Folker-Logo   Abo   Mediadaten/Anzeigen


Suche
   Intern   Über uns


Kontakt/Impressum/Datenschutz

       
Aktuelle   Ältere   Gesamtverzeichnis   Bemusterung
 
Tonträger, Bücher, DVDs, Filme, Platten­projekte und beson­dere Empfehlungen der Folker-Redaktion.


Tonträger


Besondere

Deutschland

Europa

Welt

Kurzrezensionen

Weitere Rezensionen

Online-Rezensionen

Gelistet


Plattenprojekt


Plattenprojekt


Bücher / DVDs / Filme


Bücher

DVDs

Cinesounds

Bücher
 SHOW OF HANDS: No Secrets : A Visual History of Show of Hands / Text: Phil Beer …
SHOW OF HANDS
No Secrets : A Visual History of Show of Hands / Text: Phil Beer …
showofhands.co.uk
(London : Flood Gallery Publ., 2017. – 220 S. : überw. Fotos, mit erl. Texten)
ISBN 978-1-911374-01-5 , 60,00 GBP


Vor 25 Jahren fanden Show of Hands zusammen und entwickelten sich zu einem englischen Folkduo der Extraklasse mit ebensolcher Dame. Sie waren nie für halbe Sachen zu haben und machen alles immer genau auf ihre spezielle Art, zum Beispiel die renommierte Royal Albert Hall bereits fünfmal in den größten Folkclub Englands verwandeln. Da verwundert es nicht, dass Show of Hands auch ihre Silberhochzeit mit einem Knaller feiern. Oder besser gesagt, mit einem veritablen doorstopper, wie die Engländer dicke, schwere Bücher nennen. Das Werk kommt in einer so genannten „deluxe edition“ daher, natürlich auch deluxe im Preis, Spezialpapier, stabiles Cover und ebensolche Bindung, geschützt im soliden Schuber. Das macht optisch schon was her, und Folker-Fotochef Ingo Nordhofen ist ebenfalls vertreten, zumindest mit einem, wenn auch kleinen Foto. Innen dominieren entsprechend dem Untertitel die Schwarz-Weiß- und Farbfotos von Kindertagen bis gestern, geschmackvoll und abwechslungsreich layoutet. Durchgängig auffallend: Bei den offiziellen Promofotos scheint die Devise zu lauten „Zeige nie deine Zähne“, und meist ist die Lage offensichtlich ausgesprochen ernst. Der Text ist größtenteils wörtliche Rede der Protagonisten, und da zeigt sich wenig überraschend Knightley als der Mensch mit dem größten Mitteilungsbedürfnis, schließlich schreibt er die Songs. Nach der Lektüre weiß man: Phil Beer lässt ihn. Das persönliche Bandgeheimnis: Die beiden überzeugten West-Country-Boys akzeptieren sich so, wie sie sind, und geben sich gegenseitig den nötigen Spiel- und Freiraum, jeder hat und akzeptiert seine Rolle, Bassistin Miranda Sykes inklusive, fast wie in einer erfolgreichen Ehe. Das Thema und besonders der Preis garantieren, dass dieses schöne Buch nicht von Musikfreunden generell gekauft werden wird, sondern ausschließlich von Fans. Davon haben Show of Hands allerdings genug, und diese Fans werden selbstredend absolut begeistert sein.
Mike Kamp
 GARNET ROGERS: Night Drive : Travels with My Brother / a memoir by Garnet Rogers.
GARNET ROGERS
Night Drive : Travels with My Brother / a memoir by Garnet Rogers.
garnetrogers.com
(o. O. : Tickle Shore Publ., 2016. – 735 S. : mit s/w-Fotos im Anh.)
ISBN 978-0-9950742-0-0 , 30,00 CAD


Garnet Rogers ist ein hierzulande leider kaum bekannter Singer/Songwriter aus Kanada, der mit samtweichem Bariton gefühlvolle eigene Songs in einem musikalischen Stilmix zwischen Blues, Rock, Country und klassischer Musik interpretiert. Rogers hat bislang sechzehn Alben veröffentlicht, dennoch steht er immer noch zu Unrecht im Schatten seines „großen“ Bruders, der kanadischen Folkmusikikone Stan Rogers. Der Liedermacher und Sänger verhalf mit Liedern wie „The Mary Ellen Carter“, „Barrett’s Privateers“, „Northwest Passage“ und vielen anderen der kanadischen Folkmusik zu neuem Selbstbewusstsein und einer neuen Identität. Stan Rogers starb 1983 im Alter von nur 33 Jahren an Bord einer Air-Canada-Maschine nach der Landung in Toronto, vermutlich an den Folgen einer Rauchvergiftung. Sein jüngerer Bruder Garnet, der mit knapp achtzehn Jahren Mitglied in seiner Band geworden war, spielte Violine, Whistle und Gitarren und sang Backing Vocals. Zusammen mit wechselnden Bassisten versuchten die drei völlig unbekannten Musiker ab Mitte der Siebzigerjahre, mit Musik ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nach Stan Rogersʼ Tod setzte sein Bruder seine musikalische Karriere solo fort. Während seiner Konzerte erzählte er immer wieder Anekdoten vom Leben und von den Reisen mit seinem Bruder, seine Zuhörer drängten ihn immer wieder, sie aufzuschreiben. Nun liegt eine Autobiografie vor, in der der „kleine Bruder“ in einem großformatigen, dicken Paperback auf 735 Seiten seine Erinnerungen wachwerden lässt, wie es war, mit Bruder Stan „aufzuwachsen, Musik zu entdecken und zu lernen in einer Band zu spielen. Wie die Lieder geschrieben und aufgenommen wurden. Wie das Leben unterwegs war, als es noch keine Independentmusikszene gab. Und nahezu jede blöde, unerklärbare und bizarre Geschichte, die ein paar jungen Idioten widerfahren konnte, die naiv genug waren zu glauben, sie könnten damals Mitte der Siebziger und frühen Achtziger mit Folkmusik ihren Lebensunterhalt verdienen“ (Umschlagtext). Garnet Rogers hat eine ungemein zupackende, kraftvolle Prosa, lakonisch, trocken und schonungslos, vor allem aber auch witzig. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er das Denkmal Stan Rogers zwar nicht vom Sockel stürzt, es aber ins rechte Licht rückt. Er lässt die vermeintliche Lichtgestalt wieder zu einem menschlichen Wesen mit positiven wie negativen Seiten werden. Man erlebt den langsamen, aber stetigen Aufstieg Rogers’ zum gefeierten „Star“ mit, spürt hautnah die Stimmung im Bandbus, wenn nach stundenlangen Fahrten von Ost nach West die Nerven blank liegen, fühlt sich klebrig in einer endlosen Zahl versiffter sogenannter Venues, riecht den süßlichen Duft verfeinerter Zigaretten und schmeckt den billigen Alkohol auf der Zunge, der im Laufe des Buches und im Leben von Garnet Rogers eine immer prominentere Rolle spielt. Für die Fans der Brüder ist das Buch unverzichtbar – leider hat es einen hohen Preis. Wenn man es in gedruckter Form besitzen will, kostet es inklusive Versandkosten 70 kanadische Dollar. Das Buch ist allerdings auch als E-Book erhältlich und kostet dann je nach Version zwischen 16 und 20 Dollar.
Ulrich Joosten

 BILLY BRAGG: Roots, Radicals And Rockers – How Skiffle Changed The World.
BILLY BRAGG
Roots, Radicals And Rockers – How Skiffle Changed The World.
faber.co.uk
(London : Faber & Faber, 2017. – 431 S. : mit s/w-Fotos)
ISBN 978-0-571-32774-4 , 20,00 GBP


Skiffle? Das waren doch Lonnie Donegan und diese Typen mit Waschbrett und Teekistenbass, die für magere zwei bis drei Jahre in den Fünfzigern auf der Bildfläche auftauchten. Und über diesen Wimpernschlag der Musikgeschichte ein ausgewachsenes Buch und das auch noch von Billy Bragg, das kann doch nur ein Irrtum sein, oder? Keinesfalls, auch wenn der Verlag den Untertitel eine Spur zu hoch ansetzt. Bragg ist die Idealbesetzung für dieses Buch, denn er entstammt einer anderen britischen Musikrevolte mit Wurzeln in den USA namens Punk und hat daher eine Antenne für die nachhaltigen musikalischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die sich in den Fünfzigern vollzogen. Skiffle als kurzlebige britische Modewelle hatte Wurzeln im Tradjazz aus New Orleans, kannte zwar zum Beispiel Jug Bands als Parallelen in den USA, war aber eindeutig ein britisches Phänomen. Die erste Musik, die von jungen Menschen für junge Menschen gemacht wurde und die sich zumindest von ihrer Idee und der Basis her dem Musikgeschäft verweigerte. Eine einfache Musik für billige Instrumente, die sich die Jugendlichen leisten konnten, eine Musik, die auf ihrem Höhepunkt circa 1957 von sage und schreibe 30.000 bis 50.000 Bands in Großbritannien gespielt wurde, astreiner kultureller Do-it-yourself – eben wie Punk. Bragg arbeitet all das ausgesprochen minutiös und nachvollziehbar heraus, ernsthaft und sehr detailliert. Sein Selbstverständnis gebietet ihm ebenfalls, die sozialen Umwälzungen und die ersten Jugendrevolten jener Zeit miteinzubeziehen. Er zeigt auch deutlich die politischen Randerscheinungen der Skifflebewegung (etwa die Campaign for Nuclear Disarmament) und weist nach: Ohne Skiffle wäre das Folkrevival anders verlaufen und auf der anderen musikalischen Seite, ohne Skiffle keine Beatles und was danach folgte. Ja, Skiffle war eine kurzlebige akustische Musik, aber Bragg weist ihr den korrekten Platz zu als unverzichtbares, jugendbezogenes Bindeglied zwischen Nachkriegsdepression und Rock-’n’-Roll-Aufbruch. Wer Skiffle auf „Rock Island Line“ reduziert, hat Skiffle nicht verstanden. Oder dieses Buch nicht gelesen.
Mike Kamp
 MICHAEL BEHRENDT: I Don’t Like Mondays : Die 66 größten Songmissverständnisse.
MICHAEL BEHRENDT
I Don’t Like Mondays : Die 66 größten Songmissverständnisse.
theis.de
(o. O. : Theiss, 2017. – 224 S.)
ISBN 978-3-80623-485-5 , 19,95 EUR


Nun, von den „66 größten“ Songmissverständnissen zu reden, ist reichlich übertrieben. Es gibt unzählige weitere Musiktitel, die missverstanden und oft auch politisch missbraucht wurden. Behrendts Auswahl von bekannten und weniger bekannten Songs aus den Vierzigerjahren bis heute ist ausgesprochen subjektiv. Sein kurzweiliger Erzählstil macht das Buch dennoch zu einer netten Lektüre, bei der auch der Kenner die eine oder andere neue Erkenntnis gewinnen mag. Natürlich fehlen weder von konservativen Kreisen gerne vereinnahmte Songs wie Bruce Springsteens „Born In The USA“ oder Woody Guthries „This Land Is Your Land“ noch so völlig falsch interpretierte Lieder wie „I Donʼt Like Mondays“ von den Boomtown Rats, das keineswegs ein Stück für Montagsmuffel ist, sondern den Amoklauf einer minderjährigen Schülerin aufarbeitet, oder „Every Breath You Take“ von The Police, ein Stück über Stalking, das als Schmusehit gefeiert wurde. Viele kennen Udo Jürgensʼ Schlagerhit „Griechischer Wein“ von 1974, der sich auf zahllosen Saufliedsamplern findet. Doch wenigen dürfte bewusst sein, dass es in dem Text um die Erfahrungen von Gastarbeitern geht zu einer Zeit als „‚Willkommenskultur‘ noch ein Fremdwort war“. Am wichtigsten scheint mir Behrendts 21-seitiges Vorwort zu sein, in dem er sich mit den vielseitigen Gründen für „Missverständnisse“ auseinandersetzt und dabei Goethe als Kronzeugen zitiert: „Keiner versteht den anderen ganz, weil keiner beim selben Wort genau dasselbe denkt wie der andere.“
Michael Kleff

 WALTER ZEV FELDMAN: Klezmer : Music, History & Memory.
WALTER ZEV FELDMAN
Klezmer : Music, History & Memory.
global.oup.com
(o. O. : Oxford Univ. Pr., 2016. – XXIV, 412 S.: mit s/w-Fotos u. Notenbeisp.)
ISBN 978-10-19-024451-4 , 56,00 GBP


Um es in einem Satz zu sagen: Keiner, der irgendwie mit Klezmer zu tun hat, kommt an diesem Buch vorbei. Prof. Dr. Walter Zev Feldman gilt gemeinsam mit seinem Kollegen Andy Statman als derjenige, der unter anderem den Tsimbel (ein Hackbrett) spielend, für das Wiederbeleben der Klezmermusik Ende der Siebziger verantwortlich gemacht werden kann. Feldman hat ein Buch veröffentlicht, das genau das beinhaltet, was der Titel verspricht: Musik, Geschichte und Erinnerung. Dabei geht es nicht nur historisch in die Tiefe, zurück zu den Ursprüngen bis ins Prag des sechzehnten Jahrhunderts, sondern weist als Ergebnis umfangreicher Feldforschungen eine überraschende Fülle an Anekdoten auf, welche die Thematik Klezmer als (politische) Grenzen überschreitendes Phänomen osteuropäisch-jüdischer Kultur dem Leser näherbringen soll. So beschreibt Feldman mit dezidierter Präzision über mehrere Seiten den Ursprung des aus dem Hebräischen stammenden Wortes Klezmer, welches aus kli für „Behälter“ oder „Instrument“ und zemer für „Lied“ entstand und in der Verbindung allgemein ein Musikinstrument bezeichnet. Natürlich ist Klezmer nicht ohne Tanz zu verstehen, weshalb sich unter anderem ein Extrakapitel über die Entstehung des Sher findet. Zwar bedauert Feldman, dass der osteuropäisch-jüdische Tanz bis dato viel zu wenig Gegenstand akademischer Untersuchungen war, nichtsdestotrotz bestätigt er, dass er seit jeher integraler Bestandteil jüdischer Kultur ist. Hierzu stellt er fest, dass sich der jüdische Tanz in „höchst bemerkenswerter Weise“ im mittleren Europa durch feste Figuren und vorgeschriebene Schrittkombination dem Umfeld anglich, während sich im Osten innerhalb der jüdischen Bevölkerung eine eigenständige Tanzkultur mit improvisierten Schrittelementen entwickelte. Ein Glossar, eine umfangreiche Bibliografie sowie ein Stichwortverzeichnis runden diese hervorragende Publikation ab, die in keinem Regal für Liebhaber jüdischer Musik fehlen sollte.
Matti Goldschmidt