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Ausgabe 3/2018


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DEUTSCHLAND

HANNES WADER
Macht’s gut! – Das Abschiedskonzert 2017
hanneswader.de
(Universal Music)
Promo-CD, 17 Tracks, 75:05


Weg ohne Wiederkehr – nun hat er tatsächlich seine letzte Tournee beendet. Im ausverkauften Berliner Tempodrom gab Hannes Wader im vergangenen November nach fünfzig Bühnenjahren sein Abschiedskonzert. Noch einmal ließ der 75-Jährige sein über Jahrzehnte gewachsenes Publikum teilhaben an den vielen Facetten seiner Liedkunst, inhaltlich angesiedelt zwischen Zorn und Zärtlichkeit, kämpferischem Engagement, tiefer Melancholie und beißender Ironie. Wader hat nicht nur maßgeblich an der Entstaubung und Wiederbelebung deutscher Volkslieder mitgewirkt, er hat darüber hinaus selbst etliche Lieder verfasst, die zu Volksliedern wurden. Zum Beispiel „Schon so lang“ oder „Heute hier,  HANNES WADER: Macht’s gut! – Das Abschiedskonzert 2017 morgen dort“ und „Gut wieder hier zu sein“, mit dem er fast jedes Konzert eröffnete. Das Programm seines Abschiedskonzertes beinhaltet – wie sollte es auch anders sein – neben Liedern, die das Älterwerden thematisieren („Damals“, „Schwestern, Brüder“, „Schön ist das Alter“, „Dass wir so lang leben dürfen“), auch solche, die Waders unbeugsames Eintreten für eine menschenfreundlichere Welt symbolisieren („Das Bürgerlied“, „Es ist an der Zeit“, „Bella ciao“, „Sag mir, wo die Blumen sind“). Typisch für Waders Arbeitsweise ist neben Liedern ausschließlich aus seiner Feder das schöpferische Bearbeiten bereits bestehender Songs – meistens aus dem anglo-amerikanischen Bereich –, denen er seinen ganz persönlichen Stempel aufdrückte und sie auf diese Weise zu typischen Wader-Liedern machte. Heute hier, morgen fort? Nein, zum Glück nicht. „Sei sicher: Deine Lieder leben für immer!“, sagt Freund Reinhard Mey, und Konstantin Wecker fügt hinzu: „Du hast die Idee einer besseren und gerechteren Welt am Leben erhalten mit deiner Poesie und deiner Haltung.“ Waders auf CD gepresstes Abschiedskonzert 2017 ist zu gleichen Teilen Dokument und wirklich ausdrucksstarker Livemitschnitt. Mach’s gut, Hannes!
Kai Engelke

EUROPA

ENSEMBLE MINISYM
Moondog New Sound
facebook.com/ensemble.minisym
(Bongo Joe Records 021/Broken Silence)
Vinyl, 15 Tracks, 42:09 , mit engl. u. dt. Texten u. Infoblatt


In seiner Kindheit erblindet Louis Hardin durch einen Sprengstoffunfall. Er kommt auf eine Blindenschule, die vor allem Musik unterrichtet. In den Dreißigerjahren lernt er bei Sonntagsausflügen in Indianerreservate die Musik der US-amerikanischen Ureinwohner kennen. Sie beeindruckt ihn tief. Als Erwachsener zieht Hardin nach New York, nennt sich „Moondog“ und wird Straßenmusiker, der sich an die immer gleiche Stelle setzt, um dort mit Percussioninstrumenten Musik zu machen. Er verdient damit so viel, dass er seine nebenher komponierte, in Braille notierte Musik in ordentlichen Tonstudios aufnehmen und auf seinem eigenen Label herausbringen kann. Als Straßenmusiker wird er zur Legende. Dort besucht ihn auch Janis Joplin, die seinen  ENSEMBLE MINISYM: Moondog New Sound Song „All Is Loneliness“ für ihr erstes Album aufnimmt. In den Siebzigern wird Moondog für eine Konzerttournee nach Deutschland eingeladen. Hier gefällt es ihm so gut, dass er bleibt. Jeden Tag spielt er in der Fußgängerzone von Münster. Eine Familie nimmt sich seiner an. Wenngleich in dieser Zeit nur wenig neue Alben von ihm erscheinen, komponiert er unermüdlich – bis kurz vor seinem Tod im Jahr 1999. Das französische Ensemble Minisym hat sich nun einer ganzen Reihe noch unveröffentlichter Kompositionen Moondogs angenommen und diese zum ersten Mal eingespielt. Die Formation ist mit Gitarre, Geige, Harmonium, Percussion, Hurdy-Gurdy, Cello und Bratsche musikalisch breit aufgestellt. Wie seltsam mittelalterliche Folklore klingen die Stücke von Moondog, wie eine Mischung aus Bach und indianischer Percussion. Neben vielen „Songs“ hat er auch an die fünfzig Sinfonien komponiert. Nur sehr wenige davon sind bisher aufgeführt worden; dies sicher, weil sie praktisch in gar kein Repertoire passen. „Barn Dance“ oder „Elf Dance“, die auf diesem Album zu hören sind, fordern praktisch dazu auf, zu seiner Musik zu tanzen. Und wer kann sich schon vorstellen, dass in einem Konzertsaal das Publikum die Sitzreihen verlässt, um mit leicht schwebenden Schritten durch die Reihen zu tanzen? Janis Joplin hätte dies sicher getan.
Michael Freerix

INTERNATIONAL

FJARILL
Kom Hem
fjarill.de
(Butter & Fly Records/Indigo)
11 Tracks, 49:46 , mit originalen u. dt. Texten u. Infos


Es gibt nicht viele Musiker, die in ihrem Schaffen regelrechte Sprünge machen. Den beiden Schmetterlingen (fjarill auf Schwedisch) Aino Löwenmark und Hanmari Spiegel ist dies mit ihrem siebten Album nun eindrucksvoll gelungen. Dabei stand das schwedisch-südafrikanische Duo vor zwei Jahren fast vor dem Aus, als Sängerin und Pianistin Löwenmark erstmals auf Solopfaden wandelte. Nach dreizehn Jahren mit Hunderten von Konzerten, hervorragenden Kritiken und mehreren Preisen wussten Fjarill nicht mehr, wohin ihre gemeinsame Reise einfühlsamer Weltmusik gehen sollte. Durch Löwenmarks Ausflug scheint der Knoten geplatzt zu sein, und nicht nur eingefleischte Fans können sich über ein Album voller Energie, kreativer Ideen und  FJARILL: Kom Hem tiefsinniger Texte freuen. Es scheint, als ob die über Jahre gewachsene musikalische Freundschaft mit der Sängerin und Violinistin Spiegel erst jetzt das volle Potenzial der beiden hervorbringt. Nicht von ungefähr lautet der Titel ihres Albums übersetzt „Komm nach Hause“, was für die in Hamburg lebenden Musikerinnen gleichzeitigt Aufbruch bedeutet. Dieses intensive Gefühl des Sich-auf-die-Reise-Machens, sich von alten Vorstellungen und Gewohnheiten zu verabschieden, um anzukommen, zieht sich durch das ganze Album. Schon im zweiten Song, dem Titellied, brillieren Fjarill mit einer ungewohnten Dynamik, die vor allem vom Schlagzeuger des Tingvall Trios und Produzenten des Albums, Jürgen Spiegel, getragen wird. Auch die Freiheitshymne „Inkululeko“, die sie mit dem befreundeten Liedermacher Stefan Stoppok eingespielt haben, reißt sofort mit. Fjarill haben aber nicht nur ihren Gesang, ihr Instrumentalspiel und ihre Rhythmik weiterentwickelt. Selbst bei ihren wieder einmal berührenden Balladen „Vingslag“, „Resan“ oder „I Can Hear You“ erzeugen sie ungewohnte Reibungen und Dissonanzen in ihren Klängen – „punkig und schräg“, wie Löwenmark es nennt –, die ihren Liedern eine ganz neue Qualität geben. Mit seiner außerordentlichen positiven Kraft ist das Album ein Lichtblick in chaotischen Zeiten.
Erik Prochnow