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Backkatalog   Ausgabe Nr. 5/2018   Internetartikel
Alexander Scheer und Andreas Dresen * Foto: Peter Hartwig, Pandora Film

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Kinostart: 23. August 2018

Gundermann
Deutschland, Pandora Film, 2018, 127:00; Regie: Andreas Dresen, Drehbuch: Laila Stieler

Darsteller: Alexander Scheer, Anna Unterberger, Milan Peschel, Bjarne Mädel, Axel Prahl, Thorsten Merten, Peter Sodann u. a.



„Wir wollten kein Gundermann-Museum“

Andreas Dresen im Gespräch über seinen Film Gundermann

Am 21. Juni dieses Jahres jährte sich zum zwan­zig­sten Mal der Todestag Gerhard Gundermanns. Der Lau­sitz­er Lie­der­macher starb im Al­ter von nur 43 Jahr­en an einer Gehirn­blutung. Seit­dem haben Freund­e, Weg­ge­fähr­ten, Mit­musiker und An­hänger die Er­in­ne­rung an ihn und seine Musik durch eine Vereins­grün­dung, Treffen, Gedenkveranstaltungen oder Konzerte am Leben erhalten. Auch heute noch inspirieren Gundermanns Lieder viele, wobei ihre Strahlkraft nur selten bis in die alten Bundesländer reicht. Das könnte nun ein abendfüllender Spielfilm ändern. Der vielfach ausgezeichnete Filmemacher Andreas Dresen hat sich zusammen mit Drehbuchautorin Laila Stieler der vielschichtigen Persönlichkeit des Liederschreibers, Dramaturgen, Singeklubleiters, aber auch Baggerfahrers, SED-Mitglieds und Stasi-IMs angenommen. Der Regisseur von Filmen wie Halbe Treppe, Sommer vorm Balkon oder Halt auf freier Strecke bringt selbst seit zehn Jahren zusammen mit Axel Prahl Gundermann-Lieder auf die Bühne und stand dem Folker am Telefon Rede und Antwort.

Text: Stefan Backes (Interview)

Wann kam Ihnen zum ersten Mal der Gedanke, einen Film über Gerhard Gundermann zu machen?

Das war auf einem Spaziergang mit Laila Stieler. Wir hatten gerade Willenbrock gemacht und redeten über Folgeprojekte. Wir waren beide schon immer fasziniert von der Persönlichkeit Gundermanns, seinen vielen Facetten. Daher kam uns der Gedanke, dass man über ihn sicherlich einen spannenden Spielfilm machen könnte. Das muss 2004, 2005 gewesen sein …

Warum hat es so lange gedauert?

Es ist natürlich kein einfaches Projekt, so ein komplexes Leben zu verfilmen. Vor allem Laila hat am Anfang viel Zeit damit verbracht, Recherchen anzustellen, Gespräche zu führen – mit Gundermanns Frau Conny, mit seinen Freunden und Weggefährten, mit den Musikern der Seilschaft, aber auch mit allen möglichen anderen
Gundermann, der Film

Um es vorwegzunehmen: Dem Regisseur und seiner Crew ist eine wunderbare Übertragung der facettenreichen realen Persona in einen Spielfilmkontext gelungen. Die lebt auch von der herausragenden Leistung ihrer Hauptdarsteller, vor allem Alexander Scheers als Gerhard und Anna Unterbergers als Conny Gundermann. Menschen, die Gundi persönlich kannten, werden Aspekte vermissen, aber der Film musste sich verständlicherweise auf gewisse Schwerpunkte beschränken. Gleichzeitig lassen sich Bezüge zu den Dokumentarfilmen Richard Engels über den Musiker und Tagebauarbeiter erkennen sowie in die Handlung eingebaute Aussagen aus Originalinterviews. Dresens Umsetzung konzentriert sich auf vier miteinander verzahnte Aspekte – Gundermanns Musikerdasein, seine Arbeit im Tagebau, den Umgang mit seiner Stasi-Vergangenheit und die Liebesbeziehung zu Conny. Dabei gelingt es dem Film, seine Hauptfigur nachvollziehbar sowohl als Täter als auch als Opfer sowie als streitbaren und trotzdem liebenswerten Querdenker darzustellen. Eine besondere Rolle spielt dabei die Musik. Die passgenau ausgewählten Lieder Gundermanns sind elementare Bestandteile der Dramaturgie, die die Handlung vorantreiben. Wenn am Ende der Film mehr Fragen stellt als er Antworten gibt, ist der Zuschauer gefragt, sich selbst ein Urteil zu bilden, während die schlüssige Rahmenhandlung alles zusammenhält und dem Ganzen seine Relevanz gibt. Entscheidend dürfte sein, sich auf die Figuren im dramaturgischen Zusammenhang ein- und sie in ihrer Fiktionalität zuzulassen, um der Eigenwirksamkeit des Films Raum zu geben. Inwiefern die Macher dabei ihrem Ansinnen gerecht werden, den Menschen und Musiker Gundermann einem größeren Publikum zu öffnen, wird sich zeigen, auf jeden Fall glückt die Zeichnung eines differenzierten Bildes der DDR.
Stefan Backes
Leuten … Dann musste entschieden werden, worauf wir uns in einem zweistündigen Film konzentrieren wollen. Am Ende sind über die Jahre acht verschiedene Drehbuchfassungen entstanden.

In welchem Ausmaß waren Sie an der Entwicklung des Drehbuchs beteiligt?

Laila Stieler ist die alleinige Autorin. Aber ich habe das Projekt über all die Jahre eng begleitet und als Regisseur auch Ideen, Vorschläge eingebracht. Für mich war wichtig, bei den Recherchen ein wenig Distanz zu halten – ich hatte ja noch nie einen Film über eine Person gemacht, die tatsächlich gelebt hat. Und wenn man zu viele Leute persönlich kennt, ist man nicht mehr in der Lage, den für einen Spielfilm durchaus auch nötigen Abstand herzustellen.

Hat Ihrer beider Ost-Sozialisation Ihnen geholfen?

Wir sind natürlich mit vielen Problemen, denen Gundermann begegnet ist, vertraut. Wir kennen das, in einem Land zu leben, das man sich besser wünscht. Und wenn man die DDR von links kritisiert hat, konnte man durchaus in Bedrängnis geraten – das ist Gundermann ja durchaus auch passiert. Das sind Aspekte, die wir kannten und die wir sehr erzählenswert fanden, weil es uns zum einen um Gerhard Gundermann als Texter, Sänger und Musiker ging, zum anderen aber auch um Gundermann als Kommunist, als eine Persönlichkeit, die sich in dieses System eingebracht und verwickelt hat. Es war uns wichtig, möglichst differenziert über die DDR zu erzählen, frei von Klischees.

Der Film greift auch zwei eher private Momente auf, die in der bisherigen Beschäftigung mit Gundermann weniger eine Rolle gespielt haben: seine Liebesbeziehung zu Conny und wie er persönlich mit seiner Stasi-Vergangenheit umging. Warum gerade diese beiden Aspekte?

Die Liebesgeschichte ist natürlich sehr besonders. Es ist bemerkenswert, wenn sich zwei Menschen schon aus der Schule kennen und dann jemand in seiner Liebe so intensiv und stark ist, dass er sieben Jahre lang um den anderen kämpft – obwohl Conny damals noch in einer anderen familiären Konstellation lebte und zwei Kinder hatte. Das führte dazu, dass die beiden sich gefunden und eine ganz intensive Beziehung geführt haben. Das hat uns sehr berührt. Auf der anderen Seite gerät Gundermann durch die Konfrontation mit seiner IM-Tätigkeit in eine Lebenskrise und muss sich selbst befragen: Wie habe ich gelebt? Wo bin ich schuldig geworden? Und wie gehe ich damit um?

... mehr im Heft.