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Backkatalog   Ausgabe Nr. 6/2018   Internetartikel




»Die applaudieren nur, weil ich einen Rock trage.«
Sara Watkins
Pauline Scanlon * Foto: Fiona Morgan

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Aktuelles Album:

Hannah Epperson, Slowdown
(Listen Records, 2018)

I’m With Her, See You Around
(Rounder Records/Concord Records, 2018)

Úna Monaghan, For
(Eigenverlag, 2018)

Pauline Scanlon, Gossamer
(Eigenverlag, 2016)


Cover The Bucovina Club Years


Auf Gleichberechtigungskurs

Starke Stimmen im Indie-Folk

Ein alter Diskurs, aber leider so aktuell wie eh und je: Gleichberechtigung der Geschlechter in den kreativen Industrien! Wäre es nicht schön, das Thema endlich begraben zu können, abzuschreiben als ein überkommenes Übel eines längst vergangenen Zeitgeistes? Leider finden Musiker*innen und Musikliebhaber*innen gerade dort unbequeme Realitäten, wo sie humanistische, aufgeklärte Werte vermuten. Deshalb ist dieser Artikel nicht nur eine Hymne auf einige der spannendsten weiblichen Namen in der Indie-Folk-Szene, sondern auch ein Manifest für das, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Text: Judith Wiemers

Es war reiner Zufall, dass sich das Hillary-Clinton-Lager im verbalen Wettrüsten vor der US-Präsidentschaftswahl für das Motto „I’m With Her“ entschied und sich damit unwissentlich den Bandnamen der drei Ausnahmemusikerinnen Aoife O’Donovan, Sarah Jarosz und Sara Watkins aneignete. Retrospektiv wurde die Selbstbetitelung der Gruppe quasi zum Politikum, denn in Clintons Kampagne und deren Wahlspruch ging es ja nicht nur um politische Inhalte, sondern um die erstmalige realistische Aussicht einer Frau, das wichtigste Amt der Vereinigten Staaten zu bekleiden. Nicht „I’m With Clinton“, sondern „I’m With Her“! Im Fall der Folkband I’m With Her, die sich 2015 spontan aus drei befreundeten und künstlerisch gleichgesinnten jungen Frauen der amerikanischen Folk- und Roots-Szene zusammenschloss, war der Name nie als politisches Statement gedacht, sondern „Ausdruck von Kameradschaft und Wertschätzung unter guten Freunden“, wie Sara Watkins kürzlich in einem Interview mit dem britischen Guardian erläuterte.

Dennoch ergeben sich Parallelen im Hinblick auf die Karrieren der drei erfolgsverwöhnten Bandmitglieder und den ideologischen Grundgedanken der Clinton-Bewegung. Trotz der gewaltigen Pionierleistung von Frauen, die das Folk-Revival der Sechzigerjahre musikalisch entscheidend mitprägten und als Wegbereiter für die musikalische Karriere nachkommender Musikerinnen gelten, ist die Musikindustrie auch im oft als egalitär gehandelten Genre-Spektrum Folk weiterhin von Männern dominiert. Sarah Jarosz, die als Mandolinen-Virtuosin und Sängerin bereits in ihren frühen Teenage-Jahren auf sich aufmerksam machte, berichtet von amerikanischen Bluegrass-Festivals, die sie als Wettstreite zwischen kampfeslustigen jungen Männern wahrgenommen hat: „Ich war oft angespannt und nervös, weil diese Jungen sich bei den Jams auf aggressive Weise gemessen haben – mit zwölf oder dreizehn spielen die Hormone da verrückt.“ Bei Sara Watkins, die schon als Neunjährige mit der Geige auf der Bühne stand, festigte sich früh der Eindruck, dass man als Mädchen und Frau zwingend einen Sonderstatus einnahm und unter Umständen mit Mitleidsbeifall rechnen musste. „Ich fand das sehr frustrierend, wenn ich ihn nicht verdient hatte“, schildert sie, „und sagte dann zu meinen Freunden: ‚Die applaudieren nur, weil ich einen Rock trage.‘“

Glücklicherweise konnten diese frühen Erlebnisse nicht verhindern, dass Watkins und Jarosz solistisch wie auch in verschiedenen Bandprojekten als zwei der angesehensten Musikerinnen ihrer Szene hervortraten. Sara Watkins ist beispielsweise Gründungsmitglied von Nickel Creek, und 2017 wurde das Album Undercurrent der zu dem Zeitpunkt erst 25-jährigen Sarah Jarosz mit einem Grammy prämiert. Auch Aoife O’Donovan kann bereits auf eine außergewöhnlich erfolgreiche Karriere zurückblicken, die zunächst mit Crooked Still begann und sich mit zwei Soloalben in den letzten Jahren fortsetzte (siehe auch Folker 2/2017).

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