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Mit Grips durchs Leben

GRIPS THEATER
GRIPS Theater – Die schönsten Lieder aus 50 Jahren
(Sauerländer Audio)


Wer in seiner Jugend die frühen Lieder des Grips-Theaters gehört hat, der geht heute auf die Rente zu, und ob er noch so frisch ist, wie diese alten Lieder es heute noch sind, darf bezweifelt werden. Fünfzig Jahre ist das Grips-Theater alt, und die CD-Box macht noch einmal deutlich, mit welchem Ideenreichtum die unterschiedlichsten Themen für Kinder und Jugendliche in dieser Zeit bearbeitet wurden. Von Kinderstücken, Jugendproblemen, Zuwanderungsproblemen und Berlin-Musicals bis hin zu direkt politischen Stücken über Rosa Luxemburg oder die szenische Umsetzung der Biografie der verfolgten Jüdin Inge Deutschkron reicht das Spektrum. Und egal welches Thema sie sich vornehmen, es ist immer die Mischung aus  GRIPS THEATER: GRIPS Theater – Die schönsten Lieder aus 50 Jahren Szenen, Texten und Musik, die es so ansprechend und erfolgreich werden lässt. Trotz pädagogischer Absicht und Engagement wollen sie keinen erhobenen Zeigefinger zeigen, sondern den Spaß und die Freude am Erfahren und Mitdenken in den Vordergrund stellen. Über 300 Lieder sind in den Jahren entstanden, 84 davon sind ausgewählt worden. Die erste CD versammelt die Kinderlieder mit so berühmten Klassikern wie „Wer sagt, dass Mädchen dümmer sind?“, „Meins oder deins“, „Doof gebor’n ist keiner“ und „Einer ist keiner“. CD zwei und drei stehen unter dem Motto GRIPS Goes Pop, Rock & Chanson. Hier ist natürlich vor allem die Linie 1 zu nennen, das Berlin-Musical über die damalige U-Bahn-Linie 1 zwischen dem Bahnhof Zoo und dem Schlesischen Tor in Kreuzberg. Auf diesem Teilabschnitt der Gesamtstrecke ließen sie die soziale und politische Lage der damaligen Halbstadt Revue passieren. Ein Erfolgsstück, das weltweit übertragen und aufgeführt wurde. Die Wilmersdorfer Witwen wurden weltbekannt. Fünfzig Jahre Grips-Theater zu würdigen, heißt auch Volker Ludwig (Hachfeld) zu ehren, den Gründer und langjährigen Theaterleiter, der auch alle Texte dieser Lieder verfasst hat. Das Booklet empfiehlt übrigens die CD-Box für Menschen von vier bis neunundneunzig.
Rainer Katlewski

Konsequent liedorientiert

MALINKY
Handsel
(Greentrax Recordings), Do-CD, mit ausführlichen engl. Infos


Das schottische Quartett Malinky war schon immer etwas ganz Besonderes, konsequent liedorientiert, drei starke Solostimmen und dennoch mit begnadeten Instrumentalisten gesegnet. Fünf Alben standen bislang zu Buche, und nur Steve Byrne (Bouzouki, Gitarre, Maultrommel, Mundharmonika) und der irischstämmige Mark Dunlop (Whistles, Bodhrán) waren immer präsent. Der Titel des dienstältesten Malinky-Mitglieds jedoch geht eindeutig an Byrne, der jede einzelne Station der Gruppe miterlebt hat. Fiona Hunter (Cello) ersetzte 2004 Karine Polwart, ist sogar noch eine Verbesserung. Das Quartett wird von Mike Vass (Tenorgitarre, Fiddle) vervollständigt, der nach einer ernsthaften Krankheit seit 2013  MALINKY: Handsel wieder mit an Bord ist. Zur Feier des zwanzigjährigen Bandbestehens haben sich Malinky ein Doppelalbum mit guten zwei Stunden Spielzeit gegönnt. Zum einen ist das eine ausgesprochen gelungene Mischung aus Archivmaterial, Livemitschnitten und CD-Highlights der bisherigen Karriere, zum anderen sind es dreizehn neue Songs. Neu heißt meist „trad. arr.“ mit der Ausnahme einer ergreifenden und ziemlich zentralen Ballade von Steve Byrne, „The Lads O The Lindsay“. Insgesamt spielen und singen die vier ihr großes Plus aus – die Songs werden unaufgeregt, einfühlsam und meisterlich interpretiert, völlig ohne das heutzutage in der schottischen Szene so typische Bemühen um Tempo- und Instrumentalbrillanz. Ganz im Gegenteil, Malinky leisten sich sogar den Luxus, ihre Musik in einen zeitlichen Zusammenhang zu stellen. Sie geben drei Veteranen ebenso die Chance auf ein Gastspiel wie drei jungen Nachwuchstalenten, allesamt natürlich Sänger- und innen. Und so ergeben beide Malinky-CDs das runde Bild einer Band, die in ihren zwanzig Jahren viele Lieder wie kleine Schmuckstücke sorgfältig aufpoliert hat, die aber leider nicht immer die Wertschätzung erfahren hat, die sie verdient hätte. Daher noch mal ganz deutlich: Malinky sind einzig- und großartig!
Mike Kamp

Finnischer Schubladenbrecher

TUULETAR
Rajatila – Borderline
(Nordic Notes), mit finn. u. engl. Texten


Handelt es sich bei Rajatila um eine neue Veröffentlichung von Laurie Anderson oder Kate Bush? Nein, es handelt sich schlichtweg um das aufregendste nordische Album seit Hedningarnas Trä. Damit genug der Vergleiche, sie sollen in erster Linie verdeutlichen, dass dieses Album, einen größeren Bekanntheitsgrad vorausgesetzt, auch noch in Jahrzehnten als Meisterwerk gelten wird. Die CD beginnt mit einem Crescendo verschiedener Stimmen, die, teilweise verzerrt, teilweise rückwärts eingespielt, sich langsam in den Wahnsinn steigern. Es kündigt sich an, Rajatila wird kein leichtes Hörvergnügen, gleichzeitig erzeugt die Musik von Anfang an einen Sog, dem der Hörer nur schwerlich entkommen kann. Es folgen Trip-Hop-Elemente mit einer  TUULETAR: Rajatila – Borderline Basslinie, die jeder Musikanlage das Äußerste abverlangt. Die harten finnischen weiblichen Gesänge ergänzen den treibenden Beat perfekt und hinterlassen ein Gefühl zwischen Ausgelassenheit und Furcht. Niedlicher Chamber Pop paart sich mit Gesangsschlachten, die in jedem Hip-Hop-Wettbewerb für Aufregung sorgen würden, Grausamkeit und Schönheit sind die verschiedenen Seiten der gleichen Medaille. Borderline, ob als psychisches Syndrom, als Grenze zwischen Leben und Tod oder schlichtweg als musikalischer Tanz zwischen den Stühlen musikalischer Engstirnigkeit, es scheint der einzig passende Begriff für dieses Album. Rajatila wäre fast ein Konzeptalbum, wäre das nicht ebenfalls eine letztlich beschränkende Beschreibung, die die Künstlerinnen aufbrechen. Diese vier Gesangsartistinnen aus Helsinki wählten übrigens den Grenzgänger Pekko Käppi zum Produzenten, dessen Wert als Schubladenbrecher für die finnische Musik kaum hoch genug einzuschätzen ist. Die Schublade Folk muss auch hier dringend gebrochen werden, denn die Musik von Tuuletar ist zu schade für ein spezialisiertes, überschaubares Publikum. Rajatila gehört in die Opernhäuser, auf Industrial-Partys, in die Techno-Tanzschuppen oder zu den Avantgarde-Performern, überall dorthin, wo Menschen bereit sind zuzuhören, obwohl oder gerade, wenn es anstrengend wird.
Chris Elstrodt

Zeitloses Dokument

NUSRAT FATEH ALI KHAN AND PARTY
Live At WOMAD 1985
(Real World Records)


Zugegeben, die Musikwelt ist nicht gerade arm an Tonaufzeichnungen des großen pakistanischen Qawwali-Sängers. Allein das OSA-Label (Oriental Star Agencies) verzeichnet weit über hundert verschiedene Titel, zumeist – wie in der Prä-CD-Ära üblich – als Kompaktkassette. Und auch Peter Gabriels Real-World-Label hat das musikalische Schaffen Nusrats in all seinen Facetten – von Qawwali pur über Filmmusikbeiträge (Die letzte Versuchung Christi) bis hin zu Remixen für die Technofraktion – durchaus hinreichend dokumentiert. Die nun veröffentlichten Aufnahmen vom WOMAD-Festival auf der kleinen, zur Grafschaft Essex gehörenden Insel Mersea stammen  NUSRAT FATEH ALI KHAN AND PARTY: Live At WOMAD 1985 vom 20. Juli 1985 und machten Nusrat und sein Ensemble erstmals einem größeren Publikum bekannt. Zwar waren die religiösen Sufi-Gesänge westlichen Musikinteressierten durch die Sabri Brothers durchaus geläufig, aber Nusrats phänomenale Stimme, sein vokales Call-and-Response mit den Chorsängern und die hypnotische Begleitung durch Harmonium und Tabla versetzten die Festivalbesucher hörbar in Begeisterung. Charmant, dass mit Kaukab Ali und Nusrats Neffen Rahat Fateh Ali Khan auch noch zwei „pupil singer“ hochtönig ins Geschehen eingreifen, wobei Letzterer nach dem Tod Nusrats im Jahre 1997 die Leitung des Ensembles übernahm und seitdem die musikalische Tradition seines Onkels fortsetzt. Die Frage nach der Notwendigkeit der Veröffentlichung einer 34-jährigen Festivalaufnahme stellt sich nicht. In Klassik, Jazz und Rock herrscht ja auch stets große Freude, wenn unbekannte Aufnahmen von großen Künstlern auftauchen. So auch bei dieser CD. Die analogen Bänder des Auftritts wurden anständig gemastert und bescheren uns so einen unverzichtbaren Einblick in die grandiose Kunst eines großen Sängers. Und für alle, die es analog genießen wollen, gibt es drei der vier Titel auch noch als LP.
Walter Bast

71 Minuten Spannung

KEYVAN CHEMIRANI AND THE RHYTHM ALCHEMY
Keyvan Chemirani And The Rhythm Alchemy
(Molpé Music), mit franz. u. engl. Infos


Was ist das denn für ein Instrument? Ein Spinett? Nee, davon steht nichts im Booklet. Und was ist das für eine Melodie? Klassisch oder orientalisch? Die ersten Takte von Keyvan Chemiranis Debüt als Bandleader machen es dem Hörer nicht leicht. Erst die Trommelwirbel lassen erahnen: Wir sind im Orient. Cello und Lyra, die als Nächstes einsetzen, lassen daran keinen Zweifel, obwohl sie wahrlich nicht zum Standardinstrumentarium dieser Region gehören – ebenso wenig wie die Bassklarinette, die nun auch noch einstimmt. In der Tat sind wir nicht nur im Orient, wir besuchen auch Nordindien, Mauretanien, Marokko, Mazedonien, das Reich der Beatboxer und das der Kammermusik – und das oft  KEYVAN CHEMIRANI AND THE RHYTHM ALCHEMY: Keyvan Chemirani And The Rhythm Alchemy gleichzeitig. Kein Wunder, denn Keyvan Chemirani hat nicht nur Bruder Bijan und Vater Djamchid neben sich versammelt – alle drei spielen vornehmlich die iranische Bechertrommel Zarb und firmieren gewöhnlich als Trio Chemirani. Dabei sind auch noch Prabhu Edouard (Tabla), Stéphane Galland (Schlagzeug), Sokratis Sinopoulos (Lyra), Julien Stella (Bassklarinette, Beatboxing) sowie der mit allen Weltmusikwassern gewaschene Vincent Ségal (Cello). Bereits 2011 bewies das Trio Chemirani mit dem Album Invite, dass es mühelos unterschiedliche Stilrichtungen unter einen Hut bringen kann. Damals waren unter anderem Ballaké Sissoko (Kora), Omar Sosa (Piano) und Ross Daly (Lyra) dabei. Die neue CD von Keyvan Chemirani ist aber in gewissem Sinne noch beeindruckender. Schließlich zeigt sie, dass ein All-Style-Ensemble selbst dann mühelos über 71 Minuten die Spannung halten kann, wenn es aus fünf Schlagwerkern und nur drei anderen Musikern besteht. Nie machen hier im Zusammenspiel die Rhythmiker die Melodiker platt. An reinen Percussionstücken gibt es nur drei. Ansonsten haben alle Kompositionen, sei der Takt auch noch so kompliziert, eine interessante Melodie und manche auch noch Texte von persischen Mystikern wie Saadi oder Rumi.
Ines Körver