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Backkatalog   Ausgabe Nr. 4/2016   Internetartikel
»Unsere Songs entwickeln sich vom Gesang her.«
9Bach

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Diskografie:

Anian
(Real World Records, 2016)

Tincian
(Real World Records, 2014)

9Bach
(Gwymon, 2009)


Cover Anian


9Bach

Reformierung und Tradition

Nachdem ihr zweites Werk Tincian bei den BBC Radio 2 Folk Awards mit dem Preis für das beste Album ausgezeichnet wurde, stellt die nordwalisische Band 9Bach um Sängerin und Songwriterin Lisa Jên Brown nun Anian vor. Wie auf den vorhergegangenen Alben bestreitet Brown sämtliches Songmaterial auf Walisisch und überbrückt mit ihren Musikerkollegen die Grenzen zwischen Folktradition und zeitgenössischer Popmusik.

Text: Judith Wiemers

Lisa Jên Brown und ihr sechsköpfiges Bandprojekt 9Bach sind Teil einer stillen Revolution. Die Entscheidung, ihre Songs auch auf dem dritten Album Anian konsequent auf Walisisch zu schreiben und aufzunehmen, beruft sich längst nicht nur auf musikästhetische Gründe, sondern hat gleichsam kulturpolitische Relevanz. In Zeiten eines globalisierten Musikmarktes, der von großen englischsprachigen Superkonzernen kontrolliert wird, steuern viele junge europäische Folkbands dem Trend stilistischer Homogenisierung entgegen und revitalisieren die unterdrückten oder vergessenen Sprachen ihrer Herkunftsregionen. Gleich ihren Nachbarn, die jeweils schottisches und irisches Gälisch wieder verstärkt in den Fokus nehmen, widmen sich 9Bach der Pflege einer weiteren keltischen Sprache – dem Kymrischen beziehungsweise „Cymraeg“.
Ihr drittes Album benennt das Sextett nach einem fast metaphysisch anmutenden Konzept. „Anian ist ein walisisches Wort und bedeutet ‚Naturʻ oder auch ‚natürliche Ordnung, Moralʻ und ‚Schöpfungʻ. Es ist ein Begriff, der den innersten Kern des Menschen beschreibt, unsere Seele und unseren Köper, und wie wir uns mit anderen verbinden“, so die Website der Band. Basierend auf dieser das Album thematisch umspannenden Grundidee, widmen sich die einzelnen Songs persönlichen Episoden und Erfahrungen ihrer Verfasserin. Es geht vor allem um Seelenzustände, die sich nur schwer in Worte kleiden lassen, etwa die Probleme des Mutterseins oder die Schwermut, die das Bewusstsein über das eigene Alter auslösen kann. In der Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich fühlt sich Brown in der walisischen Sprache am wohlsten, da sie nach ihrer Aussage eine ganz eigenwillige Poetik mitbringt. „Es ist meine Muttersprache, in der ich denke und träume. Ich spreche walisisch mit meinen Kindern und meinem Hund. Es ist keine bewusste Entscheidung, sondern ganz natürlich für mich.“
Das Revival von Sprachen durch folkloristische Musik hat insbesondere in den letzten Jahren an Fahrt gewonnen, gefördert durch spezialisierte Folkfestivals, Labels und staatliche Initiativen zur Bewahrung kultureller Vielfalt. Obwohl sich Künstler der traditionellen Sprachen und musikalischen Stile spezifischer Regionen, Nationen oder religiöser Gruppierungen bedienen, sind sie doch meist fest verankert in der Idee des interkulturellen Austauschs über staatliche und stilistische Grenzen hinweg. So entsteht neue Musik, die an die Sprachen und Musik eigentlich vergangener Tage angelehnt ist, nicht im luftleeren Raum. Sie setzt sich stattdessen ganz konkret und voller Spaß am Experiment mit moderner Populärkultur und tagesaktueller Thematik auseinander oder mischt sich selbstbewusst mit folkloristischen Stilen „von fremden Menschen und Ländern“, wie schon Robert Schumann seine Klavierminiatur nannte.

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