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Billy Bragg * Foto: Jacob Blickenstaff

Resonanzboden
— Gedanken zur Zeit

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Autoreninfo:


Billy Bragg ist ein englischer Musiker, Aktivist und Autor. Gerade ist in Deutschland bei Random House sein Buch Die drei Dimensionen der Freiheit erschienen (siehe auch Besprechung auf S. 88 in diesem Heft).


Die drei Dimensionen der Freiheit

Rechenschaftspflicht als Grundprinzip einer demokratischen Gesellschaft

Verantwortlichkeit hat in der Folkmusik schon immer eine Rolle gespielt – Künstler wollen die Mächtigen zur Rechenschaft ziehen. Bob Dylan war ein Meister dieser Form. Er schrieb Lieder, die auf Ungerechtigkeiten aufmerksam machten, und fragte, warum niemand an der Macht bereit war, Verantwortung dafür zu übernehmen. Generationen von Songwritern folgten Dylans Vorbild und ließen Künstler und Publikum glauben, dass Musik die Welt verändern könnte. Sie besitzt jedoch keine wirkliche Handlungsfähigkeit. Das Singen von Liedern ist ein symbolischer Akt, kein Teil direkter Auseinandersetzung in einem Kampf. Musiker allein können die Welt nicht verändern. Nur das Publikum ist dazu in der Lage.        

Text: Billy Bragg

Brecht soll einmal gesagt haben: „Kunst ist nicht ein Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern ein Hammer, mit dem man sie gestaltet.“ Jeder, der einen Hammer benutzt, um ein Objekt zu formen, weiß, dass dazu ein stabiler Amboss gebraucht wird. Ein Künstler kann seinen Hammer einsetzen, es bedarf jedoch der Verantwortung als Amboss, um ihn zur Veränderung der Welt benutzen zu können. Diejenigen von uns, die sich engagieren, weisen auf Heuchelei, Fanatismus, Gier und viele andere verantwortungslose Handlungen hin, die von der Gesellschaft mit Selbstgefälligkeit hingenommen werden. Mit unserer Kunst wollen wir die Aufmerksamkeit des Publikums auf Ungerechtigkeiten lenken, in der Hoffnung, dass auch sein Zorn geweckt wird und durch den kumulativen Effekt einer Vielzahl von Stimmen eine Bewegung entsteht, die die Machthaber dazu zwingt, Unrecht zu korrigieren.
Rechenschaftspflicht ist ein universelles Grundprinzip einer demokratischen Gesellschaft. Zu glauben, dass man über ihr steht, ist Kennzeichen von herrschsüchtigen, privilegierten, andere tyrannisierenden Menschen. Das Abgleiten in den Autoritarismus beginnt nicht, wenn der Nachbar mitten in der Nacht weggeschleppt wird, es beginnt schon, wenn die Mächtigen glauben, ungestraft handeln zu können. Leider leben wir in einer Zeit, in der die Demokratie solchen Figuren hörig zu sein scheint. Im Vereinigten Königreich haben wir mit Boris Johnson einen Premierminister, der einmal sagte, er wolle seinen Kuchen sowohl backen als ihn auch essen – ein deutliches Anzeichen für einen Menschen, der die Regeln aufstellen und brechen möchte, wann es ihm passt. Der derzeitige Präsident der Vereinigten Staaten glaubt, das Recht zu haben, ohne Konsequenzen sagen zu können, was er will, wann er will und zu wem er will. Donald Trumps Tweets erinnern täglich daran, dass Freiheit nicht gleich Freiheit ist.

Übersetzung aus dem Englischen: Michael Kleff

... mehr im Heft.

Dies ist eine Kolumne. Für die Inhalte der hier veröffentlichten Texte sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Diese Inhalte spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.