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Backkatalog   Ausgabe Nr. 1/2019   Internetartikel


Nachspiel

oder Beinahe das Letzte

 

ES IST AN DER ZEIT


Zu sehen ist ein ziehharmonikaartig zusammengefaltetes Autowrack, das gegen eine Autobahn-Warntafel geprallt ist mit der Aufschrift „Einer singt falsch – Viere sterben! Vorsicht beim Ablenkenlassen!“ Darunter sind vier wie Särge aussehende Instrumentenkoffer abgebildet, in denen jeweils eine Gestalt mit geschlossenen Augen kauert.


Ein neues Zeitalter bricht an. Eine Epoche, die ohne die Heroen des deutschen Folkrevivals klarkommen muss. Nun, wo zunehmend Grabsteine nach Folkloristen benannt werden, sollten auch Länder und Kommunen nicht zögern, Straßen, Plätze, Schulen, Auto- und Kulturhäuser, Altenstifte, Grünanlagen oder Sportstätten auf die Namen verdienter Folksänger*innen zu taufen.
Wen schert’s, dass die meisten von ihnen zu Lebzeiten selten mehr als ein-, zweihundert Stück von ihren Platten oder CDs los wurden – im Reich der Legenden wird in anderer Währung gelöhnt. Goethe zum Beispiel hasste August von Kotzebue, weil dessen Komödien viel populärer waren als sein Egmont oder Tasso. Heute kennt man nicht eines dieser Lustspiele mehr beim Namen, aber jedes Kacknest hat seine Goethestraße. Die August-von-Kotzebue-Allee hingegen sucht man vergeblich. Gewiss klingt „Johannes-Wader-Stadion“ erstmal ungewohnt – aber unsere Sprösslinge werden trotzdem dorthin pilgern und im Fanblock nach Herzenslust die Sau rauslassen. Sollte ihnen dann, eingegipst im Nest liegend, zufällig auf Youtube Es ist an der Zeit ins Ohr träufeln, wird ihnen ganz sicher warm ums Herz, und wir alle hätten der Leitkultur mal wieder ein zünftiges Drähtchen verlötet …