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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

„Peace will come, peace will come, peace will come in time“, singt Nick Cave im „Spinning Song“ auf seinem nagelneuen Album Ghosteen. Cave meint den inneren Frieden für seine Ehefrau und sich nach dem Tod ihres Sohnes, der 2015 in Brighton verunglückte. Das Album ist wieder so ein melancholischer Cave-Wurf. Doch der Australier kann auch anders. Als er angegriffen wird, weil er im November 2017 in Israel aufgetreten war, spricht er Klartext: Ein Israel-Boykott von Künstlern sei seiner Meinung nach feige und beschämend. In einer E-Mail an Brian Eno, gern zitierter Aktivist der Boykott-Bewegung, schreibt Cave: „Ich unterstütze die gegenwärtige Regierung Israels nicht. Aber ich akzeptiere auch nicht, dass meine Entscheidung, in dem Land zu spielen, eine stillschweigende Unterstützung der Politik dieser Regierung ist“ (The Guardian, 11.12.2018). Ein weiterer Künstler, der sich seine Entscheidungsfreiheit nicht abnehmen lassen möchte, ist der Trompeter Avishai Cohen. „Wenn ein Staat Kultur unterstützt …, dann ist das eine gute Sache“ (Irish Times, 23.6.2016). Die Bemerkung bezog sich auf einen Avishai-Cohen-Gig in Dublin, der von der israelischen Botschaft subventioniert wurde. Warum jetzt hier das Ganze? Zur Erinnerung: In Heft 5/2019 erschien im Folker das Gastspiel „Plädoyer für die BDS-Bewegung“ der Anti-Israel-Kampagne Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen. Es löste einige inner- und außerredaktionelle Turbulenzen aus und forderte eine Auseinandersetzung mit dem Thema. Das war das Gute daran!
In dem Zusammenhang noch einmal zur Klarstellung: Unser Gastspiel ist eine Kolumne für Gastautoren, für deren Inhalt die jeweiligen Autoren verantwortlich
Cecilia Aguirre * Foto: Luisa Aguirre sind. Es muss also mitnichten mit der Haltung der Folker-Redaktion kompatibel sein.
Meine ganz persönliche Meinung zum Kulturboykott und der Forderung, Künstler sollten sich von aggressiver hegemonialer Staatspolitik distanzieren: Wenn sie es tun – in Bezug auf die Ukraine, Hongkong, den Jemen, die USA, Syrien, Israel und so weiter –, dann unbedingt immer ohne manipulative Drohgebärden im Rücken und in absoluter Freiheit. Gibt es überhaupt die absolute Freiheit? Ja, laut G. W. F. Hegel liegt diese im Geist. Ich fordere ja auch nicht von Künstlern, die in Deutschland auftreten, dass sie vor ihrem Gig auf die deutsche Verfassung schwören müssen, oder? Das käme mir im Kern totalitaristisch vor.
Angesichts dieses kontroversen Themas hat die Folker-Redaktion beschlossen, Anfang 2020 weitere Meinungsäußerungen zum Kulturboykott einzuholen – natürlich im Gastspiel. Ich bin schon sehr gespannt darauf!

Eure
Cecilia Aguirre