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Backkatalog   Ausgabe Nr. 5/2015   Internetartikel
» Ich sehe ich mich mehr als Interpret, denn als Liedermacher.«
Günter Gall * Foto: Wolfgang Behnke

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Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printversion, das Heft kann bestellt werden unter www.irish‑shop.de.

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Auswahldiskografie:

Liebwerte Brüder, Schlecker & Immen – Lieder und Episteln von Carl Michael Bellman
(mit Konstantin Vassiliev; Eigenverlag, 2015)

Soldaten-Leben – Lieder von Krieg und Frieden aus fünf Jahrhunderten
(mit Konstantin Vassiliev; Jump Up, 2014)

Wohl heute noch und morgen – Günter Gall singt und spricht Lieder & Lyrik aus 30 Jahren
(Eigenverlag, 2012)

Klassiker op platt – Günter Gall singt Villon, Brel, Heine, Goethe und andere
(Artychoke, 2006)


Cover Liebwerte Brüder, Schlecker & Immen


„Mein ganzer Reichtum ist mein Lied“

Günter Gall

Folk- und Bänkelsänger, Komödiant, Rezitator, Autor

Irgendwann in den frühen Fünfzigerjahren des ver­gangenen Jahrhunderts, Kinder spielen in Granat­trichtern und zerbombten Häusern. Manchmal fragen sie ihre Eltern nach den Ursachen der Zerstörungen. Meistens erhalten sie keine oder nur ausweichende Antworten. „Ich habe damals meinen Vater gefragt, woher denn die Einschusslöcher in den Häusern kämen“, erzählt Günter Gall. „Die einzige Reaktion war eisernes Schweigen.“ Der Friedensaktivist Gall vermutet, dass der Grundstein für sein jahrzehntelanges konsequentes Interesse an und Engagement um Krieg und Frieden durch solche und ähnliche Erlebnisse gelegt wurde. Darüber hinaus verfügt er über ein ungewöhnlich breit gefächertes Themenspektrum sowie über eine Fülle unterschiedlichster künstlerischer Ausdrucksmöglichkeiten. Seit mehr als vierzig Jahren ist er fester Bestandteil der bundesdeutschen Kleinkunstszene.

Text: Kai Engelke

Wie bei so vielen seiner Zunft fanden die Anfänge seiner Musikanten- und Bardenkarriere auf der Straße statt. Zu Beginn der Siebzigerjahre hörte Gall in einer Krefelder Studentenkneipe erstmals „Seven Drunken Nights“ von den Dubliners. „Das hat mich glatt umgehauen“, erzählt er. „In etwa drei Wochen intensiven Übens habe ich mir dann ein komplettes zweistündiges Programm mit irischen Sauf- und Raufliedern draufgeschafft, Dubliners, Fureys, Sands Family, und bin damit in die Fußgängerzone gegangen. Und siehe da, nach zwei Stunden hatte ich schon über hundert Mark im Kasten.“ Straßenmusik war eine unverzichtbare Schule für den Barden vom Niederrhein, lernte er doch, auf die Leute zuzugehen, ein Publikum für einen gewissen Zeitraum zu fesseln, und er konnte darüber hinaus neue Lieder ausprobieren. „Außerdem ist Straßenmusik gut für die Stimmbildung, man muss ja den Straßenlärm übertönen.“
Parallel zum Musizieren auf der Straße folgte eine mehrjährige Kneipentour, mit allem, was damals so dazugehörte. „In einer der Kneipen hing ein Mikrofon von der Decke, und nach zwei Stunden hing ich in der Ecke, ziemlich besoffen, konnte die Gitarre nicht mehr halten, hab dann a cappella weitergesungen, war ’n Riesenerfolg“, erzählt Gall, wobei ein gewisser selbstironischer Unterton nicht zu überhören ist.
Inzwischen hatte der Sänger an der Pädagogischen Hochschule in Neuss ein Lehramtsstudium begonnen und entdeckte gleichzeitig in verschiedenen Liedarchiven die Vielfalt traditioneller deutscher Lieder. Durch Einflüsse von Interpreten wie Liederjan und Zupfgeigenhansel begann Gall sich mehr und mehr für kitschfreies, zeitgemäß arrangiertes deutsches Liedgut zu interessieren und auch selbst solche Lieder zu singen, wobei es sich in der Regel um Stücke der einfachen Stände, um sogenannte Lieder demokratischen Charakters handelte. In dieser Zeit wurde Willy Schwenken – nahezu legendärer Plattenhändler, Labelchef und Konzertveranstalter – auf den jungen Musikanten aufmerksam. Günter Gall veröffentlichte in der Folge seine ersten fünf LPs bei Schwenkens Plattenfirma Autogram. Mit Tom Gerstenberger an Gitarre, Mandoline und Geige bildete er in den Achtzigerjahren das Duo Mulwerk, aus dem bald mit dem Geiger Kalle Heydecke ein Trio wurde. Günter Gall war fortan weniger in Kneipen, dafür immer häufiger bei Veranstaltungen im Rahmen der Friedensbewegung zu hören.

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