein Bekenntnis zu gesellschaftlichen Veränderungen, also engagierte, dezidiert politische Songs sind neben Instrumentalstücken und Einspielern auf diesem dritten Album von Goetz Steeger zu hören.
Martin Steiner
 ORCHESTRA BAILAM E CANTERINI GENOVESI: Trallalero Levantìn
ORCHESTRA BAILAM E CANTERINI GENOVESI
Trallalero Levantìn
(Felmay)


Die genuesischen Trallalero-Chöre wiederum weisen spezielle Eigenheiten auf. Immer dabei ist neben den Bass-, Bariton- und Tenorstimmen der Kontratenor. Die hohen Stimmen erzählen die Geschichte, die tiefen sind meist für Borduntöne zuständig. Hinzu kommt die Voce Guitarra, die in Ermangelung eines Saiteninstruments deren Pluckern übernimmt. Das Orchestra Bailam, ein italienisches Sextett, das sich den Klängen der Türkei, des Orients und der Klezmermusik verschrieben hat, entführt den Chor ins Morgenland. Der Dialog der beiden Musikwelten tönt frisch und ungewohnt.
Martin Steiner

 QUINTETTO NIGRA: Cantada – Polifonie Dal Piemonte
QUINTETTO NIGRA
Cantada – Polifonie Dal Piemonte
(Felmay)


In eine ganz andere Richtung führt der Belcanto des Quintetto Nigra. Manche der Interpretationen der traditionellen piemontesischen Lieder erinnern an Madrigalgesänge. Hinzu kommen ab und zu einige jazzige Einsprengsel. Giuseppe Verdi und Gioachino Rossini sind selbstredend Piemontesen. Nicht fehlen darf das Partisanenlied „Bella Ciao“ in einer eigenwilligen Version. Es stammt zwar aus der Gegend von Bologna, doch die Reisfelder erstreckten sich ja bis ins Piemont.

Die drei Produktionen überzeugen durch ihre Offenheit. Das macht sie spannend und empfehlenswert.
Martin Steiner



LOCAL HEROES – LIEDORIENTIERT UND DANN MIT POWER
 CHRISTINE KYDD: Shift & Change
CHRISTINE KYDD
Shift & Change
(Greentrax Recordings)


Kydd ist eine erfahrene Sängerin, Mitglied der Scottish Traditional Music Hall of Fame – und außerhalb Schottlands leider so gut wie unbekannt. Was Interessenten entgeht, zeigt dieses Album eindrucksvoll: traditionelle, zeitgenössische und eigene Lieder (zweimal a cappella), bei denen Mastermind Angus Lyon und vier weitere Musiker mit sparsamer Begleitung den Fokus immer wieder auf den intensiven Gesang richten.
Mike Kamp
 BOB LESLIE: The Barren Fig
BOB LESLIE
The Barren Fig
(Eigenverlag)


Schon immer Musiker gewesen, zuerst Folk, dann eher in Rock/Pop-Richtung. Seit 2012 zurück zu den Wurzeln in Glasgow als Singer/Songwriter in Scots. Nun ging er mit drei Damen (Akkordeon, Fiddle, Clarsach & Flute) ins Studio und nahm sein zweites Album mit guten eigenen Songs auf. Den Arrangements und Aufnahmen allerdings hätte oft ein neutraler Produzent gutgetan, um ein stimmigeres Ergebnis zu erreichen.
Mike Kamp

 DOUGIE MACKENZIE with BRIAN MILLER: Along The Way
DOUGIE MACKENZIE with BRIAN MILLER
Along The Way
(Greentrax Recordings)


Die erste CD im fortgeschrittenen Alter – alles hat seine Gründe. Aber es stimmt auch alles: Die Aufnahme und Produktion von Ian McCalman, die A-cappella-Songs oder Brian Millers Gitarrenbegleitung, die zwölf traditionellen Lieder (und zwei neuere von Dave Goulder und Mike Waterson) und überhaupt, der entspannte, unaufgesetzte und warme Gesang. Ein rundum gelungenes Debüt.
Mike Kamp
 ALEXANDER McCALL SMITH & JAMES ROSS: These Are The Hands
ALEXANDER McCALL SMITH & JAMES ROSS
These Are The Hands
(Greentrax Recordings)


Interessante Kombination – der weltberühmte Autor McCall Smith (The No.1 Ladies’ Detective Agency) schreibt die geerdeten Gedichte, die der folkaffine Pianist Ross vertont. Es geht um Schottland, das Meer, das Land, die Menschen. Hervorragend interpretiert von Michelle Burke und Kathleen MacInnes und neun profilierten Musikern. Ein ungewöhnliches, packendes, teils majestätisches und überzeugendes Projekt.
Mike Kamp

 JOANNE McIVER & CHRISTOPHE SAUNIÈRE: Canty
JOANNE McIVER & CHRISTOPHE SAUNIÈRE
Canty
(Buda Musique)


Siebte CD und das Duo ist dennoch eine unbekannte Größe. Sie Schottin, er Franzose, er spielt die Harfe, sie Smallpipes, Flöte, Low Whistle – und sie singt und schreibt alle Lieder, zwei in Gälisch (plus zwei Instrumentals). Die Musik ist selten keltischer Mainstream, eher jazzig, aber mit deutlichen schottisch-gälischen Wurzeln, was besonders die Themen der Lieder betrifft. Eine Bereicherung.
Mike Kamp
 PAUL McKENNA BAND: Breathe
PAUL McKENNA BAND
Breathe
(Eigenverlag)


Das einzig Konstante ist der Wechsel – das gilt auch für die Paul McKenna Band, jetzt mit (nicht übermäßig) Uilleann Pipes. Der Sound ist komplex und überzeugend, was sicherlich auch an Produzent Mike Vass liegt. McKenna schreibt die meisten Songs, manchmal in Kooperation, und singt sie mit seiner stark emotionalen Stimme. Der eine oder andere aktuelle politische Song hätte gut gepasst. Eine gute CD.
Mike Kamp

 RED HOT CHILLI PIPERS: Fresh Air
RED HOT CHILLI PIPERS
Fresh Air
(Eigenverlag)


Die Chillis wie gehabt mit einer Power, die Kleinstädte mit Licht versorgen könnte, die rockige, funkige E-Truppe plus Bläsersektion und davor normalerweise drei Piper, die Tunes wie „Highland Cathedral“ und Songs wie „Hallelujah“ intonieren. Es hat Personalwechsel gegeben, und die aktuelle Formation bleibt ob der zwanzig CD-Akteure (davon sechs Piper!) unklar. Sicher ist nur: Die Post geht ab – live sowieso.
Mike Kamp
 SKIPINNISH: Steer By The Stars
SKIPINNISH
Steer By The Stars
(Eigenverlag)


Die acht Folkrocker überzeugen mit einem neuen Album und gewähren so ganz nebenher zwei Runrig-Mitgliedern bei ein paar Stücken Asyl. Ansonsten sind die erfolgreichen Zutaten die üblichen: gälische und englische Songs, oft mit maritimen Themen, immer mitsingbar, gerne auch mal hymnisch, und zwischendurch knackige, fetzige Instrumentals mit der Kraft der zwei Pipes. Der Skipinnish-Sound – grandios!
Mike Kamp

Besondere
FELIX MEYER & PROJECT ÎLE
Die im Dunkeln hört man doch
(SPV Recordings), Mit dt. Texten u. Infos


Er blickt ins Dunkle der Menschheit und verbreitet doch nur Licht. Sein fünftes Studioalbum ist eine kraftvolle poetische Demonstration des deutschsprachigen Liedes. Dabei schaut der Berliner Sänger tief in die Abgründe menschlicher Grausamkeit, Ausgrenzung, Gier und Einsamkeit. Gleichzeitig feiert er mit seiner hervorragenden Band Project Île die Gemeinschaft, den Mut zum Protest, die Freiheit des Augenblicks, die Energie der Fantasie und das Mitgefühl. Schon der erste Song verbreitet Gänsehaut und eine unwiderstehliche Sogwirkung. „Der Mensch dem Menschen“ ist ein schonungsloser Spiegel des menschlichen Egoismus, der alles zerstört und bei dem schließlich „die Welt übernimmt“. Und in der gemeinsam mit Max  FELIX MEYER & PROJECT ÎLE: Die im Dunkeln hört man doch Prosa komponierten kritischen Ballade „Europa“ fügt der Songpoet mit eindringlicher Stimme hinzu: „Die Früchte des Reichtums fielen nicht weit vom Stamm und zogen gegen das Volk vor Gericht, bald hatten sie uns alles abgeschwatzt, verhökert und aberkannt.“ Mit „Steh auf!“ präsentiert der gelernte Dokumentarfotograf aber auch eine mögliche mitreißende Hymne für die Fridays-For-Future-Generation. Die von der gesamten Band komponierten exzellenten Arrangements zwischen Pop, Chanson, Folk, Jazz, Latin, Rock überzeugen durch ihren Tiefgang und sind durchaus radiotauglich. Das Herz der elf Stücke sind jedoch die vielschichtigen Texte, die fast ausschließlich aus Felix Meyers Feder stammen. Es ist eine unglaubliche Freude, in seine Leidenschaft für das Spiel mit den Worten und seinen Sprachwitz einzutauchen. Zeilen wie „Manchmal ist es mit dem Leben fast genau wie mit einem Lied, das es, wenn wir es nicht zusammen schreiben, niemals gibt“ kann man immer wieder lesen und ständig Neues in ihnen entdecken. Mit solchen Künstlern muss einem um die Zukunft der deutschen Liedermacherszene nicht bange sein. Ganz im Sinne von Meyers Worten aus dem gesellschaftskritischen Song „Das große Fest“: „Am Ende des Tunnels, sagt man, brennt noch Licht; einen Grund zur Beunruhigung gibt es nicht.“
Erik Prochnow
NOBODY KNOWS
Ja, sehr gerne!
(Prosodia), DVD & CD, mit Texten u. Infos


Wer sich mit Leib und Seele der Musik verschrieben hat, gilt oft als wahnsinnig. Anders als mit Wahnsinn kann man auch das Mammutprojekt der Band Nobody Knows kaum bezeichnen. Die Band von Prosodia-Musikverlag-Chef Max Heckel feierte ihre Volljährigkeit mit großem Aufgebot. Ein Konzertprojekt mit dem Orchester der Musikschule Stendal, dem Theaterchor des Theaters Altmark, Gastmusikern, Familie und Wegbegleitern, auf die Bühne gebracht im Theater Stendal und mitgeschnitten auf DVD und CD. Neben dem Mitschnitt gibt es ein überbordendes, liebevoll gestaltetes Booklet und eine Videodokumentation. So fulminant wie die Aufmachung ist auch der Inhalt. Ja, sehr gerne! ist das Gegenteil von filigran. Das  NOBODY KNOWS: Ja, sehr gerne! Orchester trägt dick auf, und der Chor tut ein Übriges, eine „Wall of Sound“ zu erzeugen, die die deutsche Folkszene vermutlich so noch nie gehört hat. Der Bombast macht gute Laune und lässt den Hörer den Lautstärkeregler nach rechts drehen. Man beginnt, im Wohnzimmer oder selbst auf dem Autositz mitzutanzen und mitzusingen. Dabei ist der Livemitschnitt nicht nur dick aufgetragen, er bietet musikalisch auch Erstaunliches. Gleich zu Beginn eine klare politische Botschaft mit der Eigenkomposition „Das Bürgerlied“. Es folgt eine Tour de Force zu Tucholsky mit einem Death-Metal-Zwischenstopp bei Max und Moritz bis zum angemessenen Finale, Goethes „Heidenröslein“. Brillant, mit welchem Tempo die Band sich durch die Klassiker bewegt, ohne ermüdend oder ermüdet zu wirken. Trotz permanenten Offbeats werden Publikum und Hörer mitgerissen, ob bei „Der Erlkönig“ oder „Der Mond ist aufgegangen“. Sogar für Folker-Rezensenten und andere neunmalkluge Journalisten ist ein Stück dabei, das „Klugscheißerlied“. Wer nach diesem Album keine gute Laune hat, leidet möglicherweise an einer klinischen Depression. Für die deutsche Folklore ist dieses Album vermutlich der größte (und lauteste) Kracher, seit es Achim Reichel gibt. Kaufen und allen Freunden schenken!
Chris Elstrodt

DIATON
Strange Atmosphere
(Löwenzahn)


Strange Atmosphere („Fremde Stimmung“) hat das Duo DiaTon – das sind Johannes Uhlmann (aus Großpösna bei Leipzig) und Simon Gilen (aus Lüttich) – sein Debütalbum genannt. Hier begegnen sich zwei Meister des diatonischen Akkordeons, die auf Knopf- und Augenhöhe resonieren. Sie fangen sogar Stimmungen ein, die ihnen vermutlich noch nicht vertraut sind, und intonieren diese überzeugend. Vielleicht ist den beiden die Trauer und Melancholie fremd, die sich einstellt, wenn man persönlich mit dem Thema Tod konfrontiert wird. Der Walzer „Trip To Skye“ lässt an Himmelfahrt denken. Immer höher hinauf geht’s, in Trance auf der Kreislinie. Uhlmann widmete das Album seinem 2018 verstorbenen Vater Peter, der  DIATON: Strange Atmosphere Gründungsmitglied der legendären Folkländer und weiterer Leipziger Folkbands war. Gemeinsame keltische Wurzeln ziehen sich durch Strange Atmosphere, bei einigen Stücken durch grandiose Gastmusiker in bester Folksession-Manier zum Bordun-Furioso vernetzt. Manches klingt nach Unterwegssein, nach meditativer Pilgerreise durch Flamen, Frankreich und Spanien, die Ausdauer und Kraft kostet, aber auch schenkt. Manchmal meint man, bei einer Bauernhochzeit dabei zu sein, wie sie Pieter Bruegel gemalt hat. Mit dem Album wurde Trauer- und Freudearbeit geleistet. Viele Stimmungen, die ein Leben ausmachen, klingen darauf an. In „Le Funambule“, einer Komposition des Drehleiervirtuosen Till Uhlmann, inspirieren zarte Vogelstimmen voluminösere Lebensformen zu einer Art Tanzbärenparade. Alle Beteiligten schwelgen darin, bis ihnen vor Lust die Luft ausgeht. Eine Polonaise, mit der ein Bal Folk normalerweise beginnt, an den Schluss zu setzen, erinnert an die Vorstellung, dass im Ende der Anfang liegen könnte. Und plötzlich bricht sie ab – wie mancher Lebensweg. Ein Leckerbissen, ein Muss für alle Freunde von traditioneller westeuropäischer Bal-Folk- und Bordunmusik. Dass die Titel der elf eingespielten Tänze auf dem Cover schwer lesbar sind, ist ein bisschen schade. Dennoch: Strange Atmosphere ist Balsam für die Bal-Folk-Seele.
Kay Reinhardt
LOUISA LYNE & DI YIDDISHE KAPELYE
Lust
(Maestro Music), mit schwed., hebr., span. u. jidd.Texten


Vor etwas über zehn Jahren formierte sich in Malmö die Sängerin Louisa Lyne, ursprünglich aus Härnösand stammend, mit mehrfach wechselnden lokalen Musikern zur „Jiddischen Kapelle“. Nach den Alben Debyut (2012) und A Farblondzhete Blondike (2015) setzt Lyne ein weiteres Mal mit dem hier vorliegenden dritten Album überwiegend auf die jiddische Sprache, jedoch nicht nur. Wird der abschließende neunte Titel des Albums mit „Sweet Little War“ vor allem auf Englisch gesungen, wobei – durchaus diskutabel – mit Krieg tatsächlich die Liebe gemeint ist, gibt es neben einem Titel auf Spanisch auch zwei schwedisch gesungene, darunter das ins Album einführende „Innan Det Tar Slut“ („Versuche alles, bevor es  LOUISA LYNE & DI YIDDISHE KAPELYE: Lust zu Ende geht“), für dessen Text und Musik niemand anderes als der israelische Star Idan Raichel verantwortlich ist. „Finde in allem das Schöne, tanze so lange, bis man vor Müdigkeit oder Liebe einfach umfällt“ – die Hintergründe dieser Fusion von Lyne und Raichel bleiben bedauernswerterweise im Dunkeln. Die grafische Aufbereitung des Beiheftes ist absolut ansprechend und fällt ohne Wenn und Aber äußerst angenehm ins Auge. Andererseits bleibt unerklärlich, wieso die hebräischen Texte derart klein gestaltet wurden, dass man zum Nachlesen nahezu eine Lupe benötigt. Und für eine Übersetzung aller Texte ins Deutsche oder Englische wäre in jedem Fall auch noch Platz gewesen – sicherlich sind nicht alle des Jiddischen in hebräischen Schriftzeichen mächtig. Dennoch, mit Musikern wie Johnny Åman (Bass), Edin Bahtijaragic (Akkordeon, Keyboard), Irina Binder (Violine) oder Robin Lyne (Gitarre), aber auch etwa einem Dutzend weiterer, ist Louisa Lyne ein höchst besinnliches und äußerst attraktives Album gelungen. Um sie selbst zu zitieren: „Lust ist, wenn man etwas aus schierer Freude und Leidenschaft macht – einfach, weil man sich danach fühlt. Und sobald etwas aus Lust entsteht, sind keine weiteren Erklärungen mehr notwendig.“ Alleine dieser Spruch sollte bereits das Prädikat „besonders“ erhalten.
Matti Goldschmidt

Bücher
 BERTHOLD SELIGER: Vom Imperien-Geschäft : Konzerte, Festivals, Soziales ; wie Großkonzerne d. kulturelle Vielfalt zerstören.
BERTHOLD SELIGER
Vom Imperien-Geschäft : Konzerte, Festivals, Soziales ; wie Großkonzerne d. kulturelle Vielfalt zerstören.
edition-tiamat.de
(Berlin : Ed. Tiamat, 2019. – 343 S. – (Critica Diabolus : 265))
ISBN 978-3-89320-241-6 , 20,00 EUR


Berthold Seligers Buch ist grandiose Kapitalismus- und (Pop-)Kulturkritik in einem. Im Mittelpunkt steht dabei die Veränderung des Konzertgeschäfts, die in gewisser Weise analog zur Marktkonzentration auf nur wenige Großkonzerne in der Tonträgerindustrie verläuft. Weltweit dominiert von noch drei Großkonzernen: Live Nation, dem deutschen Monopolisten CTS Eventim und der Anschutz Entertainment Group (AEG). Ihnen geht es kaum mehr um Musik, sondern nur noch um Profit. Einst prägten große Promoter wie Bill Graham in den USA oder die deutschen Veranstalterlegenden Fritz Rau und Karsten Jahnke das Konzertgeschäft, heute ist es das internationale Finanzkapital. Unbekannte Namen bleiben da auf der Strecke. Mit ihnen ist in kleinen Clubs, wo Popkultur entsteht, kein Geld zu machen. Seliger fordert gesetzlich festgelegte Mindestgagen, um die soziale Ungleichheit zwischen denen, die die Musik machen, und den Mittelsmännern abzubauen. Weitere Kritikpunkte: Techniken beim Ticketverkauf, wie „Slow Ticketing“ oder „Dynamic Pricing“, die die Preise in die Höhe treiben. Als Alternative zu den Imperiumgeschäften schlägt Seliger – die Interessen von Musikern und Konzertbesuchern im Sinn – ein Konzept unabhängiger Musikclubs, soziokultureller Zentren und künstlerorientierter Festivals vor. Er will den öffentlichen Raum für die Menschen zurückgewinnen. Dazu benötigen wir „jede Menge Weltverbesserungsleidenschaft“, schreibt der Autor. Recht hat er. Allerdings dürfte dazu auch ein Stück Verweigerung gegenüber den Praktiken der Kulturindustrie notwendig sein.
Michael Kleff
 TINO EISBRENNER: Das Lied vom Frieden : Reisebilder e. Songpoeten.
TINO EISBRENNER
Das Lied vom Frieden : Reisebilder e. Songpoeten.
nora-verlag.de
(Berlin : Nora, 2019. – 326 S. : mit Farb- u. s/w-Fotos)
ISBN 978-3-86557-465-7 , 19,90 EUR


In den Achtzigern zählte Tino Eisbrenner mit seiner Band Jessica zur ersten Reihe des DDR-Liedrock. Nach der Wende arbeitete er zunehmend mit internationalen Musikern in verschiedenen Projekten zusammen. Seit mehreren Jahren engagiert sich der Berliner, der auf einem mecklenburgischen Bauernhof lebt, durch Tourneen unter dem Titel „Musik statt Krieg“ in Osteuropa für ein anderes Verhältnis zu Russland. Anekdoten über seine Konzertreisen zwischen Flughafen und Bühne sowie über Stolz, Schönheit des Landes und Gastfreundschaft der Russen bilden das Grundgerüst des Buches. Er würdigt Vorbilder wie Brecht, Sting oder Victor Jara und schreibt witzig über die russischen Barden: „Wyssozki war der Bob Dylan und Okudshawa der Leonard Cohen der Sowjetunion.“ Einige Texte der beiden Liedermacher und anderer sowie eigene Songs sind abgedruckt, dazu Fotos vom Tourneealltag. Zum Bemerkenswertesten aber gehören Eisbrenners heftige Kritiken über den Umgang Europas und Amerikas mit Russland: „Die Menschen brauchen und wollen diese Konflikte nicht, aber vom Westen werden sie geschürt, damit sich Regionen destabilisieren und man sich einmischen kann, um die Karten neu zu verteilen.“ Er übt scharfe Kapitalismuskritik, ärgert sich über das deutsche Bildungssystem, den Niedergang der (TV-)Kultur und darüber, dass sich heute viel zu wenige Künstler politisch engagieren. Ein überzeugendes, lesenswertes Buch eines Musikers mit Haltung. Ergänzend dazu sei Eisbrenners Album November (2017) empfohlen.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 MICHAEL BEHRENDT: Provokation! : Songs, die für Zündstoff sorg(t)en.
MICHAEL BEHRENDT
Provokation! : Songs, die für Zündstoff sorg(t)en.
theiss.de
(Darmstadt : Theiss, 2019. – 296 S.)
ISBN 978-3-8062-3922-5 , 20,00 EUR


Schon immer hat es in der jüngeren Musikgeschichte Provokation als Stilmittel gegeben. Doch wie weit darf sie gehen, fragt Michael Behrendt. Dabei weist er nicht nur nach, dass die Grenzen des noch Akzeptablen und Erlaubten sich im Laufe der Zeit verschoben haben, sondern er zeigt auch die sehr unterschiedlichen Motive der Künstler auf. Dazu dienen eine tiefgehende Einführung unter dem Titel „Jenseits von Scha-la-la-Land“ und das Kapitel „Frequently asked questions“, die den chronologisch aufgebauten Überblick von siebzig Hits aus den vergangenen hundert Jahren einrahmen – von Claire Waldoffs „Hermann heeßt er“ von 1913 bis „0815“ von Kollegah & Farid Bang aus dem letzten Jahr. Dabei kommt Behrendt zu der Erkenntnis, dass die Zeit der positiven Provokationen in Richtung Freiheit, Bewusstseinserweiterung, Gesellschaftsveränderung vorbei sei. Die Provokationen von heute kommen für ihn jetzt von rechts und von Rappern mit Migrationshintergrund. Besonders problematisch erscheinen dem Autor dabei homophobe und antisemitische Texte. Die letzte seiner 26 Fragen – „Wie können wir zukünftig mit kontroversen, erst recht mit fragwürdig-kontroversen Songs umgehen?“ – beantwortet Behrendt mit zwölf Thesen. „Gesellschaft besser, gerechter machen“, heißt es in der letzten. „Vielleicht kriegt ja jede Gesellschaft die Songs, die sie verdient. Daraus lässt sich die zuspitzende These ableiten: Bessere Gesellschaft – bessere Musik. Beziehungsweise: Gerechtere Gesellschaft – weniger ‚Hate Music‘.“ Ein ausgesprochen lesenswertes Buch.
Michael Kleff
 MARTIN WIMMER: Hankfurt : Americana, Country, Songwriter / Essays u. Linernotes v. Martin Wimmer.
MARTIN WIMMER
Hankfurt : Americana, Country, Songwriter / Essays u. Linernotes v. Martin Wimmer.
martinwimmer.org
(Berlin : Eigenverl., 2019. – 103 S.)
ISBN 978-3-7485-2410-6 , 12,99 EUR


Wie schon in seinem vorherigen Buch Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes beschäftigt sich Martin Wimmer mit US-Amerikanischer Musik der Vergangenheit. „Hankfurt“, das ist eine imaginäre Welt, in der man geistig zu leben beginnt, wenn man sich intensiv mit genau dieser Musik beschäftigt. Es ist ein poetischer Raum, in dem es weniger um Sinnhaftes, als mehr um das Sinnliche in der Musik und den Texten eines Bob Dylan, eines Townes van Zandt, eines Blaze Foley oder anderer Außenseitermusiker geht. Nun trägt das Buch auch den Begriff „Essays“ auf dem Cover. Wimmer ist Fan, und er bemüht sich, der Fanperspektive noch eine erhellende, erweiternde Seite abzugewinnen. Und, geschult an Autoren wie Dylan, van Zandt oder Foley, erweitert Wimmer die Darstellungsart des Essayistischen, indem viele seiner Texte eine ganz freie Form einnehmen. Teilweise gelingt es ihm dadurch, verwirrend-betörende Texte voll poetischer Eigenheit zu schreiben, teilweise gehen seine Texte jedoch nicht über feuilletonistische Standards hinaus. Vielschichtiger Humor, wie er sich in den Songtexten der bereits genannten Musiker findet, stromert durch das Buch, doch pendelt Wimmer zwischen unterschiedlichen Schreibidentitäten hin und her. Was schade ist, denn als Fan und Freigeist ist Wimmer ein eigensinniges Talent. Eine genauere Auswahl der Texte hätte diesem Buch besser getan.
Michael Freerix

 MATT CALLAHAN & YVONNE MOORE [Hrsg.]: Working-class heroes : a history of struggle in song ; a songbook / ed. by Matt Callahan …
MATT CALLAHAN & YVONNE MOORE [Hrsg.]
Working-class heroes : a history of struggle in song ; a songbook / ed. by Matt Callahan …
pmpress.org
(Oakland, CA : PM Press, 2019. – 88 S.)
ISBN 978-1629637020 , 14,95 USDR


Matt Callahan ist ein Musiker und Autor, der ursprünglich aus San Francisco stammt und mit seiner Partnerin Yvonne Moore, einer Sängerin und Publizistin, in der Schweiz lebt. Das Duo bekam den Auftrag, zum fünfzigjährigen Jubiläum des 1967 von Woody Guthrie und Pete Seeger herausgebrachten Songbooks Hard Hitting Songs for Hard Hitting People eine Auswahl von Liedern daraus in einem Programm für die 2017er-Ausgabe des Brooklyn Folk Festivals einzustudieren. Während der Beschäftigung mit den Songs stellte sich heraus, so Callahan, dass sie eine „bemerkenswerte Relevanz für die heutigen sozialen und musikalischen Entwicklungen haben“. Es sind Songs, die größtenteils in den Zwanziger- und Dreißigerjahren entstanden sind und nicht von professionellen Musikern oder Liedtextern stammen, sondern von Menschen im täglichen Kampf gegen Leid und Ungerechtigkeit. Während der Arbeit an ihrem Konzertprogramm mit diesen Liedern begannen die Autoren, sich für die Menschen hinter den Songs zu interessieren und für die Anlässe, zu denen die Lieder entstanden sind. In dem vorliegenden Songbuch findet sich neben Noten, Akkorden und Texten zu zwanzig Songs eine umfangreiche Sammlung von Fotografien, Geschichten, Zeitungsausschnitten und biografischen Notizen zu über einem Dutzend Liedermachern, begonnen bei dem legendären Gewerkschaftsaktivisten und Liedermacher Joe Hill über die Sängerinnen und Texterinnen Aunt Molly Jackson und Sarah Ogan Gunning bis hin zu Jim Garland, Paul Robeson und vielen mehr. Das Buch enthält darüber hinaus umfangreiche Linernotes zu den Songs und Quellenangaben. Zu dem Buch gibt es eine separat erhältliche CD mit allen zwanzig Liedern, darunter bekanntere Stücke wie „I Am A Girl Of Constant Sorrow“ oder das durch Joan Baez popularisierte „Joe Hill“, aber auch zwar weniger bekannte, aber nicht weniger anrührende Songs, „I Hate The Capitalist System“ etwa, oder „There Is Mean Things Happening In This Land“. Es ist mutig, eine CD mit einem a cappella gesungenen Lied zu eröffnen, aber genau das tut Yvonne Moore mit ihrer eindrucksvollen, markanten Stimme, die sofort die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Nicht weniger mutig, aber konsequent ist es, den Rest der CD nur mit ein- bis zweistimmigem Gesang (gemeinsam mit Callahan), einer Gitarre und gelegentlich Mundharmonika zu begleiten, denn so oder ähnlich werden die Lieder zur Zeit ihres Entstehens geklungen haben. Buch und CD sind wichtige, überaus spannende musikhistorische und soziokulturelle Dokumente.
Ulrich Joosten
 DAVE PEGG/NIGEL SCHOFIELD: Off the Pegg : bespoke memories of a bass player / by Dave Pegg with Nigel Schofield.
DAVE PEGG/NIGEL SCHOFIELD
Off the Pegg : bespoke memories of a bass player / by Dave Pegg with Nigel Schofield.
davepegg.co.uk
(o. O. : Eigenverl., 2018. – 272 S. : mit Farbfotos (Teil 2 einer ungeplanten Fai)
ISBN 978-1-9996787-0-8 , 20,99 GBP


Dave Pegg und Simon Nicol sind sich ein wenig uneins, wer denn nun der dienstälteste Fairporter sei. Pegg siegt knapp nach Mitgliedsjahren (er hat nur die ersten zweieinhalb Jahre verpasst), aber Nicol kann mit der Gründungsmitgliedschaft punkten. Dieser kleine Disput ist natürlich nicht ernst gemeint. Im Buch wird oft mit Augenzwinkern erzählt, und ums Erzählen geht es. Ein Freigeist wie Dave Pegg setzt sich nicht an den Laptop und schreibt sein Leben nieder – das passt nicht. Nein, im Gespräch mit seinem Freund Nigel Schofield, der zufälligerweise Journalist und Fairport-Fachmann ist, lassen sich bei einem oder auch mehreren Gläsern Wein seine teils unglaublichen Geschichten wesentlich lockerer und authentischer rüberbringen. Schofield musste die Aufnahmen „nur“ transkribieren, in eine logische Reihgenfolge bringen und dann ergänzend kommentieren. Das klappt auch wunderbar, und das Buch liest sich tatsächlich so, als hätte man bei diesen Gesprächen dabeigesessen. Zwei Dinge jedoch fallen auf. Zum einen – und das lässt sich bei Gesprächen, die teils Monate auseinanderliegen, wohl nicht vermeiden – gibt es etliche Wiederholungen, also Fakten, die Pegg mehrfach erwähnt. Zum anderen – und das hätte man vermeiden können – zahlreiche Druckfehler, die bei sauberem Lektorat aufgefallen wären. Als Schreiber sieht man so was, die interessierte Leserschaft erstaunt wohl eher, dass der Bassist Pegg eigentlich Gitarrist war, dass er 1969 neben dem Fairport-Convention-Angebot noch weitere von Albert Lee oder Colosseum hatte oder dass er, Birminghamer Urgestein, Bands wie Led Zeppelin, Procol Harum, Yes oder The Moody Blues auf Kumpelbasis kannte, was wiederum erklärt, warum gewisse Musiker beim alljährlichen Fairport-Festival in Cropredy auftreten. Oder die spannende Phase, als Pegg parallel Mitglied bei Fairport und Jethro Tull war. Keine Biografie, lediglich selektive Erinnerungen. Das alles ist für Fans schlicht ein Muss!
Mike Kamp

 PETER M. HAAS: Akkordlehre ganz konkret Bd. 1 : Grundlagenwissen. – Ausg. 2018.  : Akkordlehre ganz konkret Bd. 2 : Akkordwissen. – Korr. Ausg. 2019.  : Akkordlehre ganz konkret Bd. 3 : Jazzharmonik. – Korr. Ausg. 2019.
PETER M. HAAS
Akkordlehre ganz konkret Bd. 1 : Grundlagenwissen. – Ausg. 2018.
(Berlin : Eigenverl., 2019. – 116 S. : mit zahlr. Abb.), je 24,80 EUR



Akkordlehre ganz konkret Bd. 2 : Akkordwissen. – Korr. Ausg. 2019.
(Berlin : Eigenverl., 2019. – 130 S. : mit zahlr. Abb.)



Akkordlehre ganz konkret Bd. 3 : Jazzharmonik. – Korr. Ausg. 2019.
petermhaas.de
(Berlin : Eigenverl., 2019. – 126 S. : mit zahlr. Abb.)


Musiktheoretische Werke stehen im Allgemeinen nicht in dem Ruf, sich viele Freunde zu machen. Zu trocken, zu sperrig, Quintenzirkel und Co. sind Spaßbremsen etc. Peter M. Haas behauptet das Gegenteil und tritt mit seinem dreiteiligen Akkordlehre betitelten Werk den Beweis an. In dreißig Lektionen führt der erfahrene Musiker und Pädagoge durchs Reich der Musik und ihrer Gesetzmäßigkeiten. Der gewillte Schüler wird von Anfang an, neben der Lektüre, via Internet mit Hörbeispielen, Höraufgaben und Playalongs versorgt, Youtube-Videos führen in die einzelnen Lektionen ein. Band I beginnt gewissermaßen bei Adam und Eva: Im Anfang war das Geräusch. Der Verlauf von hohen und tiefen Tönen, das Erkennen und Notieren von Melodien. Haas’ Sprache ist einfach und klar, anhand der Beispiele und Aufgaben erschließt sich Schritt für Schritt die Grundlage dessen, was für den Musiker tägliches Brot ist. Band 1 beinhaltet die im Quintenzirkel erfassten Dur- und Molltonleitern sowie einige Skalen, die über dieses System hinausgehen. Band 2 erläutert den Aufbau von Akkorden, ihre Verwandtschaftsbeziehungen und Progressionen, und im dritten Band geht es um die hohe Schule der Jazzharmonik. In ihrem klaren Aufbau, ihrer Verständlichkeit und Praxisorientierung steht die Akkordlehre von Peter M. Haas sicher einzigartig da und hat eine eindeutige Empfehlung verdient. Doch, doch, das kann schon Spaß machen.
Rolf Beydemüller



Deutschland
 BERGE: Für die Liebe
BERGE
Für die Liebe
(Ferryhouse), mit Texten


Als Deutschlehrer übt man vielleicht Kritik am Versmaß der Lieder. Ist man Zyniker, sind einem die Texte vielleicht zu naiv. Als Musikjournalist verweist man vielleicht auf Juli oder Silbermond. Hört man das neue Album des Musikerduos Berge jedoch mit offenem Herzen, stellt man überrascht fest, wie einem die Tränen die Wangen herunterlaufen. Man spürt, hier singen Musiker die Wahrheit, wenn man in der heutigen Zeit überhaupt von so etwas wie Wahrheit sprechen kann. Und diese Wahrheiten gehen in all ihrer Einfachheit durch Mark und Bein. Man möchte sich über Für die Liebe erheben und sich lustig machen, stattdessen singt man mit und hört heimlich seine neuen Lieblingstracks noch einmal. Wie fragte Paul McCartney doch so treffend: „Was ist falsch daran, von der Liebe zu singen?“ Nichts, absolut gar nichts. Und so hinterlässt das Duo Berge in erster Linie Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dass „Es gibt überhaupt keinen Grund für Krieg“ und „Ich entscheid mich für die Liebe“ gesungen werden, ohne Sachzwänge, ohne intellektuelles Geschraube, einfach nur aus dem Herzen und für die Menschen. Der alte Folkspruch „Dann müssen wir eben lauter singen“ findet hier seine Erfüllung. Popmusik für die Freitagsdemo.
Chris Elstrodt
 TERESA BERGMAN: Apart
TERESA BERGMAN
Apart
(Jazzhouse Records), mit Texten


Das neue Album der Wahlberlinerin steckt voller Überraschungen. Apart startet mit einer Mainstream-Soul-Nummer, die scheinbar die musikalische Richtung der Musikerin vorgibt. Doch im Verlauf des Albums wird der Hörer immer neu überrascht und verwirrt. So wechseln sich experimentelle Kompositionstechniken wie in „Seconds“ mit traditionell anmutenden Folksongs („Follow You“) ab. Es scheint, als wäre Teresa Bergman ein Pseudonym für ein ganzes Künstlerkollektiv, so verschiedenartig sind die einzelnen Songs. Dass das Album dennoch in sich geschlossen und wie eine Einheit klingt, grenzt an ein kleines Wunder. Wunder sind auch die Soundqualität, die Leistung der Mitmusiker an Bass, Drums und Keyboards und insbesondere die Arrangements, die sich weit vom Folk-/Jazz-Standard heutiger Einspielungen absetzen. Apart wird so zu einem spannenden, ambivalenten Projekt. Die Songs passen, für sich allein betrachtet, gut auf die Bühne von Folkclubs oder Stadthallen. Als Gesamtwerk gehört das Album der gebürtigen Neuseeländerin aber in die Gesellschaft der großen Grenzbeschreiter wie Klaus Doldinger, Van Morrison oder Ani DiFranco.
Chris Elstrodt

 ESENCIA DE BOLERO (LIPA MAJSTROVIĆ & TIZIAN JOST): Historia De Un Amor
ESENCIA DE BOLERO (LIPA MAJSTROVIĆ & TIZIAN JOST)
Historia De Un Amor
(DMG Records), mit span. Texten u. engl. Infos


So mancher Künstler Lateinamerikas, der sich des u. a. zwischen Kuba und Mexiko entwickelten Bolero-Liedgenres annimmt, klingt weniger genuin. Die in Paris geborene Tiroler Sängerin, zum Teil in Spanien und Kroatien aufgewachsen, sowie der aus Kassel stammende Jazzpianist und -dozent trafen zwar eine geradezu klassische, für Kenner nicht allzu überraschende Auswahl an Boleros wie auch als Bolero populären Tangos (z. B. Gardels „El Día Que Me Quieras“). Und auch ihre Art der Interpretation wirft zugegebenermaßen kein wirklich neues Licht auf diese in Kuba auch schon vor einem halben Jahrhundert mit Jazz verbandelte Liedkultur. Von einem der Köpfe der sogenannten Feeling-Bewegung Havannas, César Portillo de la Luz, sind auch zwei bekannte Boleros dabei („Contigo En La Distancia“ und „Delirio“). Und doch bringen die beiden fernab der Bolero-Epizentren aktiven Künstler ihren jeweiligen Background (Jazz, Musical, Pop etc.) so zum Klingen, dass man eine gute Idee bekommt von der musikalischen Qualität und geradezu zeitlosen Eleganz dieser für europäische Ohren oft recht romantisch, gar schmalzig klingenden Lieder. Dafür braucht es, wie hier zu hören, mitunter nicht mehr als Gesang und Piano.
Katrin Wilke
 GRUP DOĞUŞ: Grup Doğuş
GRUP DOĞUŞ
Grup Doğuş
(Ironhand Records), mit engl. u. türk. Infos


Bis in die Achtzigerjahre wurden die Alben türkischer Musiker nicht nur auf Schallplatten, sondern oft auch auf Kassette verkauft. Diese waren meist günstiger und ließen sich auch beim Autofahren hören. Manche Künstler veröffentlichten ausschließlich Kassetten. Das war etwa bei Grup Doğuş aus München (!) der Fall, über deren einzige Veröffentlichung kürzlich der Inhaber des kleinen Labels Ironhand Records, Ercan Demirel, stolperte. Mit einiger Detektivarbeit fand er die Namen der vier türkischen Musiker heraus, erwarb die Rechte an der Neuveröffentlichung und präsentiert nun diese zu Unrecht vergessene Perle der Gastarbeiter-Rockszene der Mittsiebziger. Auf der LP enthalten sind acht psychedelische Stücke, teils Kompositionen namhafter Künstler der damaligen Zeit wie Cem Karaca und Barış Manço. Zu hören ist auch ein Schwarzmeermedley, alles freilich mit E-Gitarre, Keyboards, E-Bass und Schlagzeug gespielt. Hammondorgel, Wahwah-Effekte und Santana-artige Soli bezeugen, welch großartige Musik hierzulande in den Siebzigern gespielt wurde, aber das biodeutsche Massenpublikum nie erreichte.
Ines Körver 

 IONTACH: Cuan
IONTACH
Cuan
(Siúnta Music), mit ausführlichen, fundiert recherchierten engl. u. dt. Liner Notes


Wie schön, dieses das Album eröffnende, mit perfektem traditionellem Timing in der klassisch irischen Besetzung Flute/Fiddle/Bouzouki eingespielte Set von irischen Reels, das noch dazu mit „The Small Hills Of Offaly“ eine der Lieblingstunes des Rezensenten enthält! Wie ergreifend, Sängerin und Flötistin Siobhán Kennedys Stimme zum Drama des Schiffsunglücks von „Cooley Shore“ ansetzen zu hören. Der Song wurde nach Textfragmenten aus dem Nachlass von Siobháns Vater Rory komponiert, der eine große Rolle bei diesem fünften Album der multinationalen Irish-Trad-Band spielt. Zum zweiten Mal dabei ist der Brite Nick Wiseman-Ellis, der sein Examen an Fiddle und Akkordeon in Newcastle upon Tyen ablegte. Seine Interpretation des Slip Jig „The Red-Haired Girl“ aus der Feder von Paddy O’Brien ist einfach brillant; „Time For Tea“ illustriert seine kompositorische Kompetenz im Trad-Idiom! Das renommierte Trio um den Multiinstrumentalisten Jens Kommnick bleibt seinem Konzept von virtuoser Irish-Trad-Music-For-Three treu, immer authentisch und wohlabgewogen zwischen Fragilität und druckvoller Energie. Alle „Stimmen“ des Ensembles finden ihren Platz und begeistern durch Intimität und Detailreichtum. Highly recommended!
Johannes Schiefner
 KATA Y CO: Bossa und no’ was
KATA Y CO
Bossa und no’ was
(Herzog Records), mit dt. Texten u. Infos


Hatten wir so was schon mal? Die Sängerin Katharina Mai wuchs im russischen Uralgebirge auf, lernte dort über brasilianische Telenovelas Brasiliens Musik kennen, wurde später klassische Sängerin in Deutschland, lernte dazu Portugiesisch und Spanisch akzentfrei zu sprechen, lebte in Argentinien und gründete mit Jazz- und Klassikmusikern nun die Band Kata y Co. Dies erklärt so manches an ihrem ungewöhnlichen Album. Mais Stimme ist kräftig und ausdrucksstark, aber vor allem verwebt sie all ihre Einflüsse in den meist brasilianischen Stücken. Da vermengen sich Bossa Nova und Tango oder Tom Jobims „How Insensitive“ wird mit Chopin eingeleitet, um die harmonische Verbindung in Jobims Bossa Novas mit dem musikalischen Impressionismus aufzuzeigen. Die Arrangements lassen sich oft von den Texten der Songs inspirieren. Jazz, Klassik, Bossa Nova und Tango entwickeln hier Synergieeffekte. Etlichen Evergreens von Jobim, Pixinguinha, aber auch Piazzolla, die teils schon endlos interpretiert wurden, werden hier noch mal neue Höreindrücke abgerungen. Zum Abschluss präsentiert sich Mai zudem mit ihrer völlig anderen klassischen Stimme und verblüfft so insgesamt mit einer nicht alltäglichen Vielfalt.
Hans-Jürgen Lenhart

 KLAUS DER GEIGER & MARIUS PETERS: Imma Dolla
KLAUS DER GEIGER & MARIUS PETERS
Imma Dolla
(Tomorrow), mit Texten


Klaus Christian von Wrochem, besser bekannt als Klaus der Geiger, wird im Januar achtzig und ist immer noch von ungebrochener Aktivität. Vor allem in Köln und Umgebung als Straßenmusiker bekannt, war und ist der klassisch ausgebildete Violinist immer wieder bei Aktionen und Demonstrationen dabei. Mit seinem leidenschaftlichen rhythmischen Gefiedel und seinen agitatorischen Liedern ist er seit Jahrzehnten eine feste Größe der politischen Liedermacherei. Fast fünfzig Jahre jünger als er ist der Gitarrist Marius Peters, der sich vor allem auf Klassik und Jazz spezialisiert und sich schon in vielen Formationen einen Namen gemacht hat. Diese beiden haben ein Album eingespielt, das kaum vielfältiger, bunter, breiter sein könnte. Womit soll man beginnen bei der Beschreibung? Bei den Liedern des alten Kämpen zum Hambacher Forst, zu RWE, zum Braunkohleabbau oder seinem eher romantisch angehauchten Bauwagenlied? Oder mit den Capriccios von Paganini, wo er sich immer noch als ganz großer Geiger erweist? Oder die Kompositionen zur Gitarre von Marius Peters zuerst nennen? Die beiden begleiten sich gegenseitig ganz großartig – eine ungewöhnliche Produktion.
Rainer Katlewski
 ANDREA PANCUR: Weihnukka
ANDREA PANCUR
Weihnukka
(Galileo MC)


Die Münchener Sängerin Andrea Pancur, in den Weltmusik- und vor allem Klezmerkreisen Deutschlands längst ein fester Bestandteil, legt mit Weihnukka innerhalb nun eines Vierteljahrhunderts ihr bereits siebtes Album vor, wobei die ersten drei noch unter der Formation Massel-Tov liefen. Das Wort „Weihnukke“, so wie der Rezensent es kennt, ist eine Kombination aus den Worten „Weihnachten“ und dem jüdischen Lichterfest „Hanukka“, denn Letzteres fällt durchwegs zumindest in die Adventszeit. Bereits in den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts strebten deutsche Juden im Rahmen der Aufklärung danach, sich den Umgebungsbräuchen – hier den mitteleuropäisch christlichen – anzupassen. Deshalb war beispielsweise der Weihnachtsbaum alsbald in vielen jüdischen Wohnzimmern zu sehen, so auch bei Theodor Herzl (1860-1904), dem anerkannten Begründer des Zionismus. Neben Alex Haas (Bass) und Johann Bengen (Schlagzeug) sorgen vor allem Christian Dawid (Klarinette, Querflöte) und Ilya Shneyveys (Akkordeon, Gitarre) für wunderbare Arrangements, begonnen mit traditionellen Weihnachtsliedern über ein fetzig-rhythmisches „Drey Dreydele“ bis gar zu einem Partisanenmarsch. Kurz: Ein ideales Festtagsgeschenk für den Klezmerbegeisterten.
Matti Goldschmidt

 FINN RITTER: Orter
FINN RITTER
Orter
(Timezone), mit Texten


Warum Finn Ritter laut Pressinfo so eine Angst davor hat, als das definiert zu werden, was er ist, kann sich die Rezensentin nur damit erklären, dass er sich fürchtet, sonst in der Flut der anderen deutschen Pop machenden Liedermacher unterzugehen oder in der Schublade Deutschpop nicht gefunden zu werden. Wortklauberei. Dabei muss er gar nicht bangen. Der Hamburger Wahlberliner klingt auch auf seinem seit 2003 vierten Album ungewöhnlich, ernst oder auch funky, formuliert explizit und hat auch etwas zu sagen. Und er jammert nicht. Ein Macher runder, guter Lieder, schön arrangiert, von Piano oder akustischer Gitarre begleitet, durch andere Stimmen gehoben, zu denen sogar manchmal das Tanzbein zuckt. Man kann erkennen, dass er die Beatles schätzt. Wem die zwölf Lieder nach etwas mehr als zwanzig Minuten zu schnell vorbei sind, der wird sich nicht langweilen, das Werk noch einmal anzuhören.
Imke Staats
 SOLID GROUND: Summer And Spring
SOLID GROUND
Summer And Spring
(Folkup Music), mit engl. Texten


Die siebenköpfige Modern-Poetry-Folk-Band um Sängerin Simone Papke ist nach eigenen Angaben „inspired by Ireland“. Der Rezensent beobachtet sie seit ihrem Debütalbum First Flush (2005), war von Anfang an begeistert von dieser weiblichen Stimme, die traditionellen, getragenen Liedern die Seele einhaucht, die sie brauchen, und zugleich kritisch gegenüber den poppigen, schnelleren Songs, die schlagzeugbegleitet eher nervig-gute Stimmung erzeugten. Das Feedback scheint angekommen zu sein, denn heraus kam dieses sechste Album, das beide Stilrichtungen gekonnt miteinander vereint. 18 Tracks, mal poppig, mal getragen, auch Instrumentals, zwar mit Schlagzeug, aber dezenter, schöne, verträumte Klaviereinlagen und neben Papkes Stimme auch zwei männliche – von Jockl Werner und Carlo Nilsdorf – sowie Geige, Akkordeon, Dudelsack, Bass und andere Instrumente sorgen für einen durchgehenden, fast einstündigen Musikgenuss. Die Texte stammen diesmal fast alle von William Butler Yeats (1865-1939), eines von Francis Ledwidge (1887-1917), und sind im Beiheft abgedruckt. Somit handelt es sich hier um musikalische Interpretationen irischer Literatur aus Unterfranken, derer man sich mit Muße widmen sollte.
Michael A. Schmiedel

 UNTERBIBERGER HOFMUSIK: Dahoam und retour
UNTERBIBERGER HOFMUSIK
Dahoam und retour
(Himpsl Records), CD+DVD


Erst mal ein paar Infos für alle, die die Unterbiberger Hofmusik noch nicht kennen: Fünfmal lautet der Nachname Himpsl. Vater Franz Josef (Trompete, Saz), Mutter Irene (Akkordeon) sowie die Söhne Xaver (Trompeten), Ludwig (Schlagzeug, Percussion, Alphorn, Mellofon) und Franz jun. (Waldhorn). Alle Himpsls singen und werden komplettiert durch Mathias Götz (Posaune) und Florian Mayrhofer (Tuba). Das Repertoire könnte man als „Bavaria meets the world“ bezeichnen, vermischt die Band doch häufig die eigene Musik mit der ihrer Gastgeberländer. Der Mitschnitt des Konzerts vom 28.9.2018 in Taufkirchen ist seit dem Debüt Bajazzo (1995) bereits das zehnte Album der Hofmusik, die während dieser Zeit um die halbe Welt gereist und zusammen mit vielen lokalen Musikerinnen und Musikern aufgetreten ist. Und da kommt die beiliegende DVD ins Spiel, auf der die Himpsls allerlei Videomaterial von ihren Reisen und Auftritten zusammengetragen haben. Unbestrittener Hauptdarsteller ist da Vater Franz Josef, der mit entwaffnend liebenswerter Gnadenlosigkeit versucht, seine Ansagen in der jeweiligen Landessprache zu tätigen und so letztlich mehr für die Völkerverständigung tut, als jeder Gipfel oder jede Ordensverleihung.
Walter Bast
 CÉCILE VERNY & JOHANNES MAIKRANZ: Mein Liedgut
CÉCILE VERNY & JOHANNES MAIKRANZ
Mein Liedgut
(GLM Music)


Wenn man an der Elfenbeinküste geboren wurde, in Frankreich aufgewachsen und Jazzsängerin ist, sind einem Zarah Leander, Hildegard Knef oder Marianne Rosenberg nicht gerade an der Wiege gesungen worden. Wenn man aber seit dreißig Jahren in Deutschland lebt und singt, dann begegnen einem solche und andere Künstler und deren Lieder, und man lernt Neues kennen und schätzen. Und was Cécile Verny alles so untergekommen ist, erstaunt schon. Lonny Kellner und Trude Herr oder „Muss i denn“ kennen vermutlich heute nur noch ältere Jahrgänge. Aber kennen und mögen ist das eine, selber singen und aufnehmen das andere. Und da hat sie ihren ganz eigenen Stil gefunden, der die Lieder ganz anders und neu erklingen lässt. Man hört ihre Herkunft vom Jazz in den Songs, sie nimmt sich jedoch sehr zurück, interpretiert sie sehr verhalten, beinahe zerbrechlich, und verleiht ihnen dadurch einen Tiefgang, den sie als Schlager eigentlich nicht hatten. Auch eine „Ode an die Freude“ oder „Lippen schweigen“ sind sehr eigene Interpretationen von ihr. Johannes Maikranz unterstützt sie mit seinem variantenreichen Gitarrenspiel kongenial. Eine gute Möglichkeit, bekanntes deutsches Liedgut völlig neu zu hören.
Rainer Katlewski

 RALF WEIHRAUCH: Alles tot im Bauernhimmel
RALF WEIHRAUCH
Alles tot im Bauernhimmel
(Blue Bowl), Mit dt. Texten u. dt. sowie engl. Infos


So hat man deutsche Volkslieder noch nie gehört, und nach dem ersten CD-Durchlauf kann man es kaum glauben. Obwohl seine Wurzeln seit den Siebzigerjahren im Celtic Rock liegen, liebt Ralf Weihrauch das Experimentieren. Mit seinem aktuellen Album traditioneller deutscher Volkslieder hat er dies auf die Spitze getrieben. Die Arrangements der 13 Balladen – wie „Der grimmige Tod“, „Der Schlemmer“ oder „Eitle Dinge“ – sind nicht nur vollständig am Computer entstanden. Außer seiner Stimme, Akkordeon und Flöte verwendet Weihrauch nur Synthesizer, Loops und gesampelte Instrumente. Durch die elektronische Bearbeitung erklingen die zum Teil jahrhundertealten Lieder mal als Reggae, mal als Dancefloor, Funk, Techno-Polka oder asiatischer Elektropop. Selbst die Deutschfolk-Legende Liederjan singt plötzlich Harmonien dazu. Der Musiker aus Herne nennt seine Kreationen Sci-Folk. In der Tat erweckt er die Volkslieder mit seinem spacigen Sound zu neuem Leben. Ob die traditionellen Stücke dadurch tatsächlich wieder mehr an Aufmerksamkeit gewinnen, bleibt abzuwarten. Auf alle Fälle wird es eine Diskussion darüber auslösen, was eine angemessene Interpretation dieses Liedguts ist. Für den Autor wirkt es eher befremdlich.
Erik Prochnow



Europa
 ÁNNÁSUOLO: Muohtačalmmit
ÁNNÁSUOLO
Muohtačalmmit
(Ponca Jazz Records), mit engl. u. samischen Texten


Ánnásuolo ist ein norwegisch-samisches Quintett, benannt nach einem Fischerdorf ganz oben im Norden. Die Musiköffentlichkeit außerhalb des Landes wurde durch die erste Nordic Expo (s. a. Folker 1/2019) auf die Band aufmerksam. Ihre Musik ist eine meist sanfte, manchmal rhythmische Mischung aus samischer Tradition, Jazz, Pop und Electronica und speist sich vornehmlich aus zwei Quellen. Da sind zum einen die atmosphärischen und immer fließenden Kompositionen des Gitarristen John-Kåre Hansen, für die er Gedichte der samischen Ikone Nils-Aslak Valkeapää und Einspielungen von Feldaufnahmen als Grundlage nimmt. Und zum anderen lebt die Musik Ánnásuolos von der Stimme Marianne Penthas, deren einschmeichelnder Gesang durchaus hypnotische Ausstrahlung hat. Ihre Familie sprach noch samisch, wie einige tausend Menschen im hohen Norden, sie selbst jedoch muss sich die Sprache mühsam wieder beibringen. Die Musik, die durch Keyboards, Bass und Drums sowie punktuell durch das Arctic Philharmonic Chamber Orchestra ergänzt wird, hat ihren eigenen Charme und ist deutlich im Hier und Heute angesiedelt. Sehr angenehm und ansprechend.
Mike Kamp
 BELONOGA: Through The Eyes Of The Earth
BELONOGA
Through The Eyes Of The Earth
(CPL-Music)


Ihre Stimme hat etwas Hypnotisches. Man hat das Gefühl, mit ihr auf Reisen zu gehen, durch archaische Kulturen, unberührte Landschaften und die Wunder des Lebens. Belonoga ist ein weiteres Beispiel der unglaublichen Intensität bulgarischer Vokalkunst. Hinter dem Künstlernamen verbirgt sich die Sängerin Gergana Dimitrova, die lange als Solistin mit dem weltberühmten Vokalensemble Le Mystère des Voix Bulgares aufgetreten ist. Auf ihrem zweiten Soloalbum entfacht sie erneut ein Feuerwerk ihres unter die Haut gehenden Gesangs. Die neun zum Teil mit dem Flötisten Konstadin Gentschev geschriebenen Eigenkompositionen überzeugen aber nicht nur durch Dimitrovas Stimme, sondern vor allem durch ihr kreatives musikalisches Arrangement mit Hirtenflöte, Gitarre, Fidel, Percussion, Trompete und Schlagzeug. Belonoga besticht dabei durch eine große Vielfalt. So trifft bulgarische Volksmusik auf Nu Jazz, indische Rhythmen, orientalische Einflüsse oder Folkrock à la Jethro Tull. Ob balladesk oder groovend, Belonoga zieht den Zuhörer vom ersten Ton an in eine musikalische Welt, die tatsächlich aus der geheimnisvollen Kraft der Erde gespeist wird und nur so vor Energie sprudelt.
Erik Prochnow

 BIRKIN TREE with AOIFE NÍ BHRÍAIN: Five Seasons
BIRKIN TREE with AOIFE NÍ BHRÍAIN
Five Seasons
(Felmay Records), mit ausführl. engl. u. ital. Liner Notes


Birkin Tree sind eine schon 1982 von dem brillanten Uilleann Piper Fabio Rinaudo gegründete Irish-Trad-Band aus Norditalien. Schon immer imponierten diese Musiker durch sehr hohe Authentizität und „Transzendenz“ der irischen traditionellen Musik. Jetzt also der Geniestreich, den Sound um die Geige von Aoife Ní Bhríain – eine der wohl weltbesten Geigerinnen zwischen Irish Trad und modern interpretierter Klassik – zu bereichern. Im Trio mit Flötist Michel Ballati und dem gekonnten Gitarren-Backing von Claudio De Angeli fegen die Leadinstrumentalisten wie ein Wirbelsturm durch ihre Tunes. Wunderbar kraftvoll und präzise intonierte, perfekt phrasierte, volltönende Arrangements lassen jedes wahre Irish-Trad-Herz schneller schlagen und die Füße nicht stillstehen. Eine kluge, breitgefächerte Tune-Auswahl tut ihr übriges. Zwischendurch fokussiert sich die Band auf den großartigen Gesang von Laura Torterolo, die ebenso hörbar ihre Vorbilder studiert hat und mit schlafwandlerischer Stimmsicherheit mitten ins Herz trifft. Ein unglaublich gutes Album, das einmal mehr zeigt, wie weit verbreitet und fest etabliert irische Musik heute weltweit ist. Schon jetzt meine Irish-Trad-CD 2019!
Johannes Schiefner
 DIVERSE: Folk & Great Tunes From Norway
DIVERSE
Folk & Great Tunes From Norway
(Nordic Notes), mit kurzen engl. Infos


Auch bei einem Doppelalbum mit einem Querschnitt durch die norwegische Folkszene vermisst man sofort bestimmte Lieblinge – was aber unvermeidlich ist, und die vertretenen Musikerinnen und Musiker lohnen die Anschaffung allemal. Anders als bei vielen ähnlichen Projekten wurde hier die samische Musik nicht ausgelassen (vertreten durch Elin Kåven und den Joiker Vassvik, der seinen Texten gern englische Titel gibt, zum Glück aber auf Samisch singt). Wir begegnen hierzulande bereits Bekanntem – wie der Gruppe Eplemøya Songlag, der Geigerin Annbjørg Lien und dem Gjermund Larsen Trio – und machen spannende neue Bekanntschaften, zum Beispiel die der irisch inspirierten Band Firo mit dem umwerfenden Zitherspieler Øyvind Sandum oder die der Geigerin Johanne Flottrop, die mit ihrer Band Raabygg ein weiteres Mal vertreten ist. Wir hören Gesangs- und Instrumentalstücke, und wenn auch ein seltenes Mal die Frage auftaucht, warum gerade dieses schreckliche Stück auf einer sonst so hervorragenden Kompilation enthalten ist, der Gesamteindruck ist unbedingt positiv. Die große Überraschung ist die eigentlich längst bekannte Band Majorstuen mit ihrer von Knut Hamsun inspirierten langen und lebhaften Ballade „Lensmann Geissler“.
Gabriele Haefs

 CARLO MAVER: Volver – Bandoneon And Flutes
CARLO MAVER
Volver – Bandoneon And Flutes
(Visage Music)


Volver („zurückkehren“), da denkt man an Carlos Gardel, an Tango. Die Reise in ferne Welten und die Rückkehr sind wichtige Themen für Carlo Maver. Der Bologneser kehrte aus Argentinien zurück, wo er bei Dino Saluzzi seine Bandoneon-Kenntnisse vertiefte, und von seinem Wüstentrip in Mali, auf dem er 1.500 Kilometer weit allein von Timbuktu zu den Salzminen von Taoudenni wanderte. Carlos Maver lotet als Musiker und Mensch Grenzen aus. In Volver kehrt er zu seinem Inneren, zu seinen Wurzeln zurück. Sein Tango ist weniger ein Tanz des Körpers als der Sinne. Mit wenigen Tönen schafft der Musiker abwechselnd mit dem Bandoneon und verschiedenen Flöten Klangwelten, die einen umschmeicheln, wegtragen. Maver ist kein Blender, der zeigen muss, wie virtuos er Bandoneon spielen kann. Viel wichtiger ist es für ihn, dass jeder Ton für sich Tiefe erzeugt. Unabdingbar sind die Pausen zwischen den Tönen. Minimal Music könnte man das nennen. Doch Carlo Maver erzeugt keine seelenleere Kunstmusik mit endlosen Wiederholungen. Er offenbart sich mit seinen Tönen und schafft damit eine Klanglandschaft, die tief bewegt. Ein Bandoneon oder eine Flöte, mehr braucht es dazu nicht.
Martin Steiner
 TONY McMANUS & JULIA TOASPERN: Live In Concert
TONY McMANUS & JULIA TOASPERN
Live In Concert
(Greentrax Recordings), mit engl. Infos


Es war Ende 2017 beim Folk im Feuerschlösschen in Bad Honnef, als der Saitenzauberer Tony McManus gebucht war. Seine Jigs und Reels auf Gitarre, das hat was! Ab und zu kam ein wenig überraschend eine junge Dame auf die Bühne und spielte überzeugend Gitarre und Violine und sang auch noch gut. Nett, dachte ich, der Meister gibt dem Nachwuchs eine Chance. Von wegen! Das war der Beginn eines sehr gleichwertigen Duos, denn Julia Toaspern ist eine höchst eigenständige Musikerin (s. a. Folker 3/2018), die einen gleichwertigen Anteil an der Arbeit dieses Duos hat. McManus ist noch nie einer Kooperation aus dem Weg gegangen, wenn sie künstlerisch lohnend war. Das vorliegende Livealbum einer späteren Deutschlandtour ist der erfreuliche Beweis. Die fünf Lieder (beide singen, teils gemeinsam) und die zehn Instrumentals bleiben nicht in keltischen Klischees gefangen. Das Repertoire reicht überdies von Griechenland über die italienische Oper bis hin zu Jazzstandards. Das alles passt und macht richtig Spaß!
Mike Kamp

 RUNRIG: The Last Dance – Farewell Concert
RUNRIG
The Last Dance – Farewell Concert
(Sony Music/RCA), Dreifach-CD


Das war’s dann also. Zwei rauschende und höchst emotionale Konzerte von etwa dreistündiger Länge am 17. und 18. August 2018 vor jeweils 25.000 Fans, mit Stirling Castle im Hintergrund – und 45 Jahre Runrig sind schottische Folkrock-Geschichte. Wo und wie die Fans nun ihre jährlichen Mitsingspektakel abhalten, ist nicht bekannt, aber an jenen zwei Abenden waren sie und die Band noch einmal in außergewöhnlich guter Form (z. B. bei „Every River“). All die ergreifenden Songs wurden noch einmal zelebriert: „Alba“, „Skye“ oder „Loch Lomond“ (da hüpft das Herz des FC-Köln-Fans!), nicht wie üblich als Schlussstück. Diese Ehre blieb der ergreifenden A-cappella-Version von „Hearts Of Olden Glory“ vorbehalten. Malcolm Jones zeigte natürlich wieder, wie erhaben eine E-Gitarre klingen kann, Gründungsmitglied Donnie Munro und der Glasgow Islay Choir durften noch einmal ran, ebenso Freunde der Band wie der Fiddler Duncan Chisholm oder die Sängerin Julie Fowlis. Für die zahlreichen Fans der Band 170 Minuten pure Gänsehaut. Aber es heißt, man soll gehen, wenn’s am schönsten ist. Viele Bands verpassen diesen Zeitpunkt, Runrig haben genau das Richtige gemacht – Respekt!
Mike Kamp
 SHOW OF HANDS: Battlefield Dance Floor
SHOW OF HANDS
Battlefield Dance Floor
(Hands on Music/Proper Records)


Das 18. Studioalbum und die erste Duo-Produktion seit mehr als drei Jahren. Duo-Produktion? Dass Miranda Sykes mit ihrem Kontrabass unverzichtbarer Bestandteil des Show-of-Hands-Sounds ist, werden alle unterschreiben, und jetzt kommt Cormac Byrne hinzu, Percussionkünstler par excellence. Das sorgt für einen volleren Livesound, für den es im Studio Hilfsmittel gibt, die SoH zu nutzen wissen. Daher hat auch Battlefield Dancefloor mit acht Steve-Knightley-Kompositionen und vier Coverversionen erneut einen sehr zeitgemäßen Klang, besonders „Mother Tongue“, eine Kooperation mit dem Dhol-Virtuosen Johnny Kalsi. Das ist spannend und politisch, aber nahe an einer Überdosis Sound. Highlights eines ansonsten wunderbaren Albums (na ja, auf die Ode an ein Regiment in Essex hätten zumindest des Rezensenten Ohren verzichten können) sind die folkige Bearbeitung des Leonard-Cohen-Klassikers „First We Take Manhattan“ und das darauffolgende „Make The Right Noises“, packend interpretiert von Miranda Sykes. Sie singt zwei Songs, ebenso wie Phil Beer, dessen Version von Richard Shindells „Next Best Western“ herausragt. Der Rest ist Steve Knightley und ebenfalls von der Qualität, die wir von Show of Hands gewohnt sind.
Mike Kamp

 TRIO DHOORE: August
TRIO DHOORE
August
(Trad Records)


Mit ihren Melodien erzählen die drei Brüder aus Flandern musikalische Geschichte(n) wie die aus dem Titelstück ihres vierten Albums, das vom Schicksal des Fischers August inspiriert ist, der im 18. Jahrhundert 33 gefährliche Fahrten von Flandern nach Island überlebt. Sieben weitere innovative Instrumentalkompositionen sind auf diesem mit 36 Minuten recht kurzen Album enthalten. Koen, Hartwin und Ward Dhoore haben sich in zehn Jahren gemeinsamen Musizierens mit ihrer Musik, die tief in der traditionellen flämischen Volksmusik wurzelt, verdientermaßen einen Platz in den Herzen ihrer Fans erspielt. Mit verträumt mäanderndem diatonischem Akkordeon, lyrischer DADGAD-Gitarre und meist ohne Schnarre gespielter Drehleier haben sie ihr eigenes musikalisches Idiom entwickelt. Darin stehen ihre akustischen Instrumente abwechselnd im Vordergrund und stützen sich gegenseitig in immer wieder überraschenden Arrangements, die mit dezenten elektronischen Effekten – „synths & soundscapes“, wie die Band es nennt – angereichert werden. Hinzukommen als Gastmusiker Gregory Van Seghbroeck mit Eufonium und Horn sowie Jeroen Geerinck mit Harmonium und Synthesizer, die den wunderschönen Stücken musikalische Farbtupfer aufsetzen.
Ulrich Joosten



Afrika
 DIVERSE: Alefa Madagascar! Salegy, Soukous & Soul From The Red Island
DIVERSE
Alefa Madagascar! Salegy, Soukous & Soul From The Red Island
(Strut Records)


Anfang der Neunzigerjahre hatten sich die US-Promi-Gitarristen Henry Kaiser und David Lindley auf eine musikalische Expedition begeben. Sie hatten Madagaskar, die „rote Insel“ im Indischen Ozean, zum Ziel – seinerzeit noch ein wahrlich weißer Fleck des sogenannten „Weltmusik“-Genres. Mit zwei CD-Kompilationen (A World Out Of Time), die die seinerzeit aktuelle madagassische Szene dokumentierten, ebneten sie Bands wie z. B. Tarika oder dem Ny Malagasy Orkestra den Weg für Konzerte weltweit. Aber die Vorgeschichte blieb weiter im Dunkeln. Dem leistet Strut Records nunmehr verdienstvolle Abhilfe. Aus den Archiven wurden 18 mehr oder weniger repräsentative Aufnahmen hervorgeholt, die zwischen den Jahren 1974 und 1984 entstanden. Die Namen der vertretenen Ensembles und Künstler sind wohl vergessen und international unbekannt geblieben – was aber zweitrangig ist. Die Auswahl ist auf jeden Fall spannend und die Vielfalt der Stile und Sounds faszinierend. Hier treffen einheimische Tanzmusik, wie zum Beispiel der flotte Salegy, mit anderen tanzbaren Stilen des afrikanischen Kontinentes, u. a. dem kongolesischen Soukous, aber auch Soul und Funk zusammen. Heraus kommen groovige, bisweilen natürlich leicht angestaubte, aber stets hörenswerte Mixturen.
Roland Schmitt



Nordamerika
 MICHAEL JEROME BROWNE : That’s Where It’s At!
MICHAEL JEROME BROWNE
That’s Where It’s At!
(Borealis Records)


Dass Soul, Gospel, Spirituals und der Blues in ihrer reinen Form aus dem Süden der USA stammen und alles miteinander verwoben ist, das zeigt der Sänger und Gitarrist Michael Jerome Browne mit den 14 Stücken dieser CD. An Instrumentierung benötigt er dazu nicht viel: 6- oder 12-saitige akustische Gitarre, Banjo, Mundharmonika. Auf fünf Stücken kommt dezentes Schlagzeug dazu. Als Gastsänger sind mit jeweils einem Song Eric Bibb und Roxanne Potvin zu hören, und zweimal begleitet ihn Harrison Kennedy. Browne singt mit sanfter, angenehmer Stimme, sein Spiel auf der Gitarre ist technisch brillant und über die Maße versiert. Er benutzt unterschiedliche Gitarrenstimmungen, bei denen er zudem noch einzelne Saiten herauf- oder herabstimmt. Auch dadurch bekommen die Stücke einen sehr individuellen Ausdruck. Ein schönes Beispiel dafür ist das Spiritual „Pharaoh“, das in zwei ganz unterschiedlichen Versionen zu hören ist. Einmal zum Ausklang des Albums, auf dem Banjo gespielt und ganz nah an den afrikanischen Wurzeln, und auch die andere Version mit zweistimmigem Gesang und slidegespielter Gitarre gelingt ganz vortrefflich und ist eine Einladung, all die wunderbare Musik der CD zu entdecken.
Achim Hennes
 BRUCE COCKBURN: Crowing Ignites
BRUCE COCKBURN
Crowing Ignites
(True North Records)


Dass Singer/Songwriter Gitarre spielen, ist nicht ungewöhnlich. Manche können das sogar sehr gut. Ein derart exzellentes Gitarrensoloalbum abzuliefern ist allerdings mehr als bemerkenswert. Die Rede ist von Bruce Cockburn, der nach Speechless (2005) sein zweites reines Instrumentalalbum vorstellt. Was für ein prachtvolles musikalisches Statement! 6- bis 12-saitige Erzählungen, wortlose Geschichten, die vielfache Assoziationen wecken. Der aufregende Opener „Bardo Rush“ legt zumindest im Titel bereits eine Spur nach Tibet, die in „Bells Of Gethsemane“ mit seinem magischen, durch Klangschalen, Gongs und Zimbeln geschaffenen Klangraum vollständig erblüht. „Pibroch: The Wind In The Valleys“ beschwört die Heimat der schottischstämmigen Cockburns. Darauf verweist auch der etwas kryptische Albumtitel, der eine der möglichen Übersetzungen des Cockburn-Familienwappens wiedergibt. Traditionelle Bezüge sind auch in der Hommage an den Bluesheroen Blind Willie Johnson („Blind Willie“) oder im bluesig-trancigen „The Groan“ mit seinem faszinierenden Handclapping vorhanden. Wie sagt Cockburn zu „Sweetness And Light“ in den Liner Notes so schön: „A gift … there was nothing else to call this.“ So ist es, Crowing Ignites ist ein reines Geschenk.
Rolf Beydemüller

 RONNIE EARL AND THE BROADCASTERS: Beyond The Blue Door
RONNIE EARL AND THE BROADCASTERS
Beyond The Blue Door
(Stony Plain Records)


Na, und was erwartet einen jenseits der blauen Tür? Das ist schnell gesagt: Die feinste, vom Blues geprägte Musik. Gespielt von Ronnie Earl mit seinem klaren, perlenden Gitarrenton, seiner fantastischen Band The Broadcasters und einer Reihe nicht minder virtuoser Musiker ist dieses Album ein Lehrstück in Sachen Coolness, Abgeklärtheit, Ausdruck und Emotion. Stellvertretend für alle 15 Songs sei hier nur das Stück „A Soul That’s Been Abused“ herausgestellt. Eine Eigenkomposition von Ronnie Earl, ein Slow Blues, der sich über zehn Minuten hin erstreckt und alles beinhaltet. Eine kurze Melodie zu Beginn gibt das Thema vor, gefühlvoller Gesang setzt ein (Diane Blue), ein hinreißender Dialog von Saxofon (Greg Piccolo) und Gitarre, und dann diese endlos langen Töne der Hammond B3 (Dave Limina). Obendrauf Ronnie Earls Gitarrenspiel, so klar, so verschwenderisch im Umgang mit der Zeit, der Ton wird gespielt, gedehnt, gezogen und geformt, der ganze Prozess auf dem Weg dahin geht durch Mark und Bein. Und das Beste ist, dies war nur eines der 15 Stücke, die anderen stehen ihm in Ausdruck und Finesse keineswegs nach. Man muss ihn eben nur beschreiten, den Weg durch die blaue Tür.
Achim Hennes
 CHRIS GANTRY: Nashlantis
CHRIS GANTRY
Nashlantis
(Drag City Records)


Gantry wurde in den frühen Siebzigern von Johnny Cash sehr gefördert, doch seine beiden damals erschienenen überdrehten psychedelischen Folksongalben fanden gar keinen Anklang. Ein drittes wurde gar nicht mehr veröffentlicht. Danach machte er Ewigkeiten keine Musik mehr, sondern konzentrierte sich auf Theaterarbeit. So ist es erstaunlich, Neues von ihm auf dem kleinen, avantgardeorientierten Drag-City-Label aus Chicago zu finden. Leider ist der eigenbrötlerische Charme der frühen Jahre auf Nashlantis nicht mehr zu finden. Seine Stimme ist rauer geworden, doch klingt seine Musik weniger abenteuerlustig. Trotzdem schön, wieder was Neues von ihm zu hören, das insgesamt ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein scheint.
Michael Freerix

 HOUSE AND LAND: Across The Field
HOUSE AND LAND
Across The Field
(Thrill Jockey Records)


Es geht ein eigentümlicher Zauber aus von diesen beiden Frauen, der Fiddlerin und Banjospielerin Sally Anne Morgan und der Multiinstrumentalistin Sarah Louise. Sie interpretieren alte Lieder der Appalachen, der Ozarkberge und aus Großbritannien in ihrem Sinne. Das klingt, als ob es vor Hunderten Jahren schon Aufnahmegeräte gegeben hätte, und doch auch modern, archaisch, psychedelisch, verschroben und mutig. Das Duo aus Asheville in North Carolina bedient sich der alten Balladen mit Respekt, verändert aber die Texte in seinem Sinn, gibt ihnen eine weibliche Perspektive und verleiht den Liedern so neue Authentizität. „Es wird den Songs gerecht, sie so zu singen, wie du sie fühlst, selbst wenn das bedeutet, einige Wörter zu ändern“, sagt Sally Anne Morgan. Oder sie lassen die Wörter einfach komplett weg und machen aus „Carolina Lady“ ein extrem faszinierendes Instrumental, in dem auch eine angezerrte E-Gitarre wie selbstverständlich ihren Platz im akustischen Kosmos findet. Der Harmoniegesang der beiden wirkt rau, keineswegs niedlich. Ihre Musik kommt aus den Tiefen der Zeit, die ihre Schönheit zögernd preisgibt. Und sie wirkt hypnotisierend auf alle, die sich darauf einlassen.
Volker Dick
 EILEN JEWELL: Gypsy
EILEN JEWELL
Gypsy
(Signature Sounds Recordings)


Das erste Stück ein Countryrocker mit schmutzigem Fiddlesolo, das zweite eine Ballade, das dritte voller Western Swing, das vierte mit New-Orleans-Touch. Eilen Jewell scheint sämtliche Stile zu beherrschen, die tiefe Wurzeln in der Musik der USA geschlagen haben. Auf ihrem neunten Album zeigt die vierzigjährige Songschreiberin aus Cambridge, Massachusetts, gelebte Vielfalt. Das Titelstück wirkt wie in eine Klanglandschaft von Daniel Lanois getaucht, „Beat The Drum“ bildet einen düsteren Ein-Akkord-Aufruf, Widerstand zu leisten und an seine Träume zu glauben, während „These Blues“ als klassisch anmutender Countryheuler mit Pedal Steel, Twang-Gitarre und Fiddle daherkommt. Dazu singt sie von schlechten Beziehungen, der Suche nach Schlaf und beschwört die harten Zeiten, sie mögen sich bitte von ihr fernhalten. „Who Else But You“ bietet Folkiges ohne Akustikgitarre, und in „Witness“ beschwört Eilen Jewell mit einer Soulballade samt Bläsern auch diesen Geist. Sie verabschiedet sich dann in aller Stille mit „Fear“ und dem Ratschlag, nicht die Angst als Ratgeber zu wählen. Wussten wir zwar schon, aber wenn es in dieser Eindringlichkeit noch mal gesagt wird, dann gern immer wieder.
Volker Dick

 LEAF RAPIDS: Citizen Alien
LEAF RAPIDS
Citizen Alien
(Coax Records), mit engl. Texten u. Infos


„Der ausländische Bürger“, so könnte man den Albumtitel des Alternative-Folk-Duos aus Winnipeg übersetzen. Sängerin Keri Latimer hat hier die Geschichte ihrer Großeltern aufgearbeitet, die als angeworbene Einwanderer aus Japan in Kanada landeten, dort aber im Zuge des Zweiten Weltkrieges in die USA ausgewiesen wurden, wo sie als ausgebeutete Arbeiter ihr Leben darbten. Aus der Familienhistorie entwickelte Latimer klassische Folkthemen, wie das der Urgroßmutter, die auf ihren kanadischen Ehemann, mit dem sie über eine Heiratsagentur zusammenkam, mit einer Schere einstach. Der klassische Folksound, oft im Walzertakt, ist zwar immer vorhanden, trifft aber auf ausgeklügelte Arrangements mit leichtfüßigen Country- und Dream-Pop-Sounds. Dazu werden Lap Steel Guitar, Bläser, Theremin oder Orgelklänge eingesetzt, die diesen Folk sphärisch, ja manchmal fast kitschig wirken lassen, was auch mit der überaus zarten Stimme Keri Latimers zu tun hat. Ehemann Devin spielt übrigens Bass, dazu gesellen sich etliche Mitmusiker. Mit der Instrumentierung vermied man, dass die Songs angestaubt klingen. Irgendwann geht das ganz gut ins Ohr.
Hans-Jürgen Lenhart
 CARLA OLSON & TODD WOLFE: The Hidden Hills Sessions
CARLA OLSON & TODD WOLFE
The Hidden Hills Sessions
(Redparlor Records)


Der Webauftritt von Carla Olson wirkt etwas vernachlässigt, und schon lange ist kein reguläres Album mehr von ihr erschienen. Offensichtlich hat sie sich auf Musikproduktionen verlegt, was schade ist, denn ihre Stimme wird in dieser Welt doch sehr vermisst, so eigenartig und charaktervoll wie sie eben ist. Schön nun, dass es doch etwas Neues von ihr gibt, eine Session mit ihrem langjährigen Gitarristen und Mitstreiter Todd Wolfe, der seine Brötchen als Begleitmusiker und Songschreiber für Sheryl Crow verdient. Diese Sessions sind rein akustisch gehalten, eine Mischung aus eigenen und fremden Songs. Es macht wirklich Freude, wie die beiden aus Songs von Stevie Winwood und Jagger/Richards noch interessante Facetten herausarbeiten, ohne dass diese Coverversionen überflüssig wirken. Und die eigenen Songs haben keinen Hauch von Zeitgeist, sie stehen immer in einer Klasse für sich.
Michael Freerix

 JOHN CEE STANNARD: Moving On
JOHN CEE STANNARD
Moving On
(Castiron Recordings)


Bereits 1968 war John Stannard Mitgründer der Folkband Tudor Lodge, die zumindest im Süden Englands, ihrer Heimatregion, hohen Bekanntheitsgrad genießt. Die Band ist bis heute aktiv. Daneben gab es immer schon das Trio John Cee Stannard & Blues Horizon, bei dem der Sänger und Gitarrist von Mike Baker an der Gitarre und Howard Birchmore an der Mundharmonika begleitet wird. Diese drei sind dann auch die Kernmannschaft des vorliegenden Albums, das mit zahlreichen weiteren Musikern im Big-Band-Format aufspielt. Diverse Gitarristen, eine Horn Section, vier Backgroundsängerinnen, Orgel und Akkordeon sorgen für große musikalische Vielfalt und Abwechslung. Alles orientiert sich am Blues, hier in seiner eleganten Spielart, der Soul und Jazz sind stets zum Greifen nah. Sehr geschmackvoll, immer stilsicher und mit großem Spielwitz, das trifft auf jedes der Stücke zu. Maßgeblichen Anteil daran hat der mitunter etwas schräge Gesangstil von John Cee Stannard, der es auch als Komponist versteht, jedem Stück eine kleine besondere Wendung zu geben. So zitiert er beispielsweise in „Price Of Your Sin“ das unverwüstliche „Stormy Monday“ oder zeigt sich in „Evenin’ Sun“ auch als veritabler Banjospieler.
Achim Hennes



International
 EMEL MATHLOUTHI: Everywhere We Looked Was Burning
EMEL MATHLOUTHI
Everywhere We Looked Was Burning
(Partisan Records)


Zwischen 2010 und 2011 war sie mit ihrem Song „Kelmti Horra“ („Mein Lied ist frei“) die musikalische Ikone der tunesischen Revolution. Inzwischen lebt die 37-jährige Sängerin und Gitarristin verheiratet in den USA und legt mit Everywhere We Looked Was Burning ihr drittes Album vor. Gleich zu Anfang fällt auf, dass sie den Großteil ihrer neuen Songs in amerikanischem Englisch geschrieben hat. Dass ihr eine gewisse Sprachbegabung eigen ist, bewies sie schon vor Jahren, als sie recht akzentfrei Rammsteins „Frühling in Paris“ coverte. Ansonsten blieb sich Emel Mathlouthi weitgehend treu, philosophiert über die elementaren Dinge des Lebens, klagt politische und gesellschaftliche Missstände an und blickt zumeist recht pessimistisch in die Zukunft. Nachvollziehbar. Musikalisch setzt sie einmal mehr auf einen stark verhallten Gesang, schlichte Folkmelodien und viele Naturgeräuschsamples und andere Effekte aus den Festplatten von Fairlight & Co. Einmal mehr fällt auf, welch immensen Einfluss Kate Bush, Sally Oldfield, die irischen Brennan-Schwestern oder Björk auf die Klangwelten nachfolgender Sängerinnen gehabt haben. Alles in allem also ein adäquater Nachfolger von Ensen (2017).
Walter Bast



Kurzrezensionen
 ACID ARAB: Jdid
ACID ARAB
Jdid
(Crammed Discs)


Die beiden Pariser DJs Hervé Carvalho und Guido Minisky haben nach ihrem vielbeachteten Debüt Made In France (2016) nun ein – im arabischen Wortsinn – „neues“ Album herausgebracht, das seinem Vorgänger in nichts nachsteht. Westliche Beats treffen auf nordafrikanisch-vorderasiatische Traditionen und verschmelzen zu einem grandiosen Klangspektakel.
wb
 AFENGINN: Klingra
AFENGINN
Klingra
(Tutl)


Die färöische Band klingt hier wie eine Mischung aus Ketil Bjørnstad und Richard Wagner, interessant immerhin. Es fängt an wie große Oper, mit Pauken und allem Drum und Dran, wird dann ruhiger, fast hypnotisch, die färöische Aussprache ist wunderbar klar zu verstehen.
gh

 BIBI AHMED: Adghah
BIBI AHMED
Adghah
(Sounds of Subterrania!)


Auf seinem Debütalbum singt und spielt Bibi Ahmed, der Bandleader der Gruppe Inerane aus Agadez/Niger, sämtliche Instrumente. Es ist ein minimalistisches Solowerk, das den Hörer auf eine akustische Reise in die Sahara mitnimmt. Tuareg Blues mit der Reduktion auf das Wesentliche, aufgenommen in Deutschland in Zusammenarbeit mit Sounds of Subterrania.
cs
 AMI: Momentan
AMI
Momentan
(Capriola)


Momentan ist das erste deutschsprachige Album der Künstlerin Ami Warning. Dennoch klingt Momentan auf eine seltsame Weise amerikanisch, fast ein ins Deutsche übersetztes englischsprachiges Album. Verantwortlich dafür sind vermutlich die akzentuierten Kompositionen, die die Soulstimme der Sängerin kongenial umsetzt. Momentan wird so zu einer lohnenden Entdeckungsreise.
ce

 ANTIGUA: Astronauta
ANTIGUA
Astronauta
(Lädy Bäm Records)


Eine junge Rheinländerin mit allerlei musikalischen Einflüssen aus Brasilien und anderen Teilen der Welt, die textet und komponiert und durch ihre Vielseitigkeit beeindruckt. Die Jazzsängerin interpretiert mit ihren drei Musikern den Gypsy Jazz auf neue Art; in mehreren Sprachen gibt sie ihrem Astronautenblick auf die Erde einen poetischen Ausdruck.
rk
 BABA ZULA: Derin Derin
BABA ZULA
Derin Derin
(Glitterbeat)


Schon ihre voriges Doppelalbum zum 20-jährigen Bandbestehen haben Baba Zula bei Glitterbeat veröffentlicht, weil es in der Türkei verboten wurde. Diesmal präsentieren Osman Murat Ertel (E-Bağlama) und Mehmet Levent Akman (Percussion) dort ihren Orient Dub mit Periklis Tsoukalas (E-Oud) und Ümit Adakale (Percussion).
ink

 BANDONEGRO: ¡Hola Astor! – Bandonegro Meets Piazzolla
BANDONEGRO
¡Hola Astor! – Bandonegro Meets Piazzolla
(SJ Records)


An Astor Piazzolla haben sich schon viele abgearbeitet. Das polnische Tangoquartett hat sich dazu einen E-Gitarristen und einen Drummer eingeladen und gibt Piazzollas Tango Nuevo swingende Elemente, mehr Dynamik und vertrackte Rhythmen, was durchaus in Piazzollas Sinn gewesen wäre. Ausgewählt wurden Stücke der Siebziger und Eigenkompositionen.
hjl
 GERRY BARNUM: Good Time Comin’
GERRY BARNUM
Good Time Comin’
(Blind Lemon Records)


Er packt seine alte Martin und eine Mundharmonika, manchmal noch ein Slide-Rohr und spielt den Blues. Den Kanadier aus British Columbia hat’s in den hohen deutschen Norden verschlagen für die Aufnahmen der eigenen Stücke. Die wirken eindringlich, etwa „free time“, und es gibt dazu eine hübsche Coverversion von Curtis Mayfields „People Get Ready“.
vd

 ADRIANO BATOLBA TRIO: How Much Does It Cost, If It’s Free?
ADRIANO BATOLBA TRIO
How Much Does It Cost, If It’s Free?
(ToBaGo Records)


Das Trio des Sängers und Gitarristen Andre Tolba spielt Rock’n’Roll und Rockabilly mit hörbar viel Herzblut und der für diese Musik geforderten Energie. Begleitet am Kontrabass von Falko Burkert, am Schlagzeug von Bernhard Weichinger und mit diversen Gästen gelingt hier ein geradliniges, authentisches Album voll Witz und Spielfreude.
ah
 MELANIE BONG feat. LULO REINHARDT: Gipsy Fire
MELANIE BONG feat. LULO REINHARDT
Gipsy Fire
(DMG Records)


Die Münchenerin zelebriert in fast nur eigenen Songs gekonnt ihre stilistisch weitschweifige Liebe zu Gypsy- und Brazil-Jazz, Latin und Pop. Der Bezug zur ihr offenbar nahen Kultur des Vaters, eines ebenfalls singenden Sintos, stellt sich so nur zum Teil her. Genauso viel oder wenig zum Albumtitel, der das Abtrainieren von Gypsy-Klischees nicht direkt befördert.
kw

 BOOK OF STORIES: Noreia
BOOK OF STORIES
Noreia
(Eigenverlag)


Eigenwillige Mixtur von Eigenkompositionen und irischen Gassenhauern aus dem Genre gehobenes Kneipenentertainment um den Wiener Sänger Peter Dürer, der gesanglich durchaus etwas zu bieten hat. Das Etikett Celtic Folk trifft nicht wirklich zu, und der Klischeefaktor ist hoch. Die Band hat wohl lokale Bedeutung und wird möglicherweise auch live am ehesten punkten können.
js
 BRANSCHKE ARMSTRONG DUO: Antithesis
BRANSCHKE ARMSTRONG DUO
Antithesis
(Eigenverlag)


Für Dudelsackfans ein Muss, innovative Musik, die von traditioneller europäischer und von Barockmusik inspiriert ist, aber musikalisch und technisch neue Wege geht. Neun Originalkompositionen lassen zwei Dudelsäcke mit halbgeschlossener Griffweise klanglich verschmelzen und einen Sound erzeugen, den man so nicht für möglich halten würde. Chapeau!
uj

 KYLA BROX: Pain & Glory
KYLA BROX
Pain & Glory
(Pigskin Records)


Was mit dem oft strapazierten Begriff „stimmgewaltig“ gemeint ist, stellt Kyla Brox in den 16 Titeln dieses Albums dann einmal klar. Mit großer Stimme changiert sie zwischen Blues, Jazz, Soul und Funk und bietet alles in großer Besetzung, das heißt mit Bläsersektion, Backgroundchor und Hammondorgel. Passend zur Stimmgewalt also ein üppiger Sound.
ah
 DANNY BRYANT: Means Of Escape
DANNY BRYANT
Means Of Escape
(Jazzhouse Records)


Bluesrockgitarristen gibt es viele. Das eigene Profil herauszustellen, ist daher wichtig, und Danny Bryant ist zweifellos jemand, dem dies von Platte zu Platte besser gelingt. Packendes, emotionales Gitarrenspiel, eine ausdrucksstarke Stimme, sehr gutes Songwriting – und wenn nötig, sorgt die fest integrierte Bläsersektion für den Extraschub Dramatik.
ah

 JOEY CAPE: Let Me Know When You Give Up
JOEY CAPE
Let Me Know When You Give Up
(Fat Wreck Records)


Cape gibt nicht auf, trotz Trump und all der ähnlich gearteten Populisten. Cape schreibt mit seinen Songs dagegen an, bietet jedoch keine Lösung zur politischen Situation der Gegenwart, sondern offeriert mehr eine Art positiver Seelenmassage. Sozialisiert im US-amerikanischen Indie-Punk-Milieu, hat sich Cape zum überaus korrekten, nachdenklich-philosophischen Singer/Songwriter entwickelt.
mf
 ANNIE & ROD CAPPS: When They Fall
ANNIE & ROD CAPPS
When They Fall
(Yellow Room Records)


Die Eheleute Capps aus Michigan legen ihr achtes Album vor und zeigen sich in vielen Stilen zu Hause. Country mit Bluegrasswürze, Cajunanleihen, Western Swing, Folk, alles inklusive. Manchmal bekommen die gefälligen Songs sogar Ecken, etwa in „When They Fall“ mit rumpligen und schrägen Sprengseln. Die kompakte Band liefert das Fundament dazu.
vd

 AVIVA CHERNICK: La Serena
AVIVA CHERNICK
La Serena
(Eigenverlag)


Chernick, Gründungsmitglied und Leadsängerin der kanadischen Weltmusikgruppe Jaffa Road, präsentiert hier in reicher Poesie auf Judäo-Spanisch (Ladino) ihr erstes Album unter eigenem Namen, bestehend hauptsächlich aus Melodien der Juden Spaniens und des Balkans, mit fantastischer Begleitung von Justin Gray (Bass), Joel Schwartz (Gitarre) u. a.
mg
 COLLUDIE STONE: Streetwise
COLLUDIE STONE
Streetwise
(Eigenverlag)


Das zweite Album der schwäbischen Irish-Trad-Band begeistert den Freund zugleich feiner und quirliger irischer und schottischer Musik. Schnelle, etwas vertrackte Tunes wechseln ab mit Balladen. Es fehlt zwar noch die Flüssigkeit zur großen Meisterschaft, aber sie sind auf dem richtigen Weg. Ein Beiheft mit den Texten wäre noch schön.
mas

 KAURNA CRONIN: Glitter Or Dust
KAURNA CRONIN
Glitter Or Dust
(Songs&Whispers)


Wäre Kaurna Cronin nicht Australier, sondern Amerikaner, er wäre mit Sicherheit ein Superstar. Gut für den Hörer, denn so kann der sympathische Sänger sich auch auf seinem neuen Album seinen persönlichen Songs in bester Tradition eines Jackson Browne widmen und eine intime Atmosphäre erzeugen, die unter dem Druck großer Majorlabels nur schwer zu verwirklichen ist.
ce
 CUPPATEA: Silberstreif
CUPPATEA
Silberstreif
(Eigenverlag)


Für das Duo Cuppatea aus Münster ist Musik ein Medium der Gesellschaftskritik. Die Förderung von Frieden, Fremdenfreundlichkeit, Gleichberechtigung aller Menschen, Gerechtigkeit, Miteinander und das Anprangern von Zuständen, die dem entgegenstehen, stehen auf ihrer Agenda. Die deutschen und englischen Texte sind mitlesbar, die musikalische Performance ist eher einfach.
mas

 MICHAEL DEGTYAREV, GIORA FEIDMAN, ANDREI SAMSONOV: Global Oasis
MICHAEL DEGTYAREV, GIORA FEIDMAN, ANDREI SAMSONOV
Global Oasis
(Pianissimo)


Die 1743 erbaute lutherische St.-Katherinen-Kirche auf der Sankt Petersburg vorgelagerten Insel Wassiljewski wird seit 1950 vom Melodya-Label als Tonstudio genutzt – für den Argentinier Feidman die Gelegenheit, Klezmer und Klarinette unter Mitwirkung von Andrei Samsonov (Synthesizer, Percussion) und Michael Degtyarev (Cello, Synthesizer) durchaus neuzeitlich mit Elektronischem zu verbinden.
mg
 DIVERSE: Hier lebst du – Unsere liebsten Kinderlieder
DIVERSE
Hier lebst du – Unsere liebsten Kinderlieder
(Argon Verlag)


Zwölf von den jeweiligen Künstlern ausgewählte, fantasievolle und zeitlose Kinderlieder aus der DDR wurden neu eingespielt. Mit dabei sind beliebte Musiker wie Keimzeit, Karat, Bayon, Dirk Michaelis, Uschi Brüning und Angelika Mann. Neben populären Songs wie „Sind so kleine Hände“ und „Kleine weiße Friedenstaube“ gibt es auch weniger bekannte Lieder.
rps

 KAI DUMEIER: Wer bist du
KAI DUMEIER
Wer bist du
(Eigenverlag)


Nach mehreren Projekten der Vertonung von Dichtern wie Morgenstern oder Rilke präsentiert der Kasseler Liedermacher wieder eine Sammlung eigener Kompositionen. Das Album besticht durch sehr ansprechendes Gitarrenspiel und vier einfühlsame Instrumentalstücke. Doch Gesang sowie Melodieführung der übrigen 14 Songs wirken hölzern und die Texte zu sehr gewollt.
ep
 ITAMAR EREZ: Mi Alegria
ITAMAR EREZ
Mi Alegria
(Eigenverlag)


Itamar Erez ist als Gitarrist, Pianist und Komponist wie kaum ein anderer Musiker auf der ganzen Welt zu Hause. Geboren in Israel, aufgewachsen in Tel Aviv, studiert u. a. in Deutschland und England, lebt er heute in Kanada. Seine Freude bringt er vielgestaltig auf diesem Album zum Ausdruck, das er mit vielen musikalischen Wegbegleitern aufgenommen hat. World music at its best.
rb

 KUDSİ ERGUNER: La Mélancolie Royale – Méditation Soufie
KUDSİ ERGUNER
La Mélancolie Royale – Méditation Soufie
(Seyir Muzik)


Mitte des 19. Jahrhunderts war westliche Musik in Istanbul sehr angesagt. Damit einher ging eine Abkehr vom Mystischen. Letzteres stellt der berühmte Ney-Virtuose Kudsi Erguner in den Mittelpunkt seines neuen Albums. Er spielt sechs meditative Solostücke aus eigener Feder, aber mit Melodiezitaten der großen Meister.
ink
 FAIRYTALE: Der Elfen-Thron von Thorsagon
FAIRYTALE
Der Elfen-Thron von Thorsagon
(Magic Mile Music)


Es ist das Album zum Fantasy-Musical von und mit der Gruppe Fairytale. Es beginnt mit einer Ouvertüre, und dann reicht die Spannweite von zart bis bombastisch, von folkig bis metal-rockig. In Zusammenarbeit mit Bühnenautor Karl-Heinz March (Lauras Stern, Der kleine Vampir) werden traditionelle Theater- und Musicalformen mit Musik verbunden, die dort eher selten zu hören ist.
pp

 DIE FEUERSTEINS: Tanz!
DIE FEUERSTEINS
Tanz!
(Ruhrfolk)


Drei Feuersteins und drei mit anderen Familiennamen bilden die ruhrgebietliche Folkband, die aus ihrem sicher reichhaltigen deutsch- und englischsprachigen Repertoire nur sechs Tracks zum Besten gibt. Die sind aber selbst geschrieben und komponiert und die Texte mitlesbar. Ernste Lieder werden durch tanzbare Instrumentals aufgelockert.
mas
 EMMA FRANK: Come Back
EMMA FRANK
Come Back
(Justin Time)


Sanft, ruhig und klar singt oder vokalisiert die Kanadierin zu Geige oder Piano, weich zischeln die Besen auf dem Schlagzeug, changierend zwischen Folk und Jazz. Verträumte Musik zum Aufwachen, zu der sie als Lyrikerin über Gefühle reflektiert, wenn sie nicht zugunsten reinen Stimmgesangs auf Text verzichtet oder ein Stück von Wilco interpretiert.
is

 EAMON FRIEL: Atlantic Light
EAMON FRIEL
Atlantic Light
(Thran Records)


Selten, dass einen die gesprochene Sprache, die weich gesungenen Lyrics fast noch vor dem eigentlichen Wahrnehmen des Lieds erreichen – so hier geschehen bei Eamon Friel aus Belfast, der ein letztes Album mit berührenden, intelligenten, unprätentiösen Songs aufnahm, bevor sein Leben plötzlich zu Ende ging. Zum kontemplativen Zuhören, macht nachdenklich!
js
 FILIPPO GAMBETTA, CARMELO RUSSO, SERGIO CAPUTO: Maestrale
FILIPPO GAMBETTA, CARMELO RUSSO, SERGIO CAPUTO
Maestrale
(Visage Music)


Der Genuese Filippo Gambetta presst seit Jahren frischen Wind in den Balg seines diatonischen Akkordeons. Mit dem Geiger Carmelo Russo zeichnet er eine musikalische Karte des Mittelmeerraums. Der Rumba- und Flamencogitarrist Sergio Caputo sorgt für zusätzliche Akzente in Maestrale. Ein fast kammermusikalisches Werk mit feinen Schattierungen.
mst

 JOSÉ CARLOS GÓMEZ: Pasaje Andaluz
JOSÉ CARLOS GÓMEZ
Pasaje Andaluz
(Amorarte Music)


Mit gut zwanzig Minuten ein recht kurzes Album, dafür allerdings ein musikalisches Konzentrat. Der Flamencogitarrist aus dem andalusischen Algeciras hat ein dreisätziges Konzert für Gitarre und Orchester geschrieben. Eingespielt wurde es mit dem Bratislava Symphony Orchestra in der slowakischen Hauptstadt. Große Emotionen, großer Klang und ein fantastischer Solist.
rb
 KIERAN GOSS AND ANNIE KINSELLA: Oh, The Starlings
KIERAN GOSS AND ANNIE KINSELLA
Oh, The Starlings
(Cog Communications)


Ein eher schwebendes, mit guten Songlyrics aufwartendes Album des nordirischen Sängers, der sich hier mit einer sehr empathischen Gesangspartnerin zusammengetan hat. Erwähnenswertes Cover eines Colum-Sands-Songs. Trotz kompositorischer Schwächen starke Ausstrahlung!
js

 BEN GRANFELT: My Soul To You – Live
BEN GRANFELT
My Soul To You – Live
(Supersounds Music)


Dieses während einer Tournee aufgenommene Livealbum transportiert die Spielfreude des Bluesrocktrios direkt und ungeschönt ins „traute Heim“. Ben Granfelt und Band lassen da nichts anbrennen, und auf einem breit aufgestellten rhythmischen Fundament zeigt Granfelt sein erstaunliches gitarristisches Können und zitiert mühelos von Mark Knopfler bis Jimi Hendrix.
ah
 CHORUS GRANT: Vernacular Music
CHORUS GRANT
Vernacular Music
(Tambourhinoceros)


12 melancholische Titel gibt’s auf dem neuen Album des Dänen Kristian Finne Kristensen alias Chorus Grant, davon zwei ruhige Instrumentalstücke. Unaufgeregt und warm pulsieren die etwas eigensinnigen Songs zum Fingerpicking auf der Gitarre. Vorgetragen durchweg mit viel hoher Kopfstimme. Das wirkt ein wenig weinerlich, oder auch sensibel – ist also Geschmackssache.
is

 DANIEL GREEN: Vanish Like A Cloud In Sunlight
DANIEL GREEN
Vanish Like A Cloud In Sunlight
(Timezone)


Ein Singer/Songwriter-Album, wie es klassischer kaum geht. Im Zentrum steht Daniel Green mit seiner warmen Stimme und sanft wogendem Akustikgitarrenspiel. Dazu kommen Tupfer einer zweiten Gitarre, Bass, Piano und Chorstimmen. Wenn so richtig Gas gegeben werden soll, kommt noch ein Schellenkranz hinzu. Trotz der behandelten Themen wie Tod, Abschied, Trauer bleibt die Tonlage immer versöhnlich.
is
 TIM GRIMM: Heart Land Again
TIM GRIMM
Heart Land Again
(Cavalier Recordings)


Vor zwanzig Jahren veröffentlichte der Schauspieler und Songschreiber aus Indiana seine Debüt-LP Heart Land. Die Stücke hat er jetzt nochmals aufgenommen, ergänzt um zwei neue Songs, zusammen mit der aus Söhnen und Ehefrau bestehenden Band. In Country, Folk und Blues erzählt dieser Poet des Mittleren Westens vom Landleben, kräftig und ergreifend.
vd

 HACKENSAW BOYS: A Fireproof House Of Sunshine
HACKENSAW BOYS
A Fireproof House Of Sunshine
(Free Dirt Records)


Manchmal reichen auch fünf Songs, wie auf dieser EP, um den großen Bogen zu schlagen vom Protest gegen brutalen Kapitalismus bis zur Sinnsuche bei sich selbst und anderen. Die Songs vom Gitarristen und Sänger David Sickmen zwischen Country und Folk packen zu, mit Melodien und starken Texten. So weckt das Quartett aus Virginia regen Appetit auf mehr.
vd
 RACHEL HARRINGTON: Hush The Wild Horses
RACHEL HARRINGTON
Hush The Wild Horses
(Skinny Dennis Records)


Unaufgeregt und gemütlich klingender Folk und Country mit Songs über Harringtons Beziehung zu Pferden, die ihr über eine schwere Krankheit hinweghalfen. Weitere Themen der Sängerin aus Oregon sind Krieg und Suchtverhalten. Dabei stören einige eher verunglückte Ausflüge in Rockabilly und Gospel.
hjl

 BETH HART: War In My Mind
BETH HART
War In My Mind
(Provogue)


Bekannt für ihre stets kraftstrotzende Interpretation des Bluesrock – mit starker Betonung Richtung Rock –, überrascht die Sängerin Beth Hart mit einem ruhigen, in sich gekehrten Album. Mit sehr viel Pianobegleitung, teils von Streichern untermalt, gibt sie Einblicke in ihre Gefühls- und Erlebniswelt. Und da hat sie so einiges durchlebt und zu erzählen.
ah
 HOLLOW HEARTS: Peter
HOLLOW HEARTS
Peter
(Westergaard Records)


Wunderschöner Gesang, oft mehrstimmig, mal über einem warm flackernden Akustikgitarrenfeuer, mal zu langgezogenen Linien melodiöser E- oder Pedal-Steel-Gitarre. Ein schwebender Sound, der mal urban rockt, mal an Folklore erinnert. Die Stimmung: herrliche Düsterkeit, Melancholie zum darin versinken, dann etwas bittersüße Zuversicht. Kein Wunder, es geht um das Ende der Freundschaft zwischen Annabelle und Peter. Toll!
is

 IAN & SYLVIA: The Lost Tapes
IAN & SYLVIA
The Lost Tapes
(Stony Plain Records)


Zwei randvolle CDs mit wiedergefundenen, bisher unveröffentlichten Liveaufnahmen, die den Ausnahmestatus des kanadischen Musikerehepaars sowohl als Livesänger wie auch als Songschreiber eindrucksvoll belegen. In den frühen Siebzigerjahren mit einer ausgezeichneten Band eingespielt, enthält das Album Klassiker wie „Four Strong Winds“.
uj
 INSWINGTIEF: The Next Step
INSWINGTIEF
The Next Step
(Gypsyguitar)


Treibende Gypsygitarre trifft Jazzgitarre, gestrichene Geige vereint sich mit gezupftem Kontrabass. Das Würzburger Quartett spielt weltoffenen Gypsy Swing – und etwas Bossa Nova und Klezmer. Das Besondere: Die Band umgeht die in diesem Genre gerne gespielten Jazzstandards und präsentiert eigene Kompositionen. Beim Zuhören wippt der Fuß immer mit!
uh

 I SEE HAWKS IN L. A. + THE GOOD INTENTIONS: Hawks With Good Intentions
I SEE HAWKS IN L. A. + THE GOOD INTENTIONS
Hawks With Good Intentions
(Western Seeds Record Company)


Eine innovative Zusammenarbeit zwischen Musikern aus Los Angeles und Liverpool. In Großbritannien haben sich The Good Intentions bereits lange als Americana-Band einen Namen gemacht, auf diesem Album treffen sie auf Gleichgesinnte aus der Mojave-Wüste. Man muss schon genau hinhören, wenn man den britischen vom amerikanischen Zungenschlag unterscheiden will.
mf
 JADE LAGOON: Through The Wild
JADE LAGOON
Through The Wild
(Esfera Records)


Dieses Duo kommt aus Hamburg, wurzelt aber in Irland, Kanada und Guatemala und klingt klassisch folkig, etwas old-timey durch eine eindeutige Instrumentierung mit Westerngitarre und Mandoline. Nett, freundlich und poetisch sind die zweistimmig gesungenen Lieder, doch auch ein bisschen langweilig.
is

 JEWISH MONKEYS: Catastrophic Life
JEWISH MONKEYS
Catastrophic Life
(Greedy)


Innerhalb kurzer Zeit legen die von Frankfurt/Main nach Tel Aviv geflüchteten Jossi Reich und Gael Zaidner (beide Gesang) ihr nun drittes Album vor – natürlich wie immer humorvoll das „typisch Jüdische“ thematisierend, begleitet von fantastischen musikalischen Arrangements durch Yoli Baum (Bass), Omer Hershman (Gitarre). Yaron Ouzana (Posaune), Eylon Tushiner (Saxofon) und Henry Vered (Schlagzeug).
mg
 CHRIS JONES & STEVE BAKER: Damn Good Run – The Best Of Chris Jones & Steve Baker
CHRIS JONES & STEVE BAKER
Damn Good Run – The Best Of Chris Jones & Steve Baker
(Acoustic Music Records)


Auf vier gemeinsamen Platten stellte das kongeniale Harp-Gitarren-Duo bis 2005 sein herausragendes Können unter Beweis. Dann leider verstarb Gitarrist Jones. Diese schöne Zusammenstellung zeigt noch einmal viele schöne Momente aus eben diesen vier Platten auf. Deshalb gilt: Wer die vier Originalplatten nicht besitzt – unbedingt zugreifen!
ah

 CHRIS JONES & CHARLIE CARR: Analog Pearls Vol. 3
CHRIS JONES & CHARLIE CARR
Analog Pearls Vol. 3
(Stockfisch Records)


Er kam 1979 als Begleitmusiker des Songschreibers Charlie Carr in Günter Paulers Tonstudio – der Beginn einer langjährigen Zusammenarbeit mit Meistergitarrist Chris Jones. Das Album hebt die Schätze von damals, zeigt das Duo mit seinen Interpretationen von Traditionals und Fremdkompositionen sowie eigenen Stücken. Vierzig Jahre gut gereifter Ohrenschmaus.
vd
 KALUZA & BLONDELL: Still Walking
KALUZA & BLONDELL
Still Walking
(Prosodia)


Kein Duo, sondern eine zehnköpfige Band aus Castrop-Rauxel. Eigene Lieder, deutsch- und englischsprachig, letztere an American und Irish Folk orientiert, vermitteln eine Reise- und Landstreicherstimmung. „Eigentlich bin ich ganz zufrieden, der Weg zwar steinig, endlos, schräg“, heißt es da zum Beispiel im Booklet. Ja, eigentlich eine gute CD!
mas

 KAUMAAKONGA: Taoba
KAUMAAKONGA
Taoba
(Wantok Music)


Das Septett von den Salomonen präsentiert auf seinem knapp halbstündigen Debüt eine faszinierende Mischung aus kraftvollen traditionellen Gesängen und behutsam für die Jetztzeit arrangierten Melodien. Eine „musikalische Erinnerung, wer wir waren und wer wir wirklich sind“, nennt Gitarrist Will Tekatoha den Liedzyklus. Dem ist nichts hinzuzufügen.
wb
 KEYWEST: Ordinary Superhero
KEYWEST
Ordinary Superhero
(Marshall Records)


Radiotauglicher Folkrock ist selten geworden. Bands wie Show of Hands oder die Great Lake Swimmers sind aus den Charts verschwunden. Dort befindet sich aber immerhin die irische Band Keywest. Das alte Rezept, akustische Gitarren, treibender Beat und singbare Popsongs, geht erneut auf, ein charismatischer Sänger und packende Liveauftritte tun das Übrige.
ce

 NUSRAT FATEH ALI KHAN & MICHAEL BROOK: Night Song
NUSRAT FATEH ALI KHAN & MICHAEL BROOK
Night Song
(Vinyl; Real World Records)


Der große Qawwalisänger und Erfinder der Endlosgitarre brachten die CD-Version 1996 als Nachfolger zu ihrem 1990er-Erfolgsalbum Mustt Mustt heraus. Und für alle Menschen, die noch immer (oder schon wieder) einen Plattenspieler ihr Eigen nennen, gibt es 2019 (Gabriel sei Dank) eine brillant klingende und tadellos gepresste Kopie auf schwarzem PVC.
wb
 JACK KLATT: It Ain’t The Same
JACK KLATT
It Ain’t The Same
(Yep Roc Records)


Jack Klatt hat sich als Backpacker überall auf der Welt herumgetrieben, und immer war seine Martin-Gitarre dabei. Seine Songs reflektieren dies kaum, sind sie doch tief in der US-amerikanischen Country-&-Western-Musik verwurzelt. Häufig erzählt er von Einsamkeit, doch ist seine Musik weniger melancholisch, eher warm und ohne Pathos.
mf

 HABIB KOITÉ: Kharifa
HABIB KOITÉ
Kharifa
(Contre-Jour)


Für sein sechstes Studioalbum hat er sich fünf Jahre Zeit gelassen. Konzertbesucher werden einige Lieder wiedererkennen. Wie immer glänzen die stilistisch vielfältigen Stücke durch zeitlose Harmonien und Rhythmen. Und nach wie vor tritt Koité vielsprachig und beherzt für Verständigung und Toleranz ein und fordert Rechenschaft und Verantwortung.
cs
 DAN KORN & JOE SHARP: Polaris
DAN KORN & JOE SHARP
Polaris
(Eigenverlag)


Völlig zurückgenommenes und instrumentell reduziertes Album des Londoner Singer/Songwriters und Gitarristen sowie des Kontrabassisten aus Cornwall. Sie arbeiten schon seit Jahren zusammen, aber dies ist die erste explizite Kooperation. Lustige und traurige Songs, meist aus der Perspektive des Beobachters. Dürfte live ganz genau so karg klingen.
mk

 KOSSOWSKA & KLUNKER: Wildflowers
KOSSOWSKA & KLUNKER
Wildflowers
(7music)


Akustische (Rhythmus-)Gitarre spielen sie beide, wobei Beata Klunker singt und Mundharmonika spielt, während Eberhard Klunker die solistischen Parts übernimmt und gesanglich unterstützt. Sehr feine, akustische Gitarrenmusik im Duo, stets virtuos, stil- und geschmackssicher gespielt, dabei im Blues gründend und zum Jazz hin offen.
ah
 KOZMA ORKESTAR: Gra
KOZMA ORKESTAR
Gra
(Umlaut Recordings)


Das preisgekrönte und Rudolstadt-erfahrene Septett spielt auf seinem dritten Album bläserlastige Stücke vom Balkan, eine Cumbia sowie ein paar Eigenkompositionen. Auch wenn man manche der Melodien schon in anderen Versionen kennt, lohnt der Kauf, denn die Arrangements sind abwechslungsreich und heben die Laune.
ink

 DENISE KRAMMER: Coisa Linda
DENISE KRAMMER
Coisa Linda
(Eigenverlag)


Die Sängerin und Gitarristin lässt trotz deutsch klingenden Namens und Wohnsitz in Köln vom ersten Ton an keinen Zweifel ob ihrer Herkunft aufkommen. Die Liebe der Brasilianerin gilt dem Samba. Auf ihrem Soloalbum mit zehn Eigenkompositionen spürt man aber auch ihre Nähe zur Musik des Nordostens Brasiliens und zu den Liedermacherlegenden des Landes.
mst
 KRISTINA KÜNZEL: Leileckerland
KRISTINA KÜNZEL
Leileckerland
(Calygram)


Beginnend mit den „Unaussprechlichen“, zwei packenden sorbischen Tänzen, führt Kristina den Hörer durch ein kurzweiliges, vorwiegend selbst komponiertes Programm typischer Bal-Folk-Rhythmen, und das auf mehreren Dudelsäcken aus der Schäferpfeifenfamilie, gewürzt allein mit ein wenig Moraharpa und Obertonflöte. Ein puristisches, mutiges Projekt – ihr prononcierter, eleganter Ton strahlt und fesselt bis zur letzten Note!
js

 KUSUDO & WORTH: Of Sun And Rain
KUSUDO & WORTH
Of Sun And Rain
(Slipstream Records)


CD-Re-Release eines ultrararen, 1968 mit weniger als zweihundert Kopien lediglich privat veröffentlichten Vinylalbums zweier begnadeter, blutjunger Singer/Songwriter und exzellenter Gitarren mit Harmoniestimmen, die gelegentlich an Simon & Garfunkel erinnern. Ein 32-seitiges Booklet erzählt die verrückte Entstehungsgeschichte des Albums eines vollkommen und zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Psychedelic-Folk-Duos.
uj
 LILT: X
LILT
X
(Cog Communications)


Zum zehnten Bandjubiläum zeigen die deutsche Flötistin Tina Eck und Keith Carr an Bouzouki/Gitarre mit einigen illustren Gästen (Bill McComiskey, Zan MacLeod, Donna Long u. a.), wie Irish Trad heute in Washington, D. C., klingt. Subtile Tongebung, mal melancholisch, mal stürmisch – facettenreiche irische Musik in einer warmherzigen, berührenden Aufnahme!
js

 THE LOIRE VALLEY CALYPSOS: The Loire Valley Calypsos Vs The Great Pink Flamingos
THE LOIRE VALLEY CALYPSOS
The Loire Valley Calypsos Vs The Great Pink Flamingos
(Maaula Records)


Das spielfreudige französische Quartett hat sich den Stilen der Karibik wie Calypso, Goombay oder Mento in der nostalgischen Art der Fünfzigerjahre verschrieben. Gesungen wird daher auf Englisch. Macht an sich gute Laune, nur hätte man die einmal eingesetzte Gastsängerin Laurène Pierre-Magnani gleich alle Songs singen lassen sollen.
hjl
 MAGIC ACOUSTIC GUITARS: Magic-Acoustic-Guitars (2007), Mexicalero (2008,) Ohne Worte … (2013,) Esperial (2014), Nr. 5 (2017)
MAGIC ACOUSTIC GUITARS
Magic-Acoustic-Guitars (2007), Mexicalero (2008,) Ohne Worte … (2013,) Esperial (2014), Nr. 5 (2017)
(Eigenverlag)


Das Gitarrenduo Roland Palatzky und Matthias Waßer alias Magic Acoustic Guitars aus Schwäbisch-Hall veröffentlicht insgesamt fünf Alben aus den letzten zehn Jahren seines Schaffens. Mit einer unglaublich druckvollen Performance sorgen die Highspeed-Guitarreros für eine Menge guter Laune. Das Repertoire lässt kaum Wünsche offen, und auch veritable Gassenhauer laufen hier zu neuer Form auf!
rb

 THE MAGPIE SALUTE: High Water 2
THE MAGPIE SALUTE
High Water 2
(Provogue)


Einst gab es die Southern Rock Band The Black Crowes, gegründet von den Brüdern Chris und Rich Robinson. The Magpie Salute ist nun die (Nachfolge-?) Band von Rich Robinson, der hier mit zwei weiteren Black-Crowes-Mitgliedern genau dort weitermacht. Southern Rock, Blues und Americana fließen mit ein, und zwischendurch gibt es psychedelische Ausflüge.
ah
 BENEDICTE MAURSETH: Benedicte Maurseth
BENEDICTE MAURSETH
Benedicte Maurseth
(Heilo)


Benedicte Maurseth brilliert auf der Hardingfele. Von den sechs teilweise sehr langen Instrumentalstücken auf dem Album sind fünf traditionell, zwei Eigenkompositionen, eins stammt vom 2015 verstorbenen Meister Lars Skjervheim aus Voss. Einmal setzt Maurseth ihre Stimme als Begleitinstrument ein. Ihre Musik ist getragen, manchmal fast sakral, immer beeindruckend.
gh

 MEAN MARY: Cold
MEAN MARY
Cold
(Woodrock Records)


Mary James ist an vielen verschiedenen Orten in den USA aufgewachsen, zum großen Teil allerdings in waldreichen Gegenden. Ihre Musik komponiert Mean Mary mit Banjo oder akustischer Gitarre, und die Produktion bleibt dicht dran an diesen Instrumenten und ihrer charaktervollen Stimme. Bei einem von den elf Songs vertont sie ein Gedicht von E. A. Poe, und wer traut sich heute schon noch so ein musikalisch-literarisches Abenteuer?
mf
 OBAL: Baile En Massó
OBAL
Baile En Massó
(Sonoras)


Das spanische Trio spielt Traditionelles und neu komponierte Bal-Folk-Musik auf einer für ihre Heimat Galicien eher ungewöhnlichen Instrumentenkombination. Gitarre und Bouzouki legen das rhythmische Fundament, während Nyckelharpa und Drehleier die Melodieführung übernehmen, in sehr abwechslungsreichen, mitreißenden Arrangements und wunderschönen Klangfarben.
uj

 O GAJO: Lisbon Express
O GAJO
Lisbon Express
(European Phonographic)


Da klingt „der Typ“, einer der Lusitanier der Lusitanian Ghosts (siehe separate Rezension), auf der ersten LP seines Einmannprojekts schon etwas mehr „luso“-folkig. Der in Punk und Metal verwurzelte Lissaboner João Morais spielt die Viola Campaniça, eine im Süden Portugals traditionelle Gesänge begleitende Gitarre. Die tritt hier nahezu allein auf in den zwölf selbst komponierten Instrumentals.
kw
 OLD SHEEP STREETBAND: Into The Green
OLD SHEEP STREETBAND
Into The Green
(Eigenverlag)


Diese sechsköpfige Irish-Folk-Band aus Bonn und Bad Honnef fiel dem Rezensenten bei einer Straßenmusik auf, mit der sie die Siegburger Holzgasse in die Dubliner Grafton Street verwandelten. Auch auf Scheibe gepresst bringen sie altbekanntes Repertoire auf frische, unverbrauchte Weise so dar, dass man sie auch mehrmals nacheinander hören kann.
mas

 MICHAEL OTTO: Als wär es eine Nacht
MICHAEL OTTO
Als wär es eine Nacht
(Eigenverlag)


Ein Journalist, der sich als Ausgleich für den Job und weitere Ausdrucksmöglichkeiten der Liedermacherei widmet, ist eine interessante Kombination. Ein wacher Blick, politisches Engagement, der (Main-)Frankfurter singt kritische Lieder zur Zeit, schnörkellos zur Gitarre vorgetragen. Manchen Einfluss hört man durch, FJD wird z. B. mit einer Hommage geehrt.
rk
 PALKO!MUSKI: Happy Therapy
PALKO!MUSKI
Happy Therapy
(Palko Records)


Punk und Polka, hart und schnell. Happy Therapy heißt abtanzen, bis der Schweiß von der Stirn tropft. Die Schweizer haben sich einen Namen geschaffen als kompromisslose Psychotherapeuten, die ihr Publikum geläutert und ohne traumatische Nachwirkungen entlassen ˗ außer vielleicht mit einem Tinnitus.
mst

 DAVE PEABODY & REGINA MUDRICH: Some Of These Days
DAVE PEABODY & REGINA MUDRICH
Some Of These Days
(Timezone Records)


Zwei alte Männer, eine junge Frau: Der englische Bluesveteran Peabody arbeitet wieder mit Fiddlerin Mudrich aus Weimar zusammen und holt sich Landsmann Tim Penn am Piano dazu. Gemeinsam interpretieren sie alte Jazz- und Bluesnummern, ergänzt um Eigenkompositionen Peabodys. Heraus kommt eine vielfältige Mischung mit leicht archaischer Note.
vd
 PENGUIN CAFE: Handfuls Of Night
PENGUIN CAFE
Handfuls Of Night
(Erased Tapes)


Eine Hommage an die Antarktis und ihre Bewohner, die Pinguine. Inspiriert durch eine eigene Expedition hat Arthur Jeffes mit seinem zehnköpfigen Instrumentalensemble neun ergreifende Klanggemälde über die unberührte Natur des Südpols geschaffen. Der Zuhörer kann die Weite, die Rauheit, die Gefahren und den Frieden der Landschaft geradezu am eigenen Leib spüren.
ep

 OMARA PORTUONDO: Buena Vista Social Club Presents Omara Portuondo
OMARA PORTUONDO
Buena Vista Social Club Presents Omara Portuondo
(180g-Vinyl-Reissue; World Circuit)


Leise klingen die Trommeln in der Nacht. Streicher umschmeicheln verliebte Pärchen am Strand wie ein Sommerwind. Ein langsamer Rumba einer Big Band ertönt dumpf hinter den erleuchteten Fenstern eines Hotels, und über allem schwebt die betörende Stimme der bekanntesten Diva Kubas, Omara Portuondo. Kubas Sound der Fünfziger, aufgenommen im Jahr 2000.
hjl
 CAOIMHÍN Ó RAGHALLAIGH & THOMAS BARTLETT: Caoimhín Ó Raghallaigh & Thomas Bartlett
CAOIMHÍN Ó RAGHALLAIGH & THOMAS BARTLETT
Caoimhín Ó Raghallaigh & Thomas Bartlett
(Real World Records)


Die zwei jüngsten Mitglieder des „irischen“ Gloaming-Ensembles im freien musikalischen Zwiegespräch mit Fiddle und Piano. Wohl aus dem Moment entstanden, lauscht man der improvisatorischen Kunst zweier hochkarätiger Musiker. Es gibt nur wenige Momente griffiger Melodieführung. Zum Anhören braucht es Ruhe und Muße.
js

 KATARIIN RASKA: Parmu Pill
KATARIIN RASKA
Parmu Pill
(Eigenverlag)


Auf diesem Album spielt die estnische Künstlerin ausschließlich die Maultrommel, ohne jede Begleitung. Die Musikstücke, die der estnischen Tanztradition entstammen, hinterlassen für ungeübte Hörer einen hypnotischen Eindruck. Kenner baltischer Musik finden hier einen reichen Schatz estnischen Kulturgutes.
ce
 LULO REINHARDT & DANIEL STELTER: Live At Neidecks No.3
LULO REINHARDT & DANIEL STELTER
Live At Neidecks No.3
(DMG Records)


Live sind die beiden Ausnahmegitarristen unschlagbar. Der eine aus dem Gypsy-/Latin-/Flamenco-Bereich, der andere mehr von der jazzigen, klassischen Seite. Wie aus einem Guss präsentieren sie einem begeisterten Publikum abwechslungsreiche Duokompositionen, die viel Raum für Improvisation lassen und alle Spielarten von zart bis nahezu rockig ausloten.
rb

 ROSEAUX: Roseaux II
ROSEAUX
Roseaux II
(Tôt Ou Tard)


Zweites Album der Pariser Musiker und Produzenten Emile Omar, Alex Finkin und Clément Petit. Ebenfalls dabei ist Sänger Aloe Blacc, der diesmal mit seiner Version des „Vaterunser“ zu hören ist. Musikalisch steht das Konzept: Jazz in den Versionen Swing oder Bossa Nova, Soul und gelegentliche Folk-Abstecher (John Martyn). Vielfalt wie aus einem Guss.
wb
 IAN SMITH: Last Call
IAN SMITH
Last Call
(Stockfisch Records)


Der erfahrene schottische Singer/Songwriter, der nun in Irland lebt, passt haargenau in das Profil des Labels: clevere, eingängige Songs, gerne auch mal mit deutlich politischem Unterton („Last Call“ oder „Pablo’s Eyes“), emotional gesungen und meisterlich begleitet von Spitzenkräften wie Jens Kommnick oder Tim O’Brien. Wirklich alles auf höchstem Level.
mk

 CARMEN SOUZA: The Silver Messengers
CARMEN SOUZA
The Silver Messengers
(Galileo Music)


Die in Portugal geborene Jazzsängerin mit kapverdischen Eltern nimmt sich auf ihrem neuen Album Horace Silvers an. Der Jazzpianist und Komponist hatte väterlicherseits ebenfalls kapverdische Wurzeln. Souza lässt mit ihrer rauen Stimme und portugiesischen Einsprengseln das Flair des westafrikanischen Archipels in Silvers Kompositionen einfließen.
mst
 STARRY EYED AND LAUGHING: Live at Rockpalast 1976
STARRY EYED AND LAUGHING
Live at Rockpalast 1976
(Do-CD + DVD; MIG Music)


Die Rockpalast-Serie, so richtig nach dem Geschmack von uns Nostalgikern, diesmal mit einem wenig bekannten englischen Duo, das aber im Rockpalast 1976 als Quintett gastierte. Die Musik geht deutlich Richtung Byrds oder Poco, und das Publikum taut zunehmend auf. Das Konzert akustisch sowie optisch plus die meisten Tracks noch als Studioversionen. Passt!
mk

 JACQUES STOTZEM: Places We Have Been
JACQUES STOTZEM
Places We Have Been
(Acoustic Music Records)


Der Fingerstyle-Poet aus Belgien kehrt nach Ausflügen in Akustikrock-Gefilde zurück auf vertrautes Terrain, Steelstring-Gitarrenmusik, durchwoben von schönster Melancholie. „It Could Last Forever“, so einer der Titel. Das wünscht man Jacques, das wünschen wir uns. Mit seiner zeitlosen Musik im Gepäck öffnet sich ein Fensterchen in die Ewigkeit.
rb
 STRAWBS: Deadlines
STRAWBS
Deadlines
(Do-CD + DVD; Esoteric Records/Cherry Red Records)


Kann man so machen. Die letzte offizielle Strawbs-LP aus dem Jahr 1977 plus diverse akustische Versionen der Songs. Das ist die eine CD, und die andere enthält ein von der BBC mitgeschnittenes Konzert aus dem Februar 1978 mit drei Songs jener LP plus einige Strawbs-Favoriten. Die DVD ist genau dieses Programm in beweglichen Bildern. Für Fans.
mk

 JÜRGEN TARRACH: Zum Glück traurig
JÜRGEN TARRACH
Zum Glück traurig
(Okeh Records)


Der lange schon singende Schauspieler traut sich hier in den Fado, Soundtrack des ihm vertrauten Krimidrehorts. Die u. a. von Cello, Percussion und portugiesischer Gitarre anmutig gestalteten Lieder von Tarrachs musikalischem Langzeitpartner und Tastenmann bleiben samt des einfühlsam-behutsamen Gesangs trotz Fado-Wehmut letztlich doch irgendwie chansonesk.
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 PAT THOMAS & KWASHIBU AREA BAND: Obiaa!
PAT THOMAS & KWASHIBU AREA BAND
Obiaa!
(Strut)


Obiaa bedeutet übersetzt „jede(r)“. Diese aktuelle Highlife-Musik aus Ghana knüpft nahtlos an die Tradition dieses zeitlosen Genres an, und das nicht nur im Sound, der in ganz Westafrika allgegenwärtig scheint, sondern auch in den Texten, die diese Musik so populär machen. Die modernen Parabeln und gesungenen Lebensweisheiten betreffen jede und jeden.
cs

 JONAH TOLCHIN: Fires For The Cold
JONAH TOLCHIN
Fires For The Cold
(Yep Roc Records)


Mit einer gescheiterten Ehe im Gepäck hat sich Tolchin an sein neues Album gemacht. Kein Wunder, dass die neuen Songs introspektiv und verzagt klingen. Sparsam schmiegen sich akustischer Bass, Percussion und kleine Einsprengsel der Slidegitarre an Tolchins akustische Gitarre, sodass nichts der neuen Sinnsuche im Weg steht.
mf
 ALI FARKA TOURE: Savane
ALI FARKA TOURE
Savane
(World Circuit)


Er wäre dieses Jahr achtzig Jahre alt geworden, der legendäre malische Gitarrist und Protagonist des sogenannten „Desert Blues“. Kurz nach seinem Tod im März 2006 erschien dieses grandiose Album, das Luigi Lauer für den Folker (5/2006) rezensierte und ihm zu Recht attestierte, „… dass [es] in die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO gehört“. Jetzt liegt es remastert als Doppel-LP vor.
rs

 TUNNG: This is … Tunng – Magpie Bites And Other Cuts
TUNNG
This is … Tunng – Magpie Bites And Other Cuts
(Full Time Hobby/Rough Trade)


„Tunng are an english folk music band“, behauptet Wikipedia, um dann gleich einzuschränken, dass das Sextett auch jede Menge Electronica benutzt. Korrekt! Seit 2004 haben sie sechs CDs und etliche Singles veröffentlicht, und das hier ist eine Sammlung seltener Outtakes, B-Seiten und Hidden Tracks. Die Promo-CD geizt natürlich mit genaueren Infos.
mk
 UUSIKUU: Flamingo
UUSIKUU
Flamingo
(Nordic Notes)


Die finnische Sängerin in Hochform! Uusikuu, Finnlands Tangokönigin der Herzen, stellt Tangos aus vielen Jahrzehnten vor – und schweift mit einem Walzer in andere Tanzgebiete ab. Anklänge an Django Reinhardt und die finnische Version von Jules Dassins „Rififi“ geben dem Album eine mondäne Note.
gh

 THE VIGNATIS: Let’s Hit The Road – Gypsybilly Vol. 3
THE VIGNATIS
Let’s Hit The Road – Gypsybilly Vol. 3
(GB Music)


Tracy und Fabrice Vignati aus Los Angeles legen mit ihrer Band eine energiegeladene Platte vor, deren Songs Rockabilly und Country mit Gypsymusik und Osteuropäischem mixen. Treibende Beats, rasante Soli und Melodien, in die sich gelegentlich eine balkaneske Melancholie legt, sorgen für eine schmissige Angelegenheit. Wirkt gegen Sesselpupsen.
vd
 BEN WALKER: Echo
BEN WALKER
Echo
(Folkroom Records/SGO Music)


Die Basis dieses Soloausflugs des Duopartners von Josienne Clarke ist ganz eindeutig die englische Folklore. Daraus entwickelt Walker filigrane Gitarrenarrangements mit kammermusikalischem Aspekt oder streut avantgardistische Elemente ein. Die Gesangsparts übernehmen oft bekannte Damen wie Bella Hardy oder Kitty Macfarlane. Außergewöhnlich und gut.
mk

 WOGER: Aus der Seele
WOGER
Aus der Seele
(Starfish Music)


Ein Liedermacher der alten Schule ist der Ruhrpottmusiker Woger. Mit dem Herz auf der Zunge, rumpeligen Versen und Hannes-Wader-Gitarre führt der Sänger die Tradition eines Frank Baier fort, ohne dessen Humor zu teilen. Da trifft Betroffenheit auf große Gefühle, und man glaubt dem Künstler seine Anliegen. Wogers Musik passt in den intimen Folkclub oder auf das solidarische Straßenfest.
ce
 LISA WOLF: Je Suis Née En Allemagne
LISA WOLF
Je Suis Née En Allemagne
(Eigenverlag)


Die in Frankreich lebende, deutschstämmige Instrumentenbauerin und Musikerin Lisa Wolf stellt traditionelle und eigene deutsch-französische Musik vor, eingespielt auf verschiedenen Dudelsäcken, Klarinette, Akkordeon, Percussion. Wunderschöne Melodien und glänzende Arrangements, gelegentlich unterstützt von Julien Barbances (La Machine) an Pandeiro und Geige sowie David Saam am Akkordeon.
uj

 STANISLAV YUDIN/ASNATE RANCANE: OP.2
STANISLAV YUDIN/ASNATE RANCANE
OP.2
(CPL-Music)


Die beiden Letten – Jazzbassist Yudin und die Sängerin Rancane – erschaffen auf ihrem Debüt ihren eigenen Weltmusikkosmos. Sie verwandeln die acht traditionellen Stücke aus Lettland, Litauen, Bulgarien, der Ukraine und Russland durch minimale Arrangements in orientalisch anmutende Klanggebete. Zentrales Element dabei ist immer die klare, kraftvolle Stimme Rancanes.
ep
 ZIRLA: Abfahrt in fünf Minuten
ZIRLA
Abfahrt in fünf Minuten
(Eigenverlag)


Vier Hände auf siebzig Saiten zweier böhmischer Hakenharfen, dazu gelegentlich zwei Stimmen, spielen und singen alte Tanzmusik und Lieder in träumerischen bis groovenden Arrangements. Beeindruckend, welch ungewöhnlichen Klänge Merit Zloch und Daniela Heiderich aus ihren Instrumenten herausholen, mit Einflüssen aus Jazz, Rock, Pop und Weltmusik. Eine Stunde musikalischer Exzellenz!
uj

 : rezi-legende
Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Udo Hinz (uh), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (hj), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Ines Körver (ink), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Martin Steiner (mst), Katrin Wilke (kw)




Traditionelle Musik aus Frankreich
Neues von AEPEM
Alle Alben in diesem Kasten stammen von dem Label AEPEM, das keine richtige Plattenfirma ist. AEPEM ist eher eine Bildungs- und Forschungseinrichtung, die auch CDs produziert. Der Name AEPEM steht für „Association d’Étude, de Promotion et d’Enseignement des Musiques Traditionelles de Pays de France“. AEPEM veröffentlicht nach eigenem Selbstverständnis vor allem Produktionen, die es sonst am Markt nicht gäbe, weil eher nicht mit kommerziellem Erfolg zu rechnen ist. Viele AEPEM-Alben sind sehr auf das Wesentliche konzentriert: traditionelles, durch lokale Meister eingespieltes Repertoire. Da geht es auch darum, die Tradition auf hohem Niveau festzuhalten. Typisch hierfür ist die Reihe Un Musicien, Un Instrument, Un Repertoire, in der die ersten drei der folgenden Alben erschienen sind.

 BASILE BRÉMAUD: Violon – Musique Traditionelle D’Auvergne Et Du Limousin
BASILE BRÉMAUD
Violon – Musique Traditionelle D’Auvergne Et Du Limousin


Basile Brémaud spielt Geige, singt gelegentlich und macht Fußpercussion (aber nicht so kunstvoll, wie Kanadier das können). Die Musik ist roh, groovt aber und ist tanzorientiert.
Christian Rath

 IVAN KARVAIX: Musette Béchonnet – Musique Traditionelle Des Combrailles
IVAN KARVAIX
Musette Béchonnet – Musique Traditionelle Des Combrailles


Ivan Karvaix spielt eine regionale Art des Dudelsacks, ebenfalls unterstützt durch Fußpercussion. Sein Repertoire stammt aus dem 200-Seelen-Dorf Combrailles in der Auvergne.
Christian Rath
 HERVÉ DRÉAN: Chant – Chansons Traditionelles De Haute-Bretagne
HERVÉ DRÉAN
Chant – Chansons Traditionelles De Haute-Bretagne


Hervé Dréan singt mit warmer mittelheller Stimme a cappella. Auch er hat ein lokales Repertoire, aus der 700-Einwohner-Gemeinde La Roche-Bernard zwischen Vannes und Nantes.
Christian Rath

 DIVERSE: Ronds Et Rondes Traditionnels Chantés Du Bas-Berry, Volume 1
DIVERSE
Ronds Et Rondes Traditionnels Chantés Du Bas-Berry, Volume 1


Dieses Album enthält drei CDs. Insgesamt elf Sängerinnen und Sänger (darunter Sylvie Berger und Anne-Lise Foy) singen in diversen Konstellationen A-cappella-Wechselgesänge, die die Folkloristen Emile Barbillat und Louis Laurian Touraine Anfang des 20. Jahrhunderts in der Region Berry gesammelt haben.
Christian Rath
 MICHEL ESBELIN & TIENNET SIMONNIN: Le Lilas Blanc – Mélodies Des Bals Musette De La Belle Époque
MICHEL ESBELIN & TIENNET SIMONNIN
Le Lilas Blanc – Mélodies Des Bals Musette De La Belle Époque


Esbelin spielt Dudelsack (Cabrette) und Simonnin Akkordeon. Gastmusiker tragen Klavier und Banjo bei. Die neu eingespielten Walzer auf der ersten CD klingen fast so altmodisch wie die Originalaufnahmen aus den Jahren 1902 bis 1913 auf der zweiten CD. Dort gibt es gute Stimmen, kleine Orchester, aber wenig, was an Folkmusik erinnert.
Christian Rath

 DIRTY CAPS’: Musique Traditionelle Du Quercy Et De Gascogne
DIRTY CAPS’
Musique Traditionelle Du Quercy Et De Gascogne


Trotz des gewohnt sachlichen Titels enthält dieses Album tatsächlich modern arrangierte Folkmusik, eingespielt vom Trio Dirty Caps’ in der Besetzung Geige, Akkordeon und Klarinette. Die CD gehört zur Reihe Roulez Jeunesse!, die junge Talente der traditionellen Musik vorstellt. Es ist die einzige hier vorgestellte Produktion ohne Begleit-Booklet.
Christian Rath
 PLANCHÉE: Planchée
PLANCHÉE
Planchée


Dieses Album steht zwischen traditioneller Musik und Folkbearbeitung. Das Repertoire stammt überwiegend aus der Haute-Bretagne mit einigen typischen Avant-Deuxs. Im Kern ist Planchée ein Trio mit Geige, Akkordeon und Bass. Die Geige von Emanuelle Bouthillier klingt mal skizzenhaft-verwaschen, dann ist sie wieder messerscharf und fast rockig. Gelegentlich singt Marthe Tourret, auch das sind Höhepunkte.
Christian Rath

Weihnachten 2019
Schon wieder ein Jahr vorbei? Die Adventszeit erinnert uns daran, dass nichts von beständiger Dauer ist, aber auch daran, dass immer wieder etwas Neues kommt. Das ist wie mit unseren Weihnachtsalben. Irgendwie neu, irgendwie vertraut und manchmal überraschend.

 JIM CAUSLEY: A Causley Christmas
JIM CAUSLEY
A Causley Christmas
(Hroc Music)


In schönster britischer Tradition hat der Engländer Jim Causley ein Weihnachtsalbum zusammengestellt. Erzählerisch präsentiert er die Volksweisen mit sparsam eingesetzten Instrumenten. Die meist schwermütigen Lieder lassen den Zuhörer die dunklen, kalten und entbehrungsreichen Winter des Nordens spüren.
Sarah Fuhrmann

 LAWAY & LA KEJOCA: Winternacht
LAWAY & LA KEJOCA
Winternacht
(Artychoke), mit Texten


Friesenfolk nennen die Musiker ihren Stil. Auf Plattdeutsch singen die beiden Bands, die sich für dieses Projekt zusammengetan haben, Weihnachtslieder und Tanzmusik mit Einflüssen aus allen Kulturkreisen und Epochen. Gitarre, Fiddle, Akkordeon und mehrstimmige Gesänge bestimmen den Sound.
Sarah Fuhrmann
 PICCOLA BANDA DI CORNAMUSE: Siamo Qui A Cantar La Stéla
PICCOLA BANDA DI CORNAMUSE
Siamo Qui A Cantar La Stéla
(Felmay), mit Texten


Es ist eine kleine Dudelsackformation aus Italien, die Piccola Banda di Cornamuse, und sie spielen nicht irgendeinen Dudelsack, sondern die Musette de Cour, eine Dudelsackart aus Frankreich. Gesang ist auch dabei, aber die Instrumente der neun Musiker sind eindeutig die Stars. Gespielt werden traditionelle Melodien der Weihnachtszeit aus Europa.
Sarah Fuhrmann

 JUDY RAFAT: It’s Christmas Time Again
JUDY RAFAT
It’s Christmas Time Again
(Supermusic)


Auch wenn das Aufnahmestudio in Köln steht, die Kanadierin Judy Rafat hört sich amerikanisch an. Swing-Jazz-Christmas auf Englisch. Es glittert und flittert durchs Winterwonderland mit Santa Baby. Mit dabei die Band, bestehend aus Cory Allen (Klavier), Markus Schieferdecker (Bass), Markus Rieck (Schlagzeug) und Lothar van Staa (Saxofon).
Sarah Fuhrmann
 ARIANNA SAVALL & PETTER UDLAND JOHANSEN & HIRUNDO MARIS: Silent Night
ARIANNA SAVALL & PETTER UDLAND JOHANSEN & HIRUNDO MARIS
Silent Night
(Sony Music), mit langem Vorwort auf Dt. u. Engl. u. Texten


Von Mittelalter bis Barock, das umfasst schon mal gut tausend Jahre. Das Ensemble Hirundo Maris von Arianna Savall und Petter Udland Johansen hat sich nicht nur zeitlich viel Spielraum bei seiner Weihnachtsliederauswahl gelassen. Auch geografisch sind sie weitsichtig. Von Irland bis Spanien haben sie mit Zither, Mandoline, Harfe und Flöte mal sentimental, mal fröhlich die traditionellen Stücke umgesetzt.
Sarah Fuhrmann

 VOLKER SCHÄFER: Auszeit – Weihnachtliche Impressionen
VOLKER SCHÄFER
Auszeit – Weihnachtliche Impressionen
(Acoustic Music Records)


Es ist nur die Gitarre. Schäfer spielt in schlichter und kunstvoller Weise bekannte Weihnachtslieder. Zum Mitsingen sind die Interpretationen zu verschnörkelt, vielmehr lädt Schäfer mit diesem Album zur Entspannung und Besinnlichkeit ein, eben zu einer Auszeit.
Sarah Fuhrmann
 ETTA SCOLLO: Il Viaggio Di Maria
ETTA SCOLLO
Il Viaggio Di Maria
(Jazzhaus Records), mit ital. u. dt.Texten


Die italienischen Weihnachtslieder der Sizilianerin Etta Scollo haben Pathos und Wärme. Ihr Album über die Reise Marias lässt die Lieder der einfachen Bevölkerung Süditaliens auf den Dorfplätzen und der Hirten auf den Weiden aufleben. So geht es um die Weihnachtsgeschichte und das Leben der Sizilianer, es geht um Heimat, Flucht, Armut und die Sehnsucht nach Frieden.
Sarah Fuhrmann

Onlinerezensionen
ACOUSTIC BLACK
In A Different Light
(Hicktown Records)


Akustischer Rock in neuer Dimension. Die Band aus Freilassing/Bayern spielt eingängige Mitgröhl-Songs mit prägender Akustikgitarre, hammerharten Drumbeats und Bassgrooves. Kaum zu glauben, dass diese geballte Energie von nur drei Musikern stammt. Die elf Songs laden den Hörer auf. Das macht Vorfreude auf ein Livekonzert. Bitte die CD laut hören!
uh
ACHIM AMME
Ammerica
(Timezone)


Vor über fünfzig Jahren machte der Schauspieler und Autor eine Reise als Austauschschüler in den Mittleren Westen der USA. Dort schrieb er Texte, die jahrzehntelang im Ordner schlummerten und nun mit Unterstützung durch den britischen Musiker Julian Dawson zum Leben erweckt wurden. Ein charmantes Sound-Zeitreisealbum mit klassischer Rockformation.
rk

KRIS BARRAS BAND
Light It Up
(Provogue)


Noch einen Schritt weiter vom Bluesrock in Richtung „Rock mit Blueselementen“ geht Kris Barras auf seinem dritten Album. Die Musik der Band könnte in ihrem Genre Stadien füllen und bei Rockfestivals als Headliner bestehen, ist aber im positiven Sinne handwerklich bodenständig gemacht.
ah
BIRDS OF A FEATHER
You Are Music
(Birds of a Feather)


Ein Popduo setzt auf den Klang eines Banjos. Das funktioniert erstaunlich gut, ohne dass es zu Assoziationen mit irischer oder amerikanischer Folklore kommt. Stattdessen sind die lupenreinen Popsongs charttauglich und könnten auch jedem Major gut zu Gesicht stehen. Freundlicher Optimismus bestimmt das Album und ermöglicht dem Hörer eine vielleicht dringend benötigte Ruhepause nach einem stressigen Arbeitstag.
ce

THE BLAND
Beautiful Distance
(Backseat)


Recht erfrischend sind die fünf Freunde aus Schweden mit ihrem an die Sechzigerjahre (The Beach Boys, Simon & Garfunkel) erinnernden Indiepop. Und auch, wenn ihren Liedern etwas von der unbekümmerten Leichtigkeit Jonathan Richmans innewohnt, wirkt der Sound der jungen Mannen doch eher poppig-psychedelisch als folkig, was wohl am massiven Einsatz des Synthesizers liegt.
is
CARNIVAL YOUTH
Good Luck
(Backseat)


Für ihr drittes Album reisten die drei Letten bis nach Brasilien. Das Ergebnis der international gefragten Indie-Band kann sich sehen lassen. Mit treibenden Rhythmen, rockigen Gitarren und sinfonischen Electrosounds singen sie über ein neues Verständnis von Geschlechterrollen und Alltagsherausforderungen – entsprechend des Albumtitels immer eine gute Stimmung verbreitend.
ep

HENRIK CEDERBLOM
Zobop
(Kakafon Records)


Der schwedische Gitarrist Henrik Cederblom spielt Musik zwischen Fusion und Jazzrock, begleitet von Bass, Schlagzeug und Saxofon. Das alles in warmen Klangfarben, mit schönen Melodien und einem Hauch skandinavischer Folkmusik unterlegt. Wenn das Jazzrock ist, dann keiner der experimentellen Sorte, sondern sehr angenehm und „bodenständig“.
ah
DRY DUDES
Grow
(Timezone)


Die Briten haben Ed Sheeran, die Belgier Milow und die Deutschen haben die Dry Dudes. Charttaugliche Popsongs, die aus jeder Autorenwerkstatt stammen könnten, gesungen von einer Stimme, die Mädchenherzen brechen kann. Jeder Song lädt zum Mitsingen ein, klingt allerdings auch wie „schon einmal gehört“. Mit etwas mehr Eigenständigkeit werden die Dry Dudes etwas Großes.
ce

E.L.S. BAND
Dark Blues Sky
(Soundstation Records)


Bluesrock im Quartett, das heißt Bass, Schlagzeug, Orgel und Gitarre/Gesang, spielt die Band aus Schweden. Neben eigenen Stücken finden sich auch solche von Stevie Ray Vaughan, Jimi Hendrix oder Eric Clapton wieder.
ah
RAINHARD FENDRICH
Starkregen
(RJF Records)


Fendrich, Sunnyboy des Austropop, hat sich auf Dauer als einzig kritischer Geist des Genres erwiesen. Auf dem aktuellen Album philosophiert er altersweise, singt Schlagerähnliches, positioniert sich für Flüchtlinge und gegen Rechtspopulisten. Leichter Sarkasmus ist typisch, die musikalische Weichspülung ebenso. Österreicher mögen es so, Rocker nicht.
hj

IAMTHEMORNING
The Bell
(Kscope)


Ein weiteres intensives Gesamtkunstwerk des russischen Duos. Sängerin Marjana Semkina und Klassikpianist Gleb Kolyadin präsentieren erneut zehn tiefgehende Kompositionen zwischen Folk, Klassik und Rock. Zentrales Thema der einzelnen Geschichten sind Grausamkeit, Leid, Schmerz und Feindseligkeit. Wer Kate Bush oder Tori Amos mag, wird auch von dieser ausdrucksstarken Musik gefesselt sein.
ep
FLORIAN LOHOFF
Risin’
(Timezone)


In erster Linie Funk, aber auch Soul, Pop und etwas Blues vermengen sich hier in einem frisch dargebotenen Gebräu des Berliner Musikers Florian Lohoff. Ecken und Kanten wurden geschliffen, glatt und poliert wirkt das Ergebnis. Eher also Mainstream als Subkultur, allerdings gekonnt gemacht, und Radiotauglichkeit muss ja nichts Negatives sein.
ah

LUSITANIAN GHOSTS
Lusitanian Ghosts
(Lusitanian)


Der Name führt auf eine falsche Fährte, das indie-rockige Saitenquintett nicht nach Portugal. Da helfen auch leider nicht die mitwirkenden Portugiesen (inklusive Produzent) und spannende, zum Teil traditionelle Instrumente. Das kanadisch-portugiesische Projekt schafft nicht, was z. B. das Duo Dead Combo an Luso-Rockallianzen hinkriegt. Gut, ghost heißt u. a. „Echo“.
kw
WYNTON MARSALIS
Bolden
(Blue Engine Records)


Buddy Bolden war um das Jahr 1900 der angesagte Kornettist in New Orleans. Er gilt – noch vor Louis Armstrong – als „Erfinder“ des Jazz, zumindest in der Ausprägung, wie er in den Amüsiervierteln von New Orleans entstand. Tonaufzeichnungen von ihm gibt es keine, aber Wynton Marsalis ist ein sehr glaubwürdiger Entwurf dessen gelungen, wie es wohl geklungen haben mag.
ah

MISSINCAT
10
(Listen Records/Broken Silence)


Manche Musik wirkt auf die Ohren wie ein Plakat auf die Augen. Entweder man fühlt sich angesprochen oder man schaut bzw. hört weg. Wer radiotaugliche Popmusik und Kindchenstimmen mag, fühlt sich hier sofort zu Hause. Rezensenten, die mit diesen Attributen wenig anfangen können, steht harte Arbeit bevor.
mst
MIU
Modern Retro Soul
(Blue Eyed Soul)


Gleich mit zwei Sammlungen kommt die Hamburger Sängerin auf ihrem fünften Album daher: Modern Soul und Retro Soul. Beide machen Anleihen bei Heldinnen der frühen Siebziger à la Aretha Franklin, getragen von der energischen Stimme der Könnerin, poppig und clubtauglich arrangiert. Hier wurde alles richtiggemacht, viele werden es lieben. Außer denen, die es leiser und authentischer mögen.
is

CHRIS ROBINSON BROTHERHOOD
Servants Of The Sun
(Provogue)


Neben Chris Robinsons markantem Gesang wird die Musik der Band vor allem vom Keyboardsound Andy McDougalls geprägt. Dieser ist mal im Retrostil der Siebziger gehalten, mal bringt er Bezüge zu Jazzrock oder Funk zum Vorschein. Die Band spielt alles lässig und locker, auf einer Grundlage von Rock ’n’ Roll und mit einer gewissen „California“-Attitüde.
ah
ARROYO ROGERS
Single Wide
(Eigenverlag)


Das den singenden Filmcowboy Roy Rogers verehrende Ehepaar Kip und Lisa Powell aus Joshua Tree pflegt den Old-School-Countrysound der Sechziger und Siebziger. Leider ist das recht uninspiriert gespielt, und von den beiden hätte besser Lisa den Gesang übernehmen sollen. Immerhin entschädigen dafür die Einlagen mit Lap Steel Guitar und Twang-Gitarre.
hjl

SEILER UND SPEER
Für immer
(Preiser Records)


Das durch eine Band verstärkte Duo Seiler und Speer hat sich in Österreich mehrfach Platinalben erspielt. Musikalisch ist alles möglich zwischen Pop und Reggae, aber immer seicht und unaufdringlich genug, um mit den offenbar humorvoll-kritischen Dialektgesängen die Fans bei Konzerten zum Mitsingen zu animieren. Da bleiben Nichtösis draußen.
hj
ZARI
Sazaroti
(CPL-Music)


Lettische Volkslieder neu interpretiert im elektronischen Klang des Hier und Jetzt. Die sechs Musiker der seit fünf Jahren bestehenden Band katapultieren auf ihrem Debütalbum traditionelle Lieder in die Welt von kraftvollem Alternative Rock, eingängigem Indie-Pop und Synthie-Dancefloor. Das Ergebnis ist mitreißend, hypnotisierend und sehr tanzbar.
uh

Bücher
 MICHAEL REUFSTECK: Straßenmusiker / fotogr. v. Michael Reufsteck.
MICHAEL REUFSTECK
Straßenmusiker / fotogr. v. Michael Reufsteck.
conte-verlag.de
(St. Ingbert : Conte-Verl., 2019. – 134 S. : überw. Farbfotos)
ISBN 978-3-95602-197-8 , 15,00 EUR


Dieser aufwendig gestaltete quadratische Bildband zum Thema Straßenmusikanten ist quasi ein Teilkatalog der Ausstellung „Pictures of Pop”, in dessen Rahmen die durchweg farbigen Straßenmusikerfotos erstmals gezeigt wurden. Fotograf und Musiker Michael Reufsteck hat Straßenmusikanten in Deutschland, Frankreich, Portugal, Russland, Italien, Belgien, in der Türkei, der Schweiz und in Großbritannien ausdrucksstark porträtiert. Das Hauptaugenmerk des Fotografen liegt zwar eindeutig auf den Musikern, doch auch die jeweilige Hintergrundarchitektur spielt fast immer eine Rolle, sodass beim aufmerksamen Betrachter nicht selten eine gewisse Spannung entsteht. Auffällig ist: sehr viele Einzelmusikanten, meistens Männer, kaum Publikum. Vieles lässt sich aus dem Erscheinungsbild der abgelichteten Akteure, aus ihrer Kleidung, ihren Gesichtsausdrücken herauslesen – Armut, Einsamkeit, Ängste, aber auch offensichtliche Freude am Musizieren und oft eine gute Portion Selbstbewusstsein. Michael Reufstecks Bildband Straßenmusiker ist die ästhetische Dokumentation eines vielerorts unterdrückten, jedoch bunten und die Innenstädte belebenden Phänomens.
Kai Engelke
 JEFF TWEEDY: Let’s go (so we can get back) : Aufnehmen u. Abstürzen mit Wilco etc. / aus d. Engl. von Tino Hanekamp.
JEFF TWEEDY
Let’s go (so we can get back) : Aufnehmen u. Abstürzen mit Wilco etc. / aus d. Engl. von Tino Hanekamp.
kiwi-verlag.de
(Köln : Kiepenheuer & Witsch, 2019. – 301 S. : mit Ill.)
ISBN 978-3-462-04986-2 , 22,00 EUR


Jeff Tweedy ist Kopf der Band Wilco, die gemeinsam mit Billy Bragg den lyrischen Nachlass von Woody Guthrie musikalisch bearbeitete und auf drei CDs als Mermaid Avenue auf den Markt brachte. Begonnen hat sein Songschreiberleben vor mehr als dreißig Jahren, als er mit Freunden die Countryrockband Uncle Tupelo gründete. Ausgiebig berichtet er in seiner Autobiografie, die sich weniger literarisch als mehr wie eine Plauderei unter Freunden liest. Aufgewachsen in einer Kleinstadt in der Nähe von Saint Louis, wurde Tweedy musikalisch vor allem durch US-amerikanischen Mainstreamrock sozialisiert, bevor er Punk entdeckte und sich der Musik zuwandte. Zwar beginnt das Buch recht konventionell mit einer Schilderung seiner Kindheit und Jugend, auf die mit der ersten Bandgründung die eigentliche Reifung als Musiker folgt und er sich als Songschreiber mit Wilco neu erfindet, doch wird im Buch nicht stringent erzählt. Wesentliche Teile seiner Karriere schließt Tweedy einfach aus, um sich auf einige spezifische Momente in seinem Leben zu konzentrieren. Bei Tweedy dreht sich alles um Musik, doch zentral sind daneben die persönlichen Beziehungen und Beziehungsgeflechte, in denen er sich bewegt. Zwischendurch gewinnt er auch mal einen Grammy, doch viel intensiver schildert er seine persönlichen Krisen – wie eine langwierige Tablettenabhängigkeit – und auch die Schwierigkeit, überhaupt sinnvolle Songtexte schreiben zu können. Eingeschoben sind immer wieder Gesprächsprotokolle mit seiner Frau, die eine andere Sicht auf seine Geschichte hat, einen distanzierten, aber auch differenzierten Blick auf seine Musikwelt wirft. Ein facettenreiches Buch, das von einer Musikkarriere erzählt, aber auch von einer schmerzvollen Selbstfindung.
Michael Freerix

 RAYMOND DITTRICH: Carolans Harfe : e. Textzyklus / mit Zeichn. v. Laumee Fries u. Einspielungen v. Christoph Pampuch (ir. Bronzesaitenharfe)
RAYMOND DITTRICH
Carolans Harfe : e. Textzyklus / mit Zeichn. v. Laumee Fries u. Einspielungen v. Christoph Pampuch (ir. Bronzesaitenharfe)
engelsdorfer-verlag.de
(Leipzig : Engelsdorfer, 2019. – 51 S. : mit Ill. u. Notenbeisp. + CD)
ISBN 978-3-96145-771-7 , 15,00 EUR


Der Lyriker Raymond Dittrich stellt in einem Zyklus von kurzen Texten das Leben des irischen Harfners Turlough O’Carolan vor. Zu jedem Lebensabschnitt gibt es eine Zeichnung von Laumee Fries, und es gibt eine CD mit Carolan-Stücken, auf einer mit Metallsaiten bespannten Harfe gespielt von Christoph Pampuch. Da zu Carolans Zeiten Harfen und Zithern mit Bronzesaiten bespannt waren, bekommen wir auf diese Weise einen Eindruck davon, wie seine Musik wohl geklungen haben mag. In den Texten folgen wir seinem Leben, von der Geburt im Osten des Landes über die Erblindung durch eine Pockeninfektion und den Umzug in den Westen bis zu seinem Leben als wandernder Harfner. Carolan war sozusagen ein Wanderer zwischen zwei Welten. Einerseits fand er Unterstützung in den Resten der inzwischen fast vernichteten gälischen Adelsschicht, andererseits fanden auch die neuen angloirischen Landjunker Gefallen an seiner Musik, und er huldigte allen Gönnern und vor allem Gönnerinnen durch ihnen gewidmete Kompositionen. Das alles erfahren wir aus den kurz gefassten lyrischen Texten, bei denen aber offenbar aufs Korrekturlesen verzichtet wurde, es gibt gar zu viele verrutschte Apostrophe und Satzfehler wie „blasrot“. Und manchmal wird es unfreiwillig komisch: „Eine junge Lady aus gutem Haus gewann Turlough zur Frau“ – etliche Biografen glauben zwar nachweisen zu können, dass Carolan nach heutigem Verständnis mindestens bisexuell war (was im vorliegenden Buch nicht erwähnt wird), aber solche Genderwirrungen waren ihm wohl doch fremd. Über diese kleinen Schönheitsfehler tröstet aber die wunderbare CD mit Carolans Musik perfekt hinweg.
Gabriele Haefs
 SIMON MAYOR: Of death and a banana skin : poems and other words / by Simon Mayor ; with ill. by Hilary James.
SIMON MAYOR
Of death and a banana skin : poems and other words / by Simon Mayor ; with ill. by Hilary James.
acousticspublishing.com
(Reading : Acoustics Publ., 2018. – 92 S. : mit Fotos u. zahlr. Ill.)
ISBN 978-0-9522776-7-5 , 12,00 GBP


Simon Mayor, das ist zuallererst Mandoline pur, von Folk bis Klassik, auf Festivals, in Konzertsälen oder auf Kinderkonzerten. Der Engländer ist seit ca. vierzig Jahren schlicht eine internationale Kapazität auf seinem Instrument. Wie bei vielen Musikern sind die Ansagen integraler Bestandteil seiner Konzerte, und diese Ansagen sind durchdrungen von, nun ja, typisch britischem Humor. Über die Jahre integrierte Mayor auch kleine selbst verfasste Gedichte oder Limericks in seine Bühnenarbeit. Da lag irgendwann mal der Gedanke nahe, diese Wortbeiträge in einem Buch zu versammeln, und hier kam Hilary James ins Spiel. Sie ist nicht nur seine Partnerin zu Hause und auf der Bühne, sie war nicht nur die, die Mayor ermutigte, seine Gedichte auf der Bühne vorzutragen, nein, sie ist auch mit einem bemerkenswerten Talent für Illustrationen gesegnet. Wenn man nun die Talente der beiden kombiniert, erhält man ein optisch sehr ansprechendes Buch mit ziemlich lustigen Texten, Gedichten und Geschichten. Das beginnt mit der autobiografischen Erzählung, wie der Yorkshire-Mann Mayor in Reading landete, und zwar direkt neben dem Reading Reading Centre (!), und endet mit dem Wanderstab-Fortsetzungsgedicht „The further Adventures of the Stick“. Zwischen diesen beiden Polen ist auch sehr oft die Rede von Musik. Daher ist das schmucke Büchlein garantiert eine lohnenswerte Anschaffung für die anglophile Leserschaft dieser Zeitschrift. Und nicht nur das, auch die Technikfreaks kommen auf ihre Kosten. Das Buch enthält „augmented reality“! Für diese erweiterte Wirklichkeit braucht man ein Smartphone plus eine kostenlose App, und schon kann man sich durch Einscannen einzelner Seiten kleine, passende Videos auf das Handy laden. Wer solche Spielereien mag, wird natürlich begeistert sein. Das gute alte Buch tut es aber definitiv auch.
Mike Kamp

 BERND WILLIMEK/DANIELA WILLIMEK: Musik und Emotionen : Studien zur Strebetendenz-Theorie.
BERND WILLIMEK/DANIELA WILLIMEK
Musik und Emotionen : Studien zur Strebetendenz-Theorie.
dwv-net.de
(Baden-Baden: Dt. Wissenschafts-Verl., 2019. – 125 S. : mit zahlr. Notenbeisp.)
ISBN 978-3-86888-145-5 , 20,00 EUR


Musik kann eine starke emotionale Wirkung besitzen. Warum dies so ist, ist immer noch nicht geklärt. In den vergangenen Jahren hat sich eine Reihe von Wissenschaftlern mit dem Phänomen beschäftigt. Dabei wurden vor allem Hirnareale identifiziert, die bei bestimmten Musikstücken vermehrte Aktivitäten zeigen. Außerdem ist inzwischen gut beforscht, bei welchen Krankheiten Musik wie helfen kann – ohne dass freilich die Krankenkassen diese Art der Therapie bislang übernehmen. Doch was genau an der Musik löst Emotionen in uns aus? Ist es die Atmosphäre, der Takt oder vielleicht die Geschwindigkeit der Stücke? Der Musiktheoretiker Bernd Willimek und seine Frau Daniela, eine studierte Pianistin, sagen, es seien vor allem die Harmonien bzw. Tonintervalle. In mehreren Experimenten haben sie gezeigt, dass Probanden etwa Subdominanten, äolisches Moll und Ganztonleitern in jeweils gleicher Weise charakterisierten. Willimek und Willimek führen das darauf zurück, dass die Hörer durch Musik vermittelte Emotionen mit bestimmten abstrakten Willensinhalten identifizieren. Wer diesen Part des Buches verstehen will, sollte mit der Philosophie Nietzsches oder Schopenhauers vertraut sein und/oder die Arbeiten des Musikwissenschaftlers Ernst Kurth kennen, von denen sich das Autorenpaar klar abgrenzt. Grundsätzlich hilft es, beim Lesen ein Klavier o. Ä. in der Nähe zu haben, um sich die Klangbeispiele vor Ohren zu führen.
Ines Körver
 IAIN MATTHEWS / IAN CLAYTON: Thro’ my eyes : a memoir / Iain Matthews with Ian Clayton.
IAIN MATTHEWS / IAN CLAYTON
Thro’ my eyes : a memoir / Iain Matthews with Ian Clayton.
route-online.com
(Pontefract : Route, 2018. – 344 S. : mit Farb- u. s/w-Fotos + Do-CD)
ISBN 978-1901927-75-7 , 20,00 GBP


(Tl 3 einer ungeplanten Fairport-Trilogie; Tl 1 s. Folker 4/2019, S. 94, Tl 2 s. Folker 6/2019, S. 95)
Ja, auch Iain Matthews war einmal Mitglied von Fairport Convention, wenn auch nur für anderthalb Jahre oder ca. zwanzig Seiten im Buch, aber mit den Gruppenmitgliedern blieb er befreundet. Thro’ My Eyes ist tatsächlich eine Autobiografie, Matthews erzählt seine Geschichte chronologisch, Clayton schreibt sie nieder, und Matthews geht noch mal korrigierend drüber. Eine unglückliche Kindheit im Norden Englands mit einem gewalttätigen Vater, der – das stellte sich erst später heraus – tatsächlich sein Stiefvater war. Er flieht als naiver Achtzehnjähriger nach London, veröffentlicht eine erste Single mit der Gruppe Pyramid, spielt die erwähnte Zeit mit Fairport, und dann 1970 der Monsterhit „Woodstock” mit Matthews Southern Comfort. Er kam mit dem Erfolg, dem Musikgeschäft und all seinen Begleiterscheinungen überhaupt nicht klar und verweigerte sich. Das ist fast fünfzig Jahre her, und bekanntermaßen ging seine Karriere mit Umwegen, Sackgassen, Glück und Tüchtigkeit dennoch bis heute weiter – alles minutiös in dem Buch nachzulesen. Was diese Bio jedoch neben den Fakten auszeichnet und lesenswert macht, ist Matthews schonungslose Offenheit, auch sich selbst und seinen ganz persönlichen Problemen gegenüber. Nie hat man das Gefühl, dass er Brüche überspielt oder Depressionen und Kommunikationsprobleme verschweigt, und gerade das macht das Buch und auch Matthews als Person so glaubwürdig und nachvollziehbar. Jedes Kapitel wird mit einem passenden seiner Songtexte eingeleitet (die Songs sind auf der Doppel-CD der Deluxe-Edition des Buches enthalten) und verdeutlichen: Musik ist sein Leben und sein Leben ist in seiner Musik. Der Musiker Iain Matthews war mir vor diesem Buch bis auf ein paar Highlights unbekannt und eigentlich auch egal. Nach der Lektüre bin ich mir sicher: Ich habe einen großen Nachholbedarf!
Mike Kamp

 SEBASTIAN SCHRÖDER: Banjo spielen! : d. umfassende Schule für das 5-String-Banjo.
SEBASTIAN SCHRÖDER
Banjo spielen! : d. umfassende Schule für das 5-String-Banjo.
banjospielen.de
dux-verlag.de
(Manching : Ed. Dux, 2016. – 308 S. : mit zahlr. TAB u. Griffdiagr., Abb. + CD)
ISBN 978-3-86849-284-2, ISMN 979-0-50017-438-7 , 42,80 EUR


Alle Jahre wieder – auch an Weihnachten 2019 – wurden Banjowünsche wahr. Wer sich kein Gitarrenbanjo gewünscht, sondern ein klassisches fünfseitiges bekommen hat, wer nicht vom Notenblatt spielen kann, wird vermutlich ohne geeignetes Lehrmaterial schnell verzweifeln. Sebastian Schröder (siehe auch Beitrag auf S. 40) hat diese Lücke einfühlsam, gründlich und geschickt geschlossen. Mit Banjo spielen! ist ihm ein Standardwerk gelungen, das Anfänger ermutigt, Fortgeschrittene fördert, Profis fordert, das Musikfreunden, -lehrern und -wissenschaftlern umfassende Informationen bietet. Dieses Hand- und Lehrbuch ist verständlich geschrieben, reich bebildert, ansprechend layoutet und – ob seiner Papierqualität und komfortablen Spiralbindung – robust, also alltagstauglich. Ausgewählte Musikstücke, darunter Ohrwürmer wie „The Entertainer“ und „You Are My Sunshine“, lassen sich mittels beiliegender MP3-CD sowie simpler Tabulaturen, die keine Notenkenntnisse voraussetzen, spielend lernen. Schröder, selbst passionierter Banjospieler, hat die 45 Songs darauf selbst eingespielt, extra langsam, was das Üben sehr erleichtert. In unserer Hightechwelt, in der immer mehr Menschen vor Bildschirmen verkümmern und das Wischen flacher Mattscheiben als erotisch gilt, ist ein gutes neues Lese- und Hörbuch wie Banjo spielen! wohl die bessere Alternative, miteinander Banjoduelle zu führen. Besonders wertvoll: Dabei fällt kein Schuss und fließt kein Blut. Dieses Buch hätte sicher auch dem Friedensaktivisten und Folksänger Pete Seeger (1919-2014) Freude bereitet, dessen Banjotechnik „Seeger Picking“ ein ganzes Kapitel gewidmet ist. Also dann, nicht bis Ostern mit dem Buchgeschenk warten, damit ihr gut vorankommt auf euren Banjos – und vielleicht sogar auf einem Friedensmarsch! Lasst euch anstiften … – zum Banjospielen!
Kay Reinhardt
 MICHAEL HEPP: Mixer & leichte Mehrpaartänze : d. Tanzbeschreibungen.
MICHAEL HEPP
Mixer & leichte Mehrpaartänze : d. Tanzbeschreibungen.
fidula.de
(Koblenz : Fidula-Verl., 2019. – 32 S. : mit zahlr. Abb.)
ISBN 978-3-87226-218-9 , 6,90 EUR; CD: 978-3-87226-618-7 – 16,90 EUR; DVD: 978-3-87226-718-4 – 19,90 EUR


Michael Hepp, Biologie- und Sportlehrer aus Tübingen, ist den Volkstänzern unter uns als Verfasser von vielen Tanzbeschreibungen und Herausgeber von Folklore-CDs, insbesondere mit internationalen Kreistänzen bekannt. Nun hat er sich an zwanzig leichte Mixer-Paartänze herangewagt. Diese gelten als besonders abwechslungsreich, da sich in den Tanzabläufen die notwendige Gelegenheit ergibt, vielen anderen Tänzern quasi hautnah zu begegnen. Dabei werden zwar in der Regel die Partner nicht gewechselt, doch tanzt ein Paar immer wieder mit einem neuen Paar zusammen. Die Schrittmuster sind einfach gehalten, sodass auch Ungeübtere durchaus auf ihre Kosten kommen können. Die drei Elemente, Broschüre, CD sowie DVD, sind einzeln oder als Paket erhältlich. Alle zwanzig Tänze, teilweise von Hepp selber choreografiert, werden auf der DVD einmal durchgetanzt, nicht jedoch erklärt; zum Nachschlagen sind die notierten Tanzbeschreibungen eigentlich unentbehrlich, falls ein Tanzkreis, idealerweise mit mindesten sechs Paaren, unter Leitung des lokalen Tanzleiters einige dieser Tänze selbständig einüben will. Die Musikaufnahmen verdienen ein besonderes Lob, nicht nur qualitativ im Ton, sondern Versionen wie der „Doppelschottisch“ von Zerrwanst oder der „Patsh Tants“ von den Klezgoyim sind auch ohne Schwingen des Tanzbeines ein Hörgenuss.
Matti Goldschmidt

DVD/Filme
 PETER WEBBER: Inna de Yard – The Soul of Jamaica
PETER WEBBER
Inna de Yard – The Soul of Jamaica
(Frankreich, 2018, 99:00, OmU, MFA+ Filmdistribution)


Musikfilme können vieles sein, zeitgeschichtliche Dokumente (Monterey 67, Woodstock), artifizielle Inszenierungen (Magical Mystery Tour, Pink Floyd in Pompeii), liebevoll-stimmige Portraits (The Last Waltz, Buena Vista Social Club), global-genial vernetzte Collagen (One World One Voice, Sound Tracker, Playing For Change) oder herrlich alberner Monty-Python-Unfug (The Rutles: All You Need Is Cash). Die Liste ist ebenso unvollständig wie das ausführende Personal heterogen ist, von reinen Dokumentarfilmern wie D. A. Pennebaker bis Martin Scorsese oder Wim Wenders. Von Letzterem und seinem Porträt der kubanischen Legenden mag sich auch der britische Filmregisseur Peter Webber (Das Mädchen mit dem Perlenohrring) die Inspiration für seinen Film Inna de Yard – The Soul of Jamaica geholt haben. Wie Wenders begleitet auch Webber die Reggae-Urgesteine Cedric Myton (72), Ken Boothe (71), Winston McAnuff (62), Lloyd Parks (71), Kiddus I (75) oder Judy Mowatt (67) bei Proben, Konzerten oder im privaten Umfeld. Er lässt ihnen Zeit und Raum für Erinnerungen, Anekdoten und natürlich für jede Menge Musik. Entstanden ist ein atmosphärisch dichter Film über das Faszinosum Reggae. Unbedingt sehenswert!
Walter Bast



Besondere
DEITSCH
Mittsommer Sessions
(Artes Records)


Ihr neuer Silberling ist ihr vierter unter dem Markennamen Deitsch, und der Titel hätte nicht besser gewählt sein können. Nicht nur, da er während der ersten Hitzewelle im Juni des vergangenen Jahres entstand, sondern weil selten ein Album dermaßen sommerlich klang, wie ein sonnendurchflutetes Tanzfest, von dem man wünscht, dass es niemals enden solle. Die letzte Produktion als Deitsch liegt ein Jahrzehnt zurück und hatte den Schwerpunkt auf deutschen Volksliedern, da es damals kaum Quellen für instrumentale Tanzmusik gab. Seit dieser Zeit sind einige alte Notenhandschriften mit Instrumentalmusik aus dem 18. und 19. Jh. wiederentdeckt worden, wie die Tanzsammlung Dahlhoff etwa – mit einem unschätzbaren Fundus an Melodien, eine  DEITSCH: Mittsommer Sessions schöner als die andere. Um das neue Material musikalisch adäquat umsetzen zu können, erweiterten Gudrun Walther (Gesang, Geige, Bratsche und diatonisches Akkordeon) und Jürgen Treyz (Gitarren, Satzgesang) ihr Duo zum Quartett. Mit Barbara Hintermeier von den More Maids (Geige, Bratsche, Satzgesang) sowie Steffen Gabriel (ansonsten bei Northern Lights, Trasnú und Nua) mit Holzquerflöte, Schäferpfeife und Satzgesang holten sie zwei Virtuosen in die Band, die sich schlicht als Glücksgriff erweisen. Neun geschmackvoll ausgewählte Stücke wurden von den Musikern mit viel Spontaneität entstaubt, arrangiert und mit überbordender Spielfreude im Aufnahmeraum live eingespielt. Vier Lieder sind zudem zu hören, altbekannte, ja, aber Deitsch wären nicht Deitsch, gäben sie nicht selbst nahezu totgespieltem Material wie „Der Winter ist vergangen“ neue Impulse, hier mit lupfigen Tempowechseln und einem kongenial von Treyz neu komponierten Zwischenspiel. Auch die „Dunkle Wolk“, Goethes „König in Thule“ und „Ade nun zur guten Nacht“ erhalten eine Frischzellenkur, die die Lieder in überraschenden klanglichen oder rhythmischen Arrangements erstrahlen lassen und von Gudrun Walther mit ihrer klaren Stimme ausdrucksstark in Szene gesetzt werden. Mittsommer Sessions ist ein Geniestreich und meine CD des Jahres 2019.
Ulrich Joosten
AMIRA MEDUNJANIN & TRONDHEIMSOLISTENE
Ascending
(Town Hill Colony)


Es sollte ursprünglich ein Rückblick auf ihre ersten fünfzehn Jahre als Musikerin werden. Doch in der Zusammenarbeit mit den herausragenden TrondheimSolistene ist der außergewöhnlichen Sängerin aus Bosnien-Herzegowina ein Meisterwerk gelungen, das wegweisend für ihre weitere Karriere sein wird. Seit 2003 beeindruckt die 47-Jährige auf jetzt sechs Studio- und zwei Livealben mit ihren Interpretationen der Sevdah-Musik. Dieses traditionelle Folkgenre aus Bosnien-Herzogowina ist heute auch noch in den übrigen Ländern Ex-Jugoslawiens verbreitet. Seine Wurzeln liegen in der arabischen und türkischen Kultur. Sevdah bedeutet dort „schwarze Galle“ oder auch „Melancholie“ und bezeichnet  AMIRA MEDUNJANIN & TRONDHEIMSOLISTENE: Ascending leidenschaftliche Lieder über Liebe, Sehnsucht, Freude und Schmerz. Ursprünglich sind es Stücke, die nur von Frauen gesungen wurden und kleine Ensembles mit Akkordeon, Violine, Nylongitarre, Oud, Kontrabass, Flöte oder Klarinette und Schnarrtrommel umfassen. Die traditionellen arabischen mikrotonalen Intervalle sind inzwischen Arrangements im chromatischen Tonsystem des Westens gewichen. Dennoch gelingt es gerade Amira Medunjanin, die Einzigartigkeit dieser Musikrichtung zu bewahren und mit dem preisgekrönten norwegischen Kammerstreichorchester sogar in ganz neue Richtungen weiterzuentwickeln. Mit den Norwegern bekommen die wunderschönen, melodischen Sevdah-Lieder eine deutlich klassischere Ausrichtung. Zuweilen erinnern die Arrangements an die Orchestrierung von Schwarzweißfilmen oder Chansons des frühen zwanzigsten Jahrhunderts. Daneben prägen auch Medunjanins langjährige musikalische Begleiter – wie der Kroate Ante Gelo auf der Gitarre oder der Serbe Bojan Zulfikarpašić am Klavier – das in Trondheim und den Abbey Road Studios eingespielte Album. Über allem thront jedoch die ergreifende Stimme der bosnischen Sängerin. Mit großer Strahlkraft präsentiert sie neue und bislang nur live gesungene traditionelle Stücke ihrer Kultur. Ein wahrer Hörgenuss.
Erik Prochnow

THE GOOD ONES
Rwanda, You Should Be Loved
(Anti), mit engl. Infos


Ist diese Musik, die drei Männer aus dem ländlich geprägten Umland der ruandischen Hauptstadt Kigali eingespielt haben, wirklich etwas Besonderes? Beim ersten Anhören meint man eher nicht. Unspektakuläre, gleichwohl anrührende und melodische „Folksongs“, basierend auf heimischen Musiktraditionen, ein bisschen an Blues und Bluegrass erinnernd, dazu Gitarrenklänge, die Assoziationen zum kenianischen Dry Guitar Style wecken. Und doch, diese im positiven Sinne schlichte, irgendwie „unschuldige“ Musik mit diesen brüchigen, aber empathischen Stimmen hat „etwas Besonderes“, wenn die Geschichte dahinter betrachtet wird, 25 Jahre nach dem Völkermord, dessen seelische Wunden noch nicht verheilt sind. 2009 bereisten Ian  THE GOOD ONES: Rwanda, You Should Be Loved Brennan, amerikanischer Produzent (u. a. Tinariwen) und Dozent für Gewaltprävention, und seine italienisch-ruandische Frau und Filmemacherin Marilena Delli das Heimatland von deren Mutter. Der Zufall wollte es, dass sie dem Bauern Adrien Kazigira begegneten, als Gitarrist, Sänger und Songschreiber Chef der Feierabendband The Good Ones, die meist bei Hochzeiten und Beerdigungen aufspielt. Brennan war begeistert: „Was die Kerle machen, ist edel und rar.“ Zwei von ihm unter einfachen Bedingungen produzierte Alben entstanden, Kigali Y Izahabu (2010) und Rwanda Is My Home (2015), die dem Quartett neben dem gefeierten Auftritt beim WOMAD-Festival 2014 vor allem im UK Lob und Anerkennung bescherten. Geändert hat sich an den schwierigen Lebensbedingungen für Adrien und seine Percussionisten Javon Mahoro und Janvier Havugimana scheinbar wenig. Dieses dritte Album knüpft nahtlos an die Vorgänger an. Übertragungen der in Kinyarwanda (wichtigste heimische Sprache) gesungenen Lieder gibt es leider keine. Den englischen Titeln zufolge geht es um Liebe, Versöhnung, Hoffnung. Wohl aus Marketinggründen fungieren einige namhafte US-Musiker als Special Guests (u. a. Wilco-Gitarrist Nels Cline). Gewidmet ist das Album Adriens dreizehnjähriger Tochter Marie-Claire, die an einem lebensbedrohlichen Tumor am rechten Auge leidet.
Roland Schmitt
LAURIE ANDERSON, TENZIN CHOEGYAL, JESSE PARIS SMITH
Songs From The Bardo
(Smithsonian Folkways Recordings), mit ausführlichem engl. Booklet


Das Tibetische Totenbuch, das Bardo Thödröl („Befreiung durch Hören im Zwischenzustand“), ist eine der wichtigsten und interessantesten Schriften des tibetischen Buddhismus. Sie beschreibt die Wahrnehmungen der Seele nach dem Tod und erteilt klare Anweisungen, die es der Seele ermöglichen sollen, dieses Zwischenreich zwischen zwei Existenzen ohne Angst zu „durchqueren“. Im besten Fall erkennt die Seele diese zum Teil furchterregenden Gestalten, die sich ihr darbieten, als ihre eigenen Projektionen und gelangt so zur Befreiung. Laurie Anderson, bekannt für ihre avantgardistischen künstlerischen Arbeiten, liest Auszüge aus diesem Werk. So schwierig ein solches Unterfangen zu sein scheint, so  LAURIE ANDERSON, TENZIN CHOEGYAL, JESSE PARIS SMITH: Songs From The Bardo mühelos gelingt es der Künstlerin, dem Text einen unaufdringlich fließenden Rhythmus zu entlocken. Er klingt wie mit geschlossenen Augen gesprochen. Tenzin Choegyal, ein tibetischer Sänger und Multiinstrumentalist, floh als Kind nach der völkerrechtlich umstrittenen „Befreiung Tibets“ durch die chinesische Volksarmee im Jahr 1950 ins indische Exil. In seinen Gesängen ersteht das tibetische Hochland auf, wie es in seinen Erinnerungen und Träumen weiterlebt. Klangschalen, Flöten und Saiteninstrumente erschaffen eine unwirkliche Atmosphäre, die dem gesprochenen Text eine enorm suggestive Kraft verleiht. Choegyal trug schon lange den Wunsch in sich, dem Herzstück der tibetisch-buddhistischen Literatur eine zeitgemäße künstlerische Ausgestaltung zu geben. Als er 2014 in New York auf die amerikanische Komponistin Jesse Paris Smith traf, nahm die Vision rasch Gestalt an, und im Trio mit Laurie Anderson war man sich bereits beim ersten Treffen darüber klar, dass hier die „richtigen Seelen“ in Resonanz gingen. Wie eine große, gänzlich unvorhersehbare Reise offenbart sich dieses Album dem aufmerksamen Hörer. Folklore, abstrakte Klänge und Text bilden ein faszinierendes unlösbares Geflecht. Aus dieser meditativen Hörerfahrung geht man auch als Nichtbuddhist ein wenig furchtloser hervor.
Rolf Beydemüller

Deutschland
 GRUBERICH: Im wilden Alpinistan
GRUBERICH
Im wilden Alpinistan
(Eigenverlag)


Sie haben die Creole Global 2018 gewonnen, und wie sagt man so schön: Von nix kommt nix. Dass Bajuwaren im Grunde genommen Weltmusiker sind, haben wir schon lange geahnt, lässt doch allein die geografische Lage zwischen Italien, Österreich, der Schweiz und den Balkanländern vielfache musikalische Einflüsse vermuten. Bei Gruberich verschmelzen unter anderem bayerischer Zwiefacher mit Tango Nuevo oder Musette-Walzer mit Milonga, und alles vereint sich Im wilden Alpinistan zu einem Gesamtkunstwerk auf allerhöchstem Niveau. Tiefengrundierte Basssentenzen auf Maria Friedrichs Violoncello steigern sich bis in jubilierende Höhen, vermischen sich mit groovenden Akkorden auf dem von Thomas Gruber virtuos traktierten Hackbrett oder dem tief aus allen Balgen schnaufenden diatonischen Akkordeon, während Sabine Gruber-Heferleins Harfe sphärische Klänge und gezupftes Feingefühl verbreitet. Vielschichtig mäandernde musikalische Strukturen, hingetupfte Pizzikati, ausufernde Akkorde im Breitwandsound lassen Klanggemälde im Kopf entstehen. Eine Fülle skurriler Ideen und Themen hat Thomas Gruber in kompositorische Glanzstücke gegossen, die vom ersten bis zum letzten Ton immer wieder neu verzaubern.
Ulrich Joosten
 DA DING: Mehr vom Weniger
DA DING
Mehr vom Weniger
(Bassgarten)


Wer ein Faible für den gepflegt bajuwarisch-schrägen Wortwitz hat, ist hier genau richtig! Beispiel gefällig? Da wäre zum Beispiel die bittersüße Klage eines Vielbeschäftigten: „Arbat, Familie, Haus und Hund – / I kumm ja nimmer dazua. / Auto, Ausflug, Freizeitgrund – / I kumm ja nimmer dazua …“ – tja, und was ist dafür der Grund? „Mit der Tanja und der Anja, / ja, da wars lustig und wir ham glacht, / doch sie wolln Cumbia, Cumbia tanzen / den ganzen Tag und die ganze Nacht.“ Na klar, dass er stöhnt: „I cumbia nimmer dazua …“ Oder die Gerhard-Polt-Variante von Samuel Beckett: „Mir warten, dass der Dillinger kimmt. / Gsagt hat er, dass des Gerüst da steht, / dass de Baustell weitergeht“ – doch der kimmt ned, also fahren die Arbeiter heim und treffen auf eine straßenbauliche Neuerung: „Mir fahrn an Kreisverkehr, / an nigelnagelneuen Kreisverkehr.“ Womit wir direkt bei den Eberhofer-Krimis wären (Dampfnudelblues etc.), wo der Kreisverkehr ja auch eine zentrale Rolle spielt … Doch bei allem Wortwitz – die zwölf Songs des Quartetts sind nicht ausschließlich aus der Gaudiabteilung, sondern eine feine Mischung aus Sozialkritik, Nachdenklichkeit und – nun ja – eben auch galligem Humor. Fast wia im richtigen Leben.
Walter Bast

 THE HOODIE CROWS: Two In The Bush
THE HOODIE CROWS
Two In The Bush
(Prosodia), mit dt./engl. Infos u. engl. Texten


Stephen Gabriel, der schon auf dem 2016er-Debütalbum On The Wing mit seiner Querflöte immer wieder den Ton angab, ist zwar auf beiden CDs „nur“ ein Gastmusiker, gibt aber dem Gesang und Saitenspiel des Duos Sebastian Barwinek (Gesang, Bouzouki, Mandola, Gitarre, Mandoline, Harmonika, Bodhrán, Percussion) und Johannes Single (Gesang, Gitarre, Banjo, Mandoline, Bass) immer wieder einen ganz besonderen Drive. Ja, wir sind in irischen Gefilden, wenngleich die Heimat des Duos in Hessen bzw. Baden-Württemberg liegt. Zusammen mit neun weiteren Gastmusikern und -musikerinnen (Michael Blum, Alexandra Bücking, Hans Eckert, Bettina Kühn, Franziska Müller, Christine Rauscher, Jürgen Zimmer sowie Johannes Schiefner an den Uilleann Pipes und Gudrun Walther an Fiddle und Box) zaubern sie einen volltönenden Bandsound, der einen durch die zwölf Tracks trägt. Zumeist sind es selbst geschriebene Balladen, die durch besagte Instrumentalbegleitung und -zwischenspiele, aber auch durch den Gesang selbst spannend und kurzweilig, oft gar durch und durch ergreifend erzählt werden. Eine sehr schöne Scheibe!
Michael A. Schmiedel
 TOM KELLER: Where Are You Brother
TOM KELLER
Where Are You Brother
(Gim Records)


Tom Keller mixt geschickt Popstrukturen mit Americana-Sounds. So klingt der eine Song gleichzeitig nach Cat Stevens und Coldplay, der nächste nach einer Mischung aus Jackson Browne und Marius Müller-Westernhagen und der dritte nach Leonard Cohen im Duett mit Ed Sheeran. Die Produktion ist ausgesprochen glatt und radiotauglich, die Begleitmusiker spielen mit einem Höchstmaß an Präzision – kein Wunder, stammen diese doch aus den bekannteren Bands des Popgenres. Soulfreunde kommen genauso auf ihre Kosten wie Hammondorgel-Fans, Gitarrenhelden oder Mumford-&-Sons-Jünger. Begleitet von einer wundervollen Begleitsängerin kann mancher Titel auch den Common Linnets beim ESC Konkurrenz machen. Dem Punk wird an diesem Album das Rotzige fehlen. Tom Keller hätte das sicherlich auch drauf, man hat sich aber auf einen politisch korrekten, leicht hörbaren Radiosound beschränkt. Das ist auf jeden Fall besser als das meiste, was die Hitparaden dem Folkfan bieten, aber dennoch, etwas mehr durchgeschwitztes Hemd wäre schon schön gewesen.
Chris Elstrodt

 KELPIE: Danse Mi Vise
KELPIE
Danse Mi Vise
(Westpark Music)


„Tanz auf meine Weise“ heißt das in Norwegen vielgesungene Lied, das der neuen Kelpie-CD seinen Titel gibt. Und auf ihre eigene, unverwechselbare Weise spielen die norwegisch-deutsche Gitarristin und Sängerin Kerstin Blodig und der schottische Fingerstylevirtuose Ian Melrose seit 23 Jahren zusammen. Auf ihrem sechsten Album laden sie uns nach zwei Winter-CDs mit einem „Allwetteralbum“ auf eine musikalische Reise durch keltische und skandinavische Klangräume ein, mit traditionellen, eigenen und gecoverten Lieblingsliedern wie Paul Simons „Born At The Right Time“ oder „Dearg Doom“ von den Horslips. Eingespielt auf akustischen Gitarren, die traumhaft miteinander harmonieren und sich trotz unterschiedlicher Stimmungen und Spieltechniken (Melrose Fingerstyle, Blodig Plektrum/Tapping) zu einer filigranen, transparenten Einheit fügen. Gelegentlich setzen die beiden Gastmusiker Martin Lillich und Urs Fuchs mit dem Kontrabass tiefengrundierte Akzente. Das Album schließt mit einer atemberaubenden Kelpie-Version des Gershwin-Klassikers „Summertime“, bei dem Kerstin Blodigs glasklarer Mezzosopran besonders schön zur Geltung kommt. Ein exzellent produziertes Album voller Emotion und Magie.
Ulrich Joosten
 HENNING PERTIET: Best Of 30 Years In Blues & Boogie
HENNING PERTIET
Best Of 30 Years In Blues & Boogie
(Stormy Monday Records)


Der Hamburger Blues- und Boogiepianist Henning Pertiet zeigt auf diesem ganz wunderbaren Doppelalbum seinen musikalischen Werdegang seit 1993 auf, und da ist so einiges passiert. Beginnend mit vier Stücken aus der Zeit mit der Mojo Blues Band, gibt es auch solche im Duo, bei denen neben Henning Pertiet jeweils Michael Maas oder Andreas Bock an den Drums zu bewundern sind. Ein weiteres Duo ist das mit seinem Onkel Gottfried Böttger, der ebenfalls ein hervorragender Pianist war. Drei Liveaufnahmen von 2019 mit dem Gitarristen Abi Wallenstein zeigen Henning Pertiet dann ganz nah am … – ach, Unsinn, knietief im Blues muss es heißen. Ein Highlight dabei ist das siebeneinhalbminütige „Wild Cow Blues“; hier Abi Wallensteins heisere Stimme und seine roh angeschlagenen Riffs und Akkorde, dort Henning Pertiets Pianospiel, ebenfalls im Blues schwelgend, aber immer elegant um Stimme und Gitarre mäandernd und diese sanft und warm auffangend. Mit Peter Müller am Bass und Dani Gugolz am Schlagzeug geht es dann in Triobesetzung weiter. Neun Livestücke von 2019 bringen Blues der geschmeidigen Sorte, ebenso wie das Trio mit Micha Maas am Schlagzeug und dem fantastischen Sänger Henry Heggen.
Achim Hennes

 SHKOON: Rima
SHKOON
Rima
(Shkoon Music), keine Texte u. Infos (Digitalalbum)


Leise Geräusche, kurz darauf eine Pianomelodie, noch eine weitere und eine dritte, sich dezent einschleichende Computerrhythmen, später eine Orgel, schließlich eine Geige und arabischer Gesang – nach und nach erobern Shkoon die Gehörgänge, und ehe man sich’s versieht, ist man mittendrin in den hypnotischen Dance Grooves des Trios aus Hamburg. Ameen (Gesang, Rhythmen), Maher (Violine) und Thorben (Klavier, Synthesizer, Arrangements) präsentieren eine gelungene Melange aus westlichem Downbeat, Dub, Deep House, Hip-Hop und arabischer Musik. Letztere greift sowohl klassische als auch folkloristische Motive auf und überzeugt dabei durch virtuose Kanun-Passagen. Dass das Leben jedoch weit mehr ist als eine große Party, beweisen die Texte, beispielsweise der Titeltrack, in dem eine Mutter ihrem Kind heimelige Geschichten erzählt, während um beide herum das Chaos tobt. Auch hat der Ernst des Lebens die beiden Bandmitglieder aus Syrien geprägt, die dem Krieg in ihrer Heimat streckenweise nur zu Fuß entkamen und nun als Flüchtlinge immer wieder bangen müssen, ob sie Visa für Konzerte beispielsweise in der Türkei, im Libanon oder in Tunesien erhalten.
Ines Körver
 SVENSON: Lotterlurch
SVENSON
Lotterlurch
(Timezone)


Musik im Schleudergang – frecher Rock ’n’ Roll und tanzbares Cajun-Akkordeon wirbeln durcheinander mit Deutschpop, irischem Folk à la Pogues und rotziger Punkattitüde. Die vierköpfige Osnabrücker Band Svenson hat ihren eigenen Stilmix, macht Tempo und dreht die Verstärker auf. Ihr zweites Album Lotterlurch setzt mächtig auf gut gelaunte Partystimmung. Julia Kruse und Sven Stumpe singen in ihren humorvollen deutschsprachigen Songs über das Sich-Betrinken, Herz-Schmerz-Lieder übers Verlieben, Sich-Betrügen und Wieder-Trennen. Auf der Titelliste ist aber auch ein Stück über einen Punkrock-DJ und sogar einer über eine Tupperparty. Die Songs machen Spaß, weil sie von einem schwungvollen Schlagzeug und einer wild rockenden E-Gitarre vorangetrieben werden. Das Akkordeon gibt dem Album einen schönen Folkrockkick. Die CD eignet sich für die Tanzfläche genauso wie zum Zuhören an der Theke. Auf diesem neuen Album hat sich die Gruppe von Coverversionen gelöst und präsentiert größtenteils eigene Songs – durchaus mit Ohrwurmqualität.
Udo Hinz

 NORMAN SWOBODA: Western Songs & Northern Tunes
NORMAN SWOBODA
Western Songs & Northern Tunes
(Eigenverlag)


Manchmal verliebt man sich in ein Album und kann auf Anhieb gar nicht so genau erklären wieso. Western Songs & Northern Tunes ist ein solches Album. Der Opener ist irgendwo zwischen den Eagles und CSNY in bester Americana-Tradition angesiedelt, es folgt ein vom Irish Folk angehauchter Song, der auch von Dónal Lunny stammen könnte, begleitet von einem Satzgesang im Stile von Clannads Macalla. Anklänge an America folgen, geschickt begleitet von einer Sitar in George-Harrison-goes-India-Poptradition. Es folgt eine Reminiszenz an Jethro Tull, nur dass statt Querflöte ein an Mark Knopfler erinnerndes Gitarrensolo eingesetzt wurde. Die Kompositionen leiht sich Swoboda von den großen englischen Folkbands Fairport Convention und Pentangle, die Stilistik der Songs von den Folklegenden Irvine oder Gaughan. Die Klangfarbe des Sängers ist nicht außergewöhnlich, aber extrem wandelbar, ebenso sein überragendes Gitarrenspiel. Hier weiß jemand genau, was er kann und wie er wirkt, und setzt es auf höchstem Produktionsniveau ein. Quasi als Bonustrack gibt es ein Cover von Bob Dylan und fünf irische Instrumentals in Erinnerung an Swobodas Irish-Folk-Album.
Chris Elstrodt



Europa
 ALMA: Cherubim
ALMA
Cherubim
(Trikont)


Seit seiner Gründung zählt das Ensemble zu den beständig auf hohem Niveau musizierenden Musikerinnen und Musikern Österreichs. Die Besetzung ist schon außergewöhnlich: Die Geschwister Lacherstorfer an Geige und Kontrabass, zwei weitere Geigen und ein diatonisches Akkordeon, dazu ein Gesang, welcher der Texte im besten Falle nicht bedarf (und wenn, wird so engelsgleich gesungen, dass es auch schon egal ist). Der erste Höreindruck lässt vermuten, dass hier ergebnisoffen improvisiert wird. Beim vertieften Hören wird klar, dass die Musikerinnen und ihr männlicher Mitspieler allesamt sowohl in der Klassik bewandert sind als auch genug Stoff aus der volksmusikalischen Tradition ihrer Heimat mitbringen. So steht denn eine „Bauernmesse“ neben einem „Jubilate“, ein „Es ist ein Ros’ entsprungen“ neben einer „Epiphania“, und im besten Fall entsteht eine süchtig machende, atmosphärisch dichte Mixtur, die so eigen ist, weil sie alle Grenzziehungen zwischen Musiken mit einem zarten Geigenstrich hinwegwischt und eben typisch Alma ist. Dass der Labelwechsel zu Trikont dem Ensemble einen größeren Bekanntheitsgrad verschafft, kann man nur hoffen. Sehr, sehr schön.
Harald Justin
 DIVERSE: Vision & Revision – The First 80 Years Of Topic Records
DIVERSE
Vision & Revision – The First 80 Years Of Topic Records
(Topic Records, Do-CD)


Man kann es nicht oft genug erwähnen: Das älteste Indielabel der Welt wurde gegründet, als noch niemand von diesem Begriff träumte, und es konzentriert sich ausschließlich auf Folk! Topic Records können auf achtzig Jahre zurückblicken und feiern das nicht so, wie es wohl die meisten Plattenfirmen machen würden, nämlich mit einem Wer-weiß-wie-viele-CDs-Sampler aus dem mehr als reichhaltigen Archiv. Nein, Topic war schon immer etwas anders und feiert auch anders. Sie haben zwanzig Künstler – die meisten haben noch nie auf Topic veröffentlicht – gebeten, jeweils einen neuen Song für diese Jubiläumskompilation aufzunehmen. Einzige Bedingung: Das Lied muss irgendwo im riesigen Topic-Katalog enthalten sein. Mit von der Partie sind einige der etablierten Kräfte der Szene wie Martin Carthy, Martin Simpson, Richard Thompson oder die Oysterband. Der Schwerpunkt jedoch liegt auf jungen, innovativen Künstlern wie Josienne Clarke & Ben Walker, Sam Lee, Kitty MacFarlane, Olivia Chaney, Lisa Knapp oder der irischen Band Lankum. Das ergibt frische Klänge, viel spannender als verstaubte Archivaufnahmen, und es zeigt, dass Topic Records auch nach achtzig Jahren noch ein relevantes Label ist.
Mike Kamp

 STEPHAN EICHER: Homeless Songs
STEPHAN EICHER
Homeless Songs
(Wrasse)


Homeless Songs hieß Jahre zuvor der Arbeitstitel eines Albums des Schweizers mit zwölf Songs in der Gesamtlänge von zwölf Minuten. Grund für diesen Protestakt war, dass ihm die Plattenfirma das Aufnahmebudget um sechzig Prozent gekürzt hatte. Nach vielen Jahren und etlichen Querelen ist das gleichnamige Werk herausgekommen. Es gibt noch zwei Einminutenstücke – das Titelstück und „Broken“, das ganze 44 Sekunden dauert. Darin hat es Platz für eine Klavierpassage mit einsetzenden Streichern und Eichers Aussage „Everything is broken“ – mehr nicht. Gewissermaßen ein Resümee des ganzen Albums. Das Berndeutsche „Niene Dehei“ („Nirgends zu Hause“) hingegen dauert über sechs Minuten. Es ist eines von drei Liedern mit Texten des Schriftstellers Martin Suter. Fein, brüchig kommt es daher und mündet in einen ausladenden, übersteuerten Refrain. Die Heimatlosigkeit und die Zerbrechlichkeit ziehen sich durch alle der meist französisch gesungenen Chansons, sie machen aber auch deren Charme aus. Hier singt keiner, der weiß, wie das Leben geht. Ein meist sparsam orchestriertes Album, das mit jedem Hören gewinnt. Ein Album eines Musikers auch, der das macht, wonach ihm das Herz steht.
Martin Steiner
 FABER: I Fucking Love My Life
FABER
I Fucking Love My Life
(Irrsinn/Vertigo)


Wie schon auf dem Langdebüt 2017 bleibt der Schweizer seinem Stil der Selbstinszenierung treu, es scheint fast noch schwieriger zu unterscheiden, was noch Rolle ist und was schon Faber. Sein zur Schau gestellter Zynismus, seine politisch unkorrekten Texte polarisieren nach wie vor, aber es bleibt die Frage, inwiefern auch das Inszenierung sein könnte. Stilistisch ist vielseitig und souverän, was er mit seiner Goran Koč y Vokalist Orkestar Band präsentiert, ergänzt um Streicherelemente, die die melancholische Note der Texte noch hervorheben. Und doch, markante Songs, die textlich wie musikalisch auch gut für sich stehen könnten, gibt es weniger auf I Fucking Love My Life. Seine stärksten Momente hat Faber in Liedern wie „Ihr habt meinen Segen“ oder „Generation Youporn“, mit denen er unserer Gesellschaft, seiner Generation und sich selbst den Spiegel vorhält. Das wichtige „Das Boot ist voll“ gegen rechte Tendenzen singt er zudem mit einer Eindringlichkeit, die eigentlich keinen kalt lassen kann. Interessant auch, wie er sich immer wieder selbst reflektiert, Zeilen aus alten Songs aufgreift, um sie kritisch zu hinterfragen oder umzudeuten. Faber ist erkennbar auf dem Weg, und der dürfte so schnell nicht zu Ende sein.
Stefan Backes

 DICK GAUGHAN: The Harvard Tapes  DICK GAUGHAN: Handful Of Earth
DICK GAUGHAN
The Harvard Tapes
(Greentrax Recordings)


DICK GAUGHAN
Handful Of Earth
(Topic Records), mit ausführl. Booklet


Manche Zufälle sind einfach nur brillant. 2016 diagnostizierte man bei Dick Gaughan einen Schlaganfall, der ihn aus seinem aktiven Tourleben warf. Seitdem arbeitet er an seiner Rekonvaleszenz, ist aber quasi ohne Einkommen. Dann entdeckte kürzlich Brian O’Donovan aus Cambridge/USA Aufnahmen von einem dortigen Gaughan-Konzert aus dem Jahr 1982. Labelboss Ian Green war ebenso wie Gaughan begeistert, Ian McCalman bearbeitete die Bänder technisch, und nun liegen die zehn Tracks (plus drei Bonusse) vor, teils mit Johnny Cunningham an der Fiddle. Nächster Zufall: Etwa zeitgleich veröffentlicht Topic Records die damals bahnbrechende und als „Album des Jahrzehnts“ ausgezeichnete Produktion Handful Of Earth erneut in ihrer Topic Treasures Serie. Auf dieser Platte befindet sich das meiste Material des Livekonzerts, epische Songs wie „World Upside Down“, „Song For Ireland“ oder „Both Sides The Tweed“ in der Begleitung von Brian McNeill, Phil Cunningham, Stewart Isbister und einer informativen zeitlichen Einordnung von Ken Hunt. Wird Dick Gaughan jemals wieder live zu erleben sein? Er glaubt fest daran. Diese beiden CDs jedenfalls beweisen, welch außergewöhnlicher Künstler momentan zum Schweigen verdammt ist.
Mike Kamp
 MARTIN HARLEY: Roll With The Punches
MARTIN HARLEY
Roll With The Punches
(Del Mundo Records)


Zurückgezogen ins einsame walisische Pembrokeshire, einen Haufen packender Songs im Gepäck, seine elektrisch verstärkte Lap-Steel-Gitarre dabei und zwei Mitmusiker als Begleitung – statt wieder nach Nashville zu reisen, blieb Martin Harley diesmal auf der Insel. Seine Musik steht dennoch tief im Blues, zieht Elemente aus Country, Rock und Punk an, mündet in tief leuchtende Balladen und schmerzvolle Lautstärke. Sein Gitarrenspiel hat ihn berühmt gemacht, doch wäre die Virtuosität nichts wert, ließe er sie nicht in überzeugende Lieder fließen. Die können sehr verschieden ausfallen. Sie verpassen den Zuhörenden schmutzige Breitseiten wie in „Hotel Lonely“, sie überraschen sie mit punkigen Einlagen wie bei „If Tears Were Pennies“ oder lassen sie in atmosphärischen Weiten zurück, die mit „Clarbeston Resonation“ direkt nach Paris, Texas, führen. In „Shanghai“ lässt er spielerisch das Wort „Shanglow“ folgen und klingt nach Honky Tonk, was verdeutlicht, dass der Mann aus Surrey nicht nur düster kann, sondern immer wieder auch Humor aufblitzen lässt. Keine Frage, der Songschreiber Martin Harley agiert auf dem gleichen Niveau wie der Gitarrist. Und er spendet Trost in harten Zeiten.
Volker Dick

 BENJI KIRKPATRICK & THE EXCESS: Gold Has Worn Away
BENJI KIRKPATRICK & THE EXCESS
Gold Has Worn Away
(Westpark Music)


Er hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er einen Jimi Hendrix jederzeit einem Cecil Sharp vorziehen würde. Es war nur eben so, dass der Saitenspezialist bislang zwar eher an den Rändern, aber immerhin in Sachen Folkmusik tätig war. Formationen wie Bellowhead oder Faustus belegen das. Da ist es kaum überraschend, dass von der Folkmusik nicht mehr viel zu hören ist, wenn nun das eigene Bandprojekt Unabhängigkeit erlaubt. Da mag die Plattenfirma das als Alt-Roots-Rock bezeichnen, vielleicht weil da ab und zu mal ein Banjo in den Mix gerät. Die Wurzeln dessen, was Kirkpatrick und seine beiden Mitstreiter (Pete Flood, Drums, Pete Thomas, Bass) abgeliefert haben, liegen deutlich im Rockpop des letzten Jahrhunderts. Das ist nichts Verwerfliches, zumal es viele Songs in sich haben. Die Klimakatastrophe kann man gar nicht oft genug thematisieren, ebenso wie Obdachlosigkeit oder die weltweite Flüchtlingsfrage, wobei allerdings manchmal zu viel Botschaft in die Texte gesteckt wird. Hinzu kommt, dass die Musik ziemlich sperrig rüberkommt, die berühmten Hooklines sind selten, und die Struktur offenbart sich erst nach mehrfachem Hören. Aber Hendrix war ja auch nicht gerade Mainstream.
Mike Kamp
 OMIRI: Alentejo Vol.1 – Évora
OMIRI
Alentejo Vol.1 – Évora
(Bigorno), mit portug. u. engl. Texten


Omiri ist das Projekt des portugiesischen Multiinstrumentalisten Vasco Ribeiro Casais. Évora ist das dritte Album von Omiri, benannt nach der Hauptstadt des Distrikts Alentejo. Sie ist ein Auftragswerk der Stadt Évora. Ribeiro Casais hat dabei vor Ort traditionelle Sänger und Gesangsgruppen aufgenommen, also Laien und Amateure, und diese Aufnahmen hat er als Samples für das Album verwendet. Die instrumentale Begleitung hat er allein eingespielt. Der Stil ähnelt dem des tollen Vorgängeralbums Baile Electronico. Es gibt also wieder akustischen Folkrock mit packenden Arrangements, wobei nicht zuletzt die Samples für Vielfalt sorgen. Die CD steckt in einem Hochkant-Büchlein in DIN-A-5-Größe, mit vielen Fotos und kurzen Lebensgeschichten der aufgenommenen örtlichen Musiker. Zum Gesamtkunstwerk gehört auch, dass er sie im Sommer auf dem Marktplatz von Évora vorgestellt hat und die Samples der lokalen Sänger dabei über Videoleinwände visualisiert wurden. Ein Dokumentarfilm zum Projekt ist bereits in Arbeit. Der Titelbestandteil „Alentejo Vol. 1“ deutet an, dass Ribeiro Casais das Ganze gerne in anderen Städten wiederholen würde. Musikalische Ideen werden ihm wohl nie ausgehen.
Christian Rath

 RADIO TARIFA: Rumba Argelina
RADIO TARIFA
Rumba Argelina
(Do-Vinyl; World Circuit), mit span. u. engl. Texten u. Infos


Die spanische Band und unter anderem dieses Debütalbum markieren ein Davor und Danach in der Geschichte dessen, was man just zu jener Zeit massiver unter „Weltmusik“ verbuchte und vermarktete. Mit dem Percussionisten, Hauptkomponisten und Arrangeur Fain S. Dueñas, dem Spieler diverser Flöten und anderer Blasinstrumente Vincent Molino und dem charismatischen Sänger und Liedtexter Benjamín Escorizo taten sich Ende der 1980er drei exzellente Musiker zusammen. Nicht am namensgebenden, symbolträchtigen, weil Afrika nächsten Ort Spaniens, Tarifa, sondern in Madrid köchelte man eine bis heute einzigartige Melange aus Traditionen beider Uferseiten Tarifas bzw. Gibraltars: Flamenco, Al-Andalus, Maurisches und Arabisches kommen da in einer ebenso heutig wie tradiert klingenden Weise klug zusammen. Die rau-sonore Stimme Escorizas, der 2012 zu früh verstarb, assoziieren Nichtspanier gerne sofort mit Flamenco. Dabei kommt in ihr wie der gesamten, auf vier Alben gebannten Musik der 2006 aufgelösten Band, die stets viele Musiker hinzulud, so viel mehr zusammen als Spaniens populärste Musiktradition. Das Londoner Label, das 1994 Rumba Argelina international publizierte, bringt diesen diskografischen Meilenstein nun remastert erstmals als Vinyl heraus.
Katrin Wilke



Afrika
 DIVERSE: Alefa Madagascar! Salegy, Soukous & Soul From The Red Island
DIVERSE
Alefa Madagascar! Salegy, Soukous & Soul From The Red Island
(Strut)


Anfang der 1990er-Jahre hatten sich die US-Promi-Gitarristen Henry Kaiser und David Lindley auf eine musikalische Expedition begeben. Sie hatten Madagaskar, die „Rote Insel“ im Indischen Ozean, zum Ziel – seinerzeit noch ein wahrlich weißer Fleck des sogenannten „Weltmusik“-Genres. Mit zwei CD-Kompilationen (A World Out Of Time), die die seinerzeit aktuelle madagassische Szene dokumentierten, ebneten sie Bands wie etwa Tarika oder dem Ny Malagasy Orkestra den Weg für Konzerte weltweit, aber die Vorgeschichte blieb weiter im Dunkeln. Dem leistet Strut Records nunmehr verdienstvolle Abhilfe. Aus den Archiven wurden achtzehn mehr oder weniger repräsentative Aufnahmen hervorgeholt, die zwischen den Jahren 1974 und 1984 entstanden. Die Namen der vertretenen Ensembles und Künstler sind wohl vergessen und international unbekannt geblieben – was aber zweitrangig ist. Die Auswahl ist auf jeden Fall spannend und die Vielfalt der Stile und Sounds faszinierend. Hier treffen einheimische Tanzmusik wie der flotte Salegy mit anderen tanzbaren Stilen des afrikanischen Kontinentes, unter anderem dem kongolesischen Soukous, aber auch Soul und Funk zusammen. Heraus kommen groovige, bisweilen natürlich leicht angestaubte, aber stets hörenswerte Mixturen.
Roland Schmitt
 SOUAD MASSI: Oumniya
SOUAD MASSI
Oumniya
(Naive), mit franz. Infos


Vier Jahre hat sich Souad Massi Zeit gelassen für ihr sechstes Album. Beim ersten Hören mag man sich fragen, warum, denn es klingt gar nicht sehr anders als die vorigen. Doch häufigeres Lauschen macht klar, diese zehn Stücke sind handverlesen, die Arrangements so minimalistisch und gleichzeitig effektvoll und ergreifend, so etwas muss erst mal reifen. Die algerische Sängerin und Gitarristin mit Faible fürs Fingerpicking hat auf Oumniya („Mein Wunsch“) Mehdi Dalil (Mondol, Gitarre), Mokrane Adiani (Geige), Rabah Khalfa (Darbuka) und Adriano dos Santos Tenorio (Percussion) um sich geschart, um ihre Mischung aus Folk und Chaâbi vorzutragen und dabei auch schon mal Ausflüge Richtung Reggae, Fado und Latin zu machen. Die Texte sind auch dieses Mal recht politisch. Es geht unter anderem um den Zustand Algeriens fast fünfzig Jahre nach der Unabhängigkeit sowie um die Rechte von Frauen. Massi beklagt, wie wenig bislang erreicht ist, dass immer noch Mädchen zwangsverheiratet und dabei auch daran gehindert werden, sich Bildung anzueignen. Das humanistische Engagement geht unter die Haut – jenseits aller Sprachbarrieren.
Ines Körver

Nordamerika
 GEOFF BERNER: Grand Hotel Cosmopolis
GEOFF BERNER
Grand Hotel Cosmopolis
(COAX Europa), mit engl. u. jidd. Infos u. Texten


Für viele Beobachter der Klezmerszene gilt der in Kanada geborene Sänger, Komponist, Romanautor und gleichzeitig politische Aktivist Geoff Berner als Begründer des Klezmerpunks, einer Synthese traditioneller Volksmusik osteuropäischer Juden mit aggressiv-musikalischer Energie und intelligenten, politische Themen beinhaltenden, meist kontroversen Texten. Sein bislang zehntes Album wurde vom real existierenden Grandhotel Cosmopolis in Augsburg inspiriert. Vor zehn Jahren gegründet, übernahm eine Gruppe von Aktivisten ein verlassenes Schulgebäude. Ihre Vision war es, eine künstlerische, preiswerte Herberge für Reisende aller Art sowie eine sichere und freie Unterkunft für Flüchtlinge und Asylsuchende zu schaffen, so auch besungen im sechsten Stück: „The nationalists wish that we didn’t exist.“ Bezeichnend auch das einführende Lied, in dem Berner die Reaktion mancher Menschen beschreibt: So wie er sei, hätte man sich einen Juden gar nicht vorgestellt. Allen Texten fügt Berner eine erklärende Hintergrundgeschichte an. Ausgezeichnet ebenfalls die musikalische Begleitung, unter anderem mit Diona Davies (v), Wayne Adams (perc), Paul Rigby (g) oder Josh „Socalled“ Dolgin (p).
Matti Goldschmidt
 ANNIE GALLUP: Bookish
ANNIE GALLUP
Bookish
(Flyaway Hair Records)


Borreliose verhindert, dass Annie Gallup noch auf Tournee gehen kann. So bleibt viel Zeit, um Songs zu schreiben, was vielleicht eine Erklärung für ihre zahlreichen Veröffentlichungen der vergangenen Jahre ist. Neben ihrem Duo Hat Check Girl, das sie zusammen mit ihrem Partner Peter Gallway betreibt, erscheinen in regelmäßiger Folge Alben unter ihrem eigenen Namen, wobei durch den eindringlichen Vorgänger Lucy Remembers Her Father die Erwartungen sehr hoch lagen. Auf Bookish verzichtet sie nun ganz auf jeglichen produktionstechnischen Schnickschnack. Es gibt einfach nur Annie Gallup und ihre halbakustische Gitarre, aufgenommen in den eigenen vier Wänden. Das Ganze klingt zwar intim und in sich gekehrt, ist jedoch kein Album voller Offenbarungen und Selbsterklärungen. Vielmehr klingt Gallup auf Bookish wie eine Singer/Songwriterin aus den Fünfzigerjahren, mit einem leicht jazzigen Touch, der ihren Songs etwas betont Antimodernes verleiht. Musik, zu der man bei Kerzenschein in Büchern schmökert.
Michael Freerix

 JAKE LA BOTZ: They’re Coming For Me
JAKE LA BOTZ
They’re Coming For Me
(Hi-Style Records)


Form follows function. Jake La Botz hat sich ein großartiges Album gebaut, indem er diesem Gebot für besonders wertvolle Architektur folgt. Denn der Songwriter aus Chicago ist Schauspieler, und die Musik für die skurrilen Geschichten seiner Antihelden legt er als aufwendige Kulissen an. In „Bigfoot“ (mit Prince-Sample!) beschreibt er aus der Perspektive des Fabelwesens die Mühen, sich in der schnelllebigen Medienwelt in den News zu halten, wo doch der teuflische Präsident so viel Aufmerksamkeit absaugt. In „Bankrobber’s Lament“ geht ein Überfall gewaltig schief. Treffend formuliert La Botz in seinem Abgesang auf Nashville, was ihm dort gespiegelt wurde: „You’re not country, you’re not rock ’n’ roll, too arty for the blues, too dark for folk, your pop songs are really a joke.“ Für die auf den Punkt gespielte Instrumentierung sorgen Leute aus dem Umfeld von JD McPherson und NRBQ. Dank der zeitgemäßen Produktion bringt einen das mal in burleske Tom-Waits-Stimmung, mal klingt es nach Green On Red, wie in „Without The Weight“, dem emotionalen Highlight dieses richtig starken Albums.
Martin Wimmer
 CATHERINE MacLELLAN: Coyote
CATHERINE MacLELLAN
Coyote
(Eigenverlag)


In Kanada genießt sie den Ruf einer Meisterin der Melancholie. Auf ihrem siebten Album wird die poetische Singer/Songwriterin dem erneut gerecht. Nach dem Ausflug in die Musik ihres berühmten Vaters Gene mit dem gefeierten Coveralbum If It’s Alright With You meldet sich die 39-Jährige eindrucksvoll mit vierzehn eigenen Songs zurück. Sie knüpft damit nahtlos an den Vorgänger Raven’s Sun von 2015 an, für den sie die höchste kanadische Musikauszeichnung, den Juno Award erhielt. „Fast die Hälfte der Lieder auf Coyote handeln vom Ende meiner langjährigen Beziehung“, erläutert MacLellan ihre Roots- und Folk-inspirierten Kompositionen. Doch trotz aller melancholischer Stimmungen verbreitet das Album eine große Lebensfreude und die Hoffnung, dass sich Situationen ins Gute verwandeln. MacLellan hat das mit ihrem Umzug auf Prince Edward Island selbst erfahren. Die neuen Songs hat die Gitarristin dort im eigenen Farmstudio aufgenommen. Die Arrangements sind diesmal stärker von den traditionellen Ostküsteninstrumenten Akkordeon, Fiddle oder Bouzouki geprägt, wie etwa auf dem exzellenten „The Tempest“, das den gefährlichen Alltag der Fischer auf dem Atlantik besingt. Ein wunderbares Album zum Reflektieren in der dunklen Jahreszeit.
Erik Prochnow

 NATALIE MacMASTER: Sketches
NATALIE MacMASTER
Sketches
(Linus Entertainment)


Man kann sie „Canada’s Queen of the Fiddle“ nennen, wie das die Plattenfirma macht. Annähernd gerecht wird ihr das nicht, zu allumfassend ist der Einfluss Natalie MacMasters. Von Cape Breton Island aus hat sie in den letzten Jahrzehnten nicht nur die Fiddlemusik in den atlantischen Provinzen geprägt, aber diese ganz besonders (s. a. Artikel über Prince Edward Island in diesem Heft, S. 34-38). Ihr erstes Soloalbum seit acht Jahren ist die gewohnte instrumentelle Mischung aus unglaublicher Rasanz und tiefem Gefühl, ganz gleich ob traditionell oder selbst geschrieben. Wichtigster Kollaborateur ist der Engländer Tim Edey mit Gitarre und Akkordeon. Viel interessanter jedoch ist, was in diese Produktion eingeflossen ist. 47 Jahre alt, seit 37 Jahren Fiddlerin, seit 16 Jahren verheiratet (mit Donnell Leahy, einem Fiddler!) und seit 13 Jahren Mutter – und das von sieben Kindern, die sie zu Hause unterrichtet, denn sie hat einen Abschluss als Lehrerin. All das – und natürlich die Musik! – lässt den Respekt vor dieser Frau fast ins Unermessliche wachsen. Kein Freund und keine Freundin der Fiddlemusik sollte freiwillig auf diese CD verzichten.
Mike Kamp
 JIM PATTON & SHERRY BROKUS: Collection 2008-2018
JIM PATTON & SHERRY BROKUS
Collection 2008-2018
(Berkalin Records)


Vierzig Jahre stehen Patton und Brokus bereits gemeinsam auf der Bühne, doch lag ihr Fokus in früheren Zeiten eher darauf, die Songs von Patton im Bandkontext einzuspielen. Das änderte sich 2008, als ein Fan nach einem Duo-Gig die beiden fragte, ob sie nicht doch mal genau so was als Album herausbringen könnten. Und das ist seither immer wieder geschehen. Aus diesem Œuvre, das nun doch nicht unbedingt nur Duoeinspielungen beinhaltet, wurde dieses Album zusammengestellt, praktisch ein Best-of, das nicht als solches bezeichnet wird. Die Songs von Patton und Brokus sind sauber gearbeitet und gehen gut ins Ohr. Patton bezeichnet Bob Dylan, Van Morrison und Neil Young als seine Vorbilder, was gut nachvollziehbar ist. Er ist ein Songschreiber, der lieber Geschichten erzählt, als sich im allzu Privaten zu wälzen. Soziale und psychologische Kommentare zum Zustand der US-amerikanischen Gesellschaft sind seine Stärke. Gelegentlich sind Begleitmusiker zu hören, sodass die sparsam eingespielten Songs immer abwechslungsreich klingen.
Michael Freerix

 JONAH TOLCHIN: Fires For The Cold
JONAH TOLCHIN
Fires For The Cold
(Yep Roc Records)


Mit weicher, sympathischer Stimme croont sich Tolchin irgendwo zwischen Jim Croce und John Gorka durch entspannte Liebeslieder und intelligente Selbstreflexionen. Edelgäste wie Greg Leisz an der Steel, Sara Watkins an der Violine oder Jackson Browne und Ricky Lee Jones als Gastsänger gaben sich im Studio die Ehre. Ihnen gelang ein weicher akustischer Sound, der so auch auf ein Wohnzimmerkonzert duplizierbar wäre. Ein „Pling“ des Pianos hier, ein „Swoosh“ des Schlagzeugs dort. Dazu passen die sehr persönlichen Texte. Selbst das im Original von Little Feat recht funkige „Roll Um Easy“ zerfließt in den Händen des Songwriters aus New Jersey zu flüssigem Gold. Und mit „The Real You“ gelingt ihm ein berührendes Liebeslied für eine wirklich kaputte Frau. Gäbe es noch Kassetten, man würde das vielen Angebeteten aufnehmen und dann beschriften: „You’re damaged baby, you’ve got open wounds. And I don’t wanna make a movie of your life. I just want you to stop twisting the knife. Breathe and love yourself.“ Herzzerreißend.
Martin Wimmer



Lateinamerika
 Mariachi los Camperos: De Ayer Para Siempre
Mariachi los Camperos
De Ayer Para Siempre
(Smithsonian Folkways), mit engl. u. span. Texten u. Infos


Die mit dem Grammy ausgezeichnete Mariachi-Truppe lässt wirklich keine Wünsche offen und kommt an die Qualität des großen Vicente Fernandez heran. Mit anderen Worten: Wahnsinnsstimmen zum Niederknien, höchst virtuoses Spiel, galoppierende Trompeten, gegen die jene von Jericho nichts waren, schmachtende Geigen, die jedes Herz sofort schmelzen lassen und manchmal Harfen zum Dahindriften. Dazu perfekter Satzgesang, auch mal a cappella, Stücke, die sich entwickeln, Rhythmen, die zwischendurch oft mit der Geige gezupft werden – das ist hohe Kunst! Und natürlich das übliche Gejuchze, zwitschernde Vögel im Walde – sind wir also mitten in einem Kitschbild, oder was? Manche Hörer können diese wuchtige Emotionalität vielleicht nicht ertragen und lachen darüber. Dies ist aber vielmehr die Volksmusik der Mexikaner in Perfektion, und die sollte deshalb wirklich nicht anders klingen. Bei den Mexikanern löst sie Freude und überbordende Gefühle aus. Das kann man doch immer gebrauchen, oder? Und zum Einhören gibt es hier sogar einige Klassiker, die jeder schon einmal gehört hat: „(E Viva) Espagna“ oder „Mexicali Rose“. Umwerfend!
Hans-Jürgen Lenhart
 DANIEL MURRAY : Universo Musical De Egberto Gismonti – Guitar solo
DANIEL MURRAY
Universo Musical De Egberto Gismonti – Guitar solo
(Carmo/ECM)


Daniel Murray, Gitarrist aus Rio de Janeiro, hat die definitive gitarristische Hommage an das Werk des brasilianischen Komponisten Egberto Gismonti veröffentlicht. Die erste Real-Life-Begegnung der beiden Musiker fand im Juli 2015 statt. Man saß bei Kaffee, Wasser und brasilianischem Dessert beisammen, spielte Gitarre und tauschte Ideen aus. Noch in der gleichen Woche legte Murray dem Meister sein erstes Arrangement einer Gismonti-Komposition vor und erhielt dessen Segen. Murrays Interpretationen der Werke Gismontis Arrangements zu nennen, ist eigentlich zu wenig. Er erfindet sie neu, er spielt mit dem Material, er improvisiert, er lässt den Rahmen der Stücke oft weit hinter sich und schenkt den Originalen damit eine wilde Frische und Originalität. Und er wird damit dem Geist der Schöpfungen Gismontis gerecht wie kaum ein anderer. Es gibt darin Momente, die einen sprachlos machen. Viele der Werke hat Gismonti für Klavier geschrieben, hat sie selbst auf zahlreichen Alben veröffentlicht, immer wieder aufs Neue interpretiert. Und nun kommt einer und hat im Maximalfall gerade mal zehn Saiten zur Verfügung. Doch die Verwandlung gelingt – unfassbar virtuos und, was noch wichtiger ist, brasilianische Seele pur.
Rolf Beydemüller

 Lucas Santtana: O Céu É Velho Há Muito Tempo
Lucas Santtana
O Céu É Velho Há Muito Tempo
(Nø Førmat)


Mit Bezug auf die Regierung von Jair Bolsonaro sagt der brasilianische Liedermacher Lucas Santtana in der Presseinfo: „Diese Milizen-Regierung propagiert die tödliche Nutzung von … verbotenen Agrochemikalien in der Landwirtschaft, der Besitz von Schusswaffen ist für fast jeden legalisiert und das Land indigener Völker im Amazonasbecken zur Ausbeutung des Mineralienreichtums beschlagnahmt worden.“ Bisher wurde selten ein brasilianischer Musiker so deutlich. Insofern ist sein Album überraschend, weil der als Innovator und Klangexperimentator bekannte Mann hier jegliche Effekte weglässt und sich nur auf die Gitarre, seine Stimme und Texte verlässt. Er klagt die verlogene Justiz an sowie die Polizei, die ohne Rücksicht auf Unbeteiligte mit Todeskommandos in den Favelas agiert, und die mit erpresserischen Methoden in der Politik vorgehende Kirche. Dem setzt Santtana in anderen Songs einfach der Liebe als Gegenpol ein Denkmal. Sein Album ist voller intimer Balladen mit ergreifenden Melodien, die oft mit Chorusstimmen verstärkt werden. Der schönste Song, „Meu Primeiro Amor“, erinnert mit seinem hüpfenden Rhythmus an Stücke von Chico César und wird im Duett mit der Sängerin Duda Beat gesungen.
Hans-Jürgen Lenhart
 GRAZIE WIRTTI & MATÍAS ARRIAZU: Caçador De Infância
GRAZIE WIRTTI & MATÍAS ARRIAZU
Caçador De Infância
(Carmo/ECM), mit portug. Texten


Die brasilianische Sängerin Grazie Wirtti und der argentinische Gitarrist Matías Arriazu wurden wohl nicht von ungefähr von Brasiliens Gitarrenlegende Egberto Gismonti zu dieser Produktion eingeladen. Man merkt die musikalische Verwandtschaft sofort. Arriazu spielt eine achtsaitige Spezialgitarre und zeigt, was man so alles aus dieser herausholen kann, vom fliegenden Akkordwechsel bis zu Glissandi auf der Basssaite, dem Meister Gismonti ebenbürtig. Wirtti ist eine ausdrucksstarke Sängerin, die an die Portugiesin Maria João erinnert. Sie nutzt das ganze Spektrum der Gesangskunst, singt ungemein rhythmisch, synchron zur Gitarre, aber auch erzählerisch, als würde sie ein aufgeregtes Gespräch führen, flüstert, haucht oder experimentiert mit dem Kontrast von abgehackten Silben und langen Vokalen. Perfekt sind die beiden in João Boscos „O Ronco Da Cuica“, einem der perkussivsten Gitarrenstücke überhaupt. Komplexe Kompositionen mit unterschiedlichen Tempi und Stimmungen prägen das Album. Höhepunkt ist „Verde Limao“, das mit „Mouth Percussion“, Zuggeräuschen ähnlich, anfängt und endet. Dazwischen hört man die hohe Kunst einer längeren Improvisation auf einem Akkord, die nie langweilig wird.
Hans-Jürgen Lenhart

International
 DIVERSE: LAUT yodeln Vol. 2: fern-nah-weit
DIVERSE
LAUT yodeln Vol. 2: fern-nah-weit
(Trikont)


Holleri-du-dödel-di. Wer in den späten 1960er-/frühen 1970er-Jahren Fan zeittypischer Rockmusik war, kam dort wohl nur einmal mit dem Jodeln in Berührung. Auf „Hocus Pocus“ der niederländischen Progrocker Focus jodelte Organist/Flötist Thijs van Leer sich 1971 die Kehle aus dem Leib. Hierzulande gab es zeitgleich stattdessen Franzl Lang, der seine phänomenale Kunst leider bevorzugt im Kontext läppischer Liedchen präsentierte. Versöhnt mit der alpinen Kehlkopfartistik wurde der alternde Rockfan dann in den 1990ern durch die Werke von Frau Kapfinger und Herrn Achleitner. Dass die Kunst des Jodelns vielschichtiger sein kann, weiß man heute, nicht zuletzt durch die feinen Veranstaltungen des Münchner Kulturreferats in Zusammenarbeit mit der Plattenfirma Trikont. So fand 2019 – nach dem großen Erfolg der ersten Festivals 2016 – die zweite Auflage von LAUTyodeln statt. Mit Musikern und Musikerinnen aus D/A/CH, Italien, Bosnien und den USA deckte man die ganze Bandbreite von Tradition ab, über im Stil von Jimmie Rodgers vorgetragenen Country und Bluegrass bis hin zur Avantgarde. Die CD dokumentiert das Festival aufs Trefflichste und ist wärmstens zu empfehlen, auch für Menschen ohne Jodeldiplom.
Walter Bast



Kurzrezensionen
 ALPINIS: 2019
ALPINIS
2019
(Zytglogge)


Alpinis verstehen sich als Volksmusiklabor der Hochschule Luzern. Unter der Leitung von Albin Brun hat das achtköpfige Ensemble sein zweites Album herausgebracht. Das Werk nimmt neben traditioneller Schweizer Musik unterschiedlichste Einflüsse auf. Die meisten Stücke sind Eigenkompositionen, die den hohen Stand der Ausbildung unterstreichen.
mst
 ANIADA A NOAR: Summawind
ANIADA A NOAR
Summawind
(hoanzl)


In der Steiermark und in Wien ist das Trio, das mit Dialektgesang, Akkordeon, Geige und Flöten antritt, mit seiner beherzten Mischung aus Volksmusik und kritischen Texten seit Jahrzehnten eine große Nummer. Die Haare sind grauer und kürzer geworden, die Musik immer besser. Empfehlenswert.
jus

 AR LONZ: Tarot
AR LONZ
Tarot
(Eigenverlag)


Weniger ist mehr – Gitarrist Rolf Lonz und Violinistin Angela Fischer aus Wiesbaden schaffen zu zweit eine ganz einzigartige akustische Instrumentalmusik. Mal sind die Stücke romantisch zum Träumen bis ins Jenseits, mal rockig und voller Dramatik für das Hier und Jetzt. Diese Kammermusik birgt viele Details und Stimmungen – jenseits aller Genres.
uh
 ASP: Kosmonautilus
ASP
Kosmonautilus
(Trisol)


Dies ist der vierte Teil des Erzählzyklus Fremder. Der ungeheuer produktive Mastermind Asp Sprenger schreibt und singt von U-Booten, falschen Leuchtfeuern, lebendig gewordenen Tattoos und untoten Meeresgöttern. Wie immer sind Booklet und Rockmusik ausgesprochen gediegen. Und ich liebe den Werbetexter: „Ein zukünftiger Evergreen jagt den nächsten!“.
pp

 KAI BECKER: Stringosophy – The String Theory Part II
KAI BECKER
Stringosophy – The String Theory Part II
(Hey!blau Records)


Was für ein Opus! Der Wuppertaler Gitarrist Kai Becker hat ein Doppelalbum veröffentlicht mit 26 Eigenkompositionen für 6- und 12-saitige sowie klassische Gitarre. Entstanden sind atmosphärische Stimmungen, imaginäre Filmmusik und Stücke mit meditativem und spirituellem Charakter. Der ungeschminkte Klang der Aufnahme verleiht der Musik Authentizität.
uh
 LAMIA BEDIOUI/SOLIS BARKI: Fin’amor
LAMIA BEDIOUI/SOLIS BARKI
Fin’amor
(Eigenverlag)


Remastert präsentieren jetzt die Tunesierin Bedioui und der Grieche Barki ihr Album von 2006. Mit Stimme und Percussion intonieren sie vor allem Volksmusik unterschiedlicher Provenienz. Das Spektrum reicht räumlich von Frankreich bis Palästina und zeitlich von Gregorianik bis Gegenwart.
ink

 NADIA BIRKENSTOCK: Whispering Woods – Celtic Harp Solos
NADIA BIRKENSTOCK
Whispering Woods – Celtic Harp Solos
(Laika Records)


Die bekannte Harfenistin mit dem Faible fürs Keltische mit neuen, vorwiegend eigenen Stücken – diesmal auch ohne Gesang, was ein bisschen schade ist. Ideenreich komponierte Themen, perlende Harfenlinien mit Sinn für subtilen Groove. Die Aufnahme vermittelt Entspannung und die große Erfahrung der Künstlerin auf einem hohen Niveau. Genau das Richtige für Celtic-Harp-Fans!
js
 JOE BONAMASSA: Live At The Sydney Opera House
JOE BONAMASSA
Live At The Sydney Opera House
(Mascot Records)


Bereits 2016 spielte Joe Bonamassa dieses Konzert, dem das hochgelobte Album Blues Of Desperation zugrunde lag. Auf den neun Titeln spielt und singt Bonamassa wie gewohnt virtuos und wird fantastisch begleitet – und polarisiert damit. Für die einen ist das viel zu glatt und „Mainstream“, für die anderen bleibt er der Superstar des Bluesrock.
ah

 PAOLO BONFANTI & MARTINO COPPO: Pracina Stomp
PAOLO BONFANTI & MARTINO COPPO
Pracina Stomp
(Felmay Records)


Zwei alte Kumpels ziehen sich in ein italienisches Bergdorf im Piemont zurück und spielen mit Band hauptsächlich eigene Stücke ein, Mandolinencrack Martino Coppo und Flatpickingvirtuose Paolo Bonfanti. Ihr Bluegrass folgt nicht reiner Lehre, was die Musik umso attraktiver leuchten lässt. Produziert hat Larry Campbell, also Obacht – Qualität!
vd
 DARRIN BRADBURY: Talking Dogs & Atom Bombs
DARRIN BRADBURY
Talking Dogs & Atom Bombs
(Anti-Records)


Man ist gleich mittendrin in den Fünfzigern beim Album von Darrin Bradbury, nicht nur wegen des Titels, sondern auch mit seinem Sound. Country & Western in traditioneller Prägung, mit einer leicht gewitzten Haltung. Bradbury erzählt gerne ironisch, was sich auch in seiner Musik niederschlägt, doch beides geht ganz gut zusammen.
mf

 THE SANDY BRECHIN TRIO: Polecats And Dead Cats
THE SANDY BRECHIN TRIO
Polecats And Dead Cats
(Brechin All Records)


Der schottische Akkordeonspieler tat sich mit seinen schwedischen Freunden Jimmy Johansson (Fiddle) und Christopher Andersson Bang (Kontrabass) zusammen und produzierte eine ziemlich paritätische instrumentelle Mischung aus beiden Ländern. Gemeinsam ist den dreien ein ziemlich eigenwilliger Humor, der sogar das Beiheft zu einer Freude macht.
mk
 BOBBO BYRNES: The Red Wheelbarrow
BOBBO BYRNES
The Red Wheelbarrow
(Songs and Whispers)


The Red Wheelbarrow bietet energiegeladenen Folkrock. Nashville als Aufnahmeort dieses Albums ist vom Klang her kaum herauszuhören. Byrnes Songs laden zum Nachdenken ein und zum Feiern. Überraschend allerdings sein Cover des Roxy-Music-Songs „Virginia Plain“, auf dem sogar Phil Manzanera die Sologitarre spielt. Klappt wunderbar.
mf

 CHICO TRUJILLO: Mambo Mundial
CHICO TRUJILLO
Mambo Mundial
(flowfish records)


Wer noch nicht genug hat von der allerorten tönenden Cumbia, hat an diesem Geschenk zum zwanzigsten Geburtstag der Band aus Chile seine helle Freude. Der Mambo im Titel meint nicht den Stil, sondern wohl eher die auch so genannte fröhliche Sause. Die feiert man mit Gästen aller Couleur, vom Rap-Duo aus der Bronx, Rebel Diaz, bis zu Los Gaiteros de San Jacinto aus Kolumbien.
kw
 LUKE COMBS: What You See Is What You Get
LUKE COMBS
What You See Is What You Get
(Sony)


Das Debüt des Countrysuperstars hievte fünf Songs gleichzeitig in die Top 25, was zuletzt Johnny Cash 1959 gelang. Auch das neue Album startet Combs mit einem tanzflächentauglichen Kracher. Danach folgt eine genretypische Mischung aus Boots & Whiskey sowie Moon & Love inklusive ein bisschen Arbeiterklasse-Ethos/-Pathos.
mw

 COPPELIUS: Kammerarchiv
COPPELIUS
Kammerarchiv
(Foxy Records)


Es ist das sechste Album des Kammercore-Septetts aus Berlin. Zu hören ist eine bunte Mischung aus Steampunk, Theatermusik, Covers (u. a. Tom Waits, Iron Maiden, Motörhead), alten und neuen Eigenwerken – alles in einem kompakten, wuchtigen Sound, gespielt mit Klarinetten, Cello und Kontrabass. Man darf gespannt sein – für 2020 planen sie die Rockoper Krabat.
pp
 BIANCA DE LEON: Dangerous Endeavor
BIANCA DE LEON
Dangerous Endeavor
(Lonesome Highway Music)


Produzent John Inmon (Jerry Jeff Walker) hat seinen ganzen Erfahrungsschatz für ein authentisches Tex-Mex-Country-Blues-Rock-Gebräu eingebracht. Nur beim Gesang geht es De Leon mit den Tönen oft arg durcheinander. Da hilft zur Not, selbst mitzusingen, was zum launigen Cover von Townes Van Zandts „White Freight Liner Blues“ durchaus Spaß machen kann.
mw

 DIVERSE: Artist Collection No. 12 – Blues & Boogie
DIVERSE
Artist Collection No. 12 – Blues & Boogie
(Stormy Monday Records)


Parallel zur jährlich stattfindenden Blues & Boogie Night in der Scala in Ludwigsburg bringt das Label Stormy Monday Records eine CD mit den jeweils teilnehmenden Künstlern heraus. Diesmal zum zwölften und, wie angekündigt, letzten Mal in dieser Form, sind die neunzehn Stücke in ihrer Vielfalt eine Fundgrube von Ragtime über Blues & Boogie bis zum Rock ’n’ Roll.
ah
 DIVERSE: Heimatlieder aus Deutschland, FUNKeln – The Best Originals And Remixes Of New German Folk
DIVERSE
Heimatlieder aus Deutschland, FUNKeln – The Best Originals And Remixes Of New German Folk
(Run United Music)


Integration in ihrer schönsten Form. Einige der achtzehn Stücke dieser phänomenalen CD sind im Original zu hören. Bei einem Großteil aber trifft traditionelle Musik aus den Heimatländern der Immigranten auf einheimische Remixer, die aus den Stücken faszinierende zeitgenössische Klangerlebnisse zaubern. Heimatlieder? New German Folk? – Ja, was denn sonst?
wb

 AURÉLIE DORZÉE & TOM THEUNS ft. MICHEL MASSOT: Elixir
AURÉLIE DORZÉE & TOM THEUNS ft. MICHEL MASSOT
Elixir
(Home Records)


Zwei Großmeister der belgischen Folkmusik haben sich zusammengetan, die Geigerin Aurélie Dorzée (Pantha Rei, Trio Trad, Aurelia) und der Gitarrist Tom Theuns (Ambrozijn). Sie werden unterstützt vom Posaunisten Michel Massot. Das Album ist ebenso ambitioniert wie verspielt. Musik zum Entdecken und Genießen.
cr
 DREBE: Der Mond ist ausgefallen
DREBE
Der Mond ist ausgefallen
(Backseat)


Nach ausgiebigem Touren in Clubs seiner Wahlstadt Hamburg und Umgebung fällt im zweiten Album nun der Mond aus. Vertraute Melancholie, untermalt u. a. durch Gitarre und Piano, die um die Entwicklung des von Liebeskummer und Weltschmerz gebeutelten Ichs kreist. Zur Rettung kommen der Männerbackgroundchor in „Alles gut“ und das humorige Bewusstsein „Ich bin ne Wurst“.
is

 DUO TOPOLINO: Torta Mista
DUO TOPOLINO
Torta Mista
(Westpark Music)


Nina Leonard auf der Gypsygeige und Norbert Scholly an der Gitarre präsentieren einen Hochgenuss an Weltmusik. Das exzellente Spiel der studierten Musiker nimmt den Hörer mit auf eine Reise von Afrika über die Türkei und Südeuropa bis zum Balkan. Neben zwei virtuosen Eigenkompositionen gibt es zudem Interpretationen von Astor Piazzolla oder Dave Brubeck. Von diesem „gemischten Kuchen“ sollte man unbedingt kosten.
ep
 ED DUPAS: The Lonesome Side Of Town
ED DUPAS
The Lonesome Side Of Town
(Road Trip Records)


Ed Dupas hat ein Trennungsalbum eingespielt und beinahe ein Jahr gebraucht, um dieses fertigzustellen. So ranken sich viele seiner Songs um die vergangene Beziehung, das Rauf und Runter des Lebens und die Hoffnung auf einen neuen Anfang. Zwar verhalten in seiner Stimmung, klingt dieses Album doch sehr eingängig.
mf

 WALTER GAVITT FERGUSON: King Of Calypso Limonese – The Legendary Tape Recordings Vol. 2
WALTER GAVITT FERGUSON
King Of Calypso Limonese – The Legendary Tape Recordings Vol. 2
(Bongo Joe)


Der hochverehrte hundertjährige Sänger hat den Calypso in Costa Rica entscheidend geprägt. Als sein Dorf in den Siebzigern Strom bekam, kaufte er sich einen Kassettenrekorder, nahm Hunderte von Songs auf, verkaufte sie an Reisende, kopierte sie aber nie. In einer weltweiten Suche gelang es nun, viele der Kassetten zu finden und die Aufnahmen zu retten.
hjl
 FLO: La Mentirosa
FLO
La Mentirosa
(Soundfly)


Wie beschreibt man eine CD in 350 Zeichen, die eine Sängerin mit dreißig Musikern aufgenommen hat? Zum Glück durfte die Neapolitanerin ihre poetischen, tieftraurigen und oft ironischen Lieder wortreicher zelebrieren. Manchmal begleitet von einer Gitarre, trotzt sie umgehend einem Instrumentensturm. Steuermann an den Reglern ist Daniele Sepe. Großartig!
mst

 Florida Georgia line: The Acoustic Sessions
Florida Georgia line
The Acoustic Sessions
(BMLG Records)


Das äußerst erfolgreiche Countryduo hat seine siebzehn Songs mit Gästen (u. a. den Backstreet Boys) akustisch neu eingespielt. Akustisch ist daran nur der druckvolle Gesang, außer ein bisschen Rhythmusgitarre hört man kaum Instrumentales. Powercountry, der auch Stadionrock sein könnte. Ein äußerst massenkompatibles Konzept also.
hjl
 SPIKE FLYNN: Just This Side Of Here
SPIKE FLYNN
Just This Side Of Here
(Eigenverlag)


Mit seinem dritten Album legt der Mann aus Sydney ein stilles, melancholisches Werk vor, sparsam instrumentiert, aber geschmackvoll. Etwa wenn sich ein Flügelhorn zur ansonsten dominierenden akustischen Gitarre gesellt. Seine brüchige Stimme zeichnet atmosphärische Bilder von Landschaften und taucht bewegend tief in die Themen des Lebens ein.
vd

 GAIZCA PROJECT: Gaizca Project
GAIZCA PROJECT
Gaizca Project
(Home Records)


2019 in Rudolstadt zu erleben, legen die acht Spanier dieser galicisch-baskisch-katalanischen Allianz nun ihr Debüt vor. Instrumental und sprachlich kommen alle drei traditionsreichen Regionen vor im wohlklingenden Konzept. Zum Teil bleiben die Stile und Traditionen vereinzelt oder wirken wie zusammengeklebt. Das passiert bei gut gemeinten Fusionen leider öfter.
kw
 GIBRISH: Andrahandssånger
GIBRISH
Andrahandssånger
(Paraply Records)


Irgendwo zwischen Blues und Folkrock bewegt sich die schwedische Band und lässt sich doch nicht auf ein spezielles Genre festlegen. Das wollen sie ja auch gar nicht, und so gibt es hier sowohl Stücke mit Vibrafon und Ziehharmonika als auch Psychedelisches mit Synthesizerbegleitung. Über allem schwebt eine gewisse Melancholie im Gesang.
ah

 GOLDSCHATZ: Salt Of The Sea
GOLDSCHATZ
Salt Of The Sea
(Little Jig Records)


Das Folkpopduo aus der Schweiz ist ein typisches Beispiel für die zunehmend auftauchenden Folkpärchen, bei denen zwischen Folk, Pop, Blues oder Rock eine Trennung schwerfällt. Auch der Wechsel von akustischer und elektrischer Gitarre gehört dazu. Eingängig bis lyrisch.
hjl
 GRENDEL’S SŸSTER: Myrtle Wreath/Myrtenkranz
GRENDEL’S SŸSTER
Myrtle Wreath/Myrtenkranz
(EP; Eigenverlag)


Sieben Lieder liegen jeweils in einer deutschen und einer englischen Version vor, darunter Deutschfolkstücke wie „Wildvögelein“ oder „Graf und Nonne“, die sehr aggressiv gestaltet sind. Es ist eine bunte Mischung aus spielerischer Leichtigkeit, eigenwilligen Songzutaten, expressivem Gesang, Folk und Epic Metal. Dazu ein interessant gestaltetes, aber irgendwie nicht passendes Artwork mit einem Historiengemälde.
pp

 FRANZISKA GÜNTHER: Besser wenn der Kopf nicht hängt
FRANZISKA GÜNTHER
Besser wenn der Kopf nicht hängt
(recordJet)


Die brillante Gitarristin veröffentlicht auf ihrem neuen Album deutsche Songs in bester Liedermacherinnentradition. Daran muss man sich gewöhnen, denn zu dem Hochtempogitarrenspiel erwartet der Hörer vielleicht englische Folksongs, auf keinen Fall jedoch die humorvollen, bissigen Texte der Künstlerin. Damit setzt sich Franziska Günther deutlich von ihrem Umfeld ab und wird unverwechselbar.
ce
 HEITER BIS FOLKIG: Der Tod war schon wieder da
HEITER BIS FOLKIG
Der Tod war schon wieder da
(Pretty Noise Records)


Das Debütalbum Der Tod war da von 2009 wurde nach zehn Jahren neu aufgenommen und erweitert – in neuer Besetzung und anderen Arrangements. Im Crowdfunding-Verfahren finanziert, entstand ein Album mit traditionellem akustischem Deutschfolk sowie Mittelaltermusik. Zu hören sind viele Standards, die von der Band aus Hessen und Franken abwechslungsreich, aber manchmal etwas brav arrangiert sind.
pp

 HELLRAISERS ’N BEERDRINKERS: Pub Crawl
HELLRAISERS ’N BEERDRINKERS
Pub Crawl
(Eigenverlag)


„Gaudi-Folk“ ist die passende Bezeichnung, die die fünf Schwäbisch-Haller ihrer Musik geben, englisch- und deutschsprachige Lieder rund ums Saufen, Feiern und Faulenzen, erinnernd an die Pogues, die Pulveraffen oder die Streuner, mit jeder Menge Punk, Reggae, Ska und auch etwas Metal dabei. Wer mitsingen will, findet die Texte im ansprechenden Beiheft.
mas
 HOLLOW COVES: Moments
HOLLOW COVES
Moments
(Nettwerk)


Die Mumford-Nachfolger nehmen kein Ende, dieses Mal also die Hollow Coves. Gefälliger Folkpop, präsentiert von einer sympathisch auftretenden Band aus Brisbane. Da ist nichts Schlechtes dran, das Debütalbum der Australier ist aus einem Guss. Jeder Song ist hitparadentauglicher als Songs der Konkurrenten, hinterlässt aber das Gefühl, alles schon oft gehört zu haben.
ce

 SIMON JOYNER: Pocket Moon
SIMON JOYNER
Pocket Moon
(BB*Island)


Leonard Cohen ist tot, es lebe Simon Joyner, könnte man sagen. Joyner erinnert mit seinem sonoren Gesang wirklich an den frühen Leonard Cohen. Mit leiser Gitarre und leicht gebrochener Stimme trägt er seine Balladen voller surrealer Formulierungen vor, die an den richtigen Stellen mit ein paar Tupfern Cello oder Klavier versetzt werden.
hjl
 JÖRG KAMMERSCHMITT: 1000 Crossroads
JÖRG KAMMERSCHMITT
1000 Crossroads
(Eigenverlag)


Der Sänger und Gitarrist hat das Talent, englischsprachige Songs zu schreiben, die im Ohr bleiben. In seiner Musik kreuzen sich die Energie des Rocks mit packenden Soli auf der E-Gitarre, bluesgetränkte Songs und der sanfte Klang von Liedern mit akustischer Gitarre. Dieses Debütalbum ist ein Fall für die Wiederholungstaste des CD-Spielers.
uh

 RANZEL X KENDRICK: Texas Cactus
RANZEL X KENDRICK
Texas Cactus
(Eigenverlag)


Finales Album seiner Texas Trilogy. Weitgehend superrelaxter Front-Porch-Country-Folk, Gitarre, Mundharmonika, Percussion. Liebevolles Cover von Van Morrisons „Crazy“. Mit viel Freiraum für Freunde. Rebecca White singt „Get Together“ von den Youngbloods, Will Kendrick Sneckner gibt den Kunstpfeifer auf einem Instrumental.
mw
 KING CALAWAY: Rivers
KING CALAWAY
Rivers
(Stoney Creek Records)


Was wegen der Besetzung mit geschniegelten Burschen in Jeans aus den USA, Gibraltar und Schottland als internationaler Country vermarket wird, entpuppt sich als seichter Mainstreampop. Schlichte Songs mit plumpem Boyband-Chorgesang, ungefähr so authentisch wie die nächsten drei Tenöre oder ein Rat Pack Musical.
mw

 ALBRECHT KOCH & DAS GRAND HOTEL ORCHESTER: Unsinkbar
ALBRECHT KOCH & DAS GRAND HOTEL ORCHESTER
Unsinkbar
(recordJet)


Im Rentenalter, nach vielfältiger künstlerischer Betätigung, hat Albrecht Koch aus Köln ein limitiertes, sehr ansprechend und aufwendig produziertes Solodebütalbum produziert. Kluge Alltagstexte mit Hintersinn, lakonisch mit ruhiger, sonorer Stimme vorgetragen, ist dieses wunderbare musikalische Hörbuch-Chansonalbum ein Genuss für Ohren, Augen und Verstand.
rk
 Koschitzki Pereira: Brazilian Blues
Koschitzki Pereira
Brazilian Blues
(GLM Music)


Das Duo Stefan Koschitzki (Blasinstrumente) und Fabiano Pereira (Gitarre, Gesang, Percussion) versucht mit zwei Begleitmusikern das Kunststück zu meistern, Bossa Nova, Smooth Jazz und Pop in einen einheitlichen Sound mit diesen Facetten zu präsentieren. Allerdings überzeugen nur die brasilianisch verwurzelten Stücke, der Rest wirkt zu clean.
hjl

 KREIZ BREIZH AKADEMI: Hed #7
KREIZ BREIZH AKADEMI
Hed #7
(coop breizh)


Die Kreiz Breizh Akademi ist ein Kurs für bretonische Musiker, bei dem sie lernen, mit alten modalen bretonischen Tonleitern zu arbeiten. Nach zwei Jahren wird jeweils eine CD aufgenommen, nun die siebte. Es geht hier nicht um die Restauration alter Spielweisen, sondern um neue, oft ziemlich komplexe Kompositionen. Die achtzehn Musiker bilden eine Folk-Big-Band mit gewisser Wucht.
cr
 DARIA KULESH: Earthly Delights
DARIA KULESH
Earthly Delights
(Eigenverlag)


Drittes Album der in England lebenden russischen Singer/Songwriterin mit der ausdrucksstarken, fast schon opernhaften Stimme. Oft bezieht Kulesh ihre Inspiration aus russischen Märchen und Traditionen, oder sie feiert grandiose Verlierer in „Shame Or Glory“. Expressives Coverdesign und ebensolche Musik mit Freunden wie Phil Beer, Jonny Dyer oder Vicki Swan.
mk

 KYN: Earendel
KYN
Earendel
(Blackdown Music)


Das italienisch-deutsch-schweizerische Gemeinschaftsprojekt spielt Pagan Folk. Man mixt keltische und nordeuropäische Musik mit mediterranen Klängen. Wer Helmut Gotschys Schwaben-Krimi Tod im Drachenzuber gelesen hat, kennt zumindest zwei der Protagonisten, die dominante tolle Sängerin Ida Elena DeRazza und den „Barden“ Albert Dannenmann (Ex-Blackmore’s Night, Ex-Geyers).
pp
 MICHAEL LANE: Traveling Son
MICHAEL LANE
Traveling Son
(Greywood)


Die Zeit der großen Folkpopliedermacher wie Gerry Rafferty oder Dan Fogelberg scheint vorbei, doch dank Musikern wie Michael Lane bleibt etwas Hoffnung. Auf Traveling Son verbindet der Selfmademusiker das alte Songwriterhandwerk geschickt mit den neuen Kompositionstechniken der aktuellen Folkpophits und spricht mit dem Album mehrere Generationen an.
ce

 LANKUM: The Livelong Day
LANKUM
The Livelong Day
(Rough Trade)


Mit einem großen Instrumentarium von Fiddle und Konzertina bis zu Harmonium, Hammondorgel und Mellotron weist das Quartett aus Dublin einen Weg in abgefahrene Düsternis und Schwere. Psychedelische Soundcollagen und vielseitige Gesänge interpretieren anderweitig als Pubsongs bekannte Werke. Strange, intensiv, kraftvoll, kein Fun Folk, für den ganz langen Atem!
js
 SHAWN LEE: Rides Again
SHAWN LEE
Rides Again
(Legere Recordings)


Soulful sind die Songs von Shawn Lee, der schon eine Menge Alben veröffentlicht und an vielen Filmsoundtracks mitgewirkt hat. Viel Sand und Sonne schimmern auf Rides Again durch. Lee ist ein überaus professioneller Songschreiber und dabei noch ein interessanter Sänger. Es gelingt ihm sogar, mit „Sugaree“ einen Song von Jerry Garcia wie ein Stück Soul klingen zu lassen.
mf

 LILA LINDWURM: Wild im Wald – Still am See
LILA LINDWURM
Wild im Wald – Still am See
(Eigenverlag)


Wie bringt man den süßen kleinen Gören, die sich heute eher mit Tablets als der Natur auskennen, den Wald näher? Indem man hineingeht und ihnen vorher Appetit darauf mit dieser Doppelalbum macht. Lieder über Wald und Tiere, zum Mitsingen und Mitspielen, erklärend und informativ, fröhlich und vielseitig. Für ganz ambitionierte Eltern gibt es auch Akkorde im Textheft.
rk
 LITTLE HOURS: Now The Lights Have Changed
LITTLE HOURS
Now The Lights Have Changed
(Rubyworks)


Pop in Reinkultur beschert uns das Debütalbum von Little Hours. Wer den Grand-Prix-Siegertitel 2019 mochte oder Michael Schulte etwas abgewinnen kann, wird mit dem Album des Iren sehr glücklich. Folkanteile sind nur mit viel gutem Willen zu finden. Die ausdrucksstarke Stimme von Little Hours lohnt aber ein Probehören für alle Menschen, die gute Songs mögen.
ce

 PEGGY LUCK: Mondhell
PEGGY LUCK
Mondhell
(Ponyphone Records)


Die junge Wahlleipzigerin, in der dortigen Lied- und Folkszene auch als Organisatorin bekannt, überzeugt auf ihrem Album mit eigenen bildhaft-poetischen Liedern, gesungen etwa zur Hälfte auf Deutsch und Englisch. Glasklare, starke Stimme, gepaart mit zahlreichen Instrumenten vom Piano bis hin zur Thüringer Waldzither und Großmutters Löffel, begleitet von Gastmusikern.
rps
 MORAN MAGAL: Under Your Bed
MORAN MAGAL
Under Your Bed
(SAOL)


Die in Berlin lebende Singer/Songwriterin und Indiepianistin Magal, die eigentlich aus Israel stammt, erweitert ihren musikalischen Fokus hin zu Dark Metal, Gothic und Doom Metal. Alle Songs, Arrangements und Kompositionen stammen von ihr – abwechslungsreiche Musik mit Farbtupfern von Violine, Harfe und Viola, die immer mal wieder rockig ausufern.
pp

 RONJA MALTZAHN: Beautiful Mess
RONJA MALTZAHN
Beautiful Mess
(Timezone)


Internationaler geht es wohl kaum. Auf ihrem Debüt präsentiert die Singer/Songwriterin aus Münster zwölf Eigenkompositionen in fünf Sprachen. Verarbeitet hat die Musikstudentin ihre Reisen durch die Welt, das Ergebnis ist ein swingendes Indiefolkalbum mit poppigen Einflüssen, eingespielt von sechzehn Musikern um Maltzahns rauchige Stimme.
ep
 BRENT MARX: You’re The Light
BRENT MARX
You’re The Light
(Eigenverlag)


Brent Marx ist der Mann, um einfache Klassiker wieder in Erinnerung zu rufen, Songs wie „King Of The Road“ oder „500 Miles“ und Sänger wie Merle Travis oder Elvis. Die Lieder der Fünfziger/Sechziger scheinen überhaupt wieder etwas im Trend zu liegen. Die eigenen Stücke des Sängers mit der warmen, tiefen Stimme passen gut dazwischen. Urtümliche Americana Music.
hjl

 DUNCAN McCRONE: Land Of Gold
DUNCAN McCRONE
Land Of Gold
(Greentrax Recordings)


Der Mann weiß, was er tut, schließlich ist der Schotte seit Jahrzehnten aktiv. Und ist geehrt, endlich für das schottische Label aufnehmen zu dürfen. Großes Staraufgebot, Coversongs und Eigenwerke halten sich die Waage, wobei Letztere etwas überzeugender wirken. Ein richtig schönes Album mit eingängigen Liedern und guten Texten. Höhepunkt? Der Titelsong.
mk
 BIG DAVE McLEAN: Pocket Full Of Nothin’
BIG DAVE McLEAN
Pocket Full Of Nothin’
(Black Hen Music)


Seit über fünfzig Jahren im Geschäft, präsentiert der Bluesrecke aus dem kanadischen Winnipeg auf seinem siebten Album erstmals vor allem eigene Songs. Dabei reicht die Bandbreite vom Shuffle bis zum Slow Blues. Er bleibt gut Freund mit Mundharmonika und National Steel, geizt dazu nicht mit Arrangements – samt kompletter Bläsersektion. Üppig.
vd

 TONY McLOUGHLIN: True Native
TONY McLOUGHLIN
True Native
(Fuego)


Siebtes Album des bluesigen Iren. Ein gut abgehangener Schunkler im Stil von John Prine, ein bisschen Springsteen, ein Butch-Hancock-Cover. Closer „Mercury“ ist eine wunderbare akustische Nummer, die Qualitätsproduzent Philip Donnelly mal auf ein persönliches Best-of brennen kann, in dem McLoughlin dann zurecht neben Donovan und Lee Clayton steht.
mw
 MARIA MENDES: Close To Me
MARIA MENDES
Close To Me
(Justin Time)


Hier singt die portugiesische Jazzsängerin keine amerikanischen Jazzstandards. Vielmehr widmet sie sich dem Fado ihrer Heimat, der ihr immer noch nahesteht. Entstanden sind elf Stücke mit starkem Jazzflair zwischen Lissabon und Brasilien. Bei vier von elf Titeln wird Maria Mendes zusätzlich von einem Sinfonieorchester begleitet.
mst

 JUANA MOLINA: Forfun
JUANA MOLINA
Forfun
(EP; Crammed Discs)


Bei EPs, also Torso-LPs, denkt man, der Musiker sei zu faul oder uninspiriert für mehr. In dem Falle hören wir das gut zwölfminütige Abfallprodukt, das dem Versagen einer Fluggesellschaft entsprang. In Roskilde musste die Avantgarde-Argentinierin ohne Backline spielen. Eher punkrockig als elektronisch muss das geklungen haben, wie die vier Tracks spiegeln.
kw
 JEREMY NAIL: Ghost Of Love
JEREMY NAIL
Ghost Of Love
(Continental Song City)


Der Texaner macht urbanen Folk, wie er in Frühstückscafés läuft. Lokale Größen wie Bukka Allen und BettySoo schichten Akkordeon und Mandoline, Cello und Hammond B3 zu einem verträumten Sound. Wäre noch besser, wenn Nail auch die Texte einer Klischeeprüfung unterzogen und ein paar „deep blue seas“ und „grey skies“ gestrichen hätte.
mw

 NOVAR: Starling
NOVAR
Starling
(Trad Records)


Mitreißend schöne instrumentale, elektrifizierte Musique Trad aus eigener Komposition, von einigen der angesehensten belgischen und französischen Musiker, darunter der exzellente Thierry Nouat an der Drehleier und der nicht weniger brillante Dudelsackspieler Toon van Mierlo. Dazu Mandola, Keyboards und diatonisches Akkordeon. Aufregend, modern und in die Beine gehend.
uj
 OAK HILL ROAD: The Heart Of Fall
OAK HILL ROAD
The Heart Of Fall
(Eigenverlag)


Mit einer Mischung aus Old-Time, Folk und Bluegrass bestreitet das Duo aus Augsburg sein zweites Album. Es geht um die Aufs und Abs des Lebens zwischen Gelassenheit und Unruhe. Die Melodien sind gefällig, und manchmal liefern Andeutungen von Countryswing etwas Würze. Ecken und Kanten sind aber nicht die Sache von Florian Hirle und Helmuth Baumann.
vd

 DER ODENWÄLDER SHANTY CHOR: 30 Jahre Land in Sicht – Lieder aus der Zeit
DER ODENWÄLDER SHANTY CHOR
30 Jahre Land in Sicht – Lieder aus der Zeit
(WOLKENstein)


Zwei randvolle CDs mit den (teils neu aufgenommenen) schönsten Liedern des besten Shantychors aus dem Odenwald bieten einen guten Überblick über drei Jahrzehnte höheren musikalischen Blödsinns aus Fränkisch Cumbach, vom „Very, Very Drunken Sailor“ (als Reggae!) bis zu hawaiianischem Gesang in Odenwälder Mundart. Genialisch gut wie immer und zum Wiehern komisch.
uj
 PASEO: Azur
PASEO
Azur
(Radau Records)


Paseo, das sind die Bayern Jan Eschke am Klavier und Rainer Gruber am Akkordeon. Paseo bedeutet übersetzt „Spaziergang“. Dieser führt auf Azur von Buenos Aires nach Nordeuropa. Eigentlich ist es nur ein paso, ein Schritt, vom Tango zur Polka oder einem Walzer. Musik ist die globale Verständigungssprache, und auf Azur geschieht das auf einfühlsame Weise.
mst

 MATT PATERSHUK: If Wishes Were Horses
MATT PATERSHUK
If Wishes Were Horses
(Black Hen Music)


Patershuk hat was von Tom Waits in den Achtzigern. Zwar ist seine Stimme nicht ganz so eindringlich, aber in seinen Songs sucht er einen ähnlichen Stilmix aus Rhythm and Blues und Jazz herzustellen, der Waits vor dreißig Jahren so einzigartig erscheinen ließ. Doch Blues und Countryelemente gewinnen bei Patershuk schließlich die Oberhand.
mf
 HARALD PETERSTORFER: Secret Garden
HARALD PETERSTORFER
Secret Garden
(Eigenverlag)


In schöner Regelmäßigkeit veröffentlicht der österreichische Gitarrist seine Alben, die musikalisch immer eher jenseitig verortet sind. Welten, die von Elfen, Feen und Zwergen bevölkert scheinen. Folkige, sehr melodiöse Meditationen in fantasievoller, farbiger Besetzung: (Harfen-)Gitarren, keltische Flöten, Percussion und dezente Sounds.
rb

 BETSY PHILLIPS: Like We’re Talking
BETSY PHILLIPS
Like We’re Talking
(EP; Eigenverlag)


Atmosphärischer Folk à la Beth Orton. Die junge Singer/Songwriterin aus Omaha, Nebraska, beweist in ihrer fünf Lieder umfassenden EP, dass sie hohen Ansprüchen gerecht werden will und kann. Selbstbewusst und melancholisch, und das beschwinge „Someone Like You“ macht sogar Lust auf die Repeattaste.
mw
 Hannah Rose Platt: Letters Under Floorboards
Hannah Rose Platt
Letters Under Floorboards
(Continental Song City)


Manche halten die englische Americanasängerin für eine Nachfolgerin von Emmylou Harris, dafür hört man aber zu viel E-Gitarre und Schlagzeug. Je leiser und balladesker sie allerdings wird, desto überzeugender klingt sie. Das Cover sagt viel über die Musik aus: Blonder Modeltyp steht vor Werkstattfenster – romantisch bis zupackend.
hjl

 GUILLERMO PORTABALES: El Carretero
GUILLERMO PORTABALES
El Carretero
(Vinyl; World Circuit)


Eine weitere der insgesamt vier Remaster-Vinyl-Premieren des Weltmusiklabels ist diese ursprünglich 1996 erschienene Kompilation von emblematischen Songs diverser Alben dieses weit über Kuba hinaus populären, 1970 verstorbenen Trovadors. Er nahm sich diverser Liedgenres, zum Beispiel Bolero und Tango, an und machte sich unter anderem als Interpret von Guajiras einen Namen.
kw
 THE REEL CHICKS & FAMILY: Into The Tune
THE REEL CHICKS & FAMILY
Into The Tune
(Prosodia)


Anders als man es vermuten würde, stehen Reels nicht im Zentrum der Musik der Schwestern Mary, Katie und Fanny O’Reel, sondern der Bandname verdankt sich dem Familiennamen. Die irisch-deutsche Band aus Dresden, Halle und Berlin kombiniert auf sehr interessante Weise Irish Folk mit bekannten Popsongs. Texte im Booklet.
mas

 REVEREND FREAKCHILD: Road Dog Dharma
REVEREND FREAKCHILD
Road Dog Dharma
(Floating Records)


In den USA genossen die lokalen Radio-DJs zum Teil Kultstatus. Dies ruft Reverend Freakchild hier noch einmal in Erinnerung, und so sind die Stücke der CD immer wieder durch kurze Einspieler von Originalansagen oder Interviewausschnitten unterbrochen. Die Musik dazu ist bodenständiger Blues, teils akustisch, teils elektrisch bis heftig verzerrt.
ah
 MATTHEW ROBB: Dead Men Have No Dreams
MATTHEW ROBB
Dead Men Have No Dreams
(Eigenverlag)


Auch auf seinem zweiten Album besticht der in Köln lebende Brite mit feinen Roots- und Bluesmelodien über die Tiefen des Lebens. Diesmal klingen die Bandarrangements in traditioneller Besetzung, also Akustik- sowie E-Gitarre, Bass und Schlagzeug voller und treibender als beim Debüt. Allerdings verlieren die Songs durch die oft überfrachteten Texte an Leichtigkeit.
ep

 ALASDAIR ROBERTS: The Fiery Margin
ALASDAIR ROBERTS
The Fiery Margin
(Drag City)


Siebtes Soloalbum auf diesem Label für den in Deutschland geborenen Schotten. Traditionelle Themen und Melodien sind erneut der Ausgangspunkt für seine immer etwas esoterisch klingenden Songs. Diverse Kollegen reichern die Musik an (Viola, Saxofon, Akkordeon, Pedal Steel), und seine Stimme windet sich entlang der Melodielinie. Absolut eigenständig.
mk
 CHARLES RUMBACK & RYLEY WALKER: Little Common Twist
CHARLES RUMBACK & RYLEY WALKER
Little Common Twist
(Thrill Jockey Records)


Eine schöne Überraschung hält dieses Schlagzeug-Gitarren-Album für den Freund der musikalischen Randgebiete bereit. Ein gänzlich freier Geist schwebt über diesen Aufnahmen, die in keiner Schublade gut aufgehoben wären. Feines akustisches/elektrisches Gitarrenspiel, dazu ein sensibel gespieltes Drumset. Sehr atmosphärisch, Raum und Zeit in Hülle und Fülle.
rb

 SIMON SCARDANELLI: The Rock, The Sea, The Rising Tide
SIMON SCARDANELLI
The Rock, The Sea, The Rising Tide
(Resonator Records)


Der Engländer residiert nun, mit Umweg über die USA, in der Bretagne und ist ein veritables Kreativkraftwerk – Singer/Songwriter, Schauspieler, Regisseur oder Musicalkomponist. Das aktuelle Album (in einer langen und abwechslungsreichen Reihe) ist durchgehend akustisch und sparsam arrangiert, der Gesang jedoch ausdrucksstark, und die Texte gehen tief.
mk
 SKÁLD: Vikings Chant
SKÁLD
Vikings Chant
(Airforce 1 Records)


Die Musik der Skalden – Geschichtenerzähler und Musiker aus dem frühzeitlichen Skandinavien – wird von einer französischen Band zelebriert. Das Quintett mit einem ausgezeichnet harmonierenden Gesangstrio wurde in Frankreich schlagartig bekannt. Bemerkenswert sind aber auch die fünf Bonustracks von The White Stripes, The Doors und Pink Floyd.
pp

 KELLY STEWARD: Tales And Tributes Of The Deserving And Not So
KELLY STEWARD
Tales And Tributes Of The Deserving And Not So
(Glass Wing Records)


„I was born in the wrong generation“, bringt Kelly Steward es auf ihrem Debütalbum auf den Punkt. Denn vom Cover bis zur Bonnie-Raitt-Stimme ist das klassischer Countryrock mit Seventies-Anleihen. „Outlaw“ heißt denn auch programmatisch ein weiterer Song. Passt in jeden Honky Tonk, dazu geschmackvoll produziert.
mw
 STOUT: Undaunted
STOUT
Undaunted
(Eigenverlag)


Das westfälische Duo aus Simon Scherer und Mario Kuzyna spielt und singt zusammen mit 23 Gastmusikern und -musikerinnen altbekannte irische Songs auf teils traditionelle, teils neue Weise. Drei Chöre und im Irish Folk ungewohnte Instrumente wie Flügelhorn und Posaune lassen neben neuen Melodiebögen trotzdem jedes Lied wiedererkennen und neu genießen. Alle Texte mitlesbar.
mas

 JAN SYDOW: Debut
JAN SYDOW
Debut
(QuiXote Music)


Seit über zwanzig Jahren begleitet der Wiesbadener Liedermacher bekannte düster-psychedelische Rockbands. Auf seinem Solodebüt zeigt er sein Können auf der akustischen Gitarre, überrascht mit Verspieltheit und gewollter Dissonanz durch eine Instrumentierung aus Spielzeugorgel, Glockenspiel und verstimmtem Banjo. Dazu trägt er sanft traumartige Texte vor.
is
 SOFIA TALVIK: Paws Of A Bear
SOFIA TALVIK
Paws Of A Bear
(Makaki Music)


Farbenfroh sieht der Bär aus, den das Cover von Sofia Talviks Debütalbum ziert. Das Cover wirkt dadurch wie die thematische Klammer, haben doch Talviks Songs etwas durchaus Düsteres, das sie hinter lieblichen Arrangements verbirgt. Gelegentlich wirkt das Album recht poppig, doch dann taucht eine Pedal-Steel-Gitarre auf, und schon steht wieder das reine Folkgefühl im Raum.
mf

 TAMING THE SHREW: Cure
TAMING THE SHREW
Cure
(My Redemption Records)


Benannt nach der Komödie William Shakespeares, geben sich die fünf Musiker der Band aus Regensburg nun so gar nicht gezähmt, sondern trotzen eher widerspenstig dem Zeitgeist. Heraus kommt sehr gut gemachte Musik, die im Rock der 1960er-/1970er-Jahre gründet. Und das bedeutet tolles Zusammenspiel von Gitarre und Orgel, kräftiger Rockgesang mit klugen Texten.
ah
 THE 10STRING ORCHESTRA: Clouds
THE 10STRING ORCHESTRA
Clouds
(Acoustic Music Records)


Zehn Saiten verteilt auf zwei Instrumente, Gitarre und Kontrabass. Die beiden Hochschulprofessoren aus Dresden verstehen es eindrucksvoll, Musik aller Couleur für ihre kleine Besetzung zu orchestrieren. Und das klingt groß! Spanisch-arabische Farben im Opener, jazzige Impros, klassische Themen (Bach), und auch Phil Collins klingt nicht nach Irrläufer.
rb

 TÍR SAOR: Fáire
TÍR SAOR
Fáire
(Prosodia)


In den Nordeifeler Highlands gibt es nicht nur Wibbelstetz, sondern auch Tír Saor, zwei Kiltträger, die auf diesem Album deftige Arbeits- und Seemannslieder von den britisch-keltischen Inseln zum Besten geben. Allen Texten ihrer bodenständigen traditionellen, aber auch mal neu bearbeiteten Balladen und Shantys kann man im dicken Booklet folgen.
mas
 TITO AND TARANTULA: 8 Arms To Hold You
TITO AND TARANTULA
8 Arms To Hold You
(It Sounds)


Die Art durchgängig gutes Album, das man als DJ in der Rockdisco sorglos durchlaufen lassen kann, wenn man noch das Vinyl ordnet und sich erst mal mit den Barleuten hinter der Theke in Stimmung bringt. Altmodischer Gitarrenrock im besten Sinn, dunkel, stilvoll, vielfältig, persönlich, wie man es von der Titty-Twister-Bar-Band kennt.
mw

 TOMMY TORNADO & THE CLERKS: Back On Track
TOMMY TORNADO & THE CLERKS
Back On Track
(Eigenverlag)


Ein reines Reggae-Instrumentalalbum? Ja braucht’s denn da keine Botschaft via Text? Die Antwort lautet: „Nö!“ Saxofonist Thomas Streutgers (aka Tommy Tornado) hat mit der siebenköpfigen Skaband The Clerks ein wundervoll entspanntes Album eingespielt. Sanft swingend, hochmusikalisch, und zum Schluss noch mit drei Dubs als Zugabe. Was will man mehr?
wb
 TOPETTE!!: Rhododendron
TOPETTE!!
Rhododendron
(Eigenverlag)


Kann Instrumentalmusik politisch sein? Freilich, wenn zum Beispiel das Blowzabella-Powerduo Cutting/Stradling auf drei Franzosen trifft unter der Überschrift „Made in Bristol, UK in a spirit of european friendship and co-operation“. Ausgesprochen knackige, live im Studio eingespielte Tanzmusik. Die zwei Ausrufezeichen sind verdient. Take that, you Brexiteers!
mk

 ALI FARKA TOURE: Savane
ALI FARKA TOURE
Savane
(Vinyl; World Circuit)


Er wäre dieses Jahr achtzig Jahre alt geworden, der legendäre malische Gitarrist und Protagonist des sogenannten „Desert Blues“. Kurz nach seinem Tod im März 2006 erschien dieses grandiose Album, das Luigi Lauer für den Folker (5/2006) rezensierte und zu Recht attestierte, „... dass (es) in die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO gehört“. Jetzt liegt es remastert als Doppel-LP vor.
rs
 TRAGEDY ANN: Matches
TRAGEDY ANN
Matches
(Eigenverlag)


Ein kanadisches Duo, das seine Songs mit zahlreichen Gastmusikern eingespielt hat. Mal sehr energiegeladen, dann aber auch wieder sehr nachdenklich. Die halbakustische Gitarre prägt den Klang dieses Albums, aber auch Akkordeon, Percussioninstrumente und ausufernde Chorgesänge sind auf Matches zu hören, das jung und frisch klingt.
mf

 JUSTINE VANDERGRIFT: Stay
JUSTINE VANDERGRIFT
Stay
(Eigenverlag)


Folkpop dominiert auf diesem Album der Kanadierin Justine Vandergrift, die mit leicht kehliger Stimme von privaten Liebesdingen singt. Die Balladen geraten zu echten Höhepunkten, da gewinnen ihre Songs an Eindringlichkeit, wo ansonsten die Produktion Eigensinn und Charakter ihrer Musik eher neutralisiert. Doch das kann den Charakter ihres Gesangs nicht zerstören.
mf
 VEEBLEFETZER: More
VEEBLEFETZER
More
(Goodfellas)


Vier Römer und ein paar Freunde spielen auf zur Party ˗ mit einem riesigen Sousafon, Trompete, Saxofon, Bass, Drums und Gitarren. Mit Ska, Reggae, Rumba und punkiger Attitüde geht die Post voll ab. Sympathisch, anarchisch und eingängig. Sicher auch eine tolle Liveband.
mst

 VIECH: Niemand wird sich erinnern, dass wir hier waren
VIECH
Niemand wird sich erinnern, dass wir hier waren
(Abgesang)


Ach, wie schön, unprätentiöse, einmal nicht schleimige Liebeslieder aus Österreich, ohne Dialekt, dafür in alltagstauglicher deutscher Sprache, eher im Popbereich zu Hause, Richtung Portishead und R.E.M., mit E-Gitarre und ganz ohne Verklärung von Lederhosen und Alpengemütlichkeit.
jus
 VIVID CURLS : … nicht müde werden!
VIVID CURLS
… nicht müde werden!
(KiKo Audio)


Die beiden Liedermacherinnen aus dem Allgäu, Inka Küchler und Irene Schindele, legen zehn neue eindringliche Songs vor, mal melancholisch, mal aufmunternd, nah am Puls der Zeit, musikalisch zwischen Folkrock und Pop, exzellent produziert und mit einer gut aufgelegten Band eingespielt. Zwei wunderbare, schmeichelnde Stimme, Mezzosopran und Rockröhre, die sich gegenseitig traumhaft ergänzen. Gelungen!
uj

 WEIHERER: Im Prinzip aus Protest
WEIHERER
Im Prinzip aus Protest
(Donnerwetter Musik)


„Der Weiherer spuit – des muss doch longa!“, sagt er, der keine journalistische Schubladen mag. Langt. Weiherer, akustische Nylonsaitengitarre, Mundharmonika und ein loses Mundartmundwerk, mehr braucht es nicht, um 75 Minuten lang das Publikum mit seinen urkomischen, sarkastischen Kommentaren und Liedern zu den Themen der Zeit zum Wiehern zu bringen. Hellsichtig, hinterfotzig, mit einem Wort: brillant! (Ups! Schublade …)
uj
 WEST MY FRIEND: In Constellation
WEST MY FRIEND
In Constellation
(Grammar Fight Records)


Dass Folk mit Orchester und Chor untermalt wird, ist nicht neu. Dieses Trio aus dem kanadischen Victoria macht daraus aber sinfonischen Folk mit komplexen Kompositionen und wechselnden Stimmungen. Der Songcharakter tritt dabei eher zurück, Mandoline oder Akkordeon verweben sich mit dem Ganzen. Sängerin Eden Olivers starke Stimme trägt die Musik.
hjl

 WPE: Tambo
WPE
Tambo
(Muc Records)


Im WPE (World Percussion Ensemble) sind drei Percussionisten aus verschiedenen Erdteilen mit einem Bassisten und einem Pianisten aus Europa vereint und alle auch als Komponisten aktiv. Meisterlich gelingt es ihnen, die afrikanische Trommelsprache mit lateinamerikanischen Rhythmen, asiatischer Taiko-Kunst, eingängigen Melodien sowie einem groovenden Bassfundament zu verschmelzen.
cs
 ZAP MAMA: Adventures in Afropea
ZAP MAMA
Adventures in Afropea
(Vinyl; Crammed Discs)


Die Schallplatte der Brüsseler Frauen-a-cappella-Gruppe mit afrikanischem Hintergrund vereint alle fünfzehn Titel des Debütalbums aus dem Jahr 1991 sowie einen weiteren des gleichnamigen Reissues aus dem Jahr 1993. Warum der Verlag Crammed Discs dieses Album, mit nahezu übereinstimmendem Cover und Inhalt, jetzt erst auf Vinyl veröffentlicht, bleibt unklar.
cs

 ZERVAS PEPPER: Endless Road Restless Nomad
ZERVAS PEPPER
Endless Road Restless Nomad
(India Media)


Musikalisch bevorzugt das Ehepaar Paul Zervas und Kathryn Pepper immer noch die amerikanischen Folkrockklänge und -harmonien der Westküste à la CSNY, allerdings ohne US-Akzent und Klonattitüde. Die Aufnahmen fanden diesmal im heimischen Wales statt, und so kommen die ausnahmslos eigenen und selbst produzierten Songs einfach gut und locker rüber.
mk
 : rezi-legende
Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Achim Hennes (ah), Udo Hinz (uh), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (jus), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Ines Körver (ink), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (cr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Martin Steiner (mst), Katrin Wilke (kw), Martin Wimmer (mw)


Nordisches
Aus dem hohen Norden bringt der Weihnachtsengel leicht verspätet Geschenke in Form von überragenden Veröffentlichungen. Hier eine kleine Auswahl von Nordic-Folk-CDs, bei denen noch nicht eingelöste Geschenkgutscheine gut investiert sind.

 RANDI TYTINGVAG TRIO: The Light You Need Exists
RANDI TYTINGVAG TRIO
The Light You Need Exists
(Kirkelig Kulturverksted)


Die nordische Jazzikone behauptet auf ihrem neuen Album erneut ihre Ausnahmestellung. Bereits mit dem Opener „Dance“ erzeugt sie eine Melancholie, die eines Leonard Cohen würdig ist. Die balladeske Bluesatmosphäre trägt das Album, zugleich verbreitet es Hoffnung und Wärme. Gospelanklänge finden sich, regelrechte Countryperlen ebenso, und dennoch klingt das Tytingvag Trio beinah archetypisch nordisch.
Chris Elstrodt

 TERJE ISUNGSET: Sildrande
TERJE ISUNGSET
Sildrande
(All Ice)


Der norwegische Percussionist Isungset zaubert auf Sildrande wieder malerisch avantgardistische Klanglandschaften. Begleitet wird der Künstler erneut von einem Aufgebot an begnadeten Mitmusikern wie Gunnar Halle und Mats Eilertsen. Das Thema des Albums, das „Tröpfelnde“, beschreibt nicht nur Isungsets Lieblingselemente Wasser und Eis, sondern zeichnet musikalisch jede Form von Energie, die – tröpfelnd – vergeudet oder gewonnen werden kann.
Chris Elstrodt
 TUULIKKI BARTOSIK: Tempest In A Teapot
TUULIKKI BARTOSIK
Tempest In A Teapot
(Nordic Notes)


Aus Estland kommt die bezaubernde Akkordeonvirtuosin Tuulikki Bartosik. Mit samtweicher Stimme und träumerischen Akkordeonklängen benötigt die Künstlerin nicht viel, um auch auf ihrem zweiten Album den Hörer in ihren Bann zu ziehen. Die Sibelius-Absolventin erzeugt mit ihrer leisen Musik eine Wärme, die jeden Winter zu vertreiben vermag.
Chris Elstrodt

 UDU: Udu
UDU
Udu
(CPL)


Dass nordische Klänge wie der Joik oft die gleiche Hörergruppe haben wie mongolischer Obertongesang, erklärt sich beim Hören dieser CD. Die litauisch-burjatische Kooperation klingt nicht wie eine Melange, sondern wie aus einem Guss. Hier kommt zusammen, was zusammengehört, Sehnsucht erzeugende Steppenklänge, die Einsamkeit, Weite und Spiritualität versprechen. Für jeden Mari-Boine-Fan ein Pflichtkauf.
Chris Elstrodt
 ANNE MARIE KIVIMAKI & PALOMYLLY: Hämeen Lauluja
ANNE MARIE KIVIMAKI & PALOMYLLY
Hämeen Lauluja
(Nordic Notes)


Hinter diesem Album versteckt sich die Zusammenarbeit von „Folk-Superstar“ Pekko Käppi, Bassist Rauhala und der finnischen Musikerin Kivimaki. Das Ergebnis ist ein treibendes, raues Album in bester Tradition von Bands wie Värttinää. Musikalisch begleitet uns die Sängerin in die historische Landschaft Häme, aus der auch die meisten Lieder stammen, z. B. ein wunderschönes, viel zu kurzes Wiegenlied.
Chris Elstrodt

 MIDGREN SKROBE QUARTEY: Rastställen
MIDGREN SKROBE QUARTEY
Rastställen
(Gammalthea)


Ein wunderbar filigranes Instrumentalalbum bietet uns das Drei-Generationen-Trio aus Schweden. Mit Geige, Mandola/Gitarre und einer unbeschreiblich sanften Percussion ist Raststätten das optimale Album zum Träumen vor dem Kamin. Dabei begeistern die drei Musiker mit ihren größtenteils traditionellen Melodien sowohl Nordic-Folk-Experten als auch Nicht-Folkies.
Chris Elstrodt



Afrikanisches
 BAYE MAGATTE: Kaye Kaye
BAYE MAGATTE
Kaye Kaye
(Brambus Records)


Der „gute alte“ Mbalax, wie ihn in den 1980er-Jahren u. a. Ismaël Lô verkörperte, lebt ausgerechnet in Magattes Wahlheimat Schweiz schwungvoll weiter. Der versierte Percussionist, Sänger und Songschreiber entstammt einer senegalesischen Griotfamilie, singt seine aufmunternden Lieder in Wolof. Tolle Backing Band, für stimmige Arrangements des nunmehr vierten Albums sorgt Keyboarder Paul Oliveira.
Roland Schmitt
 BALLAKE SISSOKO & BABA SISSOKO: Sissoko & Sissoko
BALLAKE SISSOKO & BABA SISSOKO
Sissoko & Sissoko
(Home Records)


Zwei Cousins und Griots kommen endlich zusammen, würdigen in ihren Liedern ihre Väter (die das malische Nationalorchester mitbegründeten und denen beide folgten), die Großfamilie Sissoko ganz allgemein (vor allem den gemeinsamen Opa Fakoli), werben für Respekt und Frieden. Ballake verzaubert mit seiner Kora, Baba brilliert als Sänger, Ngoni- und Tama-Virtuose. Zeitlose Mandige-Musik vom Feinsten!
Roland Schmitt

 DIVERSE: Kinshasa 1978 – Originals & Reconstructions
DIVERSE
Kinshasa 1978 – Originals & Reconstructions
(Crammed Discs)


Da hatte der renommierte französische Produzent Martin Meissonnier (u. a. Manu Dibango, King Sunny Ade) eine grandiose Idee, die er mit seiner Erfahrung als DJ auch brillant umsetzt. Sein Landsmann Bernard Treton hielt sich 1978 als Ausbilder beim Radiosender La Voix du Zaire auf, zeichnete Sessions von vier aus z. T. ländlichen Regionen des Kongos stammenden Bands auf, die ihr Glück in der Hauptstadt machen wollten: Konono N° 1, das Orchestre Bana Luyam, Sankayi und das Orchestre Bambala. Auszüge dieser Aufnahmen mit durchweg rhythmischen, anarchischen E-Sounds wurden 1986 unter dem Titel Zaire: Musiques Urbaines À Kinshasa veröffentlicht. Dieses Album ebnete dem als „Congotronics“ bekannten gewordenen Musikstil den Weg. Die eine CD enthält nun die kompletten Originalmitschnitte, die andere die von Meissonnier clever verdichteten Remixe.
Roland Schmitt
 NINA OGOT: Dala
NINA OGOT
Dala
(Hey!Blau)


Der Titel des nunmehr dritten Albums der kenianischen Sängerin und Songwriterin ist Programm: In der Sprache der Luo steht er für „Heimat“, „Zuhause“. Viele Texte beschwören Familie und Freundschaft. Die vielköpfige kenianisch-deutsche Band ist absolut top: satte Bläsersätze, dynamische Rhythmussektion, feiner Chorgesang bestimmen den melodischen Mix aus Benga, Soukous, Reggae und RnB.
Roland Schmitt

 BEN MOLATZKI: No Way To Go
BEN MOLATZKI
No Way To Go
(Cree Records)


In ärmlichen Verhältnissen 1954 in Johannesburg geboren zogen Bens Eltern (und elf Geschwister) zurück nach Namibia. Gesungen wurde in der Familie ausgiebig: Kirchenlieder und traditionelle Songs. In Windhoek als Lehrer tätig, sang er in Clubs seine gefühlvollen Balladen zur Gitarre. Die 1981 aufgenommenen (z. T. zensierten) Folksongs verschwanden im Archiv, liegen endlich – drei Jahre nach seinem Tod – vor.
Roland Schmitt



Das musikalische Vermächtnis der Roma neu entdecken
 DSCHANÈ:   :   :
DSCHANÈ











Zweimal ist es ihnen erfolgreich gelungen. Eine dritte Lücke können und wollen sie nicht füllen. Das leidenschaftliche Schweizer Ensemble Dschané hat nach über zwanzig Jahren seinen Abschied von der Bühne erklärt. Nach dem Ableben des hingebungsvollen Sängers Riccardo Anselmi 2004 sowie des charismatischen Gründers der Band Andrea Panitz 2016 zwingt eine ernsthafte Erkrankung die Bewahrer des traditionellen Romaliedguts endgültig zum Aufhören. Damit verlieren die Roma gerade in Zeiten wieder zunehmender Anfeindungen eine wichtige Stimme, die die Kultur und Musik der Tsigani im öffentlichen Bewusstsein aufrechterhält. Im Mittelpunkt des Repertoires der zuletzt sechsköpfigen Formation standen Eigenkompositionen von Andrea Panitz in Romanes sowie kreative Interpretationen traditioneller Romalieder, die aus Russland, Tschechien, Ungarn, der Ukraine, Rumänien und Serbien stammen. Neben dem Alltag des fahrenden Volkes thematisieren die Stücke auch ihre bis zur Gegenwart anhaltende Diskriminierung und Verfolgung. So hat Panitz etwa das rapide Verschwinden von Standplätzen für Wohnwagen in der Schweiz besungen. Neben dem Gitarristen umfasste das Ensemble zuletzt die Sängerinnen Lucinka Novotná und Ilsi Muna Ferrer, den Percussionisten Igor Bogoev, den vielseitigen Saiteninstrumentalisten David Aebli, den Bassisten und Tubisten Marc Bantelli sowie den Akkordeonisten Caspar Fries. Trotz Bühnenende lebt die Musik von Dschané weiter. Die Impulsivität und das Feuer der reichen Klangwelt der Roma lässt sich auf ihren drei Alben Romani Gili, O Parno Gras und Pal O Kham sowie dem Livesampler 20 Jahre Sternenkeller (alle CDs im Eigenverlag) entdecken.
Erik Prochnow



Bücher
 HANNES WADER: Trotz alledem : mein Leben.
HANNES WADER
Trotz alledem : mein Leben.
penguin-verlag.de
(München : Penguin-Verl., 2019. – 591 S. : mit zahlr. s/w-Fotos)
ISBN 978-3-328-60049-7 , 28,00 EUR


In plastischen Worten schildert Wader seine Kindheit und Jugend in ländlicher Umgebung, die Sechzigerjahre in Berlin, den deutschen Herbst, die Friedensbewegung sowie den schmerzlichen Abschied von seinen Illusionen. Was während der gesamten Lektüre dieser in höchstem Maße lesenswerten Biografie auffällt, ist die schonungslose Offenheit in der Schilderung eigener Versäumnisse, Schwächen, Irrtümer und Unzulänglichkeiten. Das gleicht stellenweise einer Selbstzerfleischung. Immer wieder verspürt Wader die Sehnsucht nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe Gleichgesinnter, bei gleichzeitiger Unfähigkeit, sich ein- oder gar unterzuordnen. Über die Jahre quälen ihn Zweifel, nicht zu genügen, am falschen Ort zu sein, sich mit den verkehrten Menschen zu umgeben, nicht die richtigen Ziele zu verfolgen. Nur in seltenen Momenten erlebt er ein mit sich selbst Einverstandensein. Er ist ein Getriebener, dessen Dauerzustand die Krise zu sein scheint. Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls dieses grundehrliche Buch. Und nun die andere Seite, die das Phänomen erst komplett macht: Hannes Wader hat über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahrhundert (!) zigtausenden von Menschen ganz unterschiedlicher Altersgruppen unvergessliche Konzertereignisse geschenkt, er hat fast ebenso viele Menschen zum Singen (seiner und anderer Lieder) animiert, er schrieb Lieder, die zu Volksliedern wurden, er hat Lebenswege – auch den des Rezensenten – über Jahrzehnte in positiver Weise begleitet. Und dafür gibt es eigentlich nur zwei Worte: Danke, Hannes!
Kai Engelke
 BILLY BRAGG: Die drei Dimensionen der Freiheit / aus d. Engl. von Tino Hanekamp.
BILLY BRAGG
Die drei Dimensionen der Freiheit / aus d. Engl. von Tino Hanekamp.
heyne-encore.de
(München : Heyne, 2020. – 141 S. – (Heyne encore) Einheitssacht.: The three dimen)
ISBN 978-3-453-27279-8 , 12,00 EUR


Buch Nummer drei des englischen Singer/Songwriters, und erneut widmet Bragg sich einem nichtmusikalischen Thema. Das heißt jedoch nicht, dass seine Gedanken für diese Zeitschrift uninteressant wären (wie er in seinem „Gastspiel“ auf Seite 51 beweist). Ohne Freiheit ist keine aufgeklärte Musik möglich, und Freiheit ist Braggs zentrales Thema bzw. deren drei Dimensionen Liberalität, Gleichheit und Verantwortlichkeit. Seine These lautet: Liberalität ist für den Einzelnen ebenso wichtig wie Gleichheit für die Gesellschaft, aber erst die Verantwortlichkeit verbindet beides zu etwas, das man Freiheit nennen kann. Diesen drei Dimensionen widmet Bragg neben einer Einleitung jeweils ein separates Kapitel, wo er die Begriffe historisch erklärt und in die Gegenwart führt. Das ist in sich logisch, auch wenn manche Punkte kontrovers sind, z. B. die Redefreiheit an sich. Muss man Populisten wie der AfD tatsächlich dieses Recht zugestehen oder fallen sie bereits unter die von Bragg zitierte Orwell-Einschränkung, das gelte nur unter der Voraussetzung, „es fügt dem Rest der Gemeinschaft nicht unverkennbar Schaden zu“? Zur korrekten Einordnung muss man bedenken, dass Bragg nicht der Revolutionär ist, zu dem ihn manche hochjubeln, sondern eher ein linker Sozialdemokrat. Als solcher stellt er nicht die Systemfrage, sondern glaubt, dass man Politiker oder Konzerne zur Verantwortung ziehen oder zu Transparenz verpflichten kann, wie er gegen Ende des Büchleins (Format 11x16 cm) im Hinblick auf die allgegenwärtigen sozialen Medien meint, und das wäre dann durchaus eine vierte und unverzichtbare Dimension. In der Übersetzung von Tino Hanekamp liest sich der Text an manchen Stellen nicht so flüssig und präzise wie im Original. Dennoch ist es ein bedenkenswertes Pamphlet, wie es im Englischen heißt, oder ein „politischer Weckruf“, so der deutsche Untertitel. Man sollte definitiv darüber diskutieren, z. B. auch mit Billy Bragg auf seiner Lesereise durch fünf deutsche Städte Anfang März.
Mike Kamp

 HAROLD F. EGGERS JR., L. E. McCULLOUGH: My Years with Townes van Zandt : Music, Genius, and Rage / Harold F. Eggers Jr. with L. E. McCullough.
HAROLD F. EGGERS JR., L. E. McCULLOUGH
My Years with Townes van Zandt : Music, Genius, and Rage / Harold F. Eggers Jr. with L. E. McCullough.
backbeatbooks.com
(Montclair, NJ : Backbeat Books, 2018. – 252 S. : mit zahlr. Farb- u. s/w-Fotos)
ISBN 978-1-61713-708-2 , 26,00 EUR


Als Townes van Zandt am 1. Januar 1997 starb, auf den Tag genau 44 Jahre nach dem Tod von Hank Williams Sr., hinterließ er einen beeindruckenden Katalog von Songs wie „Pancho And Lefty“, „If I Needed You“, „Waiting Around To Die“ und „To Live Is To Fly“. Dieses Buch ist jedoch nichts für die van-Zandt-Fans, die Einblick in bestimmte Songs bekommen wollen. Eggers, – von 1977 bis zum Tod des Texaners Roadmanager, Koproduzent und Geschäftspartner von Townes Van Zandt – schreibt vielmehr über eine tiefe Freundschaft, die zugleich eine symbiotische Beziehung war. Hier der Musiker, der sowohl Genie als auch von Alkohol, Drogen und Depressionen gequälter Geist war, dort sein von posttraumatischen Belastungsstörungen gepeinigter Vietnamveteranenmanager. Van Zandt hatte – nach Elektroschockbehandlungen – nur wenige Erinnerungen an seine eigene Kindheit. Dennoch handeln seine Lieder von Charakteren mit viel Authentizität. Er war ein großartiger Gitarrist und ein Meister der Lyrik. Ohne eine Antwort auf das „Warum“ geben zu können, beschreibt Eggers, dass genau diese Talente und sein ungesunder Lebensstil ihn geradezu verbrennen ließen. Eggers liefert einen ungeschminkten – und daher sehr bewegenden – Einblick in das Leben des von so vielen Dämonen getriebenen Musikers. So gelingt es ihm, die tiefe Menschlichkeit Townes van Zandts offenzulegen, der es nie über den Kultstatus hinausschaffte. Eingerahmt wird Eggers’ Buch von einem Vor- und einem Nachwort des Komponisten L. E. McCullough. Der Anhang bietet u. a. eine komplette Diskografie aller van-Zandt-Veröffentlichungen.
Michael Kleff
 BERND KÖHLER: Nachrichten vom Untergrund : Lieder u. Texte 1967-1989.
BERND KÖHLER
Nachrichten vom Untergrund : Lieder u. Texte 1967-1989.
llux.de
(o. O. : Llux-Verl., 2019. – 192 S. : mit zahlr. s/w-Fotos u. Notenbeisp. )
ISBN 978-3-938031-81-0 , 15,00 EUR


Nicht selten stellt sich der Weg eines Durchschnittslinken aus der 68er-Generation wie folgt dar: Schule, Lehre oder Studium, Radikalisierung, Demos, Teach-ins, intensive Lektüre marxistischer und/oder anarchistischer Theoretiker, Leben in WGs, verschiedene Jobs, Einstieg ins Berufsleben, Relativierung früherer Positionen, Anpassungsverhalten, zügig voranschreitende Verbürgerlichung bis hin zum konservativen Denken. Da ist Bernd Köhler, in den Siebzigern unter dem Namen Schlauch bundesweit bekannt gewordener Liedermacher, allerdings aus einem völlig anderen Holz geschnitzt. Er ist sich selbst in seinem Denken und Handeln über Jahrzehnte treu geblieben. Wo andere Liedermacher sich in melancholischer Selbstbespiegelung gefielen, hatte Köhler stets den Gesamtzusammenhang im Blick, ging auch dorthin, wo es unbequem war, stellte sich und seine Lieder kompromisslos in den Dienst seiner politischen Überzeugungen. Nun hat er ein Lieder- und Textbuch vorgelegt, das die Jahre 1967 bis 1989 dokumentiert. Einige Kapitelüberschriften mögen verdeutlichen, worum es damals ging: „Erkenntnis und Widerspruch“, „Gegen Faschismus und Reaktion“, „Solidaridad Internacional“, „Leben, Lachen, Kämpfen“, „Nachrichten vom Untergrund“, „Exemplarische Antworten“. Köhlers Texte sind lebendiger Ausdruck einer Epoche, die bis heute nachhaltig präsent ist. Und – manche Texte sind nach wie vor erschreckend aktuell. Mitte des Jahres erscheint der zweite Band, Halt Los, Texte und Lieder 1990-2019.
Kai Engelke

 JOHNNY FARRAJ / SAMI A. SHUMAYS: Inside Arabic Music: Arabic Maqam performance and theory in the 20th Century / Johnny Farraj and Sami Abu Shumays.
JOHNNY FARRAJ / SAMI A. SHUMAYS
Inside Arabic Music: Arabic Maqam performance and theory in the 20th Century / Johnny Farraj and Sami Abu Shumays.
oup.com
(o. O. : Oxford Univ. Pr., 2019. – XXXII, 444 S. : mit Notenbeisp. u. Abb. )
ISBN 978-0-19-065836-6 , 39,95 USDR


Es ist ein Kreuz mit der arabischen Musik, oder besser: es war. Wer diese gerne hört oder machen möchte, hatte es bislang schwer, an geeignetes Schrifttum zu gelangen. Bücher zum Thema sind entweder hochtheoretisch und haben mit dem tatsächlichen Musikschaffen wenig zu tun, sie sind uralt oder so spezialisiert, dass sie nur wenige Teile für das große Puzzle der arabischen Musik liefern. Meist wendet man sich dann Workshops zu, doch die Dozenten verwirren mit unterschiedlichen Interpretationen des Sachverhalts. Diese Erfahrung haben auch Farraj und Abu Shumays hinter sich, arrivierte Musiker an Percussion beziehungsweise Violine. Beide sind schon vor einiger Zeit aktiv geworden. Farraj hat Anfang der Nullerjahre Maqam World etabliert, das beste Internetforum über arabische Musik, das mit jeder Menge verständlicher Infos und Tonbeispielen aufwartet; Abu Shumays wiederum hat 2006 Maqam Lessons ins Leben gerufen, ebenfalls im Internet zu finden und eine Fülle von Material zum arabischen Skalensystem bietend. Als Farraj Förderung durch den Arab Fund for Arts and Culture erhielt, überarbeitete er nicht nur seine Website, sondern fing auch an, für ein Buch zu recherchieren. Dieses liegt nun vor und bündelt Wissenswertes zur arabischen Musik, mit Schwerpunkt auf dem Raum zwischen Syrien und Ägypten und der Zeit von 1930 und 1960 (das sogenannte Goldene Zeitalter, das die Szene bis heute prägt). Die Suche nach brauchbaren Einführungen in den arabischen Klangkosmos hat nun ein Ende, weil endlich ein Führer vorliegt, der die Spielpraxis verständlich erklärt und massenweise sauber recherchierte Infos zu Instrumenten, Tonskalen, Rhythmen, Musikstilen und -formen zusammenträgt.
Ines Körver
 PAL M. KNUDSEN: Moddi : verbotene Lieder ; 10 Geschichten von 5 Kontinenten / aus d. Norweg. von Günther Frauenlob …
PAL M. KNUDSEN
Moddi : verbotene Lieder ; 10 Geschichten von 5 Kontinenten / aus d. Norweg. von Günther Frauenlob …
edition-nautilus.de
(Hamburg : Ed. Nautilus, 2019. – 238 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-3-96054-188-2 , 20,00 EUR


Moddi ist ein norwegischer Musiker, der auch in Deutschland seine Fangemeinde hat. Doch auch, wer nie von Moddi gehört hat, wird dieses Buch über verbotene Lieder interessant finden. Ganz naiv dachte er früher, jedes Lied stehe für sich, und da könne er doch singen, was und wo er wolle. So wollte er in Israel und in einigen arabischen Ländern singen. Je nach Standpunkt wurde er nun als Antisemit oder als Zionist gescholten, und seine Kollegin Birgitte Grimstad schickte ihm ein Lied über einen israelischen Offizier, der sich 1982 weigerte, eine Aktion durchzuführen, bei der auch Kinder ums Leben hätten kommen können. Er wurde degradiert und aus der Armee entlassen. Moddi reiste nun nach Israel, um mit dem Offizier a. D. zu sprechen, und damit beginnt seine Suche nach verlorenen Liedern. Er reiste in den Libanon, nach Mexiko, nach Vietnam, aber auch nach Nordnorwegen, um ein passendes samisches Lied zu finden. Am Ende hatte er über zweihundert Lieder, leider sagt er nicht, wie er ausgewählt hat oder wie seine Übersetzungen entstanden sind – denn von allen Sprachen, in denen die verbotenen Lieder geschrieben worden sind, spricht er nur Englisch. Das Buch ist leicht und gut zu lesen, es regt absolut dazu an, sich über die Lieder, ihre Urheber und Urheberinnen sowie ihre Entstehung zu informieren. Wahrscheinlich wird es immer so sein, dass man ihn ein bisschen oberflächlich findet, wenn man sich mit der Materie auskennt (so ging es mir bei dem samischen Lied), aber gefesselt ist, wenn man vorher keine Ahnung hatte.
Gabriele Haefs

 JAN CORNELIUS: Musikgeschichten  : e. Lieder-Lesebuch ; 100 Texte d.  ostfries. Liedermachers mit Noten u. Akkorden / hrsg. von Gerold Meinen.
JAN CORNELIUS
Musikgeschichten : e. Lieder-Lesebuch ; 100 Texte d. ostfries. Liedermachers mit Noten u. Akkorden / hrsg. von Gerold Meinen.
artychoke.de
(Neustadtgöden : Artychoke, 2019. – 220 S. : über. Notenbeisp. mit Texten; mit Il)
ISBN 978-3-93793925-3 , 20,00 EUR


Jan Cornelius gehört ohne Zweifel neben Oswald Andrae, Greta Schoon und Helmut Debus zu den Künstlern, die die plattdeutsche Sprache aus den Niederungen der albernen Döntjes-Vertelleree herausgeführt haben. Das Besondere seiner Lieder bestand schon immer in einer leisen, unaufdringlichen Ernsthaftigkeit, die durchaus auch luftig und beschwingt daherkommen kann. Seit Ende des vergangenen Jahres liegt ein opulent aufgemachter Hardcoverband im DIN-A4-Format vor, der quasi das Lebenswerk, nämlich die wichtigsten Lieder des ostfriesischen Liederpoeten Jan Cornelius beinhaltet. Herausgeber Gerold Meinen hat sämtliche einhundert Lieder des Bandes in Noten gesetzt und mit Gitarrenakkorden versehen. Unter jedem Notenbild ist der komplette plattdeutsche Text des jeweiligen Liedes abgedruckt. Nicht ganz so geläufige Gitarrenakkorde werden zusätzlich in Griffdiagrammen dargestellt. Zu allen Liedern hat Jan Cornelius eine kleine Geschichte, Erläuterung oder auch mal eine Anekdote aufgeschrieben. Die mit klarem Strich gefertigten Zeichnungen der Illustratorin Annette Wiechert bereichern den Gesamteindruck zusätzlich. Falls ein plattdeutscher Ausdruck einmal nicht verständlich sein sollte, leisten die wörtlichen Übersetzungen aller Lieder ins Hochdeutsche, die sich im Anhang befinden, gute Dienste. Gerd „Ballou“ Brandt schreibt in seinem Vorwort: „Die Musikgeschichten von Jan Cornelius sind ein wahrer Liederschatz.“ Recht hat er.
Kai Engelke
 JAMES ROBERTSON: Michael Marra : Arrest this Moment.
JAMES ROBERTSON
Michael Marra : Arrest this Moment.
bigsky.scot
(o. O. : Big Sky Pr., 2017. – 293 S., mit zahlr. Fotos u. Abb.)
ISBN 978-0-956957-86-3 , 16,99 GBP


Vernarbtes Gesicht, abgrundtiefe und verrauchte Stimme und Songs im Dialekt seiner Geburts- und Heimatstadt Dundee, das war Michael Marra, der 2012 im Alter von nur sechzig Jahren an Krebs starb. Er war international keine Größe, und das war explizit auch nicht sein Ziel. Kommerz war ihm zuwider, und als seine Londoner Plattenfirma ihn Anfang der Achtziger, nach seinem ziemlich erfolgreichen Solodebüt The Midas Touch, in ein bestimmtes, verkaufsförderndes Schema pressen wollte, da reiste er einfach eigensinnig wieder gen Norden und machte fortan sein eigenes Ding. In Schottland war er ein Star ohne jegliche Allüren, der von Kollegen hochgeschätzt wurde. Einige seiner Songs fanden ihren Weg in das Repertoire anderer Künstler, wie die Trinkerballade „Take Me Out Drinking Tonight“ mit der legendären Anfangszeile „When these shoes were new it was ‚How do you do‘ …“ oder die alternative schottische Nationalhymne „Hermless“. In seiner dreißigjährigen Karriere erschienen lediglich sieben Alben, was u. a. der Tatsache geschuldet ist, dass Marra mehr als nur ein Singer/Songwriter war – Maler, Schauspieler, Produzent oder Schriftsteller und als schottischer Sozialist immer auf der Seite der Underdogs, aber nie Mitglied einer Partei. James Robertson hat sich an einer Biografie versucht, wohlwissend, dass Marra eine viel zu komplexe Persönlichkeit war, um ihm in einem Buch gerecht zu werden. Es ist eine Annäherung, und zwar eine sehr gute. Robertson kannte Marra persönlich. Die eingestreuten fiktiven „kitchen conversations“ zwischen den beiden hätten so oder ähnlich durchaus stattgefunden haben können. Das Buch ist eine weitgehend chronologisch sortierte Sammlung aus Interviews mit Freunden und Familie sowie eigenen Beobachtungen und Kommentaren, aufgelockert durch viele Bilder und Marras Grafiken/Gemälde. Der Meister im Erfinden von Spitznamen und verrückten Kurzbiografien tritt durch dieses Buch ein wenig aus seinem schottischen Dunstkreis heraus, und das ist mehr als nur gut so.
Mike Kamp

 WOLFRAM KNAUER: Play yourself, man! : d. Geschichte d. Jazz in Deutschland.
WOLFRAM KNAUER
Play yourself, man! : d. Geschichte d. Jazz in Deutschland.
reclam.de
(Ditzingen : Reclam, 2019. – 528 S. : mit zahlr. s/w-Fotos)
ISBN: 978-3-15-011227-4 , 36,00 EUR


Der Jazzbassist Dieter Ilg und auch der Jazzpianist Edgar Knecht improvisierten in den letzten Jahren unverkrampft über deutsche Volkslieder. Die Genregrenzen zwischen Folk und Jazz öffnen sich. Dies war ein langer Weg. Wolfram Knauer beschreibt in seinem neuen Buch auch Versuche deutscher Jazzmusiker, das heimische Liedgut in den modernen Jazz zu integrieren. Der Jazzforscher beschreibt, wie der Posaunist Albert Mangelsdorff 1964 das mittelalterliche Lied „Es sungen drei Engel“ in die Jazzsprache überführte – zeitlich in der Ära von Deutschfolkpionieren wie Peter Rohland. Ähnlich wie die frühen Deutschfolkbands hatten die westdeutschen Jazzmusiker Skrupel, an die durch die Nazis missbrauchten „Volks“-Traditionen anzuknüpfen. Anders war die Situation in der DDR. Pianist Ulrich Gumpert interpretierte 1972 bei seinem Projekt „Aus teutschen Landen“ Lieder wie „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht“ oder „Der Maie, der Maie“ – und fühlte sich in Tradition von Eisler und Brecht. Das Werk greift u. a. auch die vom Produzenten Joachim-Ernst Berendt initiierte Reihe Jazz Meets the World und die Öffnung zur Weltmusik aus Japan, Indien oder Afrika auf. Immer wieder gibt es in dem Buch Bezüge zum Folk. Spätestens wenn Namen wie die Gypsy-Musiker Häns’che Weiss oder Titi Winterstein auftauchen, reichen sich Folk- und Jazzfans die Hände.
Udo Hinz
 THE RUSSIAN DOCTORS: Das große Pratajev-Lieverbuch II :  nach Motiven von S. W. Pratajew (1902-1961)
THE RUSSIAN DOCTORS
Das große Pratajev-Lieverbuch II : nach Motiven von S. W. Pratajew (1902-1961)
reiffer-verlag.de
(Meine : Reiffer, 2019. – 165 S. : Texte, Grifftabellen, s/w-Fotos)
ISBN 978-3-945715-02-4 , 8,90 EUR


Wer meint, er kenne sich in der russischen oder sowjetischen Gaunerlyrik gut aus, braucht sich nicht zu schämen, weil ihm der berühmte Dichter S.W. Pratajev nicht so geläufig ist. Das Punkduo The Russian Doctors aus Leipzig ist eifrig bemüht, seine erfundene Lyrik und obskure Erkenntnisse über sein Leben unters Volk zu bringen, damit die Geschichte immer schön skurril und rätselhaft bleibt. Und so spinnen der Sänger mit der rauen Stimme, Holger Oley alias Doktor Makarios, und der Hochgeschwindigkeitsgitarrist Frank Bröker alias Doktor Pichelstein die Geschichten immer weiter, erfinden neue Texte ihres fantastischen Dichters, setzen Legenden in die Welt, verbreiten Anekdoten und Storys und blasen diesen eigenen Kosmos immer weiter auf. Bei Pratajev und ergo den Doctors geht es vor allem um Viecher, Weiber und Saufen, manchmal kryptisch, meist grob, roh und unfertig. Zum Nachlesen und auch Nachspielen der letzten Alben der Doctors und auch eines geplanten, noch nicht erschienen Albums eignet sich dieses kleine Büchlein im ca. DIN-A6-Format. Da hat man Texte, Akkorde, Griffe, und dazu die erflunkerten Erklärungen, Deutungen, biografischen Bezüge und vermeintlichen Hintergrundgeschichten.
Rainer Katlewski

 EVA M. HOIS [Hrsg.]: Volksmusik und (Neo)Nationalismus, Tagungsband zum Grazer Symposium zu Volksmusikforschung und-praxis, 8. – 10. November 2017.
EVA M. HOIS [Hrsg.]
Volksmusik und (Neo)Nationalismus, Tagungsband zum Grazer Symposium zu Volksmusikforschung und-praxis, 8. – 10. November 2017.
steirisches-volksliedwerk.at
(Graz : Verl. Steir. Volksliedwerk, 2019. – 177 S. : mit s/w-Fotos. – (Grazer Sc)
ISBN 978-3-902516-37-4 , 27,00 EUR


Dem unangenehmen Thema „Volksmusik und (Neo)Nationalismus“ widmete sich 2017 eine Tagung in Graz, nun liegt der Tagungsband vor. Spannende und wichtige Themen werden behandelt, aber gleich zu Anfang findet sich ein, gelinde gesagt, bizarrer Fehler. Da lesen wir, der Text von „Heil dir im Siegerkranz“ sei „1790 von Heinrich Heine (1797-1856)“ verfasst worden. Klar, ein Genie wie Heine kann ja mal sieben Jahre vor seiner Geburt einen grauslichen Text verbrochen haben, aber mit diesem Lied wollte sich also der Flensburger Pastor Heinrich Harries (1762-1802) beim dänischen König anbiedern. Doch wenn ein so dicker Fehler einfach niemandem auffällt, können wir dann diesem Buch noch irgendwas glauben? Alles überprüfen geht nicht, Stichproben lassen annehmen, dass es doch nicht so schlimm ist. Die Beiträge versuchen also, die Verwendung von Volksmusik in nationalistischen Szenen zu beleuchten, das gerade auf die Gegenwart bezogen (Beispiele: Türkei, Südtirol, Pegida). Sie zeigen auf, unter welchen Umständen scheinbar „apolitische Volkslieder“ instrumentalisiert werden können, versuchen sich Definitionen von „Nationalismus“ und „Patriotismus“ anzunähern, landen immer wieder bei Herder und erzählen jedenfalls sehr viel Neues und Wissenswertes zu einem Thema, das bedauerlicherweise gerade wieder höchst aktuell ist.
Gabriele Haefs



Besondere
STOPPOK
Jubel
mit Texten u. Infos
(Grundsound)


Die Frage, ob eine neue Veröffentlichung in der Rubrik „Die Besondere“ landet, stellt sich bei Stoppok nicht. Einzigartig im deutschsprachigen Raum sind sein Schaffen, seine Vielfältigkeit und seine Virtuosität. Stoppok ist der Inbegriff des „ehrlichen“ Musikers, ein Image, das Künstler wie Westernhagen oder Lindenberg bestenfalls simulieren können. Egal, ob er sich dem Blues, dem Rock, Folk oder einer anderen musikalischen Spielart widmet, Stoppok klingt immer, als wäre diese Musik nur für ihn oder von ihm gemacht. Dass der Künstler in Sachen Ruhm hinter den Grönemeyers dieser Welt zurückbleibt, ist für uns ein Segen – so bleibt der Markenname Stoppok eben Stoppok, ohne großen  STOPPOK: Jubel Sponsor, ohne angepasstes Mainstreamgedudel, der Archetyp des Indie-Singers/Songwriters. Was aber zeichnet nun konkret das achtzehnte Album des Künstlers aus? Zum Beispiel verzichtet Stoppok bei Jubel auf seinen gefürchteten Zynismus. Unverändert sind seine Texte augenzwinkernd, und noch immer legt er die Finger auf Wunden, aber der beißende Sarkasmus fehlt. In einer schwierigen Welt, die dem billigen Humor der Comedians zahllose Vorlagen bietet, kommt der Umschwung Stoppoks zur rechten Zeit. Ob er zur Müllerzeugung ermuntert oder unsere Wohlstandsgesellschaft verjubelt, man bekommt trotz ernster Themen gute Laune. Das macht Mut, den wir wohl alle gerade gut gebrauchen können, und so findet sich Stoppok in einer ungewohnten Rolle wieder, als Hoffnungsbringer statt als Satiriker. Mit „Lass sie alle rein“ schafft er sogar eine Hymne, die nicht nur als Antwort auf die Geflüchtetenkrise taugt, sondern in ihrer schlichten Wahrheit allumfassend wirkt. Einen drauf setzt noch der Song „Geld oder Leben“, der nicht von Gangstern, sondern von einer fundamentalen Frage unserer Gesellschaft (also doch von Gangstern) handelt. Eine Antwort bietet Stoppok mit „Kein Update“ gleich mit. Eine Antwort, die uns nicht gefällt, aber so ist das mit der Wahrheit nun einmal.
Chris Elstrodt
KROKE
Rejwach
(Oriente)


Krakau (poln. Kraków, Hauptstadt Polens bis 1609) galt einst als eine der typisch jüdischen Städte – um 1900 betrug der jüdische Bevölkerungsanteil rund 28 Prozent. Nazistischer Rassenwahn und Vernichtungspolitik sowie später Abwanderung bzw. Überalterung der jüdischen Bevölkerung ließen die Stadt um 1968 fast „judenrein“ werden. Erst ab Mitte der Achtziger entstand eine Art Renaissance jüdischer Tradition, was sich u. a. auch in der Durchführung eines alljährlichen Jüdischen Kulturfestivals ausdrückt. 1992 schlossen sich Jerzy Bawoł (acc), Tomasz Kukurba (v, perc, voc) und Tomasz Lato (b) zum Trio Kroke zusammen. Die Absolventen der örtlichen Musikakademie hatten ausreichende Möglichkeiten, in der Geschichte ihrer Heimatstadt herumzukramen, um auf der  KROKE: Rejwach Basis traditionellen musikalischen Materials Neuarrangements sowie die Grundlagen für ihre Improvisationen zu kreieren – anfänglich als reine Klezmerband, so mit ihren ersten beiden Alben (1993, 1995/6), später jedoch mit dem „Anspruch, das Wesen der menschlichen Natur und ihrer fundamentalen Emotionen zu übermitteln“ (so die Textbeilage zu ihrer dritten Veröffentlichung mit dem Titel Eden, 1997). Die Musik ihres hier nun vorliegenden Albums entstand speziell für eine Theaterproduktion namens Rejwach (jidd. für „Ertrag, Gewinn“), basierend auf einer Buchvorlage von Mikolaj Grynberg, der sich vor allem auf die Geschichten Holocaustüberlebender (wie etwa seiner eigenen Großeltern) konzentrierte. Im Oktober 2018 wurde dieses von Ester Rachel (1870-1925) und Ida Kamińska (1899-1980) geschriebene Stück im Jüdischen Theater in Warschau uraufgeführt, wenngleich das Album erst ein ganzes Jahr später erschien. Auch wenn der konkrete Inhalt des Stückes für den Zuhörer nicht greifbar wird (dem Album ist bedauerlicherweise keinerlei zusätzliche Information beigelegt), ist deutlich die Fähigkeit des Trios erkennbar, Stimmungen und Gefühle über die Musik auszudrücken. Vermutlich dramatische wie aber auch freudige Ereignisse wirken auf den Zuschauer, so wie wir es heutzutage insbesondere aus Filmen kennen, durchaus intensivierend, aber eben auch auf den reinen Zuhörer.
Matti Goldschmidt

INGER NORDVIK
Time
(Asta Records)


Eine Sängerin mit ausdrucksstarker Stimme, Klavierbegleitung als wesentlicher Akzent – es scheint so, als hätte für diese Art von Musik jedes Jahrzehnt sein Referenzalbum. Von Joni Mitchells Blue über Kate Bushs The Kick Inside bis zu Little Earthquakes von Tori Amos. In diesem Jahrzehnt nun also Inger Nordvik mit Time. Es ist erstaunlich, wie eine Stimme gleichzeitig so zart und kraftvoll klingen kann, wandelbar und ausdrucksstark und dennoch geradlinig. Der Vergleich mit Kate Bush liegt wirklich auf der Hand, wobei man mit einer solchen Erwartungshaltung Inger Nordvik sicher keinen Gefallen erweist. Die nordischen Folkanteile zum Beispiel dürfen auf keinen Fall unerwähnt bleiben. Die  INGER NORDVIK: Time filigran gespielte Geige erzeugt die typische Sehnsucht skandinavischer Weisen. Das Klavier, allgegenwärtig in der Begleitung, klingt mächtig und zerbrechlich gleichermaßen. Der sperrige Jazzanteil von Time wird maßgeblich von Bassist Karl Erik Enkelmann und Schlagwerker Dag Magnus Narvesen gestaltet. Die klassischen Wurzeln der Sängerin sind deutlich hörbar, auch Elemente aus Pop und Rock sind prominent vertreten. Die unterschiedlichen Gefühle, die innerhalb nur eines einzigen Stückes hervorgerufen werden, fordern den Hörer. Man möchte der Stimme hinterherträumen und wird stattdessen mit einem zornigen Text über die Willenlosigkeit der Politik in Sachen Klimawandel konfrontiert. Man möchte sich in die Musik verlieben und hineinschmiegen, doch die Künstlerin schimpft in den Texten über die fehlende Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. So erlebt der Hörer ein Wechselbad der Gefühle, ein Eindruck, der durch immer neue musikalische Wendungen und Improvisationen noch verstärkt wird. Die musikalische Reife von Time erreichen nur wenige Künstler – Inger Nordvik schafft es bereits mit ihrem Debüt. Das Wesen des Albums entspricht dem Wesen der Künstlerin als Weltenbürgerin und Weltenwanderin, ohne Zeit, ohne Raum, jedes neue Hören entspricht einer neuen Reise.
Chris Elstrodt
YORKSTON THORNE KHAN
Navarasa : Nine Emotions
(Domino Records, Download)


Es gibt nicht viele Fusionsprojekte aus den Bereichen Folk, Jazz und Weltmusik, die tatsächlich überzeugend funktionieren, und es ist noch seltener, dass eine Gruppe mit der Mixtur dieser drei Genres einen absolut eigenständigen und schlüssigen Sound erschafft, Musik, die es vorher so noch nicht gab. Den drei Herren Yorkston, Thorne und Khan ist genau das mit ihrem ersten Album Everything Is Sacred gelungen. Ein Zufallstreffer, könnte man meinen. Navarasa : Nine Emotions beweist das Gegenteil. Die Musik wirkt tiefer, ausgereifter, durchdachter und gleichzeitig emotionaler als zuvor. James Yorkston spielt mit Gitarre und Mundharmonika den Folkie-Part, obwohl – Vorsicht! Wenn man sorgfältig lauscht,  YORKSTON THORNE KHAN: Navarasa : Nine Emotions wie er einen traditionellen Song wie „The Shearing’s Not For You“ interpretiert, dann klingt das eher nach Indie als nach Folkie. Suhail Yusuf Khan ist ein Meister der gestrichenen indischen Sarangi mit ihrem eigentümlichen Klang, der die Kunst des Sufigesangs ebenso beherrscht und diese Elemente passend und immer eigenständig in teils westliche Melodiestrukturen einfügt. Jon Thorne schließlich, der versierte Kontrabassist der Gruppe Lamb und anderer Projekte, ist sozusagen das grundierende Bindeglied zwischen Ost und West. Navarasa – die neun Emotionen von Ärger über Lachen bis zur Ruhe – bilden die Basis der sieben Songs (plus zwei Instrumentals), meist eine ruhige, kontemplative Musik, die durch die Sufi- und Sarangimomente an Fahrt gewinnt. Wie gut die Ost-West-Kooperation gelingt, wird bei dem zentralen, fast zehnminütigen Robert-Burns-Song „Westlin Winds“ deutlich. Khan setzt die Anfangsakzente mit Sarangi und Gesang. Keine Ahnung, über was er teils furios singt, aber Yorkston greift den Gesang nahtlos auf, wenn auch um etliche Grade ruhiger, sodass der Song eine Einheit bildet. Burns hätte das gewiss gefallen, denn es passt zu seiner Überzeugung, dass alle Menschen Brüder werden sollten. Yorkston/Thorne/Khan setzen diese Idee eindrucksvoll musikalisch um.
Mike Kamp

LES AMAZONES d’AFRIQUE
Amazones Power
(Real World)


Klassifizierungen wie „All-Female Supergroup“ werden dem 2014 ins Leben gerufenen Bandprojekt, das letztlich Stars wie Angélique Kidjo oder Mariam Doumbia zusammen mit weniger bekannten Künstlerinnen aus (West-)Afrika für ein Benefizalbum umsetzten, nicht gerecht. Es handelt sich eher um ein außergewöhnliches, offenes und dynamisches Musikkonzept, das vordringlich die Unterdrückung der Frauen in Afrika thematisieren und die Einforderung ihrer Rechte befördern will. Der Bandname ist mit Bedacht gewählt, lehnt sich an das legendäre, Anfang der 1960er-Jahre gegründete Frauenensemble Les Amazones de Guinée an. Nach dem bereits spannenden Debütalbum République Amazone 2017 trafen sich nunmehr Sängerinnen  LES AMAZONES d’AFRIQUE: Amazones Power und Musikerinnen in neuer Zusammensetzung, Gründungsmitglieder wie z. B. Mamani Keita und Rokia Koné (beide aus Mali) mit Jungstars wie Fafa Ruffino (aus Benin), dank ihrer ghanaischen Großmutter (!) von Soul und Gospel inspiriert, oder Niariu, der aus Guinea stammenden jüngsten „Amazone“, die ihr Engagement auch beschreibt: „Wir können Feminismus nicht an Gender Equality in westlichen Ländern festmachen, wenn es noch zahlreiche Frauen gibt, die keinerlei Zugang zu ihren Grundrechten haben.“ Die Songtexte greifen nach wie vor tabuisierte Themen wie Zwangsheirat, Gewalt, sexuelle Übergriffe und natürlich auch Beschneidung auf, wollen Mut für Gegenwehr machen, propagieren Solidarität unter den Frauen, appellieren an „geläuterte“ Männer, sie zu unterstützen. Die meisten Stücke stammen von Koné und Keita. Die musikalische Basis bilden dabei Hip-Hop und traditionelle Stile, aufgepeppt mit passenden Gimmicks des irischen Electro-Pop-Produzenten Liam Farrell (aka Doctor L), bekannt geworden durch den von ihm mitentwickelten Congotronics Style. Aus dem Rahmen fällt da „Rebels“, ein von der Chaabi-Musik geprägtes Lied der algerischen Sängerin Nacera Ouali Mesbah. Der gemeinsam komponierte Schlusssong bringt es auf den Punkt: „Power“ ist der Schlüssel für die Rechte der Frauen!
Roland Schmitt



Deutschland
 AN ERMINIG: Plomadeg
AN ERMINIG
Plomadeg
(Leico)


An Erminig sind schon seit Jahrzehnten die führende „bretonische“ Folkband in Deutschland. Etwa alle zehn Jahre veröffentlichen sie ein Album. Mit Plomadeg haben sie jetzt ihr fünftes Werk produziert. Die Band aus dem Saarland besteht immer noch aus den drei Gründungsmitgliedern Barbara Gerdes (Harfe, Flöte, Bombarde), ihrem Mann Andreas Derow (Gesang, Akkordeon, Dudelsack) und seinem Bruder Hans-Martin Derow (Gesang, Gitarre). Auf Plomadeg haben sie sich mit einem Bassisten und einem Percussionisten verstärkt. Die Stücke sind überwiegend traditionell bretonisch, teils auch selbst geschrieben. Der Opener „Duhont“ stammt aus dem Repertoire des 2019 verstorbenen großen bretonischen Sängers Yann-Fañch Kemener, der ein Freund der Band war. Die Atmosphäre des Albums ist überwiegend erhaben, ungewöhnlich insofern das folkrockige Instrumental „Écluse Des Récollets“. Das schön gemachte Booklet enthält Informationen zu allen Stücken. Mit diesem Album werden An Erminig auch in der Bretagne Anerkennung finden, was ihnen wichtig ist.
Christian Rath
 CHRISTIAN BLEIMING, AMANDUS GRUND, IZI ONSLOW: Blues Everywhere
CHRISTIAN BLEIMING, AMANDUS GRUND, IZI ONSLOW
Blues Everywhere
(Acoustic Music Records)


Christian Bleiming, Blues- und Boogie-Woogie-Pianist aus Münster, hat hier gemeinsam mit seinem Bandkollegen Amandus Grund an der Gitarre und der Sängerin Izi Onslow ein feines Boogie-Woogie-Album eingespielt, das die Songs der Sängerin Merline Johnson, aber auch solche von Leroy Carr oder Don Raye wiederaufleben lässt. Mit klarer, kräftiger Stimme singt Izi Onslow deren Lieder aus den Dreißigern, als diese Musik die Begleitung zu den berühmt berüchtigten „House Rent Partys“ war. Christian Bleiming begleitet sie dabei mit stoischem Rhythmus, umschmeichelt ihre Stimme mit diversen Licks und Fills, während Amandus Grund das ein oder andere schöne Solo an der Jazzgitarre dazugibt oder melodisch unterstützt. Frisch, mitreißend und lebensfroh klingt es, und das liegt neben der musikalischen Qualität auch an der tollen Aufnahme und Produktion des Albums. Dieses ist auf 180 Gramm schwerem Vinyl in audiophiler Qualität veröffentlicht. Der Schallplatte ist zudem ein Downloadcode zum Herunterladen der MP3s der Songs beigefügt – für den portablen Genuss unterwegs.
Achim Hennes

 CAFÉ UNTERZUCKER: Nenn mich nicht mehr Häselein!
CAFÉ UNTERZUCKER
Nenn mich nicht mehr Häselein!
(Trikont/Indigo)


Die bayerischen Experten für gegen den Strich gebürstetes Kinderlied liefern einen erneuten Parforceritt durch zahlreiche Musikstile und kinderrelevante Themen. Diesmal widmen sich Tobias Weber und Richard Oehmann mit ihrer Combo der Welt der Tierlieder. Was oft auch im übertragenen Sinn gemeint ist, wenn etwa im Titelsong das lyrische Kinder-Ich sich freiwillig an die Regeln der Eltern zu halten bereit ist, solange die es in der Öffentlichkeit nicht mehr „Häselein“ nennen. In „Lachse“ geht es ironisch um das Familien vertraute Phänomen des Zur-Toilette-Gehens vor wichtigen Ereignissen, die sogenannte „Biesel-Profi-Lachse“. Und im grandiosen „Einhornschnitzel“ um den Tipp an alle Vegetarier und Klimaschützer, im Restaurant Gerichte von Tieren zu bestellen, die es nicht gibt. Das alles ist mit Instrumentarium von Gitarre über Banjo bis Tuba, Trompete und Bouzouki enorm amüsant gemacht, in Sachen Ironie für kleinere Kinder teils etwas anspruchsvoll, dadurch aber auch für erwachsene Mithörer ein Spaß. Wie gewohnt bildet der mit witzigen Sprechpassagen erscheinende „Chor der Romantiker“ die Klammer zwischen den Liedern. Fragt man die Zielgruppe, ist der neue Wurf absolut gelungen – zumindest im Hinblick auf den Sohn des Rezensenten …
Stefan Backes
 ENKHJARGAL DANDARVAANCHIG: Setgeliin Gunii Tsuurai
ENKHJARGAL DANDARVAANCHIG
Setgeliin Gunii Tsuurai
(Eigenverlag), mit dt. u. engl. Infos


Er ist in der musikalischen Trikolore der Violons Barbares die tuwinische Klangfarbe: Enkhjargal Dandarvaanchig, Virtuose der „Morin Chuur“, der mongolischen Pferdekopfgeige, und Meister des „Chöömii“ genannten Obertongesangs. 2002 veröffentlichte der 1968 geborene Musiker mit Hoirr Öngö sein erstes Soloalbum. Siebzehn Jahre später liegt nun sein zweites vor. „Melodien aus der Tiefe der Seele“ nennt Enkhjargal sein neues Werk, auf dem er in gewohnter Weise alle Instrumente, Geräusche und Stimmen selbst eingespielt hat. Doch ist dies für den Künstler kein Selbstzweck. Vielmehr bieten ihm diese technischen Möglichkeiten die Gelegenheit, etwa Stücke für ein Morin-Chuur-Streichquartett zu arrangieren oder verschiedene Gesangsformen zu bündeln oder aufzufächern. Oft ergänzt er auch das traditionelle Klangbild durch E-Gitarren oder Percussions. Im Gegensatz zu den Violons Barbares, die manchmal wie eine Metal-Kapelle losrocken (und folgerichtig 2019 auch in Wacken dabei waren) ist Enkhjargals zweites Soloalbum ein eher stilles, nachdenkliches Werk. Doch kein Missverständnis: Das Album enthält zwölf grandiose Klanggemälde, die es mit Neugier und Aufmerksamkeit zu entdecken gilt.
Walter Bast

 LARÚN: When The City Sleeps
LARÚN
When The City Sleeps
(Timezone), mit engl. Infos u. Texten


Wer kennt Tom Paine? Der Angloamerikaner (1736-1809) war ein streitbarer Kämpfer für Aufklärung und Menschenrechte, womit er sich in England, Frankreich und den von ihm mitgegründeten USA Freunde und Feinde machte. Freunde macht sich bestimmt die frankodeutsche Cathrine Kuhlmann mit ihrer druckvollen Interpretation des Liedes über Tom Paine aus der Feder Graham Moores. „Druckvoll“ ist sicher nicht das unpassendste Wort, um die Musik von Larún zu beschreiben, einer neuen Band aus dem Umfeld der Bonner Irish-Session-Szene, deren Mitglieder sich teilweise in Deutschland, Asturien und anderswo in verschiedenen Bands bereits Namen erspielt haben. So Stefan Decker (Flötist bei Crosswind und DerElligh), Fransika Urton (Geigerin bei Dán und Blue), Cornelius „Zorny“ Bode (Gitarrist bei Emerald und Trasnú), Borja Baragaño (Piper der asturischen Band Llangres und bei Texu). Aber auch Neulinge sind dabei wie Bodhránspieler Markus Pede und eben Sängerin Catherine Kuhlmann. Es ist zwar kein Ire dabei, aber was sie da fabrizieren, kann sich lückenlos in die Musik der besten irischen Bands einreihen. Allerdings muss man Tempo mögen.
Michael A. Schmiedel
 VIOLETTA PARISINI: Alles Bleibt
VIOLETTA PARISINI
Alles Bleibt
(Else Rec), mit Texten u. Infos


Sich der deutschsprachigen Popmusik zu verschreiben, ist angesichts der allgegenwärtigen Bendzko-/Forster-Belanglosigkeiten ein echtes Wagnis. Künstler müssen regelrecht Überzeugungsarbeit leisten, damit Hörer bereit sind, noch hinzuhören. Hört man doch hin, wird man bisweilen belohnt, wie im Fall der Musikerin Violetta Parisini. Klingen die ersten Töne noch wie ein (gutes) Plagiat der Kleingeldprinzessin, wird mit dem Einsatz einer ganzen Soundwand von Instrumenten klar, dass das Genre Liedermacher hier nur am Rande bedient wird. Schlagzeug und Bass rocken wie im guten Mainstream, Geige oder Klavier setzen passende Akzente zur erschlagenden Wirkung der Begleitmusik. Der Wechsel zwischen spärlicher Instrumentierung und üppiger Soundlandschaft erzeugt eine nervöse Grundstimmung, die von den treibenden Beats noch zusätzlich betont wird. Dazu passen hervorragend die persönlichen Texte der Künstlerin, die sich eher mit eigenem Selbstzweifel und Orientierungslosigkeit beschäftigen als mit Weltversteherverbesserungsratschlägen. Damit sorgt die Künstlerin für Verständnis und erreicht gleichzeitig eine wohltuende Distanz. Alles Bleibt von Violetta Parisini wirkt wie ein Küchengespräch unter engen Freunden.
Chris Elstrodt

 REINIG, BRAUN + BÖHM: Neun Lieder
REINIG, BRAUN + BÖHM
Neun Lieder
(Pfalz Records)


Zum zwanzigjährigen Bandjubiläum gönnen sich die drei Ludwigshafener Mundartfolker erstmals ein Album, mit dem sie neue Wege beschreiten, auf den Pfälzer Dialekt verzichten und hochdeutsche Lieder eingespielt haben. Es ist eine brillant arrangierte, gefühlvoll gesungene Hommage an eine Handvoll deutschsprachiger Liedermacher wie Georg Danzer, Bernie Conrads, Reinhard Mey, Franz Josef Degenhardt und andere, Künstler, die über viele Jahre Paul Reinig, Peter Braun und Rüdiger Böhm beeinflusst haben. Zentrale Themen sind die Begriffe „Freiheit“ und „Heimat“, als „Raum, wo wir uns frei und geborgen fühlen, frei denken und reden, uns künstlerisch entfalten können“, wie es in den Liner Notes heißt. Dem Terminus „Heimat“ kommt auf dem mittlerweile fünften Album des Trios eine besondere Bedeutung zu durch den geflüchteten Oudvirtuosen und Sänger Samer Alhalabi, der sein Vaterland Syrien verlassen musste. Er ist eine Bereicherung der filigranen Arrangements seiner drei deutschen Kollegen, denen er mit seiner Kunst neue musikalische Horizonte eröffnet. Außerdem steuert er eines der beiden Instrumentalstücke bei und ein Lied des ägyptischen Komponisten Sayed Darwish („Mahla Nourha“), das ein rundum schönes Album beschließt.
Ulrich Joosten
 UHLENFLUG : Dulcis Amor
UHLENFLUG
Dulcis Amor
(Hufnagel)


Das Mittelalter muss nicht laut sein! Jenseits von lärmender Marktmusik und feuchtfröhlichem Kneipengesang bieten die Berliner Spielleute, die seit 2007 als Gruppe bestehen, gepflegte, handwerklich stimmige Alte Musik. Neben Gesangsstücken, u. a. in Latein und Mittelhochdeutsch, finden sich auch einige modernere Stücke wie „Dreierhopp“, ein galizischer Walzer, oder „Heidschnucken-Dans“ von Christoph Pelgen. Die Lieder und Tänze stammen aus ganz Europa, aus den altspanischen Cantigas, aus dem England und Frankreich des 13. Jh., aus der Berliner Neidhardt-Handschrift – sogar traditionelle sephardische und mallorquinische Stücke sind dabei. Historische Instrumente wie Drehleier, drei verschiedene Dudelsäcke, Rauschpfeifen, Krummhörner und Harfe kommen zum Einsatz. Es ist angenehm entspannte Zuhörmusik, nur Tänze wie die „Flotte Charlotte“ und Percussion (Tamburello, Rahmentrommeln, Glocken) bringen etwas Tempo und Druck in die oft geruhsamen Stücke. Folker-Webmasterin und Drehleierlehrerin Cosima Hoffmann ist Teil von Uhlenflug und brachte ihre Stärken in diese ausgewogene und harmonische CD ein.
Piet Pollack

Europa
 ÁSGEIR : Bury The Moon
ÁSGEIR
Bury The Moon
(Embassy Of Music), mit Texten


Ásgeir schafft es mit seiner Musik, Hörer jeder Stilrichtung zu begeistern. Musikalisch im beliebten Indie-Folkpop-Genre angesiedelt, in guter Nachbarschaft zu Arcade Fire und Fink, überraschte Ásgeir bereits mit seinem ersten Album die Musikwelt. Nun erscheint mit Bury The Moon bereits das dritte Werk des sympathischen Isländers. Der Mischung von Folk und Pop mischt Ásgeir einige moderne Dance-Elemente hinzu und reduziert gleichzeitig seinen Gesang ins beinah Minimalistische. Dadurch erzeugt der Isländer eine treibende Wall of Sound, die durch den Einsatz von Bläsern noch verstärkt wird. Gleichzeitig klingt Ásgeir verletzlich und sanft, wie man es vielleicht noch von Ry X gewohnt ist. Ásgeir bleibt sich selbst treu und entwickelt seinen „Island-Dream-Pop“ konsequent weiter. So bleibt auch beim schwierigen dritten Album die Spannung erhalten, ohne dass der Künstler sich einem Wandel unterziehen musste. Ásgeir schafft es mit Bury The Moon, sich als Marke zu etablieren und selbst eine Referenz einer ganzen Stilrichtung zu schaffen. Jenseits von Festivals wie dem Haldern Pop ist Ásgeir nun bereit für den großen Durchbruch.
Chris Elstrodt
 COMPANHIA DE CANTO POPULAR: Rebento
COMPANHIA DE CANTO POPULAR
Rebento
(Sons Vadios), mit portug. Texten u. Infos


Eine Art Supergroup des portugiesischen Folk, neun teils singende Instrumentalisten von so bedeutenden Ensembles wie den Gaiteros de Lisboa, legt hier die Albumtitel-gebende „Saat“ für vielleicht ja mehr Livekooperationen. In den knapp sechzig Minuten gerät man Stück für Stück in recht verschiedene klangliche, stilistische und atmosphärische Gefilde. So fühlt man sich – zumindest beim ersten Hören – zugegebenermaßen ein wenig wie in einem Gemischtwarenladen, der auf kleinem Raum vieles anbieten möchte. Bisweilen klingen die mal akustischer, mal elektrifizierter umgesetzten Songs sogar so, als seien sie gar nicht an einem Ort unter gleichen Studiobedingungen aufgenommen worden. Man hat es halt hier mit einem altersmäßig sympathisch breitgefächerten Verbund zu tun, der mit seinem Kollektivgeist vermutlich jedem seine Stimme und seine Räume geben wollte innerhalb dieser Gruppenarbeit. Eröffnet wird der Reigen der dreizehn Traditionals und Eigenkompositionen recht weihevoll mit José Afonsos vielfach interpretiertem Klassiker „Tu Gitana“. Später trifft ein kurioser, altertümlicher Rap auf Konzertina, Keyboard, Schlagzeug und Geige. Hörer müssen etwas übrig haben für liebevolle Unberechenbarkeit.
Katrin Wilke

 CUEJERO: Inmerso
CUEJERO
Inmerso
(GMC Records), mit span. Texten, engl. Textübersetzungen u. engl. Infos


„Bass macht Spaß, besonders wenn mit Flamenco verbunden sowie der Möglichkeit, eigene Stücke in eigenen Arrangements zu präsentieren.“ So oder ähnlich könnte das Motto des in Finnland lebenden spanischen Musikwissenschaftlers und studierten Bassisten Javier Sánchez Pérez lauten, der bereits 2016 mit dem Album Cuejero aufgefallen war. Damals schien das der Titel der Platte, heute ist es wohl der Name der Formation, zu der auch die Finnen Lotta-Maria Pitkänen (Geige) und Toni Jokiniitty (Flamencogitarre) sowie der Chilene Ricardo Padilla (Percussion) gehören. Doch damit nicht genug. In sechs von acht Stücken lässt Sánchez gleich zwölf Bläser sowie E-Gitarre, Drums und zusätzliche Percussion aufmarschieren. Und dann sind da noch gelegentliche Gesänge von Rafita de Madrid und Enrique Bermúdez Piculabe, zwei aufsteigenden Stars der aktuellen Flamencoszene, sowie Gastspiele des ultravielseitigen Maher Mahmoud an der Oud, von Sattar AlSaadi an Ney und Riqq sowie von Beltrán Cubel Gajas an der Bratsche. Eine epische und nie langweilige Mixtur, bei der die Bläsersätze grandiose Harmoniegebäude insbesondere über den arabisch gefärbten Stücken errichten.
Ines Körver
 JOOST DIJKEMA: Time Thief
JOOST DIJKEMA
Time Thief
(Twin Dimension Records)


Der Einstieg ins Album mit flottem Flageolett und Slidetechnik auf der Zwölfsaitigen lässt schnell Erinnerungen an Gitarrenvirtuosen wie Leo Kottke und Michael Chapman aufscheinen. Tatsächlich zählt der in Groningen lebende Joost Dijkema beide zu seinen Einflüssen. Die Fähigkeiten des Niederländers gehen aber über die Gitarre hinaus. Auf den Songs spielt er Flöte, Bass, Schlagzeug und Banjo, und in Sachen Hauptinstrument wechselt er schon mal zur sechssaitigen Akustischen sowie zur E-Gitarre. Seine Virtuosität bleibt kein Selbstzweck, sondern dient den Stücken und deren oft dichter Atmosphäre. Grenzen überschreitet er offenbar mit Lust, da mutet die Gitarre auf „Plastic Seawater“ wie eine Sitar an oder es finden sich Spuren von Renaissancemusik. „Spring Fever“ zieht die Verbindung zu klassischem Folkrock der Marke Fairport, während mit „To Make Us Believe“ eine melancholische Ballade Höhepunkte setzt. Instrumentals wechseln mit Gesangsstücken ab, Dijkemas Stimme passt und wirkt in ihrer Lässigkeit stark knopfleresk. Der Dreißigjährige zeigt auf seinem zweiten Album viel Liebe zu vergangenen Klangidealen, die er perfekt verinnerlicht hat. Vertrautes Gelände mit Wohlfühlfaktor.
Volker Dick

 JIGJAM: Phoenix
JIGJAM
Phoenix
(Eigenverlag)


Es ist natürlich nur eine Theorie: Da haben ein paar musikalisch fitte Jungs aus dem irischen County Offaly irgendwann zwischen 2012 und 2014 die Musik der Brüder von We Banjo 3 gehört und waren begeistert. Das können wir auch – und tatsächlich, sie können es! Das Quartett um Leadsänger Jamie McKeogh hat als JigJam seine eigene Version der erfolgsversprechenden Mixtur aus Irish Folk, Bluegrass und Americana gefunden, gelegentliche Soundüberschneidungen mit We Banjo 3 nicht ausgeschlossen. Gitarren, diverse Banjos, Mandolinen, Bouzouki, Harmonika, Dobro, Kontrabass und Fiddle plus sauberer Satzgesang machen ihr viertes Album seit 2014 zu einem Hörgenuss. Diese Musik ist auf beiden Seiten des Atlantiks populär, und die Tourneepläne beweisen das. Wenn man dann noch, wie Hauptsongschreiber McKeogh, mit Songs wie „Tullamore To Boston“ clever das Publikum hier wie dort bedient und ab und zu den Fuß auf das Gaspedal setzt, z. B. bei den Traditionals, dann ist der Erfolg fast schon vorprogrammiert. Aber können muss man schon was, und JigJam können es.
Mike Kamp
 LORRAINE JORDAN: Send My Soul
LORRAINE JORDAN
Send My Soul
(Hazellville Music), mit engl. Texten


Kein Hörer und kein Rezensent kennen die genaue Geschichte hinter einem bestimmten Album – und Geschichten stecken hinter jeder CD, die weit über Texte und Musik hinausgehen. Manchmal können wir sie vielleicht erahnen, weil sie un- und unterbewusst mitschwingen. Dies ist Lorraine Jordans fünftes Studiowerk. Nein, die Waliserin mit irischen Wurzeln und schottischem Hintergrund verwöhnt uns nicht mit der Menge, sondern mit der Qualität ihrer Songs, zutiefst persönlich und manchmal die Gesellschaft reflektierend, keltisch gefärbt und mit ihrem ganz eigenen Soul in der Stimme. Jordan hat eine beeindruckende Zahl an musikalischen Kollaborateuren ins Studio geholt, vom Percussionisten Cormac Byrne über den Saitenmann Sean Whelan bis zur Low Whistle des Steafan Hannigan. Und dann die Songs, die man hören muss, weil musikalische Emotionen für die Ohren und das Herz bestimmt sind und nicht für Worte. Höhepunkte sind seltsamerweise zwei Lieder, die mit der Metapher „Fluss“ arbeiten, das wunderbare Titelstück und das packende „The Riverside“. Alles hervorragend produziert von Lorraine Jordan und ihrer Partnerin Debbie Dickinson, und auch dahinter verbirgt sich eine Geschichte von Liebe und Verlust.
Mike Kamp

 DAVID KEENAN: A Beginners Guide To Bravery
DAVID KEENAN
A Beginners Guide To Bravery
(Rubyworks), mit Songtexten u. Infos


Ein junger irischer Musiker, aufgewachsen in Dundalk und Liverpool, sorgt für erhebliches akustisches „Aufsehen“. Folk ist die falsche Kategorie für dieses Debüt. Nur minimalistisch ist der Anteil an Fiddle und Banjo an dieser von Gitarren, Drums, Fender Rhodes und Bass dominierten Aufnahme. Sehr irisch? Ja, es sind die extravaganten, intelligenten Texte und sein Gesang, die hier gefangen nehmen! Mit offenem Herz und Ohr für irische Klassiker wie Samuel Beckett und James Joyce, die hier subtil eingeflossen sind, erzählt Keenan in meisterlichen Lyrics von den Verlierern, von skurrilen Charakteren, deren Wichtigkeit sich allein aus ihrem Dasein, der zufälligen Begegnung auf der Straße, in einer dunklen Gasse Dublins ableiten. Seine begnadete, soulige Stimme erinnert in ihrer Vielfältigkeit, Überschlagen des Stimmtimbres, kunstvollen Momentimprovisationen, dem melodischen Umspielen von Themen an große irische Zeitgenossen und Veteranen wie Liam O’Maonlai von den Hothouse Flowers oder Van Morrison. Wie in Ulysses beherrschen die im so typischen irischen Straßenslang gesprochenen, erzählten, geschrienen Worte die Szene, losgelöst von einer stringenten Message. Gesangstechnisch, musikalisch und sprachlich mitreißend, umwerfend kunstvoll und faszinierend!
Johannes Schiefner
 MARIA MAZZOTTA: Amoreamaro
MARIA MAZZOTTA
Amoreamaro
(Agualoca Records)


In Amoreamaro („bittere Liebe“), besingt die Ex-Sängerin des Canzoniere Grecanico Salentino die Liebe aus der Sicht der Frauen. Das Spektrum reicht von der großen, zärtlichen Liebe bis zu Leid und Missbrauch. Maria Mazzotta bringt mit ihrer Stimme die nötige Intensität auf, diese Themen glaubwürdig rüberzubringen, etwa im abgrundtief tragischen Traditional „Scura Maje“, den Lina Werthmüller in D’Amore e d’Anarchia 1973 bekanntgemacht hatte. Eindrücklich, wie der Madagasse Bruno Galeone mit fast hypnotischen Akkordeonlinien die Kraft des Gesangs unterstreicht. Das Titelstück, eine Eigenkomposition von Maria Mazzotta, ist vielleicht der Höhepunkt dieses gefühlsbetonten Albums. Die Sängerin und ihr Akkordeonist steigern sich darin mithilfe des Didgeridoospielers Andrea Presa sechseinhalb Minuten lang bis zum atemlosen Zenit. Das Lied dreht sich nicht nur um die Heilung der von der Tarantel Gestochenen, sondern um eine Welt, die aus den Fugen geraten ist. Der Salentinerin gelingt es so, traditionelle, leider zeitlose Inhalte mit der Aktualität zu verknüpfen. Ein starkes Album mit einer bewegenden Stimme und einfühlsamer Akkordeon- und Klavierbegleitung von Bruno Galeone.
Martin Steiner

 MEJRAM: Mejram
MEJRAM
Mejram
(Kakafon Records)


Die schwedische Band Mejram („Majoran“) spielt auf ihrem Debütalbum einen ausgefallenen Stilmix aus amerikanischem Country und Schwedenfolk. Auf ihrer musikalischen Reise aus dem europäischen Norden nach Nashville legen sie zudem längere Stopps in Irland und Schottland ein. Amanda Frisk (Mandoline, Piano) mit ihren drei Bandkollegen Jonatan Hansson (Gitarre, Drums), Marcus Fenn (Bass, Bouzouki) und Gabriella Josefsson (Violine) gelingt das Kunststück, Appalachen und Nordsee selbstsicher und kompetent zu verheiraten. In der Single „Erase You“ baut sich das gar zu einer drängenden Emotion auf, die auch von den Dixie Chicks stammen könnte. Kennengelernt haben die vier Hipster sich auf der Academy of Music and Drama in Göteborg. Und etwas Drama muten sie ihren Hörern auch zu, wenn sich ihr mehrstimmiger Gesang mal kammerspielartig für die Kleinkunstbühne beschränkt, mal im üppigen „Kallar Du“ stadiontauglich ausgreift. In der Summe klingt das durchaus anspruchsvoll, eine mutige Vision, die in englischer (fünfmal) und schwedischer Sprache (viermal), einem Instrumental sowie geschmackvollem Artwork artikuliert wird.
Martin Wimmer
 NAVARRA: I Ljusningen
NAVARRA
I Ljusningen
(Kakafonrecords), mit schwed. Texten


Navarra, das klingt spanisch, aber Navarra ist eine schwedische Band, die Inspirationen aus vielen Ländern aufsaugt und dann doch sehr schwedisch klingt. Das erste Stück hört sich nach schwedischem Popfolk an, was natürlich bange Ahnungen weckt. Beim zweiten Stück dann („Der Schnee fällt“) setzt eine sehr schwedische Geige ein (gespielt von Erika Risinger), gesangliche Harmonien bezaubern, wie sie typisch für manche schwedische Gesangsstile sind, und es wird immer schwedischer, vor allem klingt es nach Värmland. Ab Stück drei („Der Vogel“) wähnt sich die Hörerin ehrwürdiger musikalischer Überlieferung gegenüber, aber nix, alle Lieder wurden verfasst von den Bandmitgliedern Arvid Kästel und Sofia Kunze. Die beiden spielen gekonnt mit Motiven aus schwedischen Volks- und Kinderliedern, sie lieben Zungenbrecher, und immer wieder überraschen die Texte, die total von heute sind. Die aus Somalia geflüchtete Frau wird angesprochen und in Schweden willkommen geheißen, der aufdringliche Telefonverkäufer wird mit dem verdienten Spott überschüttet. Ein Album, auf dem musikalisch ungeheuer viel los ist; mindestens die Hälfte der Lieder haben das Zeug zum unvergesslichen Ohrwurm.
Gabriele Haefs

 ENRIQUE HEREDIA NEGRI: Bolero Solo
ENRIQUE HEREDIA NEGRI
Bolero Solo
(Rumorecords)


Gute Flamenco-Pop-Fusionen sollte man nicht nur mit deren einstiger Pionierband Ketama assoziieren, die – kürzlich wiedervereint – leider etwas unkreativ an alte Erfolge anzuknüpfen versucht. Ketamas jüngere Seelenverwandte sind die 1991 ebenfalls in Madrid formierten La Barbería del Sur. Ihre Mitglieder wandeln schon seit den Zweitausendern auf jeweils eigenen Pfaden. So auch der hervorragende, über Flamenco hinaus in Jazz, Tango, Bolero u. a. Latinstilen versierte Leadsänger, der hiermit sein sechstes, doch nicht erstes Boleroalbum vorlegt. Für deutsche Ohren mag der Crooner sehr romantisch klingen. Doch hat der 1972 in eine musiktraditionsreiche Gitano-Familie hineingeborene, mit reichlich Wissen ausgestatte Madrilene in seinem gefühlsintensiven, so fragilen wie energiegeladenen Gesang etwas Unverwechselbares und die Gunst von Publikum und Kollegen. Illustre Gäste wie der Pianist Chano Domínguez und zwei Top-Trompeter – der mittlerweile verstorbene Jerry González und der auch mit Ketama arbeitende Kubaner Manuel Machado –, unterstützen denn auch die superbe intime Duoarbeit von Negri und Pepe Rivero. Dieser schon lange in Madrid lebende Pianist aus Kuba gehört zu den exzellentesten der jüngeren Generation.
Katrin Wilke
 POKOŠOVCI: L’Udová Hudba Pokošovci 2
POKOŠOVCI
L’Udová Hudba Pokošovci 2
(Tradana), mit engl. u. slowak. Infos sowie orig. Texten


Die ländliche Region Osteuropas ist ein unerschöpfliches Reservoir an herausragenden Künstlern und musikalischer Vielfalt. Ein beeindruckendes Beispiel ist die zweite Veröffentlichung des in der Nähe der Hohen Tatra in der Slowakei beheimateten Roma-Ensembles Pokošovci. Die drei Pokoš-Brüder Miroslav, Radoslav und Stanislav, ihr Cousin Vladimir sowie ein Familienfreund präsentieren auf ihrem Doppelalbum einen leidenschaftlich vorgetragenen Einblick in die traditionelle Musik der Slowaken und Roma ihrer Region. Dabei geht es ihnen nicht um die Bewahrung bestimmter Stücke. Vielmehr wollen sie zeigen, wie sie die traditionellen schnellen Tänze und Balladen bis heute auf vielen Hochzeiten, Familienfesten oder öffentlichen Anlässen in den Dörfern lebendig erhalten. Ihr Spiel auf der Violine, der Viola, dem Kontrabass sowie dem Akkordeon ist ein Genuss. Atemberaubend ist jedoch der mehrstimmige Gesang, der für ihre Heimat typisch ist. Um die stilistische Breite der Romamusik zu demonstrieren, haben die Pokoš-Brüder zudem zahlreiche Gäste eingeladen. Während dies auf der ersten CD vor allem hervorragende lokale Sängerinnen sind, wird das Line-up auf CD zwei um das traditionelle Hackbrett erweitert. Ein exzellentes Album sowohl für Liebhaber der Romamusik als auch Musikethnologen.
Erik Prochnow

 VEDAN KOLOD: Wild Games
VEDAN KOLOD
Wild Games
(CPL-Music), mit kyrill. u. engl. Texten


Das Trio aus dem sibirischen Krasnojarsk hat sich seit seiner Gründung 2005 das Ziel gesetzt, den eigenen Musiktraditionen aus vorchristlicher Zeit bzw. dem Mittelalter nachzuspüren und sie in möglichst authentischer Form wiederaufzuführen. Nach intensivem Quellenstudium in russischen Archiven hatten Tatiana Naryshkina, ihr Bruder Valery Naryshkin und ihrer beider Cousine Daryana Antipova genug Material zusammen für das erste Album, The Tribes. Fünfzehn Jahre später liegt mit Wild Games ihr insgesamt neunter Tonträger vor, der in gewisser Hinsicht an das Debüt von 2005 anknüpft, enthält er doch schwerpunktmäßig wieder mehr Stücke, die die schamanische Musik Sibiriens dokumentieren. Und auch beim Instrumentarium bleibt alles beim Alten. Archaische Blas-, Zupf- und Schlaginstrumente, teils von Valery Naryshkin mit viel Detailkenntnis restauriert oder gar nachgebaut, sorgen für ein außergewöhnliches Klangerlebnis. Wenn der Begriff „historische Aufführungspraxis“ jemals Sinn gehabt haben sollte, dann hier. Alles in allem ist das „Jubiläumsalbum“ von Vedan Kolod erneut ein hochspannendes Dokument einer musikalischen Zeitreise in die Vergangenheit geworden. Und das ganz ohne Zeitmaschine.
Walter Bast



Nordamerika
 THE BALLROOM THIEVES: Unlovely
THE BALLROOM THIEVES
Unlovely
(Nettwerk Music)


Das Trio aus Boston spielt sich in seinen komplex arrangierten Protestsongs seinen Frust über ein Amerika ab, in dem der Präsident Klientelpolitik macht, statt für alle Amerikaner da zu sein. Lieder zwischen Verzweiflung und Hoffnung und über problematische Beziehungen und Liebe. Das sind jede Menge Kontraste, die sich auch in einem Wechsel von männlichen und weiblichen Stimmen widerspiegeln sowie den Stilelementen einzelner Songs zwischen altem Soul, Folk, süßlichem Backgroundchor, Country und Heavy Metal, Kontraste, die die Stücke überraschend und abwechslungsreich machen und Genregrenzen ignorieren. Die ungewohnten Arrangements sind zwar interessant, verhindern aber manchmal auch, dass die Kompositionen genug erkennbares Profil haben und man wirklich davon berührt wird. Insofern überzeugen die einfachsten Songs am ehesten, das leichtfüßige „Love Is Easy“, das dahinschwebende „For Hitchens“ oder das nur mit einem gezupften Cello untermalte „Pendulum“. Das hat eine leise und für die Gruppe schon wieder ungewohnte Atmosphäre.
Hans-Jürgen Lenhart
 MARLA GLEN: Unexpected
MARLA GLEN
Unexpected
(Mohr Publishing)


Unerwartet erschien in den frühen Neunzigern eine Sängerin auf den europäischen Festivals, die bald vom Geheimtipp zum gefeierten Star wurde. Marla Glen ist mit einer rauen, tiefen Stimme gesegnet, mit der sie alles zwischen Soul, Gospel, Blues und Jazz interpretiert. Ihre Konzerte waren schon immer ein Fest, sowohl für das Publikum, welches erstklassige Musik mit einer lebhaften und authentischen Sängerin erleben konnte, als auch für Marla Glen selbst, die sichtbar Inbrunst in ihre Songs legt. Es folgten zwei sehr erfolgreiche Plattenveröffentlichungen, und dann – lange Jahre nichts bzw. kaum mehr etwas. Umso unerwarteter kommt nun dieser Paukenschlag. Die Stimme ist nochmals etwas nachgedunkelt. Das musikalische Repertoire gründet nach wie vor in Blues und Jazz, dieser ist immer in jedem Timbre vorhanden, und damit lotet sie alles aus, was die populäre Musik so zu bieten hat. Vom kernigen Countryblues über Bluegrass, 1970er-Soul und Funk weiter zu Disco und Dancefloor, auch ein Folksong und eine Gospelballade werden geboten. Egal, ob man den Sologesang, instrumentale Begleitung, Arrangement, Komposition, Interpretation bewertet – diese Platte ist eine musikalische Offenbarung.
Achim Hennes

 THE GOTHIC COWBOY & MANDO DAN: Between The Wars
THE GOTHIC COWBOY & MANDO DAN
Between The Wars
(Eigenverlag)


Die Songs von Melvin „Gothic Cowboy“ Litton wirken wie Auszüge aus dicken Büchern, in denen biblische Themen verhandelt werden. Tatsächlich ist Litton nicht nur Songschreiber, sondern auch Dichter, der mehrere Romane und Gedichtbände veröffentlicht hat. Die Musik ist darüber hinaus eine Konstante in seinem Leben, und tatsächlich gibt es wohl Geschichten, die sich besser zu Musik als in einem Buch erzählen lassen. Auf dem Doppelalbum Between The Wars erzählt Litton hauptsächlich Geschichten aus der Vergangenheit, aus einer Welt, in der Armut und Fatalismus eine Art natürlicher Lebenszustand waren, der vor allem zwischen den Kriegen bestand, die häufig über die Menschen hereinbrachen. Country, Folk und Blues sind die Stile, derer sich Litton bedient, um seine seelenschweren Geschichten zu erzählen. Im Schlepptau hat er Mando Dan, der mit seiner Mandoline den geradlinigen Songs die kleinen, doch aufreizenden Schnörkel verleiht, die sie brauchen, um unterscheidbar zu sein. Obwohl immer dunkle Wolken am Songschreiberhimmel von Litton hängen, strahlt die Musik trotzdem etwas Tröstliches aus und ist nicht ausschließlich fatalistisch.
Michael Freerix
 HELLO EMERSON: How To Cook Everything
HELLO EMERSON
How To Cook Everything
(K&F Records), mit engl. Texten


Wenn ein Album nach einem Kochbuch benannt ist, scheint es logisch, dass die Songtexte im Booklet fast wie Rezepte zu lesen sind. Über den Instrumentierungen steht „Zutaten“, und selbst Tonart und Tempo eines Stücks sind genau notiert. Das passt zum schrägen Humor der Band aus Columbus, Ohio, der immer wieder durchscheint. Etwa in „We Lost“, das sich über eine beim Fußball gebrochene Nase auslässt und die Frage aufwirft, ob das Gesicht nun besser aussieht. Musikalisch besitzt der Song den Skurrilitätsfaktor der Marke They Might Be Giants. Häufig mögen es die US-Amerikaner groß und üppig, ohne dass die Musik schwer im Magen liegen bleibt. Der Opener „The Last Dinner“ (!) beispielsweise beginnt sehr still, schwingt sich dann aber dank großzügigen Bläsereinsatzes in schwindelnde Höhen auf. Und am anderen Ende des Albums, das mit „Seat 16b“ schließt, mobilisiert die Band um ihren 25-jährigen Songschreiber Sam Bodary einen 30-köpfigen Chor in der hymnisch gesungenen Zeile „There’s a first time for everything“. Zwischen Folk, Country und Jazz liefern die Jungs zudem den perfekten modernen Liebesbeweis: „I bought a real alarm clock so you know I want you more than I want my phone.“
Volker Dick

 JUDE JOHNSTONE: Living Room
JUDE JOHNSTONE
Living Room
(BoJak Records)


Bonnie Raitt, Emmylou Harris, Bette Midler haben ihre Lieder gesungen. Für Trisha Yearwood schrieb sie einen Nummer-eins-Hit genauso wie für das gleichnamige Album von Johnny Cash „Unchained“. Dennoch ist die Pianistin ein Geheimtipp geblieben. Auch ihr achtes Album soll sie nicht in die Charts katapultieren. Bewusst hat sie sich für eine intime Wohnzimmeratmosphäre entschieden, in der ihre Beziehungslieder perfekt zur Geltung kommen. Das Piano ist nie aufdringlich, keine Fingerfertigkeit wird ausgestellt, das Spiel bleibt immer im Dienst der introvertierten Stimmung. Cello, Pedal Steel, Akkordeon im Hintergrund, eine Posaune setzt sanft-jazzige Akzente. Einzig die gelegentliche Penny Whistle weckt ein etwas überraschendes Gutes-altes-Irland-Gefühl. Dreimal gibt Johnstone das Mikro aus der Hand, dann übernehmen Hunter Nelson, Brandon Jesse und Ben Glover. Als hätten Jimmy Webb und Carole King sich zusammengesetzt, um ein paar Klassiker für das Great American Songbook zu ergänzen. Üppig ausgestattet mit Hochglanzbooklet und Texten, ist Living Room das perfekte Accessoire für gediegene Wohnzimmer mit Kaminfeuer.
Martin Wimmer
 MÉLISANDE [ÉLECTROTRAD]: Les Myriades
MÉLISANDE [ÉLECTROTRAD]
Les Myriades
(Borealis Records), mit Texten, engl. u. franz. Infos


Die Optik ist glatt und futuristisch. Und der Sound? Dance, Beats, Techno, Bass, programmierte Maschinenmusik. Okay, kann man machen, aber was hat das in dieser Zeitschrift zu suchen? Jede Menge, und zwar aus diversen Gründen. Das Kernduo von Mélisande [Electrotrad] ist ein Ehepaar, er der Sohn der Montrealer Folklegende Gilles Garand, sie eine anerkannte traditionelle Sängerin. Begleitet werden beide von dem Synthieprogrammierer Gabriel Ethier und dem Fiddler und Banjospieler David Boulanger. Die Lieder sind nicht nur allesamt traditionell, sie wurden vom Ehepaar Alexandre de Grosbois-Garand/Mélisande Gélinas-Fauteux persönlich von älteren traditionellen Sängern aufgenommen, Feldforschung par excellence. Herausgekommen ist ein überaus reizender Bastard. Die Musik wäre bei wilden Rave Partys morgens um drei problemlos tanzbar, aber die Melodien und Songstrukturen sind trotzdem deutlich hörbar traditionell bis in die kleinen Details der Fußpercussion. Das ist Album Nummer drei dieses Duos, das mit dieser Musik von Rudolstadt bis Ibiza oder Goa die Menschen zum Tanzen bringen könnte. Das können nicht viele Künstler von sich behaupten.
Mike Kamp

 BILL RANDEN : The Later Tapes Vol. 1 Antiquities
BILL RANDEN
The Later Tapes Vol. 1 Antiquities
(Eigenverlag)


Randen ist in der Singer/Songwriter-Szene von Austin, Texas beheimatet. In den vergangenen Jahren hat er viele andere Musiker aus dieser Szene in seinem Studio produziert und sein eigenes Schaffen etwas vernachlässigt. Nach sieben Jahren kommt nun ein eigenes Album auf den Markt, das Randen konsequent im Alleingang eingespielt hat. Das ist allerdings kein Mangel, flüssig und durchdacht kommen die Songs daher. Da merkt man die Professionalität dieser Musikerpersönlichkeit. Beim ersten Hören wirken seine Songs sehr dicht, manchmal zu dicht an seinen Vorbildern Bob Dylan und Tom Petty orientiert. Erst nach mehrfachem Hören entwickelt sich die tragisch-epische Atmosphäre dieser an kalte Steppenlandschaften erinnernden Musik voll. Orchestral wirkt dieses häufig von der zwölfsaitigen Gitarre dominierte Album, dessen Klang ausschließlich auf akustische Gitarren, Gesang und Mundharmonika setzt, in das sich manchmal ein Harmonium einschleicht. Angenehm altmodisch mutet das alles an, wie ein verlorener Schatz aus den Sechzigerjahren. Die Songs handeln hauptsächlich von Verlust und unerfüllten Gefühlen, von zwischenmenschlichen Unwägbarkeiten, die Randen auf dichte, doch auch karge Art und Weise zu erzählen weiß.
Michael Freerix
 THE YEHLA COLLECTIVE: Steel Strings And Iron Curtains
THE YEHLA COLLECTIVE
Steel Strings And Iron Curtains
(Plamen Press), mit engl. Texten u. Infos


Der Kommunismus war ein fruchtbarer Boden für politische Lieder mit einer außerordentlichen poetischen Strahlkraft. Nicht nur in der DDR, auch in der Tschechoslowakei gab es zahlreiche herausragende verfolgte und bis heute verehrte Liedermacher, allen voran der bereits verstorbene Karel Kryl und Jaromir Nohavica. Ihre Protestlieder wurden nicht nur zur Stimme des Widerstandes gegen das diktatorische Regime, sie trugen letztlich zum Fall des Eisernen Vorhangs bei. Im Westen sind diese tschechischen Dichter an der Gitarre jedoch nur wenigen bekannt. Das möchte der in Washington, D. C., ansässige Verlag Plamen Press mit einem ungewöhnlichen Projekt ändern. Die Organisation ist spezialisiert auf die Verbreitung osteuropäischer Kultur im englischsprachigen Raum. Anlässlich des dreißigsten Jahrestags der Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei präsentiert der Verlag erstmals zehn bedeutende Protestsongs der beiden tschechischen Liedermacher in Englisch. Dafür wurde eigens ein achtköpfiges Ensemble aus in den USA lebenden amerikanischen, tschechischen, slowakischen und armenischen Musikern zusammengestellt. Die hervorragenden Arrangements und Übersetzungen geben einen sehr guten Einblick in das lyrische und musikalische Talent von Kryl und Nohavica.
Erik Prochnow

Lateinamerika
 Sergio Mendes : In The Key Of Joy
Sergio Mendes
In The Key Of Joy
(Concord)


Sergio Mendes, der kommerziell erfolgreichste brasilianische Musiker, feiert dieses Jahr sein sechzigjähriges Bühnenjubiläum. Seine Verbindung von brasilianischer mit amerikanischer Musik und modernen Stilrichtungen sowie die Einbindung angesagter Stars aus ganz Amerika haben ihn fast immer auf der Erfolgswelle schwimmen lassen. Nicht verzichten will Mendes nach wie vor auf die etwas abgenutzte Verbindung Samba und Rap. Aber er macht mehr daraus als eine modische Zugabe für jüngere Konsumenten. Auch beim Einsatz des kolumbianischen Duos Cali y El Dandee bekommt Mendes selbst den kommerziellen Reggaeton einigermaßen akzeptabel hin. Trotz mancher Anbiederung finden sich auf jedem Mendes-Album Titel, die so gut sind, dass man das erst mal hinkriegen muss. Wenn man von brasilianischer Musik hohe Energie und Tanzbarkeit erwartet, dann ist man hier richtig. „Muganga“ hat genau das, knackige Percussion vermischt mit funkigen Bläsern und dem typischen Brasil-66-Satzgesang. Den besten Titel aber liefert der brasilianische Akustikgitarrist Guinga. Sein „Tangara“ ist ein luftiges Tanzen auf den Saiten, ein Hauchen, ein summendes Singen, gefühlvoll und rhythmisch zugleich. Demnächst erscheint auch ein Film zu Mendes.
Hans-Jürgen Lenhart



Australien/Ozeanien
 JOHN CAMPBELL MUNRO: The Kelly Collection
JOHN CAMPBELL MUNRO
The Kelly Collection
(Greentrax Recordings), mit ausführlichen engl. Infos


Der in Schottland geborene John Campbell Munro war in Europa in erster Linie als der treue Begleiter von Eric Bogle bekannt. In seiner adoptierten Heimat Australien tourte er auch solo oder mit seiner Band Colcannon, bevor er 2018 viel zu früh seinen langen Kampf gegen den Krebs verlor. Dieses Album wurde wenige Monate vor seinem erwarteten Tod aufgenommen und ist ein Herzenswunschprojekt unter Mithilfe einer langen Liste an Freunden, nicht zuletzt Bogle selbst. Alle Munro-Songs drehen sich um den berühmt-berüchtigten Australier Ned Kelly. War er ein Robin Hood, ein Jesse James oder schlicht ein Krimineller? Die Meinungen gehen auseinander, und John Munro hält sich mit einer Wertung mehr oder weniger zurück, obwohl eine gewisse Sympathie unüberhörbar ist. Er nimmt Episoden aus Kellys kurzem Leben (1855-1880) und packt sie in folkpoppige Musik, singt selber oder überlässt den Job einige Freunden. Das alles ist sehr stimmig und bringt uns Europäern ein wichtiges Stück australischer Vergangenheit nachvollziehbar näher. RIP, John Campbell Munro.
Mike Kamp



International
 CHE APALACHE : Rearrange My Heart
CHE APALACHE
Rearrange My Heart
(Free Dirt Records), mit engl. Texten


Wenn Banjolegende Bela Fleck als Produzent Hand anlegt, dann kann nur Ungewöhnliches dabei herauskommen. Diese Fusion aus Latin und Americana hat es in sich. Mit dem Instrumentarium der Bluegrass Music werden hier eine dem Tango ähnliche uruguayische Murga, spanische Sephardenmusik oder Flamencoanleihen eingebracht. Die Musiker kommen aus den USA, Argentinien und Mexiko, gesungen wird spanisch und englisch. Natürlich ist auch Bluegrass dabei oder der A-cappella-Gesang des Mountain Gospels. Auch den tollen Satzgesang der Stanley Brothers hat das Quartett drauf. Aber es kommen immer neue Elemente hinzu. Fiddler und Bandleader Joe Troop versteigt sich mal in jazzigen Swing, es wird auch mal in einen Blues verfallen, manche Stücke glänzen mit verschiedenen Sätzen und Tempi, oder man leistet sich eine Kakofonie in einer Ballade. Und hier spielen Menschen zusammen, die man in den USA möglichst auseinanderdividieren will. Da überrascht nicht, dass die Themen der Songs von Immigration bis hin zu religiösem Fanatismus gehen. Che Apalache ist ein Beispiel für die ungeheure Experimentierfreude in der eigentlich traditionell verwurzelten Newgrassszene Amerikas.
Hans-Jürgen Lenhart



Kurzrezensionen
 FRIDA ÅNNEVIK: Andre Sanger
FRIDA ÅNNEVIK
Andre Sanger
(Grappa Musikkforlag)


Die Norwegerin liefert Übersetzungen (z. B. „Both Sides Now“ von Joni Mitchell) und selbst vertonte Texte anderer Dichter (z. B. Alf Prøysen). Gefällig dargebracht, nett zu hören, ein Ärgernis ist das fast unlesbare Beiheft: weißer Text in winzigem Satz auf zarttürkisem Grund!
gh
 BERG: Berg
BERG
Berg
(Anuk)


Aufgewachsen in den Bergen, kreiert das schweizerisch-norwegische Trio seine ganz eigene alpine Klangwelt. Mit akustischen und elektronischen Instrumenten verweben sie traditionelle Volksmelodien und Jazzelemente in ungewöhnliche Interpretationen über Kälte, Viehhüter, Felsen oder den Alpensegen. Liebhaber experimenteller Musik kommen hier auf ihre Kosten.
ep

 JOHN BLEK: The Embers
JOHN BLEK
The Embers
(K&F Records)


Update des fleißigen, vielschreibenden Gitarristen aus Cork. Seine Stimme ist noch weicher geworden, weniger griffige Arrangements und weniger wirkungsvolle Hook-Lines als beim Vorgänger Thistle & Thorn. Insgesamt klingt diese Platte weniger ausgereift, dennoch muss man aber auch dieser Produktion gute musikalische und aufnahmetechnische Qualität zusprechen.
js
 DANIEL BONGART: Little Bird
DANIEL BONGART
Little Bird
(Championsound)


Zehn einfühlsame Kompositionen im Stile der Singer/Songwriter-Tradition Nordamerikas. Der Bonner Liedermacher legt ein gelungenes Debüt vor, getragen von seinem weichen Gesang und ansprechenden Spiel auf der Akustikgitarre. Seine ruhigen, zum Teil vom Cello begleiteten Stücke handeln von Geschichten über Menschen, ihre Emotionen, Hoffnung und Tod.
ep

 SHEILA K CAMERON with WILD BISCUIT: River To Sea From Tlell To Tiree
SHEILA K CAMERON with WILD BISCUIT
River To Sea From Tlell To Tiree
(Glalell)


Die schottische Künstlerin mit der reifen, brüchigen, aber faszinierenden Stimme kooperiert auf dieser CD mit dem Musikerduo Wild Biscuit. Songs vom Nordwesten Kanadas bis zur schottischen Hebrideninsel Tiree, das Meer immer präsent. So heißt auch der zentrale Song „All You Need Is The Sea“ – einfach, atmosphärisch, anders.
mk
 ANDREA CAPEZZUOLI: Intrecci  ANDREA CAPEZZUOLI E COMPAGNIA: Balquébec
ANDREA CAPEZZUOLI
Intrecci
(Rox Records)


ANDREA CAPEZZUOLI E COMPAGNIA
Balquébec
(Rox Records)


Intrecci, das neueste Werk des Organettospielers aus Mailand (diatonisches Akkordeon) beinhaltet 14 Lieder und Tänze aus Norditalien, mit Ausflügen in die Auvergne. Mit von der Partie ist eine Vielzahl von Gästen, die für Abwechslung sorgen. Bal Folk vom Feinsten. Balquébec beinhaltet ausschließlich Tänze aus Québec. Das Booklet beschreibt genau, wie die verschiedenen Stücke getanzt werden müssen. Andrea Capezzuoli und seine Compagnia, Milo Molteni (Geige), Paolo Censi (Klavier), Nicola Brighenti (Stepptänzer, Caller) und Gäste laden zum Tanz. Ein paar Quadratmeter Tanzfläche sollten beim Anhören des Doppelalbums schon zur Verfügung stehen!
mst

 CLÀRSACH: Serendipity
CLÀRSACH
Serendipity
(Liekedeler Musikproduktionen)


Die dritte CD der schwäbischen „Kelten“ mit schottischem Bandmitglied besticht durch viele Eigenkompositionen, wodurch sie sich vom erstklassigen Nachspielen ihrer Vorbilder emanzipiert haben. Es ist eine minutiös arrangierte, auf den Punk exakt gespielte irisch-schottische Musik, die auch Tempo kennt, aber im Vergleich zu Larún etwas ruhiger daherkommt.
mas
 DELEYAMAN: Sentinel
DELEYAMAN
Sentinel
(TTO Records)


Slow-Pop mit Folkeinflüssen, so könnte man die Musik der französischen Band Deleyaman beschreiben. Sie besteht seit 2000, Sentinel ist ihr siebtes Album. Kopf der Formation ist der Multiinstrumentalist und Sänger Aret Madillian. Die weibliche Stimme gehört Béatrice Valantin. Ungewöhnlich ist der Einsatz des armenischen Blasinstruments Duduk, das Gérard Madilian spielt.
chr

 TONY DENIKOS: Gravity Wins
TONY DENIKOS
Gravity Wins
(Eigenverlag)


Der Songwriter aus Washington ist auf seinem fünften Album rein akustisch unterwegs, Old-Time Folk, akzentuiert durch Mandoline, Dobro und eine sehnsüchtige Mundharmonika. Denikos schreibt humorvolle Geschichten zwischen Roger Miller und John Prine. Selbst den traurigsten Liebesliedern ist noch feine Ironie eingeschrieben. Inspirierter als der Durchschnitt.
mw
 JULIA DIGNAN: The Tea Wifie
JULIA DIGNAN
The Tea Wifie
(Brechin All Records)


Sage und schreibe 25 Begleitmusiker (z. B. Calum Woood, Gitarre oder Simon Thoumire, Konzertina) hat die schottische Fiddlespielerin und Teefanatikerin auf ihrem ersten Soloalbum untergebracht, sauber auf die zwölf Stücke verteilt. Im Prinzip ist es Scottish Dance Music – und zwar instrumental (klar!) und vom Feinsten (nicht selbstverständlich!).
mk

 DIVERSE: Mogadisco
DIVERSE
Mogadisco
(Analog Africa)


Eine Kompilation lebendiger Musikgeschichte. Funk, Soul, Afrobeat, Reggae und Disco der Jahre 1972-1991 aus dem Radioarchiv Mogadis(c)hu, zusammengetragen vom Labelchef Samy Ben Redjeb, hervorragend gemastert sowie mit einem sehr informativen englischsprachigen Booklet versehen. Ein musikalischer Schatz und eine Empfehlung nicht nur für Kenner!
cs
 DUO DE SCHEPPER-SANCZUK: Port De Taipan
DUO DE SCHEPPER-SANCZUK
Port De Taipan
(Appel Rekords)


48 Minuten Instrumentalmusik, nur auf Gitarre und Violine bzw. Bratsche, die keine Sekunde langweilig werden. Mitreißend virtuose, brillant arrangierte Eigenkompositionen, die, verwurzelt in ihrer flämischen Tradition mit Einsprengseln von Gipsy Swing, französischer Musette, Irish Folk und anderen Genres, dennoch eine ureigene Handschrift entwickeln. Famos!
uj

 ELLINOR & LEONOR: Årsringar
ELLINOR & LEONOR
Årsringar
(Kakafonrecords)


Die Geigerin Ellinor Fritz aus Schweden und die Cellistin Leonor Palazzo aus Belgien haben sich der traditionellen Instrumentalmusik aus Ellinors Heimat Dalarna verschrieben. Auf dieser CD bringen sie gekonnt Tanzmusik aus alten Sammlungen zu Gehör, vor allem Polska und Walzer.
gh
 SİNAN CEM EROĞLU: Wired And Layered
SİNAN CEM EROĞLU
Wired And Layered
(Ahenk Müzik)


Wer fast alle Instrumente auf einem Album selbst einspielt und es so wirken lassen kann, als hätte eine Band Spaß daran, sich die musikalischen Bälle zuzuwerfen, der muss richtig gut sein. Eroğlu, bekannt durch sein gitarristisches Mikrotonduo mit Tolgahan Çoğulu und seine Arbeit bei Niyaz, liefert eine spannende Mischung aus türkischer Tradition und Jazz.
ink

 FAUN: Märchen & Mythen
FAUN
Märchen & Mythen
(Universal)


Der Albumname sagt es. Inspiration waren die heimischen Märchen, die mit der mythischen Naturverbundenheit des Pagan Folk gekoppelt wurden. Musikalisch sehr abwechslungsreich werden in tollen Arrangements die Grimm’schen Hausmärchen, ein mystischer Text von Karl Busse (1872-1918) und Goethes einziges Märchen verarbeitet. Sehr empfehlenswert.
pp
 STEPHEN FEARING: The Unconquerable Past
STEPHEN FEARING
The Unconquerable Past
(Fish Records)


Leider schaffte es Stephen Fearing nie, durch Deutschland zu touren, sonst hätte er hierzulande sicher eine Menge Fans. The Unconquerable Past kommt mit einem weichen Bluesgefühl um die Ecke. In seinen Texten erzählt Fearing von sozialer Ungerechtigkeit und sinnloser Gier und fordert auf, menschlichere Werte in den Mittelpunkt zu stellen. Vom Sound her deutlich von Eric Clapton beeinflusst.
mf

 FOLKSHILFE: Sing
FOLKSHILFE
Sing
(Töchtersöhne Records)


Das österreichische Trio bespielt Bühnen von Südtirol bis Hamburg und punktet in seiner Heimat mit Hits und Preisen. Das Erfolgsrezept basiert auf einem Mix aus Rockrhythmen, mitsingbaren Melodien, Texten im Dialekt und dem Instrumentarium aus Drums, Gitarre und einer Kreuzung aus Akkordeon und Synthesizer. Folkshilfe gegen Volksdümmlichkeit.
hj
 FREILACH MIT KNEIDLACH: Gefilte Fidl
FREILACH MIT KNEIDLACH
Gefilte Fidl
(Global Music)


Alleine der Name der Band, bereits 1998 gegründet, ist eine eindeutige Liebeserklärung an die jiddische Kultur – ja, auch in Finnland gibt es längst so etwas. Laura Airola (v), Ilkka Heinonen (b), Benjamin Hirschovits (v), Eva Jacob (acc) und Daniel Shaul (voc, perc) spielen so fulminant auf, dass man mindestens mit den Beinen mitschwingen muss.
mg

 FRIEND N FELLOW: Characters
FRIEND N FELLOW
Characters
(Doctor Heart Music)


Was 1991 als Ausnahmeerscheinung unter den Geheimtipps begann, hat sich in dreißigjähriger musikalischer Zusammenarbeit zu einer ganz wunderbaren Einheit geformt, die im Zusammenspiel der warmen, sanften Altstimme von Constanze Friend und der virtuos gespielten Akustikgitarre von Thomas Fellow musikalische Bilder von außerordentlicher, fragiler Schönheit malt.
ah
 PETER GALLWAY & THE REAL BAND: Reach For It
PETER GALLWAY & THE REAL BAND
Reach For It
(Gallway Bay Music)


25 Alben hat Gallway mit verschiedenen Formationen eigespielt, über 50 produziert. Die Real Band spielt diesmal Jazz/Rock/Folk aus einem Guss, thematisch richtet sich der Blick oft zurück in die Jugendzeit. Kid Motown ist eine nostalgische Verneigung vor dem Kultlabel. Hier kann bedenkenlos zugreifen, wer Bruce Cockburn mag.
mw

 THE HANGING STARS: A New Kind Of Sky
THE HANGING STARS
A New Kind Of Sky
(Crimson Crow/Cargo Records)


Auch in London spielt man Psycho-Country. Und was kann man sich darunter vorstellen? Gitarre, Bass, Drums, Keyboards und natürlich jede Menge Pedal Steel Guitar. Die fünf Herren haben mit ihrer Band nun schon die dritte CD eingespielt, und manchmal erinnert der Sound an die Sechziger/Siebziger mit dem würzigen Tabakrauch in der Luft.
mk
 HARP & A MONKEY: The Victorians
HARP & A MONKEY
The Victorians
(Eigenverlag)


Das Trio aus Nordengland bearbeitet auch auf seiner vierten CD Lieder aus der viktorianischen Zeit (Mitte 19. Jh.) mit Akkordeon, Banjo oder Viola, aber auch mit dezenter Elektronik und Programmiererei, um sie in die Jetztzeit zu bringen. Das Mastering besorgte Stormzy-Studiotechniker Darren Jones. Mission acccomplished!
mk

 HAUSBOOT: Die letzten heiligen Dinge
HAUSBOOT
Die letzten heiligen Dinge
(Monopol Records)


Das dritte Album des Ost-West-Duos Tino Eisbrenner, Poet und Sänger, und Heiner Lürig, Komponist und Gitarrist von Heinz Rudolf Kunze. Sanfter Liedrock im Folk- und Countrystil mit Gastmusikern. Bildhafte Songs über Lebensglück und Einsamkeit, Facebook-Krieger und Falschabbieger, den Balanceverlust der Welt und eine feine ironische Kritik an Bob Dylan.
rps
 NEIL BOB HERD & THE DIRTY LITTLE ACOUSTIC BAND: Every Soul A Story
NEIL BOB HERD & THE DIRTY LITTLE ACOUSTIC BAND
Every Soul A Story
(Cattlecall Music)


Der Mann ist Schotte, operiert von London aus und ist ein Veteran der Musikszene, ebenso wie die drei dreckigen akustischen Kollegen. Erstes Soloalbum nach Jahren z. B. mit den Coal Porters, also verwundert der nicht-amerikanische Americana-Sound nicht. Feine Songs, solider und gut abgehangener Sound – da weiß jemand ganz genau, was er will.
mk

 HOTEL HOTEL: Heaven’s Will
HOTEL HOTEL
Heaven’s Will
(Apollon Records)


Slow Folk ist ein bisschen aus der Mode gekommen. Wer sich nach den alten Zeiten von LOW sehnt und sich mit dem gewöhnungsbedürftigen Countrygesang von Vegard Urne anfreunden kann, sollte sich dem Soloprojekt des Norwegers widmen. So langsam und traurig können nur Skandinavier musizieren.
ce
 KAJA: Origo
KAJA
Origo
(Kakafon)


Das seit 2005 bestehende Trio mit Camilla Åström (acc, p), Livet Nord (five stringed v) und Daniel Wejdin (b) hatte sich zwar anfänglich zu den Bereichen Klezmer, Rumänien und Balkan allgemein hingezogen gefühlt, bringt aber mit ihrem nun fünften Album, allesamt Eigenkompositionen, durchaus auch schwedische Folklore oder französische Walzer ein.
mg

 ANNE KALMERING & STAHLHAMMER KLEZMER CLASSIK: Vayter
ANNE KALMERING & STAHLHAMMER KLEZMER CLASSIK
Vayter
(Kakafon)


Seit vielen Jahren gilt Anne Kamering (voc), 1962 in Schweden als Kind russischer Eltern geboren, als die zentrale Figur in der Präsentation jiddischer Lieder. Zusammen mit einem der populärsten Violinisten Schwedens, namentlich Semmy Stalhammer, und unterstützt von Isabel Blohmé (cello) und Miriam Oldenburg (acc), ist diesem Quartett ein äußerst stimmiges Album gelungen.
mg
 KILKELLY: The Prick & The Petal
KILKELLY
The Prick & The Petal
(Famous Gold Watch Records)


Ungewöhnlich ist die optische Aufmachung dieser CD des in Berlin lebenden Conor Kilkelly. Mit acoustic-rockiger Begleitband gibt er gitarrenlastige Songs in einer bunten, sehr club- oder pubgeeigneten Mixtur aus Folk-, Songwriter- und Bluesklängen zum Besten. Humor, Rezitation typisch irischer Anekdoten und Vignetten prägen das Bild. Durchaus hörenswerter Gesang mit gefällig klingenden Arrangements!
js

 EMMI KUJANPÄÄ: Nani
EMMI KUJANPÄÄ
Nani
(Nordic Notes)


Solodebüt der finnischen Sängerin und Kantelespielerin. Mit von der Partie sind Jarkko Niemelä (Trompete), Eero Grundström (Harmonium), Sauli Heikkilä (Pferdekopfgeige und Kehlkopfgesang) sowie der Nachwuchschor der Mystère-des-Voix-Bulgares-Akademie. Das Resultat: traumhafter Gesang und geheimnisvolle Klänge. Es muss halt nicht immer Tango sein.
wb
 ROSA LATOUR: 8 Femmes
ROSA LATOUR
8 Femmes
(Rose Note Records)


Die Münsteranerin Rosa Latour singt schon seit Jahrzehnten in der Soulpopband Lou Canova und in der Swingin Affair Big Band. Jetzt hat sie ihr erstes Soloalbum aufgenommen, bei dem sie (meist in französischer Sprache) Chansons singt und sich auf dem Klavier begleitet. Die Hälfte der Lieder stammt aus der Kriminalkomödie 8 Femmes, nach der auch das Album benannt ist.
chr

 LUCAS LAUFEN: I Know Where Silence Lives
LUCAS LAUFEN
I Know Where Silence Lives
(Embassy of Music)


Selten wird ein Werk seinem Titel so gerecht wie dieses durch Musik geschriebene Reisetagebuch. Schon seit Kindertagen mit Trompete, Klavier und dann Gitarre vertraut, ist der australische Wahlberliner bestens ausgestattet, seine Eindrücke von der Natur und Urbanität diverser Orte dieser Welt in neun Erlebnisschilderungen sensibel und zart auszudrücken.
is
 SAM LEWIS: Solo
SAM LEWIS
Solo
(Loversity Records)


Ein Doppelalbum mit neunzehn Songs, live vor geneigtem Publikum in einem Studio in Nashville aufgenommen. Gelungene Soloversionen von Nummern seiner drei Alben, darunter das großartige „Southern Greek Tragedy“. Dazu vier neue Songs für die Fans. Die Texte kreisen um den Abschied von Frauen, Süchten und Schmerzen. Wieder solo eben.
mw

 LINA_RAÜL REFREE: Lina_Raül Refree
LINA_RAÜL REFREE
Lina_Raül Refree
(Glitterbeat)


Wie in anderen Traditionen auch leiden junge Fadosängerinnen wie Lina an den genauen Vorgaben, wie ihr Liedgut dargeboten und instrumentiert werden soll. Der Katalane Raül Refree begleitet ihren traditionell gesungenen Fado mit Synthesizer und Klavier statt Saiteninstrumenten. Für Fado erprobte Ohren mag das ungewohnt klingen, legitim ist es allemal.
mst
 LOUISA: Whisper
LOUISA
Whisper
(EP; Eigenverlag)


Seit den Common Linnets kommen die besten amerikanischen Songs bekanntlich aus den Niederlanden. So tritt auch Louisa aus Amsterdam mit ihrer EP in deren Fußstapfen. Mit klassischer Bandbesetzung, unterstützt von Banjo und Resonatorgitarre, bildet die weiche Stimme der Sängerin einen angenehmen Kontrast zur rotzigen Produktion. Louisas Musik passt damit perfekt auf die Straßen und in die Bars.
ce

 ERJA LYYTINEN: Another World
ERJA LYYTINEN
Another World
(Tuohi Records)


Die finnische Slidegitarristin und Sängerin bewegt sich einen Schritt fort vom Blues und hin zu mehr rocklastiger Spielweise. Dazu gibt es noch einige Balladen und dies alles auf gewohnt hochklassigem Niveau. Gemeinsam mit Sonny Landreth gibt es bei „Wedding Day“ dann noch ein Slidegitarren-Feuerwerk der Extraklasse.
ah
 ANGUS MacLEOD: Slat À Coille
ANGUS MacLEOD
Slat À Coille
(Macmeanmna)


Ein Rechtsanwalt aus Inverness, der sich musikalisch dem gälischen Gesang verschrieben hat. MacLeod intoniert so, wie man es auf den Mòd-Veranstaltungen hören kann, und wenn man das mag, dann ist das eine sehr gute CD. Etwas Pathos und Schmelz in der Stimme, viel Gefühl in den Liedern und ab und zu Piano, Harfe oder Bass, deren Urheber im Dunklen bleiben.
mk

 MARIPOSA: Faggema
MARIPOSA
Faggema
(Hey!blau Records)


Mazedonisches, bulgarisches und armenisches Liedgut, Kompositionen von Antonio Lauro und der brasilianischen Akkordeonlegende Sivuca? Das klingt erst einmal nach Kraut und Rüben. Tatsächlich funktioniert die Mischung aber sehr gut, die das Quartett mit Geige, Gitarre, Akkordeon und Percussion abwechslungsreich in Hannover eingespielt hat.
ink
 MARIA McKEE: La Vita Nuova
MARIA McKEE
La Vita Nuova
(Fire Records)


Das Album über Selbstfindung im Alter mit Erkenntnissen zu Lesbentum und versäumter Mutterschaft ist der englischen Sängerin zu überambitioniert geraten. Sperrige Kompositionen mit Streicher- und Folkrockarrangements, ein Gesang wie eine theatralische Rezitation, dazu noch voller überbetonter Ergriffenheit im Diskantbereich. Kaum zu ertragen.
hjl

 MARCELO MERCADANTE SEXTETO: La Llave
MARCELO MERCADANTE SEXTETO
La Llave
(Karonte)


Der langjährige Wahlbarceloner Bandoneonist aus Buenos Aires ist verdienstvoll in seiner Arbeit an der Schnittstelle von Tango, Folklore und Jazz. Auch auf diesem Album, das mit fünf in Spanien lebenden Landsleuten inklusive einer Sängerin entstand. Die zehn Eigenkompositionen klingen mal tango-orthodoxer, mal zeitgenössischer, z. B. durch die E-Gitarre.
kw
 MISS ALLIE: Aus Scheiße wird Gold
MISS ALLIE
Aus Scheiße wird Gold
(In Bloom Records)


Zwischen Pop und Straßenmusik bewegen sich die Songs der angesagten Liedermacherin Miss Allie. Die rotzfrechen, warmweichen, herzlichen Texte kommen beim emanzipierten jugendlichen Publikum an und bilden den passenden Soundtrack für jede Fridays-for-Future-Demo. Nur mit eigener Gitarre begleitet die Künstlerin ihre energische Stimme und spielt sich so in die Herzen der Hörer.
ce

 MOONFRUITS: Ste-Quequepart
MOONFRUITS
Ste-Quequepart
(Eigenverlag)


Englischer Gruppenname, französische Texte, das Duo aus Ottawa produziert einen seltsamen Mix. Sie nennen es „art-folk bilingue“. Rein akustische Songs, begleitet von Banjo, Gitarre, Glockenspiel und Kalimba. Mal klingt es reichlich schief, rau und in Wohnzimmerqualität, dann wiederum mitreißend und einprägsam. Für Freunde der leicht abseitigen Pfade.
mk
 DAVID MUNYON: Longer Road For The Songs
DAVID MUNYON
Longer Road For The Songs
(Mobile Home Records)


Unermüdlich legt der US-Amerikaner als Zeugnis seiner Produktivität ein Album nach dem nächsten vor. Diesmal präsentiert er siebzehn neue Songs, vorgetragen mit Akustikgitarre und versehen mit geschmackvollen Verzierungen von Produzent Matthias Theile an der E-Gitarre. Ob Munyon von der Last des Alters singt oder der Lust am Leben, beide Pole passen.
vd

 NIEMI: Spiraalit/Spirals
NIEMI
Spiraalit/Spirals
(Nordic Notes)


Keine Populärmusik aus Vittula, wie der Name Niemi doch vermuten lässt, sondern Wiegenlieder bringt die finnische Sängerin und Kantelespielerin Inka Niemi auf diesem Album. Alles selbst geschrieben, alles sanft und beruhigend, oft mit komplexer Melodieführung, also nichts zum Nachsingen für geplagte Eltern.
gh
 THOMAS OLIVER: The Brightest Light
THOMAS OLIVER
The Brightest Light
(V2 Records)


Thomas Oliver ist ein Singer/Songwriter aus Neuseeland, der in seine Musik Folk, Soul, Funk und Pop einfließen lässt. Eingängige Popsongs stehen so im Wechsel mit auf der Gitarre begleiteten Stücken („The Time In Tokio“). Hervorzuheben ist auch sein Slidespiel auf der Lap-Steel-Gitarre, so auf dem Stück „Steel On The Strings“.
ah

 PARIS TEXAS: When You’re Gone
PARIS TEXAS
When You’re Gone
(Trad Records)


Der belgische Sänger und Songschreiber Gerrit Hüppertz hat sehr gute Musiker der flämischen Bluegrassszene um sich geschart. Als Band kleiden sie die Stücke in Gewänder aus Country, Folk und eben Bluegrass. Hüppertz singt mit seiner authentischen Stimme von Liebe, Untreue und Begehren. Ein überzeugendes Debütalbum mit durchaus packenden Songs.
vd
 TELMO PIRES: Através Do Fado
TELMO PIRES
Através Do Fado
(Traumtons Records)


Der in Portugal geborene, in Deutschland aufgewachsene Fadisto lebt seit zehn Jahren in Lissabon. Dass er dort mit hervorragenden Musikern arbeitet, ist den gut gestalteten Songs angenehm anzumerken. Die zuvor mehr im Chanson eingesetzte Stimme ist heute reifer, aber in den Ohren der Rezensentin noch nicht vollends in die Tiefe des Fado gelangt.
kw

 POLLYANNA: Polly & The Fine Feathers
POLLYANNA
Polly & The Fine Feathers
(Solaris Empire)


Mit leichtem Jazztouch kommt das neue Album von Isabelle „Pollyanna“ Casier daher. Ihr vom Folk herkommendes Songwriting wirkt nun abwechslungsreicher und auch eigenartiger. Geige und singende Säge tauchen immer wieder in den Arrangements auf, was der leichtfüßigen Atmosphäre des Albums gut zu Gesicht steht. Und zum Ende hin gibt es sogar eine elektrische Gitarre und ein Banjo zu hören!
mf
 PONS AELIUS: Fire Under The Bridge
PONS AELIUS
Fire Under The Bridge
(Eigenverlag)


Eine Herausforderung geht das Sextett aus der nicht nur geografischen Grenzregion zwischen Schottland und Nordengland auch auf ihrem zweiten Album an. Reiner Instrumentalmusik fehlt die Abwechslung, die Lieder bringen. Da müssen instrumentelles Können (Pipes, Flute, Banjo, Bouzouki etc.) und clevere Arrangements für Vielfalt sorgen – und das klappt auch bestens.
mk

 SHAMA (RAHMAN) & FRIENDS: Let The Lights In
SHAMA (RAHMAN) & FRIENDS
Let The Lights In
(NarRator Records)


Die Freunde von Frau R. sind Djordje Mijuskovic (v), Daniel Abad (b), Maria Keck (voc), Veronique Delmelle (sax, fl) und Laci Szlama an der ungarischen Kurzhalslaute Koboz. Sie selbst singt, rezitiert und spielt Sitar, und alle bedienen diverse Elektronika. Musikalisch wildert die Truppe in gut einem Dutzend verschiedener Genres. Kurzweil garantiert.
wb
 JARON REID RAVEN’SKY: I Can’t Take The Darkness Anymore
JARON REID RAVEN’SKY
I Can’t Take The Darkness Anymore
(Standing Tall Music)


Inbrünstig und seelenvoll singt und spielt sich dieser Kanadier durch 25 Songs, die einzuspielen beinahe drei Jahre brauchten. Verlassenheit, Schmerz und Seelendurst sind die Themen seiner Lieder, in denen er Folk, Soul und sogar leicht Keltisches miteinander verschmilzt. Häufig entsteht dabei ein abwechslungsreiches, aber aufgebauscht wirkendes Pathos.
mf

 RUMBARISTAS: Rumbaristas
RUMBARISTAS
Rumbaristas
(Via Lactea Records)


Die Band ohne gemeinsamen Wohnsitz besteht im Kern aus vier Musikern mit spanischen, französischen, italienischen und belgischen Bezügen und hat Humor (mit Kaffeekannen statt Köpfen auf dem Albumcover). Die im Bandnamen evozierte Rumba Catalana wird abgefeiert. Auf Spanisch oder Italienisch geht es aber auch gen Balkan, Cumbia, Ska, Salsa und Italo-Song.
kw
 THE SENSATIONAL JIMI SHANDRIX EXPERIENCE: Foxy Laddie
THE SENSATIONAL JIMI SHANDRIX EXPERIENCE
Foxy Laddie
(Brechin All Records)


Natürlich sind Bandname und Albumtitel grandiose Wortspiele. Aber auch wenn Mastermind und Akkordeonvirtuose Sandy Brechin in Hendrix-Manier auf dem Cover posiert, das ist schottische Ceilidh-Musik par excellence auf der zweiten CD der Band. Tanzmusik also, und zwar in wechselnder Großbesetzung (achtzehn Musiker) mit allerlei Instrumenten und größtmöglicher Power.
mk

 MARTIN SIMPSON: Prodigal Son
MARTIN SIMPSON
Prodigal Son
(Do-CD; Topic Records)


In der „Topic-Treasures“-Serie mit Wiederveröffentlichungen alter oder nicht ganz so alter Meisterwerke gibt es Neues: Simpsons episches Werk inklusive Liveaufnahmen aus dem Jahr 2007 plus einem informativen Artikel von Colin Irwin. Niemand verbindet Americana und traditionelle britische Musik mit Gitarre und Banjo so elegant wie Simpson.
mk
 SPUI’MA NOVAS: Kaleidoskop
SPUI’MA NOVAS
Kaleidoskop
(Galileo MC)


Die san scho genial … Die musikalische Großfamilie um Mastermind Stefan Straubinger (Drehleier, Bandoneon, Gesang) sprengt gemeinsam mit einer Horde Gastmusiker sämtliche Genregrenzen und paart, ausgestattet mit unzähligen Instrumenten, bayerische Volksmusik mit allen denkbaren Musikstilen zu einem charmanten, mitreißenden Weltmusikbastard. Sauguat!
uj

 RUSTY STONE : Farewell
RUSTY STONE
Farewell
(RevStone Music)


Der Münchner Bluesmusiker Rusty Stone spielt eigene Stücke und covert solche seiner Favoriten – wie Steve Earle, Robert Johnson und Willie Dixon. Welcher Instrumente er sich jeweils dabei bedient, ist sauber aufgeführt, von Dobro über Mandoline bis Lap Steel reicht die Palette. Funktioniert vor allem als Souvenir für Bewunderer seiner Livekünste.
vd
 STUMFOL: Long Story Short
STUMFOL
Long Story Short
(Homebound Records)


Ein ultralässiges Album, das im Hörer innere Räume öffnet, ist Christian Stumfol aus Balingen gelungen. Nichts schreit hier, nichts drängt sich auf. Viel Springsteen hat er gehört, von allem Ballast entschlackt und indietauglich produziert. Verträumte Coolness, die alte Männer bei jungen Freundinnen laufen lassen können, und beide sind happy.
mw

 JOHN TAMS: The Reckoning
JOHN TAMS
The Reckoning
(Topic Records)


Auch in der „Topic-Treasures“-Serie: Der Folkrocker John Tams von Albion-Band- und Home-Service-Ehren und sein 2005er-Solo-Opus plus drei Extratracks auf ca. 64 Minuten Länge mit Sleeve Notes von Mick Houghton. Songs wie „One More Day“ oder das leider immer zeitlose „Safe House“ altern einfach nicht, und Tams markante Stimme ist unverkennbar.
mk
 THREE FORKS: The Ship Is Leavin’
THREE FORKS
The Ship Is Leavin’
(Palmo Music)


Das Leipziger Trio folgt mit Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug den Spuren des Delta Blues, schaut aber auch nach rechts und links. So bleibt es nicht beim klassischen Klangkosmos, den hier häufig die Slidegitarre prägt. Das alles wurde erstklassig eingespielt und mit hypnotischer Wirkung versehen. Nur der Gesang wirkt zeitweise etwas gestelzt.
vd

 TRACK DOGS: Fire On The Rails
TRACK DOGS
Fire On The Rails
(Monde Green Records)


Lebhafte Straßenmusik von zwei Iren, einem Briten und einem Amerikaner, die seit 2011 in der Sonne Madrids Weltmusiken aufsaugen und von Gypsy Swing bis Sommerwiesenpop gute Laune verbreiten. Ein Tribut an Freddie Mercury, Gastmusiker von den Klezmatics und We Banjo 3 sowie Akkorde zu den Texten im Booklet runden das Bild des anknüpfungsreichen Albums ab.
mw
 WELLBAPPN: Didl-Dudl
WELLBAPPN
Didl-Dudl
(Kunstmann-Verlag)


Er hat nix verlernt, der Hans Well. Musikalisch virtuos an diversen Instrumenten unterstützt von seinen beiden Töchtern und seinem Sohn, liefert er satirische Liedtexte in bairischer Mundart, seziert mit scharfer Sprachklinge Klimawandel, Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche, Rechtsextremismus, Glyphosat und mehr – saukomisch, sarkastisch, brillant.
uj

 LAINEY WILSON: Redneck Hollywood
LAINEY WILSON
Redneck Hollywood
(EP; Broken Bow Records)


EP mit vier Songs, durchweg gut gelaunt und nie langweilig. „Straight Up Sideways“ drückt richtig aufs Gas, und „Dirty Looks“ dreht die Perspektive auf das Geschehen in einer Bar mal um, da gibt die Südstaatensongwriterin („When you say LA, I think Louisiana“) die coole Frau, die ihren Mann verteidigt. Jeans & Boots Nashville Country für das starke Geschlecht.
mw
 ZÄPÄMMÄT: Äiti Maa – Mother Earth
ZÄPÄMMÄT
Äiti Maa – Mother Earth
(IMU)


Was beim schnellen Hören wie traditionelle finnische Vokalmusik klingt, entpuppt sich letztlich als raffiniertes Crossover zwischen nordischer Folklore und afrikanischen Klängen. Denkt man sich statt der Klangfarbe finnischer Sängerinnen z. B. einen Chor aus Soweto, werden die Parallelen erkennbarer. Passend dazu spielt das Duo Kantele und afrikanische Percussion.
ce

 : rezi-legende
Walter Bast (wb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (jus), Mike Kamp (mk), Ines Körver (ink), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (cr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Martin Steiner (mst), Katrin Wilke (kw), Martin Wimmer (mw)




Onlinerezensionen
BIBI
From Bibi With Love XX
(Eigenverlag)


Zwischen Singer/Songwriter und Chanson bewegt sich die dänische Sängerin Bibi. Ihre Eigenkompositionen setzen auf eine Mischung von Kunst und Gefühl und passen eher in eine Bar oder auf eine Theaterbühne als auf die Straße. Traditionelle Folklore findet man nicht, für Liebhaber der späteren Werke von Gitte Haenning ist Bibi aber auf jeden Fall eine Empfehlung.
ce
JULIA BIEL
Black And White, Vol. 1
(Brilljant)


Eine einzigartige, einprägsame Stimme, die irgendwo zwischen Jazzgesang und Pop changiert. Zerbrechlich und verloren wirken die am Piano begleiteten Lieder, und allem unterliegt eine melancholische Stimmung. Trotzdem stimmt die Platte nicht traurig oder hoffnungslos, sondern zaubert ein nachdenkliches Lächeln zuerst ins Gemüt und dann ins Gesicht.
ah

Laurent Bourque
Blue Hour
(CCS Rights Management)


Der Kanadier setzt auf minimalistische Arrangements mit einprägsamen Melodien. Der Einsatz von E-Piano und Rhythmusmaschine lässt die Musik eher Pop als Folk sein, und er pflegt einen derzeit angesagten Gesangsstil, unangestrengt, voller unterkühlter Romantik und damit das Gegenteil von Kraft, Intensität, Schmerz und Ausdrucksstärke wie im Blues.
hjl
THOMAS DYBDAHL
Fever
(V2 Records)


Im Studio des norwegischen Produzenten Havard Rosenberg wurde dieses Album eingespielt, und Thomas Dybdahls Liebe zu den Klassikern des Soul und Funk ist unverkennbar. Frisch, modern und dennoch retro wirken die Stücke, lassen Erinnerungen an Bill Withers und Nina Simone aufleben und kleiden alles in ein Gewand aus Hip-Hop und Urban-Dancefloor-Sounds.
ah

THE ELEPHANT CIRCUS
The Elephant Circus
(Gänseblümchen)


Einen klassischen Indie-Sound in bester Achtzigerjahre-Tradition präsentieren uns die beiden Jungs von Elephant Circus auf ihrem dritten Album. Das klingt zumeist nach The Wedding Present und manchmal auch nach Bob Dylan, womit sich der Folkanteil des Albums dann auch erschöpft. Kopf Uli Tsitsos spielt alle Instrumente außer den Drums, die passenden Beats dazu kommen von Michael Szilovic.
ce
RAINALD GREBE & DIE KAPELLE DER VERSÖHNUNG
Albanien
(Versöhnungsrecords/Broken Silence)


Deutsche Lebenswirklichkeit durch die Grebe-Brille betrachtet, diesmal wieder mit den Bandkollegen. Dass sich das nicht wesentlich von Vorherigem unterscheidet – geschenkt. Genüsslich demontiert er weiter die Zeitgeistzwänge oder wirft ironische Blicke auf jegliche Früher-war-alles-besser-Mentalität. Grebe bleibt ein wichtiger Chronist unserer Zeit.
sb

HILA
21
(Underdog Records)


Frage an Radio Jerewan: „Ist das was für unser Magazin?“ Antwort: „Im Prinzip: Nein! Die machen eher so schrägen Jazz. Aber die eine Hälfte des Duos (Artyom Manukyan) war mal Bassist & Cellist bei der Armenian Navy Band von Arto Tunçboyacıyan, und die andere Hälfte (David „Dawatile“ Kiledijan) hat schon mal Weltmusikplatten produziert.“ Ja dann …
wb
JAMILA & THE OTHER HEROES
Sit El Kon
(Springstoff)


Die Instrumentierung der deutsch-syrisch-polnischen Band (Gesang, E-Gitarre, E-Bass, Percussion, Schlagzeug) legt es schon nahe – eigentlich ist dies eine Popband, die freilich Ausflüge gen Jazz und Hardrock macht, allerdings mit vielen orientalischen Elementen. Die meist arabischen Texte zeugen von politischem und zivilgesellschaftlichem Engagement.
ink

ANGELA MAIR
Licht und Schatten
(Mai Records)


Direkt aus Wien, ohne Dialekt, aber dafür direkt aus dem Herzen. Sängerin Angela vertont zu liebreizendem Gitarrenspiel selbst gefertigte Kalenderweisheiten wie „Die Schönheit des Schweigens erkennt man dann, wenn man bemerkt, dass ein Wort nur vieles erklären kann.“ (?) Darauf hat die schweigende Welt gewartet.
hj
GARY MOORE
Live From London
(Provogue)


Auch zehn Jahre nach seinem Tod ist Gary Moores Technik des simultanen Slide/Bend/Vibrato auf der Gibson Les Paul in Verbindung mit an der Sättigungsgrenze gespielten Marshall-Verstärkern unerreicht. Im Ergebnis klang seine Gitarre dann wie eine gestrichene Geige, nur eben in der Lautstärke eines landenden Hubschraubers. Kann man alles hier hören.
ah

ROOSMARIJN
Inside Out
(What We Call)


Ein prägnantes Debüt. Nur fünf Stücke legt die niederländische Bratschistin auf ihrer EP vor. Doch von der 25-Jährigen wird man sicherlich bald noch viel mehr hören. Mit ihrem ätherischen Gesang, ihrem einfühlsamen Spiel, einer Loopstation und Effektgeräten komponiert die studierte Musikerin einen ganz eigenen experimentellen Pop voller eingängiger Melodien.
ep
NTJAM ROSIE
Family & Friends
(O-tone-Music)


CARTER SAMPSON with KYLE REID and JASON SCOTT
Trio
(Must Have Music)


Mit neun Jahren kam Rosie Boei (aka Ntjam Rosie, *1983) aus Kamerun in die Niederlande, wuchs in Maastricht auf, nahm Gesangsunterricht und hat sich in ihrer Wahlheimat als vielseitige Sängerin einen guten Namen machen können. Ihr stark von Jazz, Soul und Pop geprägtes englischsprachiges Album ist Teil zwei einer Trilogie. Starke Stimme, eingängige Songs.
rs

NTJAM ROSIE
Family & Friends
(O-tone-Music)


CARTER SAMPSON with KYLE REID and JASON SCOTT
Trio
(Must Have Music)


Kurzes Countryalbum – nur fünf Songs – mit viel Gitarre, fast ohne Schlagzeug und einer Stimme, die alles hinbekommt. Luftige Arrangements mit akustischer und elektrischer Gitarre sowie Pedal Steel Guitar, die sich wohltuend vom Mainstream absetzen.
hjl
MARIANA SEMKINA
Sleepwalking
(Kscope)


Die Sängerin des erfolgreichen russischen Progressive-Rock-Duos Iamthemorning wandelt auf Solopfaden. Mit ihrer an Kate Bush erinnernden eindringlichen Stimme präsentiert sie elf neue Lieder über das Durchschreiten einer schweren Zeit. Intensive Geschichten mit gewaltigem sphärischem Sound zwischen Alternative Folk, Pop und Drama.
ep

STARING GIRL
EP
(Kombüse Schallerzeugnisse)


Deutlich druckvoller als die melancholisch-versonnene Vorgängerin von 2018 rocken die meisten Stücke dieser Sammlung, mit starker Betonung auf der von Jens Fricke gespielten Gitarre, dazu die lässige Prosa von Steffen Nibbe. Das gut geölte Quintett hat fünf „Altlieder“ neu interpretiert und diese mit einem neuen, sechsten rotzig-charmant abgerundet.
is
CHRISTOPHER PAUL STELLING
Best Of Luck
(Anti)


Mentor Ben Harper produzierte das etwas unausgeglichene Album. Mit „Have To Do For Now“ startet es irgendwo zwischen Nick Drake und Damien Rice. Ein gut gelauntes „Trouble Don’t Follow Me“ erinnert an Motown-Hits. Der rumpelnde Blues von „Until I Die“ und die heulende E-Gitarre von „Hear Me Calling“ dagegen führen etwas arg weit weg vom Kern des Geschehens.
mw

RAYMOND WRIGHT
Strikly Real
(Vibes Point Music)


Doch, liebe Englischlehrer und Muttersprachler, der Titel stimmt so! Sprachliche Eigenheit halt. Seine musikalischen Eigenheiten lebt der 48-jährige Jamaikaner im klassischen Reggae aus, wobei gelegentliche Ausflüge zu RnB oder Soul das Repertoire passend ergänzen. Und dank seiner wandlungsfähigen Stimme ist Wright stets stilsicher und authentisch.
wb
Stefan Backes (sb) Walter Bast (wb), Chris Elstrodt (ce), Achim Hennes (ah), Harald Justin (jus), Ines Körver (ink), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Erik Prochnow (ep), Roland Schmitt (rs), Imke Staats (is), Martin Wimmer (mw)


SINGER/SONGWRITER AUS DEUTSCHLAND
 RAINER BIELFELDT: Zwei Leben
RAINER BIELFELDT
Zwei Leben
(Bielfeldt Records)


Der Wahlberliner Rainer Bielfeldt, den man vor allem als begleitenden Pianisten kennt, macht auch alle paar Jahre ein Programm mit eigenen Liedern. Die gehen einmal quer durchs Leben, und er schafft es auch, ernsten und nachdenklichen Texten eine gewisse Leichtigkeit zu geben, ohne sie zu entwerten. Interessante, schöne, hörenswerte Lieder der Celler Schule, auch Edith Jeske hat Texte beigetragen.
Rainer Katlewski
 MARTINA GEMMAR: Verkehrte Welt
MARTINA GEMMAR
Verkehrte Welt
(Eigenverlag)


Aus der Pfalz macht sich Martina Gemmar auf in die „Verkehrte Welt“, um Demokratie und Pressefreiheit zu besingen und zu verteidigen. Kritische Lieder auf Deutsch, Pfälzisch und Englisch, die – außer in Menschlichkeit – gerade nicht radikal sein wollen. Nicht nur die Gedanken sollen frei sein, sondern auch die Rede und der Diskurs. Dazu gibt es ein ausführliches Textbuch, alles unspektakulär, aber ungewöhnlich und richtig gut.
Rainer Katlewski

 IRMGARD-HAUB-TRIO: Mensch, Lili!
IRMGARD-HAUB-TRIO
Mensch, Lili!
(Exo 10 Records)


Lili Grün, eine österreichische Autorin und Kabarettistin, die 1942 im Vernichtungslager ermordet wurde, ist heute kaum noch bekannt. Umso verdienstvoller, dass das Mainzer Irmgard-Haub-Trio diese Künstlerin wieder einer Öffentlichkeit präsentiert. Die frechen, ironischen und auch melancholischen Texte einer selbstbewussten jungen Frau, die sich durch die Beziehungen und durchs Leben schlägt, könnten aber durchaus etwas mehr Pep im Vortrag vertragen.
Rainer Katlewski
 JOANA: Tun wir was dazu
JOANA
Tun wir was dazu
(WOLKENstein Musik)


Die Grand Dame der Liedermacherei und des Chansons, Joana, hat ein aufwendiges Album mit Liedern der 1848er-Revolutionszeit eingespielt. Die Kurpfälzerin singt mit schöner, manchmal fast zu schöner Stimme die Lieder, die ihr wegen ihrer Aktualität schon lange am Herzen lagen. Sie sollen bewahrt und auch wieder neu gesungen werden. Texte und Erläuterungen finden sich deshalb im dickleibigen Booklet.
Rainer Katlewski

 ANKE JOHANNSEN: Wir Zugvögel
ANKE JOHANNSEN
Wir Zugvögel
(Eigenverlag)


Über das Leben in Bewegung durch Raum und Zeit, über das, was man selbst aus seinem Leben machen kann und macht, philosophiert singend am Klavier in klaren, aber durchaus komplexen Liedern Anke Johannsen aus Duisburg. Workshops über Kreativität und eigene künstlerische Betätigung ist ihre Melange von Selbstverwirklichung und sozialer Kommunikation. Lieder zum Mehrfachhören und Bedenken.
Rainer Katlewski
 JOHANNES KIRCHBERG: Testsieger
JOHANNES KIRCHBERG
Testsieger
(dermenschistgut Musik)


Der gebürtige Leipziger und heutige Hamburger Johannes Kirchberg hat in der Vergangenheit mehrere literarische Projekte realisiert und jetzt wieder ein Programm mit Texten von Autor Tom Reichel aus Leipzig, beide ebenfalls Celler Schule. Mit Produzent Wolf Kerschek wurde auch statt nur Klavier die große Orchesterform gewählt, für flotte, oft witzige Songs; drei ältere runden die Scheibe ab.
Rainer Katlewski

 DAGMAR MANZEL: Sehnsucht
DAGMAR MANZEL
Sehnsucht
(Eigenverlag)


Die auf Berliner Bühnen, in Film und Fernsehen vielbeschäftigte Dagmar Manzel besingt die Sehnsucht in den unterschiedlichsten Facetten, von witzig bis traurig, von Liebe bis Tod, von russisch bis Berliner Schnauze. Brecht, Hollaender, Reutter, Tucholsky, Jandl, Volkslied, Nonsens, die Süchte und Sehnsüchte, Täuschungen und Enttäuschungen finden sich überall.
Rainer Katlewski
 BURKHARD WEGENER: Vergissmeinnicht
BURKHARD WEGENER
Vergissmeinnicht
(Booklet Music)


Ein bisschen altmodisch, aber menschlich geht es beim Liedermacher Burkhard Wegener zu, wenn er über die kleinen alltäglichen Geschichten singt, die oft eingebettet sind ins große Weltgeschehen. Begegnungen, Abschiede, Trennungen, Heimat und der/die/das Fremde, und zum Trost gab es früher im Ruhrpott für Kinderweh dreimal pusten und ein Bütterken. Ein guter Tipp für kleinlichen Ärger heutiger Tage.
Rainer Katlewski

 GÖTZ WIDMANN: Tohuwabohu
GÖTZ WIDMANN
Tohuwabohu
(Ahuga!)


Das musikalische Raubein Götz Widmann ist seit Jahrzehnten bekannt für kantige Songs, engagierte, skurrile und lebenspralle Texte, rockige Musik und kratzige Stimme. Wie er existenzielle Fragen, für Europa, gegen Nazis, Erfahrungen mit Hanf und Hopfen, die Liebe und die drohende Klimakatastrophe souverän und unkorrekt gegen den Strich bürstet, hat Stil, hat Witz, das groovt.
Rainer Katlewski



THINGS WITH STRINGS – NEUE GITARRENALBEN
 DIVERSE: Secrets Of The Harp Guitar In Europe
DIVERSE
Secrets Of The Harp Guitar In Europe
(Eigenverlag)


Harfengitarren sind eigentümliche, fantasievolle Gewächse, Hybride aus Gitarre und Harfe. Sie überschreiten den Klangkosmos der Sechsaitigen in große Tiefen und entlegene Höhen. Diese Kompilation versammelt neun europäische Kenner dieser zauberhaften Spezies. Und so klingt es denn auch, märchenhaft und wie nicht ganz von dieser Welt. Kuratiert wurde das Projekt von Harald Peterstorfer.
Rolf Beydemüller
 STEFAN GRASSE: Tales Of An Odyssey
STEFAN GRASSE
Tales Of An Odyssey
(Xolo)


Ein sehr intimes, stilles Beinahe-Soloalbum hat der rührige Nürnberger Gitarrist aufgenommen. Er beschreibt Momente seiner persönlichen Odyssee, musikalisch häufig im lateinamerikanischen Raum beheimatet, ein Chorinho, ein traditioneller Son, Tangos, ein venezolanischer Walzer. Mit der fünfteiligen „Desert Suite“ für Querflöte und Gitarre endet eine poetische innere Reise.
Rolf Beydemüller

 STEVE HICKS: Rule Of Thumb
STEVE HICKS
Rule Of Thumb
(Acoustic Music Records)


Die Regeln des Daumens sind im Gitarrenragtime einigermaßen klar, er treibt die harmonischen Bewegungen stoisch und unermüdlich voran. Der mit allen Fingerstylewassern gewaschene Brite Steve Hicks stellt viele schöne Neuentdeckungen aus dem US-Pianorepertoire der Zwanziger- bis Vierzigerjahre vor und streut lässig den einen oder anderen Blues- und Jazzstandard ein. Masterclass!
Rolf Beydemüller
 ANTONIO MALINCONICO: Postcards For Guitar
ANTONIO MALINCONICO
Postcards For Guitar
(Malin Music)


Der Schweizer Gitarrist mit süditalienischen Wurzeln ließ sich von den Werken des Sankt Galler Komponisten Helmuth Hefti zu dieser sehr stimmigen Sammlung von musikalischen „Postkarten“ aus aller Welt inspirieren. Gelegentlich greift der klassisch ausgebildete Gitarrist zum Overdub, um einige Duos einzuspielen. Ein melancholisches Album in warmen, dunklen Farbtönen.
Rolf Beydemüller

 MEHR ALS WIR: Midlife Drive
MEHR ALS WIR
Midlife Drive
(Record Jet)


Der Name ist gut gewählt. Das Duo der beiden Leipziger Musiker Matthias Ehrig (Gitarre) und Andreas Uhlmann (Posaune, Flügelhorn) klingt so druckvoll und vollständig wie eine ganze Band. Eine ungewohnte Kombination, die einen hohen Charmefaktor besitzt. Die beiden grooven mächtig. Musik, die direkt froh ins Ohr geht und in diesen dunklen Tagen regelrecht therapeutische Wirkung entfaltet.
Rolf Beydemüller
 QUIQUE SINESI: Corazón Sur
QUIQUE SINESI
Corazón Sur
(Acoustic Music Records)


Ein neues Juwel des Gitarristen aus Argentinien. Der auch hierzulande hochgeschätzte Musiker ist immer wieder in den unterschiedlichsten und kreativsten Kollaborationen zu finden. Umso schöner, ihn hier pur zu erleben, auf sieben- und zehnsaitigen Instrumenten, auf Ronroco und Charango. Er versteht es wie kaum ein anderer, einen ganzen Kontinent auf wenigen Saiten klanglich auferstehen zu lassen.
Rolf Beydemüller

 JOONAS WIDENIUS TRIO: New Nordik Sagas
JOONAS WIDENIUS TRIO
New Nordik Sagas
(Nordic Notes)


Überraschte der junge finnische Gitarrist früher damit, den Flamenco scheinbar in den hohen Norden verlegt zu haben, legt er jetzt konsequent nach, indem er skandinavische Melodien mit andalusischer Gitarrentradition verbindet. Seine Mitstreiter Hannu Rantanen (Bass) und Karo Sampela (Drums) lassen es ab und an ordentlich krachen, sodass auch Rockelemente in den ohnehin eklektischen Stilmix einfließen.
Rolf Beydemüller



Bücher
 JEAN REDPATH: Giving Voice to Traditional Songs : Jean Redpath’s Autobiography ; 1937-2014 / as told to Mark Brownrigg.
JEAN REDPATH
Giving Voice to Traditional Songs : Jean Redpath’s Autobiography ; 1937-2014 / as told to Mark Brownrigg.
sc.edu/uscpress
(Columbia, SC : Univ. of South Carolina Pr., 2018. – XIV, 214 S. : mit s/w Fotos)
ISBN 978-1-61117-892-0 , 24,99 USDR


Viele Künstler schreiben ihre Autobiografie nicht mehr selbst, sie erzählen ihr Leben einem professionellen Schreiber, der idealerweise ein Fan ist. So auch hier, und der Schreiber macht einen ausgesprochen guten Job, denn auf all den Seiten spricht klar und deutlich Jean Redpath. Geboren 1937 in Fife, der Halbinsel oberhalb von Edinburgh, worauf sie zeitlebens stolz ist. Als Erste ihrer Familie studiert sie, und zwar in Edinburgh, wo sie auf Hamish Henderson trifft, der ihre Liebe zu A-cappella-Folksongs fördert. Im Studium gerät sie in eine tiefe Sinnkrise, die sie löst, indem sie Anfang 1961 nach San Francisco geht, ursprünglich nur mal so für ein paar Monate Abstand, aber die USA lassen sie lebenslang nicht los. Sie zieht dann zu Zeiten des Folkbooms nach New York ins Village und singt sich durch die Kaffeehäuser der Staaten. Sie nimmt jedes Angebot an, und erst nachdem sie auf den prestigeträchtigen Festivals in Newport und Berkley gesungen hat, begreift sie, dass die Singerei tatsächlich nun ihr Beruf ist. Zu dieser Zeit lernt sie auch Gitarre, weil in den USA die Gleichung gilt: Gitarre + Gesang = Folk. Der Erfolg jenseits des Atlantiks spricht sich auch in GB rum, und so besucht sie regelmäßig ihre alte Insel und sieht trotz ihres Lebensschwerpunkts USA Schottland als ihre eigentliche Heimat. Schließlich sind es die traditionellen schottischen Lieder, die den Löwenanteil ihres Repertoires ausmachen. 2012 erkrankt sie an Brustkrebs und stirbt zwei Jahre später – zehn Tage, nachdem sie das letzte Kapitel des Buches ins Mikrofon gesprochen hat. Bodenständig, scheu, aber trotzdem selbstbewusst, mit einem trockenen schottischen Humor ausgestattet, eigensinnig und mit einer klaren Idee, wie schottische Balladen zu singen sind, das war Jean Redpath, und das scheint in diesem Buch mit wunderbarer Klarheit durch. „Singen ist ebenso Teil von mir wie Atmen. Es ist mein ganzes Sein, mein grundsätzlicher Weg, mich und meine Gefühle auszudrücken.“
Mike Kamp
 BRAD SCHREIBER: Music is Power : Popular Songs, Social Justice, and the Will to Change.
BRAD SCHREIBER
Music is Power : Popular Songs, Social Justice, and the Will to Change.
rutgersuniversitypress.org
(Chicago, IL : Rutgers Univ. Pr., 2019 – 238 S. : mit Farb- u. s/w-Fotos )
ISBN 978-1-97880812-6 , 29,95 USDR


Bücher über die Rolle der (populären) Musik im gesellschaftlichen Kontext gibt es reichlich. Brad Schreibers Abhandlung beleuchtet in mehrfacher Hinsicht neue Aspekte. Einmal, weil Schreiber ein weites Spektrum von Musik behandelt – von Reggae, Country, Metal und Psychedelia bis hin zu Rap, Punk, Folk und Soul. Natürlich fehlen (Folk-)Ikonen wie Pete Seeger und Woody Guthrie ebenso wenig wie Phil Ochs, Bob Dylan und Joan Baez. Aber der Autor beschäftigt sich auch mit weniger bekannten Künstlern oder solchen, die auf den ersten Blick nicht direkt als politisch angesehen werden. Ein Beispiel ist Lesley Gore. Sie hatte 1964 mit „You Don’t Own Me“ einen Hit, der erst im Rückblick als erster „Feminismusklassiker“ angesehen wurde. Schreiber zeigt auf, wie unterschiedlich die Ansätze der Musiker sind. Da gibt es wütende Protestsongs (wie bei Green Day) ebenso wie die humorvolle Verspottung der Autoritäten (wie bei Tom Lehrer). Auch so manch erstaunliches Detail findet sich. Wer hätte gedacht, dass P. F. Sloans Song „Eve Of Destruction“ (von Barry McGuire zum weltweiten Hit gemacht) von Kollegen wie Baez, Seeger und Lennon kritisiert wurde. Paul Simon bezeichnete den Song gar als „Beleidigung für seine Intelligenz“. Nach Sloans Biograf S. E. Feinberg wurde der (Popmusik-)Komponist von „den Hohepriestern des Protests nicht als ihresgleichen akzeptiert“. Music Is Power zeigt die vielfältigen Möglichkeiten, wie Musik Kultur und Gesellschaft bewegen kann. Ein wichtiges und zugleich ausgesprochen unterhaltsames Buch.
Michael Kleff

 BOBBIE MALONE / BILL C. MALONE: Nashville’s Songwriting Sweethearts : the Boudleaux and Felice Bryant Story.
BOBBIE MALONE / BILL C. MALONE
Nashville’s Songwriting Sweethearts : the Boudleaux and Felice Bryant Story.
oupress.com
(Norman, OK : Univ. of Oklahoma Pr., 2020. – XVI, 208 S. : mit s/w-Fotos. – (Amer)
ISBN 978-0-8061-6486-1 , 34,95 USDR


Möglicherweise sagen einem die Namen zunächst nichts, aber Boudleaux und Felice Bryant gehören mit mehr als 6.000 Songs zu den erfolgreichsten Autoren der Country- und Popmusik. Die wohl bekanntesten sind „Bye Bye Love“ und „Love Hurts“. Sie schrieben zahlreiche Lieder für die Everly Brothers, aber auch viele andere namhafte Künstler haben ihre Werke bekannt gemacht. Nach ihrer Hochzeit 1945 komponierten sie 1946 den ersten Song. Bis 1950 waren es dann schon etwa achtzig Stücke, die sie versuchten, an Musiker zu verkaufen. 1950 wurde der Musiker und Publizist Fred Rose auf die beiden aufmerksam und verhalf ihnen zu einem ersten Erfolg. Er vermittelte ihren Song „Country Boy“ an Jimmy Dickens in Nashville, der damit Platz 7 der Country Hitparade erreichte und 250.000 Exemplare der Aufnahme verkaufte. Die Bryants zogen daraufhin nach Nashville, wo sie die ersten unabhängigen Singer/Songwriter wurden, die mit Songwriting ihren Lebensunterhalt verdienen konnten. Das vorliegende Buch ist die erste vollständige Biografie über das Ehepaar. Es enthält neben 150 Seiten über das Leben und die Erfolge der beiden auf weiteren 50 Seiten eine Auswahl von 14 Texten der bekanntesten Lieder, umfangreiche Anmerkungen zu den einzelnen Kapiteln sowie eine Literaturempfehlungsliste.
Doris Joosten



Besondere
MANFRED MAURENBRECHER
Inneres Ausland
(Reptiphon), mit Texten


„… und aus dem Chaos, da wird ein Chor.“ Wenn eine Gruppe höchst unterschiedlicher und sich nicht nur wohlgesinnter Individuen zum gemeinsamen Gesang vereinen, dann entsteht etwas Neues, das alle ergreift. Die aktuelle Produktion mit einem Chor zu machen, ist für Manfred Maurenbrecher etwas Neues, und dieser Plan begleitet ihn auf seiner Reise in das innere und auch äußere Ausland. Vom Dunkel in seinem Inneren geht die Tour über Brandenburg bis nach Thassos und an die Ufer des Pruth und in die ferne Zukunft. Beobachtungen, Aufgeschnapptes, Persönliches und Politisches, Gedanken und Erträumtes, zu vielem hat er sich Gedanken gemacht und Lieder geschrieben. Es liegt eine gewisse Endzeitstimmung  MANFRED MAURENBRECHER: Inneres Ausland über einigen Songs, eine Hoffnung oder Erwartung hin auf die ganz große Veränderung, auf der anderen Seite finden sich darin ganz viel Alltag und kleine Geschichten. In mehreren Liedern setzt er sich mit den Rechtstendenzen im Land auseinander, der Ausländerfeindlichkeit, den Neonazis. Die Überhöhung und Ausnutzung des Heimatbegriffs für Leute, die sonst nichts haben. Fremde, gestrandete Menschen am Strand werden nur noch als Puppen wahrgenommen, als potenzielle Lohndrücker, als Teil eines inszenierten gigantischen Bevölkerungsaustausches. Und anschließend besingt er im nächsten Lied die Empfindungen eines Rucksacktouristen auf einer Fähre in Griechenland, und darauf folgt ein Text aus dem 19. Jahrhundert von Nikolaus Lenau. Diese Sprünge, dieser Mix, diese Wechsel machen den Reiz des 26. Soloalbums aus. Diese Vielfalt spiegelt sich auch musikalisch. Einzeln am Klavier, mit Band und mit Chor, erhält jeder Song seinen eigenen Charakter. Es erfordert aber auch, dass man sich als Hörer einlässt auf diese Wechsel, konzentrierter zuhört und vielleicht auch ins Booklet schaut. Kurz vor seinem runden Geburtstag hat der Schriftsteller und Liedermacher wieder ein interessantes und hörenswertes Album herausgebracht. Zu beidem an dieser Stelle: Herzlichen Glückwunsch!
Rainer Katlewski
AMSTERDAM KLEZMER BAND
Fortuna
(Vetnasj Records)


1996 sammelte Job Chajes (voc, sax) eine Handvoll engagierter Musiker um sich, die – allesamt Klezmer- und Balkan-erfahren – schließlich als Septett die Amsterdam Klezmer Band (AKB) bildeten, um Straßenmusik, in diesem Fall traditionelle jiddische Partymusik, von der Straße auf die Bühne zu bringen. Das war vor 24 Jahren, wobei nun mit Fortuna neben Chajes die altbewährten Musiker Jasper de Beer (bass, banjo), Alec Kopyt (voc, perc), Gijs Levelt (tr), Joop van der Linden (tromb, perc), Janfie van Strien (cl) sowie Theo van Tol (acc) – Letzterer für die Aufnahmen ersetzt durch Ellen van Vliet – ihr nun 16. Album vorlegen  AMSTERDAM KLEZMER BAND: Fortuna können. Wie bereits in der Vergangenheit sind auch alle 18 Stücke hier live im Studio eingespielt worden. Nach einem knappen Vierteljahrhundert gemeinsamen Musizierens muss nicht mehr alles dem entsprechen, was Klezmerpuristen als „typisch“ bezeichnen. AKB waren immer auf der Suche nach neuen Horizonten, einer musikalischen Weiterentwicklung, ohne sich jedoch vom Geist der jiddischen Partymusik und vom Klezmer zu entfernen. So werden Einflüsse nicht nur aus dem Jazz aufgegriffen, auch Balkanmusik im 9/8-Takt wie in „Gysgewys“ ergänzen eher Konventionelles wie „Tanz Tanz Tanz“, „Mommy’s out“, „Trach i Bach“ oder das wunderbare „Geheim in de Pijp“. Zum ersten Mal hatten AKB einen Produzenten, namentlich Stefan Schmid, für ein Album eingeladen; ein glatter Bruch in der Geschichte des Ensembles und ein großer Schritt aus seiner Wohlfühlzone heraus. Schmid stellte den Musikern die Aufgabe, jeweils ein Stück für ein anderes Bandmitglied ins Studio mitzubringen. Die Musiker sollten sich musikalisch-spielerisch miteinander auseinandersetzen, womit eigentlich ein neues Kapitel in der langen Geschichte der AKB eröffnet wurde.
Matti Goldschmidt

MAPACHE
From Liberty Street
(Yep Roc Records)


Wie immer in der über zwanzigjährigen Geschichte des Americana-Labels aus North Carolina ist auch beim Neuzugang Mapache (span. „Waschbär“!) solides Handwerk, kombiniert mit einer gewaltigen Portion Extravaganz angesagt. Clay Finch und Sam Blasucci sind ein Duo aus Los Angeles, das sich dem von eng umschlungenen Gitarren begleiteten dicht gewebten Harmoniegesang hingibt, wie man es in der Perfektion schon lang nicht mehr gehört hat. Seit Loggins & Messina vielleicht, seit Seals & Crofts, seit Bread und der Uncle Walt’s Band. Aufgenommen wurde die kalifornische Melange zu Hause bei den Jungs in der Liberty Street (Albumtitel!) im hippen L.-A.-Stadtteil Echo Park. Die Basis ist  MAPACHE: From Liberty Street Lagerfeuersongwriterfolk. Der wird variiert, freilich aber ohne je in den Verdacht zu geraten, nach 1974 eingespielt worden zu sein. „Liberty Street Blues“ und „See Through“ erinnern an den letzten Urlaub auf Hawaii. Der „Cowboy“ reitet authentisch durch die Prärie, und auch der Abschluss „I Just Steal Away And Pray“ ist mehr Western als Country. Dazwischen erklingen Bolerorhythmen und spanischer Gesang bei „Me Da Muerte“ und „Igual“. „Auf Spanisch zu schreiben und zu singen, spiegelt einfach das Leben, die Kultur und Musik in unserer Nachbarschaft wider“, erklärt Finch, der nach seiner Schulzeit zwei Jahre in Mexiko lebte. Wobei sowohl er als auch die Credits auf dem Cover unterschlagen, dass „Me Voy Pa’l Pueblo“ das Cover eines Uraltsongs der kubanischen Folkdiva Mercedes Valdez ist, vom Trio Los Panchos schon in den Vierzigern zum Hit geträllert. Aber wir wollen nicht kleinlich sein. Vierzehnmal gibt es hier versponnen-verträumten West Coast Folk Rock, begleitet manchmal von sanfter Percussion und stiller Pedal Steel. Produzent Don Horne legt auch mal selbst Hand an, ohne vom Grundtenor abzulenken und Gästen wie Sara Watkins an der zurückhaltenden Fiddle oder Farmer Dave Scher von Beachwood Sparks an der weichen Melodica das Leben schwer zu machen. Alles easy.
Martin Wimmer
AYNUR
Hedûr/Solace Of Time
(Dreyer Gaido), mit kurd. Texten u. Infos sowie türk. u. engl. Übersetzungen


DIMA ORSHO
Hidwa. Lullabies For Troubled Times
(Dreyer Gaido), mit arab., aserbaidsch. u. span. Texten samt engl. Übersetzung sowie engl. u. dt. Infos


Aynur ist eine Pionierin der kurdischen Musik. Sie war die erste, die in einem türkischen Film (Gönül Yarası von Yavuz Turgul, 2005) live kurdische Musik singen durfte. Damals, in einem schmalen Zeitfenster Anfang des neuen Jahrtausends, sah es so aus, als ob die Unterdrückung der kurdischen Kultur in der Türkei allmählich zugunsten eines liberaleren Kurses aufgegeben werden würde. Doch der Wind drehte sich wieder, und so verließ Aynur vor rund zehn Jahren ihre Heimat, weil Nationalisten sie bei einem Festival beschimpft und mit Sitzkissen beworfen hatten. Die Sängerin legt seit 2002 Alben vor; viel beachtet waren beispielsweise Keçe Kurdan (2004) und Hawniyat (eingespielt  AYNUR: Hedûr/Solace Of Time  DIMA ORSHO: Hidwa. Lullabies For Troubled Times 2015, veröffentlicht 2017, unter anderem mit Kayhan Kalhor an der Kamantsche). Deutschen Musikliebhabern ist Aynur aber wohl eher durch ihren Auftritt in Fatih Akıns Film Crossing The Bridge oder ihre Zusammenarbeit mit Yo-Yo Ma und dessen Silk Road Ensemble bekannt. Nun präsentiert sie mit Hedûr ein Album, dessen schwer übersetzbarer Titel musikalisch und textlich die Richtung vorgibt. Es geht um Trost und gleichzeitig das Einssein von Selbst und Kosmos. Aynur zeichnet diesmal auch für Teile der Kompositionen und Arrangements verantwortlich und spielt erstmalig Tembur. Handwerklich ist das Ganze hervorragend umgesetzt. Aynur gibt alles, die Instrumentierung ist abwechslungsreich, insbesondere das Istanbul Strings Quartet sorgt für wohlige Wärme im Herzen. 
Ebenfalls von Yo-Yo Mas Silk Road Ensemble her könnte man Dima Orsho kennen, denn sie hatte auf dessen CD Sing Me Home (2016) einen Gastauftritt. Auch Orsho spielte ein Album ein, in dem es um Trost geht. Auf Hidwa singt die in (Opern-)Gesang, Klavier und Klarinette ausgebildete Syrerin Schlaflieder unterschiedlicher Provenienz, die Mut und Zuversicht geben sollen. Ihre Stimme ist zum Niederknien schön, und die Mitmusiker überzeugen durch unaufdringliche Virtuosität und Feingefühl.
Ines Körver

JOHN MCLAUGHLIN, SHANKAR MAHADEVAN, ZAKIR HUSSAIN
Is That So?
(Abstract Logix), mit engl. Infos u. Texten


Vermutlich hat sich bis heute niemand als westlicher Musiker in so profunder Weise mit der Musik des indischen Subkontinents auseinandergesetzt wie der britische Jazzgitarrist John McLaughlin. Wer den jungen McLaughlin Anfang der Siebzigerjahre solo auf der akustischen Gitarre erlebt hat, staunte bereits, neben der unglaublichen Virtuosität, über die starken Anleihen an südindisches Veena-Spiel, was Phrasierung und melodische Komplexität angeht. Als er Mitte der Siebziger das Ensemble Shakti gründete, war die Symbiose perfekt. Mittlerweile 78-jährig, setzt er seiner lebenslangen Tätigkeit ein weiteres Glanzlicht auf. Schon lange beschäftigte ihn der Gedanke, die grundtonbasierte Melodik  JOHN MCLAUGHLIN, SHANKAR MAHADEVAN, ZAKIR HUSSAIN: Is That So? indischer Musik zu harmonisieren. Aus erstem Herumexperimentieren mit dem Sänger Shankar Mahadevan, der McLaughlin seit Anfang 2000 auf Tourneen mit dem Remember Shakti Projekt in Indien begleitet, entstand nun ein ganzes Album. Als Grundlage wählten die Musiker zum Teil Bhajans, einfache Volkslieder, die der religiösen Verehrung dienen. McLaughlin fügt diesen Liedern sein harmonisches Verständnis und Empfinden hinzu, und es entsteht etwas, das man in dieser Form tatsächlich noch nicht gehört hat, eine der kostbarsten Stimmen Indiens im freien Flug durch eine multidimensionale Klangwelt westlicher Prägung. Dazu waren sechs Jahre des Suchens, Verwerfens und Findens nötig, denn es gab keinerlei Vorbild. Erstaunlicherweise ist die Gitarre in allen Aufnahmen sehr dezent, was vermutlich daran liegt, dass McLaughlin meist einen Gitarrensynthie mit warmer, nahezu vokaler Tonerzeugung benutzt. Tablalegende Zakir Hussain ist wie immer so viel mehr als nur der Mann an den Trommeln. Er „spricht“ mit den Fingern, und selbst komplizierteste rhythmische Gestalten scheint er leicht und wie nebenher aus dem Ärmel zu schütteln. Dieser mehr als geglückte Versuch, weit voneinander entfernte klangliche Welten zu verschmelzen, ist von vollendeter Schönheit.
Rolf Beydemüller



Deutschland
 STEVE BAKER & THE LIVEWIRES: The Great Divide
STEVE BAKER & THE LIVEWIRES
The Great Divide
(Timezone)


Erst im Jahr 2018 brachte der Mundharmonikaspieler Steve Baker sein Debütalbum heraus. Nach vielen Jahren als Sideman diverser Bluesgrößen hatte er sich bis dahin einen mehr als großartigen internationalen Ruf erspielt. Und wie schön, dass es nicht beim Debüt bleibt. Mit dreizehn Titeln, von denen zwölf selbst komponiert sind, geht es in die nächste Runde. Anders als beim Erstling steht ihm nun eine eigene Band zur Seite. Natürlich ist hier alles auf Steve Bakers Gesang und sein Harpspiel abgestimmt, aber im musikalischen Gesamtkontext wirkt es wunderbar rund, geschlossen und dennoch spannend, was zum großen Teil auch an der stilistischen Vielfalt der Stücke liegt. Diese gründen hörbar im britischen Blues der Sechziger, haben merkliche Einflüsse von Rock ’n’ Roll, Funk und (anspruchsvollem) Pop, sogar ein Reggae darf mit dem rein instrumentalen „One Drop Blues“ nicht fehlen. Feine Harplinien, ausdrucksstarker Solo- und sehr schöner Backgroundgesang (Gina Baker), eine Gitarre, die einfühlsam begleitet, aber auch kernig zupacken kann (Jan Mohr), und ein unerschütterlich groovendes oder bei Bedarf verschleppt schepperndes Fundament von Schlagzeug (Henri Jerratsch) und Bass (Jeff Walker).
Achim Hennes
 PAUL BARTSCH & BAND: Alle Fragen offen
PAUL BARTSCH & BAND
Alle Fragen offen
(Bluebird Café Berlin Records), mit Texten u. Infos


Die achte Studioproduktion der Hallenser zeichnet sich wie gewohnt durch eindrucksvollen liedhaften Rock aus. Einige Stücke sind älteren Ursprungs, wurden aber zeitgemäß bearbeitet. Gleich drei Songs widmet Bartsch seinem „Waffengefährten“ und künstlerischen Vorbild Gerhard Gundermann: „Soldaten und Sänger, die werden nicht alt; / sie sterben im Bett, im Schlaf, im Hinterhalt.“ Man spürt, wie viel ihn mit Gundi verbindet, der viel zu früh starb. Überhaupt spielt das Thema Endlichkeit bei Bartsch mehrfach eine Rolle. „’ne Uhr mit ’m Zeiger, der sich viel zu schnell dreht“, heißt es in „Vorsehung“. Im Lied „Sicherheit“ geht es vordergründig um atomare Bedrohung, man könnte das aber sinnbildhaft durchaus auch auf die diesjährige Corona-Epidemie beziehen – Bartschs Texte wirken zeitlos und allgemeingültig. Ungewöhnlich diesmal drei Titel in bester Folktradition mit Geige und Flöte, etwa die „Ballade vom Frost“, eine wunderbare Melancholie, für die Bartschs Band um Sander Lueken plus fünf ebenso erstklassige Gastmusiker sorgen. Dass dieses Album empfehlenswert ist, steht außer Frage, auch wenn der Titel das nicht unbedingt vermuten lässt.
Reinhard “Pfeffi” Ständer

 DOTA: Mascha Kaléko
DOTA
Mascha Kaléko
(Kleingeldprinzessin Records)


Bisher eher für eigene Wortkunst bekannt, überlässt die Berliner Sängerin und Songschreiberin Dota Kehr auf dem neuen Album ihrer Band zum ersten Mal das textliche Geschehen komplett einer anderen. In den Vertonungen von Gedichten der mit Ringelnatz oder Kästner verglichenen Mascha Kaléko verbindet sich die lyrische Großstadt der Mitte des letzten Jahrhunderts mit der musikalischen von heute. Und auch wenn Kalékos Texte klassischer, metrischer daherkommen, gelingt es Kehr nahezu spielerisch, sie sich zu eigen zu machen. Mit akustisch-jazzigen Indieklängen treffen sie und ihre kongenialen Mitmusiker wunderbar den melancholisch-ironischen Ton der Vorlagen. Indem sie sich acht Kolleginnen und Kollegen für Duette ins Studio holten, vereinen Dota darüber hinaus alte und neue Protagonisten des deutschsprachigen Liedes. Und jedes Duett wirkt schlüssig, ob mit Uta Köbernick, Hannes Wader, Max Prosa, Konstantin Wecker oder Alin Coen. Mögen die Lieder kurz sein wie die Gedichte, ergänzt um drei von Bandmitglied Janis Görlich komponierte instrumentale Zwischenspiele erweisen Dota mit Mascha Kaléko einer wichtigen Dichterin einfühlsam die Ehre und unterstreichen gleichzeitig ihre Rolle als Referenz in Sachen deutschsprachige Musik.
Stefan Backes
 PETER FUNK: From Maui To Memphis
PETER FUNK
From Maui To Memphis
(Vinyl Reservat Records)


Seine Videos haben auf Youtube bis zu 200.000 Klicks. Sein Lehrbuch zur Lapsteel-Gitarre ist in den USA bei einem großen Verlag erschienen. Der Gitarrist Peter Funk ist ein gefragter Akustik- und Bluesgitarrist und tourt als Solist durch ganz Deutschland. Jetzt hat der Göttinger sein zweites Soloalbum veröffentlicht. Konzept dabei: Hawaii-Gitarre und Blues und die musikgeschichtlichen Verbindungen der Stile – Stichwort Bottleneck-Spiel. Die Hälfte der Titel interpretierte er solo auf der Gitarre. Die anderen Stücke spielte er mit musikalischen Weggefährten ein, mit dem Gitarristen Herbert Wegener und der Band Front Porch Picking, deren Mitglied er ist. Zu hören sind unter anderem der alte „Statesboro Blues“ vom amerikanischen Bluesmusiker Willie McTell und das berühmte „Paris, Texas“ von Ry Cooder. Damit die Stücke authentisch klingen, spielte Funk sie größtenteils auf historischen Instrumenten von 1926 und 1932 ein – unter anderem einer Resonatorgitarre aus Metall und einer seltenen Weissenborn-Lapsteel-Gitarre. Das i-Tüpfelchen des Albums ist das Cover, es stammt vom Züricher Illustrator Claude Kaiser.
Udo Hinz

 NATALIE GREFFEL: Para Todos
NATALIE GREFFEL
Para Todos
(Agogo Records)


Die am Jazz Institut Berlin geschulte Sängerin hat eine bunte Vielvölker-Vita vorzuweisen. Geboren in Mosambik, aufgewachsen in Dänemark, schlug ihr Herz – außer für Jazz – schon früh für den großen afrobrasilianischen Kosmos. Diese einst unter anderem durch die Mutter entfachte Liebe intensivierte sich bei der Tochter dank eines Erasmus-Aufenthalts in Rio vollends. Dessen Frucht ist quasi dieses recht ambitionierte, reife Debütalbum, das mit allerhand exzellenten Musikern aus der multikulturellen Berliner Wahlheimat entstand. Die junge Frau mit der charismatischen Stimme hat sich offenbar allerhand Soziopolitisches bei ihrem Erstling gedacht, das sich beim Hören der sechs gelungenen, vielgestaltigen Eigenkompositionen und einer Liedadaption von Chico Buarque allerdings ohne Zusatzinformationen und Portugiesischkenntnisse womöglich nicht erschließt (leider enthält die schön gestaltete CD weder Liedtexte noch irgendwelche einweisenden Liner Notes, die diese Veröffentlichung wahrlich verdient hätte). Die diversen musikstilistischen Inspirationen und Einflüsse finden sich in den von einer Samba-Jazz-Mixtur geprägten Songs nur bedingt wieder. Noch nicht, wohlgemerkt!
Katrin Wilke
 ROSA HOELGER: Birnen + Dieses verdammte Gefühl
ROSA HOELGER
Birnen + Dieses verdammte Gefühl
(Do-EP; Kick The Flame)


Sehr eigenwillig, sehr mutig. Die Stimme von Rosa Hoelger wandelt zwischen hoch und tief, zwischen Sprechen und außerordentlich melodischem Gesang. Ein bisschen theatralischer Sprechgesang, dann doch wieder Lied, dann mal nur Instrument. Das ist experimentell und unterstreicht die eigenen Gedanken, die sich die junge Frau über das Leben macht, im Kleinen und Großen, beim Obst und dem menschlichen Hin und Her. Auf Birnen hat sie alles selbst gedichtet und mit Gitarre und Klavier vertont, auch das Plattencoverbild gemalt, und Jakob Mayer hat noch eine E-Gitarre und eine Zither dazu beigetragen und alles aufgenommen. Nur das letzte Stück ist eine Adaption von Tom Waits’ „Dirt In The Ground“. Auf demselben Tonträger ist dann auch Dieses verdammte Gefühl untergebracht, welches live in der Küche des Hamburger Küchensession-Chefs Jens Pfeifer eingespielt wurde. Da gab’s Verstärkung durch die Musikerin Judith Retzlik an Glockenspiel, E-Piano und Geige, Pfeifers Küchenklavier und einem illegalen Stein. Dazu geben Wassertropfen ihren lauteren Klang, und es quakt ein anonymer Frosch. Nicht direkt zum Ausspannen, aber ein außergewöhnlich kreatives Erlebnis.
Imke Staats

 NILS KERCHER: Can You Smell The Rain
NILS KERCHER
Can You Smell The Rain
(Ancient Pulse Records), mit engl. Texten u. Infos


Sein neues Album beschreibt Nils Kercher als Wiederbegegnung mit der Gitarre, auf der er die Songs hauptsächlich geschrieben hat. Wie schon bei früheren Produktionen spielte er im Studio die meisten Instrumente selbst ein, neben den Gitarren unter anderem Geigen, Kora und sämtliche Rhythmusinstrumente. Das Ergebnis ist diesmal jedoch ein überraschend anderes. Der Grund mag in den Texten liegen, die seine Lebenspartnerin Kira Kaipainen beigesteuert hat. In der Interpretation tritt an die Stelle des westafrikanischen ein amerikanischer Einfluss im Stil von Simon and Garfunkel. Kercher findet für seinen Sinneswandel poetische Worte, als ginge es um einen neuen Songtext: „Es ist, als würde man morgens vor dem Kleiderschrank stehen und nach den richtigen Klamotten für den Tag suchen. Man weiß einfach, was passt und was nicht passt. Das ist keine rationale Entscheidung, sondern ich höre innerlich, wie es sein muss.“ Diese innere Stimme, die er zum Klingen bringt, macht auch dieses Album klanglich zu einem wahren Hörgenuss. Mal versonnen plaudernd, sich an anderer Stelle eindringlich zum Chor aufwerfend, findet er immer wieder Stilmittel, um jedem Song den Charakter einer individuell erzählten Geschichte zu verleihen.
Christoph Schumacher
 PETER KERLIN, IAN SMITH, JENS KOMMNICK: Triangle
PETER KERLIN, IAN SMITH, JENS KOMMNICK
Triangle
(S.T.I.R. 620), mit Texten, dt. u. engl. Infos


Dieses Album war überfällig. Schließlich hat der Goslarer Singer/Songwriter Peter Kerlin (Gesang, Oktavmandoline, Gitarre) gemeinsam mit seinem Kollegen Ian Smith (Gesang, Gitarre) aus dem nordwestirischen County Donegal mittlerweile vier Tourneen absolviert. Nun kamen die beiden Musiker dem Wunsch vieler Konzertbesucher nach, die immer wieder nach einem gemeinsamen Album mit den Stücken fragten, die die beiden Musiker auch live präsentieren. Ein Jig und je sieben Songs, bei denen jeweils der Verfasser den Leadgesang übernimmt und der andere Backing Vocals beisteuert. Apropos beisteuern: Zur Verstärkung holte sich das Duo niemand Geringeren als den Celtic-Guitar-Virtuosen Jens Kommnick, der auch Fretless Bass, Piano, Cello, Uilleann Pipes, Whistles und Keyboards beisteuert und gemeinsam mit den Studiogästen Dermot Byrne am Akkordeon und Rolf Wagels an der Bodhrán für einen herzerwärmenden Gesamtklang sorgt. Kerlins und Smiths Gänsehaut treibende Stimmen ergänzen sich auf ideale Weise, und so erklingen einige Klassiker wie Kerlins „The Shores Of Donegal“ oder „Upon Culloden’s Moor“ von Smith neu und frisch arrangiert. Exquisite Songs, von der ersten bis zur sechzigsten Minute ein Hochgenuss.
Ulrich Joosten

 ANDREAS KÜMMERT  Harlekin Dreams: Vomit Records
ANDREAS KÜMMERT Harlekin Dreams
Vomit Records


Andreas Kümmert, der Mann, der 2013 zur „Voice Of Germany“ wurde, zwei Jahre später die sichere Teilnahme am Finale des Eurovision Song Contests ausschlug, danach drei Plattenveröffentlichungen für ein großes Label verzeichnen konnte, aber mit all dem nicht glücklich war – ja, dieser Andreas Kümmert feiert mit seinem neuen Album eine Rückbesinnung, und das bedeutet: keine große Besetzung, alle Instrumente hat er selbst gespielt, von punktuellen Ausnahmen abgesehen. Komponiert wurden die Stücke ebenfalls alle von ihm selbst, und er gründete ein eigenes Plattenlabel. Aufgenommen, gemischt und produziert hat er das Material gemeinsam mit Dominik Heidinger in dessen Würzburger Tonstudio. Ja, und dann singt er mit dieser fantastischen, begnadeten Stimme, die so viel emotionale Tiefe transportieren kann. Etwas Rock, ein wenig Pop, Funk und ganz viel Soul. Nach eigener Aussage ging es Andreas Kümmert in erster Linie darum, Emotion und Authentizität zu transportieren, auch wenn das zu Lasten der Perfektion geht. Denkt man diesen Ansatz weiter, dann reift schon bald die Erkenntnis, dass wahre Schönheit nicht in der Perfektion liegt. Und von daher hat Andreas Kümmert mit seiner CD alles richtiggemacht.
Achim Hennes
 HEINZ RUDOLF KUNZE: Der Wahrheit die Ehre
HEINZ RUDOLF KUNZE
Der Wahrheit die Ehre
(Meadow Lake Music)


Gut vier Jahrzehnte steht Heinz Rudolf Kunze auf der Bühne, schreibt, textet, singt, schauspielert und bringt immer wieder ein neues Album heraus, in dem er sich mit seinen Songs zur Zeit äußert. Der Kampf um Fakten, Wahrheit und Fake News ist in den Zeiten von Internet, Blogs und Trollen heftiger entbrannt denn je. HRK macht daraus sein langes, sehr lyrisches und raffiniertes, melodisches Titelstück. Intoleranz, Fremdenhass und Rechtsradikalismus sind ihm zuwider, was er in mehreren Songs thematisiert. Aber nicht nur Statements zu aktuellen Themen finden sich, er singt Liebeslieder ohne Kitsch; philosophische Betrachtungen, Einsamkeit und Müdigkeit bekommen ebenfalls seine Aufmerksamkeit. Noch vielfältiger als seine Themen sind die musikalischen Ausdrucksformen und Stile, die er verwendet. Rock, Pop, Folk oder Klavierballade, alle vierzehn Songs sind abwechslungsreich und mitreißend. Neil Young, Genesis, Elton John, Springsteen, Stones oder Van Morrison werden als Quellen der musikalischen Inspiration genannt. Eine Klavierballade mit dem optimistischen Titel „Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort“ beendet eine rundherum überzeugende Scheibe.
Rainer Katlewski

 MACKEFISCH: Brot und Glitzer
MACKEFISCH
Brot und Glitzer
(Fizz Records)


Ein munteres Pärchen hat sich da mit Klavier und Gitarre zu einem Debütalbum zusammengetan – Lucie Mackert und Peter Fischer. Eine Pfälzerin und ein Münchener, die von einigen Musen geküsst wurden, singen und musizieren mit einer seltenen Leichtigkeit. Flotte Rhythmen und eingängige Melodien transportieren wortverspielte und skurrile Texte. Wenn die Welt schon vor die Hunde geht, dann tanzen sie in den Untergang. Ironie schmeckt am besten pur, verkünden sie, und schwarzhumorig grinsen sie, wenn ein Umweltaktivist vom Elektroauto überrollt wird. Tja, so etwas kann man witzig finden. Doch auch ihnen ist Peinlichkeit nicht fremd, und die ernste Pointe in einem witzigen Song erdet auch ihren scheinbaren Unsinn wieder. Schaut man sich an, wie umtriebig die beiden als Künstler sind, reich werden sie noch nicht geworden sein, versteht man die sarkastische Aufforderung, Künstler bitte nicht zu füttern, denn die leben ja vom Applaus, und ein voller Magen ist bekanntlich des Künstlers künstlerischer Tod. So geht das zwischen Albernheit und Tiefsinn hin und her. Beide bringen ihre eigenen Lieder ein, und gleichwohl man die unterschiedlichen Stile wahrnimmt, ist eine fröhliche Produktion aus einem Guss entstanden, die Beifall verdient hat und ihnen ihr Brot sichern möge.
Rainer Katlewski
 TRIXSTAR: #trixstylez
TRIXSTAR
#trixstylez
(Boomrush Productions)


Dass Frauen im Reggae/Dancehall-Business eher unterrepräsentiert waren (und teils immer noch sind), mag einem szeneeigenen Machismo geschuldet sein, der auch hierzulande seltsame Blüten generiert. So wird das von Marley empathisch gemeinte „No, Woman, No Cry“ (man beachte die Kommasetzung) von einheimischen Kiffkumpanen immer noch gerne als „Keine Frau, kein Geheule“ verballhornt. Zuviel Dope ist halt auch nix … Um sich in diesem Genre durchzusetzen, muss frau also erst mal doppelt so laut brüllen wie ihre männliche Konkurrenz. Die Deutsch-Iranerin Ima Ghafouri aka TriXstar bezeichnet sich deshalb gerne auch mal augenzwinkernd als „Dancehall Terrorist“ und lässt sich auf dem Cover ihres ersten Longplayers von einer Comicfigur in Lara-Croft-Pose darstellen. Okay, Kinderkram, denn dergleichen hat die Frau absolut nicht nötig. Sie hat eine mitreißende Stimme, schreibt kluge Texte, und ihr musikalisches Umfeld komponiert ihr einen Ohrwurm nach dem andern. 18 dieser Ohrwürmer kann man auf dem vorliegenden Debütalbum hören, das streng genommen eine Kompilation aus ihren Singles/EPs der Jahre 2011 bis 2019 ist. Nix essentiell Neues also, aber so hat man die guten Sachen endlich mal alle zusammen!
Walter Bast

DVD/Filme
 GRIT LEMKE: Gundermann Revier
GRIT LEMKE
Gundermann Revier
(Deutschland, 2019)
97:00 Film + 22:00 Bonus; Inselfilm/Buschfunk


Die biografische Dokumentation holt den 1998 verstorbenen Liedermacher Gerhard Gundermann zurück in sein „Revier“. Mit „Gundi“ befreundet, vermittelt die wie er in Hoyerswerda aufgewachsene Filmemacherin Grit Lemke darin am Beispiel seiner Person das Lebensgefühl der Menschen ihrer Heimat und Generation. Die sich daraus ergebende Nähe zum Porträtierten hilft, aus der Innenperspektive heraus ein Gespür für diesen speziellen Mikrokosmos zu entwickeln, und verortet den Musiker und Tagebaukumpel stärker in seinem Kontext. Dem dienen Bilder und Erinnerungen an das Hoyerswerda der Sechziger und Siebziger, aber auch des Rückbaus in heutiger Zeit. Noch lebende Weggefährten kommen zu Wort, von der Brigade Feuerstein, der Seilschaft, Silly; vor allem aber Gundermanns Frau Conny. Lemke greift auch auf Sequenzen aus den Dokus von Richard Engel zurück (1982, 1999), auf Ausschnitte aus Talkshows, private Videoaufnahmen oder Konzertmitschnitte. Wesentliche Aspekte aus Gundermanns Leben werden so berührt und teils neu ausgeleuchtet – Musik, Tagebau, Stasi-Mitarbeit, Ökologiebewusstsein. Mag Gundermann Revier vielleicht nichts wesentlich Neues zutage fördern, verdichtet der Film in seiner abwechselnden Montage von Archivmaterial und neuen Aufnahmen mit der Musik des Liedermachers als Soundtrack doch das Gesamtbild dieses inspirierenden, aber auch polarisierenden Menschen. Und dokumentiert gleichzeitig eindrücklich die leise Melancholie einer „übersprungenen Generation“.
Stefan Backes



Europa
 CSÍK JÁNOS & MEZZO: Szép A Tavasz, Szép A Nyár
CSÍK JÁNOS & MEZZO
Szép A Tavasz, Szép A Nyár
(Fonó), mit ungar. Texten u. Infos


Hier geht die Sonne auf. Genau wie sein Titel „Schön ist der Frühling, schön ist der Sommer“ erhoffen lässt, ist das Album des wohl berühmtesten ungarischen Folkmusikers János Csík wirklich eine Offenbarung. Gemeinsam mit der ebenfalls aus seiner Heimatstadt Kecskemét stammenden Mezzo-Band verbreitet der 55-jährige Sänger und Violinist unglaublich gute Laune. Die sechs exzellenten Musiker versprühen eine Lebensfreude, die vielleicht nur jemand authentisch leben kann, der schon einmal vor dem völligen Aus stand. 2002 erlitt Csík einen schweren Autounfall und musste zweimal wiederbelebt werden. Was ursprünglich nur für ein Wohltätigkeitskonzert gedacht war, entpuppt sich auf dem ersten gemeinsamen Album als geniale Verbindung. Die neun vor allem aus der Feder von Csík stammenden Kompositionen sind eine unwiderstehliche Mischung aus ungarischer Folklore, Jazz, Chanson, Caféhausmusik, Bluegrass und Boogie. Über allem schwebt Csíks sanfter Bariton, der sich federleicht mit der Virtuosität von Mezzo verbindet und dem Hörer zugleich Tränen und ein Lachen ins Gesicht spielt. Außerdem will der Körper das Tanzbein schwingen, und der Kopf hält nach dem nächsten Ungarisch-Sprachkurs Ausschau.
Erik Prochnow
 IBRAHIMA CISSOKHO & MANDINGUE FOLY: Liberté Mom Sa Bop
IBRAHIMA CISSOKHO & MANDINGUE FOLY
Liberté Mom Sa Bop
(NarRator)


Sein offizielles Alter hat der senegalesische Koravirtuose und Sänger noch nicht preisgegeben. Er entstammt einer Griotfamilie aus der Casamance, wurde vermutlich um 1980 dort geboren. Verwirrung kam auf, da bisweilen unter gleichem Vornamen der Koraspieler Solo Cissokho (1963-2019) auftrat. In seiner Heimat mit traditioneller Mandingemusik und modernem Mbalax aufgewachsen, dabei schon mit Rockmusik infiziert, siedelte Ibrahima 2008 nach Frankreich über. Dank seines Talents als Koramusiker fand er bald Kollegen, um eine Backing Band zu formieren: Mandingue Foly. Es dauerte allerdings noch Jahre, bis sie 2016 mit Yanfu das Debütalbum vorlegten. Trotz Besetzungswechseln waren Ibrahima & Co. permanent on tour, nahmen schließlich 2019 die zweite CD auf, mit einem komplett neuen Line-up. Ibrahima stellt sein Koraspiel nicht in den Mittelpunkt. Seinen exzellenten Mitmusikern begegnet er auf Augenhöhe. Olivier Granger brilliert auf dem Saxofon mit jazzigen Soli, den dominanten Rocksound besorgt Drummer Pham Trong-Hieu, die Talking Drum lässt Percussionist Ousmane Seydi „sprechen“, unterlegt von den kongenialen Bassläufen Abdourakhman Falls. Inhaltlich geht es meist um die Wertschätzung der Familie und der Ahnen.
Roland Schmitt

 BLAIR DOUGLAS: The Flyer
BLAIR DOUGLAS
The Flyer
(Macmeanmna)


Das achte Soloalbum des Runrig-Mitbegründers, Akkordeonisten und lebenslangen Bewohners der Isle of Skye. Solo heißt bei Douglas eigentlich immer, alle Tasteninstrumente werden von ihm gespielt und hinzu kommen Freunde wie Calum Matheson (Small Pipes), Gordon Gunn (Fiddle, Mandoline), Iain Smith (Mandoline) und Ben Bachle (Drums, Gitarre). Und solo heißt auch unbedingt, das komplette Instrumentalalbum wird von ihm komponiert, denn seine Melodien sind seine große Stärke. Die Kompositionen haben ein unverwechselbares Flair. Man hört deutlich heraus, was Blair Douglas jeweils inspiriert hat. Ob das nun Orte wie Cape Breton (im Titelstück), Louisiana oder Orkney sind, ob es das Gedenken an die jungen Toten des 2017er-Selbstmordanschlags auf ein Konzert in der Manchester Arena ist oder der Fiddler, der sich von seinem Bogen verabschiedet (und das ist nur das halbe Album!), die Gefühle sind allgemein spürbar. Manchmal schwungvoll und oft melancholisch, hat Blair Douglas erneut ein kleines Meisterwerk vorgelegt.
Mike Kamp
 ANN-TURI FORD: Samuels Sanger
ANN-TURI FORD
Samuels Sanger
(Heilo), mit norw. Texten sowie norw. u. engl. Infos


Samuel Hansen Hellen (1813-1892) stammte von der norwegischen Insel Nøtterøy, war Wanderarbeiter, Landstreicher, vor allem aber Gewährsmann für den Volksliedsammler L. M. Lindeman, also eine Art norwegischer Egbert Gerrits. Sein Nachlass, also Lindemans Sammlung, ist noch längst nicht aufgearbeitet, und eine Dreifach-CD führt in seinen Liedschatz ein. Die drei Scheiben sind thematisch aufgeteilt. Die erste enthält religiöse Lieder des dichtenden Pastors Petter Dass (1646-1707), die teilweise überraschend lebhaft und witzig sind. Auf der zweiten finden sich lange Heldenballaden (und es sind auch Heldinnen dabei), die zuletzt Ende des 16. Jahrhunderts in Dänemark gedruckt wurden. Woher Samuel Hansen sie hatte – noch dazu in ihrer altertümlichen Sprachform – ist noch nicht erforscht. Auf der dritten gibt es allerlei andere Lieder aus Lindemans Sammlung, die sich thematisch nicht so leicht zusammenfassen lassen. Dazu gibt es ein umfangreiches Buch mit vielen Abbildungen, über Samuel Hellen, sein Leben, seine Zeit und Lindemans Sammlungen. Ein grandioses Unternehmen, gestaltet von vielseitigen Musikerinnen und Musikerin, lebendig gemacht durch die ausdrucksstarke Stimme von Ann-Turi Ford.
Gabriele Haefs

 THERESA KAVANAGH: An Choill Uaigneach – The Lonesome Forest
THERESA KAVANAGH
An Choill Uaigneach – The Lonesome Forest
(Eigenverlag)


Als Merkmale der Fiddlemusik Donegals können gelten: sehr schnelle Tempi, häufiger Bogenwechsel, statt „Lift“ eher vorwärtstreibender Gestus im Spiel, so wie man es von historischen Ikonen wie zum Beispiel John Doherty, Con Cassidy oder James Byrne kennt – oder moderner und zeitgenössisch von Mairéad Ní Mhaonaigh. Theresa Kavanagh jedoch gehört zu einer neuen Generation, hat neben ihren lokalen Einflüssen eine eher „globalisierte“ Fiddleausbildung aufzuweisen und versammelt auf ihrem neuen Album in sehr gemessener, ausgefeilter Stilistik mit viel Ausdruck und Verve vor allem Eigenkompositionen im irischen Genre. Darunter finden sich sowohl einige echte „gems“ wie „Abandoned Meadow“ als auch einige ziemlich verkopft wirkende, nicht so einfach zugängliche Tunes. Dazu kommen Stücke historischer Tuneschreiber wie Ed Reavy sowie eine Verneigung vor Tommy Peoples mit zwei wunderbaren Jigs aus dessen Repertoire. Begleitmusik machen Manus Lunny und Kollegen von Capercaillie – ein sehr moderner Gesamtkontext also. Ein rundes, intellektuelles, schön am Ohr klingendes Werk. Für Fiddlegourmets und Liebhaber guter irischer Musik gleichermaßen geeignet.
Johannes Schiefner
 MATTHEWS SOUTHERN COMFORT: The New Mine
MATTHEWS SOUTHERN COMFORT
The New Mine
(MIG Music)


Unglaublich, wie gut der 74-jährige britische Singer/Songwriter mit der unverwechselbaren Stimme gesanglich drauf ist. Mehrstimmige, fließende Vokalharmonien waren schon immer sein Markenzeichen, ob bei Plainsong oder in seiner 1969 gegründeten ersten Southern-Comfort-Besetzung. 2017 kam es zur Neugründung mit komplett neuen, aus Matthews’ heutiger Wahlheimat Niederlande stammenden Musikern. Auf dem zweiten Album greift Matthews nun, gut fünfzig Jahre nachdem er mit der MSC-Urbesetzung einen weltweiten Nummer-eins-Hit mit Joni Mitchells „Woodstock“ hatte, einen weiteren Song der Kanadierin auf. Mit „Ethiopia“ eröffnet er gefühlvoll einen Longplayer der Sonderklasse, auf dem neben ihm der Gitarrist, Songwriter und Produzent Bart Jan Baartmans, der Keyboarder Bart de Win und der Singer/Songwriter und Gitarrist Eric Devries mitwirken sowie die Studiogäste Sjoerd van Bommel (Schlagzeug) und Sängerin Elly Kellner. Zwölf Songs und 55 Minuten exquisites Songwriting mit traumhaft sicheren Vokalharmonien und folkrockigen Arrangements, die eher im zupackenden Americana-Rock als im britischen Folkrock zu verorten sind und mit überschäumender Spielfreude höchsten Qualitätsansprüchen gerecht werden.
Ulrich Joosten

 MUZSIKÁS & AMADINDA : Párhuzamok És Kontrasztok
MUZSIKÁS & AMADINDA
Párhuzamok És Kontrasztok
(Fonó), mit engl. u. ungar. Infos


Eine außergewöhnliche Begegnung der Weltmusik. Am 28. Dezember 2017 vereinten sich die beiden legendären ungarischen Ensembles zu einem mitreißenden Konzert und einer kulturellen Reise durch verschiedene Musikstile. Muzsikás gilt als das international renommierteste ungarische Folkmusikensemble. Die vier Musiker beeindrucken seit 47 Jahren auf den Bühnen der Welt – wie der New Yorker Carnegie Hall – mit ihrer dynamischen Performance ungarischer Folkmusik. 2008 gewannen sie dafür den prestigeträchtigen WOMEX Award. Die vier Percussionisten von Amadinda können seit ihrer Gründung 1984 ebenfalls auf zahlreiche Preise zurückblicken. Auf Párhuzamok És Kontrasztok („Parallelen und Kontraste“) zelebrieren sie unter anderem mit afrikanischen Xylofonen, polynesischen Trommeln, der Mbira oder Flöten atemberaubende Interpretationen traditioneller Folklore aus Malawi, Gabun, Zimbabwe und Tahiti. Im Wechsel führt Muzsikás die virtuose Energie mit rasanten Tänzen, Hochzeitsmusik und heilender Improvisation aus verschiedenen Regionen Transsylvaniens fort. Auftakt und Abschluss bilden zudem zwei traditionelle Stücke der Hirten der südlichen Donauregion, in denen beide Ensembles gemeinsam die Harmonie mit der Natur beschwören.
Erik Prochnow
 BRIAN Ó HEADHRA & FIONA MACKENZIE: Tuath – Songs Of The Northlands
BRIAN Ó HEADHRA & FIONA MACKENZIE
Tuath – Songs Of The Northlands
(Naxos World)


„Never change a winning team“, sagt man im Sport – und warum sollte das in der Musik anders sein? Die siegreiche schottische Mannschaft: Das Ehepaar Brian Ó hEadrha (Gesang, Bodhrán) und Fiona Mackenzie (Gesang) sowie der Multiinstrumentalist, Sounddesigner und Produzent Mike Vass. Letzterer ist (neben seiner Mitgliedschaft in der Band Malinky) die moderne Ausgabe eines anderen Mikes, des Oldfields nämlich. Beide türmen größere und kleinere Soundgebirge auf, hier jedoch nie als Selbstzweck, immer im spannenden und fantasievollen Dienst der mit zwei Ausnahmen gälischen Songs, die Ó hEadhra und Mackenzie ausgesucht oder selbst geschrieben haben (in fünf Fällen). Zu diesem Team stoßen noch Innes White (Saiteninstrumente), Tom Gibbs (Tasteninstrumente) sowie die Künstlertöchter Órla und Róise (Backing Vocals). Die Lieder folgen wie das Vorgängeralbum Tir – Highland Life And Lore (siehe Folker 1/2019, S. 70) locker einer Titelthematik, meist sind es nördliche Songs aus Schottland, Irland, Dänemark und Norwegen, aber auch ein Ausreißer aus Galicien ist dabei. So sollte Folkmusik dieser Tage klingen, modern, innovativ, unerschrocken, aber immer hörbar den Wurzeln verpflichtet. Die CD steckt leider in einem Jewel-Case – so viel Plastik ist heute unanständig.
Mike Kamp

 MATILDE POLITI: Viva Santa Liberata – Sicilian Women Folksongs
MATILDE POLITI
Viva Santa Liberata – Sicilian Women Folksongs
(Felmay)


Das neue Album der Palermerin ist höchst ungewöhnlich in verschiedenen Aspekten. Da ist zuerst einmal die Stimme, oft allein a cappella gesungen, manchmal zusammen mit Simona de Grigorio. Bei den weiteren Stücken kommen Politis akustische Gitarre, ein Tamburin oder eine Geige hinzu. So archaisch und sparsam instrumentiert tönten traditionelle Folkalben in den letzten Jahren kaum mehr. Speziell ist auch das Repertoire der Sizilianerin. Alle Lieder sind aus Frauensicht geschrieben. Sie singt Traditionals über die ausgebeuteten Arbeiter, die in den Schwefelminen und bei den Großgrundbesitzern kaum ein Auskommen finden. Den Schwerpunkt des Albums bildet die Geschichte der Heiligen Genoveva, der Schutzpatronin der sizilianischen Bevölkerung. Die Sängerin beleuchtet den Mythos in eigener Weise. Genoveva findet keine Erlösung unter der hell leuchtenden Sonne des Landes. Vielmehr findet sie Schutz im Schatten, in verlassenen Höhlen, wo sie vor der Verfolgung und Gewalt der Männer geschützt ist. Matilde Politi bleibt auf ihrer aktuellen CD der oralen Gesangstradition ihrer Insel treu. Dies sorgt für ein intensives Klangerlebnis, das sich einem bei mehrmaligem Hören erschließt.
Martin Steiner
 VICKI SWAN & JONNY DYER: Sleep Deprivation
VICKI SWAN & JONNY DYER
Sleep Deprivation
(Wet Foot Music)


Eine gute Stunde Non-Stop-Kontratänze in der Tradition eines John Playfords, das setzt vor der Bühne eine gewisse Fitness voraus. Das englische Duo Vicki Swan (Nyckelharpa, Kontrabass, Flöte) und Jonny Dyer (Piano, Bouzouki, Mandoline, Leier, Citole, Percussion) gestattet sich auf seinem neuen Album nur einen Song, und der („Jiggle The Old Bones“) hätte auch gut und gerne Titelstück werden können. Stattdessen widmen sie die CD im plastikfreien Schuber all den Kollegen, die zu nachtschlafender Zeit vom Gig nach Hause fahren. Swan und Dyer interpretieren ihr im Grunde traditionell strukturiertes, aber ausnahmslos von Dyer geschriebenes Material, wie bei diesem Duo üblich, mit großem Können und Einfühlungsvermögen, aber ohne musikalische Mätzchen, genauso wie man es live von ihnen gewohnt ist. Mit der CD im Gepäck planen sie, im Oktober wieder auf Deutschlandtour zu gehen. Es ist zu hoffen, dass die Clubs dann wieder aktiv sein können. Übrigens, wer konditionelle Probleme hat: Die 61 Minuten der CD sind in zehn Tracks unterteilt, eine Pause ist also ohne Weiteres möglich.
Mike Kamp

Afrika
 AFRICAN HEAD CHARGE: Drumming Is A Language 1990-2011
AFRICAN HEAD CHARGE
Drumming Is A Language 1990-2011
(On-U Sound), 5-CD-Box, mit 36-seitigem engl. Booklet


In den Achtziger- und Neunzigerjahren wurde die britische Popmusik von einer Reihe von Seiteneinsteigern aus dem Bereich der traditionellen Musik der Völker belebt. Musiker/Produzenten wie Peter Gabriel (Realworld) oder Adrian Sherwood (On-U Sound) dokumentierten diese Trends auf ihren Labels. Während Gabriels Weltmusikidee zweispurig konzipiert war (strikt traditionell vs. zeitgenössisch aktuell), suchte Sherwood bevorzugt nach Acts, die auch in der damals gerade ausgesprochen populären Technoszene Anklang fanden. So wie African Head Charge, das musikalische Projekt des Percussionisten Bonjo Iyabinghi Noah. Aus AHCs großem Oeuvre hat Produzent Sherwood vier repräsentative Werke ausgewählt: Songs Of Praise (1990), In Pursuit Of Shashamane Land (1993), Vision Of A Psychedelic Africa (2005) und Voodoo Of The Godsent (2011). Alle Alben wurden remastert und mit Bonustracks versehen. CD 5 enthält unter dem Titel Churchical Chant Of The Iyabinghi je fünf Dubversionen von Titeln aus Praise und Shashamane. Fazit: Auch nach all den Jahren ist AHCs heterogener Reggaeansatz auf eine angenehme Art zeitlos geblieben. Und wer weiß, vielleicht entdecken junge DJs dank dieser CD-Box diese Musik neu.
Walter Bast



Nordamerika
 ARBOURETUM: Let It All In
ARBOURETUM
Let It All In
(Thrill Jockey Records), mit engl. Texten


Das Wasser, das Wetter, die Nacht; Fieberträume, Mythen und Märchen – die vierköpfige Band aus Baltimore führt in eine sonderbare Welt ein, voll schwebender Symbolik und einer übermächtigen Natur, in deren Romantik auch immer die Ahnung großer Zerstörungskraft steckt. Alte Geschichten schimmern vom Grund der Songs auf, die Klänge wurzeln in einem schweren psychedelischen Folkrock voller Hall, verschlungene Gitarrensoli beanspruchen ausgiebig Raum, Anleihen an frühen Metal zeigen sich ebenso wie Fragmente uralter englischer Lieder. Die Ästhetik der späten Sechziger und frühen Siebziger lebt auf, Progrock liegt nur eine Armlänge entfernt. Songschreiber, Sänger und Gitarrist Dave Heumann breitet sich mit seinen Stücken gern aus, soliert umfangreich, schafft es, einen apokalyptischen Punkrocker wie den Titeltrack auf zwölf Minuten zu dehnen. Aber was raus muss, muss raus. Dass er manchmal wie Bryan Ferry klingt, etwa bei „Buffeted By Wind“, zeigt die stark melodiösen Aspekte seiner Musik. Nach Rettung sucht Heumann im Kinderglauben: „You won’t get caught if you just hide your eyes when you sing along.“ Wir möchten ihm gern glauben in Zeiten der Angst.
Volker Dick
 THE DANBERRYS: Shine
THE DANBERRYS
Shine
(Singular Recordings)


„Take a hand, be a friend, / It all begins when we put an end to the hate that we create / While enslaved to the way of men.“ Americana auf der Höhe der Zeit liefern Sängerin Dorothy Daniel und Gitarrist Ben DeBerry Nashville nicht nur im Albumhighlight „Love Conquers War“. Neben der schwungvollen Gospelhymne überzeugen auch die restlichen elf energischen Tracks. Koproduziert wurde die vierte Scheibe des verheirateten Duos von Marco Giovino, der auch exzellente Drums und Percussion beisteuert. Zum ehemaligen Mitglied von Robert Plants Band of Joy passt als Gastsänger auf dem ebenfalls mit stark religiösen Untertönen aufgeladenen „The Mountain“ auch dessen Weggefährte Darrell Scott. An Plants dunklen Folkrock mit Patty Griffin, die elektrisch-bluesige Seite von Lucinda Williams, die souveräne Klarheit von Rosanne Cash und die elegischen Cowboy Junkies erinnert das. Beste Referenzen. Und nicht vergessen: „Hand in hand, every man, all is one, we shall overcome!“
Martin Wimmer

 FRAZEY FORD: U Kin B The Sun
FRAZEY FORD
U Kin B The Sun
(Arts & Crafts Productions)


Im Trio The Be Good Tanyas hat Frazey Ford die Tiefen von Folk und Bluegrass ausgelotet, nun ist sie bereits seit gut zehn Jahren solo unterwegs. Musikalisch hat sie sich unterdessen in Richtung Soul und Gospel weiterentwickelt. Wobei sie mit U Kin B The Sun ein großes Wagnis einging, hatte sie zu Beginn der Aufnahmen doch nur einige Skizzen, keine fertigen Songs zur Hand, und überließ sich ganz dem Prozess der Studioaufnahme, ohne genaue Vorstellung von einem Gesamtbild. Das ist dem Album anzumerken. Standen sonst bei ihr die Songs und Arrangements im Mittelpunkt, leben die elf Titel mehr von einer atmosphärischen Kraft, wie sie im Call-and-Response der Gospelmusik zu finden ist. Dabei ist ihr Gesang kaum zu verstehen, sie presst und knebelt die Worte, als ginge es mehr um deren Klang als um deren Bedeutung. Dominierend ist auf diesem Album das Piano, das von Bass und Schlagzeug kraftvoll unterstützt wird und im Zusammenspiel mit Fords eigenartiger Stimme eine Art „white gospel music“ entstehen lässt. So hat sie sich noch einen guten Schritt weiter entfernt von dem, was die Folkmusik ihrer Jugend war. Doch taucht auch diese immer wieder auf diesem Album auf, wie ein kleiner Schimmer, der sich auf die Songs legt.
Michael Freerix
 JEFFREY FOUCAULT: Blood Brothers
JEFFREY FOUCAULT
Blood Brothers
(Blueblade Records), mit engl. Texten


Diese Begabung, mit wenigen Wörtern Bilder aufscheinen zu lassen. Die Fähigkeit, eine dazu passende Musik von der Qualität atmosphärischer Soundtracks zu schreiben. Das Glück, mit einer warmen und ausdrucksstarken Stimme gesegnet zu sein. Und der Umstand, fähige Instrumentalisten an der Seite zu wissen, die sonst für Acts wie Lucina Williams, Booker T und die Pretenders spielen. Bei Jeffrey Foucaults sechstem Soloalbum kommt allerhand zusammen. Der 44-jährige Songschreiber aus dem mittleren Westen der USA verbreitet eine nachdenkliche Grundstimmung, blickt zurück, lässt schöne wie schmerzliche Momente passieren, gefasst in ein Klangbett aus Country, Folk, Rock und Blues. Im Opener „Dishes“ heißt es: „The light’s always perfect / Just before it fails.“ Der Schönheit wohnt immer die Gewissheit des Vergehens inne. Mit dem Titelstück liefert er eine von mehreren wunderbaren Balladen; diese schaut auf eine vergangene Beziehung, von der als Gespenst ein Lächeln übrigbleibt – und das Bedauern über gesagte Sätze. Ehefrau Kris Delmhorst veredelt das Ganze, wie auch Kollege Tift Merritt und Kenneth Pattengale von den Milk Carton Kids. Eine Sammlung von Perlen von einem Meister des Timings.
Volker Dick

 JANA HERZEN: Nothing But Love
JANA HERZEN
Nothing But Love
(Springstoff)


Vom ersten Ton an nimmt die New Yorkerin den Zuhörer gefangen. Ihre zwölf Kompositionen von Jazz über Folk bis Soul lassen die Alltagsroutine sofort vergessen und machen fast süchtig. Die Tochter der renommierten Immunologen Leonard und Leonore Herzenberg studierte ursprünglich Drama und arbeitete zehn Jahre lang als Schauspielerin, Dramaturgin und Regisseurin in der Manhattan Class Company. Die Singer/Songwriterin und Gitarristin fühlte sich aber immer zur Musik hingezogen. 2003 gründete sie daher das mit dem Grammy ausgezeichnete Label Motéma Music, wo sie inzwischen mehr als vierzig Künstler und über achtzig Alben produzierte. Die neueste Veröffentlichung ihrer eigenen Lieder kann dabei sicher zu den Höhepunkten zählen. Die exzellent arrangierten und eingespielten melancholischen Stücke über Verlust, Isolation, Freude, Hoffnung und Aufbruch gehen unter die Haut. Die herzenswarme Stimme in der Tradition etwa einer Joni Mitchell und ihre vielfältigen Klangfarben sind ein wahrer Genuss. Ihre poetische Erzählkunst harmoniert vorzüglich mit der einfühlsamen Instrumentierung aus Violine, Jazzgitarre, Piano, Bass und Schlagzeug. Ein Album, um Krisen mit einem Lächeln durchzustehen.
Erik Prochnow
 EMMA HILL: Magnesium Dreams
EMMA HILL
Magnesium Dreams
(Kuskowim Records)


Von Alaska her ist Emma Hill bereits seit 2007 unterwegs, immer ihre eigene Herrin, immer nur sich selbst verpflichtet. Sie hat sich in dieser Zeit von den spartanischen Alben ihrer Frühzeit gelöst, ihren Songs ausladende Arrangements verpasst, wobei es live ganz pur blieb, nur sie und ihr langjähriger Mitstreiter Bryan Daste. Ihr Songschreibertum blieb unterdessen auch eher einfach. Hill unterwirft sich keinen modischen Trends. Selbst die Covergestaltung liegt nach wie vor in den Händen der Zeichnerin Laura Lauterbach. Nun wirkt Magnesium Dreams noch viel intensiver durcharrangiert, als ginge es darum, ihren sehr persönlichen Songs eine gewisse Popdramatik zu verleihen. Eine spielerische Gestaltungsfreiheit prägt dieses Album. Durchgängig schwebt ihre eigenartige Stimme über den Arrangements, die von Daste stammen, der auch die Geigenparts nicht nur gespielt, sondern auch geschrieben hat. Man hört auf diesem Album Theremin, singende Säge, Cello, Banjo und die Pedal Steel intensiv miteinander verwoben musizierend. Manchmal löst sich das Arrangement von den Songs ab und entwickelt ein Eigenleben. So schwankt dieses Album zwischen konzentriertem Singer/Songwritertum und opulentem Pop.
Michael Freerix

 DAVID ROTH : Meet You Where You Are
DAVID ROTH
Meet You Where You Are
(Stockfisch), mit engl. Texten u. Infos


Schon allein die Besetzungsliste seines fünfzehnten Albums lässt den geneigten Musikfreund mit der Zunge schnalzen. Der amerikanische Songpoet David Roth, selbst ein ausgezeichneter Gitarrist, bat Jens Kommnick, einen der profiliertesten deutschen DADGAD-Fingerstyler, ihn bei seiner neuen Produktion zu unterstützen. Kommnick brachte gleich auch noch Bouzouki, Low Whistle und eine Kontrabassgitarre ins Studio mit, wo sich die Akkordeonisten Manfred Leuchter und Beo Brockhausen, der Kontra- und Fretless-Bassist Hans-Jörg Maucksch hinzugesellten. Die fabelhafte Sängerin Lea Morris steuerte Backing Vocals bei, Lucile Chaubard an Cello und Justin Ciuche an der Violine setzten hoch- und tieftönende Glanzlichter. Wenn man nun noch weiß, dass der deutsche Studioguru Günther Pauler an den Reglern saß, dann sollte spätestens diese Erkenntnis kaufentscheidend sein. Der Klang der Super-Audio-CD ist unglaublich gut, fürwahr audiophil. Transparente, räumlich und glasklar zu verortende Instrumente umrahmen die warme, emotionale Stimme des Amerikaners, mit der er seine anrührenden, Mut machenden Songs vorträgt, darunter das sehr persönliche „Rise, We Will“, in dem er seine Erinnerungen an den 11. September 2001 verarbeitet. Ein zum Niederknien schönes Album.
Ulrich Joosten



Lateinamerika
 TIGANÁ SANTANA: Vida-Código
TIGANÁ SANTANA
Vida-Código
(Ajabu! Records)


Der Singer/Songwriter und klassisch ausgebildete Gitarrist, Poet und Philosoph aus Bahia lehrt uns jetzt schon vier Alben lang das Erhabene musikalischer Langsamkeit. Mit seinem teils androgyn anmutenden Gesang vermag der polyglotte Künstler seine Zuhörer zu betören. Der mit der Mischreligion Candomblé direkt assoziierte Afrobrasilianer, der unter anderem Sprachen Afrikas wie Kikongo und Kimbundu studierte, kreiert neben den kulturhistorisch etablierten afrobrasilianischen Allianzen seine ganz eigenen zwischen dem Heimatland und dem afrikanischen Mutterkontinent. Anders als die Vorgänger gestaltet sich dieses Album leicht elektrifizierter, aufgenommen mit einer handverlesenen Schar von Landsleuten. Durch das überwiegend Getragen-Majestätische fällt einem beim Hören kaum auf, dass nach gut dreißig Minuten und neun mehrheitlich selbst komponierten Songs schon Schluss ist. Und offenbar ist von dem 37-jährigen Barden, der seit 2010 in der Musiker-Megapolis São Paulo lebt und in seiner Arbeit eigentlich die Ruhe weg zu haben scheint, dieses Jahr noch eine weitere Veröffentlichung zu erwarten: Milagres, die Neulektüre des 1973 erschienenen, zensierten Albums Milagre Dos Peixes von Milton Nascimento.
Katrin Wilke



Australien/Ozeanien
 NADIA REID: Out Of My Province
NADIA REID
Out Of My Province
(Spacebomb)


Schwer zu sagen, weshalb die Neuseeländerin Nadia Reid hierzulande so erfolgreich ist. Schon Album Nummer eins wurde 2015 mit großer Aufmerksamkeit bedacht, die ihr eine Englandtour und anschließend auch Auftritte in Deutschland einbrachte. Schnell wechselte sie danach von kleinen Auftrittsorten in größere. Sicher gehören das Stille, Persönlich-Private, das ihre Musik umschwebt, und die große Zurückhaltung ihres Vortrags zu ihren großen Stärken. Es erinnert an Außenseiter-Songschreiber der frühen Siebzigerjahre. Auf Out Of My Province ist vieles sehr sparsam arrangiert, eher nur die gezupfte elektrische Gitarre und ihr Gesang zu hören, doch manchmal baut im Hintergrund ein Geigenarrangement einen imaginären Raum auf. Reid singt klar und einfach, ohne Allüren. Mit weicher Stimme erzählt sie von Verzweiflung und Selbstmordversuchen – und wie man diese Stimmungen überwindet. Wirkten ihre ersten beiden Alben spartanisch im Klang, versucht sie jetzt mit Streicherarrangements und Bläsern etwas gefälliger zu wirken, doch ändert das wenig an der düsteren Dramatik ihrer Poesie.
Michael Freerix



Kurzrezensionen
 A CHOIR OF GHOSTS: An Ounce Of Gold
A CHOIR OF GHOSTS
An Ounce Of Gold
(Greywood)


Der schwedische Musiker spielt auf seinem Debütalbum eine sehr eigenwillige Art von Indiefolk. Das Songmaterial und die Klangfarbe des Sängers tönen stark nach Nirvana unplugged. Man könnte die CD also guten Gewissens als Acoustic Grunge bezeichnen. Andererseits bedient der Künstler gängige Stadionchöre, wie sie von Arcade Fire zelebriert werden.
ce
 ACHT EIMER HÜHNERHERZEN: „album“
ACHT EIMER HÜHNERHERZEN
„album“
(Destiny Records)


Es wird auch Zeit für eine Reminiszenz an die wundervollen Lassie Singers. Die zweite Platte des Trios aus – natürlich – Berlin vereint 14 Themen des Individualkosmos, vorgetragen in markantem Stil, schwungvoll, punkig, voller Spaß an und mit der (deutschen) Sprache, dominiert vom ein- bis dreistimmigen Gesang, getrieben vom kräftigen Beat eines kleinen Schlagzeugs.
is

 ALIOCHA: Naked
ALIOCHA
Naked
(Audiogram)


Der kanadische Sänger und Schauspieler liebt das Experimentelle. Auf seinem zweiten Album bewegt sich Nicolas Schneider alias Aliocha in zehn neuen Stücken sehr sicher zwischen Soul, Blues, Rock und Dream Pop. Nichts mehr zu spüren von seinen Folkwurzeln. Stattdessen wird der Sound des 26-Jährigen von stimmlichen Klangexperimenten und Synthesizern geprägt.
ep
 TONY ALLEN & HUGH MASEKELA: Rejoice
TONY ALLEN & HUGH MASEKELA
Rejoice
(World Circuit)


Immer mal wieder sind sie sich begegnet, das nigerianische Drummerass Allen und die südafrikanische Trompeterlegende Masekela. Ein gemeinsames Album konnte erst 2010 angegangen, aber nicht vollendet werden. Die Rohaufnahmen landeten im Archiv. Nach Masekelas Tod 2018 wurden diese jetzt vervollständigt. Ein Mix aus Afrobeat und Afrojazz vom Feinsten.
rs

 NELS ANDREWS: Pigeon And The Crow
NELS ANDREWS
Pigeon And The Crow
(Eigenverlag)


Mit leicht keltischer Note kommen die Songs von Nels Andrews daher. Balladen sind es hauptsächlich, sorgfältig produziert, angenehm gesungen und ohne großen Firlefanz. Andrews versteht sein Handwerk und weiß eher durch Understatement zu überzeugen.
mf
 LYDIE AUVRAY: Mon Voyage
LYDIE AUVRAY
Mon Voyage
(Westpark)


Die Kölner Akkordeonistin Lydie Auvray hat ihr 23. Album veröffentlicht. Der Albumtitel Mon Voyage („Meine Reise“) soll die Stilvielfalt auf der CD verdeutlichen, von Walzer über Tango bis zu karibischen und nordafrikanischen Stilanleihen. Die guten Kompositionen stammen von ihr oder den Bandmitgliedern. Abwechslungsreiches, zeitloses Album.
chr

 BAMBA WASSOULOU GROOVE: Dankélé
BAMBA WASSOULOU GROOVE
Dankélé
(Lusafrica)


Der Percussionist Bamba Dembélé, 1969 Mitbegründer der Super Djata Band, formierte 2013 seine eigene Formation, die sich, basierend auf den Rhythmen und Melodien der Bambara im Süden Malis, moderner Instrumente wie E-Gitarren und Schlagzeug bedient. Das Album Dankélé („der Tapfere“) des Sextetts aus Bamako ist Dembélé gewidmet, der 2018 verstarb.
cs
 ROBERT CARL BLANK: The Poet
ROBERT CARL BLANK
The Poet
(Eigenverlag)


Jahr für Jahr produziert der Künstler einzigartige Songperlen im Stil amerikanischer Singer/Songwriter. Auch sein neues Werk The Poet kann sich problemlos mit den Größen James Taylor oder Jackson Browne messen. Wie immer gibt es keine Lückenfüller, jeder einzelne Track hat das Zeug zu einem Evergreen. Jetzt muss The Poetce

 BLAZIN’ FIDDLES: The Key
BLAZIN’ FIDDLES
The Key
(Eigenverlag)


Album Nummer neun in gut zwanzig Jahren Bestehens dieses schottischen Sextetts, das durch den letzten Neuzugang, Anna Massie, neben der Gitarre auch noch die Option auf eine fünfte Fiddle hat. Meisterinstrumentalisten sind sie allesamt. Eine höchst unterhaltsame Kollektion von Reels, Jigs, Airs, Waltzes oder Marches, alles mit der gewohnten Dynamik.
mk
 BART BUDWIG: Another Burn On The Astroturf
BART BUDWIG
Another Burn On The Astroturf
(Fluff & Gravy)


Live in einem still gelegten Theater hat Bart Budwig dieses Album eingespielt. Viele Freunde kamen vorbei, sodass ein abwechslungsreiches und kraftvolles Werk zustandegekommen ist. Budwig fing in Rockbands an, hat sich nun aber in Richtung Folk entwickelt. Referenz erweist er Nick Drake, dessen Song „Northern Sky“ er sehr eindringlich covert.
mf

 RY CAVANAUGH: Time For This
RY CAVANAUGH
Time For This
(CAV Productions)


Der Singer/Songwriter aus Boston singt neun Songs aus der Feder seines Vaters George Cavanaugh. Zwei exzellent gespielte, sich wunderbar ergänzende Akustikgitarren untermalen Cavanaughs intime, warme und eindringliche Stimme, die gelegentlich von der großartigen Sängerin Jennifer Kimball unterstützt wird, und erzeugen emotionale Dichte.
uj
 ČENDEŠ: Cossack Attack
ČENDEŠ
Cossack Attack
(Molča Records)


Die Kosaken spielen zur Attacke. Die traditionellen und eigenen Kompositionen des sechsköpfigen slowakischen Ensembles sind voller Tempo und Intensität. Die vom Volk der Russinen abstammenden Musiker demonstrieren mit Zimbal, Gitarre, zwei Violinen, Viola, Kontrabass, Schlagzeug und mehrstimmigem Gesang eine aufregende Energie der reichen Musik des Balkans.
ep

 AMBERLY CHALBERG: Hi-Line
AMBERLY CHALBERG
Hi-Line
(Eigenverlag)


Sie legt nicht nur musikalische Fährten zu Lucinda Williams, sie hat auch deren Rhythmusgruppe engagiert. Die Songschreiberin aus Denver kultiviert auf ihrem ersten Album jene raue Form von Country, die dem ursprünglichen Geist entspricht. Menschliche Beziehungen sind ihr Thema, geprägt auch vom Tod ihres Vaters. Wahrhaftig in jeder Beziehung.
vd
 HARRY CHAPIN: Some More Stories Live
HARRY CHAPIN
Some More Stories Live
(MIG Music)


Am 11. April 1977 gastierte der US-amerikanische Songschreiber mit Band in Bremen, inspiriert durch das aufmerksame Publikum, eingefangen von Radio Bremen. Vier Jahre später starb er bei einem Autounfall. Die Aufnahme dokumentiert in guter Qualität 15 Songs der Legende, und auch „Cat‘s In The Cradle“ fehlt nicht. Harry Chapin, wieder lebendig.
vd

 ROSE COUSINS: Bravado
ROSE COUSINS
Bravado
(Outside Music)


Auch die neunte Veröffentlichung der preisgekrönten Kanadierin beeindruckt. Ihre sehr emotionalen Songs über den Kampf mit der Einsamkeit und den Wunsch nach Auszeit für sich selbst scheinen genau in die Zeit zu passen. Dass die Verletzlichkeit des Alleinleins durchaus eine Stärke ist, bringt Cousins, die erstmals auch als Produzentin wirkt, vor allem in ihren Pianoballaden überzeugend zum Ausdruck.
ep
 THE CUMBERLAND RIVER PROJECT: The Cumberland River Project
THE CUMBERLAND RIVER PROJECT
The Cumberland River Project
(Dr. Music Records)


Megamutige Idee: Ich schreibe 13 abwechslungsreiche Countrysongs, die ich in Nashville von Studioprofis als Demos einspielen und -singen lasse, schau per Skype ein bisschen zu und veröffentliche das dann als Album. Wer wagt, gewinnt. Dass bestens gelungene Americana auch aus Deutschland kommen kann, beweist der Hagener Songwriter Frank Renfordt.
mw

 AL DI MEOLA: Across The Universe
AL DI MEOLA
Across The Universe
(Ear Music)


Er hat’s schon wieder getan. Gitarrenlegende Al Di Meola widmet sich zum zweiten Mal dem Werk der Fab Four. Üppig instrumentiert, ausladend und komplex arrangiert, mal akustisch, dann verzerrte E-Gitarre, solo und mit Band. Schön, dass nicht nur die ganz großen Klassiker dabei sind. Beatles-Fans und Freunde von Di Meolas eleganter Gitarre werden ihre Freude haben.
rb
 DIVERSE: Scottish Tradition 28: Dhannsadh Gun Dannsadh – Dance Songs Of The Scottish Gaels
DIVERSE
Scottish Tradition 28: Dhannsadh Gun Dannsadh – Dance Songs Of The Scottish Gaels
(Greentrax Recordings)


Eine weitere verdienstvolle Veröffentlichung aus den Archiven der School auf Scottish Studies, mit vorbildlichem und informativem Beiheft wie üblich. 32 gälische Lieder, zu denen mangels Instrumenten früher getanzt wurde, von 34 Sekunden Länge bis zu einem 4:40-Minuten-Set. Die gut bearbeiteten Feldaufnahmen stammen aus den Jahren 1949 bis 1972.
mk

 DR. WILL: I Want My Money Back
DR. WILL
I Want My Money Back
(Solid Pack Records)


Etwas von vielem bietet Dr. Will, und das bedeutet Blues, Jazz, Soul, Vaudeville und New Orleans Vibes. Deutlich wird die Nähe zu Dr. John bereits auf „Hoodoo Moon“, unüberhörbar dann bei „High Jeopardy Thing“. Auch instrumentiert ist das Album üppig, neben der herkömmlichen Besetzung finden sich Orgel, Xylofon, Bläser und Backgroundgesang. Großartig!
ah
 KAT EDMONSON: Dreamers Do
KAT EDMONSON
Dreamers Do
(Spinnerette Records)


Ein klassisches Album der Kategorie „File under: Female Vocalists. Jazzige Pianoballaden, Musicalhaftes. In diesem gelungenen Konzeptalbum der Texaneringeht es um die Nacht, Schlafen und Träume, inklusive Evergreens wie „All I Do Is Dream Of You“, „What A Wonderful World“ und dem Mary-Poppins-Klassiker „Chim Chim Cher-Ee“. Mit Edelgast Bill Frisell.
mw

 IBRAHIM FERRER: Buenos Hermanos (Special Edition)
IBRAHIM FERRER
Buenos Hermanos (Special Edition)
(World Circuit Records)


Das Buena-Vista-Label, das fast unbemerkt im Major aufging, erntet derzeit noch mal seine einstigen Erfolge. So auch dieses gelungene, 2003 erschienene Album des beachtlichen Crooners aus Havanna, dem Ry Cooder vier unveröffentlichte Tracks hinzufügte und ein Soundupdate verpasste. Weniger Novum als das letzte Auspressen einer Zitrone – sorry …
kw
 FIERCE FLOWERS: Mirador
FIERCE FLOWERS
Mirador
(Celebration Days Records)


Drei Frauen aus Paris, die auf ihrem ersten Album ihre musikalische Liebe zu Bluegrass und Old-Time ausdrücken und eigene Songs in Englisch und Französisch vortragen. Wer ihnen lauscht, den wickeln sie ein mit atmosphärischen Arrangements und Harmoniegesang, etwa in „Tell Me No“, einem Höhepunkt der Platte. Naiver Charme trifft Tiefgang.
vd

 ANDY FLEET: The Sleepless Kind
ANDY FLEET
The Sleepless Kind
(Low Vinyl Records)


Ein schönes, melancholisches und verträumtes Album hat der Pianist und Sänger Andy Fleet hier geschaffen. Die Songs erinnern an die Kompositionen – und manchmal auch den Gesangsstil – eines John Lennon. Nachdenklich und tiefgründig sind die Texte, sanft und gefühlvoll die instrumentale Begleitung, darüber schwebt die Trompete von Andre Canniere.
ah
 FREY, HERRMANN, WILLIAM: Heart Ear Art
FREY, HERRMANN, WILLIAM
Heart Ear Art
(GLM Music)


Matthias Frey (Piano) hat viele Musikreisen über den Globus gemacht und an rund dreißig CD-Produktionen mitgewirkt. Nun hat er sich mit Christopher Herrmann (Cello) und Rageed William (Ney und Duduk) zusammengetan. Einen Gastauftritt hat Ra’fat Muhammad (Percussion und Gesang). Feine Folk-Jazz-Kammermusik.
ink

 TED GANGER: On The Edge
TED GANGER
On The Edge
(Ars Vobiscum)


Vom ersten Ton an spürt man die große Musikalität des studierten Pianisten, Sängers und Dirigenten aus den USA. Auch wenn in seinen zwölf Liedern immer wieder Anleihen von klassischem Lied und Musical durchscheinen, bewegt er sich gekonnt in den Sphären von Jazz, Blues oder Pop. Nur seine Texte wirken zu konstruiert.
ep
 NATHAN GRAY: Working Title
NATHAN GRAY
Working Title
(End Hit Records)


Der amerikanische Master des Punkrocks und Emocores verwöhnt seine Fans dreifach. Zum eigentlichen Album bietet er eine Extra-CD an, darauf akustische Versionen der meisten Titel, plus eine DVD von Mitschnitten der Aufführung eines Akustiksets und mit Monologen Grays über seine Inspirationen und Motivationen. Pathos auf allen Kanälen.
is

 AMIR-JOHN HADDAD (EL AMIR): Andalucía
AMIR-JOHN HADDAD (EL AMIR)
Andalucía
(Zoomusic)


Der vielbeschäftigte Virtuose der Flamencogitarre und anderer Saiteninstrumente (z. B. Bouzuki) durchquert mit seinem dritten Album diverse Regionen Andalusiens. Dort lebt der gebürtige Freiburger mit palästinensischen und kolumbianischen Wurzeln nach vielen Jahren in Madrid nun auch. Eine farbenprächtige, spielerisch meisterhafte, vergleichsweise traditionsnahe Arbeit.
kw
 PETRI HAKALA & MARKKU LEPISTÖ: Nordic Route
PETRI HAKALA & MARKKU LEPISTÖ
Nordic Route
(Rapu)


Zwei finnische Musiker bringen ihre musikalischen Vorlieben zusammen. Auf Akkordeon und Mandoline bzw. Gitarre spielen sie hinreißend intime und selbst komponierte Musik — von einem französisch-kanadischen Walzer über eine argentinische Milonga bis zum keltischen Jig und Reel. Herausragend ist der warme und sehr natürliche Klang der Aufnahme.
uh

 LYNNE HANSON: Just Words
LYNNE HANSON
Just Words
(Eigenverlag)


Wunderschönes Album der Kanadierin. „I’ve got sad songs on my mind“, gibt Albumhighlight „Long Way Home“ die Stimmung vor. Tief empfundene Songwriterinnen-Melancholie, die sich langsam aufbaut und stets die Spannung hält. Produziert in Kingston, Ontario, von Jim Bryson, mit erlesenen Landsleuten wie Justin Rutledge und Catherine MacLellan als Gästen.
mw
 STEPHANIE HATFIELD: Out This Fell
STEPHANIE HATFIELD
Out This Fell
(Free Box Music)


Mit kraftvoller Stimme singt Hatfield ihre eigenen Songs, die ohne viel Federlesens durchproduziert sind. Das überdeckt ein wenig die tieferliegende Melancholie, die ihren Songs zugrunde liegt. In den tragischen Geschichten, die diese häufig erzählen, liegt viel Persönliches.
mf

 EWEN HENDERSON: Steall
EWEN HENDERSON
Steall
(Eigenverlag)


Die Battlefield Band und Mànran sind nur zwei Stationen des Multiinstrumentalisten (Fiddle, Piano, Pipes, Whistle etc.) aus Fort William. Bei seinem ersten Soloausflug unterstützen ihn vier Freunde, und die Reise führt über drei gälische Lieder zu diversen eigenen, fremden und traditionellen Melodien. Sehr unterhaltsam! Zweisprachiges Beiheft gäl./engl.
mk
 HENRIETTE: Henriette
HENRIETTE
Henriette
(Dr. Music Records)


Die junge Vollblutmusikerin aus Deutschland hat sich für ihren Erstling entschieden, es mal mit dem boomenden Popcountry-Genre zu probieren. Die nette Single „Dream Boy“ addiert gerade genug Mandoline, um noch radiotauglich zu bleiben. Danach geriet die in Nashville aufgenommene EP bei allem erkennbaren Talent dann aber doch etwas zu beliebig.
mw

 THE HENRY GIRLS: Shout Sister Shout – A Musical Tribute To The Boswell Sisters. Performed Live By …
THE HENRY GIRLS
Shout Sister Shout – A Musical Tribute To The Boswell Sisters. Performed Live By …
(Beste! Unterhaltung)


Die drei Schwestern aus Irland von einer völlig anderen Seite – als Vokal-Jazz-Trio –, perfekt in ihrer Reverenz an die Boswell Sisters, die in den 1920er/30er-Jahren in den USA Berühmtheiten waren. Alles klingt vollständig authentisch, Klassiker wie Raritäten, und die Liveaufnahme lässt den Geist des frühen Jazz in die Jetztzeit überspringen.
vd
 HERCZKU ÁGI ÉS A BANDA: Kamara
HERCZKU ÁGI ÉS A BANDA
Kamara
(Fonó)


Dieses Album ist eine Perle. Das siebenköpfige ungarische Ensemble um die Sängerin und Gordonspielerin Ágnes Herczku bezaubert mit zehn wunderschönen eigenen Liedern aus Ungarn, der Slowakei, Kroatien und Bulgarien. Eine Demonstration der großen Kraft lyrischer folkloristischer Kammermusik.
ep

 JONATHAN HULTÉN: Chants From Another Place
JONATHAN HULTÉN
Chants From Another Place
(Kscope)


Der Sänger, Songwriter und Gitarrist der schwedischen Death-Metal-Band Tribulation stellt ein interessantes, melodisches Soloalbum vor, größtenteils mit Gitarre und Keyboards in atmosphärischen, gelegentlich bombastischen, düsteren Acoustic-Folkrock-Arrangements eingespielt, das seine modulationsfähige Stimme schön zur Geltung bringt.
uj
 JAN JAMES: Justify
JAN JAMES
Justify
(Blue Palace Records)


Eine großartige Stimme hat sie, und mit dieser stand sie bereits als Janis Joplin auf der Musicalbühne in Chicago oder begleitete B. B. King oder Koko Taylor auf deren Tourneen. Auch hier zeigt sie sich als gestandene Bluessängerin, die vom Gitarristen Craig Calvert mit seinem rockorientierten Spiel immer wieder dramatisch in Szene gesetzt wird.
ah

 JARNNA: Edge Of Time
JARNNA
Edge Of Time
(Eigenverlag)


Samisches Damenduo mit internationalen Gästen (Irland, Senegal). Ein buntes Gemisch, europäisch-afrikanischer Popfolk mit Joikeinsprengseln, irische Flöte und „Wimoweh“, alles ist vertreten. Viele Ohrwürmer, großes Hörvergnügen.
gh
 HALEY JOHNSEN: Golden Days und London Sessions – Live From Abbey Road
HALEY JOHNSEN
Golden Days und London Sessions – Live From Abbey Road
(Eigenverlag)


Bei American Idol in die Finalrunden zu kommen, muss ja nichts Schlechtes sein. Im Studioalbum ergibt sich die stimmgewaltige Sängerin aus Portland, Oregon, mit ihrem souligen Timbre aber einem etwas zu flächigen Soundteppich. Dann lieber zu dem Solo-Livealbum greifen. Denn singen kann sie.
mw

 KAMILYA JUBRAN & WERNER HASLER: WA
KAMILYA JUBRAN & WERNER HASLER
WA
(Everest Records)


Kamilya Jubran (Stimme, Oud) und Werner Hasler (Trompete, Elektronik) musizieren seit 2002 zusammen und legen nun ihr drittes gemeinsames Album vor. Es enthält eine 45-minütige elfteilige Suite. Das Duo schafft einen eigenen Klangkosmos, Dissonanzen, Geräusche, überlappende Rhythmik und expressive Lautmalerei inklusive.
ink
 DENISE KRAMMER: Coisa Linda
DENISE KRAMMER
Coisa Linda
(Housemaster Records)


Für Sambafans, die, statt in die Ferne Brasiliens zu schweifen, auch gerne mal den kürzeren Weg nehmen, könnte das Album der Wahlkölnerin interessant sein. Die in Rio musiksozialisierte Sängerin hat dort auch die zehn selbst komponierten Songs mit Musikern aufgenommen, die mit diesem Genre vertraut sind. Dem wird mit der soliden Arbeit nichts grundsätzlich Neues hinzugefügt.
kw

 STU LARSEN: Marigold
STU LARSEN
Marigold
(Nettwerk)


Der australische Singer/Songwriter bleibt seinem beschwingten Folkstil treu. Das hat durchaus Hitpotenzial, wie Künstler wie Amy Macdonald und Al Stewart bewiesen haben. Die Songs sind allesamt hochwertig, aber es fehlt noch der geniale Wurf für den endgültigen Durchbruch. Mit seiner akustischen Gitarre, der treibenden Band und vor allem seinem einfühlsamen Gesang ist das aber wohl nur noch eine Frage der Zeit.
ce
 RUBY LOVETT: It’s A Hard Life
RUBY LOVETT
It’s A Hard Life
(PuffBunny Records)


Akustischer Frauen-Country, wie er auch von Dolly oder Loretta in den Siebzigern aufgenommen wurde. Abgeklärt und geerdet kommen sowohl die geschmeidigen Cover des Titelsongs (Nanci Griffith) und von „Catfish John“ (Nitty Gritty Dirt Band) als auch die starken Eigenkompositionen wie „Where I’m Standing Today“, das sie unverhohlen bei Kenny Rogers’ „Lucille“ stahl.
mw

 SUSANNE LUNDENG: Hold Dæ På Vingen
SUSANNE LUNDENG
Hold Dæ På Vingen
(Heilo)


Die norwegische Geigerin und Sängerin und ihre Mitstreiter (Nils-Olav Johansen, Erik Nylander) stellen Lieder und Instrumentalstücke vor, die allesamt von Susanne Lundeng geschrieben worden sind. Manchmal stark an die Tradition angelehnt, manchmal – durch Einsatz eines Midi-Controllers – auch angejazzter skandinavischer Einheitsbrei.
gh
 SIMEN LYNGROTH: Looking For The Spark Like It’s Just Around The Corner
SIMEN LYNGROTH
Looking For The Spark Like It’s Just Around The Corner
(Apollon Records)


Simen Lyngroth ist ein norwegischer Singer/Songwriter, der mit seinem Album ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Kurzgeschichten und Bildern erzeugen möchte. Dabei lässt der Künstler seine melancholischen Songs von einer herrlich altmodischen Indieband begleiten. Das klingt nach The Smiths oder Paul Roland, manchmal nach Progressivrock und ganz selten nach norwegischem Weltschmerz.
ce

 LUKAS MAIER: The Magical Misery Tour
LUKAS MAIER
The Magical Misery Tour
(Post Office Records)


Minimalistischer Elektrofolk. Der Grazer Lukas Maier zelebriert auf seinem Debütalbum in hochwertigem Vinyl einfühlsame Indiepopsongs voller Melancholie. Reduzierte Gitarre, sparsame Beats vom Computer und Retrosounds am Keyboard. Die luftigen Songs haben alle Zeit der Welt, bohren sich aber beim Hören ins Ohr. So klingt entschleunigte Musik.
uh
 TOM MANK & SERA SMOLEN: We Still Know How To Love
TOM MANK & SERA SMOLEN
We Still Know How To Love
(Eigenverlag)


Gitarre und Cello sind die vorherrschenden Instrumente auf diesem Album des Duos Mank und Smolen, wobei sie gelegentlich auf die Unterstützung einiger Gastmusiker zurückgreifen. Beide singen eher verhalten über eigene Schicksalswendungen und solche, die in der Menschheitsgeschichte geschehen sind. Folksongwriting von hoher Qualität.
mf

 MARLÈNE: Feinstoff
MARLÈNE
Feinstoff
(Kreismusik)


Sechs eigene Songs, liebevoll verpackt, die ein Lebensgefühl in der großen Stadt widerspiegeln – Berlin zwischen sich treiben lassen, Selbstverwirklichung, Einsamkeit und Liebe. Im sehr schönen Lied „Februar“ heißt es dann, dass die letzten Viren vorbeiziehen, und „bald sind die Bronchien wieder frei“. Na, wollen wir hoffen, dass Marlène Colle sich hier nicht vertut.
rk
 EAMONN McCORMACK: Storyteller
EAMONN McCORMACK
Storyteller
(BEM Records)


Aus Dublin stammt der Bluesrockgitarrist Eamonn McCormack, der nach mehrjährigem Tourleben in den USA nun in Trioformation das Konzertpublikum in Irland und im restlichen Europa erfreut. Ein Vergleich zu Thin Lizzy und Rory Gallagher liegt aufgrund seiner Nationalität nicht fern, und für Fans dieser Spielart des Bluesrock ist das Album eine Offenbarung.
ah

 MÉLINÉE: Alchimiste
MÉLINÉE
Alchimiste
(Time Zone)


Mélinée ist eine Chansonnière und kommt ursprünglich aus Toulouse. Seit 2010 lebt sie in Berlin. Alchimiste ist ihr drittes Album. Sie singt überwiegend Französisch, zwei Stücke aber auch in etwas holpriger deutscher Sprache. Die Musik könnte man als komplexen Adult Pop bezeichnen. Produzent, Mitspieler und Mitkomponist ist der Berliner Jazzgitarrist Jonathan Bratoëff.
chr
 KATIE MELUA: featuring Gori Women’s Choir Live In Concert
KATIE MELUA
featuring Gori Women’s Choir Live In Concert
(BMG)


Ein Doppelalbum vor allem für Fans. Die mit einem aufwendigen Booklet gestaltete Limited Edition präsentiert das Londoner Konzert von Meluas gefeierter Tour mit dem Frauenchor aus ihrem Heimatland Georgien im Jahre 2018. Die berührenden Harmonien der Sängerinnen in den traditionellen Liedern sind der eigentliche Höhepunkt der Aufnahme.
ep

 MILLER/MacDONALD/CORMIER: South Haven
MILLER/MacDONALD/CORMIER
South Haven
(Eigenverlag)


Ein energiegeladenes, gut eingespieltes Trio aus Cape Breton – Ben Miller (Small Pipes), Anita MacDonald (Fiddle, Gesang) und Zakk Cormier (Gitarre, Fußpercussion) –, live in einer Kirche in Nova Scotia aufgenommen. Ein gälischer Song und sieben Instrumentalmedleys überzeugen durch Leidenschaft und Können. Nur die 28:50 Laufzeit sind etwas enttäuschend.
mk
 ROSS MILLER: The Roke
ROSS MILLER
The Roke
(Avontoun Records)


Der 25-jährige Piper aus Linlithgow gibt sein Debüt. Was bereits auf der diesjährigen Young-Scots-Tour (siehe auch „Ortstermin“ in diesem Heft) klar wurde: Dieser junge Mann hat eine ganze Menge Talent. Abwechslungsreiches Instrumentalalbum von kraftvoller Bandbesetzung bis zu ergreifenden Solopipes plus informatives Booklet – ist ja auch nicht selbstverständlich.
mk

 MOKA EFTI ORCHESTRA: Erstausgabe
MOKA EFTI ORCHESTRA
Erstausgabe
(Motor Music)


Aus der Produktion Babylon Berlin entstanden, den Namen von einem alten Berliner Café- und Vergnügungstempel entlehnt, wurde ein Revueorchester rekrutiert, das ein musikalisches Amalgam anbietet, welches Weill und Lincke mit Blues, Tango, Jazz und Pop vereint. Severija singt verrucht, Nikko Wiedemann swingt poppig, Mario Kamien ist schnoddrig.
rk
 MICHAEL MORAVEK: November
MICHAEL MORAVEK
November
(Backseat)


Seemannslieder nennt Moravek selbst die zehn Songs, die er mehr oder weniger live in einem Ravensburger Theater einspielte. Sie begleiteten ein von Moby Dick inspiriertes Bühnenstück, das über Narzissmus und Faschismus reflektiert, funktionieren aber auch eigenständig. Kluge Texte, intimer Gesang und abwechslungsreiche Instrumentierung machen jede Nummer zu einem Erlebnis, mal folkleicht, mal barjazzig, mal orgeldüster, mal ragtimig mit Tuba und Mandoline. Stark.
mw

 M. M. & THE BRAZIL TRIO: Brazilguitar
M. M. & THE BRAZIL TRIO
Brazilguitar
(Eigenverlag)


Michael Müller, der große Kenner brasilianischer Musik, insbesondere der Gitarrenkunst Baden Powells, vereint auf diesem exzellenten Album sieben Soloeinspielungen und sieben Stücke mit dem unglaublichen Christian Kussmann am Bass sowie der Schlagzeugerin Bruna Cabral aus Belém. Brasilianischer kann ein deutscher Gitarrist wohl kaum klingen. Kompliment!
rb
 VOLKWIN MÜLLER: Auf dem Weg
VOLKWIN MÜLLER
Auf dem Weg
(Volkwino Music)


Der Detmolder Liedermacher orientiert sich mit seinen standarddeutschen Liedern am „internationalen Rock/Pop-Universum“. Seine Lieder wie „Mach dich auf den Weg“ oder „Nur du bist so“ sollen Mut machen. Wer Schlager und moderne Kirchenlieder, vielleicht auch Country („Straßensong“) liebt, findet hier Ähnliches. Texte im Beiheft. Wohlklingender Bandsound.
mas

 ANNE NIEPOLD: Vita Brevis
ANNE NIEPOLD
Vita Brevis
(Poum Pouet)


Die belgische Akkordeonistin Anne Niepold wurde bekannt mit dem Duo Deux Accords Diront und spielte auch in der Folk-Big-Band Olla Vogala. Seit 2011 nahm sie Solo-CDs auf. Vita Brevis ist ihr drittes Album. Auf vielen Tracks spielt sie im Trio mit Bassist Hendrik Vanattenhoven und dem sehr guten Jazzdrummer Ètienne Plumer. Die Folk-Jazz-Nummern machen die Musik unverwechselbar.
chr
 NIHILOXICA: Kaloli
NIHILOXICA
Kaloli
(Crammed Discs)


Das Debütalbum der Electro-Percussion-Gruppe Nihiloxica vereint vom Kern her traditionelle Rhythmen, gespielt vom Nilotika Cultural Ensemble aus Ugandas Hauptstadt Kampala, mit technoiden Analogsynth- und Schlagzeugsounds aus Großbritannien. Ergänzt durch elektronische Drumklänge, werden die treibenden Grooves zu einer hypnotischen Dance Music. Genial!
cs

 THE NO ONES: The Great Lost No Ones Album
THE NO ONES
The Great Lost No Ones Album
(Yep Roc Records)


Gab’s das nicht schon mal, dass Velvet Underground mit Big Star eine Band gegründet hat, die Folkrock und Postpunk mit flirrenden Jingle-Jangle-Gitarren, schwitzigen Holper-Trommeln und himmlischem Kellergesang verband? Erhabenes Sixtiesalbum à la The Feelies von der Supergroup um Ex-R.E.M. Peter Buck.
mw
 THE OCELOTS: Started To Wonder
THE OCELOTS
Started To Wonder
(Rola Music)


Eine ungewöhnliche Stimme hält Menschen oft vom Singen ab. Dabei sollten gerade diese Menschen ermuntert werden, sich vor ein Mikrofon zu stellen, wie die Zwillinge The Ocelots eindrucksvoll beweisen. Mit einer einzigartigen Klangfarbe im Gesang zaubern die Brüder eine bemerkenswerte Atmosphäre auf ihr Debüt. Die akustischen Gitarren und gelungenen Kompositionen tun ihr Übriges.
ce

 OCIE ELLIOTT: In That Room
OCIE ELLIOTT
In That Room
(Nettwerk Music Group)


Das kanadische Singer/Songwriter-Paar Sierra Lundy und Jon Middleton aus Victoria (B. C.) singt auf der nur 25 Minuten kurzen CD mit schönen Vokalharmonien Songs über die Liebe und das Leben. Tolle Stimmen, nur leider in seichte, folkpoppige Arrangements gepackt sowie in viel Keyboardsauce getränkt und weichgespült.
uj
 PELLE + PACK: Quite Open
PELLE + PACK
Quite Open
(Eigenverlag)


Melodisch, sanft und bluesig, ein wenig Johnny Cash ist dabei. Als naturaffiner Landhamburger und gelernter Englischlehrer hat Pelle Riedel genug innere Ruhe und Ausdruckssicherheit für Themen wie Gesellschaft, Politik und Religion, wie man z. B. im letzten Song, „Doubtful Prayer“, erkennen kann. Vielfältig und mit genau der richtigen Dosis Pathos.
is

 MARC PENDZICH: 1862 – Homage To Emily Dickinson
MARC PENDZICH
1862 – Homage To Emily Dickinson
(Vadaboé Music)


Der Hamburger Musikwissenschaftler Marc Pendzich hat schon einige Male hochwertige Lyrik vertont, was stets neugierig auf die Dichterinnen und Dichter machte. Wer die amerikanische Poetin Emily Dickinson war, muss man erst erkunden, ihr bemerkenswertes Leben, ihr ungewöhnliches Œuvre. Einfühlsame Interpretationen; Texte im Booklet wären hilfreich.
rk
 PIPERS OF THE WORLD: Highland Saga Vol. 2
PIPERS OF THE WORLD
Highland Saga Vol. 2
(Art.Emis Entertainment/Gordeon Music)


Die CD ist der Ausschnitt einer Multimediashow für den breiten (Touristen-)Markt, Schwerpunkt Pipes. Das zeigen Layout, Bombast und Songauswahl (z. B. „Syke Boat Song“, „Amazing Grace“). Aber dann machen Namen wie Ian Melrose oder Maeve Mackinnon stutzig, die für Qualität stehen. Also doch mehr als Schottland im Shortbread-Tin-Format.
mk

 PLEIL: Die Spur des Kalenders
PLEIL
Die Spur des Kalenders
(Timezone)


Marco Pleil spielte lange in Bands, zuletzt bei Cloudberry. Nach deren Auflösung 2011 entschloss er sich, als Solist und mit deutschen Texten weiterzumachen, und wählte statt der üblichen Akustikgitarre als Begleitung die E-Gitarre, und zwar mit voll aufgedrehtem Verstärker. Seinen Auftritten entsprechend hat er auch sein Debüt aufgenommen: minimalistisch, rau, mutig.
is
 QUIET LANE: Jäger lauf
QUIET LANE
Jäger lauf
(Sentric Music)


Seit ihrem exzellenten 2018er-Debüt hat die Band um die beiden Liedermacher Hannes Liewald und Simon Hartfelder noch mal eine musikalische Schüppe draufgelegt und intelligente, poetische Texte, oft mit glänzenden zweistimmigen Vokalharmonien, zu virtuoser Gitarrenarbeit gesungen und in ausgefeilte Acoustic-Rock-Arrangements gekleidet.
uj

 MAYA RAE: Can You See Me?
MAYA RAE
Can You See Me?
(Black Hen Music)


Maya Rae ist erst achtzehn und hat bereits eine kleine musikalische Karriere hinter sich. Mit Jazz hat sie angefangen, doch nun dreht sich alles um ihre Eigenkompositionen an der akustischen Gitarre. In Nashville aufgenommen, klingt Can You See Me? sehr professionell, schon beinahe altbacken.
mf
 HEATHER RANKIN: A Fine Line
HEATHER RANKIN
A Fine Line
(Back Street Music)


Sie ist Mitglied der Rankin Family, einer besonders im vorigen Jahrhundert ausgesprochen erfolgreichen Gruppe von Cape Breton Island. Solo präsentiert sie Songs im Folkpop-Gewand mit deutlicher Betonung auf letzterem Genre. Aber auch so was kann man sehr gut machen, und genau das können Rankin und Produzent und Mitmusikant David Tyson bestens.
mk

 REELY JIGGERED: Tricky Terrain
REELY JIGGERED
Tricky Terrain
(Eigenverlag)


Die Schwestern McNeill (Gesang, Fiddle, Gitarre, Bodhrán) und Drummer McLean plus Gäste an Bass und Keyboards bilden diese schottische Folkrockband mit dem bewusst assoziativen Namen. Da trifft ein dramatischer, hörbar geschulter Sopran auf fast stadiontaugliche Arrangements. Aber die Schwestern können es auch sanft, z. B. bei Robert Burns.
mk
 THE SAXOPHONES: Eternity Bay
THE SAXOPHONES
Eternity Bay
(Full Time Hobby)


Wer in diesen unruhigen Zeiten Sehnsucht nach einer romantischen Insel hat, kommt an diesem Album nicht vorbei. Alexi Erenkov und Alison Alderdice laden ein zu einer Zeitreise in die Tanzclubs der Fünfzigerjahre. Die zehn Liebesballaden des Paares aus San Francisco verströmen eine herrlich entspannte Langsamkeit, getragen von berührendem Gesang.
ep

 SCHËPPE SIWEN: Wat bleift
SCHËPPE SIWEN
Wat bleift
(Eigenverlag)


Drittes Album der Luxemburger Folkpunker, auf dem sie weiter konsequent in ihrer moselfränkischen Muttersprache singen. Merklich gereift, tritt Keltisches etwas zurück hinter mehr Bläserorientiertes wie Polka oder Ska. Und Partytauglichkeit wird noch deutlicher kontrastiert als bisher durch philosophisch-nachdenkliche Texte, die die individuelle und gesellschaftliche Lage reflektieren.
sb
 DOMINIC SCHOEMAKER & BOB STROGER: The Soundfarm Session
DOMINIC SCHOEMAKER & BOB STROGER
The Soundfarm Session
(Eigenverlag)


Sechs Titel umfasst die EP – leider nur. Das Gebotene macht Lust auf mehr. Klassischer, elektrischer Chicago Blues, beginnend mit Magic Sams unsterblichem „Just A Little Bit“, gefolgt von „Going To Chicago“ mit stoisch pumpendem Bass und forciert gespielter E-Gitarre. Sehr schön auch die Aufteilung der Gesangparts von Schoemaker und Stroger.
ah

 THE SHIRES: Good Years
THE SHIRES
Good Years
(BMG)


Nashville-Pop von Englands erfolgreichstem Countryduo. Banjo in den Vordergrund gemischt, aufeinandergeschichtete Vocals und dahinter ein üppiger Schallschwall mit allem, was die Computer hergeben. Zielt wie ihre vorherigen drei Alben treffsicher auf die Charts, verfehlt aber wohl das Herz des authentischen Folkhörers.
mw
 SIENA ROOT: The Secret Of Our Time
SIENA ROOT
The Secret Of Our Time
(MIG Music)


Die Band aus Schweden schwelgt im Rock der Siebziger. Mit Orgel, üppigem Schlagzeug, Bass, Gitarre und gleich zwei Sängerinnen legen sie einen Soundteppich, der für alles von Deep Purple über Uriah Heep bis Jefferson Airplane Platz bietet. Das alles ist sehr gut gemacht, verharrt nicht in Klischees, sondern kommt im modernen Gewand.
ah

 SINA NOSSA: Concreta Utopia
SINA NOSSA
Concreta Utopia
(DMG Records)


Nordrhein-Westfalen ist weit weg von Portugal und Brasilien. So dürfen der Fado, der portugiesische Folk und die brasilianischen Anleihen schon mal nach Pop oder Jazz klingen. Sina Nossa besteht aus der Sängerin Anabela Ribeiro, vier weiteren Musikern aus Portugal und Brasilien und dem deutschen Gitarristen André Krengel.
mst
 SLOW LEAVES: Shelf Life
SLOW LEAVES
Shelf Life
(Make My Day Records)


Tiefenentspannt und laid back trifft’s am besten. Der Songwriter, Gitarrist und Sänger Grant Davidson aus dem kanadischen Winnipeg legt eine Sammlung selbstreflexiver Songs mit persönlichen, poetischen Texten vor, in erstklassigen Americana-Arrangements von zart bis rockig, eingespielt von einer Riege exzellenter Musiker. Großartig!
uj

 STEEP CANYON RANGERS & ASHEVILLE SYMPHONY: Be Still Moses
STEEP CANYON RANGERS & ASHEVILLE SYMPHONY
Be Still Moses
(Yep Roc Records)


Kein Witz: Nach der Zusammenarbeit mit Banjospieler und Komiker Steve Martin haben sich die Bluegrassband und ein Symphonieorchester gepaart! So gibt’s SCR-Songs in anderem Gewand. Und die Soultruppe Boyz II Men sorgt für noch mehr Crossover. Es funktioniert erstaunlich gut, da eher dezent, aber es gilt, die Ohren etwas weiter aufzusperren.
vd
 STELLMÄCKE & TROTZBAND: Hinterm Mond
STELLMÄCKE & TROTZBAND
Hinterm Mond
(Der Gute Ton)


Die Vorliebe des Erzgebirglers für das französische Chanson ist in mehreren seiner fantasievollen kleinen Liedgeschichten, die oft überraschende Wendungen zeigen, erkennbar. Es begegnen uns Tränenclowns, Loopingbahnen, ein Haus in der Milchstraße oder seine Heimat „hinterm Mond“. Das Ganze leicht und entspannt bei Pianoklängen, im Klezmergewand oder auch folkig mit Flöte und Konzertina.
rps

 ERIK STENZEL: Augen auf
ERIK STENZEL
Augen auf
(Eigenverlag)


Dem Nürnberger klimapolitischen Liedermacher Erik Stenzel steht das Wasser bis zum Hals – auf dem Coverbild. Dieses Bild steht auch für sein Anliegen, Menschen über den Klimawandel und die Auswirkungen aufzuklären und sie zu einer Änderung ihres Lebensstiles aufzufordern. Zwölf Lieder zur Gitarre, die aufrütteln sollen, die Welt zu retten.
rk
 JOSCHO STEPHAN – RICHARD SMITH – RORY HOFFMAN: Transatlantic Guitar Trio
JOSCHO STEPHAN – RICHARD SMITH – RORY HOFFMAN
Transatlantic Guitar Trio
(MGL Musik Produktion)


Was ist besser als eine genial gespielte Gitarre? Na klar, drei großartige Gitarren. Ein Fest für die Ohren, nicht nur für Fingerstyle-Connaisseure, liefert das international besetzte Saitentrio, bestehend aus Richard Smith (UK), Joscho Stephan (D) und Rory Hoffmann (USA). Stilistisch geht es querbeet durch die Musikgeschichte. Kurzweilig und atemberaubend.
rb

 TEEPEE: Where The Ocean Breaks
TEEPEE
Where The Ocean Breaks
(Springstoff)


Wunderschöne Gesangsharmonien, eingewebt in eingängige Popmelodien. Das zweite Werk des tschechischen Paares Tereza Lavičková und Miroslav Patočka überzeugt auf ganzer Linie. Ihre elektronischen Sounds in Kombination mit groovigen elektrischen und akustischen Gitarren kreieren melancholische Songs, in denen immer Hoffnung durchschimmert.
ep
 CARUS THOMPSON: Shakespeare Avenue
CARUS THOMPSON
Shakespeare Avenue
(Valve Records/Mind’s Eye Records)


Rückkehr des Australiers zu folkigeren Klängen, mit Unterstützung aus England von Sean und Seth Lakeman bei Aufnahme, Produktion und Instrumentierung. In den Liedern prangert er Leistungsdruck, Ungleichheit oder das Verhalten der australischen Gesellschaft und Politik gegenüber Außenseitern, Flüchtlingen und Ureinwohnern an, während er immer wieder die Brücke zum „Motherland“ schlägt. Ruhig, reif, eindringlich.
sb

 THRILL OF JOY: Herzlich Wir Kommen
THRILL OF JOY
Herzlich Wir Kommen
(Edition Barhill Records)


Seit 2017 macht das saarländische Duo solide deutschsprachige Singer/Songwriter-Musik. Auf ihrem Debüt präsentieren Christian Both und Thomas Guido Peter elf melodische Akustiksongs über die Irrungen und Wirrungen des Lebens. Trotz ansprechender Texte hat man jedoch das Gefühl, sie folgen nur aktuellen Strömungen, und man hat alles schon mal gehört.
ep
 REBECCA TURNER: The New Wrong Way
REBECCA TURNER
The New Wrong Way
(Eigenverlag)


Die gute Nachricht zuerst: Dieses Indie-Songwriter-Album wird nie langweilig. Songs über Jazzsängerin Anita O’Day, die britischen Indierocker XTC, zu einem Kundalini Yoga Mantra, ein Bee-Gees-Cover, das ist schon sehr eklektizistisch. Letztlich bleibt aber der Gesang das limitierende Element dieses doch etwas unausgeglichenen Werks.
mw

 GIORGOS VENTOURIS: Hohlakas
GIORGOS VENTOURIS
Hohlakas
(Violins Productions)


Mehr als ein Dutzend Cracks der Jazz- und Folkszene Griechenlands kommt hier unter Leitung des Kontrabassisten und Gitarristen Giorgos Ventouris zusammen. Sie legen ein abgeklärtes und gleichzeitig luftiges sowie abwechslungsreiches Album mit dessen Eigenkompositionen vor, bei dem Genregrenzen zur Nebensache werden.
ink
 VIMMA: Meri Ja Avaruus
VIMMA
Meri Ja Avaruus
(Eclipse Music)


Nordic-Folk-Fans bietet Vimma alles, was das Herz begehrt. Raffinierte Melodien, Jazzarrangements, zwei Geigen als Hauptmelodieinstrumente, eine Progressivrock-gestählte Drum-&-Bass-Sektion und statt Gesang erst mal eine Erzählerin. Mit Vimmas Album findet sich endlich wieder etwas „nie Gehörtes“ und „Ungeheuerliches“ auf dem Plattenteller.
ce

 VOXXCLUB: Wieder Dahoam
VOXXCLUB
Wieder Dahoam
(Elektrola)


Vor sieben Jahren gegründet, ist dieses Quintett nun mit seinem dritten Album „wiada dahoam“ angekommen. Wer allerdings traditionelle bairische Musik erwartete, mag sich getäuscht haben. Die Aufnahmen sind modern, voller Pepp, und die Lieder handeln von Akzeptanz, Diversität und stehen gegen Engstirnigkeit.
mg
 WATERMELON SLIM: Traveling Man
WATERMELON SLIM
Traveling Man
(Northern Blues)


Das Doppelalbum wurde auf zwei Konzerten in Oklahoma im Jahr 2016 aufgenommen. Watermelon Slim spielt eine Resonatorgitarre, meistens mit Slide, und singt dazu mit rauer Stimme. Ein Blueser der alten Schule, was bedeutet, dass er sich nur selten an Dinge wie Taktschema, Zählzeiten usw. hält – und gerade das macht den Reiz und den Zauber dieser Musik aus.
ah

 WHITE OWL RED: Afterglow
WHITE OWL RED
Afterglow
(Hush Mouse Records)


Hinter White Owl Red steckt Josef McManus, und Afterglow ist bereits sein fünftes Album. McManus sieht sich selber als Protestsänger. Seine Songs sind deshalb manchmal etwas rauer arrangiert, eben weil sie seine Wut transportieren sollen. Balladen gibt es aber auch, auf denen wimmert dann die Pedal-Steel.
mf
 WINDFLÜCHTER: lib18
WINDFLÜCHTER
lib18
(Eigenverlag)


Musik zum Wohlfühlen. Das Trio um den Mannheimer Gitarristen Rainer Kröhn spielt bei dieser Liveaufnahme ruhige Instrumentalmusik zum Träumen. Sanfte Flötenmelodien, atmosphärische World-Music-Percussion-Sounds und weiche Klänge einer akustischen Gitarre lassen den Kopf beim Hören zur Ruhe kommen. Alle Stücke sind selbst komponiert.
uh

 WUTHE & FAUST: Lost Weekend
WUTHE & FAUST
Lost Weekend
(Eigenverlag)


Wuthe und Faust sind klassische Songschreiber, die zu zweit an einem Küchentisch sitzen oder in der hinteren Ecke einer Kneipe, um ihre Songs vielleicht nur für sich zu spielen, aber auch für jeden, der zuhören mag. Wohlfühlig und natürlich klingen ihre Songs und ganz traditionell.
mf
 ZENOBIA: Halak Halak
ZENOBIA
Halak Halak
(Acid Arab Records/Crammed Discs)


Vom Namen sollte man sich nicht täuschen lassen. Das nach einer Königin von Palmyra aus dem dritten Jahrhundert n. Chr. benannte Duo aus Haifa präsentiert modernste arabische Elektronikbeats zwischen Dub und Dabke, wie man sie ähnlich vom DJ-Kollektiv Acid Arab kennt. Hypnotische Partymusik ohne akustische Instrumente.
ink

 : rezi-legende
Stefan Backes (sb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Christian Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Ulrich Joosten (uj), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Ines Körver (ink), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (cr), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Martin Steiner (mst), Katrin Wilke (kw), Martin Wimmer (mw)




DEUTSCHE VIELFALT IN DER POPMUSIK
Johannes Oerding, Sarah Connor und die Onkelz stürmen die Albumcharts. Wer auf andere Töne hofft, findet vielleicht in dieser Übersicht einige Anregungen.

 AYO: Royal
AYO
Royal
(Wagram)


AYO, internationaler Star deutscher Herkunft, macht auf ihrem neuen Album Royal ihrem Ruf als exzellente Sängerin alle Ehre. Ob auf Englisch, Französisch oder Deutsch, ihre Songs klingen wie für den Lieblingsjazzclub geschrieben. Dafür sorgen neben dem aufregenden Gesang die brillanten Begleitmusiker, allen voran der stark betonende Kontrabass.
Chris Elstrodt

 MICHAEL WITTE: Der Hase Leben
MICHAEL WITTE
Der Hase Leben
(Timezone)


MICHAEL WITTE legt mit Der Hase Leben ein bemerkenswertes deutschsprachiges Rockalbum hin. Musikalisch liegt der Künstler zwischen Südstaatenrock, Hamburger Schule und Stoppok. Die Wittes Texte sind angenehm persönlich und unprätentiös. Politische Statements finden sich ohne Totschlagargumente. Dieses Album wird man auch in Jahren noch ohne Scham hören können.
Chris Elstrodt
 CAROLIN NO.: No No
CAROLIN NO.
No No
(Fuego)


Einem Charterfolg näher rückt das Singer/Songwriter-Duo CAROLIN NO. Es widmet sich mit seinem neuen Album No No dem Mainstream. Das wird den einen entsetzen, den anderen begeistern. Es ist aber allzu verständlich, dass die Künstler mit ihrem überragenden Songmaterial endlich auch ein großes Publikum erreichen wollen. Mit No No stehen die Chancen besser denn je. Wenn schon Pop, dann so.
Chris Elstrodt

 JAN KOEMMET: Löwenstern
JAN KOEMMET
Löwenstern
(Soulfood)


JAN KOEMMET setzt mit Löwenstern auf einfache Melodien und einfache Texte. Dadurch werden die Songs zwar eingängig, von anspruchsvolleren Hörern allerdings eher belächelt. Die persönlichen Botschaften kommen dennoch an und werden noch verstärkt durch ein liebevoll gestaltetes Booklet. Musikalisch bietet der Künstler sauber gespielten Poprock mit einem Hauch Schlager.
Chris Elstrodt
 FLORIAN OSTERTAG: Flo And The Machine
FLORIAN OSTERTAG
Flo And The Machine
(AdP Records)


Poperfahren ist auch der schwäbische Künstler FLORIAN OSTERTAG, der bereits als Sideman von Lena und Philip Poisel ausgedehnte Tourerfahrung sammeln konnte. Umso erstaunlicher ist sein lupenreines Folkrockalbum Flo And The Machine. Die Kompositionen folgen zwar modernen Popstandards, die Arrangements könnten aber aus besten Pentangle-Zeiten stammen. Damit erzeugt der Künstler ein wundervolles, zeitloses Folkwerk.
Chris Elstrodt

 AVEC: Homesick
AVEC
Homesick
(Earcandy Recordings)


Die Sängerin AVEC aus Österreich folgt den Erfolgspfaden von Dua Lipa und Halsey, ohne die akustischen Instrumente zu vernachlässigen. Homesick klingt ein wenig wie für den ESC komponiert, nur klüger. Damit bietet dieses Album das ideale Futter für Menschen, die auf neue Veröffentlichungen von Boy oder Hundreds warten.
Chris Elstrodt
 DAS LUMPENPACK: Halbzeit
DAS LUMPENPACK
Halbzeit
(Roofmusic)


DAS LUMPENPACK war auch vor dem sensationellen Quarantäne-Online-Konzert einer der gar nicht mehr so geheimen Geheimtipps aus deutschen Landen. Witzig – und damit bedenklich nah an Comedy – trifft das Duo den Zeitgeist und erreicht ein Millionenpublikum. Von den Livequalitäten der beiden Helden kann sich jeder auf dem Doppelalbum Halbzeit überzeugen. Die Band ist vielleicht das Wertvollste seit dem Ende von Joint Venture, wenn nicht sogar seit den Ärzten – in Zeiten wie diesen unbezahlbar.
Chris Elstrodt

GLOBALE KLÄNGE
 GWENDOLINE ABSALON: Vangasay
GWENDOLINE ABSALON
Vangasay
(Ting Bang)


Ob sie – wie im Opener „Binda“ – ihren Gesang auf dem Daumenklavier Sanza begleitet, das Cesaria Evora gewidmete „La Diva De La Morna“ teils a cappella, teils als Call-and-Response mit den Begleitstimmen absolviert oder die vielschichtigen Arrangements ihres musikalischen Direktors Hervé Celcal mit ihrer markanten Stimme veredelt – die charmante Dame aus dem französischen Überseedepartement La Réunion macht auch auf ihrem zweiten Album aus jedem Song ein kleines Kunstwerk.
Walter Bast
 ILKKA AROLA SOUND TAGINE : Land Ahead!
ILKKA AROLA SOUND TAGINE
Land Ahead!
(Flame Jazz Records)


Eigentlich wieder einmal ein formal lupenreines Jazzalbum, aber wenn jemand so souverän und augenzwinkernd mit den musikalischen Parametern aus Arabien, Asien oder dem Balkan umgeht wie das Sextett des finnischen Trompeters Ilkka Arola, dann lässt der Rezensent mit Vergnügen fünf gerade sein!
Walter Bast

 BAISER SALÉ: Lay Down Your Weights!
BAISER SALÉ
Lay Down Your Weights!
(Eigenverlag)


Musik ist eine Universalsprache. Will man aber zudem eine Botschaft loswerden, so ist wieder eine gewisse Vielfalt vonnöten. Das Quartett aus München und Umgebung verkündet diese auf Englisch, Französisch, Spanisch, Bayerisch und dem südostafrikanischen Chichewa. Musikalisch regiert die global weitverzweigte Offbeat-Familie. Und das, wo man hierzulande so gern auf die eins und drei mitklatscht …
Walter Bast
 BUKAHARA: Canaries In A Coal Mine
BUKAHARA
Canaries In A Coal Mine
(BML Records)


Ein feines neues Album von Soufian Zoghlami (voc, g, dr), Ahmed Eid (b, perc), Daniel Avi Schneider (v, mand) und Max von Einem (tb, sousafon) mit gewohnt komplexen Rhythmen, eingängigen Melodien und einem liebenswerten Video zu „Happy“. Die anschließend geplante Tour fiel dann wegen Corona aus, sodass sich Fans mit einem von WDR-Cosmo gestreamten Quarantänekonzert begnügen mussten. Immerhin.
Walter Bast

 DUBIOZA KOLEKTIV: #fakenews
DUBIOZA KOLEKTIV
#fakenews
(Men Art)


Mit Manu Chao, Earl Sixteen, Soviet Suprem, Los De Abajo und Robby Megabyte hat sich das Oktett aus Bosnien-Herzegowina eine illustre Gästeschar für sein neues Werk geleistet. Doch auch wenn die Mitstreiter neue Klangfarben ins Geschehen einstreuen – sooo nötig hätten’s die Bosnier nicht gehabt! Die Band rockt auch so, was das Zeug hält, und einen derart herrlichen Nonsens wie den „French Song“ haben auch nicht viele im Gepäck.
Walter Bast
 SUNNY JAIN: Wild Wild East
SUNNY JAIN
Wild Wild East
(Smithsonian Folkways Recordings)


Nachdem er in den letzten zehn Jahren mit seiner Lieblingstruppe Red Baraat zugange war und dort fast ausschließlich die indische Fasstrommel Dhol bedient hat, sitzt der 45-jährige Amerikaner mit indischen Wurzeln auf seinem aktuellen Soloalbum wieder verstärkt am Schlagzeug. Inhaltlich widmet sich Jain autobiografischen Themen, erzählt im Booklet Familiäres und spürt den musikalischen Zusammenhängen zwischen den Soundtracks von Bollywoodfilmen und denen von Spaghettiwestern eastwoodscher Provenienz nach. Entstanden ist ein brillanter Hybrid zwischen alter und neuer Heimat mit viel folkloristischem und psychedelischem Flair.
Walter Bast

 LEE „SCRATCH“ PERRY: Heavy Rain
LEE „SCRATCH“ PERRY
Heavy Rain
(On-U Sound)


Zeit, mal wieder in die Dub-Badewanne zu steigen und sich dort in den Klangkaskaden von Rainford Hugh Perry zu aalen. Schön, dass der 84-jährige Jamaikaner nicht plötzlich in Klassik oder Heavy Metal macht, sondern weiterhin das, wofür ihn die Welt liebt: entspannte Reggaetracks mit viel Geblubber, Gefiepe, Echo und L/R-Kanalwechseln. May he live forever!
Walter Bast
 SHARA: Kartulia
SHARA
Kartulia
(Memo Music)


Willkommen in Georgien, wo die Männer so genial singen können wie in Bulgarien die Frauen, nur tiefer halt. Das zehnköpfige Ensemble bettet den alten polyfonen Gesangsstil in ein zeitgemäßes Rockarrangement und schubst ihn so mit viel Verve in die Gegenwart. Experiment gelungen.
Walter Bast

Bücher
 LUTZ KERSCHOWSKI [Hrsg.]: Östlich der Elbe : Songs u. Bilder ; 1970-2013 / Hrsg. v. Lutz Kerschowski u. Andreas Meinecke ; mit Fotos von Ulrich Burchert.
LUTZ KERSCHOWSKI [Hrsg.]
Östlich der Elbe : Songs u. Bilder ; 1970-2013 / Hrsg. v. Lutz Kerschowski u. Andreas Meinecke ; mit Fotos von Ulrich Burchert.
christoph-links-verlag.de
(Berlin : Links, 2020. – 350 S. : Songtexte u. s/w-Fotos)
ISBN 978-3-96289-082-7 , 40,00 EUR


Ostdeutschland kann auf eine reiche Songtradition verweisen, aus der der opulente, schwergewichtige Text-Foto-Band eine Auswahl bekannter, aber auch wenig bekannter Lieder vorstellt. Dabei sind die Autoren in Wort und Bild chronologisch vorgegangen, beginnend in den frühen Siebzigern bis weit über die Wende hinaus. Dadurch ist sehr gut nachvollziehbar, wie sehr sich Themen und Stile mit den Jahren verändert haben. In der DDR schrieb eine Reihe von Liedermachern nicht nur für sich selbst, sondern auch für Rockbands: Kurt Demmler, Gerulf Pannach, Gerhard Gundermann. Neben Rocktextern wie Werner Karma und Wolfgang Herzberg ist die Liedszene durch Bettina Wegner, Christian Kunert oder Hans-Eckardt Wenzel vertreten, wobei der Schwerpunkt bei den Rocktexten liegt. Demmler dazu ironisch: „Ostrocker sind wie die Sonne. Gehn im Osten auf und im Westen unter.“ Autor Kerschowski zitiert Rio Reiser: „Ihr Ostler braucht doch gar keine Drogen, ihr seid auch so immer gut drauf.“ Die Auswahl der Lieder ist subjektiv, was so auch beabsichtigt war. Einige Meilensteine der DDR-Liedkunst fehlen, beispielsweise Texte für die Gruppe Karussell. Dafür gibt es ein paar mittelmäßige Lieder. Neben den Songtexten fallen besonders die treffenden, kongenialen Schwarz-Weiß-Fotos von Ulrich Burchert ins Auge, Musiker auf und hinter der Bühne, Festivals, Jugendtanz und Wohngebietsfeste, skurrile und alltägliche Motive. Für jene, die sich mit Rock und Liedgut aus dem Osten Deutschlands beschäftigen möchten, ein empfehlenswertes Buch, das natürlich – zu Recht – seinen Preis hat.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer
 DAVID YAFFE: Joni Mitchell : e. Porträt / aus d. Engl. v. Michael Kellner.
DAVID YAFFE
Joni Mitchell : e. Porträt / aus d. Engl. v. Michael Kellner.
matthes-seitz-berlin.de
(Berlin : Matthes & Seitz, 2020. – 583 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-3-95757-848-8 , 28,00 EUR


Joni Mitchell gehört zu den wenigen Künstlern im Musikgeschäft, die sich selbst „verrentet“ haben – in ihrem Fall vor 25 Jahren. Heute widmet sie sich vor allem ihrer ersten Liebe, der Malerei. Erfolgreich ist sie immer gewesen, hat sogar Singles in den Charts gehabt, ohne es explizit darauf anzulegen. In der Musik ging es ihr in erster Linie um die Freiheit, das zu tun, wonach ihr gerade der Sinn stand. An diesem Buch von David Yaffe hat Mitchell nur widerwillig mitgearbeitet. Er hat einige Interviews mit ihr geführt, vor allem aber mit ehemaligen Mitmusikern gesprochen. Hinzugezogen hat er noch allerlei Kritiken und Texte über Mitchell. 550 Seiten an Erzähltem, Behauptetem und Vermutetem sind auf diese Weise zusammengekommen. Statt Fakten zu präsentieren, friemelt Yaffe psychologisch in ihren Texten herum, wobei sie sich selbst immer als musikalische Erzählerin gesehen hat, die keine biografischen Songs verfasst. Für Yaffe ist Mitchell ganz eindeutig eine unvergleichliche Ausnahmekünstlerin, die sich immer in „einer schwierigen Situation findet“. Für die jeweiligen Ausrichtungen ihrer teilweise sehr unterschiedlichen Alben seit den Achtzigerjahren gibt er in der Regel der Musikindustrie die Schuld oder dem Zeitgeist. Yaffe schwankt in der Art, wie er seine Quellen zu einem schlüssigen Text zusammenfügen soll. Zehn Jahre hat er an dem Ganzen gearbeitet, und es ist erstaunlich, wie wenig wir in diesem Buch über Joni Mitchells Musik und ihre künstlerischen Ambitionen erfahren. Das Buch liest sich zwar leicht und flüssig, ist jedoch voller widersprüchlicher und teilweise absurder Behauptungen. David Yaffe hat sich die Alben von Joni Mitchell intensiv angehört. Von dem Zauber, den diese ausstrahlen, ist in diesem Buch nichts zu finden.
Michael Freerix

 JANINE KRÜGER: Heinrich Band – Bandoneon : d. Reise e. Instruments aus d. niederrhein. Krefeld in die Welt. / Förderverein f.d. Kulturbüro d. Stadt Krefeld e.V. [Hrs
JANINE KRÜGER
Heinrich Band – Bandoneon : d. Reise e. Instruments aus d. niederrhein. Krefeld in die Welt. / Förderverein f.d. Kulturbüro d. Stadt Krefeld e.V. [Hrs
klartext-verlag.de
(Essen : Klartext-Verl., 2020. – 361 S. : mit zahlr. Fotos u. Abb.)
ISBN 978-3-8375-1970-9 , 29,95 EUR


Das Buch aus dem niederrheinischen Krefeld kommt als generöses Kompendium daher. Gliederung und üppige Ausstattung werden dem Instrument durchaus gerecht, machen Staunen und sind ein Muss für jeden Bandonionfreund. Der journalistische Teil des Buches enthält amüsante Interviews mit renommierten Bandonionisten und Bandonionistinnen, die Süchte, Sehnsüchte und Visionen im Hinblick auf das Instrument offenbaren. Via QR-Codes lassen sich Hörbeispiele abrufen. Die instrumenten- und regionalgeschichtliche Darstellung „verbandelt“ das Bandonion schicksalhaft mit dem Krefelder Instrumentenhändler Heinrich Band und der Stadt selbst. Freimütig gesteht die Autorin: „Das vorrangige Anliegen der Herausgeber war es, die Verbindung zwischen Bands, Instrumentenentwurf und der Krefelder Stadtgeschichte herauszuarbeiten.“ Dies bedeutete, Quellen bezüglich Entwicklung und Fertigung des Instruments in sächsischen und erzgebirgischen Manufakturen um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts als Heinrich Bands Erfindung umzudeuten. Womit sich das Buch einreiht ins traditionelle Gerangel um die Erfindungshoheit des Bandonions – obwohl es vorgibt, dies ein- für allemal beenden zu wollen. Um das Bandonion mit Krefeld zu verorten, scheut sich Krüger nicht, die Verdienste der sächsischen Instrumentenmacher Buschmann, Zimmermann, Arnold u. a. geringzuschätzen und ihre Existenz gegenüber Bands historischer Leistung herabzustufen. Dieser kaufte in Sachsen Instrumente en gros, veranlasste Korrekturen an der Tastatur, versah das Ergebnis mit seinem Namen und verkaufte zu kleinen Preisen. Eine unternehmerische Großtat, die aber die Mühen um Entstehung und Entwicklung des Instruments und ihre sächsischen Produzenten außen vor lässt. Krügers „Beweisführung“ zu Bands Gunsten verliert sich in Details und hinterlässt unbefriedigende Lücken. Den fast zwei Jahrhunderte langen Entwicklungsweg des Bandonions vermag das Buch nur bruchstückhaft aufzuzeigen. Skurrilerweise beginnen die Ungenauigkeiten schon im Buchtitel, denn die Schreibweise mit „e“ bezeichnet vor allem die Bandonions der Carlsfelder Instrumentenbauerdynastie Arnold. Zu Bands Zeiten hieß das Instrument „Bandonion“ – wie auf der Abbildung auf dem Cover deutlich zu sehen … Mehr Informationen zum Instrument findet man auch unter tangoes.de.
Guter/Wolff/Seidel/Karthe/Algeri
 RON BRILEY: Searching for Woody Guthrie : a personal exploration of the Folk singer, his music and his politics.
RON BRILEY
Searching for Woody Guthrie : a personal exploration of the Folk singer, his music and his politics.
utpress.org
(Knoxville, TN : Univ. of Tennessee Pr., 2020. – XII, 388 S. : mit s/w Fotos . – )
ISBN 978-162190-533-2 , 29,95 USD


Was würde Woody Guthrie heute tun? Die Frage bestimmt diese sehr persönliche Entdeckungsreise durch das Leben des wohl bedeutendsten US-amerikanischen Folkmusikers. Geboren 1949 in Texas, wuchs auch Autor Ron Briley in den ärmlichen Verhältnissen der Farmer des Mittleren Westens auf. Wie Guthrie erlebte der ehemalige Geschichtslehrer den täglichen Überlebenskampf, fehlende soziale Absicherung, Rassentrennung, christlichen Fundamentalismus sowie die Folgen inneramerikanischer Migration. Brileys Suche nach dem Menschen Woody Guthrie ist daher auch keine gewöhnliche Biografie, sondern eine fesselnde Reise zu den wichtigsten Stationen im Leben des Musikers und seinen politischen Ideen. Denn mit seinen über tausend Kompositionen war Guthrie zuallererst ein politischer Aktivist. Aufgrund seiner Chorea-Huntington-Erkrankung Ende der Vierzigerjahre konnte der Singer/Songwriter zwar nur knapp ein Vierteljahrhundert als Künstler wirksam sein, dennoch hat sein Schaffen auch mehr als fünfzig Jahre nach seinem Tode eine nachhaltige Bedeutung für die Vereinigten Staaten heute. Guthries Vision einer Gesellschaft, die auf Nächstenliebe, Gleichberechtigung sowie soziale Absicherung baut und in der jeder Einzelne den gleichen Zugang zu den Ressourcen der Erde hat, ist so aktuell wie nie zuvor. Und wenn er heute noch leben würde, wäre der Folkmusiker sicherlich einer der Ersten, die gegen die wachsende Spaltung der Gesellschaft, die Ausbeutung durch den Kapitalismus auf allen Ebenen, die immer größere Kluft zwischen Arm und Reich und die Ichbezogenheit von Führern wie Donald Trump die Stimme erheben würden. Woody Guthrie würde der Öffentlichkeit Lied um Lied entgegenschleudern, um endlich einen tiefgründigen Wandel zu bewirken.
Erik Prochnow

 MICHAEL S. CAIN: Folk Music and the New Left in the Sixties / Michael Scott Cain.
MICHAEL S. CAIN
Folk Music and the New Left in the Sixties / Michael Scott Cain.
mcfarlandpub.com
(Jefferson, NC : McFarland, 2019. – VIII, 197 S.)
ISBN 978-1-4766-7472-8 , 39,95 USD


Der Anfang 2018 verstorbene Michael Scott Cain lehrte über vierzig Jahre Englisch, Literatur und populäre Kultur an verschiedenen Colleges. Er war Redakteur beim Onlinemagazin Rambles.net, wo er über Jazz, Blues und Dichtung schrieb. Zudem war er Autor mehrerer Romane und Sachbücher. Der dabei gewonnene Erfahrungsschatz ist dieser Veröffentlichung anzumerken. In seinem Buch untersucht Cain die Verbindungslinien zwischen dem Revival der US-amerikanischen Volksmusik, dem politischen Wandel und neuen kulturellen Ideologien jener Zeit. Dabei betrachtet er einmal die Entstehung der Neuen Linken und ihre Politik. Anhand von Künstlerinnen und Künstlern wie unter anderem Joan Baez, Bob Dylan, Carolyn Hester, Phil Ochs und Peter, Paul & Mary beschäftigt der Autor sich dann mit dem von ihnen geschaffenen Soundtrack für diese politische Bewegung. Besonders interessant wird es am Ende des Buches. Den Grund für das offensichtliche Scheitern der Neuen Linken sieht Cain darin, dass die beteiligten Akteure zu sehr einem schlichten Schwarz-Weiß-Denken verhaftet gewesen seien, was unter anderem auch zu gewaltsamen Aktionen einiger geführt habe. Diese Analyse überträgt er auf die Musik, indem er aufzeigt, dass Songs, die nicht nach dem vereinfachenden „Wir-gegen-sie“-Verständnis geschrieben wurden, länger im kulturellen Gedächtnis bleiben würden. Cain führt als Beispiel Ed McCurdys „Last Night I Had The Strangest Dream“ auf. Man muss nicht jeder Schlussfolgerung des Autors zustimmen, um seine Analyse wichtiger Aspekte von Geschichte, Politik, Kultur und Musik in den USA mit Gewinn zu lesen.
Michael Kleff
 FERDINAND NEGES [Hrsg.]: Das große Dux-KinderLiederBuch für den Kindergarten und daheim : Singen in kindgerechter Lage ; Hits, Traditionals und viel Neues ; mit leichten Gitar
FERDINAND NEGES [Hrsg.]
Das große Dux-KinderLiederBuch für den Kindergarten und daheim : Singen in kindgerechter Lage ; Hits, Traditionals und viel Neues ; mit leichten Gitar
dux-verlag.de
(Manching : Ed. Dux, 2020. – 236 S. : überw. Noten u. Texte ; mit zahlr. farb. Ab)
ISBN 978-3-86849-345-0 , 26,80 EUR


Der Wiener Gitarrist Ferdinand Neges ist seit über zwanzig Jahren Ausbilder von Erzieherinnen und Erziehern für Musik und praxisorientierte Vermittlung von Kinderliedern. Nach zahlreichen Gitarrenspielbüchern für Groß und Klein hat er jetzt ein Kinderliederbuch veröffentlicht. Es enthält, wie viele andere solcher Bücher, traditionelle Kinderlieder sowie Bewegungs-, Tanz- und Spiellieder von bekannten deutschsprachigen Verfassern wie Klaus W. Hoffmann, Rolf Zuckowski, Detlev Jöcker, Karin Maitz oder Kati Breuer. Was dieses Buch von anderen unterscheidet ist, dass es neben einfachen und eingängigen Melodien mit leichter Gitarrenbegleitung für Kinder vor allem das Singen in kindgerechter Stimmlage (für ein Alter von etwa drei bis sieben Jahren) berücksichtigt. Jedes Lied ist in (notfalls durch Kapodaster zu erzielender) passender Tonlage und Akkordangabe für eine einfache Begleitung notiert und mit einer Spielidee für die Gruppe versehen. Abgerundet, und damit für Kinder reizvoll, werden alle Stücke mit einer hübsch illustrierten Zeichnung von Mile Penava, die sich auf den Inhalt des Liedes bezieht. Insgesamt ist das Buch eine runde Sache und eine Empfehlung für Kindergärten, Grundschulen oder musikliebende Familien mit Kindern im entsprechenden Alter.
Doris Joosten

 PAUL BARTSCH: Mensch mir gegenüber : d. erste Liederbuch mit Akkorden f. Klavier/Gitarre / Paul Bartsch.  : Zirkustigers Perspektiven : d. zweite Liederbuch mit Akkorden f. Klavier/Gitarre / Paul Bartsch.
PAUL BARTSCH
Mensch mir gegenüber : d. erste Liederbuch mit Akkorden f. Klavier/Gitarre / Paul Bartsch.
zirkustiger.de
(Norderstedt : Books on Demand, 2020. – 84 S. + CD)
ISBN 978-3-7504-9296-7 , 8,99 EUR



Zirkustigers Perspektiven : d. zweite Liederbuch mit Akkorden f. Klavier/Gitarre / Paul Bartsch.
zirkustiger.de
(Norderstedt : Books on Demand, 2020. – 88 S. + CD)
ISBN 978-3-7519-5386-3 , 8,99 EUR


Der Liedermacher und emeritierte Hochschulprofessor Paul Bartsch aus Halle hat auf vielfachen Wunsch seiner Fans zwei Liederbücher herausgegeben, Mensch mir gegenüber und Zirkustigers Perspektiven, spiralgebundene „Büchlein“ mit insgesamt 81 Songs aus den letzten Jahrzehnten. Dazu gibt es eine CD mit allen Songs (MP3s), von ihm selbst nebst Band eingespielt. In den Heften findet man lediglich die Texte und Akkorde, das heißt die CD ist unbedingt notwendig, wenn man mit dem Werk des Barden nicht von seinen zahlreichen Veröffentlichungen vertraut ist. Viel Musik für wenig Geld. Erhältlich im Buchhandel oder über seinen Webshop zirkustiger.de.
Rolf Beydemüller



Besondere
REINHARD MEY
Das Haus an der Ampel
(Universal), mit Texten


Es ist inzwischen über fünfzig Jahre her, dass meine Mutter im Buchklub von einer Verkäuferin auf einen jungen Sänger aufmerksam gemacht wurde, der wie Orpheus singen wollte. Über viele Abende im Go In und dem Steve Club, das erste Konzert in der Philharmonie, die Verleihung der ersten Goldenen Schallplatte in einem Berliner U-Bahnzug, weitere Konzerte später und noch später mit eigenen Rezensionen begleitet mich Reinhard Mey, mal mehr, mal weniger intensiv, durch mein Leben. Warum diese Rückschau? Weil die 28. Studioproduktion des bald 78-jährigen Berliner Liedermachers zur Rückschau einlädt, weil sie selbst viele Erinnerungen enthält und im doppelten Sinne rücksichtsvoll ist. Meys  REINHARD MEY: Das Haus an der Ampel Erinnerungen sind in ein sehr mildes Licht getaucht, Kanten und Ecken sind abgeschliffen, er ist mit „allen versöhnt“. Diese Harmonie zieht sich durch die Texte, den Gesang und seine Melodien. Auch da, wo er spöttisch oder ironisch Zeiterscheinungen aufgreift, bleibt er milde, wo man vielleicht etwas mehr Pep erwartet hätte. Für diese harmonische Stimmung sorgt Manfred Leuchter, der seit langem für die Arrangements bei Reinhard Mey verantwortlich zeichnet und auf verschiedenen Tasteninstrumenten auch selbst mitspielt. Auf diesem Album kann man sich die Lieder auf einer ersten CD mit anderen Instrumenten arrangiert anhören und auf einer zweiten CD nur mit Gitarre – Liedermacher Reinhard Mey pur, wie in ganz frühen Jahren. Sein „Skizzenbuch“ nennt er das. Ein schöner Einfall, der einem die Gelegenheit bietet, sich seine Lieblingsversion herauszupicken. Ein liebevoll gestaltetes Booklet mit den Texten lässt zudem auch optisch teilhaben an seinen ganz persönlichen Rückblicken. Ein weiteres Schmankerl sei noch erwähnt, der gemeinsame Song mit seiner Tochter. „Scarlet Ribbons“ haben sie sich auserkoren, einen zuckersüßen, scharlachroten Song, den Harry Belafonte populär gemacht hat und den Victoria-Luise mit glockenklarer Stimme wunderbar intoniert.
Rainer Katlewski
DORANTES
La Roda Del Viento
(Flamenco Scultura)


Der Flamenco wird in einigen seiner Spielarten zu Recht in den gleichen Konzertsälen zelebriert wie Klassik bzw. sogenannte E-Musik und rangiert von seiner Meisterschaft her gut und gerne auf deren „Höhen“. So auch die vorliegenden stil- und stimmungsreichen opulenten fünfzig Minuten mit dem Charakter einer Sinfonie, in deren fünf Akten (tatsächlich vorzufindende Unterteilung) der klassisch versierte Flamenco-Jazzpianist die erste Weltumsegelung 1519 von Ferdinand Magellan und Juan Sebastián Elcano musikalisch nachzeichnet. Die majestätisch-leidenschaftlichen Kompositionen des Albums umspannen die Vorbereitungen (Opener) in der damals zentralen Hafenstadt Sevilla, die auch Dorantes’ Heimat ist, die Ruhe  DORANTES: La Roda Del Viento vor dem Sturm und das Gebet zu Gott für ein gutes Gelingen des Unternehmens sowie einige markante, offenbar auch musikalisch gut zu illustrierende Stationen – wie den Río de la Plata oder Brasilien sowie Magellans Tod unterwegs und die Rückkehr der stark geschrumpften Crew von einer teils dramatischen Reise. Zusammen mit (Flamenco-)Chor und Streichorchester realisierte der aus einer in Sachen Flamenco starken Gitanodynastie stammende Instrumentalist und Komponist dieses Auftragswerk zum fünfhundertsten Jahrestag des historischen Großereignisses. Mitunter fühlt man sich gar an musikalisch ähnliche Pioniertaten seines Onkels, des 2016 verstorbenen Cantaor El Lebrijano, erinnert, dem ähnliche klangliche und atmosphärische Allianzen gelangen. Doch abgesehen von den gemeinsamen Erfahrungen steht der Fünfzigjährige, stilistisch aufgeschlossene und experimentierfreudige Tastenmagier, der z. B. mit dem emblematischen Stück „Orobroy“ (auch Titel seines 1998 erschienenen Debütalbums) eine Art Hymne der Gitanos geschaffen hat, längst auf eigenen Beinen. Das neue Album trägt ganz klar Dorantes’ Handschrift, hat Tiefgang und Komplexität, und man kann sich durchaus vorstellen, dass ihn speziell diese, noch dazu in Coronazeiten entstandene Arbeit allerhand Schweiß gekostet hat.
Katrin Wilke

AFEL BOCOUM
Lindé
(World Circuit Records), mit engl. u. franz. Textinhalten u. Infos


Noch steht er im Schatten seines legendären Mentors und Onkels Ali Farka Touré (1939-2006), doch sollte sein neues Album, koproduziert von Labelchef Nick Gold und Ex-Blur-Sänger Damon Albarn, endlich dazu beitragen, ihm die gebührende Aufmerksamkeit und Anerkennung zu verschaffen. Bocoum (geb. 1955) stammt wie Touré aus der nahe Timbuktu gelegenen Stadt Niafunké, begeisterte sich schon als Jugendlicher für dessen Musik, lernte Gitarre, beschäftigte sich mit der Musikkultur der Songhai. In diversen Ensembles, auch denen seines Onkels, sammelte er erste Erfahrungen, startete Anfang der Achtzigerjahre sein eigenes Ding. Die enge Zusammenarbeit mit Albarn (u. a. für das Album Mali Music) bescherte ihm auch international eine  AFEL BOCOUM: Lindé gewisse Reputation; eigene Alben erschienen eher sporadisch. Mit Lindé legt Bocoum nun ein wahrlich großes und großartiges Opus vor, das nicht nur musikalisch neue Wege geht – wenngleich noch sehr dem sogenannten Sahel Blues verbunden. Es bezieht auch Stellung zur verzweifelten Lage Malis und seiner Menschen. Die meist politisch ambitionierten Texte fordern ein Ende der Gewalt („Jaman Bisa“, „Sambu Kamba“), beschwören die ethnische Vielfalt durch Dialog („Dakamana“), appellieren an „faule Männer“, für ihre Familien aktiv zu werden („Fari Njungu“), hegen Zweifel, ob Migranten in Europa ihr Glück finden können (z. B. im Reggae-Song „Bombolo Lilo“).
Bocoums Lieder basieren auf durchweg eingängigen Melodien, oft in einer Call-and-Response-Struktur, mit Chorgesang als Gegenpart zu seiner sonoren Stimme. Eine große Schar an Gastmusikerinnen und -musikern, darunter Violinistin Joan „as Police Woman“ Wasser, Koravirtuose Madou Sidiki Diabaté, Afrobeatdrummer Tony Allen und vor allem Skaposaunist Vin Gordon sorgen für solistische Highlights. Auf fast allen Stücken wirkte „Hama“ Sankaré mit, laut Bocoum „der beste Percussionist der Welt“ und „mein Bruder“. Ihm ist Lindé ausdrücklich gewidmet. Sankaré starb im März 2020, als sein Kleinbus bei Niafunké auf eine Landmine fuhr.
Roland Schmitt
WU FEI & ABIGAIL WASHBURN
Wu Fei & Abigail Washburn
(Smithsonian Folkways Recordings), mit engl. u. chin. Texten u. Infos


Während sich China und die USA derzeit den Stinkefinger zeigen, machen zwei Musikerinnen vor, wie es auch anders gehen kann. Wu Fei spielt die riesige chinesische Zither Guzheng, der japanischen Koto nicht unähnlich, Abigail Washburn das Banjo. Beide singen in ihren Sprachen. Produziert hat Banjolegende Béla Fleck, der für so etwas sehr offen ist. Für beide Künstlerinnen hat das Zusammenspiel einen Synergieeffekt. Einmal haben sie die harmonischen und melodischen Ähnlichkeiten ihrer unterschiedlichen Musikkulturen gut erkannt. Sie suchten nach ähnlichen Tonarten und Akkorden in Liedern ihrer Kultur, die sie dann zu Medleys zusammenfügten. Aber auch Songs mit inhaltlich ähnlichem Kontext oder  WU FEI & ABIGAIL WASHBURN: Wu Fei & Abigail Washburn Textformen wurden verbunden. Besonders deutlich wird das im Stück „Water Is Wide/Wusuli Boat Song“. Beide Lieder scheinen musikalisch und inhaltlich wie füreinander geschaffen zu sein, obwohl ihre Folktraditionen nie tatsächliche Berührungspunkte hatten. Der chinesischen Folklore wird öfter ein rhythmischer Swing versetzt, und gerade bei den Instrumentals merkt man, dass die bisweilen verstaubt wirkende Old-Time-Music plötzlich sehr besinnlich daherkommt. Ihr „Ping Tan Dance“ wiederum ist eine akustische Satire, in der beide als zwei Großmütter über die Benachteiligungen von Musikerinnen schimpfend gackern. Ganz anders „The Roving Cowboy/Avarguli“. Die amerikanische Folkballade startet recht meditativ, nimmt leicht Fahrt auf und verwebt sich dann mit dem uigurischen Lied. Beide haben ihr Konzept über einen Zeitraum von zehn Jahren entwickelt und kennen sich in den jeweils anderen Genres sehr gut aus. Fei und Washburn zeigen durch ihre Kooperation auch, dass ihre als sehr traditionell empfundenen Musikstile nicht per se statisch und hier Kulturen vereint sind, die sich innerhalb der amerikanischen Geschichte der Immigration schon längst hätten stärker befruchten können. Oft kann traditionelle Musik eben nur durch kulturelle Impulse von außen neue Hörer gewinnen.
Hans-Jürgen Lenhart

TEREZ SLIMAN
When The Waves
(KKV – Kirkelig Kulturverksted), mit arab. u. engl. Texten


Als Erik Hillestad 1974 in Oslo sein kleines Medienunternehmen Kirkelig Kulturverksted (mit anhängender Plattenfirma) gründete, waren seine musikalischen Intentionen eher lokaler Natur. Die erste LP enthielt vertonte Texte seines im selben Jahr verstorbenen Vaters Olaf, die folgenden Produktionen bestanden überwiegend aus geistlichen Chorwerken, gelegentlich auch aus Jazz (Arne Domnérus), Folk (Agnes Buen Gardås) oder Chanson (Rolf Wagle). Gut 45 Jahre später ist die „Kirchliche Kulturwerkstatt“ zu einer der führenden europäischen Adressen für Musikerinnen  TEREZ SLIMAN: When The Waves und Musiker aus den – teils krisengeschüttelten – Ländern Vorderasiens geworden. So wie für Terez Sliman. Die 1985 in Haifa geborene Sängerin und Lyrikerin ist – im Gegensatz zu manch anderen KKV-Acts – in ihrer Heimat durchaus etabliert, was möglicherweise daran liegen könnte, dass sich die Poesie ihrer Texte eindeutigen Interpretationen verschließt. Selbst in Songs wie „Hunger“ oder „When Tables Will Turn“ ist etwaiger Protest so brillant verklausuliert, dass die Gefahr eines Aneckens bei den politisch oder religiös Mächtigen kaum besteht. Musikalisch wirken die neun Stücke des Albums in sich sehr geschlossen und rund. Komponist und Bassist Raymond Haddad umschmeichelt Slimans ausdrucksvolle Stimme mit adäquaten Arrangements, wobei er gerne auf seine alten „analogen“ Synthesizer zurückgreift. Abgerundet werden die Songs durch die norwegischen Jazzgrößen Eivind Aarset (E-Gitarren) und Helge Norbakken (Schlagzeug, Percussion), die spannungsreiche Soundtupfer ins musikalische Geschehen einbringen.
Walter Bast



Deutschland
 ALEX BEHNING: Streunen ohne Schnur
ALEX BEHNING
Streunen ohne Schnur
(Ufer Records)


Der Künstler Alex Behning veröffentlicht mit Streunen ohne Schnur eines der schwierigsten Alben der letzten Zeit und damit auch eines der interessantesten. Die Klangfarbe des Sängers hat einen hohen Wiedererkennungswert und findet sich irgendwo zwischen Hamburger Schule und Stoppok. Behning singt auf Deutsch, doch die ersten Bilder im Kopf des Hörers passen eher zu einer Country-&-Western-Kulisse. Ein Western, der jedoch nicht in den amerikanischen Wüsten spielt, sondern vielleicht eher in Mecklenburg oder im Wendland. Gleichzeitig hat die Musik keine Ähnlichkeit mit der von heutigen Liedermachern, die Geschichten in den Liedern ähneln eher Vertonungen von Jim-Jarmusch-Filmen. Denkt man dann aber an Düsterfolker wie Nick Cave, ist man ebenfalls auf dem Holzweg. Behnings Musik haftet nichts Punkiges an. So entzieht sich der Musiker jeder Kategorie, jedes Stück klingt wie ein Stilbruch, ohne dass sich die Stile konkret bezeichnen ließen. Und so bleibt dem Hörer nichts anderes übrig, als sich auf den Künstler einzulassen und ihn lieben zu lernen. Das Ergebnis ist ein weiterer Kandidat für den Preis der deutschen Schallplattenkritik.
Chris Elstrodt
 JAN CORNELIUS: Vör Anker
JAN CORNELIUS
Vör Anker
(Artychoke), mit plattdt. Texten


„Min Gott, he snakt keen Plattdütsch mi, und he versteiht uns nich“, heißt es in einem volkstümlichen Lied, mit dem Jan Cornelius aus Leer freilich nicht gemeint sein kann und was auch auf die Hörer und Hörerinnen seines Albums nicht zutreffen muss, sofern sie den Texten folgen wollen. Sie sind allesamt im Beiheft auf Plattdeutsch abgedruckt, es gibt jedoch ein kleines Glossar mit einigen Wortübersetzungen. Versteht man diesen Dialekt, entdeckt man eine ganz zarte Poesie: „Leeder sünd för mi as Breven, / de ik weer un weer geern schriev / an mien Frünnen, an mien Leeven, / dat ik alltied bi hör bliev.“ Oder: „Paden dör de Nachten sünd as Paden dör de Tid, / bi de du di fragen deist, is’t Enn dicht bi of wied?“ Ja, es geht hier um das Leben in seiner Endlichkeit, um die Frage, was bleibt, aber auch, wie man angesichts von Bedrohungen noch frei leben kann. Und wer „keen Plattdütsch versteiht“, kann einfach Cornelius’ sanften Gesang zur Gitarre und die Begleitung durch Christa Ehring auf Cello, Flöte, Bassukulele und Keyboards sowie Klaus Hagemann an Gitarre und E-Gitarre und beider Chorgesang genießen – und sich norddeutsche Landschaften vorstellen. Ein Meisterwerk regionaler Musikkultur!
Michael A. Schmiedel

 DIE GRENZGÄNGER: Hölderlin
DIE GRENZGÄNGER
Hölderlin
(Feinste Musikkonserven), mit dt. Texten u. Infos


Friedrich Hölderlin (1770-1843) ist schon für Lyrikfreunde kein einfacher Autor. Er schwebt zwischen Klassizismus und Revolution, zwischen hoher Kunst und Irrsinn. Seine Gedichte von Michael Zachcial gesungen zu hören, macht es nicht einfacher. Aber das soll es wohl auch gar nicht sein. Den Texten ist schwer zu folgen, die Melodien sind keine Ohrwürmer, nein, es ist richtige Arbeit, sich damit zu beschäftigen, eine Arbeit, die die Grenzgänger sich zweifelsohne machten. Alle Texte sind abgedruckt, dabei kurze Infos über die Entstehungskontexte der Gedichte. Und, vielleicht typisch Grenzgänger, irgendwann erscheint Hölderlin in erster Linie als Gesellschaftskritiker, als jemand, der ausgestoßen wurde in seinen Turm in Tübingen, nicht weil er verrückt, sondern weil er unbequem war. Ein hochintellektueller Stachel im Fleisch der restaurativen Gesellschaft. Wo er fünf Jahre nach seinem Tod gestanden hätte, scheint klar: „Ich duld es nimmer! Ewig und ewig so / Die Knabenschritte, wie ein Gekerkerter / Die kurzen, vorgemeßnen Knabenschritte / Täglich zu wandeln, ich duld es nimmer!“ Verschiedene Gitarren, Bässe und Saxofone, Ukulele, Cello, Akkordeon, Mandoline und Schlagzeug umspielen den Gesang in vielen Stilen.
Michael A. Schmiedel
 FABIAN HOLLAND: Under The Red Island Bakery
FABIAN HOLLAND
Under The Red Island Bakery
(String Box)


Alles fließt – das war der Anspruch des Multiinstrumentalisten, auch oder gerade unter „atemberaubenden“ Umständen, ein lückenloser Wechsel zwischen seinen diversen Gitarren, Ukulele, Trompete und südamerikanischem Charango. Und alle Stücke nahm er an einem Tag auf, in „einer einzigen Einstellung“, wie man beim Film sagen würde. Als Studio diente ihm der Keller der Berliner Wohnung, in die der Londoner Brexit-Flüchtling eben gerade gezogen war, nachdem er kurz zuvor zum ersten Mal Vater geworden war. Seine Themen sind aus dem Leben gegriffene Beobachtungen, die er ins Philosophische spazieren führt, und kleine fantasievolle Geschichten, zu denen seine neue Umgebung ihn offenbar inspirierte. Diese nennt er bereits im Titel – und in der ehemaligen Bäckerei befindet sich auch seine Wohnung. Da lässt sich auch ein Titel wie „Flour Bed“ zuordnen. Davon, dass Holland aufgrund der rasanten Bewegung in seinem Leben versuchte, sein Œeuvre hier absichtlich auf ein „tieferes Niveau“ zu senken, ist hinsichtlich der Qualität nichts zu merken. Entstanden sind zehn ruhige, verspielte Titel in meisterlicher Instrumentierung.
Imke Staats

 SARAH LESCH: Der Einsamkeit zum Trotze
SARAH LESCH
Der Einsamkeit zum Trotze
(Kick The Flame)


Sie sieht sich als Handwerkerin, die Geschichten aus dem Leben erzählt. Und auf ihrem vierten Album demonstriert die 34-jährige Liedermacherin ihre Kunst erneut herausragend. Denn Leschs Geschichten sind nicht einfach Beobachtungen des Alltags. Sie hat sie selbst oft schmerzhaft erlebt, und sie hat keine Angst, sich damit in ihren Liedern zu offenbaren. Es ist diese Offenheit, in der sich der Hörer sofort wiederfindet. „Ich bin ängstlich und einsam, schrullig, nervös, eitel, selbstgerecht, faul, manchmal klug, witzig oder hübsch zurechtgemacht. Aber einsam innen“, sagt Lesch. Wer kennt das nicht von sich selbst? So singt sie schonungslos vom Verlust, von der Notwendigkeit und der Sehnsucht nach Gemeinsamkeit. Sie macht deutlich, dass erst das Ende des Schweigens den Schmerz der Einsamkeit durchbrechen kann. All das gelingt ihr auf den zwölf teils chansonesken, mal folkigen oder poppigen Songs mit großem Sprachwitz und einfühlsamen Bildern, die trotz aller Traurigkeit nicht zuletzt durch ihre schwingenden Melodien eine große Kraft ausstrahlen. So zieht der Hörer nach dem letzten Lied, „Geh Nach Haus“, mit einem Lächeln von dannen in der Gewissheit, dass Verletzlichkeit Verbundenheit entstehen lässt.
Erik Prochnow
 GEORGE MAJOR: Porch Songs 2
GEORGE MAJOR
Porch Songs 2
(Prosodia)


Seine immense Erfahrung als Musiker scheint jetzt erst richtig aufzublühen. Über dreißig Jahre ist der in Dortmund lebende Engländer bereits auf den Bühnen unterwegs. Doch erst 2019 hat er sein erstes Soloalbum veröffentlicht. In diesem Sommer folgt nun schon der zweite Teil seiner Trilogie Porch Songs. Der aus dem Amerikanischen stammende Titel, der für das ungezwungene Musizieren auf der Veranda steht, macht erneut seinem Namen alle Ehre. George Major verströmt in seinen vierzehn Kompositionen eine wohltuende Leichtigkeit bei gleichzeitigem musikalischem und textlichem Tiefgang. Im Zentrum der sparsam instrumentierten Stücke stehen sein einfühlsames Gitarrenspiel und vor allem sein warmer Bariton, dessen großer Ausstrahlungskraft der Hörer sich kaum entziehen kann. Der ehemalige Posaunist der britischen Rheinarmee blieb nach seinem Militärdienst in Deutschland, studierte in Holland Gesang und sang beim Musical Starlight Express im Chor, bevor er in verschiedenen Bands spielte. All diese Erfahrungen bilden die Basis für sein Talent als musikalischer Storyteller. Ob politisch oder über die Liebe, Major trifft mit seinen Folksongs geradezu ins Herz. Hoffentlich lässt Porch Songs 3 nicht lange auf sich warten.
Erik Prochnow

 ALEXA RODRIAN: One Hour To Midnight
ALEXA RODRIAN
One Hour To Midnight
(Enja)


Es gibt sie noch, die außergewöhnlichen Jazzkünstlerinnen, die sich jenseits jeder Erwartung nur an ihren eigenen Maßstäben orientieren. Alexa Rodrian gehört zu ihnen. Mit einer Stimme, die spielend den Spannungsbogen von Liza Minelli bis Grace Jones abdeckt, präsentiert sie ihre Eigenkompositionen und ungewöhnlichen Coverversionen. Dazu sucht sie sich für jeden Track genau einen Begleitmusiker, der ihren Gesang in einen jeweils perfekten, aber immer unterschiedlichen Rahmen setzt. So beginnt das Album mit einem Song, der nur von einem dominanten Schlagzeug und etwas Bass begleitet wird. Statt des üblichen Pianos lässt die Künstlerin sich im nächsten Stück von der Harfe begleiten. Der nachfolgende Walzer erzeugt Bilder von der Stärke eines Michael Nyman. Bei Whitney Houstons Pophit „I Wanna Dance With Somebody“ ersetzt ein Vibrafon ein ganzes Orchester. Ganz Femme fatale, übernimmt oder überlässt die Sängerin jederzeit die Führung, stellt sich sicher positioniert den begnadeten Begleitmusikern und führt jedes Duett in einen glücksbringenden Dialog. Dieses Album ist ein kleines Meisterwerk, das auch Menschen, die Jazz üblicherweise meiden, dringend ans Herz gelegt werden muss.
Chris Elstrodt
 Rosa Morena Russa: Caprixaba
Rosa Morena Russa
Caprixaba
(DaCasa Records)


Die aus der Ukraine stammende, in Deutschland lebende Sängerin ist in kurzer Zeit dafür bekannt geworden, sich der brasilianischen Musik anzunehmen und diese mit ihrer Lebenssituation zu verbinden. Sie singt in fünf Sprachen Eigenkompositionen mit brasilianischer Musik, darunter auch auf Deutsch und Russisch. Zudem zeigt sie eine große Affinität zum Jazz. Ewig kann man auf dem Konzept Vielsprachigkeit und Brasilien natürlich nicht herumreiten, und deshalb macht sie jetzt genau das Richtige: Sie wählt die Universalsprache des Gesangs in der Musik, die Vokalise, das Singen ohne Worte. Diese Technik hat in Brasiliens Populärmusik wie im Jazz eine große Tradition, und somit ist das ein guter Schritt. Russa wendet diese Art bei schnellen Chorostücken wie auch bei Balladen an, dazwischen gibt es ebenfalls ein Lied in deutscher oder russischer Sprache. Russas phonetische Experimente versehen besonders die balladesken Stücke mit einer individuellen Note. So nimmt man Russa jetzt wesentlich musikalischer wahr als bisher, da man sich von ihrer Vielsprachigkeit vielleicht zu sehr verblüffen ließ. Das war wohl auch die Absicht ihres neuen Konzepts und scheint gelungen.
Hans-Jürgen Lenhart

 BODO WARTKE: Wandelmut
BODO WARTKE
Wandelmut
(Reimkultur), mit Texten


Auf seinem neuen Album erzählt uns der charmante Klavierkabarettist vor allem von drei Problemen, die ihn zurzeit so umtreiben: von Insekten, dem kleinen Hosenscheißerchen, dessen Vater er ist und das nun sein Leben bestimmt, und von Gott und der Welt. Ein wahrhaft weites Feld, das er da beackert. Diese kleinen lästigen, fliegenden und krabbelnden Viecher (inklusive Spinnen) mag er nicht so, doch in einem zweiten Lied werden sie rehabilitiert, ein bisschen faszinierend und nützlich sind sie ja doch. Seinem neuen kleinen Haustyrannen unterwirft er sich mit liebevollem Vaterstaunen. Bleiben noch seine politischen Lieder besonders zu erwähnen, weil man ihn mit dergleichen am wenigsten verbindet. Hier erweist er sich als kritischer Zeitgenosse, der an aktuellen Auseinandersetzungen – z. B. um den Hambacher Forst – ebenso Anteil nimmt, wie er gegen Intoleranz und Fundamentalismus in klaren Worten Stellung bezieht. Das Land, in dem er leben will, wird von ihm sympathisch, aber eben auch eher romantisch entworfen. Wie stets bei Bodo Wartke verbinden sich in seinen Liedern große Musikalität und Sprachwitz mit klugen Texten, die von Humor und, trotz ihrer Ernsthaftigkeit, einer gewissen Leichtigkeit geprägt sind.
Rainer Katlewski
 WESTSEE: Die Welt bremst
WESTSEE
Die Welt bremst
(Fuego)


Mike Pelzer gehört zu den Künstlern, die sich so manches trauen. Ob an der Seite von Markus Maria Jansen bei M. Walking On The Water, als Solokünstler, mit Basta Fou oder unter dem Namen Westsee, jede neue Veröffentlichung sprengt die Erwartungen und geht neue Wege. So beginnt das neue Album mit einem gekonnten Diebstahl vom Buena Vista Social Club. Auf dem zweiten Track covert Pelzer sich dann gleich selbst. Einer der größten Ohrwürmer von M. Walking On The Water wird mit neuem, nun deutschem Text leicht angefolkt und mit viel Druck zum Soundtrack des Jahres 2020. Pelzer, der tief im Theater verwurzelt ist, klingt immer ein wenig nach Zirkus, nach absurdem Schauspiel und nach Chanson. Der von ihm wesentlich mitgestaltete Sound deutscher Indiebands der Achtziger ist weiterhin Erkennungsmerkmal, auch das Markenzeichen Akkordeon nach wie vor präsent. Die deutschen Texte erschweren das Hörerlebnis. Natürlich erwartet man von einem Künstler wie Pelzer Tiefgründiges oder wenigstens Avantgardistisches. Doch statt „Party In The Cemetery“ gibt es „Wie weit musste ich gehen, um dich wiederzusehen“. Einfache Worte, klare Botschaften, Pelzer traut sich selbst das.
Chris Elstrodt

Europa
 BESH O DROM: 20
BESH O DROM
20
(Fonó), mit ungar. u. engl. Infos


Seit August 1999 gibt es die ungarische Gruppe Besh O droM. Der Name gibt das Programm vor. Auf Lovari heißt dies so viel wie: „Setz dich auf die Straße.“ Gemeint ist wohl: „Geh deinen Weg!“, „Mach dein Ding!“. Auf Ungarisch: „Ich drehe mir einen (Joint)“. Entsprechend schräg und witzig ist das Repertoire der derzeit neunköpfigen Truppe. Von Punkrock über Jazz bis Weltmusik ist alles dabei. Letztere speist sich aus vielen Quellen, insbesondere aus dem Balkan- und arabischen Raum. Mit dem aktuellen achten Album wollen die Musiker um Àdam Pettik (Gesang, Percussion), Gergely Barcza (Saxofon, Electronic Wind Instrument, Kaval, Klarinette) und József Csurkulya (Cimbalom) zusammenfassen, was ihnen musikalisch in den ersten zwanzig Jahren der Bandgeschichte wichtig war. Dazu gibt es in dem überformatigen Coverbuch viele Konzertfotos, die Gábor Kardos gemacht hat. Auch wenn die Mitmusiker immer wieder gewechselt haben – Wikipedia listet 21 Ex-Bandmitglieder, darunter die grandiose Sängerin Ágnes Szalóki –, der Sound der Truppe ist und bleibt anarchisch, abwechslungsreich und, nebenbei bemerkt, auch verdammt virtuos.
Ines Körver 
 STEVE CRAWFORD AND SPIDER MacKENZIE: Celticana
STEVE CRAWFORD AND SPIDER MacKENZIE
Celticana
((Eigenverlag)


Der Gitarrist und Singer/Songwriter Steve Crawford wohnt seit einiger Zeit in Bonn und ist in diversen Projekten wie Ballad of Crows, einem Duo mit Fiddlerin Sabrina Palm oder als Mitglied der Cajunkönige von Le Clou aktiv. Spider MacKenzie dürfte selbst für Arachnophobiker ein erfreulicher Meister der Mundharmonika sein. Die beiden entschieden sich 2018, an die Quelle vieler ihrer Inspirationen zu gehen, nach Austin, Texas. Dort entstand das vorliegende Album unter dem nicht völlig unbekannten Produzenten Chris Gage, der auch das eine oder andere Instrument bediente. Der Albumtitel Celticana ist Programm, soll es zumindest sein. Keine Frage, das ist qualitativ hochwertige Musik aus den Genreecken Singer/Songwriter, Americana und Blues. Der keltische Anteil wurzelt eher im Geburtsort der beiden Protagonisten, dem schottischen Aberdeen. Obwohl, der Instrumentaltitel „Bernera Blues“ ist tatsächlich eine bluesgetränkte Ode an die Hebrideninsel Bernera. Spider MacKenzie spielt eine Mundharmonika, bei der der Unterkiefer des Hörenden ganz weit nach unten klappt, und Steve Crawford weiß genau, wie man Songs kompositorisch und gesanglich auf den Punkt bringt. Ergo, ein höchst empfehlenswertes Werk mit ehrlicher Musik.
Mike Kamp

 XABIER DÍAZ & ADUFEIRAS DE SALITRE: As Catedrais Silenciadas – The Silenced Cathedrals
XABIER DÍAZ & ADUFEIRAS DE SALITRE
As Catedrais Silenciadas – The Silenced Cathedrals
(Músicas De Salitre)


Die Sorge um das Verschwinden ländlich verwurzelter Kulturen und Bräuche Galiciens mit vom Land wegziehenden bzw. alten Menschen katalysierte diese Arbeit. Die dritte des Sängers, Percussionisten und Folkloristen aus A Coruña mit seinem Ensemble singender Percussionistinnen ist wie die Vorgänger gelungen und betörend. Der Ex-Sänger der innovativen Folkband Berrogüetto weiß Note für Note, Panderetaschlag für -schlag, was er tut. Aus seiner Sicht sei die aktuelle, sehr vitale Folkszene Galiciens mehr vokal ausgerichtet, während es früher eher die Instrumentalmusik mit der Gaita (Dudelsack) als Protagonistin war, durch die die nordwestspanische Region international bekannt und von außen oft mit dem Keltischen assoziiert wurde. Díaz und seine Mitstreiterinnen schreiben die historisch u. a. von den Pandereteiras – den Frauen mit den Tambourinen – kultivierten Traditionen der alten Gesänge auf so traditionsbewusste wie freigeistige Art fort. Sie versehen die aufgelesenen Melodien, darunter auch ein Fundstück von Alan Lomax, bisweilen mit zeitgenössischen, immer mehr auch eigenen Texten. Neben diverser Kleinpercussion bezieht man auch Drehleier, Akkordeon, Geige oder Bouzouki geschmacks- und spielsicher ein.
Katrin Wilke
 DIVERSE: Folk & Great Tunes From Russia
DIVERSE
Folk & Great Tunes From Russia
(CPL-Music), mit engl. Infos


Sampler und Kompilationen sind ein probates Mittel, um sich in Kürze einen möglichst umfassenden Überblick über verschiedene Musikstile, das Repertoire von Künstlern oder landes- oder ethnientypische Musizierformen zu verschaffen. Der vorliegende Doppel-CD-Sampler verspricht also nichts Geringeres als einen annähernd repräsentativen Streifzug durch die traditionelle Musik aus Russlands Regionen und Republiken. Wobei die „Great Tunes“ auch schon mal aus zeitgenössischem Material bestehen können. Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Doppelalbum ist ein Juwel, eine musikalische und geografische Entdeckungsreise durch Republiken (Mordwinien, Udmurtien) und Regionen (Belgorod, Woronesch), die der Rezensent zwecks Orientierung erstmal wikipedieren musste. Immerhin waren ihm Republiken wie Jakutien, Tuwa oder Tatarstan bekannt, ebenso wie die Regionen um Perm, Ural, Omsk oder Krasnojarsk (aus der die wundervolle Band Vedan Kolod stammt). Die Musikbeispiele decken eine Vielzahl traditioneller Stile ab, eher selten sind Rock oder Jazz zu hören. Tagesaktueller Pop fehlt ganz, Gott sei Dank, sonst hätte es womöglich eine gewisse Jelena Petrowna Fischer aus Krasnojarsk auch noch auf diesen Sampler geschafft.
Walter Bast

 DREAMERS’ CIRCUS: Blue White Gold
DREAMERS’ CIRCUS
Blue White Gold
(Vertical Records)


Es war 2009 in einer Bar in Kopenhagen. Nikolaj Busk hörte beim Eintreten traditionelle Folksongs, vorgetragen vom Violinisten Rune Tonsgaard Sørensen und dem Zitherspieler Ale Carr. In einer Ecke sah er ein Klavier, setzte sich an die Tasten und begann sofort einzustimmen. Es sind diese Funken an Spielfreude und Spontaneität, die das dänisch-schwedische Trio seit mehr als einem Jahrzehnt zusammenschweißen und zu wachsender Beliebtheit auf den Bühnen der Welt tragen. Obwohl ihre Wurzeln im traditionellen Folk liegen, bewegt sich ihre Musik jenseits aller Klassifizierungen. Die drei exzellenten Instrumentalisten verweben Elemente der Klassik, der Folklore, der zeitgenössischen Stile oder des Jazz zu einem ganz eigenen Klang, der Weite ausstrahlt und vom ersten Ton an berührt. Selten kreiert instrumentale Musik so intensive Bilder beim Hören. Da sind die aufsteigenden Seifenblasen im Central Park, die ziehenden Wale in den Nordmeeren, die Erleichterung nach einer erfolgreich bewältigten Herausforderung, der Fluss von Tränen oder die ausdrucksstarken Gesten einer Pantomime. Ein zartes und dennoch dynamisches Album, das gerade durch seine einfühlsame Intensität eine große Zuversicht verbreitet.
Erik Prochnow
 LAÜSA: Entalh
LAÜSA
Entalh
(Tradethik)


Diese Band ist eine Entdeckung. Laüsa kommen aus der Gascogne, das ist die Region südlich von Bordeaux im Südwesten Frankreichs. Der Bandname (gesprochen: „La Üse“) bedeutet auf Gascognisch „Funke“. Sie singen auch auf Gascognisch, einer Unterart der okzitanischen Sprache. Und sie machen gascognische Tanzmusik, obwohl ihre Stücke überwiegend selbst geschrieben sind. Akkordeonistin Lolita Delmonteil-Ayral und Geiger Camille Raibaud spielten schon länger im Duo La Forcelle zusammen. Gemeinsam mit dem erdigen Gesang von Juliette Minvielle und der rockigen Gitarre von Julien Estèves ist aber etwas ganz Neues entstanden, ein gascognischer Folkrock mit starkem Fokus auf der weiblichen Stimme. Entalh ist das zweite Album der Band, wobei der Erstling als EP nur sechs Titel aufwies. Entalh ist ein reifes Werk, von den abwechslungsreichen Kompositionen über die Arrangements, die sich oft im letzten Drittel fulminant entwickeln, bis hin zum Booklet mit Übersetzungen in französischer und englischer Sprache. Die Plattenfirma Tradethik entstand aus einem Festival und ist ein Künstlerkollektiv, koordiniert von Laüsa-Geiger Camille Raibaud.
Christian Rath

 LENA JONSSON TRIO: Stories From The Outside
LENA JONSSON TRIO
Stories From The Outside
(Hedgehog Music)


Sie ist Traditionalistin und zugleich Erneuerin der großen Violintradition Schwedens. Wenn Lena Jonsson ihre vier- und fünfsaitigen Violinen spielt, hört man die Vergangenheit und auch ganz viel lebensfrohe Gegenwart. Ihr neues Album berauscht den Hörer mit fetzig gespielter neuer Fiddlemusik. Die 33-jährige, im schwedischen Bollnäs geborene Geigerin beweist mit jeder ihrer Kompositionen, dass sie ihre heimische Folktradition mit den mitreißenden Volkstänzen und wunderschön getragenen Volksmelodien bis ins kleinste Detail kennt. Doch die Musikerin ist ein Kind der heutigen, weltoffenen Zeit, da changiert ihre Musik schon mal in Bluegrass, rockige Sounds oder in swingend-jazzige Gefilde hinein – ohne je ihre schwedische Folkfärbung zu verlieren. Eingespielt hat die Schwedin ihr Album als Trio mit dem Gitarristen Eric Ronström und dem Bassisten Kristofer Sundström. Damit das Ganze abwechslungsreich bleibt, lud sie zudem einige Gastmusikerinnen und -musiker ein, die Klangfarben von Banjo, Cello, Flöte oder Piano beisteuern. Doch im Zentrum steht ganz klar Lena Jonsson. Sie spielt ihr Instrument derart virtuos, dass man schon mal das Gefühl für Raum und Zeit verliert.
Udo Hinz
 LISBOA STRING TRIO: Aqui E Ali
LISBOA STRING TRIO
Aqui E Ali
(Eigenverlag)


Aqui E Ali („Hier und da“) steht für die verschiedenen Einflüsse des Trios. Hier der Fado, da der europäische Jazz, klassische Anleihen und ein musikalischer Abstecher nach Spanien. Aus der Fadoecke stammt Bernardo Couto, der in seiner noch recht kurzen Karriere auf der portugiesischen Gitarre (einer Art zwölfsaitiger Mandoline) viele der bekanntesten Fadosängerinnen und -sänger begleitet hat. Der Gitarrist José Peixoto ist in allen drei Musikwelten zu Hause. Er zeichnet für die Mehrheit der Kompositionen verantwortlich und ist Bindeglied zwischen Couto und dem Jazzbassisten Carlos Barretto. Ihr drittes Album ist ein Amalgam der musikalischen Einflüsse der Musiker, feingliedrig und doch kräftig, abwechslungsreich und überraschend zugleich. Erstmals hat das Trio für zwei der elf Stücke Gastsängerinnen eingeladen. María Berasartes umwerfende Interpretation von „Zorongo Gitano“, Federico García Lorcas Adaptation eines spanischen Traditionals, ist einer der Höhepunkte des Albums. Christina Brancos Stimme auf „Ai Mas Ai De Mim“ bringt Fadoflair in dieses hervorragende Werk.
Martin Steiner

 BOBAN MARKOVIĆ ORKESTAR: Mrak
BOBAN MARKOVIĆ ORKESTAR
Mrak
(Fonó), mit ung. u. engl. Infos


Seit Jahren zieht die Autorin dieser Zeilen im Sommer mit Kumpels durch die Gassen von Guča in Serbien und berauscht sich dort auf dem weltgrößten Trompetenfest an Balkan Brass. Dieses Jahr erwogen die Veranstalter erst eine Verschiebung der sechzigsten Ausgabe in den Oktober und verkündeten später, das Event finde vielleicht doch wie gewohnt im August statt. Schließlich bliesen sie es ab, als die Coronazahlen zu hoch wurden. Wie gerufen flatterte der Autorin nun dieses energetische und vielseitige Werk der grauen Eminenz von Guča ins Haus. Marković fing mit fünf Jahren an, Trompete zu spielen, war mit fünfzehn bereits Profi und gewann die Goldene Trompete im Wettbewerb von Guča so oft, dass er beschloss, nicht mehr anzutreten. Er gilt nun quasi als lebender Schutzheiliger des Festivals und gibt dort immer wieder nur durch Mundpropaganda bekannt gegebene Konzerte außerhalb der Wertung. Jetzt legt er nach über fünf Jahren Studioabstinenz sein fünfzehntes Album vor, dem auch dezente elektronische und Tablabeats beigemischt sind. Der Titel Mrak („Dunkelheit“) sollte dabei nicht abschrecken – das Album macht auch bei langsamen Stücken gute Laune.
Ines Körver
 BRIGID MAE POWER: Head Above The Water
BRIGID MAE POWER
Head Above The Water
(Fire Records)


Man spricht von Expertise in irischer Vokaltechnik, von der Fähigkeit, mittels Gesang Geschichten zu erzählen wie Dylan, von stimmlicher Verführung und – ja, all das. Nach nur einem Satz des ersten Songs („On A City Night“) ist wie ein Déjà-vu plötzlich die Präsenz einer der größten Sängerinnen des angloirischen Genres im Kopf. Anne Briggs heißt die Frau, die den Rezensenten schon vor vielen Jahren so sehr fasziniert hat. Nicht nur muss man eine deutliche Ähnlichkeit des Stimmtimbres von Brigid Mae Power konstatieren, nein, sie benutzt in ihren Songs (fast alle aus eigener Feder) viele von Briggs’ typischen Melodielinien und Akkordprogressionen. Es gibt eine überwältigende stilistische Übereinstimmung zu der historisch bedeutsamen Ikone. Dies schmälert Powers eigene Leistung nicht im Mindesten, ist sie doch eine eigenständige und kreative Songwriterin. Die Band um sie tut ein Übriges, um dem folkpsychedelischen Sound zu einem gut orchestrierten Ganzen zu verhelfen. So gibt es neben der stimmigen Gitarrenbegleitung Platz für Fiddle, Percussion, Synthesizer, Mellotron, Pedal Steel Guitar u. v. a. Ein ungewöhnliches Cover von „The Blacksmith“ und der abschließende Titeltrack runden das Album zu einer ergreifenden Produktion ab.
Johannes Schiefner

 RURA: Live At The Old Fruitmarket
RURA
Live At The Old Fruitmarket
(Eigenverlag)


Richtig so! Wenn schon den zehnjährigen Bandgeburtstag feiern, dann auch in Glasgows beliebtester und stimmungsvoller Konzerthalle, dem Old Fruitmarket. Und nicht vergessen, viele Gäste einladen, vor der Bühne und auch auf selbiger. Rura als Instrumentalcombo besteht aus Steve Blake (Pipes, Keys), Adam Brown (Gitarre), David Foley (Bodhrán, Flöte) und Jack Smedley (Fiddle). Zusammen mit einem prominent besetzten Streichquartett und den erwähnten Bühnengästen zauberten sie bei den diesjährigen Celtic Connections massive Soundgebirge in die Halle, Klanglandschaften, in denen man sich verlieren und verlieben kann. Die gesprochenen Passagen gehen leider etwas unter. Adam Holmes singt als Gast zwei seiner schönen Lieder, die allerdings eher in Richtung Rock tendieren, wobei der Rura-Input bei „Weary Days“ deutlicher hörbar ist. Da wirkt ein Ali Hutton schon kompatibler, wenn er die zweiten Pipes hinzufügt, plus Breabachs James Lindsay (Bass), der profilierte Piper Finlay MacDonald sowie Chris Waite (E-Gitarre). Aber jedes Meckern spielt sich auf hohem Niveau ab. Insgesamt ist das eine gute Stunde Musik im wahrsten Sinne des Wortes.
Mike Kamp
 SALT HOUSE: Huam
SALT HOUSE
Huam
(Hudson Records)


Album Nummer drei für das schottische Trio, bestehend aus Jenny Sturgeon (Gesang, Harmonium, Gitarre), Lauren MacColl (Fiddle, Viola, Gesang) und Ewan MacPherson (Gesang, Gitarre). Salt House haben einen beeindruckenden Reifegrad erreicht. Sie erschaffen über die gesamten vierzig Minuten des Albums eine eigene musikalische Welt, eine eigene musikalische Sprache, und die ist individuell, simpel sowie komplex zugleich und einfach betörend schön. Kein einziges der zehn Stücke ist traditionell, sie schreiben oder zumindest arrangieren die Stücke alle gemeinsam, und trotzdem ist die schottische und zum Teil auch skandinavische Tradition in den Sound von Salt House eingewebt. Die Arrangements bleiben durchgehend schwebend oder fließend, selbst die oft so energische Fiddle bleibt atmosphärisch und dunkel. Und sie erliegen nie dem schottischen Drang nach Tempo oder deutlicher Rhythmik. Manche Songs klingen gar regelrecht mystisch, was nicht zuletzt der Stimme von Jenny Sturgeon geschuldet ist, die losgelöst klingt, wahrscheinlich ohne das zu beabsichtigen. Sicherlich kein Easy Listening, aber ganz bestimmt ein lohnendes!
Mike Kamp

Afrika
 OUMOU SANGARÉ: Acoustic
OUMOU SANGARÉ
Acoustic
(No Format!)


Gelang ihr mit dem letzten Album Mogoya der Sprung in die europäische Popkultur, so handelt es sich nun um einen 180-Grad-Schwenk zurück zu den Anfängen. Acoustic wurde in nur zwei Tagen live eingespielt. Es gab keine Verstärker, keine zweiten Takes, keine Overdubs und keine Kopfhörer. So stellte sich im gemeinsamen Musizieren eine heutzutage sehr seltene emotionale Intensität ein. Um Oumou Sangarés dynamische Stimme, vom gut gelaunten Plauderton bis zum leidenschaftlich anklagenden Timbre, versammelten sich im selben Raum die Backing Vocals von Emma Lamadji und Kandy Guira, der Gitarrist Guimba Kouyaté sowie Brahima „Benogo“ Diakité an der Kamele Ngoni. Zu diesem Miniensemble stieß der Franzose Vincent Taurelle an Toy Organ und Celesta, der auf dem in einem afrikanischen Kontext entstandenen Akustikalbum ein wenig exotisch wirkt. Neben den Stücken aus Mogoya kamen noch zwei ältere Titel hinzu, „Saa Magni“ und „Diarabi Nene“, ein Song von Sangarés Debütalbum Moussolou und damals ein Skandal ob der sinnlichen Beschreibungen, die sie mit fünfzehn Jahren aufschrieb, als sie sich zum ersten Mal verliebte. Ein ehrliches, rundum gelungenes Retroalbum mit Tiefgang ohne großes Brimborium.
Christoph Schumacher



Nordamerika
 BEN BEDFORD: Portraits
BEN BEDFORD
Portraits
(Cavalier Recordings), mit engl. Texten


Auf dieser Kompilation seiner ersten drei, in Europa schwer erhältlichen Studioalben zeigt der Singer/Songwriter auf Illinois eindrucksvoll, dass er als Liedermacher eine Klasse für sich ist und 2018 nicht unverdient einer der Gewinner der New Folk Competition des renommierten Kerrville Folk Festivals war. Bedford sieht sich in der Tradition von Songschreibern wie Woody Guthrie und Bill Morrissey und orientiert sich literarisch an der „old soul“ seiner literarischen Idole wie John Steinbeck. Seine Songs sind Kurzgeschichten voll poetischer Bilder, die selbst Alltagsereignissen einen ganz besonderen Glanz abzugewinnen wissen. Jedes der zwölf Lieder auf dieser Zusammenstellung ist auf die ein oder andere Weise ein Porträt, von Personen, Orten oder Ereignissen. Bedfords kraftvoller und ausdrucksstarker Bariton wird in exzellente Arrangements eingebettet. Sein differenziertes Gitarrenpicking ist inspiriert von Bert Jansch und Davey Graham. Begleitet wird er mal folkig-sparsam von Chas Williams (g), David Spicher (b) und Kari Bedford (voc), mal langt er durchaus rockig zu mit E-Gitarre, Drums und Hammondorgel, während Dobro, Banjo und Akkordeon Countryfolk-Feeling heraufbeschwören.
Ulrich Joosten
 BARBARA BERGIN: Blood Red Moon
BARBARA BERGIN
Blood Red Moon
(Little White Hen Records)


„Ganz zauberhaft, die singende Orthopädin! Das Highlight in der Liste.“ Für diese Ausgabe habe ich alle von mir zu rezensierenden Alben in eine Spotify-Playlist gestellt und auf Facebook in meiner Musikcommunity ein Meinungsbild eingeholt. Dr. Bergin aus Austin, Texas, erwies sich beim Crowdrezensieren klar als Siegerin! Kein Wunder, denn Blood Red Moon kommt ebenso authentisch wie sympathisch und professionell rüber. Dafür sorgen neben der direkten Produktion von Jane Gillman u. a. Edelgitarrist Rich Brotherton und Gast Cathy Fink am Banjo. Das ist Country, der nicht ins Radio nach Nashville will, sondern heim auf die Farm nach Irland. Dazu Bluegrass, Gospel, Old-Time Folk, mit viel Mais, Kühen, Hühnern und Fischen, perfekt zusammengefasst im rockenden „My Life’s Good (Cuz I Don’t Live In The City)“. Auch bemerkenswert: Die feministische Songwriterin betont, dass das Album seine Entstehung vor allem Girl Guitar verdankt, einer Von-Frauen-für-Frauen-Musikschule in Austin. Ein vorbildliches Projekt also in vielerlei Hinsicht. Ihre sportmedizinische Praxis bekommt im Internet übrigens 4,7 Sterne von den Patienten. Dem schließe ich mich als Wertung für das Album voll an.
Martin Wimmer

 DION: Blues With Friends
DION
Blues With Friends
(KTBA Records)


Mit immerhin achtzig Lebensjahren, davon sechzig als professioneller Musiker, hat der Sänger Dion DiMucci aus der Bronx so einiges an musikalischen Stilen erlebt und teils auch mitgeprägt. Swing und Blues, Rock ’n’ Roll und Funk sind da einige große Stationen über die Jahrzehnte, und überall wurden Bekanntschaften gemacht und Freundschaften geschlossen. Auch wenn der Name Dion hierzulande fast unbekannt sein dürfte, so genießt er im heimischen Umfeld hohes Ansehen. Bob Dylan verfasste dann auch die Liner Notes zum Album, an sich schon ein Adelsschlag sondergleichen, und die Gästeliste spricht für sich. Die jüngere Generation ist mit den Gitarristen Joe Bonamassa und Samantha Fish vertreten, Slidegitarre aus Louisiana mit dem immer fantastischen Sonny Landreth, akustische Bluesgitarre mit Rory Block, die britische Fraktion mit Van Morrison und Jeff Beck. So atemberaubend die Auswahl der Musiker auch ist, eine Platte „mit Freunden“ kann auch schnell zur Materialschlacht im Sinne von „schneller, höher, weiter“ werden. Ist hier aber nicht der Fall, Dion singt entspannt, die Freunde spielen ihr jeweiliges Instrument virtuos und „songdienlich“. Sehr gekonnt und abwechslungsreich – und mal wieder ein Muss!
Achim Hennes
 HAWKTAIL: Formations
HAWKTAIL
Formations
(Padiddle Records)


Virtuosen müssen nicht zwangsläufig tolle Musiker sein. Letztlich kommt es darauf an, wie sich kunsthandwerkliches Können in Kreativität ausdrückt. Dieses Quartett besteht aus lauter Virtuosen, bekannt aus diversen Formationen der US-amerikanischen Akustikszene. Britanny Haas spielte Fiddle bei Crooked Still, Bassist Paul Kowert gehört zu den Punch Brothers um Ausnahmemandolinist Chris Thile. Dominick Leslie war samt Mandoline mit den Deadly Gentlemen unterwegs, und Gitarrist Jordan Tice hat Größen wie Tony Trischka unterstützt. Am Produzentenpult saß ein weiterer Punsch-Bruder, Chris Eldridge. In den Rocksiebzigern hätte eine solche Formation den Beinamen „Supergroup“ bekommen. Sieben Instrumentals müssen die hohen Erwartungen erfüllen, darunter eine Fremdkomposition. Die Songs klingen nicht derart avantgardistisch wie bei den Punch Brothers, sind aber auch weit entfernt vom Bluegrass. Das Quartett erzählt vor allem komplexe musikalische Geschichten mit wechselnden Stimmungen – von verträumt bis dschungelhaft verwoben. Kleine Melodien bieten Halt, die Songs pendeln zwischen Ausgelassenheit und Melancholie. Ein kreatives Album voller Ideen und Nuancen für weit offene Ohren.
Volker Dick

 PHIL OCHS: Live In Montreal, 10/22/66
PHIL OCHS
Live In Montreal, 10/22/66
(Rockbeat Records), Do-CD, mit engl. Info


Es gibt nur wenige Livealben von Phil Ochs, der im Dezember dieses Jahres achtzig geworden wäre. Dabei dürfte Live In Montreal mit Abstand das Beste sein, wie auch sein Archivar David Cohen sagt. Sowohl in Bezug auf die Klangqualität des Mitschnitts als auch in Bezug auf das Repertoire, das der Musiker bei diesem Auftritt präsentierte. Obwohl er sich nur auf seiner Gitarre begleitete, bekommt man beim Hören eine Vorstellung der zunehmend komplexeren Musik- und Textstrukturen, die ab Mitte der Sechzigerjahre Eingang auf seinen Studioalben fanden, u. a. bei Songs wie „Flower Lady“. Es war die Zeit, in der Ochs seiner beißenden Sozialkritik Persönliches hinzufügte wie beispielsweise bei „Doesn’t Lenny Live Here Anymore“. Die inhaltlichen Zutaten bestehen aus einer Mischung von Humor, Tragik, Zynismus und scharfer Beobachtung. Zusammengehalten wird das Ganze von dem Bestreben, mit seinen Songs eine von Würde und Gerechtigkeit geprägte menschliche Existenz zu zeigen. Das wird auch bei den Zwischenansagen des Singer/Songwriters deutlich. Michael Simmons bringt es in seinem Beitrag für das Booklet der so auf den Punkt: „Er hatte mit Brecht und Weill genauso viel gemeinsam wie mit Pete Seeger.“
Michael Kleff
 CARLA OLSON: Have Harmony, Will Travel 2
CARLA OLSON
Have Harmony, Will Travel 2
(Sunset Blvd Records)


Seit vierzig Jahren veröffentlicht die Songwriterin aus Texas mittlerweile Musik, mit ihrer Band The Textones, solo und nun – sieben Jahre nach dem erfolgreichen Vorgänger – zum zweiten Mal in Form eines Duett-Albums. Die Vision ist klar: Gram ist tot, Emmylou sucht sich elf neue Partner, Timothy B. Schmit von den Eagles, Terry Reid, I See Hawks in L. A., Stephen McCarthy von den Long Ryders und viele andere. Zusammen covern sie unbekannte Perlen von Stephen Stills bis John Stewart. Heraus kommt kalifornisch-sonniger Countryrock mit richtig gutem Twang und viel zwölfsaitiger Gitarre. Sieben Songs wurden 2019 aufgenommen, für den Rest griff sie viermal in die Raritätenkiste. Die älteste Aufnahme, mit Gene Clark von den Byrds, ist gar von 1987. Highlights? Das beschwingte „Shackles & Chains“ mit Vince Melouney von den Bee Gees an der Johnny-Cash-Gedächtnisgitarre. Weltbeste Americana in „Haunting Me“ mit Songwriter Jim Muske. Das byrdsige „Goodbye My Love“ mit Peter Noone von den Herman’s Hermits. Der Hammer aber ist „Honest As Daylight“, ein bläsergetriebener Schleicher mit Soullegende Percy Sledge, in dem Mick Taylor die Slide rausholt.
Martin Wimmer

 STEVE STRAUSS: A Very Thin Wire
STEVE STRAUSS
A Very Thin Wire
(Stockfisch), mit Texten u. Infos


Man weiß ja, was man zu erwarten hat, wenn man eine neue Stockfisch-CD auflegt. Doch es überrascht immer wieder, welch superben Klang der Northeimer Klangmagier und Labelchef Günter Pauler in seinem Studio einzufangen weiß. Der 55-jährige Singer/Songwriter Steve Strauss aus Binghamston (NY) weiß das auch, seit er vor 22 Jahren sein aufnahmetechnisch bahnbrechendes Debütalbum Powderhouse Road bei Pauler aufnahm. Wie die darauffolgenden beiden Alben ist auch das neue Album auf Super-Audio-CD dort erschienen. Und das Ergebnis: 51 Minuten audiophiler Hochgenuss, in denen die Instrumente in prachtvollen Arrangements so sauber und differenziert in einem Maximum an Dynamik erklingen, dass selbst feinste Details glasklar herausgearbeitet werden. Neben Strauss (voc, g) hören wir die übliche Stockfisch-Gang, Ian Melrose an diversen Gitarren sowie Low Whistle, hinzu kommen Hammondorgel, Bass, Drums, Percussion, Saxofon und mehr, gespielt u. a. von Beo Brockhausen und Heinz Lichius, während die US-amerikanische Sängerin Lea Morris Backing Vocals beisteuert. Strauss zelebriert seine intimen, emotionalen Alltagsgeschichten laid back mit gelegentlich angenehm angerautem Bariton. Ein formidables Folkalbum.
Ulrich Joosten
 STRIPMALL BALLADS: Distant
STRIPMALL BALLADS
Distant
(Freeloader Free Press)


Wenn einer ernst macht, mit dem Auto durch die USA reist, keine Highways nutzt und dort sein Banjo oder die Gitarre auspackt, wo sich Straßen kreuzen, dann kann er was erleben. Genau das hat der Sänger und Songschreiber Phillips Saylor Wisor getan. Unter dem Namen Stripmall Ballads veröffentlicht er seit Jahren Alben zwischen Folk, Country und Blues, atmosphärisch dicht und voller Geschichten. Von denen konnte er für Distant jede Menge sammeln – an eben jenen Crossroads, etwa die von Susan, die ihm ihre Lebensgeschichte erzählt, was er in den Opener der Platte gepackt hat. Charakterstudien, Impressionen vom Leben auf den Straßen, Szenen des Unterwegsseins, darum vor allem kreist Wisor. In der Regel fließen seine Stücke langsam daher, etwa der Zeitlupenwalzer „Juice And Sage“, süß wie Honig, mit wunderbarem Chorus. Eine komplette Band im Rücken, bleiben die Songs dennoch spartanisch instrumentiert. Keine augenfällige Virtuosität lenkt von den Inhalten ab. Stattdessen malen die Beteiligten Stimmungen, die wie Soundtracks zu den Texten wirken. Auf eine Uptempo-Nummer wartet man vergebens, eine dunkle, hallige Grundierung bleibt. Hinsetzen, hören und wirken lassen.
Volker Dick

Lateinamerika
 DIVERSE: Cadence Revolution: Disque Debs Vol. 2 (1973-1981)
DIVERSE
Cadence Revolution: Disque Debs Vol. 2 (1973-1981)
(Strut Records)


Die kreolische Cadence-Musik stammt aus Guadeloupe und Martinique und entwickelte sich in den Siebzigerjahren zu einer pankaribischen Tanzmusik, die bis nach Frankreich drang. Es ist eine fröhliche Musik mit hypnotisch treibenden Gitarren, melodischen Bläsersätzen und schmeichlerischen Bläsersoli. Auch mischt sich mal ein Akkordeon darunter. Im Cadence vermengen sich puerto-ricanischer Salsa, Calypso, Jazz, Reggae sowie kongolesischer Soukous mit den einheimischen Stilen Biguine, Quadrille und Gwo Ka. Ursprünglich kam der Cadence aus Haiti und wurde auf den französischen Inselkolonien als Kadenzrampa oder Méringue eingeführt, was zu einer größeren kulturellen Identität der Französischen Antillen führte. Bei uns kaum geläufig, wird man im Cadence eher Ähnlichkeiten zu bekannteren Stilen wie Zouk, Salsa oder dem Afropop jener Zeit heraushören. Die berühmtesten Bands waren Les Vikings, Super Combo oder die Typical Combo. Typisch sind die einzelnen Nummern aber nicht unbedingt, denn der Cadence entwickelte sich äußerst unterschiedlich. Manche Tracks kommen auch heute noch sehr animierend rüber. Ausgrabungen dieser Art sind ja seit langem in der Rare-Groove-Scene beliebt.
Hans-Jürgen Lenhart



International
 GUO GAN, ZOUMANA TERETA, RICHARD BOURREAU: Saba Sounds
GUO GAN, ZOUMANA TERETA, RICHARD BOURREAU
Saba Sounds
(Felmay Records), mit engl. Infos


Wir hören drei Geiger aus drei Kontinenten und ihre höchst unterschiedlichen Instrumente. Mit dabei sind der Chinese Guo Gan auf der zweisaitigen Spießgeige Erhu, Zoumana Tereta aus Mali auf der Soku, einer einsaitigen Geige mit einem mit Ziegenfell bespannten Kalabassenkorpus, sowie der Franzose Richard Bourreau, der eine handelsübliche viersaitige Violine bedient. Ergänzt wird das Trio zumeist durch Bass, Schlagzeug und diverse Percussiongeräte. Und obwohl Trio und Begleitmusiker so etwas wie einen Gruppensound anstreben, atmet jede Komposition doch den musikalischen Hintergrund ihres Schöpfers, also asiatische Pentatonik, afrikanische Rhythmik und europäische Klassik. Aufgenommen wurden die zwölf Stücke übrigens bereits im Dezember 2013. Leider verstarb Zoumana Tereta im Mai 2017. Zwei Jahre später wurden die Aufnahmen dann abgemischt und im laufenden Jahr veröffentlicht. Das mag angesichts der Schnelllebigkeit im Musikbusiness seltsam anmuten, aber, mal ehrlich: Gibt es einen schlüssigeren Nachweis für die Zeitlosigkeit traditioneller Musikformen?
Walter Bast
 ADABEI: Papilio
ADABEI
Papilio
(Eigenverlag)


Beim Album des ungewöhnlichen Regensburger Folkjazztrios stehen der warme Sound des Fagotts und die Blockflöte im Mittelpunkt – umrahmt von Akustikgitarre und Kontrabass. So hörte man Jazzklassiker wie „My Favorite Things“, Brahms’ „Ungarischer Tanz Nr. 5“ oder „Blind Mary“ von Turlough O’Carolan noch nie. Erfrischend: Die Musiker improvisieren viel auf der CD.
uh

 RASM ALMASHAN: Yemenia
RASM ALMASHAN
Yemenia
(Soliton)


Die 39-jährige Sängerin mit der ungewöhnlichen Biografie (in Polen geboren, im Jemen aufgewachsen, derzeit wieder in Polen lebend) hält auf ihrem Debütalbum ein eindringliches Plädoyer für Frieden, Toleranz und Respekt zwischen den Völkern. Und als Widmung an ihr großes Vorbild Ofra Haza covert sie deren 1988er-Hit „Im Nin’alu“. Atemberaubend.
wb
 ALTAMI: Die Füße zuerst
ALTAMI
Die Füße zuerst
(Eigenverlag)


Ein bisschen quäkig klingt so eine Schäferpfeife ja schon. Die Hannoveraner Band Altami setzt aber auch Gitarre, Mandoline, Geige, Bratsche und Gesang ein, um Alte Musik für moderne Balfolkies tanzbar zu machen. Ob es funktioniert, mögen diese entscheiden, aber man kann auch einfach nur zuhören und sich ins 18. Jahrhundert. zurückträumen. Wertvolle Infos im Beiheft.
mas

 ANAKRONOS: The Red Book Of Ossory
ANAKRONOS
The Red Book Of Ossory
(Heresy Records)


Hier ist eine hochinteressante neue irische Gruppe zu hören, die Mittelaltermusik mit Jazz und zeitgenössischen Elementen verbindet. Die Musiker um Bandgründerin Caitriona O’Leary nahmen sich die moralisierenden Gedichte des Bischofs von Ossory aus dem frühen 14. Jahrhundert. vor, unterlegten sie mit mittelalterlichen Melodien und schufen ein virtuoses, vielschichtiges Album. Aufgenommen live im Februar 2019 in der National Concert Hall in Dublin.
pp
 MARA ARANDA: Trobairitz
MARA ARANDA
Trobairitz
(Montesa)


Die fleißige Sängerin und Musikforscherin aus Valencia feiert ihr dreißigjähriges Bühnenjubiläum mit einer Liedsammlung von Troubadourinnen (Trobairitz) aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Diese kreierten zum Teil lieber anonym, um so besser ihrer musikalischen und erzählerischen Freiheit frönen zu können. Eine wie immer sorgfältige, auch optisch anmutige Arbeit mit viel Lesestoff.
kw

 AUĻI: Senču Balsis/Voices From The Ancestors
AUĻI
Senču Balsis/Voices From The Ancestors
(CPL-Music)


Ein Album, das der Kraft und Schönheit des traditionellen Männergesangs gewidmet ist. Das zehnköpfige lettische Dudelsack-Schlagzeug-Bass-Ensemble nimmt den Hörer mit auf eine Reise zu mongolischem Kehlkopfgesang, samischem Joik, österreichischem Jodler und lettischen Volksliedern. Dafür haben sich Auļi extra vier exzellente Sänger dieser Traditionen als Gäste eingeladen.
ep
 AUSTIN, EPREMIAN, WELLER: Written In The Night
AUSTIN, EPREMIAN, WELLER
Written In The Night
(Wonderland Records)


Der Sänger und Gitarrist Ray Austin zelebriert (mit angenehm angerauter Stimme) auf diesem Album seinen 77. Geburtstag und spielt mit dem Geiger und Gitarristen Johannes Epremian (Le Clou) und dem Studiomusiker Chris Weller an den Keyboards ein stimmungsvolles Folkalbum mit vielen wunderschönen Austin-Originalsongs ein, gewürzt durch ein, zwei Traditionals und Coversongs.
uj

 INGA BACHMANN: Das Aber der Dinge
INGA BACHMANN
Das Aber der Dinge
(Quixote)


Die Liedermacherin Inga Bachmann versucht auf ihrem neuen Album den Spagat zwischen sozialkritischen, persönlichen und humorvollen Liedern. Das gelingt mal besser und mal schlechter, die Texte rumpeln bisweilen, die Botschaft kommt aber an. Musikalisch bietet die Künstlerin gut hörbaren akustischen Folk mit leichten Popeinflüssen.
ce
 JUDITH BECKEDORF: Behind The Blue Sea
JUDITH BECKEDORF
Behind The Blue Sea
(Timezone)


Mit „Don’t Waste Your Time“ begrüßt die glockenhelle Stimme von Judith Beckedorf ihre Hörer. Aber gerade zum Zeitvertreib lädt das neue Album ein. Die englischsprachigen Folkpopsongs, begleitet auf der akustischen Gitarre, fordern auf, innezuhalten und einen Tee im geliebten Folkclub zu trinken. Ist nicht gerade das gut genutzte Zeit?
ce

 JAKE BLOUNT: Spider Tales
JAKE BLOUNT
Spider Tales
(Free Dirt Records)


Die Quellen sind schwarz, Künstler und Publikum oft weiß, wenn es um Country, Bluegrass und Old-Time geht. Dem setzt der Banjo- und Fiddlespieler Jake Blount seine Perspektive entgegen, die eines dunkelhäutigen Musikers mit seiner Auswahl urtümlicher Musik aus den Appalachen, virtuos, hypnotisch und mit tiefem Griff an die Wurzeln.
vd
 SUZIE CANDELL: Restless
SUZIE CANDELL
Restless
(Brambus Records)


Sehr netter Country altmodischer Machart von der Allgäuerin, die in Liechtenstein lebt und auf dem verlässlichen Schweizer Label (Richard Dobson, Jack Hardy …) gut zu Hause ist. Schon die Titel versprechen Whiskey, Guns und Party, dazu Rock ’n’ Roll und Blues, und das halten die zehn Songs dann auch. Gefühlvoll, lebhaft, gut.
mw

 CELEIGH CARDINAL: Stories From A Downtown Apartment
CELEIGH CARDINAL
Stories From A Downtown Apartment
(Eigenverlag)


Die Kanadierin Cardinal trägt ihre Songs mit beeindruckend mächtiger, leicht rauchiger Stimme vor. Passend dazu prägen Balladen das Gesamtbild dieses Albums. In ihrer Heimat gilt sie als große Hoffnung, was von der Qualität dieses Albums unterstrichen wird.
mf
 CUPFULL SWILL: Bloody Idiots
CUPFULL SWILL
Bloody Idiots
(Eigenverlag)


Hou, hey, hey, hou! Deftige Lieder des Duos Cupfull Swill, bestehend aus Andre Cremer und Merlin Knaps aus Aldenhoven zwischen Köln und Aachen, in Irish-Folk-Manier mit etwas Country und etwas Rock dabei. Die selbst geschriebenen, getragen gesungenen Lieder erzählen vom Leben, vom Whiskey und anderem. Alle Texte im Heft.
mas

 TOM DAUN: Die Harfe im Serail
TOM DAUN
Die Harfe im Serail
(Edition Harfenklang)


Tom Daun ist ein versierter Gitarrist und Harfenist mit den Schwerpunktregionen Irland und Südamerika. In einem Seminar des Oudspielers Yair Dalal beim Yiddish Summer in Weimar lernte er die arabische Musik näher kennen. Jetzt legt er ein Album mit östlicher klassischer und volkstümlicher sowie westlicher klassischer Harfenmusik vor, meist solo eingespielt.
ink
 DJIBY DIABATE: Pour Toi!
DJIBY DIABATE
Pour Toi!
(Eigenverlag)


Dieses Album, ein senegalesisch-deutsches Projekt, ist mit viel Herzblut entstanden. In den Liedern, zumeist Eigenkompositionen des Balafonvirtuosen Djiby Diabate, kommen afrikanische Lebensweisheiten zum Ausdruck. Das sehr umfangreiche viersprachige Booklet enthält persönliche Texte und Informationen zu den Stücken. Energiereiche Musik, die berührt.
cs

 DONAUWELLENREITER: Delta
DONAUWELLENREITER
Delta
(Aestate Records)


Vier bekannte Musiker aus der Wiener Szene surfen auf ihrem ganz eigenen Mix. Die Donauwellenreiter halten sich nicht mit Dialektgesang oder Folklore auf, sondern stellen sich auf ein neoklassizistisch dominiertes instrumentales Streichinstrumentenklangbrett. Da bleibt leider wenig Raum für die charismatische Sängerin Maria Craffonara. Zum Heulen.
jus
 EINAR FLAA: Worry Chord
EINAR FLAA
Worry Chord
(Grappa)


Wer Neil Youngs Folksongs aus der Harvest-Zeit hinterhertrauert, der findet hier Rettung. Einar Flaa spielt balladeske Americana in Reinkultur. Mit Westerngitarre und dezenter Begleitung wie Steel Guitar kopierende Synthies klingt das Ganze mehr nach „Sugar Mountain“ als Young selbst. Dieser Sound ist heutzutage selten, das macht dieses Album wertvoll.
ce

 ENSEMBLE NOISTEN: Klezmer Pastorale
ENSEMBLE NOISTEN
Klezmer Pastorale
(Eigenverlag)


Auf der Basis des Klezmers kombiniert das Quartett, bestehend aus Andreas Kneip (b), Reinald Noisten (cl), Claus Schmidt (g), und Shan-Devakuruparan (perc), prägende Elemente der Klezmermusik mit anderen Musikrichtungen wie Flamenco, tamilischer, türkischer Musik, Klassik, Jazz und weiteren Einflüssen und ist somit zumindest musikalisch in der ganzen Welt zu Hause. 
mg
 BEPPE GAMBETTA: Where The Wind Blows – Dove Tia O Vento
BEPPE GAMBETTA
Where The Wind Blows – Dove Tia O Vento
(Borealis Records)


Ein neues Album des gebürtigen Genuesers ist immer Anlass zu hohen Erwartungen, die er bislang nie enttäuscht hat. Akustische Gitarrenmusik, die der amerikanischen Folk- und Bluegrasstradition nähersteht als der italienischen Folklore. Elegant, leichtfüßig, Instrumentals und Songs wechseln einander ab, ein reich gedeckter musikalischer Tisch.
rb

 MICHAEL GRAEFE: Famous Last Notes
MICHAEL GRAEFE
Famous Last Notes
(Relax Records)


Gitarrenmusik mit starken Melodien. Der Gitarrist aus Elmshorn spielt auf seinen Steelstringgitarren sensible lyrische Balladen, melodiöse Fingerpickings oder richtig rockende Nummern. Das hervorragend klingende Album hat einen besonderen Charme. Viele Titel sind auf der zwölfsaitigen Gitarre eingespielt. Für Gitarrenfans eine Entdeckung!
uh
 JACK GRELLE: If Not Forever
JACK GRELLE
If Not Forever
(Eigenverlag)


Als bedächtig kann man den Klang von Jack Grelles Songs bezeichnen. Er hat Jahre auf Reisen verbracht und schildert in seiner Musik, was er dabei beobachtete und erlebte. Er ist ein „Rambler“ im altertümlichen Sinn des Wortes, eher in den Sechzigerjahren verankert und mit einem Hang zum „Funeral March“.
mf

 GRUPPA KARL-MARX-STADT: Magnitola
GRUPPA KARL-MARX-STADT
Magnitola
(Soulfire Artists)


Das Quintett aus Chemnitz hat sich in sieben Jahren auf Tour durch die Republik einen Namen als kraftvolle Liveband mit Bassbalalaika und knackigem Gebläse erspielt. Auch auf seinem dritten Album dreht es mit vielen Gastmusikern richtig auf, präsentiert partytaugliche Musik zwischen Balkan Brass und Russenrock à la Leningrad.
ink
 MATHIEU HAMON & SYLVAIN GIRAULT: La Ronde Joute Et Les Chants Vagabondent
MATHIEU HAMON & SYLVAIN GIRAULT
La Ronde Joute Et Les Chants Vagabondent
(À la Zim/Coop Breizh)


Ein neues Duo aus der Bretagne. Mathieu Hamon (Hamon-Martin-Quintet) und Sylvain Girault (Katé-Me) sind zwei bekannte und sehr gute Sänger. Als Duo singen sie dynamisch und gut gelaunt a cappella im Wechselgesang. Die elf Stücke sind zwar Fest-Noz-tanzbar, aber alle neu geschrieben.
chr

 HARRYCANE ORCHESTRA: Dark Makam
HARRYCANE ORCHESTRA
Dark Makam
(Galileo Music)


Von den englischsprachigen Songtiteln sollte man sich nicht täuschen lassen. Die sechsköpfige deutsch-türkisch-italienische Band um den Augsburger Schlagzeuger Harry Alt präsentiert auf ihrem zweiten Album orientalischen Folkjazz mit meditativen türkischen Texten. Alles sehr fluffig eingespielt, mit gelegentlichem dezentem Streichquartett.
ink
 ANDREW HAWKEY: Long Story Short
ANDREW HAWKEY
Long Story Short
(Mole Lodge Records)


Zweites Soloalbum des 77-jährigen Singers/Songwriters aus Wales, der jedoch schon seit den Achtzigern musikalisch unterwegs ist. Die persönlichen und umweltpolitischen Songs (plus zwei Cover) weisen leichte Americanaeinflüsse auf. Angenehme und trotzdem markante Stimme. Gut!
mk

 HAZAR: Reincarnated
HAZAR
Reincarnated
(RecordJet)


Der „Paganini der Saz“ widmet sich auf dem vorliegenden Album überraschenderweise der akustischen Gitarre, da er auf der Saz „nichts mehr zu sagen habe“. Und legt los, als wär es schon immer sein Instrument gewesen. Die musikalische Fahrtrichtung ist up-tempo Latin-Fusion-Jazz, und wer die Duoversion von „Spain“ mit Al Di Meola hört, weiß wo der Hammer hängt.
rb
 HUNGARIAN FOLKEMBASSY & FRIENDS: Báthory-Balassi-Bem Balatonboglár
HUNGARIAN FOLKEMBASSY & FRIENDS
Báthory-Balassi-Bem Balatonboglár
(Fonó)


Die vom preisgekrönten Violinisten Mihály Rosonczy-Kovács angeführte Hungarian FolkEmbassy hat sich mit dem auf frühe Musik spezialisierten polnischen Ensemble Musica Profana sowie weiteren berühmten Künstlern beider Länder zusammengetan. Das Ergebnis sind exzellent eingespielte Volkslieder sowie alte Musik aus beiden Kulturen, die besondere Ereignisse der tausendjährigen Verbundenheit feiern.
ep

 JAMAICA JOHNNY & HIS MILAGRO BOYS: Trinidad, The Land Of Calypso
JAMAICA JOHNNY & HIS MILAGRO BOYS
Trinidad, The Land Of Calypso
(Bear Family Records)


In den späten Fünfzigern stand man in Europa auf Calypso. Cornelis Liefeld alias Jamaica Johnny war einer der Musiker, die diesen Hype 1957 bis 1962 in den Niederlanden befeuerten. Man merkt sein gutes Showtalent, und er mischte auch andere Stile bei. Der Musiker war nie in Trinidad oder Jamaika, sondern stammt aus Surinam, was aber damals egal war.
hjl
 JMO – JAN GALEGA BRÖNNIMANN, MOUSSA CISSOKHO, OMRI HASON: Dandoula Tala
JMO – JAN GALEGA BRÖNNIMANN, MOUSSA CISSOKHO, OMRI HASON
Dandoula Tala
(CPL-Musik)


Mit ihrem zweiten Album überschreitet das Trio Grenzen zwischen traditionellen und modernen Klängen aus Afrika, Europa und dem Orient. Das Aufeinandertreffen der drei Kulturen sowie die Auswahl der Instrumente und der Fundus an Melodien und Rhythmen ergeben eine spezielle Jazz-Weltmusik-Mischung ohne Grenzen, so der Titel Dandoula Tala in Mandinka.
cs

 MAIMU JÖGEDA: The One About …
MAIMU JÖGEDA
The One About …
(Eigenverlag)


Ein Album, ein Instrument. Kommt da nicht Langeweile auf? Nicht bei der preisgekrönten estnischen Akkordeonistin. Es ist bereits das zweite Album der in Klassik, Jazz und Folk studierten Nachwuchsmusikerin. Ihre neun Eigenkompositionen und drei arrangierten traditionellen Dudelsackmelodien sind voller Abwechslung, Tiefgang und bezaubernder Klangmalereien.
ep
 MICHAEL JOHNATHON: Legacy
MICHAEL JOHNATHON
Legacy
(Poet Man Records)


Das sehr gelungene achtminütige Titelstück auf dem achtzehnten Album des Singers/Songwriters ist eine einzige Hommage an Don McLean, Bob Dylan, Pete Seeger und andere Kollegen. Tolle warme Stimme zu Gitarre, Banjo und Dulcimer sowie eine ganze Horde gut aufgelegter Studiomusiker ergeben eine äußerst gelungene Americana-CD mit ansprechenden Arrangements.
uj

 JOLA: Hidden Gnawa Music In Brussels
JOLA
Hidden Gnawa Music In Brussels
(MuziekPublique)


Brüssel gilt als „Hauptstadt der Gnawamusik in Europa“. Vor rund zwanzig Jahren formierte sich hier das vielköpfige Ensemble Jola, dessen Name übertragen „Rundreise“ bedeutet. Das Album wurde von siebzehn Musiker- und Sänger/-innen aus verschiedenen Regionen Marokkos eingespielt, mit Langhalslauten und diversen Trommeln. Sehr traditionell und um Authentizität bemüht.
rs
 MARIA KALANIEMI & EERO GRUNDSTRÖM: Mielo
MARIA KALANIEMI & EERO GRUNDSTRÖM
Mielo
(Åkerö Records)


Neue finnische Folkmusik aus dem Hier und Jetzt. Die Akkordeonistin und der Harmoniumspieler schufen eine ganz individuelle Instrumentalmusik. Das Album ist eine musikalische Reise, eine wortlose Erzählung über das Wachsen innerer Flügel. Die selbst komponierten Stücke verzaubern durch ihre mystische, verträumte und hypnotisierende Schönheit.
uh

 AMJAD ALI KHAN, SHARON ISBIN, AMAAN ALI BANGASH, AYAAN ALI BANGASH: Strings For Peace
AMJAD ALI KHAN, SHARON ISBIN, AMAAN ALI BANGASH, AYAAN ALI BANGASH
Strings For Peace
(Zoho)


Das indische Saiteninstrument Sarod und die westliche Gitarre haben Ähnlichkeiten, die nicht gleich ins Auge fallen. Schon der kürzlich verstorbene Klassikgitarrist Julian Bream hat in den Sechzigern den Dialog mit Sarodlegende Ali Akbar Khan gesucht. Eine würdige, meisterliche Fortsetzung dieses besonderen Ost-West-Dialogs findet sich auf Strings For Peace.
rb
 SI KAHN: Best Of The Rest
SI KAHN
Best Of The Rest
(Strictly Country Records)


Ob Rosanne Cash oder Kathy Mattea, viele Kolleginnen und Kollegen schenken ihre Zuneigung dem US-amerikanischen Singer/Songwriter. Zu Si Kahns 75. Geburtstag ist eine Fünf-CD-Box mit seinen zwischen 1993 und 2013 in Europa aufgenommenen Stücken erschienen. Dieses Album bietet eine Auswahl daraus, je vier Songs von jeder CD. Für die Lust auf mehr.
vd

 SYLVIA KIRCHHERR: Ja dranbleiben
SYLVIA KIRCHHERR
Ja dranbleiben
(Eigenverlag)


Eingängige Songs über das Lebendigssein, vorgetragen mit einer ausdrucksstarken Stimme. Die bayerische Liedermacherin hat ein sehr schön produziertes Akustikalbum vorgelegt, auf dem sie sich an der Gitarre oder auch mal am Hang begleitet. Dabei singt sie auf Deutsch, Spanisch oder in ihrer eigenen Sprache und sie jodelt. Gut gemachter Folk, der zum Träumen einlädt.
ep
 NICOLAI KOEPPEL: Auf dem Dachboden der Tatsachen
NICOLAI KOEPPEL
Auf dem Dachboden der Tatsachen
(Eigenverlag)


Positive Thinking ist nicht gerade eine Erfindung dieses Wahlheilbronners. Seine thematisch und musikalisch abwechslungsreichen Liedergeschichten könnten so nett sein, haben aber alle ihre Widerhaken. Gerade in Liebesdinge und andere Zwischenmenschlichkeiten träufelt er gekonnt das süße Gift seiner Boshaftigkeiten, dass man seine Freude daran hat.
rk

 LARKIN POE: Self Made Man
LARKIN POE
Self Made Man
(Tricki Woo Records)


Kreischende E-Gitarren, aggressiver Südstaatenrock, knallharter Gospel. Die Lovell-Schwestern produzierten sich wieder selbst und hauten dabei ordentlich auf die Pauke, auch im einzigen Coversong, Willie Johnsons „God Moves On The Water“. Erst der Closer „Easy Street“ lässt es zwar keine Spur ruhiger, aber deutlich besser gelaunt angehen.
mw
 L’ATTIRAIL: Footsteps In The Snow
L’ATTIRAIL
Footsteps In The Snow
(Les Chantiers Sonores)


Folk als Filmmusik ohne Film, das ist seit 25 Jahren das Konzept von Xavier Demerliac und seinem Projekt L’Attirail. Auf dem fünfzehnten Album gibt es wieder verspielte akustische Musik, „inspiriert von weiten, offenen Räumen“. Großartig wie immer. Diesmal hat der algerische Sänger Hocine Boukella (alias Sidi Bemol) einige Gesangsstücke beigesteuert.
chr

 CHRIS LAUFFS: Adrenalin
CHRIS LAUFFS
Adrenalin
(Timezone)


Bereits 2019 erschien mit Adrenalin das neue Album des deutschen Singers/Songwriters Chris Lauffs. Schon seit Ende der Sechziger als Musiker unterwegs, mischt der Künstler die Tradition amerikanischer Folksongs mit deutschen Liedermacherelementen eines Reinhard Mey oder Hannes Wader. Die deutschen Texte sind persönlich und warmherzig.
ce
 LIGA LATINA: Liga Latina
LIGA LATINA
Liga Latina
(Multination Records)


Eins der überzeugendsten und mitreißendsten Latinalben der vergangenen Monate kommt, man höre und staune, aus dem hohen Norden. Kubanische Klänge, wie sie originaler kaum klingen können. Der Frontman der dänischen Mariachiband The Sexican schart eine ausgesuchte Crew an Solisten um sich und frönt dem Buena Vista Way of Sound and Life.
rb

 SHURA LIPOVSKY & ENSEMBLE NOVAYA SHIRA: Malakh
SHURA LIPOVSKY & ENSEMBLE NOVAYA SHIRA
Malakh
(CUP 8068)


Noch ein fantastisches Shura-Lipovsky-Album aus den Niederlanden, das jeden Freund des jiddischen Liedes begeistern sollte. Überzeugend die Arrangements des Ensembles mit Peter van Os (acc), Paul Prennen (p), Maalke Roelofs (vc) und Bert Vos (v), darunter Traditionelles wie Eigenkompositionen, die jiddischen Texte im Beiheft zum Mitlesen (mit Übersetzungen). 
mg
 SARO LYNCH-THOMASON & SAM GLEAVES: I Have Known Women – Songs By Si Kahn Celebrating Women’s Lives And Struggles
SARO LYNCH-THOMASON & SAM GLEAVES
I Have Known Women – Songs By Si Kahn Celebrating Women’s Lives And Struggles
(Strictly Country Records)


Es geht um Frauen, genauer gesagt um Frauen, die für ihre Rechte kämpfen. Geschrieben hat die Songs allerdings ein Mann, Si Kahn. Das Duo Lynch-Thomason/Gleaves interpretiert die Stücke des US-amerikanischen Musikers und Bürgerrechtlers geschmack- und würdevoll, einige bislang unveröffentlichte sind dabei. Starke Sängerin, starke Instrumentalisten.
vd

 MASTERS OF FRAME DRUMS: Elements
MASTERS OF FRAME DRUMS
Elements
(Seyir Muzik)


Zohar Fresco aus Israel, Murat Coşkun aus der Türkei, Andrea Piccioni aus Italien und Glen Velez aus den USA sind die Meister der Rahmentrommeln. So unterschiedlich die meist archaischen Klänge auf diesem Album sind, eint sie doch eine unglaubliche Präzision und Virtuosität auch im Zusammenspiel. Hörenswerte Weltmusik eher für Rhythmusspezialisten.
cs
 TIM McMILLAN & RACHEL SNOW: Reveries
TIM McMILLAN & RACHEL SNOW
Reveries
(T3 Records)


Ausnahmegitarrist trifft auf klassisch ausgebildete Violinistin. Die beiden australischen Künstler malen live aufgenommene, luftig-leichte Klanggemälde von bestechender Schönheit, nuanciert, überraschend, zart und verträumt, aber auch zupackend wild. Mystische Texte, fragil gesungen von zwei ätherischen Stimmen, entfalten einen magischen Sog. Man möchte, dass diese Musik nie aufhört.
uj

 LUC McNALLY: Night Off
LUC McNALLY
Night Off
(Eigenverlag)


Der in Schottland begehrte nordenglische Teamplayer, Begleitmusiker und Saitenfachmann hat kurz vor dem Corona-Lockdown noch sein erstes Solowerk vorgelegt. Er ist mit fünf Kollegen ins Studio gegangen und hat drei Instrumentals (meist selbst komponiert) und fünf Coversongs (dreimal amerikanisch, zweimal schottisch) eingespielt. Grundstimmung herbstlich.
mk
 MEADOW CREEK: Pieces Of Driftwood
MEADOW CREEK
Pieces Of Driftwood
(Paraply Records)


Countrybewährter Folk eines schwedischen Ehepaars, im eigenen Studio stilecht aufgenommen. Die authentisch klingenden Songs sind unaufdringlich arrangiert und zaubern eine heimelige Atmosphäre, wie das Kaminfeuer in einer Blockhütte im schneebedeckten Wald.
mf

 Moonlight: Benjamin Simido
Moonlight
Benjamin Simido
(Ma Case Prod)


Von Musik aus Haiti erwartet man bestimmt andere Klänge als die der haitianischen Sängerin Moonlight Benjamin. Zu ihrer dunklen Stimme hat sie sich eine energetische Rockband gesucht, wodurch man ihre traditionellen Wurzeln erst im zweiten Anlauf wahrnimmt. Aber wenn haitianische Musik Aufmerksamkeit erregen will, muss man halt mal klotzen.
hjl
 LAURA MORGENSTERN: Trotzdem lieben
LAURA MORGENSTERN
Trotzdem lieben
(Eigenverlag)


Begleitet von Dieter Halbach (g) und einer Vielzahl von Studiomusikern präsentiert Laura Büning alias Morgenstern Liebeslieder aus dem Ghetto, über Flucht und Exil – Vertonungen von Gedichten, meist in Konzentrationslagern entstanden. Gedichte, die nicht für den eigenen Ruhm geschrieben wurden, sondern als Botschaft der Trauer, aber auch der Hoffnung galten. 
mg

 ELIAS NARDI, DANIELE Di BONAVENTURA, ARES TAVOLAZZI: Ghimel
ELIAS NARDI, DANIELE Di BONAVENTURA, ARES TAVOLAZZI
Ghimel
(Visage Music)


Ghimel ist der dritte Buchstabe im phönizischen und hebräischen Alphabet und steht für Leben, Universum und Evolution. Das italienische Trio (Oud, Bandoneon und Bass) hat unter diesem Titel neun sehr melodische Stücke, vornehmlich Eigenkompositionen eingespielt. Die klingen mal nach Orient, mal eher nach Argentinien.
ink
 DANIEL NESTLERODE: Windrush
DANIEL NESTLERODE
Windrush
(Clunk & Rattle Records)


Der aus den USA stammende, lange in Großbritannien und nun in Frankreich lebende exzellente Mandolinist, Songwriter und Sänger mit toller Stimme verarbeitet musikalische Einflüsse dieser Lebensstationen in sehr gelungenen biografischen Songs, stilistisch in einer Mixtur aus Bluegrass, Country, Rock und Folk, gespielt auf teils ungewöhnlichen Instrumenten wie Dulcitone und Marxofon.
uj

 COCO O’CONNOR: When I Was Your World
COCO O’CONNOR
When I Was Your World
(Bonfire Music)


Sehr reifes zweites Album dieser starken Stimme aus Alabama. Produziert als anspruchsvoller Songwriter-Country-Folk von Profis in Nashville. Fans von Rosanne Cash oder Mary Chapin Carpenter finden hier guten Stoff.
mw
 ONIPA: We No Be Machine
ONIPA
We No Be Machine
(Strut Records)


Eine Art Musikhörspiel, das den Parforceritt des Quartetts um Frontmann K. O. G. (Kweku of Ghana) und Gitarrist Tom Excell durch alle möglichen Afropopstile (u. a. Highlife, Soukous, Afrobeat) plus Rap und Rock, den es in seinen Liveshows zelebriert, natürlich nur bedingt wiedergeben kann. Elektronisch aufgemotzt, extrem tanzbar, einfach atemberaubend!
rs

 ORANGE: Ancient Trance – Live
ORANGE
Ancient Trance – Live
(36music)


Kann man mit Didgeridoo, Kehlkopfgesang, Congas, Djembe, Schlagzeug, Percussion und einem eher sparsamen Synthieeinsatz auf dem Ancient-Trance-Festival 2019 in Leipzig die Massen bewegen? Ja, „man“ vielleicht nicht, aber das Quintett um Sänger Rainer von Vielen schaffte das mit links. Den Beweis gibt es auf diesem Album. Nix für Bewegungslegastheniker …
wb
 ORCHESTRE SUPER MOTH: The World At Sixes And Sevens EP+
ORCHESTRE SUPER MOTH
The World At Sixes And Sevens EP+
(Ghosts From The Basement)


Dieses Orchester gab es in den Achtzigern, und dann wurde es 2004 bis 2006 wiederbelebt. English Dance Music trifft auf Weltmusik – und zwar voll auf die Zwölf und immer tanzbar. Die sechs Tracks auf dieser EP sind drei Studioaufnahmen, die es bereits auf CD gibt, sowie ein Remix, ein Radio Mix und ein Livemitschnitt. Macht immer noch viel Spaß.
mk

 PATATRAS!: Schneewittchen und … die siebte Zwergin
PATATRAS!
Schneewittchen und … die siebte Zwergin
(Liekedeler Musikproduktion)


Wie schaffen es zwei Frauen aus Münster mit Geige und Akkordeon, so zu klingen, als seien sie zumindest ein Kammerorchester? Ganz feine Instrumentalmusik zum Dahinschmelzen! Traditionelle Tänze oder solche von Christoph Pelgen und anderen, und zwischendurch auch Filmmelodien, begeistern sicher auch Balfolkies, aber auf jeden Fall den Rezensenten.
mas
 G. F. PATRICK: One Town Over
G. F. PATRICK
One Town Over
(Need To Know Music)


Kommt als eher countryesker Schlager, geht aber als aus der Zeit gefallene sehnsuchtsvolle Americana. Der Songwriter aus Philadelphia gibt Junkies, Flüchtlingen, Säufern, Krebskranken, Träumern eine Stimme. Gewinnt mit jedem Wiederhören.
mw

 GRANT PEEPLES: Bad Wife
GRANT PEEPLES
Bad Wife
(Continental Song City)


Ein reines Coveralbum liegt hier vor, allerdings mit der Spezialität, dass Grant Peeples ausschließlich Songs von Frauen interpretiert, mit denen er in den vergangenen zwanzig Jahren musikalisch gearbeitet hat. Eliza Gilkyson und Dayna Kurz finden sich unter diesen Autorinnen, aber auch weniger bekannte, deren große künstlerische Qualität Peeples durch seine Interpretationen unterstreicht.
mf
 PENGETÖS TRIÓ: Este Nálunk
PENGETÖS TRIÓ
Este Nálunk
(Fonó)


Das ungarische Ensemble vereint drei Instrumente, die so nie zusammengekommen wären – die Zither aus den Karpaten, die Kurzhalslaute Koboz aus Moldawien sowie der Bukowina und die Tambura aus südslawischen Regionen. Die drei exzellenten Musiker kreieren einen ganz neuen Klang, in dem ihre Instrumente ihren ureigenen Charakter bewahren.
ep

 PIRAINEN, BLOM, COMPANY: Matka – The Path
PIRAINEN, BLOM, COMPANY
Matka – The Path
(Bafe’s Factory)


Der finnische Gitarrist J-P Piirainen hat sich nach Soloexkursionen mit der Sängerin und Beatboxerin Venla Ilona Blom vom äußerst erfolgreichen Vokalquartett Tuuletar zusammengetan. Herausgekommen ist eine schillernde Melange aus modernen Beats, traditionellen folkloristischen Melodiebögen, exquisiter Akustikgitarre und einer nahezu rockigen Herangehensweise.
rb
 GERHARD POLT UND DIE WELL-BRÜDER: 40 Jahre
GERHARD POLT UND DIE WELL-BRÜDER
40 Jahre
(Jochens kleine Plattenfirma)


Gerhard Polt, immer noch der Großmeister des gesprochenen Kabaretts, und das subversive Well-Brüder-Trio Stofferl, Michael und Karli (als Großmeister des bajuwarischen Musikkabaretts) feiern mit diesem Album vierzig Jahre Bühnenpartnerschaft und versammeln aktuelle Nummern, Lieder und Stücke sowie echte Klassiker aus dieser Zeit. Bei drei Stücken haben die Freunde von den Toten Hosen Gastauftritte.
uj

 PRINZESSIN & REBELL: Boomende Stadt
PRINZESSIN & REBELL
Boomende Stadt
(Sturm & Klang)


In der Liedermachertradition der Siebziger veröffentlicht das Münchner Duo ein musikalisch herrlich altmodisches Album mit aktuellen Texten. Drehleier, Geige und Gitarre treffen auf deutsche Songs, die auch auf ein Zupfgeigenhansel-Album gepasst hätten. Sängerin Kränzlein würzt die CD ein wenig mit mittelalterlicher Stimmung in Schandmaul-Tradition, Sänger Kirner ergänzt mit Wecker und Degenhardt.
ce
 THE REVELERS: At The End Of The River – Au Bout De La Rivière
THE REVELERS
At The End Of The River – Au Bout De La Rivière
(Eigenverlag)


Vom ersten Ton an liefert das Sextett aus Lafayette, Louisiana, einen mitreißenden und energievollen Stilmix, der all die Dinge vereint, die Spaß machen: Cajun, Zydeco, alter Rock ’n’ Roll, Country, immer wieder in neuen Kombinationen, sodass die Spannung nie nachlässt. Also geht’s von einer musikalischen Überraschung zur nächsten. Freude!
vd

 RICARDO RIBEIRO: Respeitosa Mente
RICARDO RIBEIRO
Respeitosa Mente
(Warner Music)


Einer der herausragenden jüngeren Fadosänger schaut auf seinem sechsten Album nicht zum ersten Mal über den Tellerrand seiner Tradition. Sein exzellenter, seelenvoller Gesang kommt nicht fado-unorthodox, aber doch leichtfüßiger daher, gebettet auf jazzig-balladeskeren Arrangements, die im intimen portugiesisch-US-amerikanischen Trioverbund intoniert werden.
kw
 DEBORAH ROSE: The Shining Pathway
DEBORAH ROSE
The Shining Pathway
(Eigenverlag)


In einer gerechten Welt müsste die Singer/Songwriterin aus Wales ein großer Star sein. Vielleicht klappt es mit Album Nummer drei. Wie gewohnt tiefe Gefühle, emotionaler Gesang und sorgfältig gefertigte Lieder auf dem Punkt, aber diesmal produziert von Ben Walsh, der den Songs eine sehr zeitgenössische, ansprechende Note gibt. Ein kleines, sanftes Juwel.
mk

 SAINT GALLUS CONVENTION TAPES: Files Vol. 1
SAINT GALLUS CONVENTION TAPES
Files Vol. 1
(Wonderlamp Records)


Willie Dixon, Howlin’ Wolf oder Elmore James heißen die Songautoren, die Joe Black mit seinen Saint Gallus Convention Tapes neu und durchaus zeitgemäß interpretiert. Elektrischer Rhythm and Blues, der sich gerne in langen Instrumentalpassagen verliert und dabei transzendente Sphären erobert.
mf
 CINA SAMUELSON: Sing With Your Heart And Soul
CINA SAMUELSON
Sing With Your Heart And Soul
(Cool Country Music)


Eine Honky-Tonk-Seele hat Cina Samuelson, die sicher jede Hinterwäldlerkneipe zum Toben bringt. Der Klang der Pedal Steel verziert beinahe jeden der zehn Songs auf diesem Album, und Samuelson singt gekonnt und unverfälscht mit Herz und Seele.
mf

 AMPARO SÁNCHEZ B. S. O.: La Niña Y El Lobo Vol. 1
AMPARO SÁNCHEZ B. S. O.
La Niña Y El Lobo Vol. 1
(Mamita Records)


Auf dem vierten Soloalbum nordet sich die einstige Mestizo-Frontfrau in der Mitte ihrer zwei Hauptlieben ein. Die Musiken Mexikos und Kubas (u. a. Bolero) manövriert die Andalusierin deutlich gen Flamenco. Fast alle sind Coversongs, von mehr oder weniger eigenem Duktus, alle assoziiert mit ihrer zum Teil leidvollen Vita, die im gleichnamigen Buch notiert ist.
kw
 SCHNAFTL UFFTSCHIK: God Brass You
SCHNAFTL UFFTSCHIK
God Brass You
(Conträr)


Die Blechmischmaschine hat wieder zugeschlagen! Egal, was man oben hineinsteckt, ob Beethovens „Für Elise“, Desmonds „Take Five“, Zuccalmaglios „Kein schöner Land“, Stevie Wonders „Part-Time Lover“ oder Tschaikowskys „Schwanensee“ – heraus kommt immer was mit Blech. Gut, manchmal auch was mit Klarinette, Akkordeon oder Schlagzeug. Aber immer mit viel, viel Spaß!
wb

 SCHÜLLER: Danke. Schade.
SCHÜLLER
Danke. Schade.
(DerMenschistGut Musik)


Die siebte CD des Leipzigers Ralph Schüller als Doppelalbum: „Gemaltes und Gezeichnetes in 18 Liedern“. Kleine bildhafte Alltagsgeschichten zwischen Hinterhof, Waldrand und Bahnhof, manchmal augenzwinkernd oder auch nachdenklich. Bemerkenswert die vierzehnköpfige (!) Studioband mit Akkordeon und Bläsern – feiner akustischer Liedfolkrock.
rps
 SEN SVAJA: Kraitis Iš Pelkės – Dowry From A Swamp
SEN SVAJA
Kraitis Iš Pelkės – Dowry From A Swamp
(CPL-Music)


Traditionelle und neue Lieder über die Freuden und das Leid der Liebe. Das weibliche Trio aus Litauen präsentiert die zehn Stücke aus seiner eigenen Heimat, Mazedonien, Serbien, Norwegen, der Türkei und England in ganz individuellen Arrangements. Ein emotionales Album, das von dem wunderbaren Harmoniegesang – oft sogar a cappella – der Musikerinnen getragen wird. Hörenswert.
ep

 ROBERT SEVERIN: Postcard From Budapest
ROBERT SEVERIN
Postcard From Budapest
(Eigenverlag)


Spätes Debüt eines in Schottland ansässigen Singer/Songwriters mit starken Verbindungen nach Ungarn. Die entsprechenden Wurzeln spiegeln sich nicht nur im Titelsong. Ruhige Songs über ernste und oft sehr persönliche Themen, begleitet von Gitarre, Klarinette und dem schottischen Folkstreichquartett Innotet.
mk
 STEW SIMPSON Milk: Man Son
STEW SIMPSON Milk
Man Son
(Whap Music)


Der Frontmann der Folkrocker von Hadrian’s Wall geht solo – und wie! Zwei Gedichte, A-cappella-Songs und eigene Lieder zur meist zurückhaltend gespielten Akustikgitarre. Die Power kommt aus der Stimme, egal ob sehr laut oder sehr leise. Simpson ist stolzer Geordie aus dem englischen Nordosten. Da hätte der Abdruck der Texte oft beim Verständnis geholfen.
mk

 SALVADOR SOBRAL: Alma Nuestra
SALVADOR SOBRAL
Alma Nuestra
(Warner Music)


Der Lissaboner ESC-Gewinner der anderen Art und Sprachenfan frönt hier mit drei Jazzern der Liebe zum Bolero. Mit seiner improvisationsfreudigen, expressiven Interpretation alter Klassiker knüpft er quasi an die schon ab den Vierzigern in Havanna geschmiedete Allianz namens „Filin“ zwischen Jazz und dieser kuba- und mexikostämmigen Liedform an.
kw
 BALTHASAR STREIFF & YANNICK WEY: Büchelbox
BALTHASAR STREIFF & YANNICK WEY
Büchelbox
(Zytglogge)


Der Büchel ist mit seiner Länge von neunzig Zentimetern ein kleiner Bruder des Alphorns. Seine Tonskala entspricht der sogenannten Naturtonreihe, sie ermöglicht Töne außerhalb der chromatischen Tonleiter. Das Schweizer Duo spielt neben archaisch anmutenden Kuhreihen Hirtensignale aus Thüringen und Werke des italienischen Barockmusikers Bartolomeo Bismantova.
mst

 SVÄNG: Vänner
SVÄNG
Vänner
(Eigenverlag)


Svensk folkmusik från Tyskland. Es handelt sich nicht um das gleichnamige finnische Mundharmonikaquartett, sondern um ein Trio aus Regensburg, das auf Nyckelharpa, Cello, Mandoline, Bhodhrán, Percussion sowie mit Gastmusikern feine, schwungvolle traditionelle und selbst gemachte schwedische Musik spielt. Första klass!
mas
 SVJATA VATRA: Maailm, Sa Muutud/Svit, Ty Minjaeschsja – World, You Are Changing
SVJATA VATRA
Maailm, Sa Muutud/Svit, Ty Minjaeschsja – World, You Are Changing
(Nordic Notes)


Balkanfolk trifft auf Rock, Posaune auf Dudelsack, Ballade auf Punk. Das Album ist eine Hommage an die estnisch-ukrainische Freundschaft. In den nur sieben Stücken der Band um Leadsänger Ruslan Trochynskyi brilliert nicht nur seine Tochter Rute mit glockenartiger Stimme, sondern auch der von Großmüttern gegründete Žurba-Chor sowie der Meister des tuwinischen Kehlkopfgesangs, Radik Tjuljusch.
ep

 THREE FOR SILVER: Red Moon
THREE FOR SILVER
Red Moon
(Eigenverlag)


Kaputter Zirkusblues à la Captain Beefheart? Tom Waits in der Folterkammer? Einstürzende Neubauten go Goth Folk? Die Wiederauferstehung des Rockabilly Monsters? Ein Cover des zeitlosen griechischen Rembetika-Klassikers „Warum ich Kokain rauche“ von 1934 verwundert da auch nicht mehr. Sieben komplett irre Kunststücke, nur für starke Nerven.
mw
 TIM TIEBEL & DIE TIERE DER EINSAMKEIT: Die Party ist so ziemlich vorüber
TIM TIEBEL & DIE TIERE DER EINSAMKEIT
Die Party ist so ziemlich vorüber
(Lonely Rabbit)


Vier junge Berliner machen zehn Lieder mit neuen deutschen Texten und altmodischen Anleihen bei Folklore, Literatur und Theater. Man kann ein wenig Element of Crime heraushören, Klezmer, Degenhardt und Brecht und Bier. Oder doch Schnaps? Aber nein, es ist doch ganz eigen. Mundharmonika und Geige geben die spezielle Würze.
is

 UNCLE BARD & THE DIRTY BASTARDS: The Men Beyond The Glass
UNCLE BARD & THE DIRTY BASTARDS
The Men Beyond The Glass
(CarefulNow! Records)


Als „Adoptivkinder Irlands“ bezeichnen sich die sechs italienischen Musiker, die in bester Pogues-Manier ein durchaus respektables, abwechslungsreiches Album folkrockiger Partymusik aufgenommen haben. Sie balancieren das Sauf- und Rauf-Genre mit schönen Uilleann Pipes und MacGowan-verdächtigem Gesang nuancenreich mit hörenswerten Lyrics und Melodien sehr kreativ auf neuem Level aus.
js
 MAHSA VAHDAT: Enlighten The Night
MAHSA VAHDAT
Enlighten The Night
(Kirkelig Kulturverksted)


Neues Soloalbum der iranischen Sängerin. Die Aufnahmen entstanden bereits 2018, fünf Monate vor der Kollaboration mit Schwester Marjan und dem Kronos Quartet. Wie gewohnt vertont Frau Vahdat zusammen mit ihrem Ehemann/Arrangeur Atabak Elyasi klassische und zeitgenössische Texte, die sie mit ausdrucksstarker Stimme vorträgt. Immer wieder hörenswert.
wb

 VICKI KRISTINA BARCELONA: Pawn Shop Radio
VICKI KRISTINA BARCELONA
Pawn Shop Radio
(Jaro Medien)


Dass die Songs auf Pawn Shop Radio alle Tom Waits als Autoren verzeichnen, verwundert auch bei mehrfachem Hören. So deutlich haben sich die drei Musikerinnen dessen musikalisches Material angeeignet und in etwas zwischen Rhythm and Blues, Folk oder gar Klezmer verwandelt. Was eben das besondere Können dieses Trios betont und auch die kompositorischen Qualitäten von Waits.
mf
 DANIEL WAHREN UND SANDRA LUBOS: Von Schmetterlingen und Eulen
DANIEL WAHREN UND SANDRA LUBOS
Von Schmetterlingen und Eulen
(Fuego)


Mittelalterliche Stadtführer in Detmold, Duo mit irischen und schottischen Liedern, jetzt eine gemeinsame Produktion über verschiedene Facetten und Phasen der Liebe, vom Beginn über Seitenwege und Trennungen. Daniel Wahren vom Trio Duivelspack am Klavier und seine Partnerin, die Musikpädagogin Sandra Lubos, führen uns musikalisch durch das Liebeslabyrinth.
rk

 M. WARD: Migration Stories
M. WARD
Migration Stories
(Anti-)


In den Siebzigern legte man zum Schmusen Cat Stevens auf, heute gibt es dafür unendlich viele Dream Folkies, wie auch M. Ward einer ist. Gedämpfter, ätherischer Sound, hingehauchte Stimme, viel Hall, etwas Twanggitarre, ab und zu in den Pop davonschwebend. Was zum Kuscheln eben. Eine Art Kammermusik des Folks. Trotzdem schön.
hjl
 DOC WATSON & GAITHER CARLTON: Doc Watson & Gaither Carlton
DOC WATSON & GAITHER CARLTON
Doc Watson & Gaither Carlton
(Smithsonian Folkways Recordings)


Als Doc Watson im Jahr 1962 im Greenwich Village, New York, auftrat, war er noch nicht der prominente Flatpicker späterer Jahre. Umso interessanter diese Liveaufnahmen im Duo mit seinem Schwiegervater Gaither Carlton an der Fiddle. Bei manchem Traditional greift der Doc auch mal zum Banjo. Da wird die Clubbühne zur Familienveranda.
vd

 LUISE WEIDEHAAS: Shore
LUISE WEIDEHAAS
Shore
(Point Reyes Records)


Zu den zeitlosen Liedermacherinnen mit zerbrechlicher Stimme und persönlichen Texten gehört nach Bettina Wegner und Suzanne Vega jetzt auch Luise Weidehaas. Ihre Geschichten wirken wie Momentaufnahmen von ihren langen Reisen. Mit akustischer Gitarre und sparsam eingesetzten Begleitinstrumenten bietet die Künstlerin den idealen Soundtrack zum Träumen und Versinken.
ce
 JUSTIN WELLS: The United State
JUSTIN WELLS
The United State
(Singular Recordings)


Souliger Outlaw-Country vom altgedienten Bandleader der Americanahaudegen Fifth on the Floor aus Kentucky mit der markanten Stimme. Ein Konzeptalbum im süffigen Wurlitzer-Sound mit dem Anspruch, das Leben von Geburt bis Tod in Songs zu erzählen.
mw

 WESTERN CENTURIES: Call The Captain
WESTERN CENTURIES
Call The Captain
(Free Dirt Music)


Die Countryband aus Seattle bekommt die Kurve, indem sie nicht zu sehr nach Nashville klingt. Drei bekannte Singer/Songwriter teilen sich hier die Songbeiträge. Das ergibt nicht nur solide dreistimmige Harmonien, sondern ebenso stilistische Abwechslung. Viel Pedal Steel und Fiddle halten den Sound gut zusammen. Ist auch was für Countryskeptiker.
hjl
 JIM WHITE AND MARISA ANDERSON: The Quickening
JIM WHITE AND MARISA ANDERSON
The Quickening
(Thrill Jockey Records)


Die studierte amerikanische Gitarristin Marisa Anderson klingt so auffällig unakademisch, dass es eine wahre Freude ist. Mit „Rohdiamanten“ ist vermutlich gut umschrieben, was die Folk-, Country-, Blueskennerin im Duo mit Schlagzeuger Jim White zelebriert. Näher an den Roots amerikanischer Folkmusik bewegt sich kaum jemand. Ein Album von verwirrender Schönheit.
rb

 WOLFSPELZ: Geliebt und zerrissen
WOLFSPELZ
Geliebt und zerrissen
(Blue Bowl)


In ruhiger, melancholischer Langsamkeit entwickeln sich die Lieder des deutschen Liedermachers auf seinem Debütalbum. Im Wesentlichen nur von seinem Piano und seiner Stimme getragen, entwickelt sich eine Atmosphäre von Einsamkeit und Leere. Wolfspelz möchte seine Geschichten teilen, und vielleicht ist die Musik einmal mehr wichtiges Mittel gegen Hoffnungslosigkeit.
ce
 : rezi-legende
Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Udo Hinz (uh), Ulrich Joosten (uj), Harald Justin (jus), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Ines Körver (ink), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (cr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Martin Steiner (mst), Katrin Wilke (kw), Martin Wimmer (mw)


SKANDINAVIEN
 HELENE BLUM & HARALD HAUGAARD BAND: Strømmen
HELENE BLUM & HARALD HAUGAARD BAND
Strømmen
(Galileo Music)


Viele selbst geschriebene Lieder, die Helene Blums fantastischer Stimme wunderbare Möglichkeiten bieten. Rilkes „Über die Geduld“ auf Dänisch ist dabei, dazu der Siegertitel des ESC 1963, „Dansevise“, damals von Grethe und Jørgen Ingmann interpretiert, heute fast ebenso swingend von Blum und Haugaard neu arrangiert.
Gabriele Haefs
 KETIL BJØRNSTAD & GURO KLEVEN HAGEN: The Personal Gallery
KETIL BJØRNSTAD & GURO KLEVEN HAGEN
The Personal Gallery
(Grappa Musikkforlag)


Ketil Bjørnstad, der immer schon gern mit anderen und neuen Leuten zusammengearbeitet hat, nimmt sich auf diesem Album sehr zurück. Sein Klavierspiel dient als perfekte Begleitung für die Violinistin Guro Kleven Hagen. Er hat alle Stücke selbst komponiert, der Titel des Albums verweist auf die „Bilder, die wir alle in uns tragen“ und die sich beim Hören einstellen werden, wieder und wieder, denn dieses Klangerlebnis fordert zur oftmaligen Wiederholung auf.
Gabriele Haefs

 ELIN FURUBOTN: Blikk
ELIN FURUBOTN
Blikk
(Grappa Musikkforlag)


Eine Auswahl aus den bisherigen Veröffentlichungen der Sängerin und Gitarristin. Alle Texte sind selbst geschrieben und, wie es sich für einen Querschnitt gehört, ist alles dabei, fröhlich, traurig, nachdenklich, fromm, ein Lied mit Kinderchor, alles gefällig arrangiert und angenehm zu hören.
Gabriele Haefs
 ANDREAS IHLEBÆK: Northern Lullabies
ANDREAS IHLEBÆK
Northern Lullabies
(NXN Recordings)


Schlaflieder aus dem Norden präsentiert der norwegische Pianist Andreas Ihlebæk. Einige hat er selbst komponiert, andere sind traditionell, wie das vielleicht bekannteste schwedische Schlaflied „Bussan Lull“ oder „Sov Du Vesle Spire“ der schwedischen Komponistin Alice Tegnér (1864-1943), deren Werk derzeit eine Renaissance erlebt. Zurückhaltend arrangiert, einfach nett zu hören, und das Album lässt sich auch zur Beruhigung schlafunwilliger junger Menschen einsetzen.
Gabriele Haefs

 IRMELIN: Upp
IRMELIN
Upp
(Playing with Music)


Drei Schwedinnen, Mutter und Töchter, die a cappella singen, mit ihrem fünften Album. Nach eigener Aussage wird ihr Werk durch „Respekt vor der Musik früherer Generationen“ geprägt. Zu finden ist hier ein breites Spektrum von Choral über Viehlockruf und Hexengesänge bis zu melodischer Liebeserklärung. Spannend. Beim Hören ist allerdings höchste Konzentration angesagt.
Gabriele Haefs
 KVIVEN DUO: Kvakksalvar-Guri
KVIVEN DUO
Kvakksalvar-Guri
(Kviven Records)


Zwei norwegische Geigerinnen, die aus den westnorwegischen Traditionen schöpfen. Springar, Galopp und Walzer sind vertreten, ein Choral in Instrumentalgestalt darf auch nicht fehlen. Gewidmet ist das Album den Menschen, von denen die Stücke inspiriert wurden, wie z. B. der „Quacksalber-Guri“. Und, oh Wunder, „Viel Glück und viel Segen“ ist auch dabei, heißt hier aber „Mari I Lidene“ (also „Mari vom Berghang“).
Gabriele Haefs

 KRISTJANA STEFÁNS & SVAVAR KNÚTUR: Faðmlög
KRISTJANA STEFÁNS & SVAVAR KNÚTUR
Faðmlög
(Nordic Notes)


„Umarmungen“ lautet der Titel des Albums, und natürlich geht es um Liebe. Kristjana Stefáns kommt aus der Klassik, Svavar Knútur bekanntlich von überallher. Hier singen sie mal solo, dann im Duett. Das Melodienspektrum umfasst so ungefähr alles, von jazzig, Schunkelwalzer, sakral, klassisch bis improvisiert, nicht einmal vor Schnulzen schrecken die beiden zurück. Das alles zeigt, wie international Island in Wirklichkeit ist. Ein Genuss!
Gabriele Haefs
 ERLEND VIKEN: Sastrugi
ERLEND VIKEN
Sastrugi
(Grappa Musikkforlag)


Kantele und Hardingfele werden auf diesem mit Eigenkompositionen gefüllten Album eingesetzt. Alle Stücke sind Eigenkompositionen von Erlend Viken, angelehnt an norwegische Traditionen, aber stark modernisierend, sodass die Tradition kaum noch zu erkennen ist. Durch den swingenden Sound klingt es oft wie Barmusik – wenn sich jemand an die Swingle Singers erinnert, es klingt wie eine Weiterführung von deren gefälligem Stil.
Gabriele Haefs

BLUES
 NICO BRINA: Lucky Blues Travelers
NICO BRINA
Lucky Blues Travelers
(Stormy Monday Records)


Wenn Nico Brina zu Gast ist, dann halten Blues, Boogie Woogie und Rock ’n’ Roll der lebensfrohen Sorte Einzug. Der Pianist und Sänger gibt fünfzehn neue und fünf neu eingespielte Titel zum Besten, und dies ist zugleich auch mit das Beste, was derzeit in dieser Form Musik geboten wird. Sehr geschmackvoll von Tobias Schramm und Charlie Weibel am Schlagzeug unterstützt, und auch weitere Gäste geben sich die Ehre.
Achim Hennes
 CRAZY HAMBONES: Beautiful
CRAZY HAMBONES
Beautiful
(Stormy Monday Records)


Ein sehr schönes Beispiel, wie viel mit wie wenig im Blues möglich ist, zeigen hier die drei Musiker Micha Maas (Schlagzeug), Henry Heggen (Mundharmonika) und Brian Barnett (Gitarre). Keine Bass- und Gitarrensoli, stoisch schnarrt und scheppert das Schlagzeug, die Gitarre gibt den Rhythmus vor, streut dann und wann ein Riff ein, die Harp setzt die Akzente. Dazu ein- bis dreistimmiger Gesang.
Achim Hennes

 DATURA4: West Coast Highway Cosmic
DATURA4
West Coast Highway Cosmic
(Alive Naturalsound Records)


In der klassischen Bandbesetzung der Siebzigerjahre spielen die Australier genau das: tief vom Blues durchdrungenen Rock mit Orgel, Gitarre, Schlagzeug und Bass. Deep Purple, Free, Led Zeppelin, Savoy Brown, Electric Flag, es ist alles (noch) da, angeschärft mit Howie Smallmans Harp, virtuoser Instrumentenbeherrschung, starkem Gesang und diesem besonderen Spirit – zum Wiederentdecken oder neu Kennenlernen.
Achim Hennes
 MICKE & LEFTY feat. CHEF: Let The Fire Lead
MICKE & LEFTY feat. CHEF
Let The Fire Lead
(CRS)


Die drei Finnen treten als Akustik-Blues-Projekt in Erscheinung, und das bedeutet dreistimmigen Gesang, manchmal dreistimmige Gitarren mit und ohne Slide, Kontrabass, Harp oder Kazoo. Und richtig, hier ist alles wirklich handgemacht, beherzt, mitreißend und mit enormer Verve vorgetragen. Es brennt die Luft, und wen das kalt lässt, dem ist dann wirklich nicht mehr zu helfen.
Achim Hennes

 IRIS ROMEN: Late Bloomer
IRIS ROMEN
Late Bloomer
(Waterfall Records)


Mit feiner, klarer Stimme singt Iris Romen ihre Lieder in entspanntem, manchmal verträumtem Ambiente. Viel Lebensgefühl der Vierziger- bis Sechzigerjahre schimmert durch, die Musik dazu ist oft mit Hall unterlegt und immer ein dezenter Begleiter für Iris Romens Geschichten. Etwas von vielem, und das bedeutet etwas Chanson, ein wenig Blues und Rockabilly sowie eine Prise Jazzgesang.
Achim Hennes
 SEASICK STEVE: Love & Peace
SEASICK STEVE
Love & Peace
(Contagious Records)


Rau und gleichzeitig sanft, neben dem Takt und absolut stimmig, verzerrt im Klang und vollkommen klar im Ausdruck – die Musik des Sängers und Gitarristen (im weitesten Sinn …) Seasick Steve hat eine ganz eigene, charakteristische Note. Sie verortet sich irgendwo zwischen Blues, Boogie, Americana und Folk, der Gesang ist manchmal durch das Harp-Mikro gepresst und die Membran am Gitarren-Amp zeigt Risse.
Achim Hennes

 RAINER WEISBECKER: ainhattan Blueswalzer
RAINER WEISBECKER
ainhattan Blueswalzer
(Schatzebobbes Records)


Das Album ist eine Neuauflage des bereits vergriffenen Originals, und hier und jetzt zugreifen sollte wirklich jeder, der auf fein gespielten akustischen Blues mit Texten in hessischer Mundart steht. Das passt nämlich ungemein gut zusammen, zumal die Songs von jemandem gedichtet sind, zu dem die Begriffe „Liedermacher“, „volkstümlicher Künstler“ oder „Mundartdichter“ passen wie der Apfel zum Äbbelwoi.
Achim Hennes



Onlinerezensionen
THE ARCHITECT
Une Plage Sur La Lune
(X-Ray Productions)


Ein Strand auf dem Mond? Nette Idee, die aber nur jemand haben kann, der mit Jules Verne aufgewachsen ist, oder? Der französische DJ, der sich The Architect nennt, legt auf seinem Debüt dann auch noch einen Jules nach: In 56 Minuten um die Welt. In den Big Beat eingestreute Weltmusiksamples bieten Abwechslung en masse. Ein Labsal für Ohr und Hirn.
wb
BARNILL BROTHERS
A Better Place
(Trad Records)


Mit Stimmen wie die Everly Brothers und Songmaterial in der Tradition von Simon & Garfunkel kann das Duo aus Belgien nichts falsch machen. Und so ist dieses ausgesprochen gut hörbare Album trotz – oder gerade wegen – seiner altmodischen Attitüde eine Empfehlung für jedermann, für Folkenthusiasten, Americanafans und eben auch den normalen Radiohörer.
ce

BENNI UND ICH
Kapitel zwei
(Timezone)


Funktionieren Beatles-Sounds mit deutscher Sprache? Mit ihrem dritten Album, bereits dem zweiten auf Deutsch, treten die Brüder Benni und Ich aus Hiddenhausen den Versuch an. In klassischer Bandbesetzung und mit leichten Rocksongs, die durchaus auch zu den frühen Sechzigern passen könnten, präsentieren sie ihre sympathischen kleinen Geschichten über Bonnie im Kleid oder Bielefeld.
ce
PAUL BENOIT
Lost Days Long Nights
(Zebadiah Records)


Bluesrock zwischen Balladen und Midtempo-Stücken, in denen Benoit von zu langen Nächten und verlorenen Lieben singt. Musik für rauchige Bars und späte Stunden bei einem guten Glas Wein.
mf

GREG COPELAND
The Tango Bar
(Paraply Records)


Weshalb Greg Copeland eine Existenz am Rande der Musikwelt fristet, ist schwer erklärbar, schließlich hat er einiges sehr Erfolgreiches mit seinem Freund Jackson Browne geschrieben, und an Können mangelt es ihm auch nicht. The Tango Bar ist jedenfalls erst das dritte Album des mittlerweile über Siebzigjährigen – Songs, die von einem gelebten Leben handeln, vom Gewinnen und Verlieren, und voller rauem Charme stecken.
mf
CORBY
Distances
(Timezone)


Eingängiger Pop aus Osnabrück. Bastian Rabeneck alias Corby legt auf seinem Debüt leicht ins Ohr gehende Songs über die Liebe und das Verlassenwerden vor. Schade, dass der studierte Musikwissenschaftler nicht auf Deutsch singt. Es hätte seinen zwölf Kompositionen, durchaus mit Chartpotenzial, gutgetan. So wirkt sein englischsprachiger Gesang manchmal etwas holprig. Doch von Corby wird man noch hören.
ep

DIVERSE
(It’s The Great Granddaughter Of) The Great White Dap
(Ghosts From The Basement)


Vor genau fünfzig Jahren nahm in Bristol das Label Village Thing seine vierjährige Arbeit auf. Dort veröffentlichten meist Künstler, deren musikalisches Interesse Richtung Amerika ging, wie z. B. Wizz Jones, Derroll Adams, Steve Tilston, Al Jones oder der ehemalige fRoots-Chef Ian A. Anderson, auf dessen Label diese EP pünktlich zum Jubiläum erscheint.
mk
JOE EDWARDS
Keep On Running
(Tiny Mountain Records)


Der Ort Devices in der ländlichen englischen Grafschaft Wiltshire ist meilenweit entfernt vom Mississippidelta, aber der Singer/Songwriter plus Band hat genug von der Welt gesehen, um den mit Folk und Americana gemischten Blues spannend rüberzubringen. Und zwecks Aufnahme tut es nicht der lokale Kennet-und-Avon-Kanal, es muss schon Nashville sein.
mk

ELLINGER
… neue Banalitäten in Stereo
(Eigenverlag)


Nein, meine Herren, banal sind Ihre Zustands- und Befindlichkeitsbeschreibungen des alltäglichen Lebenswahnsinns keineswegs. Vielmehr sind die dreizehn in krachendem Rock gewendeten Songs ihres Albums der Beweis, dass man mit Ironie und lakonischer Betrachtungsweise jede noch so schräge Situation oder Lebensphase überstehen kann. Egal, ob in Mono oder Stereo …
wb
LUKE ELLIOT
The Big Wind
(Impress Records)


Mit der Wucht eines Nick Cave und Songmaterial, das einem Leonard Cohen zur Ehre gereicht hätte, erzeugt Luke Elliot eine cineastische Atmosphäre, die filigran und bombastisch zugleich erscheint. The Big Wind ist voller Songs, die man sich von berühmten Künstlern auf großen Bühnen wünscht. Sicher wird Luke Elliot einer von ihnen.
ce

JENNY EVANS
Even Without You
(ESM Munich)


Die englische, in München lebende Sängerin ist fester Bestandteil der deutschen Jazzszene. Ihr neues Album ist ein Meisterwerk. Die 64-Jährige schrieb Texte und Musik zu allen zwölf minimalistisch instrumentierten Songs – und diese klingen oft wie zukünftige Jazzstandards. Stärke der Sängerin mit der sanften Stimme sind atmosphärische Balladen.
uh
TOM FAIRNIE
Lightning In The Dark
(Eigenverlag)


Ein weiterer Versuch mit Celticana aus Schottland (aber nur der erste Track!). Auch Tom Fairnie begab sich nach Austin, Texas, ins Studio (siehe Rezension Crawford & MacKenzie) und spielte dort seine Songs ein, deren Themen und Sounds klar jenseits des Atlantiks liegen. Fairnies brüchige Stimme transportiert dieses Feeling sehr glaubwürdig.
mk

FEUERSCHWANZ
Das elfte Gebot
(Napalm Records)


Die Nürnberger Folkmetaller sind härter geworden im Ton. Die Texte sind martialischer, aber immer noch mit Witz und Ironie gespickt. Musikalisch freut man sich immer auf die kurzen, exzellenten Akustikteile, die aber sofort wieder von einem fetten Wall of Sound zugekleistert werden. Die Melodien und Refrains sind nach wie vor eingängig, keine Sorge, es bleibt Party- und Stadionmusik.
pp
FINNEGAN’S HELL
Work Is The Curse Of The Drinking Class
(Wild Kingdom)


Wieder eine Scheibe der Irish-Drinking-Folkies aus dem schwedischen Lund. Wie immer ist auch diese was für Fans der Pogues, aber diesmal zugleich so heavy, dass sie auch Wacken-Fans begeistern könnte. Schon der Albumtitel beweist, dass sie dabei den Schalk im Nacken haben und das alles nicht so ernst nehmen, wie es klingt. Alle Texte im Heft.
mas

DAVE GREAVES
Still > Life
(Do-CD, Inbred Records)


Der Untertitel des gut neunzigminütigen Doppelalbums lässt es vermuten: „The Legacy Collection“ ist aus gesundheitlichen Gründen wohl die letzte Veröffentlichung des Singer/Songwriters von der englischen Ostküste. Er startete seine Karriere in den Siebzigern zusammen mit Künstlern wie John Martyn oder Nick Drake, und in diese Richtung geht seine gingetränkte Stimme.
mk
DIE HABENICHTSE
Heckenpennerutopie
(Timezone Records)


Anscheinend haben die Habenichtse nicht mal einen realen Wohnort, denn eine Postadresse sucht man auf der Website vergebens. Jedenfalls singen sie eigene deutschsprachige Lieder mit lustigen Inhalten, so zum Beispiel eine „Ode an die Unterhose“, melodiös an Schlager und Volksmusik orientiert. Etwas für Fans etwa der Pulveraffen.
mas

MARTIN HARLEY
Roll With The Punches
(Del Mundo Records)


Bluesgetränkt wie immer, dieser Martin Harley, gerne auch mit Bottleneck, aber im Gegensatz zu früher wird der Blues jetzt elektrisch und daher um einige Grade härter als zuvor. Produziert und eingespielt mit Harry Harding (Drums, Bass, Gitarren etc.) plus Jonny Henderson (Hammond, Wurlitzer, Piano) kommen seine eigenen Songs sehr kompakt daher.
mk
JANA HERZEN, CHARNETT MOFFETT
Round The World
(Motéma)


Das Duett bewegt sich zwischen Jana Herzens folkigem Gesang und Gitarrenspiel und den jazzigen Läufen des Bassisten Charnett Moffett, streift dabei Weltmusik und Pop. Dezente Balladen mit vielen Nuancen, wobei im Repertoire die Wahl von Roberta Flacks bekannter Ballade „Killing Me Softly With His Song“ die Stimmung der beiden auf den Punkt bringt.
hjl

HOT CLUB D’ALLEMAGNE
Hot Club D’Allemagne
(Kick The Flame)


Der Name des Leipziger Quartetts lässt keine Fragen offen, hier wird geswingt, was das Zeug hält. fünfsaitige Violine, zwei Gitarren und Kontrabass lassen nahezu klassisch, virtuos und gekonnt den Gypsy Swing der Dreißigerjahre auferstehen. Frisch ist jedoch das Repertoire, das neben Eigenkompositionen auch Stücke von Dorado Schmitt oder Michel Petrucciani enthält.
rb
SAM HUNT
Southside
(MCA Nashville)


Beginnt halbwegs okay mit der Ballade „2016“. Von da an geht’s bergab. Es fiept und blubbert, loopt und groovt. Track-and-Hook-Songwriting, die Art Album, die bei den Musikern aufzählt: Vocals, Pedal Steel, Programming. Radiocountry für Eiscremewerbung. Andererseits: Können sieben Milliarden (!) Streams irren?
mw

CHRISTIAN LEE HUTSON
Beginners
(Anti-)


Produziert von Phoebe Bridges. Moderner Indiefolk aus Los Angeles, leise und versponnen bis hin zum Taperecorder-Lo-Fi. Will seine Vetternwirtschaft zu Nick Drake und Elliot Smith nicht leugnen. Anspieltipp ist das ironische „Northsiders“: „We were so pretentious then / didn’t trust the government / thought that we were communists“. Da war doch was?
mw
JERRY JOSEPH
The Beautiful Madness
(Decor Records)


Songschreiberkollegen loben Josephs Songs in den höchsten Tönen, doch in den gut dreißig Jahren, die er nun schon aktiv ist, hat er leider noch kein nennenswertes Publikum erreicht. Vielleicht ändert sich dies mit The Beautiful Madness? Joseph legt seine ganze emotionale Wucht in den Gesang. Seine Songs handeln von Einsamkeit und Versagen und bieten doch Anlass zur Hoffnung.
mf

JUNGLELYD
Junglelyd
(Sounds Of Subterranea)


Auch in Dänemark ist die Cumbia, der Globalplayer Kolumbiens, längst gelandet. Doch kein Nordwind weht durch die psychedelisch-tropikalischen, zumeist instrumental gestalteten Electrotracks. Cumbia-Party-Fans werden ihre Freude haben. Die Rezensentin auch, wenn denn Musiker in latinfernen Gefilden auch mal einen eigenen Zugang zu dieser Musik fänden.
kw
HEIKO KAMANN
The American Years
(Yellow Snake Records)


Acht eigene Songs vom Rockveteranen aus Hannover, eingebettet zwischen Paul Simons „America“ und „People Have The Power“ von Patti Smith. Hobbyprojekt mit Familie und Freunden an Mikro, Instrumenten und Reglern.
mw

ALMUT KARIG
Nachtigallenschlag
(Eigenverlag)


Klare Stimme, melodisches Fingerpicking, bewegende Geschichten aus dem Leben. Die aus Hofheim am Taunus stammende Liedermacherin Almut Karig überzeugt handwerklich auf ihrem Livealbum. Jede ihrer vierzehn Eigenkompositionen, die ein wenig an moderne Kirchenmusik erinnern, führt sie mit einer kleinen Geschichte ein, die zum Nachdenken und Schmunzeln anregt.
ep
KENICHI & THE SUN
White Fire
(Record Jet)


Sci-Fi-Gospel nennt die Berlinerin Katrin Hahner ihren elektronischen Dark-Folk-Pop. Unter neuem Namen präsentiert die frühere Miss Kenichi in ihrer vierten Veröffentlichung ein Konzeptalbum, das ein wenig nach Björk klingt. Was als Anstoß zu einer gesellschaftlichen Revolution gedacht ist, entpuppt sich aber eher als eine esoterische Reise durch pulsierende Rhythmen und Synthieklänge.
ep

BEN KUNDER
Searching For The Stranger
(Comino Music)


Musikalisch nimmt der Kanadier etwas manieriert den Faden des Softrocks wieder auf, der Mitte der Achtziger riss, als die Band America sich im elegischen Soundtrack von The Last Unicorn ertränkte. Heute heißt das: dunkler Alternative, melodiöser Dream Pop, Ambient Indie. Beeindruckend aber, wie Kunder seine jüdische Herkunft im Opener „Berlin“ reflektiert.
mw
BEN LORENTZEN
Kind Of Bitter Sorrow
(Eigenverlag)


Erlesen pathetisch und dem Titel entsprechend melancholisch kommen die zehn Songs auf dem neuen Album des Norwegers daher. Sie thematisieren die Probleme der Zeit, eigene Erlebnisse (der Musiker) und lassen auch Platz für Hoffnung. Begleitet von Geigen, Trompeten und Saxofon, im Duett mit der Sängerin Pascal El Sauaf, Ben Schadow an der Gitarre – ein herrliches Bad in orchestralen Gefühlen.
is

MAPLE & RYE
For Everything
(Icons Creating Evil Art)


Maple & Rye gehört zu den Bands, die im Kielwasser von Mumford & Sons schwimmen. Dementsprechend gibt es auf dem Debütalbum der Schweden stadiontauglichen Folkrock; jeder Track eignet sich als Singleauskopplung. Das Album läuft ohne Überraschungen, ist aber grundsolide produziert. Ein starker Auftakt, der neugierig macht auf die weitere Entwicklung dieser Band.
ce
FRIEDE MERZ
Two Old Ladies – Lost Tapes
(Spray Can Records)


Fünf Stücke, aufgenommen mit dem Smartphone an einem Berliner Küchentisch 2012, was die raue Klangqualität erklärt. Während der Session gestaltete Merz mit dem isländischen Gitarristen Daníel Friðrik Böðvarsson alte Songs neu, wie z. B. „Love Will Tear Us Apart“ von Joy Division. Rund klingt’s beinahe bei „What A Difference A Day Makes“ von Dinah Washington.
is

LYNN MILES
We’ll Look For Stars
(Must Have Music)


Sphärischer Country der mit vielen Preisen versehenen kanadischen Sängerin. Die sparsame Besetzung lässt die sehnsüchtigen und doch schwungvollen Melodien gut zum Zug kommen. Das klingt weit weg vom Mainstreamcountry, und Miles’ sanfte Art besticht vor allem in Balladen, die ohne Drums auskommen wie ihr Titelsong.
hjl
MOTUS LAEVUS
Y
(Felmay)


Die in Italien beheimatete Formation reist in ihrer Musik dorthin, wo Migranten den Weg nach Westeuropa unter die Füße nehmen. Folgerichtig kann der lateinische Gruppenname mit „Rückwärtsbewegung“ übersetzt werden. Die jazzige Reise führt über Slowenien, Kroatien. Griechenland in den Orient. Abenteuerlich und keine Sekunde langweilig.
mst

NAHKO AND MEDICINE FOR THE PEOPLE
Take Your Power Back
(SideOneDummy)


Der Sänger mit indianischen Wurzeln versteht seine Musik als Selbstheilungsprozess. Passt zwar gerade, aber insgesamt wirkt alles durch die RnB-Einflüsse im Gesang zu pathetisch, und die Melodien sind zu sehr vom gleichen Muster. Ein ungewöhnlicher Streifzug zwischen indianischen Gesängen, Folk, Rock, RnB und ein bisschen Lebensbeichte im O-Ton.
hjl
NEW LANDSCAPES
Menhir
(Visage Music)


Was verbindet Ornette Coleman, Sun Ra, John Dowland und die Musik der Kurden Iraks? Oder besser, wer? Das venezianische Quartett New Landscapes. Mit Geige, Barocklaute, Oud, Akkordeon, Bassklarinette und Nyckelharpa schaffen sie eine ureigene Atmosphäre zwischen Kammermusik, Minimal Music und Ethnoanleihen. Spannende weltumspannende Musik ohne Scheuklappen.
mst

H. B. NIELSEN
Grand Opening
(Backseat)


Die besten amerikanischen Folksongs kommen aus Schweden. Einen Beweis für diese These liefert der Göteborger H. B. Nielsen auf seinem Debütalbum. Seine Erfahrungen von seinen Reisen durch die USA und durch Schweden bilden das Fundament für dieses Kleinod. Mit einer Prise Ambient und einem Schuss Postrock sticht Nielsen aus der Vielzahl der Americanaveröffentlichungen heraus.
ce
RIO NIN
For Your Ears Only
(Timezone)


Ein unaufgeregtes Instrumentalalbum mit feinen Akustikgitarrenminiaturen. Auch wenn die Musik beim ersten Hören eher etwas für den Hintergrund zu sein scheint, entpuppt sie sich nach und nach, wie jegliches Understatement, als zunehmend vielschichtiger. Eine direkte, sehr „ehrliche“ Aufnahmetechnik hebt den intimen Charakter hervor.
rb

JOSÉ-LUIS OROZCO
¡Muévete! Songs For A Healthy Mind In A Healthy Body!
(Smithsonian Folkways)


Ideal, um Kinder in Coronazeiten bei Laune und in Bewegung zu halten, ist dieses wie alle mit schöner Regelmäßigkeit erscheinenden Alben des Experten für Kindermusik, -bildung und -literatur. Der gebürtige Mexikaner ging schon als Teenager in die USA. Sein Ansatz ist strikt bilingual, d. h. alle Lieder und Texte finden sich auf Spanisch und Englisch.
kw
REDNAKS
Pangea
(Bravagente)


Mit ungestümer Wucht fegt die akustische Gitarre von Rednaks aus dem italienischen Piemont über weite, wilde akustische Landschaften. Stilistisch kaum zu verorten, lauert an jeder Wegbiege ein neuer musikalischer Impuls. Große Freiheit weht durch die sechs Kompositionen des zwischen Italien und Tunesien aufgewachsenen Gitarristen. Spannend!
rb

BEN REEL
The Nashville Calling
(Ben Reel Records)


Reel ist Ire, doch The Nashville Calling gibt bereits im Titel die Stoßrichtung dieses Albums vor: Country. Obendrein zählen Bruce Springsteen, Neil Young und Van Morrison zu seinen Vorbildern, was sich deutlich in seiner Musik niederschlägt. Kraftvoller Rock, voll ausproduziert, mit besinnlichen Momenten.
mf
THE REHATS
Nothing But The Truth
(Steeplejack Music)


Die Rehats aus deutschen Landen sind ein weiterer Ableger des Mumford-&-Sons-Sounds. Auf ihrem Debütalbum bietet die Band englischsprachigen Folkrock, der sich teilweise hart an der Grenze zum Schlagerpop bewegt. Der sauber produzierte und eingespielte Erstling punktet mit einfachen Melodien und sympathischen Texten.
ce

RICH KID REBELLION
Pfiffige Mädchenmusik
(Eigenverlag)


Britpop trifft Singer/Songwriter. Der Dortmunder Swen O. Heiland singt auf seinem Debütalbum gut gelaunte Songs zur akustischen Gitarre. Das ist melodiöser und nach vorne losgehender Gitarrenpop voller Optimismus und mit Ohrwurmpotenzial. Hörenswert sind die Texte. Sie handeln von Herzschmerz und Ökologie genau wie von Instagram-(Un-)Kultur.
uh
ROSE CITY BAND
Summerlong
(Thrill Jockey Records)


Bei den ersten Songs der Rose City Band muss man unweigerlich an die Dire Straits denken, obwohl Bandleader Ripley Johnson sich zuvor in Bands wie Wooden Ships oder Moon Duo am Krautrock abgearbeitet hat. Auf Summerlong jedoch geht es locker und leicht zu, Southern Rock mit folkig-bluesiger Note, mit Solos auf der Pedal Steel, die an die perligen Gitarrenläufe eines Jerry Garcia denken lassen.
mf

DAVID ROTHENBERG
Stadt der Nachtigallen
(Argon Hörbuch)


Wer hätte gedacht, dass Berlin die Stadt der Nachtigallen ist? Den Beweis tritt der amerikanische Klarinettist und Professor für Philosophie und Musik auf diesem erstaunlichen Hörbuch an. Eva Mattes führt den Hörer lesend durch eine unbekannte Seite der Hauptstadt. Naturwissenschaft und Poesie flankieren musikalische Dialoge zwischen Mensch, Natur und Nachtigall.
rb
SAM RUSSO
Back To The Party
(Red Scare Industries)


Wenn akustische Gitarre (und nur die) plus Stimme gleich Folk ist, dann geht das dritte Album des Engländers durchaus als Folk durch. Eigentlich jedoch ist es akustischer Punk, vorgetragen mit genau der verzerrten Attitüde der frühen Achtziger – und mit der gleichen rohen Power in der Stimme, obwohl der Mann beileibe kein Teenager mehr ist.
mk

YUSUF SAHILLI
Let’s Do That
(Musszo Records)


Es geht sofort los mit preschendem Rhythmus, über den ein Banjo perlt; sonniger, dynamischer Alternativ-Rock-Folk-Pop mit viel Druck. Kenntnisreich, doch unverkopft und frei in der Wahl der Stile. Mit der in vielen Nuancen strahlenden Stimme Sahillis hat das erfahrene Trio aus Wahlberlinern ein lebendiges Album geschaffen, das Spaß macht. Und zwar auf dem eigenen Label.
is
RIC SATTLER
Sessions
(Eigenverlag)


Das Album des deutschen Musikers Ric Sattler mutet an wie ein Demotape. So könnte es klingen, wenn der Kopf einer Deutschpopband den Proberaum betritt und seinen Leuten das erste Mal seine neuen Songs vorspielt, während die Band langsam einsetzt. Sessions ist wohl der perfekte Titel für das Album. Die eingefangene Stimmung bildet einen wundervollen Kontrast zum Hochglanzradio.
ce

S-CAPE
Raceday
(Ka Bumm-Records)


Der gute alte Sound der Sechziger und Siebziger, wild und unbekümmert, trotzig und punkig. Frau Emmerich, die Hälfte des Duos, hat jedenfalls nicht nur die richtige Stimme, sondern auch jegliche Glaubwürdigkeit für eine Coverversion von Elvis Presleys „Burning Love“.
is
DENIS SCHMITZ
Nuances
(Timezone)


Einen derart delikaten, vollmundigen Gitarrenton entwickelt ein Musiker in der Regel im Laufe eines langen Künstlerlebens. Denis Schmitz ist gerade mal 31 Jahre alt und entlockt seinen Instrumenten einen überirdisch klaren und reinen Klang. Das unverbrauchte, aufregende Repertoire im Grenzbereich aller möglicher Genres macht Nuances zu einer dringenden Empfehlung.
rb

THE SINGER IS ALWAYS LATE
Stories Of The Spring
(Eigenverlag)


Englischsprachige Singer/Songwriter-Pop-Rock-Musik aus Mühlheim/Ruhr. Sehr guter, grooviger Bandsound, leichter Gesang, ein bisschen an die Beatles erinnernd, dabei laut Websiteangaben alles akustisch „ohne Schnickschnack“. Gute-Laune-Musik für einen schönen Frühlings- oder Sommertag! Leider kein Booklet.
mas
TOBIN SPROUT
Empty Horses
(Fire Records)


Unaufgeregter, minimalistischer Folkpop mit recht dünner Stimme und ohne Höhepunkte, der amerikanische Geschichte aufarbeitet und dazu noch mit streng limitierten Kunstdruckfassungen aufwartet. So erreicht man möglichst wenige Hörer. Erinnert musikalisch manchmal an Neil Young, der das aber besser kann.
hjl

JASMIN TABATABAI
Jagd auf Rehe
(Jadavi Records)


Schauspielerei und Gesang gehen bei Jasmin Tabatabai, einer Berliner Künstlerin mit deutsch-iranischen Wurzeln, gut zusammen; sie schätzt gerade die Vielfalt. Sehr jazzig sind ihre Interpretationen von Songs und Liedern so verschiedener Künstler wie Robert Schumann, Annie Lennox, Beatles, Hildegard Knef, Reinhard Mey oder Marlene Dietrich.
rk
TAGEBUCH
Anders immer anders
(Lametta Music)


Das Duo Tagebuch begibt sich auf den schmalen Grat zwischen Schlager, Folkpop und Singer/Songwriter. Das ist eher etwas für Menschen, die Sarah Connor oder Ina Müller hören, als für Folkpuristen. Eine ausgebildete weibliche Stimme interpretiert die eigenen deutschsprachigen Texte und wird begleitet von einem routinierten Gitarristen.
ce

TOI ET MOI
N’Allume Pas Le Leu
(GMO-The Label)


Angenehmer Chansonpop aus Köln. Toi et Moi ist der Bühnenname von Raphael Hansen und Julia Klomfass. Sie singen fast immer zweistimmig und begleiten sich dezent mit Gitarre und diversen anderen akustischen Instrumenten. Raphael Hansen ist Halbfranzose, die Texte sind durchweg auf Französisch.
chr
TOLYQYN
Tolyqyn
(Eigenverlag)


Zusammengefunden hat sich das multinationale Trio, bestehend aus Singer/Songwriter und Violinist Roland Satterwhite, Jazzgitarrist Tal Arditi und Drummer Kuba Gudz 2017 bei Jamsessions in Berlin. Ihr phänomenales Debüt besticht durch Virtuosität, stilistische Vielfalt und tolle Songs. Dynamischer Crossoverpop, der Assoziationen zu Paul Simon weckt.
rs

DAN TUFFY
Letters Of Gold
(Continental Song City)


Der Australier Dan Tuffy ist bereits seit Mitte der Achtziger unterwegs, in verschiedenen Bands zunächst, lebt allerdings schon seit langem in Holland. Letters Of Gold ist sein zweites Soloalbum, das von einem folkigen Bluesgefühl getragen wird. Gelegentlich setzen elektrische Gitarre und elektronische Effekte Akzente, doch permanent scheint Tuffy mit seiner rauchigen Stimme in die Wüste zu singen.
mf
LETITIA
VanSANT Circadian
(Eigenproduktion)


Die amerikanische Sängerin gehört zur derzeit angesagten Generation einer neuen Sanftheit, die inhaltlich oft recht autobiografisch orientiert ist. Ihre Americanamusik sucht die Stille, lebt von Klangtupfern an den leisen Stellen. Die wütenden Protestsänger und -sängerinnen scheinen inzwischen den Introvertierten gewichen zu sein.
hjl

TIM VANTOL
Better Days
(Eminor Seven Records)


Ungestümer Songwriterrock mit Wurzeln im Punk, irgendwo zwischen Willie Nile und der Energie eines Pogues-Konzertes. Da werden keine Doktorarbeiten verfasst; der in Berchtesgaden lebende Niederländer schreit sich zu dreckigen Gitarren und echten Drums einfach die Freude am Leben raus. Höhepunkt: die unwiderstehliche Mitgröhlnummer „5 Inch Screen“.
mw
VERGESSENHEIT
Songbook
(Outlandish Recordings)


Ein griechisches Duo – Kostas Kakouris (p, comp) und Anastasis Grivas (Sounddesign) – das sich nach einem Begriff (Seinsvergessenheit) des rechtsnationalen Sprachverschwurblers Heidegger benennt, interpretiert mit seinem Ensemble Werke von W. B. Yeats, John Cage oder auch das Traditional „Black Is The Colour“. Künstlerisch spannend, auch ohne philosophischen Überbau.
wb

WERNER VOGT
Inci
(Timezone Records)


Werner Vogt war Richter am Verwaltungsgericht, ist seit über fünf Jahrzehnten Rock ’n’ Roller, mehrfacher und später Vater und Liedermacher aus Herford, hat also ein Leben gelebt. Mit Mickey Meinert hat er ein Album herausgebracht, das für Menschlichkeit steht, indem er rau nuschelnd Altersweisheit, Poesie und Folk, Rock und Chanson zusammenführt.
rk
ANDREAS VOLLENWEIDER
Quiet Places
(MIG)


Der Schweizer Harfenvirtuose und Grammy-Gewinner meldet sich nach elf Jahren mit einem intensiven Album zurück. Der 67-Jährige hat zehn kontemplative und gleichzeitig kraftvolle Stücke komponiert, die sich zwischen Klassik, Weltmusik, Crossover und Jazz bewegen. Unterstützt wird er von Isabel Gehweiler am Cello und Walter Keiser am Schlagzeug.
ep

WOODEN LEGS
Animali
(Eigenverlag)


Italienisches Sextett mit Folkrockansatz spielt Jig- und Reel-Sets neben einer Reihe traditioneller Songs und Balladen. Leider hapert es zum Wohlfühlen an musikalischer Präzision, und auch die Covers mehrerer eher „überspielter“ Irish-Mainstream-Gesangsstücke konnten das Herz des Rezensenten nicht erreichen. Die wenigen Eigenkompositionen überzeugen am ehesten.
js
Walter Bast (wb), Rolf Beydemüller (rb), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Udo Hinz (uh), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Ines Körver (ink), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Piet Pollack (pp), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (cr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Roland Schmitt (rs), Imke Staats (is), Martin Steiner (mst), Katrin Wilke (kw), Martin Wimmer (mw)


Onlinerezensionen folker #1.21
kurz und knapp
DAVIE ANDERSON
Love So Strong
(Brechin All Records)


Spätes Debütalbum des schottischen Singer/Songwriters und Multiinstrumentalisten. Diverse viel gespielte Cover wie „Red, Red Rose“ oder „Carrickfergus“ sind definitiv schon aufregender und ansprechender interpretiert worden. Die eigenen Songs und Tunes klingen interessanter, werden aber teilweise durch fragwürdige Arrangements abgewertet. Ein externer Produzent wäre vielleicht hilfreich gewesen.
mk
BANHOLZER, HEIZMANN, HOMBURGER
Eingeborenenmusik vom Westlichen Bodensee
(Eigenverlag)


Das Konstanzer Trio singt mit drei Gästen Lieder in Konstanzer Mundart mit lustigen, ironischen, letztlich aber harmlosen Texten und bringt auch das ein oder andere gemütliche Instrumentalstück zu Gehör. Der bisweilen gewollt misstönende Gesang steht in einem interessanten Kontrast zur manchmal Big-Band-haften, jazzigen Begleitung. Texte im Beiheft.
mas

THE BEAN PICKERS UNION
Greatest Picks
(Eigenverlag)


In Cambridge, Massachusetts, gibt es diese Gewerkschaft der Bohnenpflücker. An ihrer Spitze steht der Songschreiber Chuck Melchin, der seit 2006 immer wieder musikalische Kollegen um sich schart. Gemeinsam spielen sie eine Rootsmusik voller Spaß und Spielfreude. Die Bandbreite reicht von Countryrock („Photograph“) bis Folkballade („I’m So Sorry“). Ein Lob der gepflückten Bohne!
vd
GISELA BERNDT & BAND
Bilder
(Eigenverlag)


Dezente, aber eindringliche Jazzmusik, Texte, die eine geheimnisvolle und exotische Atmosphäre schaffen, und eine Sängerin, die ihre Lieder unaufdringlich und leichthin zu interpretieren weiß – das zeichnet auch das dritte Album der Kölnerin Gisela Berndt aus. Den Bildern und Erinnerungen, die sie besingt, folgt man gern verträumt und leicht beschwingt, es sind besinnliche Chansons der besonderen Art.
rk

Bill And The Belles
Happy Again
(Eigenverlag)


Warnung: Der Chorgesang auf diesem Album ist gewöhnungsbedürftig. Wer aber Doo-Wop und Muppets gut erträgt, wird mit stilsicherem Old-Timey-Stringband-Sound und 1920er-Jahre-Vaudeville-Dixieland verwöhnt, in dem sich Banjo und Fiddle jagen und Kris Truelsens gewitzte Texte rund ums Thema Scheidung das Hinhören lohnen. Top produziert von Teddy Thompson.
mwi
CONTI BILONG
Miango
(Eigenverlag)


Auf seinem dritten Album zeigt der Drummer Conti Bilong seine enorme Bandbreite. Von Makossa über Salsa, Afropop, Jazzfusion und Reggae bis zu Bossa Nova bietet er mit einer erstklassigen Big-Band-Besetzung jeden Stil in überzeugender Reinfassung und kompromissloser Energie, woran das Schlagzeug durchgehend einen sehr großen Anteil hat. Sowohl für Afrika- als für Jazzrockfans eine Entdeckung.
cs

JOHN BLEK
Of Ether & Air
(K&F Records)


Der irische Poet ist das perfekte Bindeglied zwischen Folkhelden wie James Taylor oder Paul Brady und modernen Lo-Fi-Kompositionen à la Mighty Oaks. Das Album, welches der Künstler selbst als Abschluss eines Albenzyklus versteht, ist stark von seiner eigenen Krankheitsgeschichte geprägt und lädt ein, das Leben von John Blek auf intime Weise zu teilen.
ce
RORY BUTLER
Window Shopping
(Vertical Records)


Debütalbum des Schotten, der in London lebt. Ziemlich spartanisch aufgenommen, lediglich akustische Gitarre, Bass und Drums. Und natürlich Gesang, schließlich ist der Mann Singer/Songwriter. Die Liedthemen sind ziemlich düster, aber wenn man nicht genau zuhört (was problemlos möglich ist, denn er benutzt seine Stimme meist wie ein Instrument), dann fließt die Musik ruhig und gelassen.
mk

UYGAR ÇAĞLI
Ting
(Eigenverlag)


Zusammen mit seinen Freunden aus der gemeinsamen Formation Çarx, Bilge Kaan Kuş (Gitarre) und Marco Mrčela (Schlagwerk), hat der österreichische E-Bassist und Komponist Çağlı sein erstes Soloalbum aufgenommen. Mit dabei sind Musiker an Saxofon, Kanun, Ney, Erhu und weiteren Instrumenten. Keine typische Weltmusik, eher Jazz mit Weltflair und Rockelementen.
ink
STEWART COPELAND – RICKY KEJ
Divine Tides
(Ponderosa Music Records)


Ex-Police-Drummer Stewart Copeland und der mit einem Grammy ausgezeichnete indische Komponist Ricky Kej haben sich für ein äußerst ambitioniertes Werk zusammengetan. Ambitioniert in vielerlei Hinsicht: neben den Kompositionen, die moderne Poplangwelten mit traditioneller indischer Musik zusammenbringen, kommt hier ein ausgesprochen weltverbindendes, spirituelles Anliegen zum Ausdruck. Sehr gelungen!
rb

Adam Douglas
Better Angels
(Compro Records)


Im positiven Sinn breitentauglicher Southern Soul aus Norwegen. Bläser heben und senken sich, ein Ellenbogen jerryleelewist über die Klaviertasten. In den besten Momenten groovt das wie Huey Lewis oder Jimmy Barnes, in den elegischeren Phasen klingt da immer noch ein funkiger Elton John durch. Die Texte, meist von Cory Chisel und Jeff Wasserman, kreisen nicht selten offen um religiöse Bilder.
mwi
DUOHANDINHAND
Knallbunt
(Hey!blau Records)


Seit fast zwanzig Jahren irritiert das Duohandinhand die Kleinkunstszene. Die zwei Musikerinnen, die ansonsten dem Jazz oder auch dem Rockabilly verschrieben sind, genießen spürbar die kindliche Freude an der Musik. Dadurch entsteht ein eigener Stil, der sowohl auf die Straße als auch ins Theater passt. Die Texte sind persönlich und oft humorvoll, kleine Geschichten mit großer Wirkung.
ce

ESPOO BIG BAND
Blood Red
(Galileo Music)


Der Roman Benim Adım Kırmızı („Rot ist mein Name“) des türkischen Nobelpreisträgers Orhan Pamuk hat es Mikko Hassinen so sehr angetan, dass er ihn zu einer Reihe von Musikstücken angeregt hat. Diese hat der Finne nun mit einer neunzehnköpfigen Big Band (darunter vierzehn Blechbläser) eingespielt. Hassinen zeichnet auf der Aufnahme für Percussion und Elektronik verantwortlich. Eher Jazz als Weltmusik.
ink
FANFARE CIOCĂRLIA
It Wasn’t Hard To Love You
(Asphalt Tango Records)


Die rumänischen Turbotröter kriegt auch eine Coronapandemie nicht klein, wenn es das 25-jährige Bandjubiläum zu feiern gilt. Auf fünfzehn Tracks zünden die Blechbläser ein wie immer Laune förderndes Feuerwerk an bekannten und weniger bekannten Melodien ab. Sie machen dabei auch vor Brahms’ ungarischen Tänzen und Bill Withers’ Schmusehit „Just The Two Of Us“ nicht Halt.
ink

FEE. Fee & HR
Big Band
(O-Tone Music)


Der HR klopfte Ende 2020 bei der Liedermacherin für ein gemeinsames Projekt an, eine Unterstützung für lokale Künstlerinnen und Künstler mithilfe der hauseigenen Big Band war das Ziel. Das Ergebnis waren mehrere Ausstrahlungen in Funk und Fernsehen und nun auch dieses Album. Die Balladen der deutschen Antwort auf Suzanne Vega klingen ungewohnt und doch erstaunlich passend mit orchestraler Begleitung.
ce
FREYR
Nikotin Bunker
(Nettwerk)


Folk ist schon lange im Mainstream angekommen, und so passt Freyr musikalisch zu dem Geist einer Zeit, in der Ry X die Musikhallen füllt. Zwischen akustischer Gitarre und behutsam eingesetzten Electronica klingt die geglättete, samtene Stimme von Freyr als typisch nordeuropäische Vertretung des Genres. Die Musik an und für sich klingt wunderschön, aber sie ähnelt eben auch vielen anderen Alben. Mainstream eben.
ce

ANNIE GALLUP
Oh Everything
(Gallway Bay Music)


Waren die Arrangements auf ihren bisherigen Alben eher zurückhaltend, hat sich die Kanadierin Gallup auf Oh Everything für eine modernere Produktion entschieden. Sogar Loops und Drumprogramming sind gelegentlich zu hören, was jedoch dem Charme ihrer zauberhaften, intimen Songs nicht schadet.
mf
The Golden Creek
Heartbreaks And Breakdowns
(Off Label Records)


Das Cover (Totenköpfe, Revolver, Schlange) täuscht. Die nostalgischen Hamburger spielen molligen, weichen Indierock Marke Del Amitri, erinnern sich an bessere Zeiten („We Loved Elvis“) und betrauern das traumatischste aller Erlebnisse, „The Day I Sold My Records“. Und wer kann seinem Arbeitgeber schon mal so ein einfühlsames Portrait widmen, wie sie es mit „Hasenschaukel, St. Pauli“ getan haben?
mwi

GRIFFELKNOPF
Griffelknopf – handgemachte Musik und vertonte Gedichte für Kinder
(Griffelknopf)


Hinter dem Duo Griffelknopf, das Lieder für Kinder macht und singt, verbergen sich die Sängerin Anna Stijohann und der Gitarrist Gereon Stefer aus Unkel. Muntere Lieder aus eigener Feder, aber auch von Ringelnatz, Hoffmann von Fallersleben oder der finnischen Sängerin Marjatta Pokela, die viele Kinderlieder geschrieben und komponiert hat. Muntere und aufmunternde Lieder für große und kleine Kinder.
rk
GROSSES HANDGEMENGE
Leben in Zeiten des Wirrwarrs
(Grenzton)


Die vierköpfige Band wurde von Volkmar Große gegründet, einst Bassist bei der Leipziger Rocklegende Cäsar und Musiker bei Gerulf Pannach oder Polkaholix. Geradliniger, handgemachter Rock und Blues ohne Schnörkel, ganz im Stile der großen Vorbilder Renft und Karussell, mit namhaften Gastmusikern wie Mario Ferraro von der Seilschaft. Die Texte von Große stellen kleine Alltagsgeschichten dar.
rps

GUYACÁYO
Lemonade
(Superlaut)


Rocksteady und Reggae mit Dub-Anleihen bestimmen den Sound der vier Hamburger in sieben tanzbaren, eingängigen Titeln. In den Texten über innere und äußere Konflikte („Lockdown“) gibt Sophie Filip schon stimmlich einen positiven Appell zur Aktion. Die unbekümmerte, juvenile Popenergie erinnert an die Neunziger, wirkt aber frisch. Lässige Hall- und Echoeffekte beugen dem Eindruck eines glatten Kommerzprodukts vor. Partymusik gerne so!
is
JOHN HARTFORD
Steamboat Whistle Blues – Live in Bremen 1977
(MIG Music)


Vor zwanzig Jahren verstarb der wunderbare John Hartford, mehrfacher Grammy-Gewinner, überzeugender Songschreiber und Multiinstrumentalist. Die Aufnahme von Radio Bremen lässt ihn als Solokünstler lebendig werden. Das Album zeigt den US-Amerikaner, wie er Traditionals interpretiert und eigene Songs vorträgt – darunter natürlich auch sein ikonografisches „Gentle On My Mind“. Ein schönes Dokument.
vd

ARCHIE LEE HOOKER AND THE COAST TO COAST BLUESBAND
Living In A Memory
(Eigenverlag)


Nur auf den Namen seines legendären Onkels John Lee Hooker sollte man Archie Lee Hooker keinesfalls reduzieren, dazu ist der Unterschied zu dessen Musik dann doch zu deutlich. Zwar spielt, d. h. singt, auch Archie Blues und Boogie, dies jedoch im Bandkontext und mit Klavier, Saxofon oder Mundharmonika in Begleitung. Toller, breiter, satter Sound und eine ausdrucksstarke Stimme.
ah
Hotel Bossa Nova
Cruzamento
(Enja)


Die Wiesbadener haben ihren Brazil Jazz inzwischen Richtung Fado bis Flamenco oder die Gitarrenimprovisationen eines Ralph Towner weiterentwickelt. Sängerin Liza da Costa wirkt mitreißend, die Band zeigt eine gute Balance zwischen Anspruch und Temperament. Einzig die Melodien sind oft nicht dafür gebaut, sie nach einem Konzert weiter zu summen.
hjl

AYOUB HOUMANNA
Berber Colors
(Soliton)


Nach einer EP 2020 kommt nun der erste Longplayer unter eigenem Namen. Houmanna verließ 2014 seine Heimat Marokko, wohnt inzwischen in Warschau und singt auf Arabisch, Französisch, Englisch und Polnisch. Er hat diverse Gäste eingeladen, darunter die Sängerin Rasm Almashan und den Trompeter Nathan Williams. Die Musik ist meist poppig-arabisch – Ausflüge zu den Gnawa und nach Jamaika inklusive.
ink
KAMINER & DIE ANTIKÖRPERS
Bleib zu Hause, Mama
(Trikont)


Kaminers Abrechnung mit dem Pandemiewahn mag 2020 kathartisch gewirkt haben, ein Jahr später erscheinen die Texte eher angestrengt. Von der Wahrheitsliebe der Medien über die schöngeredeten Vorzüge der Isolation behandelt das Album Themen, die wichtig waren, vermutlich auch noch sind, aber über die keiner mehr etwas hören mag. Musikalisch bieten Kaminers Antikörper auf dem Album durchweg Partisanendisko.
ce

KARWENDEL
Im Lichte der Zeit
(Backseat)


Auffallend hell klingt die Stimme des Hamburgers Sebastian Król, der sich auf einer einsamen Berghütte zu diesen Songs inspirierte. Unterstrichen durch den ausdrucksvollen Einsatz von Klarinette, Geige, Piano und Saxofon bringt er in poetisch präziser Sprache das Phänomen der Zeit, sei es der Moment oder die Ewigkeit, zum Schwingen. Intimität und Zerbrechlichkeit des Stils erinnern ein wenig an Damien Rice.
is
ANNIE KEATING
Bristol County Tides
(Gallway Bay Music)


Album Nummer acht legt die New Yorkerin Annie Keating mit Bristol County Tides vor. Ein Album geprägt von der Pandemie, mit fünfzehn Songs, in denen sie ihr Leben resümiert und sich die Frage stellt, was noch vor ihr liegt. Gerne wird Keating mit Lucinda Williams verglichen. Tatsächlich ist ihr Songwriting ähnlich ungestüm und bluesgetränkt, wenngleich viel Raum für introspektive Momente bleibt.
mf

DAVID KEENAN
What Then?
(Rubyworks)


Gerade mal sein zweites Album veröffentlicht das irische Supertalent David Keenan mit What Then?, und es klingt, als wäre er seit zwanzig Jahren im Geschäft. Ob Waterboys oder Coldplay, die Songs von Keenan können sich mit den Großen messen. Bereits sein Debüt erreichte die Spitze der irischen Indiecharts, mit diesem Album und ein wenig guter PR kann der Durchbruch gelingen.
ce
RODRIGO LEÃO
A Estranha Beleza Da Vida
(BMG)


Rodrigo Leão war Gründungsmitglied der Lissaboner Gruppe Madredeus. 1994 begab er sich auf Solopfade. Im Laufe der Zeit ist er mit unterschiedlichsten Musikern und Musikerinnen aufgetreten, nahm Filmsoundtracks auf und spielte mit dem Gulbenkian Orchestra and Choir. Das aktuelle Album bietet Kammerpop mit vielen Gästen. Das Stück „A Voz De Sal“ mit der Stimme der Andalusierin Martirio ist ein Höhepunkt des Albums.
mst

CHRISTIAN LEHR
Bear
(Eigenverlag)


Fingerpickinggitarre mit Rockattitüde – der Akustikgitarrist macht mit hart angeschlagenen Saiten, schwebenden Flageoletttönen und tanzenden Melodien viel Druck. Der Musiker aus Odernheim bringt auf seinem hervorragend aufgenommenen Debüt Sologitarrenmusik mit ganz vielen eigenen Ideen, Klängen und Spielweisen. Das ist hoch virtuose Gitarrenmusik abseits ausgetretener Pfade.
uh
SÉBASTIEN LITTLESTONE
Fundamental
(Eigenverlag)


Hier öffnet sich die unwiderstehliche Welt der Handpans. Sébastien Petitpierre, wie er wirklich heißt, ist ein wahrer Meister des Blechklanginstruments. Auf seinem Debüt präsentiert der dreißigjährige Schweizer die große tonale Vielfalt der Aufschlagidiofone oder Selbstklinger aus Stahlblech. Seine dreizehn hörenswerten melodischen Eigenkompositionen lassen einen nicht mehr los.
ep

BAPTISTE LOOSFELT
Mésun
(AEPEM)


Der junge Geiger Baptiste Loosfelt hat ein Album mit traditioneller Tanzmusik der Region Poitou (im Westen Frankreichs) vorgelegt. Zu hören sind vor allem Avant-Deux, Mazurkas und Walzer. Loosfelt spielt kraftvoll, aber meist allein. Die Musik gewinnt, wenn (selten) ein Akkordeon oder eine Drehleier hinzukommt.
chr
MAARIKA & THE FROCODILES
Tree Dimensional Tunes
(Global Music Centre)


Die Musik Maarika Autios hat ihre kulturellen Wurzeln an der westafrikanischen Küste, und doch wachsen ihre Bäume, um im Bild zu bleiben, in der finnischen Heimat. Namensgeber des Albums ist das Balafon, wobei in der Mandinka-Sprache „bala“ Baum oder Holz und „fô“ Sprechen bedeutet. Das sie begleitende akustische Jazzensemble spielt extrem präzise, leider nur 33.14 Minuten.
cs

JUANA MOLINA
Segundo
(Crammed Discs)


Liegt es an coronabedingter Nichtauslastung oder der Lust der Singer/Songwriterin und Electrotüftlerin aus Buenos Aires, ihr zweites Album (2000) nun neu gemastert auch dem letzten ihrer Fans zugänglich zu machen? Diese werden sich garantiert erfreuen am typisch (auch gesanglich) minimalistischen Molina-Sound der vierzehn Songs, die sehr heutig klingen, wenngleich etwas weniger elektronisch verspielt als die letzten Alben.
kw
DAVID MUNYON
American Guitar
(Mobile Home Records)


Nach mehreren persönlichen Schicksalsschlägen und gefühlter Perspektivlosigkeit in der Pandemie griff der US-Musiker zur Gitarre und nahm im Keller eines Freundes in Alabama dieses Album auf. Die Auswahl der Songs aus seinem Katalog folgte der besonderen Atmosphäre dieser Zeit, vorgetragen mit altersangerauter Stimme. Verständlicherweise dominieren die dunklen Farben: aus Gründen.
vd

LUCIEN PILLOT
Vielle À Roue – Musique Traditionelle Du Nivernais
(AEPEM)


Wie es der Titel sagt: traditionelle Musik aus der französischen Region Nivernais, virtuos auf Tenor- und Altdrehleiern eingespielt von dem jungen Drehleierspieler Lucien Pillot. Dieses Album mit dreizehn Soloinstrumentalstücken und drei gesungenen Liedern zur Leier ist allerdings eher etwas für Drehleiernerds auf der Suche nach neuem Repertoire. Am besten nur in homöopathischen Dosen goutieren.
uj
MAXI PONGRATZ, MICHA ACHER & VERSTÄRKUNG
Musik für Flugräder
(Trikont)


Otto Lilienthal kennt jeder, Gustav Mesmer kaum jemand, was daran liegt, dass seine Versuche, mit Fahrrädern zu fliegen, nie erfolgreich waren. Wenn man seine Versuche im Film ansieht, hat es was Skurriles, aber auch Anrührendes. Beides bringen die neun Musiker dieses Albums mit ihrer rein instrumentalen, persönlichen Filmmusik zum Ausdruck.
mas

Jennifer Porter
Sun Come And Shine
(Eigenverlag)


Wird auf einem Album in jedem Song ein „you“ angesungen, weiß man: Hier geht es um die Liebe. Die Sängerin mit der kristallklaren Stimme beginnt denn auch mit sexy Schmusejazz für gedimmte Stimmungen, wenn „Show Me Your Love“ angesagt ist, steigert sich zu emotionsgeladenem, fingerschnippendem New Orleans Groove und endet mit sanftem Countrypop. Für Freundinnen von Madeleine Peyroux und Norah Jones.
mwi
Michael Publig
¡Caliente!
(Publig Music)


Die Spezialität des österreichischen Pianisten Michael Publig ist es, E-Musik mit Jazz und lateinamerikanischer Musik zu verbinden. Er wirbelt durch die Stile und zwischen Kuba, Spanien und österreichischer Klassikheimat hin und her. Seine an Chick Corea orientierten Jazzrockstücke überzeugen allerdings eher als seine ambitionierten Suiten.
hjl

NIAMH REGAN
Hemet
(The Black Gate Label)


Das 2020 erschienene Debüt der irischen Songschreiberin wird nun auch hierzulande veröffentlicht. Mit beeindruckender stimmlicher Wandlungsfähigkeit mäandert Regan durch elf Titel voller Emotionen wie Melancholie, Glück und Zuversicht. In schnörkellosen, ausgewogenen Arrangements, bei denen sie sich mit Piano, Geige und Gitarre begleitet, verbindet sie Einflüsse keltischer Folktradition mit Soul und Pop.
is
TOM ROBINSON & CREW
Live At Rockpalast 1984
(MIG Music)


Ja, auch Robinson war in den Siebzigern mal ein Folkie, und viele seiner Songtexte zeigen das. Bekannt jedoch wurde er mit Krachern wie „2-4-6-8 Motorway“ oder „Back in The Old Country“, die neben sechzehn anderen Songs auf diesem Mitschnitt aus der Zeche in Bochum natürlich auch zu finden sind. Alles wie üblich als Audio- und Video-CD. Heute ist er übrigens wieder eher im folknahen Musikbereich tätig.
mk

YUSSUF SAHILLI
Fake
(Musszo Records)


Nomen est omen: Das Schubladendenken ordnet Künstlernamen und Musiklegende gleich in die Ethnoecke. Aber weit gefehlt! Was hier aus den Boxen kommt, ist energiegeladener Indierock und Postpunk, verzerrte Gitarren und treibendes Schlagzeug. Die beiden vorherigen Alben beschrieb die Presse als „smarten Folkpop“ mit „heiter-gelassener Stimmung“. Und jetzt so ein Brett! Dieser Berliner mag die Überraschung – gut so.
is
LENNART SCHILGEN
Populärmusik
(Kleingeldprinzessin Records)


Fünf Popsongs mit leicht schrägen und raffinierten Texten, die gerne mit einem unterschwelligen Grauen spielen, hat sich der Berliner Lennart Schilgen ausgedacht. Kleine und große Beziehungsdramen von abflauender und nicht beginnender Liebe, Liebesausrutschern und Liebesfolgen, die einen immer wieder mit Wendungen überraschen, besingt er wie selbstverständlich mit geradezu unschuldiger Leichtigkeit.
rk

SCHWESSI
Achtung Überlebensgefahr
(Pussy Empire Recording)


Humorvoll setzt Catharina Boutari als „große Schwester des Deutschpop“ mit ironischen, schlauen Texten Statements gegen die allgemeine Verunsicherung und das Schubladendenken. Mitreißend wortgewandt in heiserem Hamburgisch thematisiert sie z. B. das Schicksal alleinerziehender Mütter, Toleranz oder die innere Widersprüchlichkeit. Der Mix aus Feminismus, Power, Lässigkeit und Formulierungen, die ihre Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg erahnen lassen, macht Spaß.
is
SEBEL
2020 im Schlafanzug besiegt
(Sebel Records)


Mit seinem Lied „Zusammenstehen“ sorgte er im Coronalockdown 2020 für Aufsehen. Jetzt legt er mit einem Album dazu nach. Natürlich mit viel Bezug zum Virusfrust. In seinen rockigen Popsongs besingt Sebastian Niehoff aber auch die vielen Ernüchterungen des Alltags. Wirklich herausstechend ist der Titel „Stalingrad“ über die Unsinnigkeit des Krieges.
ep

Juliana
Da Silva Vai Samba Meu
(O-Tone Music)


Die in Deutschland tätige Brazil-Jazzerin hat sich bekannte ungarische Mitspieler wie den Tenorsaxofonisten Tony Lakatos oder den Cymbalonspieler Mihály Farkas gesucht. Mit ihrem Gesang kann Da Silva sowohl die Dynamik ihrer Begleiter vorantreiben als auch als ruhender Pol wirken oder synchron mitsingen. Einfallsreich und voller Spielfreude.
hjl
LIV SOLVEIG
Slow Travels
(Revolver Distribution Service)


Liv Solveigs Kompositionen fühlen sich in ihrer Langsamkeit und Komplexität wie ein Meisterwerk der nordeuropäischen Soundkünstler an. In der Sorgfalt der Produktion und der Liebe zum Detail erinnert das Debütalbum der norwegisch-deutschen Künstlerin sogar an die Spätwerke von Kate Bush. Strukturen des Pop folgend, braucht diese Musik einen passenden klassischen Rahmen, wie vielleicht den der Elbphilharmonie.
ce

SUNDAY
Inner Coasts
(K & F Records)


Laut Presseinfo brilliert die dänische „Folkband Sundays mit introspektivem Folk und dem gleichzeitigen [sic!] unbändigen Willen zu großen melodischen Hooks“. Wer sich darunter etwas vorstellen kann, ist mit dem Album sicher gut bedient. Sundays singen auf Englisch, sie flüstern gern, haben aber auch eine Vorliebe für Kopfstimme, es gibt Anklänge an A-ha, Folk jedoch nur in homöopathischen Dosen.
gh
STEVE TALLIS
Where Many Rivers Meet
(Eigenverlag)


Rau und ungeschliffen ist dieses Album des Australiers Steve Tallis. 25 Songs aus dem Leben und der Perspektive eines Musikers, nur Gesang und Gitarre, diese abwechselnd akustisch oder elektrisch verstärkt. Aufgenommen in Mono, also wird auch hier nichts beschönigt. „Right In The Face“ schlagen einem die Stücke entgegen, und auch damit muss man klarkommen.
ah

ALLAN TAYLOR
Win Or Lose
(Stockfisch)


Der Meister atmosphärischer Songs. Der britische Sänger meldet sich mit einer Wiederveröffentlichung von 1984 zurück. In den Songs erzählt er von Reisen und Begegnungen. Melancholische Lieder, eine unvergessliche Stimme sowie ruhige Gitarren- und Pianobegleitung. Das Label hat die Musik klanglich poliert. Als Hardcoverbuch aufgemacht, ist das Album ein sehr schönes Sammlerstück.
uh
WAFFELLOBBY
Zeit zu geh’n
(Eigenverlag)


Hinter dem ironischen Namen verbirgt sich der junge Erfurter Songwriter, Texter und Gitarrist Florian Jaster mit sieben deutschsprachigen Songs, in der Mehrzahl schlichten Liebesliedchen zwischen Pop und Rock. Einzige Ausnahme ist „Dustin“, welches sich – mit Hip-Hop- und Reggae-Elementen – gegen Rechtsradikale wendet. Die äußerst spartanisch gestaltete CD enthält weder irgendwelche Infos noch Texte.
rps

WEST OF EDEN
Taube
(West of Eden Music)


Die schwedische Band mit dem irischen Einschlag stellt Vertonungen von Liedern des schwedischen Nationaldichters Evert Taube vor. Dessen eingängigen Melodien bekommt das sehr in Kirmesmusik gehende Treatment der Band nicht gut. Am ehesten gehen noch die langsamen Balladen durch, die durch Jenny Schaubs bezaubernde Stimme veredelt werden. Eingestreute irische Tuneelemente sind spielerisch prima, aber konzeptuell in dieser Musik nicht stimmig.
js
MORITZ WEISS
Vocal Klezmer Sounds
(Preiser Records)


Unter dem Dirigenten Simon Erasimus wurden drei philosophische und musikalische Themen der Benediktinerin Hildegard von Bingen (1098-1179), von der katholischen Kirche als Heilige verehrt, in einem „kulturübergreifenden Oratorium“ am 10. Juni 2019 auf Schloss Feistritz aufgenommen – ergänzt durch die Klarinette des Steirers Moritz Weiß, des Weiteren Maximilian Kreuzer (b), Georg Kroneis (v) und Stefan F. Steinhauser (g) sowie einem Ensemble von zwölf klassischen Sängerinnen und Sängern.
mg

ADA VO ZÜRI
Heldeträne
(Narrenschiff)


D’ Ada vo Züri singt Züritütsch, das Schweizerdeutsch von Zürich, der Stadt der Banker und Reichen. Im Rest der Schweiz gilt der Dialekt als hässlich mit arrogantem Unterton. Bei Ada tönt das etwas anders. Sie singt über Gefühle und über diejenigen auf der Schattenseite der Stadt. Das Album, auf dem Ada fast alle Instrumente selbst spielt, verströmt eine gewisse Nähe zur Volksmusik
mst
Autoren und Autorinnen: Rolf Beydemüller (rb), Volker Dick (vd), Chris Elstrodt (ce), Michael Freerix (mf), Matti Goldschmidt (mg), Gabriele Haefs (gh), Achim Hennes (ah), Udo Hinz (uh), Ulrich Joosten (uj), Mike Kamp (mk), Rainer Katlewski (rk), Ines Körver (ink), Hans-Jürgen Lenhart (hjl), Erik Prochnow (ep), Christian Rath (cr), Johannes Schiefner (js), Michael A. Schmiedel (mas), Christoph Schumacher (cs), Imke Staats (is), Reinhard „Pfeffi“ Ständer (rps), Martin Steiner (mst), Katrin Wilke (kw), Martin Wimmer (mwi)


Online-Buchrezensionen folker #1.21
 GÜNTHER LEIFELD-STRIKKELING: Pollmeiers Amp : Roman.
GÜNTHER LEIFELD-STRIKKELING
Pollmeiers Amp : Roman.
bod.de
(o. O. : Book on demand, 2020. – 320 S. )
ISBN 978-3-7504-1943-8 , 9,99 EUR


Im Mittelpunkt dieses Romans des Musikers Günther Leifeld-Strikkeling steht keine Person, sondern ein kleiner Amp. Richtig gehört! Der Amp ist bereits über achtzig Jahre alt, hat entsprechende Gebrauchsspuren. Er erzählt die eigentliche Geschichte, führt uns durch achtzig Jahre Musikgeschichte von seiner Herstellung bis zur Gegenwart. Er berichtet von seinen Besitzern und ihren Musiklaufbahnen, von der Elektrifizierung der Musik, die er miterlebt hat, auch wenn er nur ein ganz kleiner Amp ist und nicht im großen Musikbusiness zu Hause war. Somit zieht sich die Geschichte von einem Ort zum nächsten, ausgehend vom Jahr 1939, als er in Chicago, Illinois sozusagen das Licht der Welt erblickte. Es geht um die Straßenmusik der Dreißiger-, Vierzigerjahre und deren Bemühen, mehr als einfach nur Songs zu spielen, und reicht bis in die Gegenwart, die Zeit von Pollmeier und seiner Band. Und natürlich geht es auch um die Suche nach dem besten Klang (man erfährt viel über Musikequipment und Instrumentenbau) und um die Erkenntnis, dass beziehungsweise wie ein Amp die Musik verändern kann. In diesem Roman geht es auch um Liebe – um die Liebe zur Musik und zu eben diesem Amp.
Doris Joosten
 GERHARD BRUNNER / HELMUT KAGERER: Harmonielehre für Gitarre : Endlich weniger falsch spielen!.
GERHARD BRUNNER / HELMUT KAGERER
Harmonielehre für Gitarre : Endlich weniger falsch spielen!.
spurbuch.de
(Baunach : Spurbuchverl., 2020. – 128 S. : mit Noten + zahlr. TAB)
ISBN 978-3-88778-604-5 , 22,80 EUR


Nach 2015 veröffentlicht Gerhard Brunner erneut eine Harmonielehre für Gitarre, diesmal jedoch zusammen mit Helmut Kagerer und im Spurbuchverlag. Ansonsten ist die Ausgabe scheinbar ähnlich konzipiert. Mit diesem Lehrbuch wollen die Autoren nicht die Beschäftigung mit der Theorie in den Vordergrund stellen, sondern sie beschränken sich darauf, die Harmonielehre nur soweit vorzustellen, wie sie für Gitarristen in der praktischen Anwendung nützlich ist. Dadurch soll die Lust am Musizieren weiter im Vordergrund stehen. Die Autoren konzentrieren sich darauf, dass der Gitarrist Akkordverbindungen und daraus entstehende Musikstücke versteht und sie dadurch in der Praxis anwenden kann. Dabei gehen sie auch auf die Besonderheiten des Blues ein. Alles in allem kein Buch für Gitarren- beziehungsweise Harmonielehre-Anfänger.
Doris Joosten