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Backkatalog   Ausgabe Nr. 1/2019   Internetartikel
»Ich wollte unbedingt vermeiden, ein One-Hit-Wonder zu werden.«
Dota Kehr * Foto: Annika Weinthal

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Aktuelles Album:

Die Freiheit
(Kleingeldprinzessin/Broken Silence, 2018)


Cover Die Freiheit


Dota

Hippies sterben niemals aus

Im November hat sie die Liederbestenliste angeführt, die stets in diesem Magazin abgedruckt wird. Da Dota Kehr – deren Vorname zugleich als Bandname fungiert – über ein gesundes Selbstbewusstsein verfügt, das nicht in dicker Hose, sondern ganz selbstverständlich daherkommt, wird sie das nicht sonderlich überraschen. Die Frau weiß einfach, wie gut sie ist.

Text: Rolf Thomas

„Zwei im Bus“ – das Lied von Platz eins – stammt aus ihrem neuen Album Die Freiheit und endet nach dreieinhalb Minuten ziemlich plötzlich und überraschend. „Ich mag kurze Lieder, ich finde das erfrischend“, meint Dota. „‚Zwei im Bus‘ handelt von einem rassistischen Witz und viele Leute haben mir Vorhaltungen gemacht, dass ich in dem Lied ja gar keine Lösung anbieten würde. Natürlich nicht – wie denn auch? Ich habe lange darüber nachgedacht und fast zwei Jahre an dem Lied geschrieben, weil ich gedacht habe, vielleicht finde ich noch ein besseres Ende. Aber ich denke, das Ende liegt in der Natur der Sache, die ich ganz gut beschrieben habe.“

Mit ihrer Band, die bis vor sechs Jahren unter dem Namen Dota und die Stadtpiraten firmierte, hat sie einen festen Modus Operandi gefunden. „Wir arbeiten schrittweise“, erzählt die Sängerin. „Wenn wir drei, vier neue Lieder haben, proben wir intensiv und anschließend gehen wir ins Studio und nehmen sie auf. Nach ein, zwei Jahren sichten wir das Material und gucken, was davon zusammenpasst. Dabei fliegen manche Lieder ganz raus, andere verändern wir im Tempo oder in der Tonart. Allmählich bekommt das jeweilige Album dann einen roten Faden.“

Diese Arbeitsweise hat sich allerdings erst nach vielen Jahren herauskristallisiert. „Früher haben wir ganze Alben am Stück aufgenommen“, räumt Dota ein, „aber ich glaube nicht, dass man es dem Album Die Freiheit anhört, dass es anders entstanden ist. Wir wollten uns diesmal mehr Zeit nehmen und dem Material die Freiheit geben, die es verlangt. Dabei spielen auch unsere Toningenieure eine wichtige Rolle, aber so richtige Produzenten sind sie nicht.“

Schön, wenn man sich selbst produzieren kann – aber könnte ein bisschen Input von außen, das von einem Produzenten zwangsläufig kommt, nicht auch hilfreich sein? „Ich habe mich immer mal wieder gefragt, ob wir nicht mal mit einem Produzenten arbeiten sollen“, gibt Dota zu, „aber man muss halt jemanden finden, zu dem man sehr viel Vertrauen hat. Und dann muss man diesen Prozess komplett aus der Hand geben, denn sonst gibt es ein endloses Gezerre. Ich habe aber auch eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie meine Lieder klingen sollen, und die Grundidee ist meist schon im allerersten Fragment vorhanden. Dieser Idee muss man nachspüren und dabei nicht in Soundvorstellungen verfallen, nur weil sie gerade gängig sind.“

Hier ist es, das Selbstbewusstsein, von dem vorne die Rede war. Dota hatte einen Plan und den hat sie sich mit ihrer Band erfüllt – kein Wunder, dass sie in sich ruht. „Ich wollte unbedingt vermeiden, ein One-Hit-Wonder zu werden“, erklärt sie, „und bislang hat das gut geklappt. Wenn es auf den Zugabenteil zugeht, rufen die Leute wirklich alle möglichen Songtitel in den Raum, und das gefällt mir ziemlich gut.“

Bleibt die Frage, warum man ein einmal eingeführtes Markenzeichen, nämlich Dota und die Stadtpiraten, mutwillig verkürzt. „Die Band wollte die Verkürzung auf den Namen Dota schon lange“, erklärt die Sängerin. „Mir kam das immer komisch vor, weil das halt mein Spitzname ist, weswegen ich mich lange dagegen gesträubt habe. Aber die Band fand immer, dass ‚Dota und die Stadtpiraten‘ zu niedlich klingt, irgendwie nach Kindertheater. Jetzt bin ich ganz zufrieden mit dem Namen, obwohl er natürlich suggeriert, dass ich die wichtigste Person bin und die Band austauschbar ist – und das stimmt überhaupt nicht.“

Unser Interview findet in Kreuzberg statt, in einem Straßencafé bei mildem Spätsommerwetter. Die Menschen, die hier sitzen, scheinen einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen zu müssen, und in diesem Kiez ist Dota bekannt und beliebt. „Da, wo die Hippies sind, fühle ich mich wohl“, grinst sie. „Ich bin selbst auch ein Hippie. Ich glaube einfach daran, dass die ganze Menschheit in Frieden miteinander leben kann, und wenn man daran glaubt und sich für diese Utopie beschimpfen lässt, dann ist man ein Hippie. Wir sind weit weg davon, dass es funktioniert. Ich glaube aber dennoch, dass es möglich ist.“

Dota wurde als Dorothea Kehr 1979 in Berlin geboren. „Ich hatte als Kind ganz bürgerlich Klavierunterricht“, berichtet sie, „das habe ich gehasst. Wahrscheinlich war das aber eine gute Basis. Üben zu lernen ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt. Gitarre habe ich erst mit zwanzig gelernt und seit ich dreiundzwanzig bin, lebe ich davon, Musik zu machen. Am Lagerfeuer zu sitzen und Popsongs zu singen – ich liebe das.“

Dota hat wohl nicht immer so ganz an eine Karriere im Musikbusiness geglaubt, denn neben ihrer Tätigkeit als Straßenmusikerin unter dem Künstlernamen Kleingeldprinzessin – ihre Plattenfirma heißt bis heute danach – hat sie, man höre und staune, Medizin studiert (Abschluss 2010). Da hatte sie sich mit ihren Stadtpiraten längst einen Namen gemacht. Blech + Plastik und Bis auf den Grund hießen die Erfolgsalbenn, die sich ohne großes Medienecho hervorragend verkauft haben. Daneben hat sie mit ihrer Band auch immer gerne Live-Platten veröffentlicht, bisher vier, wenn ich richtig gezählt habe. Es gibt auch eine Solo-Live-Album von ihr, aber im Allgemeinen bevorzugt sie es, mit einer Band unterwegs zu sein und Platten aufzunehmen – die Frau mit der Gitarre zu sein war nie ihr Ding. Gitarrist und Bassist Jan Rohrbach und Schlagzeuger Janis Görlich sind schon seit Jahren dabei, Keyboarder Patrick Reising von Tele, der für Jonas Hauer in die Band gekommen ist und damit die Regel, dass Dota-Musiker mit „j“ anfangen müssen, außer Kraft gesetzt hat, fügt sich versiert ins musikalische Geschehen ein. „Die musikalischen Ideen zusammen mit einer Band zu arrangieren“, meint Dota ganz schlicht, „macht mir einfach unglaublich viel Spaß.“

Diesen Spaß hört man auch dem Album Die Freiheit in jeder Sekunde an. Es ist einfach erfrischend, Musik mit deutschen Texten zu hören, die weder den Grönemeyer-Westernhagen-Liedermacher-Muff der Siebzigerjahre verströmt noch nach den windschnittigen Bendzko-Giesinger-Arschgeigen der Gegenwart klingt. Man hört einfach: Dota, die wollen was und die wagen was, ohne einem mit dem Zeigefinger im Gesicht herumzufuchteln, aber auch, ohne dass ihre Musik gleichzeitig wie ein Song aus einer Bierreklame klingt.

„Es wäre zu wünschen, dass noch viel mehr Leute das hören“, hat die FAZ einst geschrieben, und man kann sich sicher sein, dass Die Freiheit mittlerweile ihr Publikum gefunden hat, denn das Album ist bereits im vergangenen September erschienen. Seitdem war die Band nahezu ununterbrochen auf den Bühnen dieser und der angrenzenden Republiken unterwegs – darunter selbstredend zwei ausverkaufte und umjubelte Konzerte im Festsaal Kreuzberg – und ist es auch weiterhin. Im Januar kann man Dota noch in Köln, Aachen, Münster, Hamburg, Würzburg, München und Wien erleben. Hingehen und mitsingen.