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Backkatalog   Ausgabe Nr. 1/2017   Internetartikel
»Es wurden intensive Forschungen in Osteuropa angestellt, um von den letzten überlebenden Zeugen noch etwas über die alte Klezmermusik zu erfahren.«
Veretski Pass mit Joshua Horowitz (li.) * Foto: Dana Davis

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Auswahldiskografie:

Semer Ensemble, Rescued Treasure – Live At Gorki Berlin
(Piranha, 2016)

Tantz, Voytek – The Bear
(Eigenverlag, 2015)

Veretski Pass & Joel Rubin, Poyln – A Gilgul
(Golden Horn Records, 2015)

Roberto Rodriguez, Aguares – The Book Of Angels Volume 23
(Tzadik, 2014)

Roberto Rodriguez, Timba Talmud
(Tzadik, 2009)

Zev Feldman & Andy Statman, Jewish Klezmer Music
(Shanachie, 1979)

The Klezmorim, East Side Wedding
(Arhoolie, 1977)



Über Klezmer hinaus

Vierzig Jahre Klezmerrevival

Bunte Auffächerung der jüdischen Musikszene heute

Noch vor einem halben Jahrhundert war es schlecht um die Klezmermusik bestellt. Durch den Holocaust vernichtet, gehörte die jüdische Hochzeitsmusik in den USA zum Milieu einer letzten Generation jüdischer Einwanderer aus Osteuropa. Da deren Töchter und Söhne sich von der Kultur, Sprache und Musik ihrer Eltern distanzierten, um richtige Amerikaner zu werden, wäre zu erwarten gewesen, dass die Klezmermusik nur wenig später unwiederbringlich verloren gegangen wäre. Doch es kam anders. In den Siebzigerjahren begann eine junge Generation jüdischer Musiker in den Vereinigten Staaten sich mit den eigenen Wurzeln zu befassen. So unbedarft ihre Adaptionen anfangs auch gewesen sein mögen, bildeten sie doch den Katalysator für eine Revivalbewegung, die sich rasch ausbreitete. Klezmer wurde zu einem weltumspannenden Phänomen. Nie gab es so viel Klezmer wie heute.

Text: Christoph Wagner

Als Startschuss des Klezmerrevivals gilt die Ende 1976 eingespielte Langspielplatte East Side Wedding von The Klezmorim aus Berkeley in Kalifornien. Die Gruppe war aus dem Sarajevo Folk Ensemble hervorgegangen, einer Folkloregruppe, die vom Flötisten Lev Liberman und dem Geiger David Skuse 1975 gegründet worden war. Man trat mit Melodien aus Südosteuropa in den Bars und Balkanrestaurants San Franciscos auf. Doch mehr und mehr rückte die jüdische Instrumentalmusik ins Zentrum des Interesses. 1976 änderte die Band ihren Namen in The Klezmorim.
Das Material für ihr erstes Album hatte die Band ihren Großeltern und anderen alten Emigranten abgelauscht, die sich noch an die Melodien aus Polen, Russland, der Bukowina, Galizien oder Litauen erinnern konnten. Außerdem nahm man Kontakt mit Forschern und Schellackplattensammlern auf, die ihre Schätze aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren zur Verfügung stellten. Allerdings waren die Vorstellungen von den Eigenheiten der Klezmerspielweise recht vage. Was Phrasierung und Ornamentierung betraf, tappten die Musiker weitgehend im Dunkeln und mussten sich notgedrungen an Stilformen osteuropäischer Folklore und den wenigen Schellackaufnahmen orientieren, auf die sie Zugriff hatten. Für Musikforscher öffnete sich ein weites Feld.
The Klezmorim waren nicht die einzigen, die Mitte der Siebzigerjahre begannen, sich für das musikalische Erbe ihrer jüdischen Vorfahren zu interessieren. An der Ostküste in New York beschäftigen sich zur selben Zeit zwei andere Musiker mit dem gleichen Gegenstand: der Klarinettist und Mandolinenspieler Andy Statman und der Musikethnologe Zev Feldman, der das Tsimbl, das jiddische „Hackbreydl“ spielte. Statman war noch vom Veteranen Dave Tarras, der in den Zwanzigern aus der Ukraine in die USA eingewandert war, in die Geheimnisse des Klezmerklarinettenspiels eingeweiht worden. Während sich The Klezmorim mit Schlagzeug, Tuba und Saxofon eher an der jazzbeeinflussten Spielart der Klezmermusik orientierten, ließen sich Statman und Feldman von den introvertierten osteuropäischen Wurzeln der Musik faszinieren, die im Leben der chassidischen Juden immer eine spirituelle Funktion gehabt hatte.

... mehr im Heft.