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Backkatalog   Ausgabe Nr. 1/2019   Internetartikel
»Hier ist alles das Nördlichste der Welt.«
Northern Expo * Foto: Knut Åserud

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Northern Expo

Pyramiden und Musik am 78sten Breitengrad

Der Sommer 2018 war zugegebenermaßen ungewöhnlich lang und heiß, aber wem ist schon Anfang Oktober nach Schnee, sehr viel Schnee? Logisch, dass die Einladung zur Northern Expo nicht gerade einen goldenen Herbst versprechen würde. Veranstaltungsort war schließlich Longyearbyen auf Spitzbergen – oder Svalbard, wie die Inselgruppe auf Norwegisch heißt –, die nördlichste Stadt der Welt mit knapp über zweitausend Einwohnern.

Text: Mike Kamp

Showcases sind sinnvolle Veranstaltungen, mit denen meist regierungsgesponserte Organisationen die nationale Musikszene des Landes komprimiert einer eingeladenen Schar von Multiplikatoren – Veranstalter, Festivals, Labels, Medien – anhand einer Serie von kurzen Konzerten präsentieren. Ein im besten Falle gelungener Überblick über eine Szene innerhalb von zwei bis drei Tagen. Es gibt also viele Showcases – und es gibt die Northern Expo! Das hat mehrere Gründe.
Der offensichtlichste Grund ist Longyearbyen beziehungsweise Svalbard. Der Ort auf halbem Weg zwischen Norwegen und dem Nordpol, umgeben vom Arktischen Meer, ist bereits ein Erlebnis der besonderen Art, ohne dass ein Ton Musik erklungen ist. Hier ist alles das Nördlichste der Welt: die Kirche, die Cocktailbar, die Schule, der Coop-Laden, der Flughafen, die Wochenzeitung Svalbardposten. Wir alle waren am nördlichsten Punkt unseres Lebens, obwohl … – dazu später mehr. Permanent gefrorener Boden, Wasserleitungen ebenso überirdisch wie alle Häuser, Eintritt in Hotels, Museen et cetera in Socken oder Hausschuhen, Aufenthalt außerhalb von Longyearbyen nur mit Gewehr (Eisbären!), und wo bei uns Fahrräder vor den Häusern stehen, sind es dort die Motorschlitten. Diese völlig ungewohnte Umgebung sensibilisiert, sie erhöht automatisch die Aufmerksamkeit für alles, was geschieht.
Der Veranstalter, das Network for Music Business Development in Northern Norway (RYK), hatte eine Mission: Zu beweisen, dass die Musik in Nordnorwegen eine eigene Identität hat, die auch in aller Welt verkauft werden kann. Die Teilnehmer an dieser ersten Northern Expo waren also freiwillige, gut gelaunte Versuchskaninchen. Auf eine mehr oder weniger geregelte Abfolge von kurzen Konzerten wurde größtenteils verzichtet. Stattdessen hatten die Veranstalter einzigartige Ideen, und die erste verwirklichten sie gleich am ersten Abend beim Eröffnungskonzert in der modernen Longyearbyen Concert Hall. „Ihr erlebt alle Künstler“, hieß es. Wie bitte soll denn das in weniger als neunzig Minuten funktionieren? Es hilft, wenn die Gruppen personelle Schnittmengen haben, aber Grundvoraussetzung ist ein risikofreudiger künstlerischer Leiter wie Brynjar Rasmussen. Der nämlich brachte Petter Carlsen, Julietnorth, Mørk, Marja Mortensson, Daniel Herskedal, Ánnásuolo, Aleksander Kostopoulos, Violet Road und die Tänzer von Kartellet in einer knapp achtzigminütigen Suite übergangslos und vor allem repräsentativ unter. Eine außergewöhnliche Leistung auch der Licht- und Sound-Technik, die dem Publikum aus Delegierten und Einheimischen stehende Ovationen abnötigte.

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