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Backkatalog   Ausgabe Nr. 5/2017   Internetartikel
»Ich machte einfach so viele verschiedene Dinge, dass ich gar nicht mehr genau weiß, wann ich mich für die Musik entschied.«
Residente (René Pérez Joglar) * Foto: Jorge Villa Moreno

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Auswahldiskografie:


Solo:
Residente
(Sony Music Latin, 2017)


mit Calle 13:
Multi Viral
(El Abismo, 2014)

Entren Los Que Quieran
(Sony Music Latin, 2010)

Los De Atrás Vienen Conmigo
(Sony Music Latin, 2008)

Residente O Visitante
(Sony BMG, 2007)

Calle 13
(White Lion, 2005)


Cover Turn The Corner 2013


Schildbürger mit Heiligenschein

Residente aka René Pérez Joglar

Auf musikalischer Suche nach der DNS

Der puerto-ricanische Rapper und Singer/Songwriter, bis dato Kopf von Calle 13, sorgte in den gut zehn Jahren, die dieses (Halb-)Brüderduo bestand, für Furore und Furor. Die maßgeblich von ihm patentierte, zumeist auch in suggestive Videoclips gebannte Mixtur aus politisch kämpferischem, gerne auch provokativem Hip-Hop, gut tanzbarem Reggae und Latin- wie Rockeinflüssen erntete Polemiken, aber auch fünfundzwanzig Latin Grammys. Ein absoluter Rekord in der siebzehnjährigen Geschichte dieser Trophäe, den nicht mal Latinstars wie Juanes erreichten. Was die Popularität von Calle 13, vor allem aber auch die dafür geleistete Arbeit seitens der Musiker angeht, ist dies weniger ein honoriger denn ein verdienstvoller Fakt. Nach dem 2015 erklärten Aus der im spanischen Sprachraum erfolgreichsten Hip-Hop-Band scheinen ihrem Mastermind auch auf seinem erst kürzlich eingeschlagenen Solopfad die Herzen einer Riesenfanschar zuzufliegen. Dies war auch kürzlich zu erleben, als Residente mit seinem gleichnamigen Debütalbum durch Europa und dabei auch durch Deutschland tourte.

Text: Katrin Wilke

Der Mann mit dem kahlgeschorenen Kopf und den zahlreichen Tattoos trägt seine zumeist gerappten, bisweilen gesungenen Verse häufig mit einer fast militanten Rage vor. Diesen Energiepegel erreicht er im Interview nur ganz punktuell. Ruhig und gelassen analysiert der Neununddreißigjährige sein künstlerisches Tun – mit einfachen, klaren Worten, rhetorisch klug und kohärent. Sein kommunikatives Geschick, das sich in entsprechend ausgeklügelten Versen ausdrückt, konnte René Pérez Joglar samt etlicher weiterer kreativer Qualitäten nach eigener Aussage in seinem familiären Umfeld von Anfang an bestens entwickeln. „Ich habe ständig etwas geschrieben und gezeichnet, machte zudem viel Sport und kann sagen, dass ich eine behütete Kindheit hatte. Meine Eltern standen stets hinter mir, unterstützten mich in allem, auch dabei, Künstler zu werden. Das sind viele meiner Familienmitglieder geworden, eine Schwester ist Sängerin (Ileana Cabra war ebenfalls zehn Jahre Mitglied von Calle 13, Anm. d. Red.), eine andere Schauspielerin. Ich machte einfach so viele verschiedene Dinge, dass ich gar nicht mehr genau weiß, wann ich mich für die Musik entschied.“
1978 in Hato Rey, einem Stadtteil von San Juan geboren, wuchs er mit Mutter und Geschwistern jedoch im ferner der Hauptstadt gelegenen Trujillo Alto auf, in der band-namengebenden „13. Straße“. Die lag in einem einfachen, vor allem von Arbeitern bewohnten Viertel. Die Mutter, eine eher unbekannte Schauspielerin, bescherte dem Sohn mit ihrem schönen Gesang erste bewusste Musikgenüsse, wenn sie bei der Hausarbeit Boleros und andere Lieder intonierte. Der Lebensgefährte der Mutter gab dem Stiefsohn schließlich den entscheidenden Impuls, ließ ihn die ersten Schritte der Musik verstehen. Später waren es die sozialkritische Salsa von Rubén Blades und erst danach der Hip-Hop, die Pérez ein für allemal köderten. René und sein Halbbruder, der später bei Calle 13 im Hintergrund agierende Komponist und Musiker Eduardo Cabra aka Visitante, begleiteten den Hobbymusikanten zu den Hochzeiten, auf denen er zunächst spielte. „Wir trugen das Equipment mit ihm durch die Küche zum Spielort, waren auf diese Weise also von klein auf mit dem Bühnenthema vertraut.“ René Pérez’ Vater wiederum, ein gewerkschaftsnaher Anwalt und studierter Politikwissenschaftler, war auch Musiker und kaufte seinem Sohnemann das erste Schlagzeug, weckte jedoch eher dessen sozialkritischen und politischen Unruhegeist. Seit den Siebzigerjahren solidarisch mit den Sandinisten in Nicaragua und mit Kuba, schleppte er den Jungen schon früh mit zu Demos, Streiks und Arbeiterversammlungen, wie dieser im Gespräch erinnert. Was er dabei vom Ungleichgewicht und Wahnsinn der näheren und weiteren Welt lernte, verwandelt der Rapper, dem heute nahezu sechs Millionen bei Twitter folgen, bereits seit den Calle-13-Anfängen in entsprechende zwischen Poesie und Pamphlet siedelnde Liedtexte. „In ‚Querido FBI‘ (‚Liebes FBI‘), meinem zweiten Song überhaupt, habe ich das FBI mit Scheiße beworfen und die Unabhängigkeit von Puerto Rico thematisiert“, so der Künstler. Das spontan aufgenommene und gratis ins Netz gestellte Lied antwortete auf zornig-explizite Weise nur dreißig Stunden später auf den bei einer Razzia gewaltsam herbeigeführten Tod von Filiberto Ojeda Ríos, dem lange vom FBI gesuchten Anführer der für Puerto Ricos Unabhängigkeit kämpfenden militanten Untergrundbewegung Los Macheteros.

... mehr im Heft.