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Backkatalog   Ausgabe Nr. 5/2017   Internetartikel
 

Folker-Halbmast



Gerd Schlüter

GERD SCHLÜTER


5. Juli 1957 in Coesfeld
bis 10. März 2017 in Billerbeck


Manche Dinge dauern etwas länger. Aber was ist „etwas länger“ schon angesichts der Ewigkeit?
Im März dieses Jahres hat mein langjähriger Freund beschlossen, nicht mehr bei uns zu bleiben.
Gerd war für die, die ihn kannten, ein Repräsentant des Siebziger Folkrevivals West, ein urtypischer, unglaublich inspirierter und begabter Musiker. Er spielte auf seiner alten Martin-Gitarre wie Doc Watson, 5-String-Banjo wie Derroll Adams, Mandoline wie Sam Bush, er geigte, spielte auch noch toll Klavier, kannte und sang Lieder von Woody Guthrie bis Stoppok, Kinderlieder nicht zu vergessen. An denen und der Unterhaltung seiner eigenen Sprösslinge war ihm immer sehr gelegen.
Er spielte, lebte nicht für die Bühne, den lauten Ruhm. Erstklassiger Handwerker, Tischler, Holzweber, der er war, glaubte und lebte er sein intensives, unspektakuläres Eigenleben. Ein wahrer Bartleby, um es mit Enrique Vila-Matas zu sagen!
Im Ekel vor dem musikalischen Einheitsbrei der gegenwärtigen Pop-Unkultur, der selbst vor der von uns so geliebten Folkmusik nicht Halt macht, waren wir eines Sinnes. In der Begeisterung für die Musik unserer eigenen Vorwelt, der westfälischen Dinkerquelle „Dahlhoff“, trafen wir uns wieder, spielte Gerd hauptsächlich Hackbrett!
Mir fehlt er unendlich. Mitstreiter für eine Welt, die nicht vergessen werden sollte.
„Es ist schon danach“ (Grabinschrift auf dem Stein seines Künstlerfreundes Hans Jürgen Breuste, Nikolaifriedhof, Hannover)

Michael Möllers



Thomas Amthor * Foto: Ursel Amthor

THOMAS AMTHOR


17. Februar 1955 in Hamburg
bis 9. Juni 2017 Clausthal-Zellerfeld


Thomas Amthor sammelte erste musikalische Erfahrungen in seiner Geburtsstadt Hamburg, ehe es ihn zu Beginn der Achtzigerjahre in den Harz verschlug. Ich war wenige Jahre zuvor aus Göttingen in den Harz gezogen, und über ein Zeitungsinserat lernten wir uns kennen. Taters & Pie waren geboren – ein Musikduo, das zwischen 1984 und 1996 ungezählte Konzerte in ganz Deutschland spielte, drei Tonträger produzierte und in den letzten drei Jahren durch die musikalische Mitwirkung von Jens Kommnick noch einmal einen letzten musikalischen Höhenflug erlebte.
Thomas war ein sehr versierter Gitarrist und Sänger. Außerdem spielte er Mandola und Bass. Besonders beeindruckend war seine Virtuosität auf dem Banjo. Neben seiner Tätigkeit mit Taters & Pie arbeitete er auch als Solokünstler, Verlags- und Studiomusiker, Texter, Arrangeur und Komponist. Seine große musikalische Bandbreite zeigt sich in den Einflüssen, die Thomas selbst immer wieder nannte: Andy Irvine, Paul McCartney und Hermann van Veen. Der Einfluss des letztgenannten sowie anderer deutschsprachiger Songpoeten und Literaten mündete nach dem Ende von Taters & Pie schließlich auch in ein Programm mit eigenen deutschen Texten und Liedern, das allerdings unvollendet blieb und nur selten zur Aufführung kam. Zunehmende physische und psychische Probleme hemmten sein musikalisches Schaffen in den letzten Jahren. Die Nachricht von seinem plötzlichen Ableben traf Angehörige und Freunde dennoch unerwartet und mitten ins Herz.
Was bleibt, ist die Erinnerung an gemeinsame, intensive Jahre mit Thomas, für die ich unsagbar dankbar bin und die mich menschlich und musikalisch sehr geprägt haben. Mach’s gut, Thomas, danke für alles.

Peter Kerlin



Ray Phiri * Foto: Dumisani Sibeko

RAY PHIRI


23. März 1947 in Hermansberg, Südafrika,
bis 12. Juli 2017 in Mbombela, Südafrika


Er gehörte zu den Künstlern, die man gehört hat, ohne unbedingt ihren Namen zu kennen, denn Ray Phiri spielte auf den Platten Graceland und The Rhythm Of The Saints von Paul Simon und tourte mit ihm um die Welt. In Südafrika war der Gitarrist und Sänger Anfang der Siebziger mit seiner Band Stimela zum Star geworden. Das bedeutet „Eisenbahnzug“ in der Sprache der Nguni und bezieht sich darauf, dass Ray Phiri, nachdem er längere Zeit im portugiesischen Mozambique für südafrikanische Touristen gespielt hatte, des Landes verwiesen und in einen Zug nach Johannesburg gesetzt worden war. Im Apartheid-Staat landeten viele Stimela-Songs auf dem Index, was die Popularität der Gruppe aber nur steigerte. Nach 1990 widmete sich Ray Phiri auch der AIDS-Aufklärung und der Förderung künstlerischer Talente. Er starb an Lungenkrebs im ehemaligen Nelspruit, das heute Mbombela heißt, was ebenfalls „Zug“ bedeutet.

Wolfgang König



Régis Gizavo * Foto: Marc Rouvé

RÉGIS GIZAVO


16. Juni 1959 in Tulear (Madagaskar)
bis 16. Juli 2017 auf Korsika


Einer der bedeutendsten Musiker aus Madagaskar, der brillante Akkordeonist, Liedermacher und Sänger Régis Gizavo, hat uns für immer verlassen. Erst 58 Jahre alt, stand er auch diesmal wie so oft auf der Bühne, dieses letzte Mal in Korsika mit der Gruppe Alba, und begeisterte sein Publikum mit der ihm eigenen Musik und seiner einfühlsamen Begleitung Anderer. Mit tiefster Bestürzung mussten wir erfahren, dass er am 16. Juli 2017 einem Herzinfarkt zum Opfer gefallen ist. Überall, aber vor allem in seinem Heimatland Madagaskar und der südwestlichen Region von Tulear und in Frankreich wird sein unerwartetes Ableben nun mit großer Trauer kommentiert. Er war einer der ganz Großen. Ausgezeichnet mit dem Preis Prix Decouvertes des französischen Radiosenders RFI, kam er 1990 nach Paris, wo er eine Ehefrau und einen jungen Sohn hinterlässt. Als Solomusiker wie auch als Begleiter von Künstlern wie Cesaria Evora, Lenine, I Muvrini bereiste er die ganze Welt. Régis’ erstes Album Mikea von 1995 wurde gefolgt von Samy Olombelo (2000) und seinem letzten Album Ilakake (2012), sowie dem Debütalbum der Madagascar All Stars, Masoala, im Jahre 2009. Seit 2006 bildete er gemeinsam mit den wohl einflussreichsten Musikern aus Madagaskar diese ganz besondere Gruppe. Bestehend aus sechs Musikern, von den drei in Madagaskar leben – Dama Mahaleo, Ricky Olombelo, und Jaojoby – und drei in Europa – Justin Vali, Erick Manana und eben Régis – haben es sich diese Musiker zur Aufgabe gemacht, gemeinsam durch ihre vielseitige Musik die Vielfalt und die Gemeinsamkeiten zwischen Künstlern aus der Hochebene und den Küstenregionen im Norden und im Süden musikalisch zu verwirklichen, und gleichzeitig einen Beitrag zu leisten zur Erhaltung der einzigartigen madagassischen Kultur und Natur. Der Film über sie und ihr Anliegen‚ Songs for Madagaskar, läuft seit kurzem auf internationalen Filmfestspielen und in französischen Kinos und wird ab Dezember 2017 auch auf DVD mit deutschen Untertiteln erhältlich sein. Er wird ein Dokument für die grandiose Musik, den Humor und die Energie von Régis bleiben, ersetzen kann man ihn niemals. Für alle, die ihn persönlich und als Musiker kannten, wird er unvergessen bleiben. Régis – wir danken Dir!

Ulrike Hanna Meinhof

Autorin (mit N. Kiwan) von Cultural Globalisation and Music. African Artists in Transnational Networks. Palgrave Macmillan 2011
uhm@soton.ac.uk
songsformadagascar.com




Rosalie Sorrels

ROSALIE SORRELS


24. Juni 1933 in Boise (Idaho), USA
bis 11. Juni 2017 Reno (Nevada), USA


Rosalie Sorrels war eine amerikanische Sängerin und Liedermacherin. Sie begann ihre Karriere als Sängerin und Sammlerin traditioneller Folksongs in den späten Fünfzigerjahren. Zu Beginn der Sechzigerjahre verließ sie ihren Ehemann und trat bei Musikfestivals und Clubs überall in den USA auf. Ihre Karriere als Sozialaktivistin, Geschichtenerzählerin, Lehrerin, Liederschreiberin, Liedsammlerin und Sängerin währte über sechs Jahrzehnte.
(Nach Wikipedia)







Dhruba Ghosh * Foto: Claudia Höhne

DHRUBA GHOSH


25. Oktober 1957 in Bombay
bis 10. Juli 2017 in Juhu (Mumbai)


Der indische Sarangi-Virtuose Dhruba Ghosh erlag am 10. Juli in seiner Dienstwohnung in Mumbai einer schweren Herzattacke. Noch nicht 60 Jahre alt, befand er sich auf dem Höhepunkt seiner Kunst. Sein letztes Konzert in Deutschland gab er am 21. Januar in der Elbphilharmonie. Dhruba Ghosh wurde in Bombay in eine exklusive Musikerfamilie geboren. Sein Vater, der Tabla-Virtuose Pandit Nikhil Ghosh (1918 – 1995), war Meisterschüler dreier Giganten des Tablaspiels, Shri Gyan Prakash Ghosh, Ustad Amir Hussain Khan und Ustad Ahmedjan Thirakwa. Dhrubas Onkel war der legendäre Flötist Pannalal Ghosh, Schüler von Allauddin Khan in Maihar. Sein älterer Bruder Nayan Ghosh ist ein weltbekannter Tabla- und Sitarspieler. Trotz des wunderbaren, der menschlichen Stimme ähnelnden Klangs ist die Streichlaute Sarangi, wegen des sozialen Makels ihrer Herkunft aus der Kurtisanenmusik, ein gemiedenes Instrument. Nikhil Ghosh empfahl deshalb Dhruba, alle Übezeit und Energie in dieses bedrohte Instrument zu investieren. Der Beginn war schmerzhaft und blutig. Die zarte Haut über den Nagelbetten der linken Finger drückt gegen die Darmsaiten, wobei die Fingerspitzen auf einer Knochenplatte ruhen. Die vielen Glissandi im nordindischen Kunstgesang erfordern bei den umspielenden Figuren oft rapide Seitwärtsbewegungen der spielenden Finger. Sofort sind die Nagelbette aufgescheuert und bluten. Dhruba musste sich unter Schmerzen Hornhäute erarbeiten und seine Willenskraft durch selbst gesteckte Ziele, wie zum Beispiel fünftausend Mal unter Schmerzen die Skala rauf und runter spielend stärken. Er lernte Sarangi-Technik von Ustad Sagiruddin Khan und Gesang von Dinkar Kaikini. Dhrubas völlige Hingabe an die Musik und seine liebenswerte, bescheidene Persönlichkeit bezauberten sein Publikum auf der ganzen Welt. 1989 stürmte der begeisterte Cellist Mstislav Rostropowitsch Dhrubas Bühne, um ihn zu küssen und zu umarmen.

Gert-Matthias Wegner



Ramesh B. Weeratunga

RAMESH B. WEERATUNGA


30. November 1951 in Colombo (Sri Lanka) bis 18. Juni 2017 in


Ramesh B. Weeratunga war ein begnadeter Musiker, Komponist und Produzent; ein gütiger Mensch, ausgestattet mit einem großzügigen, spirituellen Geist. Er war Stifter zahlreicher Freundschaften und vieler Momente angefüllt mit Gelächter, ein rundum verrückter, netter Typ – Ehemann und Vater, ein Frank-Zappa-Bewunderer, unsterblicher Beatles-Fan und mein engster Freund für 44 Jahre. Ramesh starb im Alter von 65 Jahren an den Folgen seiner Amyloidose-Erkrankung.
Rama kam 1973 aus Sri Lanka nach Berlin, und wir hatten in vielen Clubs in der Stadt gespielt, bevor er seinen eigenen Weg ging und seine Bands Feel Wheel und Electric Rama gründete, deren Musik und Liveauftritte viel Beachtung fanden. Er installierte sein Aufnahmestudio in Klein Machnow (bei Berlin), in dem er sowohl seine eigene Musik aufnahm als auch zahllose Musiker und Projekte produzierte. In diesem Studio entstanden zehn Jahre lang die sehr originellen und oft witzigen Teaser für den Berliner Radiosender Multikulti, für die er gerne auch die Stimmen von Freunden und deren Kindern einbaute.
Rama hat uns auf tragische Art viel zu früh verlassen. Wer weiß, wie viele kreative Ideen noch in ihm schlummerten? Aber es bleibt die tröstende Gewissheit, dass er sich viele seiner Träume erfüllen konnte und nunmehr frei ist von der schmerzhaften, zerstörerischen Krankheit, die ihn die letzten sieben Jahre seines Lebens begleitet hatte. Er hinterlässt eine Lücke, die nicht mehr gefüllt werden kann, und seine fantastischen Currygerichte werden beinahe ebenso vermisst werden wie seine Präsenz in unserem Leben. Die ihn kannten, werden ihn für immer in ihrer Erinnerung behalten. Ramesh hinterlässt seine Frau Anita, seine Tochter Sithara und seinen Sohn René.
Informationen und Musikbeispiele findet man unter http://www.rameshweeratunga.de/

Jon Shaw
(Übersetzung Maik Wolter)




Bernd Witthüser

BERND WITTHÜSER


29.2.1944, Winterberg/Sauerland
4.8.2017, Italien


Bernd Witthüser als legendäre Musikerpersönlichkeit zu bezeichnen, ist sicherlich nicht übertrieben, gehörte er doch zu den prägenden Gestalten der psychedelischen Epoche der Sechziger- und Siebzigerjahre in Deutschland. Bundesweite Bekanntheit erlangte er mit dem Folk-Duo Witthüser & Westrupp, deren LP Lieder von Vampiren, Nonnen und Toten Kultstatus erreichte. In den späteren Siebzigerjahren entzog er sich konsequent der bürgerlichen Gesellschaft, indem er seinen Lebensmittelpunkt nach Italien verlegte, dort in einer Kote wohnte und seinen Lebensunterhalt als umherziehender Straßenmusikant verdiente. Kurzzeitigen Medienrummel entfachte noch einmal sein Straßenmusik-Duo Otto & Bärnelli. Zuletzt trat er wieder unter eigenem Namen auf, unter anderem auf der Burg Waldeck und auf Burg Herzberg.

Kai Engelke