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Backkatalog   Ausgabe Nr. 6/2015   Internetartikel
» Ich sehe mich eher als Friedensaktivistin, die ihre Stimme nutzt.«
Hanna Yaffe

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Diskografie:

Birth In A Time Of Bloodshed – Wartime Lullabies
(2014, Eigenverlag)

Lullabies From Jerusalem
(2001, Eigenverlag)


Cover Birth in a Time of Bloodshed


Brückenbauerin“

Hanna Yaffe

Traum von besseren Zeiten

Nicht alle Schlaflieder eigenen sich für den geruhsamen Schlaf – zumindest nicht, wenn man alt genug beziehungsweise sprachlich talentiert genug ist, die Texte von Hanna Yaffes Birth In A Time Of Bloodshed – Wartime Lullabies zu verstehen. Selbst wenn sie melodisch in den Schlaf wiegen, textlich befinden sich unter den weltweit gesammelten Songs Klagelieder, die Geschichten von Krieg und den Sorgen der Mütter erzählen. In Zeiten anhaltender Konflikte und Krisen im Nahen Osten, in Nordafrika, in Zeiten, in denen Millionen Menschen auf der Flucht sind, haben sie eine beklemmende Aktualität.

Text: Claudia Frenzel

Hanna Yaffe fällt es schwer, sich als Musikerin zu bezeichnen. Die Sängerin aus Jerusalem hat im letzten Jahr ihr zweites Album veröffentlicht, wegen einer Krebserkrankung mit weitem Abstand zu ihrem Debüt, Lullabies From Jerusalem, das bereits 2001 erschien. „Ich sehe mich eher als Friedensaktivistin, die ihre Stimme nutzt. Es ist nicht so, dass ich jeden Tag auf der Bühne stehe“, sagt sie. Mit Veröffentlichung des aktuellen Albums im letzten Jahr hat sie verschiedene musikalische Projekte begonnen. „Derzeit singe ich in einer Frauenband und hoffe bald mit einer israelisch-palästinensischen Band arbeiten zu können, außerdem singe ich in der Synagoge.“ Darüber hinaus hat sie viele Jahre für die britische Wohltätigkeitsorganisation Spirit of Peace gearbeitet und unterrichtet religiöse jüdische Gesänge für Frauen. Sie könne sicherlich singen, aber sie würde sich, wie sie erzählt, dennoch nicht als professionelle Musikerin beschreiben. „Dafür bin ich vielleicht auch inzwischen etwas zu alt“, fügt die Neunundfünfzigjährige lachend hinzu. Je länger das Interview dauert, desto mehr zeigt sich, dass Yaffes Antrieb weit mehr ist als die Musik. „Was ich eigentlich tun will, ist Brücken zu bauen“, sagt sie. Dass dies in Zeiten wie diesen schwerer denn je geworden ist, weiß sie.

Doch ein paar Schritte zurück. Der Name Hanna Yaffe ist in weiten Teilen Israels noch so unbekannt wie hierzulande. Yaffe wurde 1956 in London geboren und wuchs in einer Rabbinerfamilie auf. Nach ihrem Studium in Gateshead verschlug es sie, keine zwanzig Jahre jung, während des Höhepunkts der Apartheid nach Südafrika. Eine Zeit, die sie bis heute geprägt hat und in ihrer Friedensarbeit in Israel bestärkt. „Hier in Jerusalem leben Muslime, Christen und Juden zusammen, aber wir treffen uns nicht, im Gegenteil, wir haben Angst voreinander“, beschreibt sie den Widerspruch, den jeder wahrnehmen kann, der die Altstadt einer der spirituellsten Städte der Welt besucht. Sie selbst lebt seit 1975 in Jerusalem, und ihr Traum ist es, dass irgendwann einmal alle friedlich zusammenleben. Ein Traum, vom dem man derzeit im Nahen Osten weiter entfernt ist als jemals zuvor. Davon entmutigen lässt sie sich nicht.

Bei ihren Projekten besteht sie darauf, dass christliche, jüdische und arabische Musiker und Sänger zusammen auf der Bühne stehen. Diese Idee funktioniert gut. Erst neulich wurde sie von der armenischen Sängerin des aktuellen Albums gebeten, ein Konzert zu organisieren. Am Ende kamen in die Jerusalemer Kirche mit einhundertfünfzig Plätzen über zweihundert Gäste. Jeder dieser Konzertbesucher ist in ihren Augen auch ein Multiplikator für ihre Vision friedlichen Zusammenlebens. Selbst wenn Yaffe in die eigene Familie blickt, muss sie schmerzhaft feststellen, dass ihrer Kinder und Enkel es vorziehen, in den besetzten Gebieten zu leben, und wenig an Verständigung und Austausch mit den palästinensischen Nachbarn interessiert sind, im Gegenteil. In gewisser Weise mache sie ihre Musik auch für ihre Enkel, erzählt sie. Sie hofft, dass die nächste Generation einen Zugang zu den palästinensischen und arabischen Nachbarn bekommt.

... mehr im Heft.