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Backkatalog   Ausgabe Nr. 3/2020   Internetartikel
Gudrun Walther * Foto: Eva Giovannini, © Sven Ehlers

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Corona und die Folgen

Was macht das Virus mit der Szene

Angesichts der Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus stehen Künstlerinnen und Künstler, Touragenten, Veranstalter und viele andere Akteure der Musik- und Kulturszene vor einer existenzbedrohenden Situation. Neben vielen Aktionen und Aufrufen zur Unterstützung wurden zwar recht bald die ersten Maßnahmenpakete von Bund und Ländern geschnürt, aber schnell wurde klar, dass die meisten der betroffenen Freischaffenden und Soloselbstständigen durch das Raster der Vorgaben fielen. Das Ganze verschärfte sich noch, als Großveranstaltungen bis vorerst 31.8.2020 untersagt wurden und zunächst unklar blieb, wann überhaupt wieder Konzerte oder ähnliches stattfinden können. Um die Situation speziell auch für die von uns präsentierte Szene zusammenzufassen, haben wir die Musikerin und Touragentin Gudrun Walther (Cara, Deitsch, Artes Konzertbüro) gebeten, uns die Lage aus ihrer Sicht zu schildern (Stand 20. April).

Kannst du kurz die generelle derzeitige Situation für Freiberufler im Kulturbereich skizzieren?

Es herrscht maximale Verunsicherung. Alle Großveranstaltungen sind bundesweit bis 31. August untersagt, aber was sind „Großveranstaltungen“? Werden andere Veranstaltungen vorher wieder erlaubt? In welchem Rahmen? Wenn ja, ist es zu verantworten, ein Konzert zu geben? Kocht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen? Was ist dann mit Tourneen, die durch mehrere Bundesländer führen? Und wie lange sind die Grenzen noch dicht, was ist mit Gigs im Ausland? Kann ich Soforthilfe beantragen oder mache ich mich damit strafbar? Muss ich Hartz IV beantragen? Wie lange geht das noch weiter? Was mache ich, wenn das bis Herbst 2021 so bleibt? Das sind die Fragen, die man sich als freiberufliche Musikerin dieser Tage stellt.

Wie gehst du persönlich damit um?

Ich versuche, im Hier und Jetzt zu leben. Jeder Tag, an dem man gesund ist und die Sonne scheint, ist ein guter Tag. Ansonsten versuche ich zu tun, was man tun kann, ohne in Aktionismus zu verfallen. Ich halte den Kontakt mit Fans und Veranstaltern.

Was hat es mit der #AktionTicketBehalten auf sich, die du mitinitiiert hast?

Ein Kollektiv der zehn führenden Konzertagenturen aus dem Bereich Folk/Weltmusik steht hinter dieser Aktion, bei der wir das Publikum bitten, bereits gekaufte Tickets nicht erstatten zu lassen, sondern solidarisch zu spenden, damit sie Künstlern, Veranstaltern und anderen Beteiligten zugutekommen. Die Idee wurde geboren, als wir von der Absagewelle überrollt wurden und jede Menge Konzerte ausfielen, die im Vorverkauf bereits ausverkauft waren. Aber natürlich verlangen wir von niemandem Geld, der es sich selbst gerade nicht leisten kann!

Warum genau greifen die bisherigen Maßnahmen der Politik nicht?

Ich glaube, die meisten Politiker können sich die Lebensrealität eines freischaffenden Künstlers nicht vorstellen. Ein Musiker hat keine „Betriebsausgaben“, weil er kein Bürogebäude mietet, sondern zum Arbeiten auf der Bühne steht. Und das Honorar, das man erhält, verwendet man natürlich für den eigenen Lebensunterhalt – für was denn sonst? Auf eine skurrile Art ist es fast schon witzig, worüber man hier diskutieren muss. Und der absurde Lösungsvorschlag, Grundsicherung zu beantragen – „unbürokratisch“ mit bis zu sechzig Seiten Antrag einschließlich Vermögensprüfung des Partners –, ist einfach unverschämt, wenn vorher behauptet wird, man wolle einen Schutzschirm für die Kultur spannen.

Was würde besser helfen? Wäre die aktuelle Lösung eines monatlichen Grundeinkommens wie in Baden-Württemberg ein Modell für den Bund?

In Baden-Württemberg kann man 1.180 Euro „fiktiven Unternehmerlohn“ monatlich beantragen, begrenzt auf drei Monate. Das ist eine einmalige Soforthilfe. Und es ist besser als nichts. Meiner Meinung nach wäre jedoch eine fairere Regelung, den Künstlern einen prozentualen Anteil ihres realen Verdienstausfalls zu zahlen – analog zum Kurzarbeitergehalt. Und zwar für die gesamte Dauer der Krise, denn für uns wird es nach drei Monaten noch nicht vorbei sein!

Was erwartest du für die Zukunft? Wie wird sich das Ganze auf die Szene auswirken?

Ich habe keine Ahnung – alles hängt nun vom weiteren Verlauf der Pandemie ab. Aber ich drücke uns allen kräftig die Daumen, dass es im Herbst zumindest im kleineren Rahmen wieder Konzerte geben kann. Das wäre wunderbar.