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Backkatalog   Ausgabe Nr. 6/2018   Internetartikel
 

Folker-Halbmast



Bernd Eichler

BERND EICHLER


14.6.1942, Berlin,
bis 13.8.2018, Berlin


Der gelernte Maschinenschlosser und studierte Philosoph, Jazzmusikant und Instrumentensammler war die treibende Kraft beim ostdeutschen Dudelsack-Revival. Ab 1973 spielte er bei Jack und Genossen, einer prägenden Band der frühen DDR-Folkszene. 1978 trat er mit seiner Gruppe Windbeutel beim internationalen Dudelsackfestival in Strakonice/ČSSR auf. 1980 rekonstruierte er anhand von Bildern, Beschreibungen und analogen Instrumenten die nicht überlieferten altdeutschen Dudelsacktypen Schäferpfeife und Hümmelchen. Wenig erfolgreich war er als Einflussagent, der die Szene ideologisch auf Linie bringen sollte.

Wolfgang Leyn



HANSJÖRG MALONEK


24.1.1959, Villingen,
bis 16.8.2018, Rosenheim


Wo immer Hansjörg Malonek tätig wurde, entstand etwas Wichtiges und Schönes – im Folk-Club und Guckloch-Kino Villingen, als Veranstalter von Konzerten und Filmabenden, sogar das erste richtige Bluegrass-Festival der Republik ging dort 1981 über die Bühne. David Grisman, Townes Van Zandt und unzählige Bluegrass-Stars lud er ein und förderte damit die Entstehung der süddeutschen Szene. Das Haus der Kultur im bayerischen Waldkraiburg wurde ab 1996 seine zweite Wirkungsstätte, die er mit einem ambitionierten Kulturprogramm überregional bekannt machte. Oper, Tanz, Marionetten, Kabarett, Comedy, Folk, Singer/Songwriter, Weltmusik, Americana – immer holte er die wichtigen Künstler ihres Fachs ins Haus. Bei Künstlern, Labels, Kollegen, Institutionen und Agenturen gleichermaßen beliebt, war Hansjörg immer am Puls der kulturellen Entwicklung und interessiert an Neuem, eine selten werdende Gabe in der Kultur heute. Dazu machte er sich oft genug auf, um vor Ort aktuelle Trends zu erspüren. Der großen Liebe zu „gutem“ Bluegrass, Country und Artverwandtem verlieh er in seiner wöchentlichen Radiosendung Ausdruck, und wenn dann noch Zeit war, widmete er sich seiner riesigen Filmplakat- und LP/CD-Sammlung. Sein früher Tod kam überraschend und schockierend. Wir alle vermissen einen wunderbaren Menschen, einen verlässlichen Freund und „partner in crime“. Unser Mitgefühl gilt jetzt vor allem Lebenspartnerin Kerstin und Schwester Silke. Mach’s gut Hansjörg … Und danke für die schöne Zeit mit dir!

Rainer Zellner



Peter Kingerske * Foto: Wolfgang Behnke

PETER KINGERSKE


19.3.1960, Hagenow
bis 9.9.2018, Schwerin  


Auf der Bühne des Windros-Festivals in Schwerin-Mueß, sein Bandoneon in der Hand, starb Peter Kingerske, einer der bekanntesten Musikanten der Folkmusik in Norddeutschland, im Alter von 58 Jahren. Im Augenblick seiner liebsten Tätigkeit, inmitten von Freunden, Kollegen und Bewunderern, ohne großen Abschied, legte er das Instrument beiseite und ging. In den Achtzigerjahren musizierte er mit Tüdderkram, einer Folkloregruppe an der Hochschule in Wismar. Peter war Mitorganisator der Folkfeste an der Mensa der Hochschule. Seit 1989 war er an der Organisation der sogenannten Folkurlaube beteiligt, der erste noch vor der Wende am Lipno-Stausee in der Tschechoslowakei und dann in den Neunzigern im Nordosten Deutschlands. Seine musikalische Heimat seit dieser Zeit war die Schweriner Gruppe Reel. In den letzten Jahren engagierte sich Peter Kingerske stark im Zentrum für Traditionelle Musik am Freilichtmuseum Schwerin-Mueß. Es entstanden Programme zur Ausstellung „Folk in der DDR“, Tanzmusikabende mit norddeutschen Tänzen und das regelmäßige Volksliedersingen im Freilichtmuseum. Es war eine wirkliche Stärke von Peter Kingerske, Leute in seinen Kreis zu ziehen und Austausch zu schaffen – menschlich und musikalisch. Er verstand, dass der Kern seiner Musik nicht die Präsentation auf der Bühne war, sondern die besonderen Momente, das Hochgefühl im Kreise der Musizierenden, Kommunikation und Miteinander. Wir werden seine Lieder weitersingen und ihn nicht vergessen.

Ralf Gehler



Rachid Taha * Foto: Amanda Rougier

RACHID TAHA


18.9.1958, Sig, Algerien,
bis 12.9. 2018, Les Lilas, Frankreich


Im Vorfeld der Schließung des Berliner RBB-Kanals Radio Multikulti zum Jahresende 2008 wurden die Hörer gefragt, mit welchem Song sich die Welle am Silvesterabend verabschieden sollte. Die meisten Stimmen entfielen auf den algerischen Oldie „Ya Rayah“ in der Version Rachid Tahas. Der war 1958 in Algerien zur Welt gekommen, aber bereits zehn Jahre später mit der Familie nach Frankreich übergesiedelt. Seine Jugendjahre verbrachte Rachid Taha in Lyon, wo er schließlich eine Band gründete, deren Name Carte de Séjour („Aufenthaltsgenehmigung“) sich auf den unsicheren Status vieler Migranten in Frankreich bezog und die algerischen Raï mit Rock, Punk und House mischte. Als prägenden Einfluss nannte Taha immer wieder The Clash aus England. Mit ihren politischen Texten wurden er und seine Kollegen zwar schnell in der französischen Antirassismus-Szene populär, trotzdem blieb der kommerzielle Erfolg aus. 1989 lösten sich Carte de Séjour auf und Rachid Taha ging nach Paris. Ab Mitte der Neunziger konnte er von der Musik leben. Er trat mit den Raï-Koryphäen Khaled und Faudel auf, sein eigener Stil aber enthielt immer eine kräftige Portion Rock und Punk. Von der BBC bekam er 2008 den Award for World Music. In den letzten Jahren wurde es etwas stiller um ihn. Kurz vor seinem sechzigsten Geburtstag starb Rachid Taha in seinem Wohnort bei Paris an einem Herzinfarkt.

Wolfgang König



Maartin Allcock * Foto: Brian Marks, Wikipedia

MAARTIN ALLCOCK


5.1.1957, Middleton, England,
bis 16.9.2018, Harlech, Wales


Allcock war ein Multiinstrumentalist – Hauptinstrument bundloser Bass – und Plattenproduzent, der mit Gruppen wie Jethro Tull, Fairport Convention oder The Mission durch die Welt tourte, aber auch mit kleineren Formationen wie der John Wright Band. Geboren wurde er in der Gegend um Manchester, und diesen Akzent legte er nie ab. So kam es auch, dass er sich 1987 einem seiner Heroen, dem irischen Fiddler Kevin Burke, mit langgezogenem „a“ vorstellte: „Mein Name ist Martin.“ Worauf jener erwiderte: „Ich werde dich Maart nennen, und ab jetzt musst du dich mit zwei ‚as‘ schreiben.“ Und so geschah es denn auch. Maart spielte auf über 300 Tonträgern als Sessionmusiker bei zum Beispiel Robert Plant, Cat Stevens, Ralph McTell, Kieran Halpin; er war das, was man einen „musician’s musician“ nennt. Anfang des Jahres wurde unheilbarer Krebs festgestellt. Es ist beeindruckend, auf seiner Website maartinallcock.com nachzulesen, mit welcher Würde und welch leisem Humor Maart mit seinem nahen Ende umging.

Mike Kamp



Peter Uhlmann * Foto: Michael Pohl

PETER UHLMANN


23.8.1950, Leipzig,
bis 24.9.2018, Leipzig


Mit Peter Uhlmann ist ein DDR-Folkie der ersten Stunde von uns gegangen. 1976 hatte er die legendäre Band Folkländer mitgegründet, 1983 rief er die Tanz & Spring Band (TSB) ins Leben, zwei Jahre später folgte die Haus & Hof Kapelle (Peter und seine Frau Christine mit ihren beiden Söhnen Johannes und Andreas, die als Duo sowie Namensgeber der Band ULMAN in den Neunziger- und Nullerjahren für Furore sorgen sollten). Peter Uhlmann fotografierte und mischte in der Organisation der entstehenden Tanzhaus-Feste mit. Alle Uhlmänner waren auch in irgendeiner Weise bei Leipzig Morris aktiv – Christine und Peter waren anglophil. In den Achtzigern klagte Peter regelmäßig: „Ich möchte im Leben nur einmal nach England, ich komme ja auch zurück, aber einmal sollen sie mich fahren lassen.“ Die DDR ließ ihn nicht, aber nach deren Ende konnte sich die Familie den Wunsch erfüllen. Viele seiner Helden traf Peter persönlich, die Late Night Band und Blowzabella, Fairport Convention und die Albion Band, Richard Thompson und Martin Carthy. Von den Kinks kaufte er sich zügig im Westen alle frühen Aufnahmen auf CD. 1991 wurde in Rudolstadt das Tanz & Folkfest gegründet. Peter Uhlmann, just als Chemiker arbeitslos geworden, wurde erster Chef des Festivalbüros. Er war nicht nur für viele Musiker und Agenten der erste Ansprechpartner, sondern auch das organisatorische Zentrum innerhalb des Festivalteams. Zum Essen musste man ihn zwingen, Zigaretten und Jever reichten ihm, und so war es kein Wunder, dass 2009 der Körper streikte. Peter trat kürzer, war aber weiterhin innerhalb des Festivals beispielsweise für die Straßenmusik zuständig. Noch zu seinem Geburtstag im August zeigte er sich guter Dinge; kurz danach ereilte ihn eine Herzinfektion, der er am 24. September erlag.

Bernhard Hanneken



Charles Aznavour * Foto: Mariusz Kubik, Wikipedia

CHARLES AZNAVOUR


22.5.1924, Paris, Frankreich,
bis 1.10.2018, Mouriès, Frankreich


Ein umgekehrter Scheinriese ist tot – je näher er einen kommen ließ, desto größer wurde er. Die Weltpresse hat ihn beerdigt, sein Heimatland Frankreich ebenso geehrt (geboren in Paris als Sohn armenischer Eltern) wie sein Herzensland Armenien, dessen weltweit bekanntester Botschafter er war. Von Kind an auf der Bühne, von Édith Piaf künstlerisch und menschlich ermannt, hatte „Asnovoice“ lange um Anerkennung der Kritiker zu kämpfen, wo er das Publikum längst umgarnt hatte. Wer einmal zwei Stunden durchflennend im Konzert bei ihm saß, weiß warum. Jung, stark, irritierbar, spätestens seit seinem achtzigsten Geburtstag „untouchable“, größter Weltstar des Chansons, unerbittlicher Arbeiter, diszipliniert, menschlich und selbstbewusst, perfekt im Auftritt und mit den dazugehörigen Mitteln ausgestattet. Bester Entertainer, fruchtbarster Melodist, Poet klassischer Faktur – der Mann, der das Leben der letzten siebzig Jahre in Geschichten goss. Unzählige Geschichten, unsere Geschichten, zeitlose Geschichten, gesungene Geschichten – mögen sie lange klingen, wo er sie selbst nicht mehr zum Klingen bringt.

Gerd Heger



JERRY GONZÁLEZ


5.6.1949, New York, USA,
bis 1.10. 2018, Madrid, Spanien


Der New Yorker mit puerto-ricanischen Wurzeln war gleichermaßen versiert als Trompeter und Conguero. Er spielte unter anderem mit Dizzy Gillespie, Eddie Palmieri und Tito Puente. Bekannt wurde er aber mit seiner Fort Apache Band, die auf originelle Art Jazz und afrokaribische Traditionen fusionierte und in der sein Bruder Andy den Bass bediente. Vor achtzehn Jahren, als George W. Bush die Präsidentschaftswahl gewann, übersiedelte Jerry González nach Madrid, wo er unter anderem die Piratas del Flamenco gründete. Er starb an einer Rauchvergiftung, nachdem in seiner Wohnung ein Brand ausgebrochen war.

Wolfgang König



Ingo Insterburg * Foto: Disuna, Wikipedia

INGO INSTERBURG


6.4.1934, Insterburg, Ostpreußen,
bis 27.10.2018, Berlin


In Zeiten, als man bei nahezu jeglicher künstlerischen Tätigkeit nach der gesellschaftspolitischen Relevanz fragte und der Begriff Unterhaltung beinahe ein Schimpfwort war, gründete Ingo Insterburg seine Spaßcombo Insterburg & Co. und wurde Wegbereiter für eine ganze Generation von Musikanten, deren Credo es war, ihr Publikum zum Lachen zu bringen und gute Laune zu verbreiten. Den einen oder anderen durchaus ernst gemeinten Denkanstoß gab’s gratis dazu. In den Medien wurden die Insterburger unsinnigerweise als Blödelbarden bezeichnet. Er selbst sah sich als Musik-Komödiant. Der Multiinstrumentalist spielte Gitarre, Geige, Querflöte und Saxofon. Überdies entlockte er selbstgebastelten Instrumenten die skurrilsten Klänge. Er malte und zeichnete, schrieb Romane und Gedichte und betätigte sich als Schauspieler. Der überzeugte Vegetarier, Nichtraucher, Antialkoholiker und Marathonläufer verlor den Kampf gegen ein bösartiges Krebsleiden.

Kai Engelke