Folker-Logo   Abo   Mediadaten/Anzeigen


Suche
   Intern   Über uns


Kontakt/Impressum/Datenschutz

       
Backkatalog   Ausgabe Nr. 2/2018   Internetartikel
 

Folker-Halbmast



Regina Lindinger

REGINA LINDINGER


30.7.1946, Moosburg an der Isar,
bis 5.1.2018, München


„Lebendige Stimme“ nannte Regina selbst ihre Musik. Es war innig und warmherzig und oft magisch, wenn sie sang. Meist auf Bayerisch oder auch klangmalerisch in einer, wie sie es nannte, „Ursprache“. Ihre poetischen Texte und Kompositionen sind unverwechselbar. Sie war zutiefst in der bayerisch-alpenländischen Kultur verwurzelt und doch experimentierfreudig der ganzen Welt zugewandt. Regina Lindinger war ausgebildete Musikerin, hatte am Konservatorium studiert, war auf der Gitarre und dem Klavier gleichermaßen zu Hause. Sie war Profi durch und durch – wusste immer, ob auf der Bühne oder im Studio, genau was sie wollte. Regina war mit ihren Liedern im gesamten deutschsprachigen Raum unterwegs, in den Siebzigern auf allen wichtigen Festivals, Folkklub- und Kleinkunstbühnen. Auch nach Brasilien, Russland und in die Ukraine wurde sie eingeladen. Sie veröffentlichte hochkarätige Tonträger. Ihr letztes Album Jetzt is jetzt erschien 2009. In zahlreichen Kursen und Workshops gab Regina ihr Wissen um die befreiende Kraft des Singens weiter. Am 5. Januar erlag Regina Lindinger einem Krebsleiden. Kaum jemand wusste von ihrer Krankheit. Die „lebendige Stimme“ verstummte. Am 12. Januar haben sich Reginas Kinder und Enkel, ihre Freunde und zahlreiche Kolleginnen und Kollegen bei einer Trauerfeier in München von ihr verabschiedet. Danach führte Reginas letzte Reise in ihr Heimatstädtchen Moosburg.

Manfred Pohlmann



Christian Burchard * Foto: Ingo Nordhofen

CHRISTIAN BURCHARD


17.5.1946, Hof,
bis 17.1.2018, München


Beim Popfestival auf der Insel Fehmarn im September 1970 spielte Embryo gleich nach Jimi Hendrixʼ letztem Auftritt. Später trafen sie Ravi Shankar in Indien und jammten mit Fela Kuti in Nigeria. Embryo ist eine Urformation des Krautrock, die sich mit der Zeit immer mehr der Musik Asiens und Afrikas zuwandte. Mehr als 45 Jahre lang leitete Christian Burchard das Ethnojazz-Kollektiv, zu dem zeitweise Nick McCarthy von Franz Ferdinand gehörte. Nach einem schweren Schlaganfall auf Tour vor knapp zwei Jahren ist Burchard am 17. Januar 2018 mit 71 Jahren in München verstorben. Burchard stammte aus Hof, wo er schon in der Schule modernen Jazz spielte. Seine ersten professionellen Erfahrungen machte er als Vibrafonist im Quartett des amerikanischen Pianisten Mal Waldron, mit dem er in München in einer WG wohnte. Nach einem kurzen Intermezzo mit Amon Düül II gründete Burchard 1969 Embryo, wobei er anfangs hauptsächlich Schlagzeug spielte. Die Gruppe machten durch ihren psychedelischen Jazzrock Furore. Eine Tournee mit dem Goethe-Institut durch Nordafrika weckte Burchards Interesse an der Musik des Maghreb, in die er immer tiefer eintauchte. Mit drei Bussen reiste Embryo Ende der Siebziger nach Indien, was ihren Ruf als Spitzenensemble der Weltmusik festigte. 2008 wurde die Band mit dem Weltmusik-Preis Ruth ausgezeichnet. Burchards Tochter Marja hat inzwischen die Leitung der Gruppe übernommen, um das Erbe ihres Vaters weiterzuführen.

Christoph Wagner



Terry Evans * Foto: Morten Fog

TERRY EVANS


14.8.1937, Vicksburg, Mississippi, USA,
bis 20.1.2018, Los Angeles, Kalifornien, USA  


Seine Stimme klang dunkel, wohlklingend und weich, manchmal zornig, zupackend. Auf einer seiner Alben findet sich der Satz, dass sich in seinem Gesang die schwüle Hitze des Mississippideltas ebenso finde wie der Mumm von Los Angeles, wo Terry Evans ab 1962 in den kleinen Clubs der Stadt durchstartete. Mitte der Sechziger tat er sich mit dem Sänger Bobby King zusammen, und alsbald waren sie als Backgroundsänger begehrt. In den Siebzigern wurde Meistergitarrist Ry Cooder auf das Duo aufmerksam, ihre Stimmen gehören auf vielen seiner Aufnahmen zum Klangbild und zum Gütesiegel. Ihr Gesang veredelte zudem Alben von John Fogerty, Maria Muldaur und John Lee Hooker. 1990 trennte sich das Duo, und Evansʼ Solowerke bieten in ihrer Mischung aus Blues, Soul, R ’nʼ B und Gospel eine wohlkonzipierte aktuelle Form afroamerikanischer Musik. Das von ihm so geliebte Delta nahm er mit auf seine Reisen, die ihn oft genug nach Wien brachten. Hier fand er in dem niederländischen Wahlwiener Hans Theessink einen „Soulbrother“. Mehrere gemeinsame Alben, unter anderem Delta Time aus dem Jahr 2012 mit Ry Cooder, legen Zeugnis von einer Freundschaft ab, die über die Musik hinausging. Kein Wunder, dass Theessink den Tod seines Freundes mit Worten tiefer Betroffenheit kommentierte: „Wir sind tief erschüttert, aber auch dankbar, dass er nicht mehr leiden muss.“ Wer Evans im Hause Theessink im privaten Rahmen kennenlernte, traf auf einen zurückhaltenden, bescheidenen Mann, dessen Kraft in der Ruhe lag. Mit ihm kam man dem Mississippidelta ganz nah.

Harald Justin



Hugh Masekela

HUGH MASEKELA


4.4.1939, Johannesburg, Südafrika,
bis 23.1.2018, Johannesburg, Südafrika


Mit dem Trompeter und Sänger Hugh Masekela ist einer der letzten Veteranen der südafrikanischen Musik gestorben. In den Fünfzigern war er Mitglied in stilbildenden Ensembles. 1960 bekam er ein Stipendium der Manhattan School of Music und ging nach New York, wo er Miriam Makeba wiedertraf – und heiratete. Nach drei Jahren wurde die Ehe geschieden, aber sie blieben lebenslange Freunde und arbeiteten häufig zusammen. Beide nutzten ihre Popularität, um auf die Verhältnisse in ihrer Heimat aufmerksam zu machen, die ihnen dreißig Jahre lang verschlossen blieb. Die Siebziger- und Achtzigerjahre verbrachte Masekela vor allem in Liberia, Ghana, Nigeria und Botswana, wo er die dortige Musik in seine eigene einfließen ließ. 1991 kehrte er nach Südafrika zurück und ließ sich wieder nicht den Mund verbieten. Sein Lied „Change“ über den Machthunger korrupter afrikanischer Despoten, in dem er unter anderem Robert Mugabe beim Namen nannte, brachte ihm ein Auftrittsverbot in Simbabwe ein. Trotz seines Krebsleidens spielte er noch das Album No Borders ein und tourte unermüdlich bis November 2017. Am Ende ist er im Kreis seiner Familie friedlich eingeschlafen.

Wolfgang König



Coco Schumann * Foto: Susann Welscher

COCO SCHUMANN


14.5.1924, Berlin,
bis 28.1.2018, Berlin


Jahrelang war er der dienstälteste Berliner Musiker, der Gitarrist und Schlagzeuger Heinz Jakob Schumann. Schon als Jugendlicher spielte er in Swinggruppen. Ein französischer Freund, der „Heinz“ nicht aussprechen konnte, machte „Jakob“ zu „Coco“, woraus ein lebenslanger Spitzname wurde. Schumann verstieß gleich gegen drei Nazigesetze, denn weder Minderjährige noch Juden durften als Musiker arbeiten, und der als „entartete Musik“ geschmähte Jazz war ohnehin verboten. Bis März 1943 ging alles gut, dann wurde Coco Schumann im Vorzeige-KZ Theresienstadt inhaftiert, das ein geschöntes Bild der Lagerrealität vermitteln sollte. Dort wurde Schumann Schlagzeuger der sechzehnköpfigen Ghetto Swingers, von denen außer ihm nur zwei weitere Musiker überleben sollten. In Auschwitz musste Schumann an der Selektionsrampe fröhliche Lieder spielen. Auf einem Todesmarsch im April 1945 wurde er befreit. Zurück in Berlin, legte er sich als erster Deutscher eine elektrische Gitarre zu und arbeitete unter anderem mit dem Geiger Helmut Zacharias in Konzerten, bei Liveradiosendungen und für diverse Plattenproduktionen. Die Siebziger verbrachte Schumann zum großen Teil als Gitarrist auf Kreuzfahrtschiffen, bis seine Frau ihn vor die Alternative stellte: „Die See oder ich.“ Die Liebe siegte. 1997 erschien seine Autobiografie Der Ghetto-Swinger, die es in den Hamburger Kammerspielen sogar auf die Bühne brachte. In dem Buch bringt Coco Schumann sein Lebensgefühl auf den Punkt: „Wer den Swing in sich hat, … kann nicht mehr im Gleichschritt marschieren.“

Wolfgang König



Wolfgang Schramm * Foto: Egmont Müller

WOLFGANG SCHRAMM


26.2.1955, Stuttgart,
bis 6.12.2017, Leonberg


Nach langer, schwerer Krankheit starb Wolfgang Schramm, Redakteur und Moderator im Freien Radio für Stuttgart und nicht zuletzt Mitarbeiter unseres Magazins, für das er immer wieder über neue griechische Folkmusik schrieb. Interessiert an regionaler Kultur und mit einer Vorliebe für die schwäbische Mundart, förderte er jahrelang junge Musiker aus der Region, auch als Programm-Mitorganisator des Stuttgarter Laboratoriums. Seit 2002 war Schramm Mitarbeiter des Freien Radios für Stuttgart, arbeitete dort in der Redaktion Kulturpalast, betreute die Bluessendung Stormy Monday Blues und organisierte die Zusammenarbeit des Senders mit dem Festival Schorndorfer Gitarrentage. Sein Schwerpunkt war die Sendung Menschen und Musik mittwochsabends. (Nach Informationen von der Website freies-radio.de.)

Folker-Redaktion



 Achim Bergmann * Foto: Sebastian Weidenbach

ACHIM BERGMANN


16.5.1943, Menden,
bis 1.3.2018, München


Trikont – Unsere Stimme ist das älteste unabhängige Plattenlabel der Bundesrepublik. Herz und Seele des Betriebs war Achim Bergmann, der das kleine Unternehmen mit seiner Frau Eva Mair-Holmes leitete. Bergmann war ein Mann mit eigenem Kopf, der das Label zu einer Marke mit ganz eigenständigem Programm machte, das quer zu Moden und Kommerz steht. Hans Söllner, Ringsgwandl, Attwenger, Rocko Schamoni, Labrassbanda und Kofelgschroa sind nur ein paar der Namen, die Trikont großmachte. Ursprünglich war Trikont aus den Umbrüchen der Achtundsechziger-Zeit hervorgegangen. 1971 veröffentlichte der Buchverlag die erste Schallplatte unter dem Titel Wir befreien uns selbst. Weitere Einspielungen folgten, etwa aus dem Widerstand gegen das Atomkraftwerk Wyhl oder mit Musik indianischer Ureinwohner. Mehr und mehr entdeckte Bergmann widerspenstige Musik auch im eigenen Umfeld. Im alternativen Untergrund von Bayern stieß er auf den singenden Oberarzt Georg Ringsgwandl, die zarten Klänge der Fraunhofer Saitenmusik und den brachialen Protestsänger Hans Söllner. Die Edition Stimmen Bayerns war eine andere herausgeberische Großtat. Bergmann veröffentlichte Cajunmusik aus Louisiana, griechische Rembetikaklänge und jüdische Klezmeraufnahmen. Er war kein Musikologe, sondern ein echter Fan und leidenschaftlicher Enthusiast, der Musik über alles liebte, vielleicht noch mehr als Filme, Politik und amerikanische Kriminalromane. Mit offenen Ohren, wachem Verstand und einer guten Spürnase gelang es Bergmann und seinem Team immer wieder neue musikalische Milieus aufzustöbern, die abseits der Hitparaden blühten. 2003 erhielt Trikont den Ruth-Weltmusikpreis. Letzten Herbst feiert das Label fünfzigjähriges Jubiläum. Am 1. März 2018 ist Achim Bergmann überraschend im Alter von 74 Jahren gestorben.

Christoph Wagner



STEPHAN GÖRITZ


16.9.1960, Berlin,
bis März 2018, Berlin


Der studierte Theaterwissenschaftler, Autor und Journalist arbeitete nach seiner Tätigkeit für den Rundfunk der DDR vor allem für den Deutschlandfunk, wo er fast zwanzig Jahre lang mit mehr als einhundert Ausgaben die Sendung Querköpfe mitprägte. Darüber hinaus betätigte er sich als Liedtexter unter anderem für Gisela May und war ein intimer Kenner und Kommentator der Berliner Kleinkunstszene. Seine Produktion Krieg ist nicht gut für den Frieden – Kabarettisten und der Erste Weltkrieg wurde 2016 mit dem Vierteljahrespreis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Seine letzte CD-Veröffentlichung Ohne Humor wären wir nicht durchgekommen – Kabarettisten und das Dritte Reich schaffte es im Februar auf Platz 2 der HR2-Hörbuch-Bestenliste. Stephan Göritz war seit vielen Jahren Mitarbeiter des Folker. Seine fundierten Artikel über deutschsprachige Lied- und Chansonkonzerte und -künstler waren fester und gern gesehener Bestandteil unseres Magazins. Wir trauern um einen sehr geschätzten Autor, Kollegen und Freund.

Die Redaktion

Hinweis: Der Deutschlandfunk sendete am 14. März als Nachruf die Wiederholung einer Sendung von Stephan Göritz über Claire Waldorff vom 18.1.2017, die hier nachgehört werden kann: https://bit.ly/2uacgX0. Weitere Wiederholungen sind geplant, die nächste Anfang April. Genauere Infos und Termine finden sich unter www.deutschlandfunk.de/querkoepfe.


Helfen Sie uns, Stephan Göritzʼ einmaliges Archiv zu erhalten – jede Spende hilft!
Konto Deutsche Bank: Jeannette Urzendowsky
IBAN: DE07 1007 0848 0071 2406 60
Stichwort: Archiv Stephan Göritz