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Backkatalog   Ausgabe Nr. 3/2017   Internetartikel
»Für mich ist der Fado Leben. Deshalb mag ich das Fadosingen, dieses Durchleben der Musik.«
Für mich ist der Fado Leben. Deshalb mag ich das Fadosingen, dieses Durchleben der Musik.

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Diskografie:

Nua
(Edições Valentim de Carvalho, 2016; Flowfish, 2017)

Sem Filtro
(Edições Blitz, 2015)

Ao Vivo
(Vinyl; Edições Valentim de Carvalo 2014)

Gisela João
(Edições Valentim de Carvalho, 2013)


Cover Nua


Orthodoxe Bilderstürmerin

Die junge Fadista Gisela João

Dem Fado und seinen Interpreten wohnt stets etwas Ehrwürdiges an. Man empfindet ihn am Wahrhaftigsten, wenn er – ähnlich wie der Flamenco – nach vom Leben gezeichneter Schwere und Reife klingt. Diesen Eindruck erweckt auch der kraftvoll-tiefe, majestätische wie raue Gesang der Portugiesin Gisela João. Dabei entzieht sich die gerade mal 33-Jährige in vielerlei Hinsicht den mit Fado assoziierten Charakteristika und Klischees. Auf bislang zwei Studio- und zwei Livealben kann man Joãos sympathische Eigenwilligkeit im Umgang mit der Kunst und mit dem Leben zwar musikalisch nicht direkt vernehmen. Sie nimmt den Fado dennoch durchaus ernst, diese fernab seines Epizentrums geborene Sängerin, der andererseits die Meinungen der Puristen egal sind. Dass die zu Hause und mittlerweile auch weltweit hofierte, genauso natürliche wie selbstbewusste Künstlerin mit dem Outfit eines Popstars auch sonst ihren Stiefel durchzieht, zeigte sich im Gespräch wie im Konzert.

Text: Katrin Wilke

Die zierliche Frau mit dem langen blonden Haar und den auffälligen Armtattoos betritt die Bühne gern in sehr kurzem Glitzerkleid und Turnschuhen, welche sie dort zum Tanzen und bequemeren Herumspazieren häufig auszieht. Sie führt, was die Optik und ihr heiteres, dem Publikum zugewandtes Auftreten angeht, auf eine andere, eher fadoferne Fährte. Vielleicht wird sie deshalb in den heimischen Gazetten gerne etwas oberflächlich als „rock-’n’-rolligste Fadista“ bezeichnet. „Das sagt man wohl, weil ich mich nicht von Kopf bis Fuß in Schwarz kleide“, meint João. „Ich spreche auch nicht wie sie. Mir gefällt es zu tanzen, ich mag elektronische Musik. Ich bin wie jede Frau meines Alters und aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert. Nur mache ich eben traditionellen Fado – das ist alles.“ Die Künstlerin würde sich wünschen, mit jemandem wie Björk zu arbeiten oder der Berliner Electroband Moderat – sie höre einfach viele Arten von Musik. Und doch ließ sie einst für den Fado die per Studium in Porto anvisierte Laufbahn als Modedesignerin sausen. Nicht dort, auch nicht in Lissabon oder am anderen Fadostandort Coimbra begann Gisela João, sich für diese Musik zu interessieren, sondern schon als Kind in Barcelos. In ihrer im hohen Norden Portugals gelegenen Heimatstadt, die höchstens durch ihren schwarzen, zum Landessymbol erwachsenen Hahn von sich reden macht, entdeckte das älteste von sieben Geschwistern beim Radiohören den Fado für sich, wollte so singen wie Amália Rodrigues.
Inwieweit die geografisch wie stilistisch umwegige Annäherung an die Fadowelt von der fernen Peripherie aus ihr Sein als Fadista geprägt hat, ist eine gute Frage. Ebenso, wie sie unter solchen Voraussetzungen in der an großartigen Kolleginnen und Kollegen nicht armen Szene der portugiesischen Hauptstadt, ihrer späteren Wahlheimat, zu ihrer ganz eigenen, nun so erfolgsgekrönte Position gelangen konnte. „Oft frage ich mich selbst“, sagt sie, „wer diese Gisela João heute wäre, wenn sie in Lissabon geboren worden wäre. Sicher nicht dieselbe …“ Auch ihr Verhältnis zum Fado wäre nicht dasselbe, der für sie „vom Leben der Menschen spricht, deren Geschichte aus Freud und Leid gemacht ist. Für mich ist der Fado Leben. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir möglichst oft unseren Spaß am Leben haben. Deshalb scherze ich auch mal mit dem Publikum, bringe es gern zum Lachen, rede mit den Menschen. Das gehört schließlich zum Leben, das uns mal zum Weinen, dann wieder zum Lachen oder aber zur Ruhe bringt. Deshalb mag ich das Fadosingen, dieses Durchleben der Musik.“

... mehr im Heft.